eGov Präsenz Fachzeitschrift des E-Government-Instituts rends 2016–2025 «Partizipation ist aus Sicht der Verwaltung letztlich eine Frage der Dienstleistungs erbringung. Man kann damit mehr Involve ment schaffen.» ‣ S. 14 Interview mit Bundesrat Ueli Maurer ‣ S. 10 1 | 2016 Public Value E-Government-Institut « We turn IT into Public Value ! » e-government.bfh.ch ‣ Wirtschaft 1 Leitartikel Alles bleibt anders – nach 15 Jahren ist dies die letzte Ausgabe der «eGov Präsenz» Prof. Dr. Reinhard Riedl Wissenschaftlicher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Generell sagt man, Menschen seien zu optimistisch, was den Fortschritt in den nächsten drei Jahren betrifft, und zu pessimistisch, was den Fortschritt in den nächsten zehn Jahren betrifft. Die «eGov Präsenz» gibt es nun schon 15 Jahre. Mancher Traum, den es damals noch gar nicht gab, hat sich in dieser Zeit erfüllt. Dafür wurden einige felsenfest begründete Erwartungen total enttäuscht. Die «eGov Präsenz» wurde von Dieter Spahni und Michael Gisler gegründet, als Flaggschiff des damaligen Kompetenzzentrums E-Government, und hat seither einige Veränderungen erlebt. Die Zeitschrift wurde vor allem bunter, dicker und gelegentlich auch angriffiger. Viele wegweisende Fachartikel wurden in ihr veröffentlicht, ebenso wie das eine oder andere umstrittene Editorial, viele Entscheidungsträger – EU-Vizepräsidenten, Schweizer Bundesratsmitglieder und Topmanager aus der Wirtschaft – standen im Interview Rede und Antwort, und seit einigen Jahren werden sogar schräge Künstlerinterviews als Nudger fürs Weiterdenken präsentiert. Wie viel das tatsächlich geholfen, who knows! Obwohl viele Visionen von damals sich nicht erfüllt haben und heute teilweise sogar unrealistischer erscheinen als 2001, hat sich das Mantra vom Verschwinden des E-Government («aus E-Government wird Government») durchgesetzt. Wir anerkennen das und feiern in diesem Heft darum ein fröhliches Begräbnis. Herzlichen Dank schon hier allen Autoren, Lesern, Mitarbeitenden und Mitstreitern für 15 spannende Jahre! Blick zurück und nach vorne In der ersten Ausgabe trugen die beiden Beiträge aus der Forschung die Titel «Wissensmanagement im E-Government» (Autorin: Maria Wimmer) und «Prozessmanagement als Grundlage für integriertes eGovernment» (Autor: Joel Meir). Zwei schöne Hoff nungen, deren Umsetzung sich als schwierig erwies. Wissensmanagement wird auch in Zukunft ein wichtiges, erstrebenswertes, aber schwierig zu erreichendes Ziel bleiben, und die Optimierung der Geschäft sprozesse eine zentrale Aufgabe der Verwaltungsentwicklung. Trotzdem wurde in der Zwischenzeit viel bewegt, und irgendwann werden auch diese beiden Schwerpunkte breit umgesetzt sein. Eine Zeitschrift einstellen ist immer auch ein Scheitern. Wir sind daran gescheitert, die Begeisterung für die Frage zu wecken, wie der Staat der Zukunft aussehen soll. Wir sind daran gescheitert, den Wunsch nach mehr Fachwissen über E-Government anzustacheln. Wir sind daran gescheitert, E-Government zu einer Causa Prima der Verwaltungsentwicklung zu machen. Und wir sind daran geschei- tert, bei den Organisationsverantwortlichen im Staat die Begeisterung für die Technik zu wecken und bei den Ingenieuren das Interesse für die Organisationsfragen des Staats zu wecken. Mit uns sind auch unsere tollen Autoren ein bisschen gescheitert. Sie verfolgten oft genug noch visionärere Ziele oder begründeten unsere Vision mit einem sauberen fachlichen Fundament, wofür wir ihnen dankbar sind. Man scheitert meist, weil man zuerst die Zukunft und anschliessend die Gegenwart verpasst. In unserem Fall gehört die Zukunft der digitalen Transformation, das heisst der digitalen Vernetzung von Wirtschaft, Verwaltung und Menschen. Schulrat und Schulleitung der BFH haben deshalb beschlossen, das BFH-Zentrum «Digitale Gesellschaft» zu gründen. In diesem Zentrum werden vier Departemente zusammenarbeiten und interdisziplinäre Teams bilden, um sowohl in der Forschung als auch bei Dienstleistungen noch mehr Qualität zu bieten und die Themen breiter zu bespielen. Selbstverständlich wird für das Zentrum die digitale Transformation des Staats ein Schlüsselthema bleiben, das dann neu Digital Government heisst. Aber wir werden uns auch mit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigen. Eines wird dabei gleich bleiben, nämlich unsere Überzeugung, dass nur eine echt transdisziplinäre Denkweise dem Digitalisierungsthema gerecht wird. Oder anders gesagt: Alles bleibt bei uns auch in Zukunft anders – hoffentlich immer häufiger nicht nur als Wunsch, sondern auch in Wirklichkeit! Mittelfristige Trends Zukunft svorstellungen seien eigentlich Erinnerungen, betont Matthias Horx in seinem jüngsten Buch. Was würde also besser passen für ein fröhliches Begräbnis als das Thema Zukunft strends? (Als wir das Thema auswählten, wussten wir zwar noch nichts vom Ende der «eGov Präsenz», aber so passt es nun.) Was sind diese Zukunft strends im E-Government? Derzeit wird die Weiterentwicklung der Informatiknutzung durch drei Trends geprägt: Internet of Things (IoT), Big Data und Plattformen. Alle drei Bereiche sind sowohl kurzfristige Marketing-Hypes als auch praktisch sehr relevante Mittelfristtrends, und sie stehen in Wechselwirkung zueinander. IoT steht einerseits für die Totalvermessung der Welt in Echtzeit und anderseits für die zentrale Steuerung weit verteilter dezentraler Systeme. Messgeräte aller Art sollen überall installiert und über das Internet mit zentralen Datensammelstellen verbunden werden – und umgekehrt sollen alle Arten von Geräten über das Internet gesteuert werden können. Bei Big Data geht es darum, aus Daten möglichst viele Informationen herauszuziehen, das heisst, implizit in den Daten verborgene Informationen explizit zu machen. IoT produziert für Big Data viele Daten und ermöglicht über Gerätesteuerung, z.B. von Ampeln, auch interessante Big-Data-Anwendungen. Bei Plattformen geht es um Dienst-, Dokumenten- und Daten-Ökosysteme. Sie sollen das Wiederverwenden, Migrieren und Kombinieren von Diensten, Dokumenten und Daten ermöglichen, ein gemeinsames Bearbeiten und den gemeinsamen Nutzen unterstützen und komplexe Organisationsstrukturen durch Queries ersetzen. IoT liefert den Plattformen Daten, während Big Data es den Plattformen ermöglicht, ihre Datenschätze kommerziell zu valorisieren. 2 Leitartikel Im E-Government können IoT, Plattformen und Big Data für verwaltungsinterne Systemdienste genutzt werden, einerseits für Echtzeitdienste wie die Verkehrssteuerung, die Warnung vor Naturkatastrophen und die Realisierung ambitiöser Energiesparziele mittels intelligenter verteilter Energiespeicherung, anderseits für Analyse- und Planungsdienste zur Identifikation von Klientenbedürfnissen (Was wünschen sich Einwohner wirklich? Wo existieren Infrastrukturdefizite?), zur verbesserten Ressourcenverwaltung (insbesondere im Energiebereich) und zur Zukunftsplanung (beispielsweise im Gesundheitswesen und in der Wirtschafts politik). Langfristige Trends Angesichts der Dauer von Veränderungszyklen in der Verwaltung haben langfristige Trends mehr Bedeutung als kurzfristige. Ein stabiler Langfristtrend in der Informatik ist die Weiterentwicklung der Abstraktionen. Immer komplexere Systeme können auf hoher Abstraktionsebene gesteuert werden. Ein zweiter stabiler Langfristtrend ist die Wechselwirkung von Informatik und Informatik nutzung. Die Kultur der Anwendungsbereiche beeinflusst die Informatik ebenso wie die Denkweise der Informatik die Anwendungsbereiche beeinflusst. Mehr noch, über den Umweg der Informatik beeinflussen sich die Anwendungsbereiche gegenseitig. Beispielsweise verändert die private Gadgetkultur, Consumerization genannt, auch die Verwaltung wesentlich. Für das E-Government bedeuten beide Trends unter anderem, dass verwaltungsgerechte Lösungsbaukästen entstehen werden. In der Folge wird das Konfigurieren und Integrieren von Standardlösungen das Implementieren massgeschneiderter Lösungen weitgehend ablösen, ausgenommen das Implementieren echter Innovationen. Die Standardisierung der Begriffssysteme wird dabei an Bedeutung gewinnen. Aber auch ein integratives Maturitätsverständnis, das Technik und Organisationsstrukturen kombiniert, wird sich weitgehend durchsetzen. Darüber hinaus wird die offene Vernetzung von Daten, Diensten und Prozessen der Verwaltung und der Wirtschaft Wirklichkeit werden. Auch werden neue, umfassende Reportingmöglichkeiten entstehen. Und so weiter, und so fort. All dies hat in Teilen bereits angefangen, wie weitgehend es den Staat aber verändern wird, ist noch nicht abzusehen. Die Wahrscheinlichkeit von Fortune Bei all diesen Zukunftsaussichten sollte man sich im Sinne von Horx hinterfragen, ob dies denn nicht primär Erinnerungen sind. Vielleicht bringt die Zukunft ja etwas Neues, das uns zu einem ganz anderen Staatsverständnis als heute führen wird?! Beispielsweise wenn das Triple-O - Open Data, Open Services, Open Processes Wirklichkeit wird und die Grenzen zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft sich auflösen. Oder wenn die Kontrolle über Währungen privatisiert wird, dafür aber der Staat neu entstehende Personendatenbanken betreibt. Und man sollte sich bewusst machen, dass Innovationen in der Verwaltung nur mit Spitzenkräften möglich sind, die nicht zuletzt Fortune besitzen. Was diese Fortune fördert und was nicht, ist zwar erforscht, aber kaum wissenschaftlich veröffentlicht. Auch die Romanveröffentlichungen zum Thema sind meist schon älteren Datums und thematisieren somit nicht die Herausforderungen der digitalen Transformation der Verwaltung. Eine zeitlos gute Voraussetzung für Fortune ist aber sicher eine positive Grundeinstellung zur Verwaltung und ihren Mitarbeitenden. Nur wer davon ausgeht, dass die meisten Verwaltungsmitarbeitenden gute Arbeit leisten wollen, und eine Innovation so gestaltet, dass sie dieses Wollen unterstützt, der darf auf Fortune hoffen. E-Government sollte deshalb zuallererst als Enabler für noch bessere Verwaltungsarbeit konzipiert und kommuniziert werden. Völlig kontraproduktiv dagegen ist es, der Verwaltung die Wirtschaft als Vorbild zu empfehlen. Vorbilder sind etwas für Kinder, und auch die suchen sich die Vorbilder selber. Die Verwaltung braucht stattdessen Mitarbeitende, die Veränderung wollen, können und tun! Erlauben Sie mir zum Abschluss eine persönliche Bemerkung dazu: Ich habe schon als Kind verordnete Vorbilder als empörend empfunden, egal ob es sich um elitäre Patrizier, deklarierte Fach experten oder proletarische Führer handelte. Dagegen haben mir gute Handwerker immer sehr gefallen, obwohl ich selber nie einer werden wollte. Und heute geht es mir noch genauso: Verwaltungsmitarbeitende, die etwas bewegen, die die Produktivität der Verwaltung steigern, sie beeindrucken mich sehr. Dieses Commitment zum Nutzen für die Menschen und die Wirtschaft, wie man es in der Verwaltung an und ab erlebt, hat eine ureigene, faszinierende Qualität: So sehr es sich im Ziel vom Unternehmertum unterscheidet, so gross sind die Ähnlichkeiten im Handeln. Ich bin deshalb überzeugt davon, dass Digital Government sich darauf konzentrieren sollte, diese traditionellen Stärken der Verwaltung zu stärken. Es ist das, was wir vom Staat wirklich brauchen! Den Rest kann man getrost automatisieren. Herzlichst, ihr Reinhard Riedl PS: Das BFH-Zentrum Digitale Gesellschaft wird in Nachfolge der eGov Präsenz eine Online Zeitschrift herausgeben. Wir sind derzeit am Erarbeiten eines Konzepts, das den heutigen Bedürfnissen nach sprachlicher Liquidität gerecht wird. 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Prof. Dr. Reinhard Riedl Veranstaltungen 27 eGov-Fokus: vielfältige Vorträge im Berner Rathaus Anja Gerzner 28 Wie steht es ums E-Government in der Schweiz? Rückblick auf das E-Government-Symposium 2015 in Bern Prof. Dr. Konrad Walser 30 Veranstaltungsvorschau InfoSocietyDays 2016 – Herausforderungen der digitalen Transformation Jürg Lehni, Anna Faoro E-Government Schweiz 32 E-Government Schweiz: neuer Fokus, neue Gesichter Anna Faoro 5 Inhalt 10 Fachteil Forschung / Analyse 17 34 Mehrwert schaffen durch Linked Open Data Prof. Dr. Eduard Klein, Stephan Haller 36 Aufdeckung von SoD Risiken in internen Kontrollsystemen (IKS) Daniel Kappeler 38 Digitale Transformation in der Verwaltung – Herausforderungen und Lösungsansätze Lars Erdmann 40 Sicherheit, Nutzungskomfort und Datenschutz – die einzigen Erfolgsfaktoren einer nationalen eID? Olivier Brian, Katinka Weissenfeld 43 Attente et réalité sur les données ouvertes: objectifs ambitieux et pratiques dysfonctionnelles Sirko Hunnius, Grégoire Njacheun-Njanzoua 45 Digitalisierung der Bürgerbeziehung: vom formularbasierten Prozess zur digitalen Interaktion Stephan Sutter 47 Open Data als erster Schritt zum Aufbau einer nationalen Dateninfrastruktur André Golliez, Alessia C. Neuroni 50 Wenn das Internet tot ist – ein Blick in die Zukunft Gérald Strub Praxis – Schweiz 20 27 52 Die Post bringt ihr Kerngeschäft in die digitale Welt Claudia Pletscher 55 E-Partizipation leicht gemacht Martin Baumgartner 57 Der steinige Weg zum einheitlichen Personenidentifikator Dr. iur. Esther Hefti, Angelina Dungga 59 Was trägt eine «vernetzte Verwaltung» dazu bei, dass E-Government selbstverständlich wird? Thomas Schärli 61 Digitale Archivierung – informationeller Nexus? Andreas Kellerhals 63 Werden GEVER-Systeme Standardsoftware? Was sind die Konsequenzen? Dimitri Gebhard 65 Neue Digitalisierungsstrategien durch mehr Zielgruppenorientierung Der neue Mix aus Pluralität und Gemeinsamkeit Michael Prader, Dr. Georg Geyer 67 Die Digitalisierung der Politik in der Schweiz Prof. Dr. Reinhard Riedl Praxis – International 69 Smart Government – intelligent vernetztes R egierungs- und Verwaltungshandeln Prof. Dr. Jörn von Lucke 72 Landkreis Bergstrasse startet E-Government in Bestzeit Gert Lefèvre, Philipp Martin, Petra Steffens, Thomas Wieland 74 Szenarien versus Hypes oder: Wie gestaltet man die Zukunft von Staatlichkeit? Stefanie Köhl, Prof. Dr. Tino Schuppan Ausblick/Rückblick 77 Ausblick: E-Government Themen im neuen BFH-Zentrum Digitale Gesellschaft Prof. Dr. Reinhard Riedl 79Danksagung Die Artikel spiegeln die persönliche Meinung des Autors/der Autorin und nicht die Meinung der Berner Fachhochschule wider. Mitglied der Die Berner Fachhochschule ist Mitglied der European Foundation for Quality Management, EFQM 6 Zu dieser Ausgabe Redaktion «eGov Präsenz» Liebe Leserin, lieber Leser Anja Gerzner Chefredaktorin eGov Präsenz Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] «Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Davor bleibt auch die ‹eGov Präsenz› nicht verschont …», so begann ich im Februar 2014 meinen ersten Text als Chef redaktorin der «eGov Präsenz». Nun beende ich den Satz mit den Worten: «… und erscheint mit dieser Ausgabe zum letzten Mal.» Sie halten das Heft 1/16 der «eGov Präsenz» zum Thema «Trends im E-Government» in den Händen und damit die letzte Ausgabe, welche in diesem Format und mit diesem Themenbereich erscheinen wird. Ich bedanke mich herzlich bei allen Autoren und Autorinnen für ihren wertvollen Beitrag, bei allen Besuchern von Veranstaltungen, die dann darüber berichteten, bei allen Personen, die sich in den Interviews den fachspezifi schen Fragen stellten, bei allen Mitarbeitenden, die über relevante Projekte der Berner Fachhochschule berichteten und diese somit einer breiteren Öffentlichkeit vorstellten, bei allen Partnern und Inserenten, die dafür sorgten, dass die Qualität des Magazins zu jeder Zeit gewährleistet war, bei dem Herausgeber Prof. Dr. Reinhard Riedl für seine Tätigkeit und den immer sehr geschätzten Input. Allen vielen Dank für diese gute Zusammenarbeit. Diese Veränderung soll aber nicht nur einen Verlust bedeuten, sondern etwas Neues hervorbringen. Angesteuert wird ein Online-Magazin im Rahmen des neuen BFH-Zentrums Digitale Gesellschaft. Das Zentrum erarbeitet IKT-Lösungen und -Konzepte für eine intelligente, sichere und faire Nutzung von Information in allen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik. Noch befindet sich das kommende Fachmagazin in der Konzeption. E-Government soll aber einen Platz im Magazin finden, wie auch Artikel in gewohnter Manier. Sie können mir nach wie vor Abstracts per E-Mail einreichen. Ich nehme diese mit Freude entgegen. Detaillierte Informationen finden Sie zu gegebener Zeit unter wirtschaft .bfh .ch, oder kontaktieren Sie mich direkt unter [email protected], und ich informiere Sie persönlich. Ich wünsche Ihnen nun gute Unterhaltung beim Lesen dieser besonderen Ausgabe. Ihr starker e-Government Partner Ihr starker Ihr starker Ihr starker e-Government Partner e-Government Partner Erfahren e-Government Partner Seit Jahren erhöhen unsere Lösungen die Erfahren Effizienz der Verwaltungstätigkeit und die Erfahren Seit Jahrender erhöhen unsere Lösungen die Akzeptanz Dienstleistungen für die BürErfahren Seit Jahren erhöhen unsere Lösungen die Effizienz der Verwaltungstätigkeit und die gerinnen underhöhen Bürger. unsere Lösungen die Seit Jahren Effizienz der Verwaltungstätigkeit und die Akzeptanz der Dienstleistungen für die BürEffizienz der die Akzeptanz derVerwaltungstätigkeit Dienstleistungen für und die Bürgerinnen und Bürger. Kompetent Akzeptanz derBürger. Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Massgeschneiderte gerinnen und Bürger.Softwarelösungen verKompetent langen modernste Methoden und TechnoKompetent Massgeschneiderte Softwarelösungen verlogien. Mit Standardkomponenten steigern Kompetent Massgeschneiderte Softwarelösungen verlangen modernste Methoden und Technowir unsere Effizienz und die Qualität. Massgeschneiderte Softwarelösungen verlangen modernste Methoden und Technologien. Mit Standardkomponenten steigern langen Mit modernste Methoden und Technologien. Standardkomponenten steigern wir unsere Effizienz und die Qualität. Partnerschaftlich logien. Mit Effizienz Standardkomponenten wir unsere und die Qualität.steigern Wir setzen Effizienz auf die langfristige und partnerwir unsere und die Qualität. Partnerschaftlich schaftliche Zusammenarbeit. Vielseitig, flexibel Partnerschaftlich Wir setzen auf die langfristige und partnerund zuverlässig. Partnerschaftlich Wir setzenZusammenarbeit. auf die langfristige und partnerschaftliche Vielseitig, flexibel Wir setzenZusammenarbeit. auf die langfristige und partnerschaftliche Vielseitig, flexibel und zuverlässig. schaftliche Zusammenarbeit. Vielseitig, flexibel und zuverlässig. 