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Deutsches Notarinstitut
Gutachten-Abruf-Dienst
G u t a c h t e n d e s D e u t s c h e n No t a r i n s t i t u t s
Abruf-Nr.:
143366
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
30. Juli 2015
BGB §§ 2296, 132; ZPO §§ 192 ff., 178 ff.
Zugang des Rücktritts vom Erbvertrag; Zustellung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers; Ersatzzustellung
I. Sachverhalt
Die Ehefrau ist durch notariell beurkundete Rücktrittserklärung vom Erbvertrag mit ihrem Ehemann aufgrund vorbehaltenen Rücktrittsrechts zurückgetreten. Der beurkundende Notar hat zwei
Ausfertigungen der Rücktrittserklärung an den Gerichtsvollzieher übersandt, mit der Bitte, eine
Ausfertigung des Rücktritts an den Ehemann unter der Adresse zuzustellen, die die Ehefrau dem
Notar genannt hat. Hierbei wurde eine Ersatzzustellung ausgeschlossen.
Der Gerichtsvollzieher hat den Auftrag an die Post gegeben, die den Empfänger (Ehemann)
jedoch nicht persönlich angetroffen hat und dies so auf der Sendung vermerkte. Der Gerichtsvollzieher hat die beiden Ausfertigungen mit diesem Vermerk an den Notar zurückgeleitet.
II. Fragen
1.
Ist die Rücktrittserklärung dem Ehemann bereits wirksam zugestellt worden?
2.
Wie kann der Zugang der Rücktrittserklärung beim Ehemann bewirkt werden, wenn dieser
nicht bereit ist, persönlich im Notariat zu erscheinen? Kommt eine Ersatzzustellung in
Betracht?
III. Zur Rechtslage
1.
Zugang der Rücktrittserklärung zu einem Erbvertrag
Der Rücktritt vom Erbvertrag muss gem. § 2296 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich vom Erblasser persönlich vorgenommen werden; eine Erklärung durch einen Vertreter ist ausgeschlossen. Gem. § 2296 Abs. 2 S. 1 BGB erfolgt der Rücktritt vom Erbvertrag durch
Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden. Die Rücktrittserklärung bedarf
gem. § 2296 Abs. 2 S. 2 BGB der notariellen Beurkundung.
Bei der Rücktrittserklärung i. S. v. § 2296 Abs. 2 BGB handelt es sich daher um eine einseitige, form- und empfangsbedürftige, unwiderrufliche Willenserklärung.
Was die Frage des Zugangs der Rücktrittserklärung angeht, gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 130-132 BGB. Die Übermittlung der Rücktrittserklärung bedarf also, im
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Gegensatz zu der Erklärung selbst, keiner besonderen Form. Der Rücktritt wird wirksam,
sobald die Rücktrittserklärung dem anderen Vertragsteil zugeht (Palandt/Weidlich, BGB,
74. Aufl. 2015, § 2296 Rn. 2). Gegenüber mehreren Vertragschließenden muss die
Erklärung auch jedem von ihnen zugehen (BGH WM 1985, 1180; Burandt, in:
Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl. 2014, § 2296 BGB Rn. 5). Dabei muss die Rücktrittserklärung in Urschrift oder in Ausfertigung zugehen, d. h. der Zugang einer beglaubigten
Abschrift reicht nach h. M. nicht aus (Burandt, § 2296 BGB Rn. 5; Palandt/Weidlich, § 2296
Rn. 3 m. w. N.). Eine bestimmte Form oder eine Beurkundung der Übermittlung der
Rücktrittserklärung ist nicht vorgeschrieben (Staudinger/Kanzleiter, BGB, 2013, § 2296
Rn. 9). Freilich mag eine Zustellung gem. § 132 BGB aus Gründen der Beweissicherung
zweckmäßig sein (Palandt/Weidlich, § 2296 Rn. 2).
2.
Zugangsfiktion durch Zustellung unter Vermittlung eines Gerichtsvollziehers
Gem. § 132 Abs. 1 S. 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie
durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Gem. § 132 Abs. 1
S. 2 BGB erfolgt die Zustellung nach den Vorschriften der ZPO. Die Mitwirkung des
Gerichtsvollziehers ist für eine wirksame Zustellung gem. § 132 BGB unverzichtbar. Die
Zustellung im Parteibetrieb reicht nicht aus (Palandt/Ellenberger, § 132 Rn. 2).
Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ist in den §§ 192 ff. ZPO geregelt. Der
Gerichtsvollzieher hat dabei nach pflichtgemäßem Ermessen die Wahl, ob er die
Zustellung persönlich vornimmt oder gem. § 194 ZPO die Post mit der Zustellung beauftragt (vgl. MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl. 2013, § 192 Rn. 2). Unanwendbar sind
nach herrschender, aber nicht unbestrittener Meinung die Vorschriften über die Zustellung
durch Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO) und durch Einschreiben gegen Rückschein (§ 175
ZPO) (vgl. BeckOK-ZPO/Dörndorfer, Stand: 1.3.2015, § 192 Rn. 2; MünchKommZPO/Häublein, § 192 Rn. 2 m. w. N.).
Die Beauftragung der Post durch den Gerichtsvollzieher stellt in der Praxis den Regelfall
dar. Die Post leitet nach Ausführung der Zustellung dem Gerichtsvollzieher die Zustellungsurkunde gem. § 194 Abs. 2 ZPO zurück. Der Gerichtsvollzieher leitet sie gem. § 193 Abs. 3
ZPO dann an den Auftraggeber weiter.