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Für den stellvertretenden Gemeindeschreiber von Rüti ZH ist E-Government Gegenwart. «Bevölkerung und Wirtschaft erwarten verstärkt die Möglichkeit zur Online interaktion rund um die Uhr, immer öfters auch mit mobilen Geräten», sagt Baumann. Das erfordert ein Onlineportal mit höchsten Sicherheitsstandards, um Datenschutz, Integrität und Systemverfügbarkeit zu gewährleisten. Aber auch ein schlankes und einfach bedienbares Angebot mit Fokus auf Onlineformulare, Reservationen, Verzeichnisse und aktuelle Informationen. Die OneGov Cloud bietet beides. Und ist dank einer kurzen Implementierungsphase schnell und kostentransparent in Betrieb, ohne auf eine breite Auswahl an Funktionen verzichten zu müssen. René Baumann, stellvertretender Gemeindeschreiber Rüti ZH «Wie jede Gemeinde hatte Rüti ZH bisher einen einfachen Webauftritt. Mit der OneGov Cloud h aben wir jetzt auch einen Online-Schalter für die effiziente und transparente Abwicklung unserer Dienstleistungen.» Individuell wie die Gemeinde Seit Kurzem ist der neue Webauftritt der Gemeinde Rüti mit der OneGov Cloud im Einsatz. Die rund 12 000 Einwohner zählende Kommune hat für die südlich gelegenen Gemeinden im Bezirk Hinwil eine Zentrumsfunktion inne. Nicht zuletzt deshalb bietet sie ein breites Angebot an Infrastrukturen für die Bevölkerung, Unternehmen und Vereine. Mit der OneGov Cloud kann Rüti diese Funktion nun noch stärker wahrnehmen und ihre umfassenden Dienstleistungen als Gemeinde im Internet besser anbieten. Die Basis der OneGov Cloud bildet ein benutzerfreundliches Onlinesystem, welches je nach Bedarf mit Formularen für die täglichen Dienstleistungen der Gemeinde ergänzt wird. Das Onlineportal ist daher mehr als nur eine Website, mit welcher die Gemeinde im Internet präsentiert wird. Die zahlreichen Formularfunktionen können individuell angepasst werden und machen aus dem Webauftritt einen Onlineschalter, mit dem die Dienstleistungen der Verwaltung rund um die Uhr angeboten werden. Ein integriertes Ticketsystem und Webservice-Schnittstellen sorgen dafür, dass die über die Website eingegangenen Daten schnell, übersichtlich und ortsunabhängig von den Mitarbeitern der Verwaltung bearbeitet werden können. Das vereinfacht nicht nur die internen Abläufe, sondern erhöht auch die Qualität der Dienstleistungen. Transparente Kostenstruktur Die OneGov Cloud wird zu einem monatlichen Fixbetrag als «Software as a Service» abgerechnet. Durch den Betrieb in der sicheren Cloud entfallen für die Gemeinde Aufwände für die Infrastruktur und deren Support. Für den sicheren Zugang sorgen eine 2-Authentifizierung mit YubiKey und ein zertifiziertes Schweizer Rechenzentrum. Der Onlineschalter mit seiner umfassenden Funktionalität versteht sich als Gesamtpaket. Derzeit stehen ein Reservationsmodul für Tageskarten und Liegenschaften, Verzeichnisse für Vereine, Firmen und Personen sowie der Zugang zu Informationen über Themen zur Verfügung. Ebenso im Standardset der OneGov Cloud inbegriffen sind unter anderem der barrierefreie Zugang, die Möglichkeit zur Onlinebezahlung, ein Veranstaltungskalender, die Webstatistik und das Publizieren von Nachrichten. Gemeinschaft für E-Government Die OneGov Cloud ist nicht nur ein attraktives Angebot für Gemeinden, sie ist auch Teil einer Gemeinschaft von Kunden, Herstellern und Partnern, welche über den Verein OneGov.ch organisiert sind. Diese Interessengruppe ermöglicht den aktiven Informationsaustausch mit anderen Gemeinden und eine aktive Mitgestaltung. Testen Sie den Onlineschalter für Gemeinden, und besuchen Sie uns auf www.onegovcloud.ch. Fabian Reinhard, Managing Partner, Seantis GmbH «Die OneGov Cloud funktioniert einfach. Somit kann sich die Gemeinde auf das konzentrieren, was zählt: einfaches Bereitstellen von Informat ionen und das Anbieten von Dienstleistungen im Internet.» Seantis GmbH Fabian Reinhard Tel. +41 41 511 22 50 [email protected] www.onegovcloud.ch 8 Zu dieser Ausgabe Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Martin Baumgartner Leiter eGovernment Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG) martin.baumgartner @vrsg.ch Olivier Brian Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Angelina Dungga Wissenschaftliche Mitarbeiterin E-Government Institut Berner Fachhochschule [email protected] Lars Erdmann Business- und IT-Beratung Q_PERIOR Partner Technologie und Innovation lars.erdmann @q-perior.com Anna Faoro Kommunikationsverantwortliche E-Government Schweiz Dimitri Gebhard Bereichsleiter APP Unternehmensberatung AG [email protected] Anja Gerzner Chefredaktorin eGov Präsenz Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Dr. Georg Geyer CEO Information Factory AG, Zürich georg.geyer @information-factory.com André Golliez Präsident Opendata.ch golliez @opendataconsulting.ch Dr. iur. Esther Heft i Juristische Sekretärin mbA Staatskanzlei des Kantons Zürich esther.heft [email protected] Stephan Haller Dozent E-Government Institut Berner Fachhochschule [email protected] Sirko Hunnius Institute for eGovernment (IfG.CC) Employé scientifique [email protected] Daniel Kappeler ICT Consultant WIB Solutions AG [email protected] Andreas Kellerhals Direktor Schweizerisches Bundesarchiv andreas.kellerhals @bar.admin.ch Prof. Dr. Eduard Klein Kompetenzteamleiter E-Government Institut Berner Fachhochschule [email protected] Stefanie Köhl Organisation: IfG.CC – Institute for eGovernment Potsdam Wissenschaftliche Mitarbeiterin [email protected] Gert Lefèvre stv. Abteilungsleiter Moderne Verwaltung E-Government und IT Kreis Bergstrasse gert.lefevre @kreis-bergstrasse.de Prof. Dr. Jörn von Lucke Universitätsprofessor und Direktor The Open Government Institute (TOGI) an der Zeppelin Universität Friedrichshafen [email protected] 9 Zu dieser Ausgabe Philipp Martin Projektleiter E-Government Fraunhofer FOKUS philipp.martin @fokus.fraunhofer.de Alessia C. Neuroni Leiterin Schwerpunkt Open & Linked Data E-Government Institut Berner Fachhochschule [email protected] Grégoire NjacheunNjanzoua Institute for eGovernment (IfG.CC) Employé scientifique njacheun.gregoire @gmail.com Claudia Pletscher Leiterin Entwicklung und Innovation Die Schweizerische Post [email protected] Michael Prader Geschäft sleitung Information Factory AG, Zürich michael.prader @information-factory.com Prof. Dr. Reinhard Riedl Wissenschaftlicher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Prof. Dr. Jürg Römer Fachbereichsleiter Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Thomas Schärli Geschäft sleiter schärli share, Mitglied mehrerer eCH-Fachgruppen thomas.schaerli @gmail.com Petra Steffens Leiterin Business Development E-Government Fraunhofer FOKUS petra.steffens @fokus.fraunhofer.de Gérald Strub Kommunaler Beauftragter für E-Government in den Kantonen Aargau und Luzern Gemeindepräsident Boniswil am Hallwilersee gerald.strub @strubpartner.ch Stephan Sutter ti&m AG, CTO Bern [email protected] Prof. Dr. Konrad Walser Dozent/Senior Researcher Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] «… und im neuen Online-Magazin vielleicht Sie?» Katinka Weissenfeld Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule katinka.weissenfeld @bfh.ch Thomas Wieland Abteilungsleiter Moderne Verwaltung, E-Government und IT Kreis Bergstrasse thomas.wieland @kreis-bergstrasse.de 10 Interview «Mehr Transparenz heisst nicht bessere Leistung, sondern nur mehr Aufwand.» Bundesrat Ueli Maurer spricht über die Bedeutung von E-Government für den Wirtschaftsstandort Schweiz, E-Government in der öffentlichen Verwaltung, internationale Zusammenarbeit und Cybersecurity. Interview: Reinhard Riedl Wie wichtig ist das E-Government für den Wirtschaftsstandort Schweiz? Eine gut ausgebaute Infrastruktur mit verfügbaren digitalen Dienstleistungen der Verwaltung (MwSt.-Abrechnung, elektronische Zolldeklaration etc.), inkl. der dazugehörigen gesetzlichen Grundlagen (z.B. Datenschutzgesetz, Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste), ist ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil. E-Government-Schnittstellen zwischen Unternehmen und den Behörden reduzieren den Aufwand und beschleunigen den Prozess auf beiden Seiten. Welche Herausforderungen und welchen Nutzen bringt E-Government für die Verwaltung? Für die Verwaltung ist insbesondere die bereichsübergreifende Abwicklung eine Herausforderung. Hier ist noch Optimierungspo- tenzial vorhanden. Wenn man dieses ausschöpfte, würde das auch der Wirtschaft einen spürbaren Nutzen bringen. Ansonsten liegt der Nutzen in den gleichen Bereichen wie in der Wirtschaft. Zum Beispiel wäre eine manuelle papiermässige Bearbeitung im Bereich der Zolldeklaration nicht mehr machbar. Wäre mehr Zusammenarbeit im Schweizer E-Government wünschenswert, oder ist es besser, wenn alle Akteure ihre Autonomie nutzen und ihre jeweils eigenen Lösungen entwickeln? Mehr Zusammenarbeit ist hauptsächlich in der Bereitstellung von Basisinfrastrukturen und in der Definition der Rahmenbedingungen notwendig. Eine Interoperabilität kann nur über standardisierte Schnittstellen garantiert werden. Bezüglich der Entwicklung von Lösungen bin ich der Meinung, dass die Akteure ihre Handlungsfreiheit beibehalten sollen. Die Kantone stehen hier in einem gewissen Standortwettbewerb, der durchaus seine positiven Seiten hat. Quelle: VBS/DDPS Quelle: VBS/DDPS Bundesrat Ueli Maurer Von 1978 bis 1986 war Ueli Maurer Gemeinderat von Hinwil. Von 1983 bis 1991 war er im Kantonsrat von Zürich, in seinem letzten Amtsjahr als Ratspräsident. Ueli Maurer wurde 1991 in den Natio nalrat gewählt. In seiner Amtszeit als Präsident der SVP Schweiz von 1996 bis 2008 etablierte sich die SVP als wählerstärkste Partei der Schweiz. Am 10. Dezember 2008 wurde Ueli Maurer in den Bundesrat gewählt. Von 2009 bis 2015 war er Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Seit 2016 ist er Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EDF). 12 Interview Sollte die Schweizer Verwaltung die internationale Zusammenarbeit anstreben? Und wenn ja, mit wem? Eine internationale Zusammenarbeit ist sinnvoll bei der Definition von Daten- oder technischen Schnittstellen, bei Basisinfrastrukturen wie elektronische Identitäten, die auch im Ausland genutzt und anerkannt werden müssen. Für die anderen Fälle sehe ich den Mehrwert nicht: Die Berührungspunkte zwischen den E-Government-Parteien in der föderalen Schweiz und diejenigen im Ausland sind doch sehr unterschiedlich. Was tun der Bund und insbesondere das VBS, um die Cybersecurity der Schweiz zu gewährleisten? Die nationale Cyberstrategie (NCS) wurde erarbeitet. Die Umsetzung läuft gemäss dem verabschiedeten Masterplan, auch mit Beteiligung des VBS. Parallel dazu erarbeiten wir das Informationssicherheitsgesetz (ISG). Die Wirtschaft setzt immer mehr auf Big Data. Sollte der Bund Big Data vermehrt selber nutzen? Und wenn ja, wo? die Wirtschaft und die Behörden befähigen, Aussagen zu möglichen Trends in verschiedenen Betrachtungsbereichen zu machen. Mehr Big Data im Bund wird nach Snowden nicht immer nur positiv aufgefasst. Transparenz ist immer wieder ein Thema. Braucht es im Verwaltungshandeln mehr Transparenz als bisher? Nein. Mehr Transparenz heisst nicht bessere Leistung, sondern nur mehr Aufwand ohne Mehrwert. Die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen genügen vollauf. Unsere traditionelle Abschlussfrage: Wie wird sich die Schweiz in den nächsten 25 Jahren durch die Digitalisierung verändern? Zu einem Bereich, der sich fast täglich verändert, eine Prognose für die nächsten 25 Jahre zu stellen, ist nicht möglich. Ich befürchte, dass sich mit der Digitalisierung das Zusammenleben, die persönlichen Kontakte etc. verschlechtern. Die Herausforderung, hier eine Balance zu finden, ist für die Gesellschaft von grosser Bedeutung. Herzlichen Dank für das Gespräch! Der Bund war einer der ersten Anwender von Big Data. Das Bundesamt für Statistik erhebt seit Jahren statistische Daten, welche Quelle: VBS/DDPS 13 Kolumne Backstreet Boys, Beatles, Bach Prof. Dr. Jürg Römer Fachbereichsleiter Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Als meine damals dreizehnjährige Tochter Mitte der Neunzigerjahre mit ihrer gleichaltrigen Freundin zum Konzert der Backstreet Boys ins «National» pilgerte, war die Gruppe gerade in Mode gekommen. Von cleveren Managern zusammengestellte Boygroups lagen in jener Zeit im Trend und erfreuten die Mädchenherzen, was sich in für uns Eltern schwer verständlichem Gekreische äusserte. Wir hatten wohl dieselben Lautäusserungen in unserer Jugend an Konzerten der Beatles oder Rolling Stones bereits vergessen. Ginge ich heute die Backstreet Boys oder Take That hören, träfe ich wohl vorwiegend auf die Generation meiner Kinder, gealtert mit ihren Boys. In einem Konzert der noch mehr gealterten Rolling Stones, des über achtzigjährigen Leonard Cohen, von Bob Dylan oder Polo Hofer sind einige noch älter als ich. Neben mir sitzt oder steht die Generation meiner Kinder, und auch die Enkel sind dabei. Sind nun die Rolling Stones im Trend? Hat kein Paradigmenwechsel von Dylan und Polo zu den Backstreet Boys unserer Kinder oder zu Lo und Leduc unserer Enkel stattgefunden? Trend or no trend, that is the question Trends werden nicht nur in der Musik, sondern auch im E-Government ausgerufen. Wenn das nicht reicht, sind es Megatrends oder Paradigmenwechsel: Seamless E-Government, Services-on-Demand, Gamification, User-centered Design, One-Stop-Modell, Big Data, Generation X, Y, Z (wo fahren wir nun fort?), agiles irgendetwas. Ein begriffliches Getöse wird veranstaltet, wogegen jedes RollingStones-Konzert ein lyrischer Abend ist. Laut Duden ist ein Trend eine «über einen gewissen Zeitraum bereits zu beobachtende, statistisch erfassbare Entwicklung oder Entwicklungstendenz». Thomas S. Kuhn prägte 1962 den Begriff des Paradigmenwechsels als Wandel grundlegender Rahmenbedingungen für eine wissenschaftliche Theorie. Ein bestehendes Paradigma, verstanden als Komplex von Begriffsbildung, Beobachtung und Instrumenten, wird abgelöst durch ein neues.* Ist E-Government nun eine kontinuierliche Abfolge von Trends oder Megatrends oder – noch besser – ein mehrmals jährlich (nämlich an jedem Symposium) stattfindender Paradigmenwechsel, der Anbruch eines neuen Zeitalters, das alles vorher Gebräuchliche über Bord wirft und mit neuen Schiffen, neuen Steuerinstrumenten, aber natürlich der gleichen, allerdings neu erzogenen, Mannschaft zu neuen Ufern aufbricht? Seamless E-Government zum Beispiel umschreibt die sicher wünschbare Vermeidung von Medienbrüchen. Die Gamification der Onlinesteuererklärung würde wohl weder die Freude am Ausfüllen * Kuhn, T. S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1976, S. 57 (Übers. von The Structure of Scientific Revolutions). noch diejenige an der vierteljährlich eintreffenden Rechnung vergrössern. Fast alle E-Government-Fachleute verkünden seit über 20 Jahren, dass ein sauberes Identity- und Access-Management (IAM) unabdingbar für vernünft iges E-Government und EBusiness sei. Die Generationen X, Y und Z, alle in meiner Familie vertreten, widersetzen sich diesem Trend. Mein solitärer SuisseID-Stick liegt staubgeschützt in einer Schachtel. Er wird so häufig gebraucht, dass ich jedes Mal überlegen muss, wo er ist, wenn ich schauen will, ob die ID noch nicht abgelaufen ist. Ein Paradigmenwechsel oder auch nur ein Trend zu besserem IAM zeichnet sich nicht einmal an klaren Föhntagen am Horizont ab. Mit Facebook-, Google- und Amazon-ID ist man offenbar zufrieden. Von Abacus und Bach zu Computer und den Beatles Zweifelsohne ist die Verfügbarkeit und Nutzung immer besserer Informationstechnik ein sehr grosser Schritt und kann wohl als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Die Entwicklungen, welche die neue Technologie erlaubte, waren und sind Trends. Was damit angestrebt und zum Teil erreicht wird, sind Dinge, die schon seit langer Zeit als wünschbar gelten. Dank IT können wir viel mehr Daten in kürzerer Zeit verarbeiten und Entscheiden zugrunde legen. Daten wurden allerdings schon im Altertum auf Kerbhölzer, Quipus (Knotenschnüre der Inka) oder Tontafeln aufgezeichnet und seit 1000 v. Chr. mit dem Abacus verarbeitet. Genauso hat sich die Rockmusik aus europäischen und afrikanischen Wurzeln entwickelt, die Beatles haben Bach ebenso zitiert wie indische Musik. Rockmusik ist zum Trend geworden, ja hat viele Trends hervorgebracht. Gutes bleibt beständig, auch wenn dafür kein neuer Trend ausgerufen werden kann. Die Bestrebungen, die Nutzer ins Zentrum zu stellen, anwenderfreundliche Dienstleistungen anzubieten und Medienbrüche zu vermeiden, sind wie gute Musik. Sie finden immer Interessierte, werden weiterentwickelt, Neues entsteht aus alten Wurzeln, auch ohne schrille Proklamationen von Paradigmenwechseln. Im Gegenteil: Wenn wir auf das Erfinden immer neuer Begriffe verzichten, die nur eingeweihte Kreise verstehen, werden wir mit Bemühungen, sinnvolle Trends anzustossen, mehr Erfolg haben als mit der Aufblähung des Insiderwörterbuchs. 14 Interview «Man strebt von Anfang eine schweizerisch perfekte Lösung an, statt sie schrittweise zu realisieren, und scheitert daran.» Dr. Peppino Giarritta, Leiter der Stabsstelle E-Government des Kantons Zürich, und Michael Keller, Leiter E-Govern ment der Stadt Zürich, im Gespräch über Informatik in der Verwaltung, das Thema Partizipation, E-Government-Projekte und die Stärken des Schweizer E-Governments aus Sicht der Stadt und des Kantons Zürich. Interview: Reinhard Riedl Inwiefern verbessert die Informatik die Verwaltung? Peppino Giarritta: Informationstechnologien sind dazu da, um Abläufe zu verbessern, Prozessketten zu verlängern, die Leute besser einzubeziehen. Die Informatik schafft neue Möglichkeiten in der Kommunikation. Der Nutzen, den sie mit sich bringen kann, geht aber weit darüber hinaus. Das wirklich Spannende ist, dass die Anspruchst räger generell viel stärker in die Leistungserbringung einbezogen werden können und damit auch das Verwaltungshandeln verändert werden kann. Michael Keller: Informatik unterstützt die Verwaltung in ihrer Arbeit. Sie kann Prozesse automatisieren, so dass die Mitarbeitenden sich den Aufgaben widmen, die nicht automatisiert werden können oder sollen: beispielsweise Themen im zwischenmenschlichen Bereich. Gleichzeitig ist Digitalisierung immer auch eine Frage der Kosten-Nutzen-Abwägung: nicht in jedem Fall lohnt sich die Investition in die Technik. Peppino Giarritta: Dazu fällt mir ein Beispiel ein: das Passbüro. Pässe sind nun mal physisch. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man ins Passbüro gehen muss. Was die Informatik geschafft hat bzw. die Leute, die die Informatik einsetzen, ist, dass der ganze Prozess von der Information über die Terminfindung bis zur Ab wicklung vor Ort aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer extrem verschlankt wurde. Das ist ein Beispiel für einen Fall, bei dem nicht alles online gemacht wird, aber die Wertschöpfung dennoch durch die Informatik verbessert wurde. Was ist die Mission Ihrer Amtsstellen? Michael Keller: Die Fachverantwortlichen mit den richtigen In strumenten zu unterstützen. Das Verständnis für die IT zu besitzen und zu vermitteln. Wir erleben es in vielen Projekten: Man weiss zwar, dass man etwas verändern möchte, aber man weiss nicht, wie. Hier zu helfen, ist die Mission der OIZ. Wir unterstützen die Verantwortlichen dabei, ihre Geschäftsprozesse mit der Informatik zu optimieren. Peppino Giarritta: Unsere Zukunftsvorstellung ist, dass der Kontakt mit der Bevölkerung und der Wirtschaft effizienter, einfacher und bürgernäher respektive unternehmensnäher wird. In Zukunft sollten im Kanton Zürich alle das Recht haben, elektronisch kommunizieren zu können, wenn sie das wollen und sofern das überhaupt Sinn macht. Wie sehen Sie das Thema Partizipation? Michael Keller: Es gibt zwei Bereiche. Der eine Bereich umfasst die Befragung zu einer Dienstleistung oder das Abholen eines direkten Feedbacks zu etwas, was man macht. Das funktioniert online sehr gut. Der andere Bereich betrifft das Politische. Dort sehen wir, dass es eine Kombination von online und offline ist, die gut funk tioniert. Die Onlinepartizipation kann helfen, gewisse Themen vorzuselektionieren, die man nachher offline, also in Debatten vor Ort, vertieft. Wir haben so etwas mit Stadtdebatten durchgeführt. Das ist gut angekommen. Peppino Giarritta: Partizipation ist aus Sicht der Verwaltung letztlich eine Frage der Dienstleistungserbringung. Man kann damit mehr Involvement erreichen. Ein spannendes Beispiel ist für mich, dass bei Open Data ganz neue Formen von Austausch stattfinden. Das ist auch Partizipation. Ich habe schon beobachtet, dass Fachpersonen aus der Verwaltung aufblühen, weil sie nicht als Beamten wahrgenommen werden, sondern interessierte Leute teilhaben lassen können. Herr Giarritta, was ist das beste E-Government-Projekt der Stadt Zürich? Peppino Giarritta: Das Beste ist auch immer eine heikle Frage: Die Stadt Zürich hat als eine der Ersten eine Open-Data-Initiative lanciert. Damit hat sie etwas Neues erreicht, hat das Thema auch erschlossen, hat die wenigen Ressourcen gut bündeln können. Das macht mich schon ein bisschen neidisch, auch der Erfolg und die Breitenwirkung. Ich hoffe, dass auch der Kanton Projekte mit solch einer Ausstrahlung machen kann. Herr Keller, was macht Sie neidisch an den E-Government-Projekten des Kantons? Michael Keller: Was ich gut finde, ist die durch den Kanton initiierte EGovernment Partnerschaft zwischen dem Kanton und den Zürcher Gemeinden (www.egovpartner.zh.ch). Sie ist eine Chance und hilft uns als Stadt und auch den Gemeinden gemeinsam Vorhaben umzusetzen. Dank der Partnerschaft kann die Verwaltung auf die Hilfe eines politisch abgestützten Gremiums zählen. Auch Stadträte und Kantonsräte haben das wahrgenommen und unter stützen es. Es ist eine Möglichkeit, um unkompliziert neue Ideen 15 Interview und Vorhaben einzugeben und zu schauen, was für eine Rückmel dung sie bekommen Was war aus Ihrer Sicht das beste E-Government-Projekt, das es in der Schweiz je gab? Michael Keller: eUmzugZH könnte es werden, E-Voting hätte es sein können. Das ganze Gebäude und Wohnungsregister-Thema ist sehr nützlich für Bund, Kantone und Gemeinden, eingesetzt wird es aber noch nicht durchgehend. Gesamtschweizerisch ist die Standardisierung durch eCH sicherlich einer der besten und wichtigsten E-Government-Vorhaben. Peppino Giarritta: Das hast du schön gesagt. Für mich war auch die Registerharmonisierung ein grossartiges Projekt. Sie ist ein Basisprojekt für viele andere Projekte, beispielsweise für eUmzug, und sie hat sehr viel ausgelöst und in ihrem Umfeld sehr viel geschaffen – neben den blanken Nerven. Insbesondere der Datenaustausch über SEDEX ist schliesslich Dank der Registerharmonisierung stark vorangetrieben worden. Ich wünsche mir in Zukunft mehr solche grosse, zentrale Vorhaben mit Strahlkraft. Was könnte so ein Projekt mit Strahlkraft sein? Peppino Giarritta: Zum Beispiel die eID, wenn man sie konsequent verfolgt und wenn man auch einen politischen Auftrag so formulieren kann, dass er ausstrahlt. Die eID gäbe Signalwirkung … Michael Keller: Aber nur, wenn ich sie mit meinem Smartphone nutzen kann und wenn sie mich als Bürger keinen Franken kostet. Gibt es noch andere mögliche Projekte mit Strahlkraft? Peppino Giarritta: Ein Beispiel wäre die Einbürgerung. Wenn man es schafft, einen Einbürgerungsprozess über alle Ebenen durchgängig zu designen, ist das vielleicht weniger eine Basisleistung, aber es ist eine Errungenschaft in Bezug auf Kooperation. Solche Kooperationsprojekte können als Muster dienen und ausstrahlen. Solche Vorhaben finde ich wichtig. Michael Keller: Stipendiengesuche. Etwas, was es den Gesuchs stellenden vereinfacht. Heute machen sie zuerst ein Stipendienge such beim Kanton, dann machen Sie das Gleiche nochmals bei der Stadt. Sie müssen alles noch mal einreichen. Dann reichen sie es vielleicht noch bei einer Stiftung ein. Hier könnte man die Prozesse über die föderalen Stufen optimieren, zum Nutzen des Endkunden, aber schlussendlich auch zum Nutzen der Verwaltung, die die Daten zu verarbeiten haben. Baugesuche hätten ein ähnliches Potential. Dr. Peppino Giarritta Michael Keller Seit Oktober 2009 leitet Peppino Giarritta die Stabsstelle E-Govern ment. Zusammen mit seinem Team ist er verantwortlich für die strategische Ausrichtung, Entwicklung und Umsetzung von E-Government im Kanton Zürich. Vor seinem Eintritt in die Staatskanzlei arbeitete er im kantonalen Steueramt, wo er die Abteilung Projekte leitete und als Programmleiter die Modernisierung der Informatikanwendungen vorantrieb. Davor war er mehrere Jahre in der Privatwirtschaft als Berater für öffentliche Verwaltungen und Energieversorger tätig. Peppino Giarritta hat an der Universität Zürich Physik studiert und promoviert und zudem die Weiterbildung als Wirtschaftsingenieur FH absolviert. Seit Oktober 2012 ist Michael Keller Leiter E-Government/eZürich der Stadt Zürich. In seiner vorherigen Funktion als Business-Development-Manager bei Abraxas hatte er Einsitz in verschiedenen Gremien von Bund und Kantonen, die an neuen Ansätzen der «vernetzten Verwaltung» arbeiten, um die Zusammenarbeit über die föderalen Stufen hinweg zu optimieren. Michael Keller wechselte nach einer technischen Lehre als Elektroniker in den Verkauf und war anschliessend während mehrerer Jahre als Marketingleiter, Produktmanager und Berater bei internationalen und Schweizer IT-Firmen tätig. Daneben bildete er sich als Technischer Kaufmann weiter und erlangte den Master in Innovations Engineering an der Zürcher Hochschule für Technik. 16 Interview Eine in einem eGov Fokus präsentierte Vision des Bundesamts für Justiz lautet: Ab 2030 gibt es nur noch drei Kernregister in der Schweiz: eines für natürliche Personen, eines für rechtliche Perso nen und eines für Objekte. Peppino Giarritta: Ich denke, das ist nicht realistisch. Und es ist auch riskant, so etwas als Vision herauszustreichen. Wenn die Vision das Register ist und alle Energie gebraucht wird, um die Register zusammenzuführen, spüren die Bürgerinnen und Bürger gar nichts. Dann werden alle Ressourcen absorbiert, um eine generalstabsmässige Übung zu machen. Am Schluss hat man zwar ein grosses Zentralregister geschaffen, aber man hat auf dem Weg dorthin vielleicht auch viel Kulturschaden angerichtet, und entsprechend werden Folgeprojekte torpediert. Ich bin eher der Meinung, dass man das Potenzial der Zusammenarbeit zwischen föderalen Strukturen ausschöpfen sollte. Was sind aus Ihrer Sicht die besonderen Stärken des Schweizer E-Governments? Peppino Giarritta: Wir haben topqualifizierte Leute in der Verwal tung. Das merke ich immer wieder, wenn ich mit ihnen ins Gespräch komme: Die Leute haben wirklich etwas auf dem Kasten. Das muss man nutzen. Ich glaube, unsere Stärke ist auch unser Aushandlungsund Entscheidungsprozess. Wenn wir den entwickeln und perfek tionieren, bekommen wir über alle Bereiche hinweg von jedem Mitarbeiter ein persönliches Involvement. Jeder ist betroffen, jeder ist beteiligt. Das System der Beteiligung führt zwar zu einer gewissen Trägheit im Fortschritt, ich würde das aber als Stärke anschauen und nicht ändern. Michael Keller: Ich glaube die Zusammenarbeit funktioniert gut. Wir müssen lediglich aufpassen, dass wir Projekte nicht zu gross dimensionieren. Es macht mehr Sinn, vorerst den Projektscope etwas kleiner zu fassen und in einem zweiten Schritt gesamtschweizerisch zu skalieren (Beispiel: eUmzugZH - eUmzugCH). Peppino Giarritta: Das ist vielleicht noch wichtig. Es fehlt uns manchmal eine gewisse Unverfrorenheit. Das Abstimmen und das Perfektionieren hemmen einen teilweise auch. Es braucht auch Mut zu einem Wurf. Es braucht etwas Unternehmerisches, ohne fahrlässig Risiken einzugehen. Was kann die Stadt Zürich von den grossen anderen Schweizer Städten wie Genf, Basel, Lausanne und Bern lernen? Michael Keller: Ich schaue oft auf St. Gallen. Das Steuerkonto finde ich spannend und das Onlinebuchen von öffentlichem Grund. Der GlarusSafe gefällt mir ebenfalls. Ich möchte auch die Kantone Waadt und Jura würdigen. Trotz deren grossem Kostendruck ent stehen dort wirklich gute, innovative Lösungen, namentlich die Baugesuchslösungen oder der virtuelle Schalter. Peppino Giarritta: Spontan fällt mir neben St. Gallen auch Basel mit den Bewilligungen ein. Bei der Frage, was man lernen kann, muss man immer aufpassen, dass man nicht nur das nimmt, was als Ergebnis vorliegt, sondern auch auf den Entwicklungsprozess schaut. Einfach Lösungen kopieren funktioniert oft nicht, weil die konkreten Gegebenheiten nicht passen. Wo steht der Grossraum Zürich mit seinen fast zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern im Vergleich zu den deutschsprachigen Grossstädten? Michael Keller: Im Vergleich zu Hamburg und Wien stehen wir gut da. Jedoch sind wir in der Kommunikation unserer Leistungen bescheidener und so werden wir in den InternationalenBenchmarks auch nicht mit unseren Stärken wahrgenommen. Peppino Giarritta: Beim Vergleich mit dem Ausland habe ich den Eindruck, dass es bei uns heterogener ist. Aufgrund der Tatsache, dass mehrere Kantone zum Grossraum Zürich gehören, wirken die Skaleneffekte anders als in Berlin. Zur abschliessenden Frage: Wie werden sich Stadt und Kanton in den nächsten 25 Jahren entwickeln? Und welche Rolle wird das E-Government dabei spielen? Peppino Giarritta: Im Repertoire der Zusammenarbeit erwarte ich noch die eine oder andere neue Form, die man nutzen kann. Denn es wird immer Themen geben, die mit einem elektronischen Austausch über die Organisationsgrenzen hinweg zusammenhängen. In Zukunft wird die Verwaltung von den Einwohnerinnen und Einwohnern als sehr homogen und durchgängig empfunden werden. Sie werden sogar Aha-Erlebnisse haben und sagen: Die machen das ja einfach für uns. Ziel ist, dass die Lasten von Organisationsgrenzen nicht die Einwohnerin oder der Einwohner tragen muss. Michael Keller: Dass sich die Bevölkerung nicht um Verwaltungsgrenzen kümmern müssen, finde ich ebenso wichtig. Die Aufgaben zwischen Kanton und Stadt verschieben sich laufend: IT-L eistungen werden künftig immer mehr zentral angeboten. Das E-Government wird deshalb künftig weiter eine wichtige Schlüsselrolle spielen, um die Prozesse über alle föderalen Stufen hinweg zu optimieren und eine starke Kundenorientierung der Verwaltung zu unterstützen. Vielen Dank für das Gespräch. 17 Interview «Die Digitalisierung wird uns noch einige Jahre belasten.» Lic. jur. Franz Kummer, Mitinhaber der Firma Weblaw AG in Bern, und Prof. Dr. Erich Schweighofer, Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsinformatik am Juridicum der Universität Wien, diskutieren über die Rechtsgrundlagen für die Digitalisierung der Wirtschaft, den Schutz der Privatsphäre, rechtskräftige Identitätsnachweise, den zögerlichen Umgang mit E-Health, Big Data im Gesundheitswesen und die digitale Transformation im Gerichtswesen. Interview: Reinhard Riedl Wie trag- und zukunftsfähig sind die Rechtsgrundlagen im Raum DACH, das heisst in Deutschland, Österreich und der Schweiz, für die Digitalisierung der Wirtschaft? Franz Kummer: Es lassen sich unterschiedliche Blickwinkel einnehmen. Wenn es um die Rechtsgrundlagen in den einzelnen Ländern selber geht, kann ich die Frage für Österreich und Deutschland nicht im Detail beantworten. In der Schweiz stehen die wesentlichen Rechtsgrundlagen bereit, dies im Speziellen für die direkten Beziehungen zwischen den Unternehmen (Vertragsabschlüsse, digitale Signaturen etc.). Hier geht es eher um Technologie, Schnittstellen und Investitionen. Auf Behördenseite werden seit Längerem Anstrengungen unternommen, die Kommunikation mit Unternehmen (d.h. den Rechtsverkehr) zu vereinfachen und damit die Digitalisierungsanstrengungen der Wirtschaft zu unterstützen. Ein aktuelles Beispiel ist die ESTV SuisseTax: Seit September können Unternehmen die Mehrwertsteuer elektronisch abrechnen (A2.01 Elektronische MWST-Abrechnung). Es gibt dazu sogar einen Werbespot, der auf Youtube publiziert ist (https://www.youtube. com/watch?v=EJug-71m0hE&feature=youtu.be). Bestnoten erhält die Schweiz im E-Government im internationalen Vergleich nicht; die Entwicklung ist eventuell nicht sprunghaft, aber doch kontinuierlich und hoffentlich nachhaltig. In den letzten Tagen konnte man in den Medien auch nachlesen, dass die digitale Wirtschaft in der Politik angekommen sei und der Bundesrat sich verstärkt mit den Herausforderungen auseinandersetzen möchte. Ein Signal ist, dass die EU-Kommission die Schaffung eines «digitalen Binnenmarkts» priorisiert. Hier entstehen bereits Ängste, was die Anbindung der Schweiz an das europäische Wirtschaftssystem betrifft. Und dies überrascht bei der aktuellen politischen Lage nicht. Die angespannte Wirtschaftslage drängt die Unternehmen weiter in Richtung Effizienzsteigerung und Effektivität. Digitalisierung von Prozessen (und Produkten) ist ein wesentlicher Faktor. Und hier ist im Grunde jegliche Unterstützung, die Behördenprozesse betrifft, willkommen. Relevant scheint mir, dass der Staat günstige Rahmenbedingungen schafft und den Unternehmen den nötigen Freiraum gewährt. Von Konkurrenzierungen und staatlichen Hürden sollte abgesehen werden. Erich Schweighofer: Die Rechtsgrundlagen für den digitalen Binnenmarkt sind vorhanden, bedürfen aber noch einer Verfeinerung und Verbesserung. Das Massnahmenpaket der Europäischen Kommission ist hierbei für Österreich massgeblich. Im Bereich des E-Governments bzw. der E-Justiz ist Österreich weiter als Deutschland und hat schon seit vielen Jahren die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen; es besteht bereits eine funktionierende Verwaltungspraxis. Worin bestehen die Unterschiede in den Rechtsgrundlagen für die digitale Wirtschaft zwischen Österreich und der Schweiz? Franz Kummer: Die Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, ist der Begriff der «digitalen Wirtschaft» doch schwer zu fassen. Je nach Blickwinkel sind andere Akteure zentral. Und zwischen diesen Akteuren (Unternehmen untereinander, Unternehmen und Staat sowie internationale Verhältnisse) bestehen mannigfache und unterschiedliche Rechtsbeziehungen. Für die meisten Bereiche bestehen Lösungen, wie beispielsweise digitale Signaturen bzw. Identitäten. Fraglich ist meines Erachtens eher, wie alltagstauglich die bestehenden Instrumente sind. Die Rechtsgrundlagen sollten Wirtschaft – und zwar grenzüberschreitende – ermöglichen und unterstützen sowie verantwortungsvolle Schutzmassnahmen für besondere Personen(gruppen) und Rechtsgüter (Persönlichkeitsrecht, Datenschutz) vorsehen. Erich Schweighofer: Der Unterschied liegt in der elektronischen Signatur: Bei uns gibt es die Handy-Signatur, in der Schweiz nicht. Probleme gibt es nach wie vor bei der grenzüberschreitenden Anerkennung von digitalen Signaturen; diese werden hoffentlich durch die eIDAS-VO gelöst. Wir verlieren immer mehr die Kontrolle über die Daten, trotz Datenschutz. Wie soll man in Zukunft mit dem Thema Schutz der Privatsphäre auf rechtlicher und auf gesellschaftlicher Ebene umgehen? Franz Kummer: Im Grunde setze ich mich sehr für Eigenverantwortung und Selbstbestimmung ein. Ein aufgeklärter Mensch sollte nicht immer und überall an der Hand geführt werden (müssen). Mit der Technologie, der Vernetzung und den auf (personenbezogenen) Daten basierenden Geschäftsmodellen hat die Problematik eine andere Qualität erreicht. Bereits jetzt bestehen monopolartige Segmente (Suchmaschinen, Social-Media-Anbieter), an denen im Privaten wie im Geschäftlichen (fast) kein Weg vorbei führt. Der Markt spielt hier leider nicht (mehr), es gilt die Devise «Take it or leave it». Aufklärung und Sensibilisierung sind relevant, scheinen aktuell aber wenig zu nützen. Das heisst, die Privatsphäre, die Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz müssen wohl gestärkt werden (und werden es zurzeit auch, siehe dazu die Entscheide «Recht auf Vergessen» und «Safe Harbor» des Europäischen Gerichtshofes). Erich Schweighofer: Der europäische Gesetzgeber und noch mehr der Europäische Gerichtshof haben einen strengen grundrechtli- 18 Interview chen Standard geschaffen, der in der Praxis jedoch noch viele offene Fragen zu beantworten hat. Man steht derzeit vor dem Gegensatz zwischen einer immer stärkeren Datenakkumulation in den Händen von Regierungen und Unternehmen und einem immer stärkeren Datenschutzbewusstsein. Die Überbrückung dieses Gegensatzes ist derzeit das wichtigste Thema. Privacy by Design, Privacy by Default etc. sind Schlagwörter der Diskussion. Noch weitgehend offen ist die Frage, wie der derzeit fast unbeschränkte Zugriff der öffentlichen Hand auf diese Datensammlungen, insbesondere durch Nachrichtendienste, geregelt werden soll. Es gibt noch immer keine global einsetzbaren, vertrauenswürdigen und rechtsgültigen Identitätsnachweise. Was erwarten Sie von der eIDAS-Umsetzung? Und wie soll die Schweiz darauf reagieren? Franz Kummer: Hinter eIDAS steht die Idee der Entstehung bzw. Entwicklung eines europäischen elektronischen Identitätsraums. Losgelöst von den aktuellen Problemen in der Beziehung Schweiz– EU sollte festgehalten werden, dass es in einem globalen Umfeld weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Unternehmen eine Lösung ist, bei zentralen und zukunftsgerichteten Themen abseits zu stehen. Und das gilt auf beiden Seiten, sowohl für die Schweiz wie auch für die EU. Es wäre zu wünschen, dass eine Schweizer Lösung eIDAS-konform ausfällt und die Schweiz dem Identitätsraum zugerechnet werden kann. Erich Schweighofer: Jedes Land hat seine besonderen Erfahrungen mit der jeweiligen Umsetzung der elektronischen Signatur und Identität. Die eIDAS-VO schafft die Grundlage für die wechselseitige Anerkennung der Systeme. Die Schweiz muss sich in ihrem eigenen Interesse intensiv an dieser Diskussion beteiligen. Die Digitalisierung betrifft nicht nur die Wirtschaft. Mit E-Health geht man in der Schweiz und in Österreich um, als ob man es mit rohen Eiern zu tun hätte. Ist das mindestens aus rechtlicher Sicht der richtige Zugang? Franz Kummer: E-Health ist im Kern eine Vertrauenssache. Der Nutzen an und für sich wäre offensichtlich, sowohl für die Patientinnen und Patienten wie für die Leistungserbringer. Ein kleines Beispiel sind Krankengeschichten. Wir alle haben unsere Krankengeschichte wohl unzählige Male erzählt und mit zunehmenden Jahren immer mehr davon vergessen oder verdrängt. Es geht relevante Information verloren, es wird Zeit vergeudet, es werden Kosten generiert. Und trotzdem ist dem Grossteil der Bevölkerung beim Begriff E-Health «nicht wohl». Solange Bedenken in Bezug auf die Sicherheit oder den Nutzerkreis der Informationen bestehen, solange wird das notwendige Vertrauen fehlen. Vor rund zwei Monaten hat der Walliser Datenschutzbeauftragte dem Kanton Wallis aufgrund von Sicherheitsbedenken empfohlen, die Einführung des elektronischen Patientendossiers auszusetzen. Patientendossiers dürfen (vielleicht sollen sie es sogar) als rohe Eier betrachtet werden. Erich Schweighofer: Die österreichische E-Health-Lösung ist datenschutzrechtlich verunglückt: Auf der einen Seite geht man von einem Opt-out-System aus; andererseits baut man dieses so umfassend aus, dass die Datenqualität nicht mehr gesichert werden kann. Es wäre besser gewesen, auf ein Opt-in-System zu setzen, das heisst, weniger Leute im System zu haben, aber dafür über eine gute Datenqualität zu verfügen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Datenaufbereitung und -analyse sehr unzureichend unterstützt wird. Es ist weder gelungen, das Vertrauen der Patientinnen und Patienten zu gewinnen, damit diese ihre Daten für ihre Zwecke sowie für wissenschaftliche Untersuchungen bereitstellen, noch hat man die Ärztinnen und Ärzte davon überzeugen können, dass die bessere Datenlage sie in ihrer Arbeit unterstützt. In Bezug auf Big Data gibt es im Gesundheitswesen sehr grosse Vorbehalte, obwohl der grosse Nutzen von Big Data für die personalisierte Medizin und die Planung im Gesundheitswesen eigentlich von niemandem bestritten wird. Wie beurteilen Sie diesen europäischen Weg des lieber etwas zu langen Zuwartens? Franz Kummer: Auch hier muss wohl Vertrauen zurückgewonnen werden. In vielen (juristischen) Referaten wird darauf hingewiesen, dass mithilfe von Big Data vorher entpersonalisierte bzw. anonymisierte Informationen wieder mit grosser Treffergenauigkeit bestimmten Personen zugeordnet werden können. Das sind keine guten Voraussetzungen. Erich Schweighofer: Die Patientinnen und Patienten wurden zu weitgehend verunsichert, und daher ist die Diskussion über Vor- und Nachteile von Big Data und die damit verbundenen, aber kontrollierbaren Gefahren für die Privatsphäre nicht ausreichend möglich. Welches Nutzenpotenzial könnte die digitale Transformation im Gerichtswesen eröffnen? Franz Kummer: Die digitale Transformation findet statt. Sie beginnt damit, dass der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten überhaupt möglich ist (in der Schweiz seit dem 1. Januar 2011). In einem digitalisierten Umfeld sind Medienbrüche schwer einzusehen. Relativ wenige Anwälte verfassen ihre Eingaben noch mit der Schreibmaschine. Liegen die Daten nicht nur in Papier-, sondern in digitaler Form vor, lassen sich viele Arbeitsschritte vereinfachen: automatisierte Fallzuteilung, Auffindbarkeit, ähnliche Entscheide, Automatismen bei Verschlagwortung und Erkennung von juristischen Referenzen, Automatismen bei der Anonymisierung, Aufbau von Wissenskorpora, Vereinfachung von Wissensflüssen, Unterstützung bei der Gewährleistung von Rechtseinheitlichkeit etc. Erich Schweighofer: Die digitale Transformation im Gerichtswesen bedeutet, dass der nunmehrige mühsame Weg der doppelten Akten – Papierakten neben elektronischen Akten – verlassen wird und nur mehr eine elektronische Akte geführt werden muss. Dies bedeutet eine grosse Erleichterung, wenn das System auch die Anforderungen der Richterinnen und Richter ausreichend berücksichtigt: Je umfassender semantische Daten generiert werden, umso besser ist die Entscheidungsunterstützung für den Richter. Die semantischen Daten erleichtern das Durchforschen der Akte nach wesentlichen Teilen, bringen aber auch die elementaren Komponenten in den richtigen Zusammenhang und ermöglichen Entscheidungsvorschläge. In Standardfällen sind hier für den Richter erhebliche Zeitersparnisse denkbar. Ohne entsprechende Anpassung der Aus- und Weiterbildung wird es aber nicht gehen: Die Methodik ändert sich nicht nur in der Aktenführung, sondern in der Wissensverarbeitung der Richterschaft. 