Sowohl bei der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (§ 193 ZPO) als auch bei der
Beauftragung der Post durch den Gerichtsvollzieher (§ 194 ZPO) ist Leitbild der Zustellung
die persönliche Übergabe des Schriftstücks an den Zustellungsadressaten (§ 177 ZPO). Ist
eine solche persönliche Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten allerdings nicht
möglich, kommt auch eine Ersatzzustellung gem. §§ 178 ff. ZPO in Betracht (vgl.
MünchKommBGB/Einsele, 6. Aufl. 2012, § 132 Rn. 3; Palandt/Ellenberger, § 132 Rn. 2).
a) Wird der Zustellungsadressat in seiner Wohnung, im Geschäftsraum oder in der
Gemeinschaftseinrichtung, in der er wohnt, nicht angetroffen, kann die Ersatzzustellung gem. § 178 ZPO durch Übergabe in der Wohnung an einen erwachsenen
Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigte Person oder einen erwachsenen
ständigen Mitbewohner (bzw. in den Geschäftsräumen an eine dort beschäftigte Person
bzw. in der Gemeinschaftseinrichtung an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu
ermächtigten Vertreter) erfolgen. Ist dies nicht möglich ist, kann die Ersatzzustellung
nach § 180 ZPO erfolgen, indem das entsprechende Schriftstück in einen zu der
Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt wird, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die
in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Letzteres
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wäre beispielsweise nicht der Fall, wenn der Briefkasten nicht verschließbar oder aufgebrochen ist oder wenn er überquillt und hierdurch ein Indiz besteht, dass er nicht
regelmäßig geleert wird (vgl. MünchKommZPO/Häublein, § 180 Rn. 5).
Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 S. 2 ZPO). Dabei ist es
grundsätzlich ohne Bedeutung, wenn der betreffende Briefkasten auch von den Angehörigen der Familie des Adressaten benutzt wird.
b) Zu beachten ist im Rahmen der Ersatzzustellung aber die Regelung des § 178 Abs. 2
ZPO. Hiernach ist die Zustellung an eine in § 178 Abs. 1 ZPO genannte Person unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt wird, beteiligt ist.
Übertragen auf den Fall des Rücktritts vom Erbvertrag bedeutet dies, dass eine Ersatzzustellung gem. § 178 ZPO nicht an den den Rücktritt erklärenden Erblasser selbst
erfolgen kann, wenn dieser mit dem Rücktrittsgegner (noch) in einer Wohnung lebt.
Dementsprechend muss auch die Einlegung in den Briefkasten gem. § 180 ZPO unterbleiben, wenn die Vorrichtung auch vom Prozessgegner (bzw. in diesem Zusammenhang vom zurücktretenden Ehegatten) benutzt wird (vgl. OLG Nürnberg NJW-RR
2004, 1517; AG Bergisch-Gladbach FamRZ 2004, 955, 956). Die Regelung entspricht
§ 185 ZPO a. F. und will die ohnehin mit einem gewissen Weiterleitungsrisiko verbundene Ersatzzustellung dort verhindern, wo wegen Interessenkollision die Gefahr der
Nichtaushändigung des Schriftstücks an den Adressaten größer erscheint als gewöhnlich.
Ist der Adressat schließlich unbekannten Aufenthalts, kann eine öffentliche Zustellung
der Rücktrittserklärung gem. §§ 185 ff. ZPO erfolgen (KG DNotZ 2006, 931; BeckOKBGB/G. Müller, Stand: 10.2.2015, § 2296 Rn. 21).
3.
Vorliegender Sachverhalt
Im vorliegenden Fall hat der Notar im Rahmen einer selbständigen Betreuungstätigkeit gem.
§ 24 BNotO die Bewirkung des Zugangs der Rücktrittserklärung an den Ehegatten übernommen. Hierzu hat er den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung der Ausfertigung der
Rücktrittserklärung beauftragt (§ 132 Abs. 1 BGB). Im Zustellungsauftrag wurde jedoch
eine Ersatzzustellung ausgeschlossen. Der Gerichtsvollzieher hat sodann in Ausübung seines
Ermessens seinerseits die Post mit der Zustellung beauftragt (§ 194 ZPO). Da die Post den
Zustellungsadressaten nicht persönlich angetroffen hat und gleichzeitig eine Ersatzzustellung nicht beauftragt war, konnte daher bisher keine wirksame Zustellung erfolgen.
Die Zugangsfiktion des § 132 Abs. 1 S. 1 BGB ist daher u. E. bisher nicht eingetreten, so
dass der Rücktritt vom Erbvertrag bisher nicht wirksam geworden ist.
Es dürfte daher dringend angezeigt sein, den Gerichtsvollzieher erneut mit der Zustellung
einer Ausfertigung der Rücktrittserklärung zu beauftragen. Leben die Ehegatten noch in
einer gemeinsamen Wohnung und/oder nutzen sie einen gemeinsamen Briefkasten, sollte
wegen § 178 Abs. 2 ZPO die Ersatzzustellung an den zurücktretenden Ehegatten bzw. durch
Einlegung in den gemeinsamen Briefkasten der Ehegatten ausgeschlossen werden; ist dies
nicht der Fall, erscheint der Ausschluss der Ersatzzustellung nicht angezeigt. Insbesondere
dann, wenn der Zustellungsadressat nicht persönlich angetroffen wird, bietet die Möglichkeit der Ersatzzustellung gem. §§ 178 ff. ZPO einen Weg, zeitnah den Zugang der Rücktrittserklärung zu bewirken. Eine öffentliche Zustellung dürfte vorliegend ausscheiden, da
der Aufenthalt des Adressaten offenbar bekannt ist.