19 Interview Zum Abschluss: Wie wird die Digitalisierung die Politik, die Rechtssetzung und die Rechtsdurchsetzung in den nächsten Jahren lokal, national und international verändern? Wie wird sich das Staatswesen im Jahr 2040 von heute unterscheiden? Franz Kummer: Das papierlose Büro ist ja schon seit Jahren Realität – so hört man zumindest. Gefunden habe ich noch keines. Papier bringt nicht nur Nachteile. Ein Vorteil, den es gegenüber der Digitalisierung hat, ist gerade die Langlebigkeit. Bis 2040 sind es noch knapp 25 Jahre. Wie sah die Welt 1990 aus, was hat sich in den letzten 25 Jahren verändert? Relativ viel, würde ich behaupten. Wenn es in dem Tempo weitergeht, wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Mit Ausnahme des Papiers. Das ist langlebig. Erich Schweighofer: Die Digitalisierung wird uns noch einige Jahre belasten, weil das Papier nach wie vor wesentlich bleibt und sich ein Standard in der Arbeit mit digitalen Medien erst etablieren muss. Es sind noch erhebliche Lernprozesse erforderlich, damit das digitale Potenzial auch genutzt wird. Dann jedoch wird zumindest der Zugriff zu Informationen – so der jeweilige Informationsmachthaber will – viel einfacher sein. Der Politik, der Rechtssetzung und der Rechtsdurchsetzung steht damit ein Instrument zu einer besseren Informationsversorgung und auch zu einer stärkeren Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Ob das auch genutzt wird, ist eine andere Frage. Das Staatswesen im Jahre 2040 wird viel weniger als eine Ansammlung von «Tintenburgen» oder «Beamten» gesehen werden, sondern als Anwendungen des E-Governments mit mehr oder weniger intensiven menschlichen Eingriffen. Vielen Dank für das Gespräch. © Bettina Diel Prof. Dr. Erich Schweighofer Lic. jur. Franz Kummer ist ao. Universitätsprofessor und Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsinformatik am Juridicum der Universität Wien. Er lehrt in den Fächern Rechtsinformatik, Völkerrecht und Europarecht und forscht insbesondere in den Bereichen Internet Governance, Datenschutz, Überwachungstechnologien, Völkerrecht und Europarecht in der Wissenschaftsgesellschaft, ICANN, juristisches Informationsretrieval, juristische Ontologien, juristische Computerlinguistik, digitale Forensik, Recht und Sprache sowie elektronische Identitäten. rechtsinformatik.univie.ac.at ist Jurist, Unternehmer und Verleger. Er doziert als Lehrbeauftragter für Informatik und Recht an der Universität Bern, ist Autor diverser Fachpublikationen, Mitherausgeber der juristischen Onlinezeitschriften «Jusletter» und «Jusletter IT» sowie Mitinhaber der Firma Weblaw AG. Die Weblaw AG vereint Technologie, Verlagshaus, Beratung und Weiterbildung unter einem Dach. www.weblaw.ch/franzkummer 20 Interview «Interessant waren immer die Figuren, die aus den Trends ausgebrochen sind» Ein Gespräch mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Interview: Anja Gerzner, Reinhard Riedl Sie spielen Musik aus unterschiedlichen Epochen. Woher kommt Ihr so breites musikalisches Engagement? Es wundert mich, dass diese Frage immer wieder gestellt wird. Man lebt nur einmal. Ist es nicht das Natürlichste, sich für das ganze Universum und auch das ganze musikalische Universum zu interessieren? Johann Sebastian Bach: wurde 1665 geboren und war einer der bedeutendsten und einflussreichsten deutschen Komponisten und ein Orgel- und Klaviervirtuose des Barocks. Ludwig van Beethoven: geboren 1770, gilt als Vollender der Wiener Klassik und als Wegbereiter der Musik der Romantik. Er wurde vor allem mit seinen neun Symphonien zum Vorbild aller nachgeborenen Komponisten und Inbegriff des Klassischen. Béla Bartók: geboren 1881, war ein ungarischer Pianist und Komponist der Moderne. Neben dem Komponieren befasste sich Bartók mit dem systematischen Sammeln von Volksliedern. Galina Iwanowna Ustwolskaja: geboren im Jahr 1919, war eine russische Komponistin. Ihre Werkliste umfasst 25 Kompositionen und gilt als ausserordentlich expressiv. György Ligeti: ein ungarischer Komponist mit Jahrgang 1923. György Ligeti war einer der bedeutendsten Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Repräsentant der Neuen Musik. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Ligeti durch die Verwendung seines Orchesterwerks «Atmosphères» im Film «2001: Odyssee im Weltraum» von Stanley Kubrick. György Kurtag: ein ungarischer Komponist und Pianist mit Jahrgang 1926. Er gilt heute neben György Ligeti als der bedeutendste ungarische Komponist nach 1945. Der internationale Durchbruch gelang ihm 1981 mit der Uraufführung seiner «Botschaften des verstorbenen Fräuleins R. V. Troussova» op. 17 für Sopran und Kammerensemble. Salvatore Sciarrino: ein italienischer Komponist mit Jahrgang 1947. Bekannt wurde Sciarrino besonders mit seinen antinaturalistisch und mystisch wirkenden Musiktheaterwerken. Ein weiterer Schwerpunkt bildet seine Kammermusik. Michael Hersch: ein Komponist und Pianist aus Washington D. C. mit Jahrgang 1971. Gilt als einer der wichtigsten Komponisten seines Jahrgangs. Sie engagieren sich insbesondere für Neue Musik. Was begeistert Sie daran? Der Musikbetrieb erinnert mich an ein Schiff, auf dem die meisten Passagiere sich am Heck versammeln, nach hinten schauen und davon schwärmen, wie schön die Gegenden waren, an denen man mal vorbeigekommen ist. Wenn man nur einen Funken Neugier hätte, ginge man doch manchmal auch an den Bug und würde danach Ausschau halten, was als Nächstes kommt. Welche Trends in der aktuellen Musik interessieren Sie besonders? Trends sind Massenphänomene, die vor allem durch Imitatoren in Gang gehalten werden. Trends sind daher prinzipiell uninteressant. Interessant waren immer die Figuren, die aus den Trends ausgebrochen sind und sich einen unverwechselbar individuellen Weg gesucht haben: Bach, Beethoven, Bartok, Ustwolskaja, Ligeti. Unter den lebenden Komponisten György Kurtag, Salvatore Sciarrino oder der junge Amerikaner Michael Hersch. Gibt es etwas, was Sie in der aktuellen Berner Musikszene besonders interessiert? Leider bin ich so oft unterwegs, dass ich das meiste, was in Bern läuft, verpasse. Die Programme des Musikfestivals Bern oder des «Zoom in» (mit improvisierter Musik) sind spannend. Auch die Ensembles «Les passions de l’âme» oder die Camerata Bern spielen auf höchstem Niveau mit. Unsere Welt ist im Wandel, verursacht durch viele Faktoren. Welchen Wandel nehmen Sie im Bereich der ernsten Musik, der Aufführungspraxis, der Vermittlungspraxis und der Hörerwartungen des Publikums wahr? Mein Beobachtungsstandpunkt hat sich in den letzten zehn Jahren geändert. Früher war ich ein armes Hascherl, das halt machen musste, was Organisatoren akzeptierten. Heute erhalte ich mehr und mehr freie Hand selbst für gewagte Programme. Die Erfahrung dabei ist, dass das Publikum viel offener ist, als die Konzertorganisatoren vermuten. In der Aufführungspraxis gibt es eine wachsende Gruppe von Künstlern, die problemlos zwischen historischen und modernen Instrumenten und Spielweisen wechseln können, z.B. Sol Gabetta, Pieter Wispelwey oder auch ich selber. © Marco Borggreve for Naive Patricia Kopatchinskaja wurde 1977 in Moldawien geboren und studierte Komposition und Violine in Wien und Bern. Als Solistin hat sie mit fast allen führenden europäischen Orchestern gespielt und unzählige Werke uraufgeführt. Ihre Konzertreisen führten sie auch nach Japan, China, Australien, Nord- und Südamerika. Sie spielt im Duo mit der Pianistin Polina Leschenko und mit ihrem Streichquartettensemble «Quartet Lab». Regelmässig leitet sie auch Kammerorchester wie das Australian Chamber Orchestra, das St Paul Chamber Orchestra in den USA und andere. Sie spielt ein Instrument, das Giovanni Francesco Pressenda 1834 baute. 22 Interview Welche Veränderung im Bereich der ernsten Musik erwarten Sie oder wünschen Sie sich? Vielleicht, dass sie weniger ernst wird: mehr Humor, mehr Improvisation, mehr Unerwartetes und Unfixiertes vom Programm bis zur Ausführung. Zum Schluss unsere traditionelle Abschlussfrage mit direktem Bezug zum Kernthema unserer Fachzeitschrift: Wie wird das Staatswesen, in der Schweiz und weltweit, sich in den nächsten 30 Jahren verändern? Verzicht auf fossile Brennstoffe erzwingen, wenn wir nicht einfach verbraten wollen. Das heisst wohl, dass wir die Gebäudeheizung, die Verkehrssysteme und damit die Siedlungsstrukturen neu organisieren müssen. Bevölkerungsexplosion, Dürre und Unruhen werden Hunderte von Millionen Menschen auf die Völkerwanderung schicken. Die Machtblöcke werden sich verschieben. Es braucht Vorsicht und Voraussicht. Vielen Dank für das Interview. Alle Staatswesen und auch die Schweiz werden sich im 21. Jahrhundert mit Schwierigkeiten in nie gekanntem Ausmass beschäftigen müssen: Die Klimaveränderung wird einen weitgehenden © Marco Borggreve for Naive 23 Kolumne Good Practices und Bad Practices – nicht bei uns! Prof. Dr. Reinhard Riedl Wissenschaftlicher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Der Architekt Christopher Alexander beschäftigte sich intensiv mit der Frage, wie Zimmer, Häuser, Stadtteile und ganze Städte gebaut sein müssen, damit sie Lebendigkeit vermitteln. Ergebnis seiner Forschung war unter anderem ein Buch für traurige und frustrierte Menschen – das mit Sara Ishikawa und Murray Silverstein (Mitarbeit: Max Jaconson, Ingrid, Fiksdahl-King, Shlomo Angel) verfasste Buch «A Pattern Language», das in tristen Stunden gelesen fröhlich und heiter macht. In diesem Buch stehen keine Best Practices, sondern häufig vorkommende Good Practices, das heisst Architekturlösungen, die sich bereits oft bewährt haben. Viele dieser Architekturlösungen sind keine Genietaten von Architekten, sondern Alltagsvernunft. Andere gehören zum hoffentlich selbstverständlichen Grundwissen von Architekten. Manche sind auch eher esoterisch, man mag mit ihnen nicht immer etwas anfangen. Fast alle aber regen zum Nachdenken an – darüber, was bei Gebäuden und Städten funktioniert und was nicht. Ähnlichkeit mit Cage Christopher Alexanders Umgang mit dem Gebauten erinnert an John Cages Verhältnis zum Klingenden – so sehr Architektur und Musik auch Gegensätze sind, da Gebautes auf Beständigkeit zielt und Klingendes auf Vergänglichkeit (Musik erklingt und verklingt, und das ist ein wesentlicher Teil ihres Reizes). Cage fordert auf, bei Geräuschen genau hinzuhören, um ihre Schönheit zu erkennen, und er hat Zufallskompositionen geschaffen, die dem Komponisten die Wichtigkeit nehmen. Alexander fordert auf, sich Gebautes genau anzuschauen, um die architektonische Schönheit im Nichtspektakulären zu erkennen, und er hat Prinzipien für gutes Design entwickelt, die dem Architekten in gewisser Weise ebenfalls die Wichtigkeit nehmen. Alexanders Bedeutung Der Grund, warum Alexander für E-Government wichtig ist, ist zuallererst ein historischer. Die Muster-Sprache von Alexander inspirierte die Design Patterns der Informatik («Design Patterns» der sogenannten Gang of Four) und über diese die Entwicklung von Muster-Sprachen in allen Bereichen der Informatik und ihrer Anwendungen. Ausserdem wurden in der Informatik auch Antimuster-Sprachen entwickelt, die Bad Practices beschreiben. Bad Practices sind nicht etwa absonderliche Fehler im Design von Informatiklösungen, sondern häufige Fehler, die schweren Schaden anrichten. Ähnlich wie die Muster-Sprachen nicht über jeden Zweifel erhaben sind, weil sie gelegentlich Sinn esoterisch behaupten, so sind auch die Antimuster-Sprachen nicht immer frei vom Verdacht, der Ausübung von Rache zu dienen. Wer ein Antimuster-Sprache-Buch schreibt, mag versucht sein, die eine oder andere Rechnung zu begleichen. Häufiger feiern freilich unnötige Präzision oder politische Korrektheit Urständ und führen zu langatmigen Beschreibungen. Die Leere des E-Governments Man würde nun erwarten, dass es auch im E-Government zahlreiche Bücher über Good Practices und Bad Practices gibt. Aber weit gefehlt. Einerseits gilt noch immer das Best-Practice-Paradigma, das heisst, dass Lösungen nur solange interessant sind, als sie besonders fortschrittlich sind. Wobei – und das ist besonders stossend – schlecht gebaute Vorzeigelösungen als Beispiele mehr interessieren als wirklich ausgezeichnete Lösungen, die eventuell erst Jahre nach der Erstimplementierung entstehen. Anderseits gelten Bad Practices als No-Go, weil man ja dazu konkrete Beispiele liefern muss und diese Beispiele eben Beispiele von gemachten Fehlern sind, die Einzelne zu verantworten haben. Das aber ist als Personenkritik verpönt. Das Ergebnis ist eine grosse Leere in der Lehre des E-Governments – ohne Richtig oder Falsch. Richtige und falsche Empathie Würde man mehr Empathie gegenüber der Sache an sich praktizieren – statt Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeiten jener, die sie verderben (ich nehme mich hier nicht aus) –, dann könnte E-Government endlich zu einer professionellen Disziplin werden, zum Nutzen für die Sache. Es ist in vielen Disziplinen eine Selbstverständlichkeit, dass Vertreterinnen und Vertreter ihres Fachs erstens Standardlösungen für Probleme einsetzen, die Amateure gar nicht sehen (professionelles Arbeiten nutzt viele Muster), und zweitens schlechte Lösungen erkennen. Nur im E-Government ist derlei unbekannt. Drittens würden unbefriedigende Lösungen, die aufgrund fehlender besserer Alternativen in der Praxis eingesetzt werden, nicht mehr so oft von besserwisserischen Wissenschaftern zu Unrecht kritisiert. Sprache für das E-Government Es wäre darum an der Zeit, die bisherige Undifferenziertheit von guten und schlechten Lösungen und die trendige Wertorientierung im E-Government (OGD gut! Mobile guuut!) hinter sich zu lassen. Wir sollten uns stattdessen mit der Frage beschäft igen, was Good Practices und was Bad Practices im E-Government sind, und dieses Wissen dann den E-Government-Spezialisten vermitteln. Wichtig wäre vor allem, dass in Zukunft ganz genau hingeschaut wird, was Qualität ausmacht, und dass man sich nicht davor scheut, über Fehler zu reden. Was wir brauchen, sind eine Muster-Sprache und eine Antimuster-Sprache für das E-Government – mit eigenen Dialekten für Projektmanager, Lösungsdesigner, Ingenieure und Juristen. 24 Interview «E-Government muss weiterentwickelt werden» Prof. Dr. Thomas Myrach, Direktor der Abteilung Information Management und Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, und Prof. Dr. Andreas Spichiger, Leiter des E-Government-Instituts der Berner Fachhochschule, diskutieren über die Ausbildung in interdisziplinären Fachgebieten, zum Beispiel Wirtschaftsinformatik, über deren Einfluss auf das E-Government und das Verhältnis von Forschung und Lehre an Hochschulen. Interview: Reinhard Riedl Wie erklären Sie einem zwölfjährigen Kind, was Wirtschaftsinformatik ist? Thomas Myrach: Ich habe einen zwölfjährigen Sohn zu Hause. Ich habe ihm das erklärt, und ihn dann gefragt: Verstehst du das? Aber ich glaube, der hat schon vorher ein bisschen gewusst, was Wirtschaftsinformatik ist. Ich habe gesagt: Alle Leute haben doch heute Handys, Smartphones oder einen Computer. Und Menschen und Computer müssen zusammenarbeiten, damit irgendetwas Nützliches dabei herauskommt. In der Wirtschaftsinformatik kümmern wir uns genau darum, wie Menschen und Computer in der Wirtschaft und in der Verwaltung am besten miteinander arbeiten. Prof. Dr. Andreas Spichiger hat Informatik an der Universität Bern studiert. Er hat seit 2010 Führungspositionen an der Berner Fachhochschule inne. Zuerst leitete Andreas Spichiger die Abteilung Forschung und Dienstleistungen, und seit 2014 ist er Leiter des E-Government- Instituts der Berner Fachhochschule. Andreas Spichiger: Meine Kinder sind etwas älter. Daher war diese Aufgabe nicht ganz so einfach für mich. Für mich war der Punkt zentral: Wie kann man Informatik möglichst gut nutzen? Ich habe mich gefragt, ob ich noch beifügen soll: Und wer soll sie nutzen? Aber das war genau das, was ich dann eben weggelassen habe. Versteht ein Zwölfjähriger, was ein Unternehmen, was eine Firma, was eine Organisation ist? Eigentlich geht es in der Wirtschaftsinformatik auch um übergreifende Konzepte, wie man Einzelpersonen und Unternehmen zusammenbringen kann. Daher habe ich das weggelassen. Wer den Nutzen haben soll, ergibt sich dann im konkreten Projekt. Wie viel von Informatik muss ein Wirtschaftsinformatiker verstehen? Andreas Spichiger: Ich bin von der Ausbildung her Informatiker. Theoretischer Informatiker. Daher erlaube ich mir, hier mal anzufangen. Alles in allem denke ich, dass ein Wirtschaftsinformatiker ein gutes Grundverständnis der Abstraktionskonzepte haben sollte. Wie kann man denn eigentlich abstrahieren? Ich persönlich habe nicht den Anspruch, dass ein Wirtschaftsinformatiker programmieren kann. Ich kenne aber keine bessere Möglichkeit, ihm effizient Abstraktionsfähigkeit beizubringen im Umgang mit Information. In diesem Sinn halte ich es trotzdem für notwendig, dass Programmieren in der Wirtschaftsinformatik in der Ausbildung mindestens als pädagogisch-didaktisches Mittel eingesetzt wird. Am Ende braucht er aber auch die Fähigkeit, denen zu vertrauen, die das Programmieren schliesslich umsetzen können. Deshalb ist es sehr wichtig, dass er versteht, wie denn eigentlich Abstraktion in der Informatik geschieht. Gehört das Programmieren an der Uni auch unbedingt dazu? Prof. Dr. Thomas Myrach hat Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik studiert. Seit 2002 ist er Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Leiter der Abteilung Informationsmanagement an der Universität Bern. Er beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit den Herausforderungen der Digitalisierung für das Informations- und Datenmanagement. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Vision des E-Business und die Veränderungspotenziale durch Netzwerktechnologien wie das Internet. Thomas Myrach: Dazu muss ich einschieben, dass wir an der Uni Bern kein grundständiges Studium der Wirtschaftsinformatik haben. Dementsprechend müssen wir im Teil der Betriebswirtschaftslehre auch Kompromisse eingehen. Wir tun uns schwer, Programmierung als Pflicht zu installieren. Aber ich würde vollkommen zustimmen, dass ein Betriebswirt Buchhaltung können muss und analog ein Wirtschaftsinformatiker wissen muss, wie das Programmieren funktioniert. Das müssen nicht die kompliziertesten aller Programmiersprachen sein. Wir gehen sie bei uns in der Ausbildung praktisch an. Wir machen keine systematische Programmierungsschulung, sondern wir machen Learning by Doing. Wir versuchen, Leute für das Fach zu motivieren. Auch Betriebswirte, die sich nachher darauf spezialisieren können, indem sie einen sichtbaren Out- 25 Interview put erzeugen. Wir haben uns da auf neue Dinge spezialisiert. Apps ist das Zauberwort. Internetapplikationen, schöne Visualisierungen mit Open Data, das ist ein Motivationstrick, da wird in Java Script oder PHP etwas gemacht, da wird mit Bibliotheken gearbeitet. Dann kommen die Leute irgendwann dahinter und präsentieren Lösungen. Das macht ihnen auch Spass. Welche Rolle spielt die Forschung für die Lehre, die bei Ihnen praktiziert wird? Andreas Spichiger: Im erweiterten Leistungsauftrag geht es ja nicht um nur Forschung als solche, sondern um angewandte Forschung, Entwicklung und Dienstleistung. Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, das auch ein Transfer von relevanter Praxis in die Lehre stattfindet. Insofern beinhaltet die Lehre an Fachhochschulen aus meiner Sicht nicht ausschliesslich den Transfer aus der Forschung, sondern auch den Transfer aus der Praxis. Es ist mir besonders wichtig, dass sich bei uns die angewandte Forschung darauf konzentriert, einen direkten Nutzen für den potenziellen Auftraggeber zu suchen, zum Beispiel eine Gruppe von Stakeholdern. Die angewandten Methoden müssen sich daran messen, inwiefern sie dazu tatsächlich einen Beitrag leisten können. In der Forschung, wie ich sie sonst erlebe, bei der es eher ergebnisoffener zugeht und der Auftraggeber vielleicht diffuser ist im Sinne von «man forscht auch für eine Nutzung durch Forschende» ist man stärker darauf angewiesen, dass solide Resultate entstehen, auf die dann direkt aufgebaut werden kann. Wie profitiert der Studierende davon? Andreas Spichiger: Der Studierende muss sich intensiv damit auseinandersetzen, welche Methoden ihm eine genügende Basis geben, damit er den Nutzen, den er anstrebt, tatsächlich auch erreicht. Wie ist es an der Uni? Thomas Myrach: An der Uni sollte das natürlich noch mehr betont werden. Für mich ist dieses Idealbild von Humboldt, die Einheit von Forschung und Lehre, nach wie vor verpflichtend. Und zwar wechselseitig. Wenn man sich mit bestimmten Stoffen beschäftigt, kommt man automatisch auf Fragen, die man mithilfe von Fachliteratur zu erhellen versucht. Aber irgendeinmal will man selber offene Fragen beantworten. Das ist der aus der Beschäftigung mit einem Fach herauskommende Wissensdurst. Wenn man selber Forschung betreibt, ist es natürlich, dass man dabei Studierende miteinbezieht, das ist für uns ein ganz wichtiges Thema. Bei irgendwie relevanter Forschung hat man es schnell auch mit Forschergruppen zu tun, die nicht an einer Uni oder Fachhochschule angesiedelt sind, z.B. Research Center. Die haben viel mehr Mitarbeitende zur Verfügung als wir. Wir selber müssen mit knappen Mitteln auch sehr gut arbeiten können, z.B. eben dadurch, dass wir bei Forschungsprojekten Studierende hinzuziehen, bis hin zur Mitwirkung an Publikationen. Es gelingt aber nicht immer, weil manche Leute zwar nicht unbedingt ungeeignet dafür sind, aber vielleicht zu wenig motiviert. Grundsätzlich muss man ja auch sagen: Was wir, speziell an der Universität, punkto Ausbildung machen, ist eigentlich ambivalent. Wir machen beides parallel auf einen Schlag: Wir bilden potenziel- le Forscher aus, und wir bilden Fachspezialisten aus. Je nachdem, welchen Weg man einschlägt, muss man das andere auch noch vernünftig brauchen können. Jemand, der ein potenzieller Forscher ist, kann diese Fähigkeit als analytische Fertigkeit auch in der Praxis nutzen. So ist unser Statement. Und daran glaube ich auch. Ich möchte noch auf das Thema der Skalierung des Studiums in Bachelor und Master eingehen. Was lernt man im Bachelor, und was setzt der Master obendrauf? Thomas Myrach: Das hängt ein Stück weit von der Philosophie ab. Diese Konstrukte Master und Bachelor sind sehr dehnbar, und ich kann schon in unserem Fächerkanon oder wenn ich an andere Universitäten schaue, gewisse Differenzen erkennen. Wir haben Spielräume, von einem fliessenden Übergang bis zu einer relativ starken Strukturierung. Nach unserer Philosophie erhält man im Bachelor das Grundlagenwissen. Im Rahmen der Betriebswirtschaft streben wir die gesamte Breite der Betriebswirtschaft an. Also keine Spezialisierung im Bachelor. Man soll ein Generalist werden. Zu diesem Generalisten gehört heutzutage selbstverständlich Wirtschaftsinformatikwissen. In dem Sinn tragen wir zu diesem breit angelegten Generalistenstudium bei. Im Masterstudium hingegen finden Spezialisierungen statt. Man kann sich dann ausrichten und sagen: Hier will ich Akzente setzen, dort diese Schwerpunkte ausbauen gemäss meinen Interessen, meinen zukünftigen Ambitionen. Andreas Spichiger: Ich würde punkto Differenzierung am liebsten bei der Handlungskompetenz ansetzen. Ich habe die Erwartung, dass ein Bachelorstudent nach seiner Ausbildung die Methoden beherrscht, dass er einen guten Rucksack an Werkzeugen hat, die er im Praxisalltag einsetzen kann. Es kann aber sein, dass er vielleicht in der Anwendung und vielleicht in der Diskussion darüber, welche Methode warum in diesem Kontext gerade gut ist, noch Unterstützung braucht, damit er in seiner Arbeit tatsächlich einen optimalen Nutzen erzielen kann. Von einem Masterstudenten erwarten wir, dass er nach seiner Ausbildung selbstständig ist. Er hat diese Diskussionen über die Anwendung von Methoden immer wieder geführt, hat verschiedene Anwendungsfelder gesehen, hat Probleme in der Anwendung von Methoden erlebt, Grenzen von Methoden vielleicht auch explizit persönlich erlebt und dabei festgestellt, was vielleicht manchmal nicht funktioniert. Welche interessanten Karrieren haben Ihre Studenten und Studentinnen gemacht? Thomas Myrach: Ich habe fast alles dabei. Da sind Leute, die in die Lehre gegangen sind, einige Fachhochschuldozenten sind ehemalige Assistenten von mir. Ich habe es noch nicht geschafft, einen Universitätshochschullehrer heranzuzüchten. Das kommt vielleicht noch. Dann sind erstaunlich viele Unternehmer geworden. Das macht natürlich auch Spass, wenn Leute Unternehmen gründen, die besuche ich dann auch. Es ist sehr interessant zu sehen, was sie machen. Dann gibt es natürlich auch Fachkarrieren in grösseren Unternehmen, die klassischen wie Architekten etc. Das Höchste ist wahrscheinlich ein CEO, der unter meiner Lehre hervorgegangen ist. Andreas Spichiger: Ich kann keinen CEO aus dem Hut zaubern. Ich habe mir überlegt, woran das liegt. Zum einen, weil der eine Masterstudent bereits CIO ist. Sehr viele Leute bei uns studieren 26 Interview ja berufsbegleitend. Insofern haben sie vielleicht beruflich schon etwas erreicht, bevor sie bei uns angefangen haben. Das ist das eine. Mir sind zwei Personen eingefallen, die ich hier als Beispiele nennen möchte. Die eine Person wurde zum Zeitpunkt ihres Bachelorabschlusses zum Abteilungsleiter eines mittelgrossen Softwareunternehmens befördert. Das andere Beispiel ist eine Vollzeitstudierende. Sie kam aus einem nicht wirtschaftsinformatiknahen Bereich. Sie hat durch Weiterbildung bei uns in drei Jahren den Bachelor Wirtschaftsinformatik erlangt, hatte noch überhaupt keine Projekt erfahrung. Als ich dieser Person neulich begegnete, hat es mich sehr berührt, zu sehen, dass sie nun nach zwei Jahren eine Projektleiterrolle einnimmt in einem Beratungsunternehmen. Das war für mich insofern bewegend, als ich das Gefühl hatte: Wow, diese Frau ist jetzt in ihrem Beruf angekommen, sie leistet da wirklich etwas substanziell anderes, als sie vor dem Bachelorstudium hätte leisten können. Wir wechseln zum Thema E-Government. Welchen Nutzen bringen dem E-Government die von Ihnen beschriebenen Kompetenzen? Andreas Spichiger: Die grosse Herausforderung im E-Government ist, dass man Informatik von Anfang an organisationsübergreifend angehen muss. E-Government ist primär darauf angelegt, dass Organisationen zusammen etwas tun, dass der Bürger mit der Verwaltung etwas macht, dass Unternehmen mit der Verwaltung etwas machen, dass Verwaltungen gemeinsam Dinge tun. Die Herausforderung besteht darin, dass es bereits in der kleinen Schweiz 4000 Verwaltungen gibt, die hier kooperieren sollten. Sie brauchen ein organisationsübergreifendes Verständnis dafür, was sie gemeinsam tun, und müssen gleichzeitig auch noch alle ihre sonstigen Partner, alle Unternehmen, alle Bürger und Bürgerinnen darin einbinden. In dem Sinn ist Abstraktionsvermögen, auch über Organisationsgrenzen hinweg, gefragt. Thomas Myrach: Ich hätte es genauso gesagt. Die Analyse für komplexe technische Systeme ist eine Kernfähigkeit eines Informatikers. Die wird auch im staatlichen Bereich gebraucht. Wenn ich ins E-Government gehe, stelle ich fest, dass sich hoheitliche Fragen plötzlich auch transferieren lassen in die Frage der Datenhoheit. Wer hat denn eigentlich in diesem grossen System Datenhoheit? Woher kommt diese Datenhoheit, und wie manifestiert sie sich? Was wird dafür gemacht, dass sie da bleibt, wo sie ist? Oder riskiert der Staat allenfalls auch, dass die Datenhoheit an die Privatwirtschaft verloren geht, weil er sich nicht darum kümmert? In diesem Zusammenhang sind für mich darum die zentralen Fragen: Wer hat welche Daten in welcher Qualität, und wie kann er den Besitz von Information rechtlich einklagen und beweisen, dass gewisse Dinge so sind, wie er das sagt? Diese Aspekte haben für mich im Kontext von E-Gov ernment eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Wie sehen Sie die Zukunft der Informatik und des E-Governments? Welchen Einfluss wird E-Government auf das Staatswesen, beispielsweise konkret in der Schweiz, überhaupt haben? Thomas Myrach: Im Augenblick ist ja das E-Government sehr stark auf Serviceorientierung ausgerichtet: Von den Ämtern, von der Regierung ausgehend, versucht man, es den Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen, aber auch den von gewissen Steu- ern, Reglementen oder Sonstigem Betroffenen möglichst einfach zu machen. Das ist nützlich, aber damit wird sich wenig ändern. Und selbst wenn sich das E-Voting durchsetzt – wovon ich ausgehe –, ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange. Ich glaube, dass das E-Government weiterentwickelt werden muss, zu einem Medium, um Demokratie zu leben. Dazu gehört nicht nur, dass ich wählen kann. Bei der letzten, doch sehr wichtigen Wahl haben in der Schweiz keine 50 Prozent teilgenommen. Das ist einfach zu wenig. Wie können wir den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass sie tatsächlich Einfluss haben? Wie kann ich mich als Bürger frühzeitig in Haushaltdiskussionen, die zur Abstimmung stehen, einbringen? Wie kann ich verstehen, was da passiert? Das ist auch E-Learn ing. Demokratie bringt ja die Schwierigkeit mit sich, dass man ein Stück weit Experte sein muss. Die Leute wollen sich die entsprechende Zeit zum Lernen nicht nehmen. Also muss man ihnen das Lernen möglichst einfach machen, in der Hoffnung, dass man die Schwelle senkt und dann mehr Leute das Interesse und die Bereitschaft haben, sich auf die Materie einzulassen. Das sind die ganz grossen Themen. Wir sind immer noch dabei – oder haben erst gerade angefangen –, ein paar grundlegende Sachen zu realisieren, wie jetzt gerade umzug.ch. Das sind Basisfunktionalitäten, aber wir können schon weit darüber hinausdenken. Andreas Spichiger: Ich sehe zwei Hauptschritte im E-Government. Der eine betrifft das Verlassen der Serviceorientierung und das Hinwenden zur Datenorientierung: Der Staat muss sich stärker um datenhoheitliche Aspekte kümmern, um eine gute Basis für eine erneute Serviceorientierung zu schaffen. Der zweite Schritt, und da stimme ich Herrn Myrach voll zu, dreht sich um eine strukturelle Frage: Was ist die Aufgabe des Staats? Wie organisieren wir uns gemeinsam als Staat, um eine gute Balance zu erhalten? Und damit meine ich die Bürger und die Behörden wie auch die Medien – die darf man nicht vergessen – und die Rechtsprechung. Diese Diskussion wird sehr stark durch die Informatik und ihre Möglichkeiten beeinflusst. Das bedeutet auch, dass man – wie Sie es gesagt haben, Herr Myrach – Wahlen ganz anders betrachten muss. Inwiefern ist es eine kompetente Wahl, wenn ich Personen wähle, die ich nicht kenne? Ist das jetzt tatsächlich ein Ausdruck meines Willens? Ist das tatsächlich das Beste, was wir tun können? Gibt es keine besseren Möglichkeiten? Könnte man Abstraktionsmöglichkeiten einführen, um auch die abzuholen, die nicht eine Person wählen wollen, die sie nicht kennen? Thomas Myrach: Das ist ja das grosse Problem, dass die Leute in Zeiten von Social Media merken, dass mehr möglich ist, und deshalb frustriert sind. Viele sagen: Die tun eh, was sie wollen. Sogar in der Schweiz hört man das. Ein Stück weit ist es eine Ausrede für mangelnde Aktivität. An einem eigenen Effort führt kein Weg vorbei. Aber es ist auch das Problem der Massengesellschaft. Wenn etwas geeignet ist, diese Problematik zwischen Individualität und Massengesellschaft zu überbrücken und auszuhebeln, dann ist es eben eine offene vernetzte IT-Landschaft. Andreas Spichiger: Die Staatsentwicklung müsste aus meiner Sicht dahin gehen, dass ein Verständnis entsteht für die Organisationsstruktur, dass der Bürger sagt: Dafür bin ich bereit, Steuern zu zahlen, weil ich auch einen Nutzen sehe, weil mir all das, was mir dieser Staat an Leistung zur Verfügung stellt, tatsächlich so viel Geld wert ist. Vielen Dank für das Gespräch. 27 Veranstaltungen eGov-Fokus: vielfältige Vorträge im Berner Rathaus «E-Democracy – neue Formen der Partizipation» war am Freitag, 6. November 2015, das Thema am eGov-Fokus in Bern. Referenten aus der Schweiz und Österreich sprachen vor rund 65 Teilnehmenden von ihren Erfahrungen. Anja Gerzner Chefredaktorin eGov Präsenz Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Bei der Tagung stellten Referenten und Referentinnen aus dem In- und Ausland theoretische Ansätze vor und zeigten anhand von Beispielen auf, in welchen Bereichen E-Democracy gebraucht wird. Diskutiert wurden vor allem der Nutzen von E-Democracy, strukturelle Faktoren wie auch die bestehenden Rahmenbedingungen. Dabei entstand ein gelungener Mix rund um die Themen, die bei E-Democracy eine wichtige Rolle spielen bzw. spielen werden. Interessierte Personen, Verwaltungsvertreter und Unternehmensvertreter trafen sich an dieser von der Berner Fachhochschule organisierten Veranstaltung im Berner Rathaus. Neben den Vorträgen boten sich in den Verpflegungspausen und während des anschliessenden Apéros genügend Möglichkeiten zum Networking. Vertiefte Informationen zur Veranstaltung, eine Bildergalerie wie auch alle Unterlagen und Präsentationen der Tagung sind online unter www.e-government.bfh.ch/egf abrufbar. 28 Veranstaltungen Wie steht es ums E-Government in der Schweiz? Rückblick auf das E-Government-Symposium 2015 in Bern Am 24. November 2015 fand das 9. Nationale E-Government-Symposium im Kulturcasino der Stadt Bern statt: Wie üblich war es ein Stelldichein der Leute, die im E-Government eine Rolle spielen. Zunächst zum Atmosphärischen: zum Ersten der Veranstaltungsort, das Kulturcasino Bern – was sagt er uns über die Veranstaltung und deren Charakter? Dass E-Government kultureller Veränderungen bedarf. Doch welcher? Kulturelle Änderungen bei den Mitarbeitenden sind erforderProf. Dr. Konrad Walser lich, damit die neue Perspektive auf die Dozent/Senior Researcher Verwaltungskunden gelingt. Aber natürlich Fachbereich Wirtschaft dürfen auch die Veränderungen der VerwalBerner Fachhochschule [email protected] tungskunden bezüglich Kommunikation und Transaktion mit der Verwaltung nicht fehlen. Zudem kommen Veränderungen in der Zusammenarbeit von Verwaltungseinheiten dazu: Netzwerk statt Autonomie ist das künft ige Thema. Zum Zweiten der Tagungsraum, der Burgerratssaal – ein Saal für die Herrschaft der Wenigen und Alteingesessenen. Die Teilnehmerschaft bestand aus sehr vielen Firmenvertretern sowie aus Verwaltungsvertretern, die teilweise mit E-Government befasst sind. Wünschbar wäre gewesen, wenn mehr Verwaltungsleitende anwesend gewesen wären (auch im Sinne eines Commitments zum E-Government von der Leitungsseite her; immerhin war ein Minister anwesend). E-Government ist auch ein Verwaltungsführungsthema – möglicherweise sogar primär. Nur mit Führungsunterstützung kann es Erfolg bringen. Auch da also ein Kulturwandel? Ca. 150 Teilnehmende waren vor Ort. Der neue Teil der Veranstaltung erfolgt nach einem gemeinsamen Mittagessen. Am Morgen fanden unter anderem Abschlussveranstaltungen der federführenden Organisationen (ffO) ausgehend von der ablaufenden Rahmenvereinbarung E-Government-Schweiz (2011–2015) statt. Aber auch die E-Government-Verantwortlichen der Kantone fanden sich zu ihrem regelmässigen Meeting ein. Aber eben: Der Tagungssaal nennt sich Burgerratssaal. Die Burger bildeten im 18. Jahrhundert die Herrschaft der Wenigen. Und es stellt sich die Frage, ob es die Wenigen sind, die sich mit dem Thema E-Government auseinandersetzen, oder ob der breite E-Government-Diskurs stattfindet, der so dringend erforderlich wäre. Einleitend merkte der Leiter des Informatikstrategieorgans des Bundes, Peter Fischer, in seiner Begrüssung an, dass mit der neuen Vereinbarung, die vom Bundesrat eben abgesegnet worden sei, am 1. Januar 2016 auch eine Formeländerung und eine Änderung der Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden beginne. Verwaltungserneuerung ist nach wie vor ein zentrales und notwendiges Thema, das schwierig zu verkaufen ist. Die scheidende Bundeskanzlerin Casanova sagte in ihrem Referat (am Morgen des Veranstaltungstags in kleinerem Rahmen), dass der Mensch aktuell noch zu wenig im Zentrum zu stehen scheint. Wohl meinte sie damit die Mitarbeitenden der Verwaltung, aber auch die Kundinnen und Kunden, die es mit der Verwaltung zu tun haben. Studien – am Symposium viel und kontrovers erwähnt und erläutert – geben sehr unterschiedliche Einsichten in den Stand von E-Government der Schweiz. Angesichts derartig grosser Unterschiede stellt sich die Frage, ob es eine verlässliche Vergleichsbasis gibt oder ob es sich bei den Studienergebnissen um Einschätzungen aus Verwaltungssicht und nicht aus der Sicht der E-Government-Nutzer handelt. Ein interessanter Hinweis kam vom Moderator, der sich auf einen NZZ-Artikel zum Thema «Digitale Aufk lärung» (Stefan Betschon: Für eine Digitale Aufk lärung, 15.11.2015) stützte: Die Herausforderungen, die für eine digitale Aufk lärung ausschlaggebend seien, seien Big Data, künstliche Intelligenz, Datendiktatur und die Notwendigkeit eines aufk lärerischen Umgangs mit der Digitalisierung allgemein, aber auch in der öffentlichen Verwaltung. Bundesrat Ueli Maurer schilderte, dass heute noch sehr viele Anliegen von Verwaltungskunden auf Papier in der öffentlichen Verwaltung ankämen. Medienbrüche seien an der Tagesordnung, und die Kosten der Anwendungen, die heute implementiert würden, wüchsen ins Unübersehbare. Zugleich führte der Bundesrat mit Stolz das Geo-Portal des Bundes auf, das später innerhalb der Veranstaltung noch ausgezeichnet wurde. Die grosse Anzahl unterschiedlicher Status von E-Government ist doch einigermassen erstaunlich. Grundsätzliche Anforderungen an E-Government lauten aus bundesrätlicher Perspektive wie folgt: Effi zienzverbesserung, Sicherheit sowie Korrektheit aus Gesetzgebungssicht. Fortschritte seien da, meinte der Magistrat, gab aber auch zu, dass er mit Papier aufgewachsen sei und dass für die möglicherweise grundlegenden Veränderungen auch Generationenwechsel nötig seien. Neben den Verwaltungskunden und der Verwaltung selbst sei da auch die (zahlreich anwesende) Industrie, die im Rahmen von E-Government-Projekten eine nicht immer problemlose Rolle einnehme. «Es muss nicht alles effi zienter sein oder werden», so Ueli Maurer. Auch vor der Anonymität der Beziehung zum Gemeinwesen warnte der Bundesrat. Nicht zuletzt betonte er aber auch, dass die Digitalisierung in 25 Jahren das Zeug dazu haben werde, ein gewichtiger Standortvorteil der Schweiz zu werden. Noch 40 Jahre lang würden weiterhin zwei Welten nebeneinander bestehen, die elektronische und die papierene physische Welt, das war seine Prognose. Prof. Dr. Marjin Janssen der Universität Delft (NL) berichtete über Open Government Data. Er führte einige interessante Beispiele aus den Niederlanden und von anderswo an, etwa im Bereich Solarenergie. Er betonte einmal mehr, wie wichtig hier die Rolle der Wirtschaft sei, und brachte für die Konkretisierung das hinlänglich bekannte European Interoperability Framework 2.0 vor, allerdings nicht namentlich. «Government as a platform» sei das Zauberwort, 29 Veranstaltungen aber auch die Behebung der Intransparenz der öffentlichen Verwaltung gegen aussen. Die Integration der Daten bezüglich Open Government Data reiche von Registern und sonstigen Portfolios an Daten über Fähigkeiten bis hin zu technischer Interoperabilität. Ein Fazit nach dem Vortrag des Holländers: Im Publikum alles nur Schweizer, keine Ausländer und ausserdem sehr viele Firmenvertreter, eventuell waren die Verwaltungsmitarbeiter gar in der Minderheit. Dann folgte der Vortrag eines weiteren Magistraten: Philippe Receveur, Regierungsrat im Kanton Jura, berichtete über die neuen Entwicklungen bei E-Government Schweiz und darüber, wie die Dimensionen Organisation, Pilotierung, Finanzierung und Inbetriebnahme zusammenhängen und neu ausgestaltet werden sollen. In eine ganz andere Richtung ging ein Firmenvortrag der ELCA, der unter anderem ein Reifegradmodell für die IT in der öffentlichen Verwaltung aufführte. Er berichtete von einer IT mit zwei Geschwindigkeiten, verbildlicht als Containerschiffe und Superschnellboote, sowie von entsprechend verschiedenen Vorgehen, von Agile bis hin zu traditionellem Projektvorgehen (ob HERMES und Agile zusammengehen können?). Spannend war auch das Referat zu GEAK (Gebäudeenergieausweis der Kantone). Hier ging es um Energieetiketten. Sie seien die ideale Plattform, um der Minergieinitiative Publizität zu verschaffen. Interessante Ausführungen gab es zu den Gebäudewizards, über welche die Prüfer Gebäude einfach über das Web erfassen können, um Energieeffizienz zu ermöglichen. Zusammengearbeitet wird dafür auf der Betriebsebene mit der Fachhochschule Nordwestschweiz. Der «Bundes-IT-Architekt» Willy Müller thematisierte schliesslich Big Data. Er präsentierte viele Fragen, aber keine Antworten. Aus seinem Vortrag, der mit vielen Zahlen und einleuchtenden Beispielen angenehm unterhaltend daherkam, sprach viel Besorgtheit. Von nichts Geringerem als einer erforderlichen «Kopernikanischen Wende» war da die Rede. Big Data sei kein schweizerisches, sondern ein globales Phänomen. Entsprechend sei zwischen einer globalen und einer lokalen Governance zu unterscheiden. Diese müsse man aber erst noch grundlegend aufbauen. Die Podiumsdiskussion drehte sich ebenfalls um das Thema Big Data. Es ging um Robocops, Überwachungsmöglichkeiten, Privatsphärenverlust, Datenschutz und die Unsichtbarkeit des Wirkens im Rahmen von Big Data. Letzteres, so das Fazit, erschwert das transparente und diskursorientierte Handling von Big Data massiv. Wir haben die Kontrolle über unsere Daten verloren, so der Grundtenor. Auch die Technikfolgenabschätzung wurde thematisiert und was sie mit der grünen DNA zu tun hat. Balthasar Glättli mit der grünen Digitalisierungs-DNA merkte an, dass dank Big Data Kausalität durch Korrelation ersetzt wird. Datenschützer, so lernte man von Bruno Bäriswyl, seien Optimisten, trotz dem erwähnten Verlust der Kontrolle über die Verwendung unserer Daten. Probleme des Managements von Big Data würden sich in der Privatwirtschaft (Customer Relationship Management etc.) als gefährlicher erweisen als in der öffentlichen Verwaltung. Dann nochmals ein Schlagwort von Glättli: Postdemokratie. Die internationale Wirtschaft sei der dritte grosse Player im Big Data Game. Dank ihrer Internationalität könne sie bezüglich Big-Data-Nutzung mit nationalen Datenschützern und Datenschutzgesetzen Katz und Maus spielen. Beim Datenschutz müsse es darum gehen, Werte zu verteidigen und Mechanismen für die Governance zu definieren, mit lokalem Fokus wohl, aber auf die internationalen Gegebenheiten ausgerichtet. Rüttelt, wie der Datenschützer meinte, Big Data tatsächlich an den Grundfesten unserer liberalen Gesellschaftsordnung? Und was genau bedeutet die Kontrolle über die eigenen Daten? Es gilt, eine sozialverträgliche Technikgestaltung zu realisieren. Ein launiges Schlussplädoyer im Rahmen einer Zusammenfassung des Tages wurde zuletzt durch Reinhard Riedl von der BFH gehalten. Darin war von Agilität und Infrastruktur die Rede. Ja, das Thema Architektur sei auch für den Datenschutz von zentraler Bedeutung, und ja, au revoir am E-Government-Symposium Romand, das am 12. Mai in Martigny stattfindet. 30 Veranstaltungen Veranstaltungsvorschau InfoSocietyDays 2016 – Herausforderungen der digitalen Transformation Vom 8. bis 11. März 2016 finden in Bern die 19. InfoSocietyDays statt. Teil des viertägigen Kongresses ist das Swiss eGovernment Forum, das sich in der Branche als wichtige Informations- und Networkingplattform etabliert hat. Die Veranstalter rechnen am Forum mit rund 500 Besucherinnen und Besuchern aus Verwaltung und Wirtschaft und versprechen ein spannendes Programm in der BERNEXPO. Der Veranstalter Jürg Lehni und die Kommunikationsverantwortliche von E-Government Schweiz Anna Faoro beantworten zentrale Fragen zum Kongress. Interview: Iris Bieri Jürg Lehni, «Herausforderungen der digitalen Transforma tion» – wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Die Digitalisierung ist Megatrend und Innovationstreiberin des 21. Jahrhunderts. Gemeinden, Kantone und Bundesstellen müssen sich dieser Herausforderung stellen. In der Onlineabwicklung von Behördenleistungen sind sie gezwungen, mit der Zeit zu gehen. Einerseits um effizient zusammenzuarbeiten, andererseits um die Erwartungen von Bevölkerung und Wirtschaft zu erfüllen. Das Swiss eGovernment Forum 2016 zeigt auf, wie sich die Verwaltung für diese Herausforderungen rüstet. Welches sind die Inhaltsschwerpunkte des ersten Forumstags? Der erste Tag zeigt auf, dass die E-Society mancherorts bereits heute Realität ist, und thematisiert die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Verwaltung. Dabei wird auch das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität der neuen E-Government-Strategie kritisch hinterfragt. Und am zweiten Forumstag? Der Trend zur Konzentration von Verwaltungsaufgaben auf wenige Kernaufgaben und der steigende Kostendruck führen dazu, dass sich immer mehr Verwaltungen entscheiden, (Teil-)Funktionen und Prozesse ihrer Leistungserbringung an externe Dienstleister auszulagern. Wann ist das sinnvoll? Für welche Bereiche empfiehlt sich dieses Vorgehen, für welche eher weniger? Welche Modelle und Konzepte stehen zur Verfügung? Worauf muss geachtet werden? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt der zweite Forumstag. Anna Faoro, welches sind die Erwartungen der Bevölkerung und Wirtschaft an eine digitale Verwaltung? Sowohl die Bevölkerung als auch die Wirtschaft möchten den nötigen Behördenkontakt so unkompliziert und unbürokratisch wie möglich abwickeln. Die Schweizer Verwaltungen haben heute mit dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik die Möglichkeit, ihre Dienstleistungsorientierung zu optimieren. Bei- spielsweise können Privatpersonen ihre Geschäfte mit den Behörden im Internet unabhängig von den Öffnungszeiten erledigen oder bei wiederkehrenden Geschäften wie der Steuererklärung Daten speichern und so ihren Aufwand verringern. Für Unternehmen bedeutet die Automatisierung von Prozessen, z.B. bei der elektronischen Lohndatenübermittlung, eine grosse administrative Entlastung. Wie bekannt sind die bereits bestehenden digitalen Angebote bei Bevölkerung und Wirtschaft? Die aktuelle Ausgabe der Studie «E-Government-Monitor», die Deutschland, Österreich, die Schweiz und Schweden vergleicht, stellt den Schweizer Behörden diesbezüglich gute Noten aus. Die Nutzung der elektronischen Behördenleistungen in der Schweiz steigt stetig und konnte seit 2012 um gut zehn Prozent erhöht werden. Die Nutzungszahlen in der Schweiz liegen 2015 noch leicht hinter denen von Österreich und Schweden, aber weit vor Deutschland. Die Studie «Firmen und E-Government» vom April 2015 zeigt auch eine stetige Zunahme der Nutzung von elektronischen Behördenleistungen durch die Unternehmen. Was läuft bereits gut? Gemäss E-Government-Monitor legt die Schweizer Bevölkerung im Onlineverkehr mit den Behörden grossen Wert auf die zeitliche Unabhängigkeit von Öffnungszeiten, die Zeitersparnis und eine einfache Handhabung. Mit der diesbezüglichen Leistung der öffentlichen Verwaltung zeigt sich die Bevölkerung sehr zufrieden. Die Zufriedenheit der Unternehmen mit den bestehenden elektronischen Behördenleistungen ist ebenfalls sehr hoch. Was muss die Verwaltung konkret verbessern? Es gibt immer noch verschiedene Hindernisse für eine noch breitere Nutzung elektronischer Behördenleistungen. Eines der wichtigsten ist, dass die vorhandenen Onlineangebote teilweise noch zu wenig bekannt sind. Nutzende stören sich zudem, wenn sie eine Leistung nicht vollständig im Internet abwickeln können, wenn es also zu Medienbrüchen kommt, oder wenn die Handhabung der Anwendungen kompliziert ist. 31 Veranstaltungen Wo steht die Schweiz in der Digitalisierung von Verwaltungsangeboten im internationalen Vergleich? In einem eher neueren Teilbereich der Digitalisierung, nämlich in der freien Bereitstellung von Behördendaten, positioniert sich die Schweiz im Vierländervergleich am besten. Die hiesigen Open-Government-Angebote geniessen hohe Bekanntheit und werden im Vergleich auch stark genutzt. Allgemein schneiden die Schweizer Behörden bei den Indikatoren Nutzung und Zufriedenheit sehr gut ab. Demgegenüber sind gemäss der E-Government-Studie der Europäischen Kommission die Prozesstransparenz bei der Abwicklung von elektronischen Behördenleistung sowie die Nachvollziehbarkeit der Nutzung persönlicher Daten durch die Verwaltung noch ausbaufähig. Auch bei den sogenannten Voraussetzungen für E-Government liegt die Schweiz im internationalen Vergleich noch zurück. Diesem Befund trägt die weiterentwickelte E-Government-Strategie Rechnung: Im Rahmen des Schwerpunktplans, der ab 2016 vorangetrieben wird, sollen in erster Linie Voraussetzungsprojekte wie die Etablierung der elektronischen Identität oder des einheitlichen Anmeldeverfahrens gefördert werden. Jürg Lehni, was sind Ihre persönlichen Erwartungen an die Konferenzvorträge? chend geben die Referate Antwort auf praxisrelevante Fragestellungen und zeigen konkrete Lösungsmöglichkeiten auf. Welches Publikum möchten Sie ansprechen? Das Forum richtet sich in erster Linie an Amtsleiter, Staats-, Stadtund Gemeindeschreiber sowie an E-Government-, Informatik-, Geschäft s- und Prozessverantwortliche auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden. Also an alle Mitarbeitenden von Bund, Kantonen und Gemeinden, die die Verwaltungstätigkeit mithilfe der Informationsund Kommunikationstechnik so bürgernah und so wirtschaft lich wie möglich gestalten möchten. In einem Satz: Warum sollte ich an den InfoSocietyDays 2016 teilnehmen? Um einerseits über globale Trends, die nationale E-Government-Entwicklung und lokale Umsetzungen informiert zu werden und andererseits die Treiber und Umsetzungsverantwortlichen kennenzulernen bzw. sich mit ihnen auszutauschen. Das Swiss eGovernment Forum soll eine Innovations- und Problemlösungsplattform für Fachverantwortliche bieten. Entspre- Swiss eGovernment Forum Herausforderungen der digitalen Transformation 8. & 9. März 2016 | BERNEXPO Mittwoch: Spezieller Thementrack für Städte und Gemeinden Welches sind die Einflussfaktoren der eSociety? Wie sehen das Nutzungsverhalten und die Erwartungen von Bevölkerung und Wirtschaft aus? Was sind die Erwartungen der Gesellschaft? Wann ist die Aus lagerung von (Teil) Funktionen und Prozessen sinnvoll? Für welche Bereiche empfiehlt sich dieses Vorgehen, für welche eher weniger? Worauf muss geachtet werden? Welcher Umgang empfiehlt sich mit den externen und internen Leistungserbringern? Welche Möglichkeiten gibt es für die Identitäts und Zugriffsverwaltung? Weitere Informationen unter www.infosocietydays.ch/eGovernment Leading Partner @ISD_eGovernment 32 E-Government Schweiz E-Government Schweiz: neuer Fokus, neue Gesichter Das neue Jahr hat der Organisation E-Government Schweiz einige Veränderungen gebracht: neue Gesichter im Steuerungsausschuss, das neue Gremium «Planungsausschuss», eine neue Leitung der Geschäftsstelle und ein neues Umsetzungsinstrument, den Schwerpunktplan. Anna Faoro Kommunikationsverantwortliche E-Government Schweiz [email protected] Per Ende Jahr haben Bund, Kantone und Gemeinden die weiterentwickelte E-Government-Strategie und die überarbeitete Rahmenvereinbarung genehmigt. Wichtigste Neuerungen daran sind erstens die Fokussierung der gemeinsamen Anstrengungen auf eine beschränkte Anzahl strategisch wichtiger Projekte und Leistungen; zweitens die Abgrenzung zwischen strategischer und operativer Steuerung und die damit verbun dene Neueinsetzung eines Planungsausschusses aus E-Government-Fachleuten aller Staatsebenen und drittens die durchgängig paritätische Finanzierung des gemeinsamen Schwerpunktplans und der Geschäft sstelle, welche die Umsetzung des Plans koordiniert. (Vgl. Artikel in der eGov Präsenz 2015/II) Unterstützung von Massnahmenpaketen Die Ziele der E-Government-Strategie Schweiz werden operativ im Schwerpunktplan verfolgt. Im Rahmen von strategischen Projekten und Leistungen werden hierzu spezifi sche Massnahmen umgesetzt. Das Budget «Schwerpunktplan» finanziert daher zumeist nicht die Gesamtkosten der Projekte, sondern nur die Kosten derjenigen Massnahmen, die strategisch relevant sind und von der verantwortlichen Organisation aus fachlichen oder fi nanziellen Gründen nicht umgesetzt werden können. Die Leistungsvereinbarungen für die strategischen Leistungen definieren neben den umzusetzenden Massnahmen einen Grundauft rag, der über das Budget Schwerpunktplan finanziert wird. Schwerpunkt E-Government-Infrastrukturen Der Schwerpunktplan von E-Government Schweiz umfasst insgesamt neun strategische Projekte und drei strategische Leistungen. Eine dieser Leistungen ist der «Zugang zu elektronischen Behördenleistungen für die Öffentlichkeit». Dafür ist der Betrieb von Portalen vorgesehen, die Bevölkerung und Wirtschaft einen einfachen Zugang zum bestehenden E-Government-Angebot ermöglichen. Unter den neun strategischen Projekten sind vier, die eine Leistung für die Bevölkerung oder die Wirtschaft aufbauen. Dazu gehören «Vote électronique» und «E-Umzug Schweiz» ebenso wie «E-MWST» und «Aufbau eines Transaktionsportals für die Wirtschaft». Die übrigen fünf Projekte visieren den Aufbau von E-Government-Infrastrukturen. Dazu gehört der Aufbau eines Identitätsverbundes Schweiz (IDV), einer Organisation für die Abwicklung gemeinschaft licher E-Government-Vorhaben («eOperations»), die Etablierung der elektronischen Identität, die Ausbreitung eines Validators für die elektronische Signatur und Abklärungen zur Etablierung eines universellen Personenidentifikators. Mit diesem Fokus kann der in Studien verschiedentlich belegte Aufholbedarf der Schweiz im Bereich Basismodule angegangen werden. Zudem folgen die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Kantonen und Gemeinden dem Subsidiaritätsprinzip: Für die erfolgreiche Etablierung von E-Government-Infrastrukturen ist die schweizweite Koordination besonders elementar. Daher sollen diese unter der Steuerung der gemeinsamen Organisation vorangetrieben werden. Die Einführung elektronischer Behördenleistungen mit geringerem Koordinationsbedarf ist demgegenüber nicht Bestandteil des Schwerpunktplans. Strategische Projekte: Als strategisch werden Projekte definiert, die nationale Bedeutung und einen hohen Koordinationsbedarf ausweisen. Strategische Leistungen: Strategische Leistungen sind dauerhafte Aufgaben von nationaler Bedeutung, die zur nachhaltigen Ausbreitung von elektronischen Behördenleistungen in Bund, Kantonen und Gemeinden beitragen. Idenditätsverbund Schweiz Elektronische Identität eOperations Schweiz Elektronische Adressänderung Universeller Personenidentifikator Validator elektronische Signatur Elektronisches Wählen und Abstimmen Transaktionsportal für die Wirtschaft (OSS) Elektronische Mehrwertssteuerabrechnung Zugang zu elektronischen Behördenleistungen Pflege der relevanten Standards eGov-Ausbreitung in Gemeinden und Kantonen Themenführer E-Government Schweiz Auch wenn in der neuen E-Government-Strategie eine Fokussierung vorgesehen ist, bleibt es eine Aufgabe der Geschäft sstelle, die nationalen E-Government-Aktivitäten ausserhalb des Schwerpunktplans und die internationalen Entwicklungen zu beobachten. Dazu dienen ihr Studien, die E-Government-Landkarte Schweiz sowie das neu gegründete Forum der E-Government-Themenführer. So kann die Geschäft sstelle weiterhin einen Überblick über Projekte und umgesetzte Behördenleistungen bieten und das breite Netzwerk der Schweizer E-Government-Akteure pflegen. Personelle Neuerungen bei E-Government Schweiz Die Geschäft sstelle E-Government Schweiz steht ab 2016 unter neuer Leitung. Cedric Roy, der zuvor als E-Government-Verantwortlicher des Kantons Wallis tätig war, übernahm die Funktion per Anfang Jahr. Weitere Veränderungen gibt es in der Steuerung von E-Government Schweiz, da die Rahmenvereinbarung 2016–2019 eine neue Aufstellung der Steuerung von E-Government Schweiz festlegt. Ein Planungsausschuss ergänzt und entlastet den Steuerungsausschuss. Der Planungsausschuss verfügt über Entscheidungskompetenz auf operativer Ebene. Er ist verantwortlich für die Definition des Schwerpunktplans sowie das operative Controlling 33 E-Government Schweiz und Risikomanagement der strategischen Projekte und Leistungen. Der Steuerungsausschuss, der weiterhin politisch zusammengesetzt ist, zeichnet verantwortlich für die strategischen Entscheide, wie die Verabschiedung des Schwerpunktplans, des Budgets oder des Geschäftsberichts. Der Steuerungsausschuss E-Government Schweiz ist ab 2016 zusammengesetzt wie folgt: –– Bundesrat Ueli Maurer, Vorsteher Eidgenössisches Finanz departement, Vorsitz –– Staatssekretärin für Wirtschaft, Maire-Gabrielle IneichenFleisch, Staatssekretariat für Wirtschaft –– Bundeskanzler Walter Thurnherr, Bundeskanzlei –– Staatsrat Pierre Maudet, Kanton Genf –– Regierungsrat Marcel Schwerzmann, Kanton Luzern –– Staatsschreiber Rainer Gonzenbach, Kanton Thurgau –– Stadtpräsident Michael Künzle, Stadt Winterthur, ZH –– Gemeindepräsident Beat Tinner, Gemeinde Wartau, SG –– Peter Bernasconi, Vorstandsmitglied Schweizerischer Gemeindeverband Damit nehmen ab 2016 drei neue Vertreterinnen und Vertreter Einsitz im Steuerungsgremium. Der neue Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements Bundesrat Ueli Maurer hat den Vorsitz von seiner Vorgängerin Eveline Widmer-Schlumpf übernommen. Die Staatssekretärin für Wirtschaft, Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, vertritt neu anstelle von Bundesrat Johann Schneider-Ammann das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Der Ende 2015 gewählte Bundeskanzler Walter Thurnherr folgt auf Corina Casa nova. Die Kantone zählen mit dem Genfer Regierungsrat ebenfalls einen neuen Vertreter in ihren Reihen. Staatsrat Pierre Maudet folgt auf den Jurassier Regierungsrat Philippe Receveur, der 2016 von seinem Amt zurücktritt. Der Planungsausschuss setzt sich aus je drei E-Government-Fachleuten aller Staatsebenen zusammen. Neben den ständigen Vertretern delegiert jede Staatsebene zwei permanente Stellvertreter: –– Daniel Gruber, Vizedirektor Bundesamt für Justiz –– Caroline Kuyper, Stellvertretende Direktorin Bundesamt für Statistik –– E-Government-Koordinator/in des Bundes, Informatiksteuerungsorgan des Bundes (vakant) –– Sabine Brenner, Koordinatorin Informationsgesellschaft, Bundesamt für Kommunikation, permanente Stellvertreterin –– Matthias Brüllmann, Fachberater E-Government (BK), permanenter Stellvertreter –– Peppino Giarritta, Leiter Stabsstelle E-Government, Kanton Zürich –– Stéphane Schwab, Responsable du secrétariat de cyberadministration du Canton de Fribourg –– Silvano Petrini, Capo del Centro sistemi informativi, Cantone Ticino –– Philippe Hatt, Delegierter für die Informatikstrategie, Kanton Wallis, permanenter Stellvertreter –– Marlies Pfister, Leiterin Fachstelle E-Government, Kanton Aargau, permanente Stellvertreterin –– Roland Brechbühl, Programmleiter E-Government der Stadt Bern –– Dominique Dafflon, Syndic de la commune de St-Barthélemy –– Ivo Toman, Geschäftsführer E-Government Kanton St.Gallen und St.Galler Gemeinden –– Alex Bukowiecki, Schweizerischer Städteverband, permanenter Stellvertreter –– Michael Keller, E-Government-Verantwortlicher der Stadt Zürich, permanenter Stellvertreter Daniel Gruber, Philippe Hatt und Silvano Petrini waren bereits Mitglieder des Expertenrates E-Government Schweiz. Daniel Gruber war ausserdem zusammen mit Matthias Brüllmann und Ivo Toman engagiert in der interföderalen Arbeitsgruppe des Projekts «E-Government Schweiz ab 2016.» Auch die übrigen Mitglieder des Planungsausschusses verfügen über breite Erfahrung in der lokalen, überregionalen und nationalen Ausbreitung von E-Government. Wirkungsvolle Steuerung und Umsetzung Die weiterentwickelte E-Government-Strategie zielt insbesondere darauf, die gemeinsamen Anstrengungen wirkungsvoller zu steuern. Die Konzentration auf wenige Projekte und Leistungen, die über Leistungsvereinbarungen geführt werden, die enge Begleitung der Umsetzung durch die Geschäftsstelle und das Controlling durch den Planungsausschuss sind dabei zentrale Elemente. Bund, Kantone und Gemeinden arbeiten gemeinsam auf eine nachhaltige Etablierung von E-Government in der Schweiz hin, damit sowohl für Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Behörden das strategische Leitbild, elektronische Behördenleistungen als Selbstverständlichkeit zu etablieren, in naher Zukunft Realität wird. 34 Forschung/Analyse Mehrwert schaffen durch Linked Open Data Basierend auf Technologien des Semantic Web ist das Ziel des Fusepool-Projekts, Werkzeuge und Verfahren bereitzustellen, um isolierte Datenbestände zu verknüpfen und mit Bedeutung anzureichern. Die so aufbe reiteten dezentral gehaltenen Daten sind Grundlage für nutzenstiftende Anwendungen, wie etwa die Produktentwicklung und Forschung von KMU oder auch Anwendungen im touristischen Umfeld. Die Modularität und Flexibilität der zugrundeliegenden Fusepool-Architektur ermöglicht auf einfache Weise eine passende Kombination von Datentransformationen für den jeweiligen Anwendungskontext. Das World Wide Web hat die Entstehung eines vernetzten globalen Informationsraums ermöglicht. Dies gilt nicht nur für verlinkte Dokumente (Hypertext), sondern ein wachsender Bedarf an intelligenten Anwendungen mit Zugriff auf unterschiedliche Datenbestände führt dazu, auch Daten zu Prof. Dr. Eduard Klein öffnen (Open-Data-Bewegung) und mit BaKompetenzteamleiter sistechnologien des Internets zu vernetzen E-Government Institut (Linked Data).1 Durch Festlegung auf geBerner Fachhochschule [email protected] meinsame Standards und das Versehen der Daten mit Semantik hat sich das Semantic Web entwickelt, das von immer mehr Anwendungen genutzt wird. Die Öffnung von oft in Silos gehaltenen Daten erfordert die Bereitstellung und Zugriffsmöglichkeit im Internet. Der herkömmliche Weg ist das Anbieten einer Web API, also einer Schnittstelle zum Zugriff übers Internet. Unternehmen wie Amazon und Stephan Haller Google treten hier sowohl als Bereitsteller Dozent (Data Publisher) als auch als Nutzer (Data E-Government Institut Consumer) auf, um ihre Anwendungen mit Berner Fachhochschule [email protected] Mehrwert zu versehen. Zum Beispiel reichert die Google-Suchmaschine ihre Treffer mit Informationen aus Online-Stores an, um die Suchergebnisse attraktiver zu gestalten. Der Schritt von klassischen Datenbeständen hin zu Linked Data standardisiert den Zugriff auf Daten durch Verwendung einer einheitlichen Schnittstelle, die durch Standardmechanismen und das gemeinsame Datenmodell RDF (Ressource Description Framework) technisch realisiert ist.2 Dadurch können Anwendungen nicht nur auf Daten aus verschiedenen Beständen zugreifen, sondern auch deren Semantik nutzbringend einsetzen. Als bislang grösstes Beispiel für Linked Data ist die Linked Open Data Cloud (lod-cloud.net) entstanden, in der Daten aus öffentlicher Verwaltung, Medien, Life Sciences, Bibliotheken, Archiven etc. vernetzt sind und in Anwendungen genutzt werden können. Kern der LOD-Cloud ist DBpedia3, das aus Wikipedia und Wikidata extrahierte Daten zur Verfügung stellt. Fusepool-Projekte Die Forschungsgruppe Open & Linked Data am E-GovernmentInstitut der BFH hat in den EU-geförderten Projekten Fusepool SME und Fusepool P3 aufgezeigt (vgl. fusepool.eu), dass durch Aufbereitung und Anwendung verlinkter Datenbestände Anwendungen mit grossem Mehrwert geschaffen werden können. Das Projekt Fusepool SME unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung und Bewahrung geistigen Eigentums, indem bislang isoliert existierende Datensilos mit Patienteninformationen, biome- dizinischen Publikationen 5 sowie weiteren Datenbeständen aufbereitet und vernetzt («interlinked») wurden. Damit wird im entwickelten Fusepool-Rechercheportal (sme.fusepool.eu) Produktentwicklung und Forschung unterstützt. Anwendungstypische Anfragen an das Fusepool-System sind zum Beispiel die Patentrecherche sowie das Suchen nach Partnern mit komplementären Technologien und Fähigkeiten oder nach Information bezüglich einer bestimmten Technologie. Visualisierungstechniken wie das Anzeigen einer Patentlandschaft (s. Abb. 1) oder das visuelle Explorieren im Datenbestand werden ebenfalls unterstützt. Abbildung 1: Patentlandschaft, dargestellt im Fusepool-Portal Weitere Visualisierungen nutzen das an der BFH entwickelte Uduvudu-System6, das basierend auf Matching-Verfahren eine möglichst gute visuelle Darstellung von Linked Data automatisiert vornimmt, wie zum Beispiel Geodaten als Landkarte und Wetterdaten als Balkendiagramm. Im Folgeprojekt Fusepool P3 steht im Vordergrund, das Publizieren von Daten als Linked Open Data sowie die darauf folgende Verarbeitung wesentlich zu vereinfachen. P3 steht dabei für Publish, Process, Perform. Damit wird ein Haupthindernis im LOD-Umfeld adressiert: Die im Projekt entwickelte Plattform gibt Anwendern ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie ihre Daten ohne tiefere LOD-Kenntnisse publizieren und zum Beispiel App-Entwicklern zur Verfügung stellen können. Ein gutes Beispiel dafür sind zwei Anwendungen, die im Rahmen eines eintägigen Hackathons initiiert wurden. In der ersten Anwendung werden Daten der italienischen Provinz Trient über aktuelle Events mithilfe der Fusepool-P3-Plattform in Linked Data umgewandelt und dann mit Kartendaten, in der Nähe gelegenen Points of Interest (POI) sowie mit Bildern der Umgebung aus Wikimedia verbunden, wie in Abb. 2 dargestellt. 35 Forschung/Analyse form) basieren. LDP agiert hier quasi als Filesystem, das Prozesse startet, wenn Daten darin abgelegt werden. UI/Other clients LDP API/Transformation Container API LDP Transforming Proxy … Pipeline Transformer RDF Triple Store Transformer 2 LDP 1.0 Transformer N Transformer REST API Transformer 1 SPARQL 1.1 T5.4 Custom Services (only if needed) Die zweite Anwendung basiert auf dem Datensatz historischer Personen der Provinz Trient, verbunden mit ergänzenden Daten von DBpedia. Die mobile App ermöglicht es Touristen, den Pfaden berühmter Personen nachzuspüren und weitere interessante Orte, Restaurants und Hotels in der Umgebung zu finden. Die Anwendung ist im Apple App Store und im Google Play Store erhältlich (Suche: «In The Footsteps: Trentino»). Abbildung 3: Architektur der Fusepool-P3-Plattform Übertragbarkeit auf andere Anwendungen Abbildung 2: Events Explorer für die Provinz Trient (http://explorer.nexacenter.org) Architektur Fusepool P3 Zur Verarbeitung von Linked Open Data existieren zahlreiche Softwaretools. Entsprechend geht es in diesem Projekt nicht darum, noch ein weiteres Tool zu erstellen, sondern vielmehr darum, in der Linked-Open-Data-Community häufig benutzte Komponenten wie OpenRefine, OpenLink Virtuoso, Apache Stanbol oder Pundit in eine Plattform zu integrieren und mit dieser Kombination den versprochenen Mehrwert zu liefern. Für die Architektur dieser Plattform wurden folgende Designprinzipien angewendet:7 –– Maximierung der Wiederverwendbarkeit von Fusepool-Komponenten –– Ermöglichung einer komponentenbasierten Entwicklung –– einfache Erweiterbarkeit –– Sicherstellen der Langlebigkeit –– einfaches Deployment und einfache Wartung für IT-Abteilungen Die daraus resultierende Architektur ist in Abb. 3 dargestellt. Sie basiert auf lose gekoppelten Komponenten, die über standardisierte REST-Schnittstellen verbunden sind. Dadurch können einzelne Komponenten separat weiterentwickelt und ausgetauscht werden, ohne die Plattform als Ganzes zu beeinträchtigen. Auch müssen nicht alle Komponenten auf derselben technischen Plattform implementiert werden, und ein verteiltes Deployment der Komponenten ist ebenfalls möglich. Das Herzstück der Architektur sind die Transformer. Sie ermöglichen die Umwandlung von bestehenden Datensätzen in Linked Data. Transformer sind parametrisierbar: Durch die Angabe eines Umwandlungsschemas ist es zum Beispiel einfach möglich, Daten aus einer CSV-Datei in ein korrekt annotiertes RDF zu verwandeln. Für komplexere Umwandlungen können auch mehrere Transformer nach dem Pipeline-Prinzip miteinander verknüpft werden. Anwendungen können direkt auf die Transformer zugreifen, häufiger gehen sie aber über einen Proxy (LDP Transforming Proxy), der die Verbindung zwischen Transformern und bestehenden Komponenten erlaubt, die auf der W3C-Spezifikation LDP 1.08 (Linked-Data-Platt- Es ist geplant, die entwickelten Fusepool-Technologien und die im Projektverlauf gewonnenen Erfahrungen über das Projektende hinaus nachhaltig zu verbreiten. Im Rahmen von Transferprojekten werden mögliche Stakeholder als Datenprovider und/oder Anwender integriert. Aktuell wird im Use Case Calancatal das Ziel verfolgt, in diesem entlegenen, von Abwanderung und Jobmangel geprägten, aber von Naturliebhabern geschätzten Schweizer Tal den Tourismus zu fördern. Nach entsprechenden Vorarbeiten sollen Daten über POI, Veranstaltungen, Wanderwege etc. zusammengeführt und so die Möglichkeit geschaffen werden, nützliche Anwendungen auf diesem Datenbestand zu entwickeln. Derzeit analysiert eine Studentengruppe im Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Wirtschaft der BFH den Use Case Calancatal im Rahmen einer Praxisarbeit. Angelehnt an das europäische Tourismusindikatorensystem ETIS für nachhaltige Destinationen9 werden zunächst Basisdaten identifiziert, um sie nachfolgend unter Verwendung des Fusepool Stack für nutzstiftende Anwendungen zur Verfügung stellen zu können. Fusepool-Projekte (EU-Förderung, Call FP7) Die Projekte Fusepool SME (Förder-Nr. 296192) und Fusepool P3 (Förder-Nr. 609696) extrahieren und transformieren (Legacy-)Daten aus verschiedenen Quellen in Linked Data, um sie für Anwendungen wiederverwendbar zu machen. SME fokussiert auf Technologiefrüherkennung und P3 auf tourismusbezogene Anwendungen. Die Komponenten des Fusepool Stack integrieren die Prozesse Datenextraktion, Transformation, Indexierung, Interlinking und Visualisierung nahtlos. Beide Projekte entwickeln Open-Source-Software und erstellen prototypische Anwendungen, um Entwickler und Anwender anzuregen, die Ergebnisse weiterzuverwenden. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Bauer, F./Kaltenböck, M.: Linked Open Data. The Essentials. edition mono, Wien, 2012. Heath, T./Bizer, C.: Linked Data. Evolving the Web into a Global Data Space. In: Synthesis Lectures on the Semantic Web: Theory and Technology, vol. 1, no. 1 (2011). S. 1–136. Bizer, C./Lehmann, J./Kobilarov, G./Auer, S./Becker, C./Cyganiak, R./Hellmann, S.: DBpedia – A Crystallization Point for the Web of Data. In: J. Web Semant., vol. 7, no. 3 (2009). S. 154–165. www.ir-facility.org/prototypes/marec (der Korpus enthält 19 Mio. Patentdatensätze). www.pubmed.com (der Korpus enthält 24 Mio. Datensätze). Luggen, M./Gschwend, A./Anrig, B./Cudré-Mauroux, P.: Uduvudu. A Graph-Aware and Adaptive UI Engine for Linked Data. In: Linked Data on the Web (LDOW2015) (2015). Vgl. https://github.com/fusepoolP3/overall-architecture/blob/master/architectural-principles.md Vgl. www.w3.org/TR/ldp Vgl. http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/tourism/sustainable-tourism/ 36 Forschung/Analyse Aufdeckung von SoD Risiken in internen Kontrollsystemen (IKS) Interne Kontrollsysteme (IKS) werden durch die gesteigerten Erwartungen an Compliance heutzutage immer wichtiger. Risiken zu bewerten und zu minimieren war und ist ein Problem für Unternehmen und Verwaltungen. Die Folgen sind Fehler- und Betrugsrisiken. Die strikte Trennung von Berechtigungen aufgrund der Benutzertätigkeit, auch Segregation of Duties (SoD) genannt, gewinnt an Bedeutung, was die aktuellen Vor haben im Bereich eGovernment beweisen. Die auf Identity & Access Management (IAM) spezialisierte Firma WIB Solutions AG hat die existierende Prüfungscheckliste für IKS weiter entwickelt, um weitere und tiefere Analysen zu möglichen. Einleitung In einer deutschen Firma wurden Löhne über mehrere Jahre an einen Mitarbeiter ausgezahlt, den es nie gab. Der Fall, dessen Ursache in fehlenden SoD-Regeln zu finden ist, wurde unter dem Namen «Der Mann, der niemals lebte» bekannt (Bungartz 2013). Das interne Controlling ist ein Prozess, Daniel Kappeler ICT Consultant der von der Geschäftsleitung entwickelt, WIB Solutions AG implementiert und bedient wird und [email protected] de Ziele verfolgt: (Pfaff & Ruud 2013, p.21): –– Effizienz der Geschäftstätigkeit (Operations) –– Zuverlässigkeit der finanziellen Berichterstattung (Reporting) –– Einhaltung der anwendbaren Normen (Compliance) Die Komplexität und Anwendbarkeit von SoD in heutigen IT-Systemen bereitet vielen Organisationen Mühe (Ernst & Young 2010, p.2). SoD definiert eine Schlüsselkompetenz, die nicht einfach zu erreichen ist (Business Strategy Inc. 2010, p.3). Die angemessene Trennung der Funktionen mittels Bereitstellung von Rollen in verschiedenen Prozessschritten und Prüfung der durchgeführten Arbeiten (Business Strategy Inc. 2010, p.3) reduziert aber die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Das Ziel von SoD ist die Reduktion von Gelegenheiten, die zu Betrugssituationen führen können (Weaver 2012, p.1). Die Funktionstrennung bietet vier wesentliche Vorteile: –– Minimierung des Betrugsrisikos –– Reduktion der Fehleranfälligkeit durch Früherkennung –– Dezimierung der Kosten von Korrekturmassnahmen durch Fehler-Früherkennung –– Imagesteigerung der Organisation durch Einsatz eines SoD-Prüfsystems (Business Strategy Inc. 2010, p.3). Die Organisationen müssen keine komplexen Rollenstrukturen oder teuren Systeme einkaufen, um die SoD-Regulierungen zu erfüllen. Ein Fokus auf die Prozesse, welche die grössten Risiken beinhalten, reicht normalerweise aus (Ernst & Young 2010, p.3). Nur durch die Betrachtung von SoD als Framework oder interne Kontrolle können die Compliance-Anforderungen erfüllt werden (Ernst & Young 2010, p.4). Ausgangslage Pfaff & Ruud (2011) haben eine nützliche, 160 Fragen umfassende Checkliste zur Bewirtschaftung interner Kontrollen veröffentlicht. Sie enthält folgende Informationen: –– Frage / Risikobeurteilung: Frage zu potenziellen Risiken –– Risikobetroffenheit für die Organisation (Ja/Nein) –– Sonstige Bemerkungen: zusätzliche Notizen zum Risiko Anmerkung Da die ursprüngliche Liste in diesem Artikel zu umfangreich wäre, werden nur die Fragen aufgeführt, welche eine hinreichende SoD-Relevanz aufweisen (siehe Grafik 1: Risikoidentifikation und Bewertung). Diese Liste ist in folgenden Aspekten unvollständig: –– Einfluss und Bewertung von Risiken –– Eintrittswahrscheinlichkeit –– Verantwortlichkeiten und Auswirkungen auf IT Systeme WiB Solutions AG hat 160 Fragen auf ihre SoD-Relevanz überprüft, bewertet und abgestimmt. Das Ziel war, ein in der Praxis handhabbares Werkzeug zu erhalten, welches zu aussagekräftigen Antworten bei SoD-Fragen verhilft. Folgende Kriterien wurden dabei berücksichtigt: –– Funktionstrennung –– Vier-Augen-Prinzip –– Verantwortlichkeit/Zuständigkeit –– Funktionen –– Mehrfachzahlung Anschliessend wurden diejenigen Fragen von der Liste gestrichen, welche eine zu geringe SoD-Relevanz oder ein zu geringes Risikominimierungspotenzial aufweisen. Das Resultat sind zwölf Fragen, welche eine effektive SoD-Analyse ermöglichen. Danach wurden die folgenden Kriterien zur Beurteilung der SoD-Risiken beigefügt: –– Relevanz SoD –– Eintrittswahrscheinlichkeit –– Schadenausmass (finanziell und/oder Imageverlust) –– Schadensbereich (Workflows, Tools, Systeme …) –– Zuständigkeiten (betroffene Stellen, Risikokontrolle …) Vorgehen 1. Risikoidentifikation Zunächst wird eine Risikobetrachtung der zu untersuchenden Organisation durchgeführt. Hierfür werden die zwölf Fragen für den Untersuchungsbereich beantwortet und bewertet. Beispielsweise benötigt der Prozess im Rechnungswesen verschiedene Funktionen und eine klare Funktionstrennung, um Betrug vorzubeugen. Ohne SoD-Regulierungen ist es beispielsweise möglich, dass dieselbe Person Rechnungen erhält, prüft und die Geldbeträge transferiert. So könnte beispielsweise ein/e Mitarbeiter/in einen Laptop bestellen und die Rechnung unbemerkt durch die Firma bezahlen. Zur Betrugsvorbeugung ist ein aktuelles, internes Kontrollsystem notwendig, welches die Trennung verschiedener Funktionen definiert. Die Tabelle illustriert ein Beispiel für die Risikobetrachtung mithilfe der überarbeiteten Liste (siehe Seite 37 unten). 37 Forschung/Analyse 2.Aufdeckung potenzieller Risiken Von einer komplett ausgefüllten Vorlage wird ein Risikograph, basierend auf den wichtigsten Faktoren, erstellt, um die wesentlichsten Massnahmenfelder und damit ein optimales Vorgehen zu definieren. Highest exposed SoD related risks Schlussfolgerung Eintrittswahrscheinlichkeit 70% #7 60% #12 #9 40% 30% #6 20% #1 #10 10% 0% Da das Risikobewusstsein in Organisationen steigt, gewinnen interne Kontrollsysteme und eine saubere Trennung von Funktionen an Wichtigkeit. Die Lösungen sind nicht standardisierbar, da jede Situation individuell betrachtet werden muss. Eine korrekte Bewertung der Risiken und die Definition zielführender Massnahmen minimieren die Risiken und erfüllen die Anforderungen an die interne Compliance und an externen Rahmenbedingungen (Gesetze, Kunden- und Lieferantenrichtlinien etc.). So wichtig das Thema SoD ist: Die Erstellung einer SoD-Analyse erfordert viel Erfahrung. Deshalb ist die Konsultation einer Beratungsfirma, z.B. der WIB Solutions AG, sinnvoll. #5 50% #11 #4 #3 #8 #2 1 2 3 4 5 6 Einfluss auf Unternehmen (1:tief; 5:hoch) Grafik 2: Matrix SoD-Risiken Die X-Achse definiert den Einfluss auf die Organisation bei Ereigniseintritt, die Y-Achse die Wahrscheinlichkeit des Ereigniseintritts. Die Kreise stellen die gemäss Checkliste nummerierten Risikofelder dar, je grösser, desto relevanter für SoD. Der Risikograph zeigt somit die kritischen Faktoren aus Sicht SoD. Die Punkte im roten Quadrant stellen das grösste Risiko dar (grösstes Schadensausmass und grösste Eintrittswahrscheinlichkeit). Nr. Frage/Risikobeurteilung #1 3.Massnahmendefinition Anschliessend werden in der Reihenfolge der Risikogewichtung Massnahmen definiert. Der Berater beginnt mit den grössten Kreisen im roten Quadranten. Durch dieses Vorgehen werden die Hauptrisiken innert kürzester Zeit minimiert bzw. eliminiert. Das Resultat ist ein in der Organisation etabliertes Risikomanagement, welches das Fehler- und Betrugspotenzial minimiert. Quellen ––Bungartz, O., 2013, Der Mann, der niemals lebte – interne Kontrollsysteme im Personalwesen. Lohn+Gehalt Fachmagazin. ––Business Strategy Inc., 2010, Generic Segregation of Duties Policy. ––Ernst & Young, 2010, A risk-based approach to segregation of duties., (May). ––Pfaff, D. & Ruud, F., 2011, Anhang 3 Prüfungscheckliste – Schweizer Leitfaden zum Internen Kontrollsystem (IKS)., (1999), S. 121–136. ––Pfaff, D. & Ruud, F., 2013, Schweizer Leitfaden zum Internen Kontrollsystem (IKS) 6th ed., Orell Füssli. ––The Certified Accountant, 2009, The Fraud Triangle and What You Can Do About It. The Certified Accountant. ––Weaver, B. D., 2012, A Look at Segregation of Duties for Small Business. , (April), S. 30–31. Einfluss auf Unternehmen (1: tief; 5: hoch) Eintrittswahrscheinlichkeit Aufbauorganisation: Sind die Verantwortlichkeiten eindeutig geregelt und schriftlich festgehalten? 3 20% 2 Management Alle IT-Systeme #2 Aufbauorganisation: Gibt es Stellen- oder Funktionsbeschreibungen (Aufgaben, Verantwortungsbereich, Stellvertretung)? 2 5% 1 Management Alle IT-Systeme #3 Ablauforganisation: Berücksichtigen die Arbeits- oder Dienstanweisungen in ausreichendem Masse das Vier-Augen-Prinzip oder sonstige Kontrollen? 4 30% 4 Compliance/IKS Alle IT-Systeme #4 Rechnungswesen: Liegt eine Beschreibung der Funktionstrennung (Belegerstellung, Dateneingabe, Zahlungsverkehr) vor? 5 40% 5 Management/Finanz-system/Rechnungswesen ERP-System #5 Liquide Mittel: Ist insbesondere eine Kassenführungsordnung vorhanden? 4 60% 4 Finanzsystem ERP-System #6 Liquide Mittel: Besteht eine Funktionstrennung von anderen nicht zu vereinbarenden Tätigkeiten (z.B. Buchen)? 3 30% 5 Finanzsystem ERP-System #7 Vorräte: Gibt es eine schriftliche Lagerordnung (Festlegung des verantwortlichen Lagerhalters, der Lagerbuchführung, der Sicherheitsmassnahmen, der Bestandskontrollen etc.)? 3 60% 3 Logistik ERP-System #8 Anlagevermögen: Wie ist die Kompetenzregelung bezüglich Investitionen (Antrag, Entscheid, Beschaffung) gestaltet? 5 15% 5 Finanzsystem/Logistik/ Management/Controlling – #9 Anlagevermögen: Wie sind die Zuständigkeiten bezüglich der Anlagenbuchhaltung geregelt? 3 40% 3 Finanzsystem ERP-System #10 Anlagevermögen: Einkauf und Verbindlichkeiten: Funktionstrennung: Ist der Wareneingang vom Einkauf getrennt? 3 15% 2 Einkauf/Logistik ERP-System #11 Einkauf und Verbindlichkeiten: Ist die ordnungsgemässe Zahlung (Gefahr der Doppelzahlung, Skonto, Anzahlungen, Gegenforderungen) sichergestellt? 4 40% 3 Rechnungswesen ERP-System #12 Personalwesen/Personalaufwand: Wie stellt die Funktionstrennung selbstständige Kontrollen sicher? 5 50% 5 Human Resources HR-System Grafik 1: Risikoidentifikation und Bewertung Relevanz Zuständige Person SoD oder Organisation Einwirkung auf IT-Systeme 38 Forschung/Analyse Digitale Transformation in der Verwaltung – Herausforderungen und Lösungsansätze Digitale Transformation ist die zentrale Herausforderung für alle Unternehmen und Institutionen. Neue Richt linien und deren Umsetzung erfordern neue Prozesse in der Verwaltung und ein neues Verständnis sowohl der internen Zusammenarbeit als auch der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern resp. Unternehmen. Neben dem 24×7-Zugang ist vor allem die Vereinfachung der Prozesse für die Bürger ein wichtiges Anliegen. Wie können Verwaltungen den Spagat zwischen den starren organisatorischen Verantwortungen und den dynamischen Anforderungen durch die digitale Transformation organisatorisch und technologisch meistern? Ausgangslage Die digitale Transformation – kaum ein Begriff ist in den letzten zwölf Monaten so häufig genannt und beschrieben worden. Täglich werden die neusten technologischen Möglichkeiten von 3-D-Druckern, Robotern, selbstfahrenden Autos, Fitness-Trackern und natürlich Cloud-Diensten (vom privaten Lars Erdmann Business- und IT-Beratung Foto-Back-up bis zur Unternehmenslösung) Q_PERIOR publiziert. Die Gesetzgebung kommt kaum Partner Technologie und Innovation noch nach, Chancen und Risiken abzuwägen lars.erdmann und Richtlinien entsprechend anzupassen. @q-perior.com Neben den bisherigen Aufgaben obliegt den Verwaltungsbehörden künftig die Kontrolle solcher Richtlinien. Je nach Richtlinie auf Ebene der Gemeinde oder des Kantons. Fragestellungen wie «Bei wem muss ich meine private Drohne anmelden, mein selbstfahrendes Auto prüfen lassen oder meinen privaten Energiespeicher registrieren?» werden wohl bald zu neuen Verwaltungsprozessen führen. Auch wenn diese Szenarien noch ein paar Wochen entfernt sind, stellt sich für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen oft bereits heute die Frage, welche Behörde wofür verantwortlich ist oder welche Informationen wann benötigt werden. Die rasche und effiziente Bearbeitung der Anliegen sowie die Transparenz der Prozesse können in Zukunft immer wichtigere Differenzierungsfaktoren für die Standortwahl von Unternehmen werden. Was sind die Erwartungen an eine moderne Verwaltung? Die Bürger und die Unternehmen interessieren sich nicht für die interne Verteilung von Verantwortungen und Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung. Erwartet werden verständliche, effiziente und interaktive Abläufe ohne Doppelspurigkeiten mit klar definierten Bearbeitungszeiten. Die wichtigsten Kundenanliegen sind der Rund-um-die-Uhr-Zugang und die Vereinfachung der Prozesse. Aus Sicht der Verwaltung ist die Trennung der Verantwortungen logisch oder gar gesetzlich gefordert. Dies steht aber zunehmend im Widerspruch zu den immer komplexeren Regelwerken, welche die Zusammenarbeit zwischen Departementen auf allen Ebenen (Gemeinde, Kanton und Bund) erfordern. Wie reagieren die Verantwortlichen darauf? Die Anzahl an E-Government-Projekten wächst ständig, was von einem zunehmenden Problembewusstsein seitens der Verwaltung zeugt. Leider sind die Initiativen in den wenigsten Fällen koordiniert. Das heisst, es werden Services im Fokus des eigenen Verantwortungsbereiches aufgebaut, die aber nur sehr selten übergreifende Prozesse zwischen verschiedenen Ämtern oder Departementen unterstützen – geschweige denn zwischen Kanton und Gemeinden. Dies ist verständlich, wenn man sich die Steuerungsprozesse für Projekte bei der Verwaltung anschaut. Für übergreifende Initiativen gibt es schlicht keine Verantwortungen, resp. wenn es entsprechende Einheiten gibt (z.B. das BIT), dann werden diese aus verschiedenen Gründen nicht genutzt. Die Optimierung der eigenen Services steht im Fokus (interne Sicht), und die Verbindung unterschiedlicher Services zu einem Gesamtprozess, wie ihn der Bürger oder das Unternehmen durchläuft, ist oft ausserhalb des Projektumfangs oder -budgets. So liegt die Steuerung des Gesamtprozesses heute immer noch beim Kunden (Bürger oder Unternehmen). Ihm wird nach jedem Verwaltungsschritt der nächste Schritt genannt. Wie lange der Gesamtprozess dauert, ist den einzelnen Verwaltungseinheiten meist unbekannt – es gibt ja auch wenig Möglichkeit zur Messung einfachster Prozessgrössen. Was ist das aktuelle Ergebnis? Der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft, die immer höhere Anforderungen an die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung stellt, stehen somit nur einzelne Lösungsinseln zur Verfügung, welche nicht übergreifend koordiniert werden können (fachlicher Fokus, technologische Unterschiede, unabhängige Budgets etc.). Was wäre der Mehrwert einer übergreifenden Lösung? Die Vorteile übergreifender Verwaltungsprozesse sind unbestritten. Der Mehrwert für die Verwaltung besteht in zentral verfügbaren Informationen, höherer Leistungsfähigkeit bei gleichen Ressourcen durch standardisierte Prozesse und einem erhöhten Automatisierungsgrad. Für den Kanton entsteht Mehrwert durch das Image als zukunftsfähiger und moderner Kanton und eine erhöhte Konkurrenzfähigkeit auch im internationalen Wettbewerb. Die Öffentlichkeit gewinnt letztlich durch ein umfangreiches Dienstleistungs- und Informationsangebot, das Informationen flexibel zugänglich macht und eine Basis für zukünftige partizipative Angebote darstellt. Warum gibt es nur sehr wenig solcher übergreifender E-Government-Ansätze? Der Hauptgrund liegt sicherlich in den politischen Voraussetzungen einer solchen Initiative, nämlich dem Konsens über ein gemeinsames Vorgehen und der Reduktion individueller Anforderungen zugunsten der Gesamtlösung. Zudem ist die Umsetzung einer solchen Lösung kostspielig und erfordert eine entsprechende Ausschreibung. Dieser Prozess kann durchaus mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen. Die Umsetzung der Lösung beinhaltet dann einige wenige erste Prozesse und muss in mehreren Phasen weiterentwickelt werden. Das heisst, eine vollständige Umsetzung für alle 39 Forschung/Analyse Prozesse ist im Rahmen eines einzigen Projektes nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Bis zu einem ersten Release können daher Jahre vergehen, was wiederum zur Initiierung paralleler Projekte führt, die aus unterschiedlichen Gründen nicht auf das erste Release der Plattform warten können. Was kennzeichnet eine moderne E-Government-Lösung? Eine der wichtigsten Komponenten ist ein zentraler Zugang zu allen Leistungen der Verwaltung, oft auch als Onlineschalter oder Bürgerkonto bezeichnet. Weiterhin beinhaltet die Lösung eine übergreifende Prozesssteuerung, welche die Leistungen verschiedener Verwaltungseinheiten zu einem Gesamtprozess verbindet und über den Onlineschalter die Kommunikation zwischen Bürger/Unternehmen und Verwaltung abwickelt. Dadurch können auch Prozesskennzahlen automatisch erfasst und Verbesserungen auf konkreten Daten initiiert werden. Die Prozesssteuerung greift dabei auf Daten aus den Fachapplikationen zu, ohne diese aber in ihrer Funktion zu ersetzen. Inwieweit diese Zugriffe automatisch erfolgen, ist immer Gegenstand einer Kosten-Nutzen-Betrachtung pro Prozess. Vereinfacht ausgedrückt liegt die Lösung in einer fachlich neutralen Prozessplattform, die zentrale Services zur Verfügung stellt (Zugang und Sicherheit, Prozesssteuerung und Monitoring, Integration und Reporting). Da die Prozessplattform keinerlei fachliche Daten speichert, sondern diese aus den Fachapplikationen bezieht und auch dort wieder ablegt, ist sie universell einsetzbar. Dadurch besteht die Möglichkeit, eine solche Plattform als Service (PaaS) auch durch Dritte anzubieten. Abbildung 1 zeigt diesen Lösungsansatz schematisch. Die Umsetzung eines Verwaltungsprozesses als E-Government-Service erfordert dann nur noch die Modellierung des Prozesses, was Projektkosten in weniger kritischen Grössenordnungen ermöglicht. Die Kosten für die Plattform können über neue Modelle wie Pay-per-Use mittelfristig amortisiert werden. Je nach Prozess werden die Kosten dann der entsprechenden Verwaltungseinheit verrechnet, ohne dass diese Lizenzen für die Komponenten der Plattform oder Betriebskosten bezahlen muss. Je mehr Prozesse auf der Plattform abgebildet werden, desto niedriger werden die Kosten pro Prozess. Zudem sinken die Umsetzungskosten, da die Daten einmal angebundener Fachapplikationen (z.B. Register) für alle Prozesse zur Verfügung stehen. Prozesse, die in verschiedenen Gemeinden vergleichbar ablaufen, müssen nur einmal realisiert werden. Durch entsprechende Prozessregeln können trotzdem nur die vorgesehenen Personengruppen (z.B. innerhalb einer Gemeinde) den Prozess verwenden. Was ist heute bereits möglich? Der Ansatz einer E-Government-Cloud oder einer zentralen Prozessplattform ist technologisch möglich und wurde in Pilotprojekten bereits umgesetzt. Die Unabhängigkeit der einzelnen Verwaltungseinheiten und ihrer Fachapplikationen bleibt erhalten, bei gleichzeitig minimierten Projektkosten für jeden einzelnen Prozess und einem hohen Standard bei den zentralen Funktionen. Was bisher oft fehlt, ist der politische Wille, eigene Grenzen in der Zusammenarbeit zu überschreiten und individuelle Besonderheiten im Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu hinterfragen. Die zunehmenden Anforderungen an die moderne Verwaltung und die immer begrenzteren Mittel sprechen hingegen für die Nutzung von Synergien im Sinne aller Beteiligten. Synergiepotenziale Internet Nutzung der gleichen Architektur Gemeinsames Netz ComBV Zentrale E-Gov Prozessplattform Fachanwendungen von Gemeinde A oder Kanton A Ressourcen © www.q-perior.com Abbildung 1: E-Government-Prozessplattform als Service Fachanwendungen von Gemeinde B oder Kanton B 40 Forschung/Analyse Sicherheit, Nutzungskomfort und Datenschutz – die einzigen Erfolgsfaktoren einer nationalen eID? Was bedarf es für eine erfolgreiche Einführung einer nationalen elektronischen Identität? Ein solches Vorhaben benötigt viel mehr als nur eine technische Infrastruktur. Aus diesem Grund hat das E-Government-Institut der BFH im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) ein soziotechnisches Ökosystemmodell für eine nationale elektronische Identität (eID) entwickelt. Mithilfe des Modells können u.a. unterschiedliche Ausprägungen einer eID in Szenarien vergleichbar dargestellt werden. Olivier Brian Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Katinka Weissenfeld Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule katinka.weissenfeld @bfh.ch Im Auftrag des SECO entwickelte ein multidisziplinäres Forschungsteam aus dem Bereich «virtuelle Identität» der BFH ein eID-Ökosystem-Modell, aus dem mögliche Umsetzungsvarianten abgeleitet werden können. Verifiziert wurden die Resultate durch Interviews und Workshops, an denen Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Verwaltung mitwirkten. Das Modell zeigt auf, welche Elemente in einem Ökosystem zur Verfügung stehen müssen, damit eine nationale eID nutzbringend eingesetzt werden kann. So ermöglicht es die Diskussion über Art und Ausprägung der Bereitstellung, sei es durch die Privatwirtschaft oder durch die öffentliche Hand. Ausgehend von konkreten Anwendungsfällen und generischen Nutzungen beschreibt das soziotechnische Modell mögliche Elemente einer eID. Es zeigt dabei den Kontext und die Abhängigkeiten der Elemente auf. Der vorliegende Artikel basiert auf dem Projektabschlussbericht «eID-Ökosystem-Modell» vom Mai 2015. eID-Ökosystem-Modell – Darstellung von Elementen für die Nutzung und Bereitstellung einer nationalen eID Bei einem Modell handelt es sich um das abstrahierte Abbild einer möglichen Realität. Durch Abstraktion kann die Komplexität der realen Zusammenhänge auf ein nachvollziehbares und verständliches Mass reduziert werden. Im Fall des eID-Ökosystem-Modells werden dadurch Designentscheide für eine nationale eID sowie Massnahmen zur Förderung einer solchen ermöglicht und erleichtert. Das entwickelte Modell ist nicht auf spezifische Stakeholdergruppen fokussiert, sondern ermöglicht es allen potenziellen Stakeholdern, die Zusammenhänge der Elemente zu verstehen. Dabei sollten sich die Stakeholder bzw. die Organisation in den jeweils möglichen Rollen bei der Nutzung bzw. der Bereitstellung wiederfinden. Das Modell besitzt zwei unterschiedliche Detaillierungsebenen: Eine grobe Übersicht hilft, das Modell einzuordnen und einen Überblick zu erhalten. Eine detailliertere Ebene zeigt die einzelnen Komponenten und Elemente auf und lässt die Auswirkungen von Designentscheiden erkennen. Durch die Instanziierung dieser Komponenten lassen sich Szenarien erstellen, die sich trotz ihren unterschiedlichen Ausprägungen im Rahmen des Ökosystemmodells vergleichen lassen. Gelesen wird das eID-Ökosystem-Modell von links nach rechts: Ausgehend von den Nutzenden lassen sich Anwendungsfälle für den Einsatz einer eID definieren, die einen Nutzen generieren. Die Anwendungsfälle lassen sich in einzelne Nutzungen abstrahieren, die in ihrer Gesamtheit den nutzenstiftenden Kern einer eID bilden. Jede Nutzung basiert auf mindestens einer eID-Funktion, der grundlegenden Grösse auf der Bereitstellungsseite einer eID. Die eID-Funktionen werden durch die Definition von Vertrauensdiensten und durch deren Implementierung auf Basis der technischen Infrastruktur ermöglicht. Die Vertrauensdienste orientieren sich an der «EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt» (eIDAS-Verordnung). Sowohl die Vertrauensdienste wie auch die technische Infrastruktur erfordern eine entsprechende Gestaltung der institutionell-rechtlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus ist eine spezifische organisatorische Basis notwendig, die Aspekte wie die Entwicklung der Lösungen, das Management und die Durchsetzung der Govern ance im eID-Ökosystem umfasst. Die Nutzung und die Bereitstellung einer eID erfolgen innerhalb eines politischen Rahmens des Staates, der über verschiedene Handlungen zur Gestaltung des Ganzen und damit in erheblichem Masse zum Erfolg einer nationalen eID beiträgt. Ein Anwendungsfall einer nationalen eID könnte der Zugriff auf ein Behördenportal sein. Dies setzt u.a. voraus, dass die Identität elektronisch nachweisbar ist (Nutzung). Die nötigen eID-Funktionen sind eine «Authentifizierung» und ein «Eigenschafts-/Funktionsnachweis», die auf einer «technischen Infrastruktur» und entsprechenden «Vertrauensdiensten» aufbauen. Diese wiederum werden in einem «organisatorischen Rahmen» betrieben und richten sich nach «rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen». Darüber hinaus setzt dieser Anwendungsfall ein «politisches Rahmenwerk» voraus. Instanziierungen – modulare Veränderungen des Modells, um mögliche Wirkungsabschätzungen machen zu können. Im Hinblick auf eine mögliche Ausgestaltung einer eID dient das eID-Ökosystem-Modell als Hilfsmittel, um die konkrete Instanziierung zu visualisieren und zu abstrahieren. Betrachtet man zwei extreme Ausprägungen des Modells, so ergibt sich zum einen ein Szenario, das sich auf die minimal notwendigen Anwendungsfälle einer eID stützt, und zum anderen ein umfangreicheres Sze- 41 Forschung/Analyse nario, das ein Vielfaches von Anwendungsmöglichkeiten einer eID enthält. Letzteres führt zu einem deutlich komplexeren Modell. Im Folgenden wird im Detail auf die beiden Instanziierungen eingegangen. Die erste Instanziierung basiert auf der Annahme, dass die eID nur für Privatpersonen zur Verfügung steht und nur Personen mit einer Schweizer Staatsbürgerschaft eine Schweizer eID beziehen können. Des Weiteren geht sie davon aus, dass die eID für die Authentifikation und Signatur von Personen in der E-Society eingesetzt wird. Auch in der Privatwirtschaft soll die elektronische Signatur aufgrund der einfachen Durchführbarkeit und Überprüfbarkeit breit eingesetzt werden können. Nebst einem hohen Nutzungskomfort der eID ist sicherzustellen, dass die Integration der Schweizer eID in Lösungen Dritter (auch ausserhalb der Schweiz) möglichst einfach ist. Deutlich ausgeprägter ist die Rolle des Staates in der umfangreichen Instanziierung. Hier umfasst der staatliche Bereitstellungsteil fast alle modellierten Elemente. Einzig auf die Bereitstellung einer an die Schweizer eID gebundenen Verschlüsselung und eines sicheren Postfaches wird verzichtet. Zu den Grundannahmen für diese Instanziierung gehören, dass die Schweizer eID für Personen und Organisationen mit Schweizer Niederlassung erhältlich ist und für möglichst alle elektronischen Interaktionen in der E-Society eingesetzt werden kann. Alle E-Government-Dienstleistungen würden auf allen föderalen Ebenen angeboten und hätten die Schweizer eID Detailansicht eID-Ökosystem-Modell: gelesen wird das Modell von links nach rechts. integriert. Des Weiteren besteht die Annahme, dass die Schweizer eID ein rechtlich anerkanntes Mittel für Authentifizierung und elektronische Signatur in den Bereichen E-Health und E-Education ist. Sie würde alle digitalen Signaturen für Dokumente, E-Mails etc. umfassen. Alle privaten Schweizer Onlinegeschäfte hätten die eID integriert. Diese sehr breite Ausprägung und darin das starke Indie-Pflicht-Nehmen der öffentlichen Hand auf allen föderalen Ebenen garantiert eine entsprechend weite Abdeckung der möglichen Anwendungsfälle. Die vorliegenden Instanziierungen wurden bereits in zwei Public-Value-Workshops mit zahlreichen Expertinnen und Experten diskutiert. Sehr schnell wurde deutlich, dass das eID-Ökosystem-Modell einen wesentlichen Beitrag dazu liefern konnte, den Teilnehmenden die Zusammenhänge und Auswirkungen der jeweiligen Instanziierungen zu zeigen und die gemeinsamen Diskussionen nutzbringend zu unterstützen. Kommunikation und flächendeckende Anwendung als zentrale Erfolgsfaktoren für eine eID Mithilfe des Modells konnten im Rahmen des Projekts die wesentliche Erfolgsfaktoren für die Einführung einer nationalen eID identifiziert werden: Neben den Faktoren Sicherheit, Nutzungskomfort und Datenschutz sind eine intensive und qualitativ hochwertige Kommunikation gegenüber den relevanten Stakeholdern und eine stark optimierte Zusammenarbeit der wichtigsten Akteure von 42 Forschung/Analyse grosser Bedeutung. Nach Expertenaussagen sind darüber hinaus eine häufige Verwendung und eine weite Verbreitung der eID wesentlich. Hierfür sind die Ausbaufähigkeit und die Integrierbarkeit der eID massgebend, sowie die Gewinnung von Anwendungsfällen mit einfachen Prozessen und mit hohen Nutzerzahlen. Als ebenfalls wichtige Faktoren wurden Standards und Prozesse für eine eID identifiziert. Die Erfahrungen während des Projekts haben gezeigt, dass die Verwendung zu starker Abstraktionen für die Etablierung einer konstruktiven Diskussion nicht förderlich ist. Konkrete Anwendungsfälle hingegen helfen den Beteiligten, die Sachlage besser zu verstehen, ihre Anliegen klarer zu formulieren und sich konstruktiv in die Diskussion einzubringen. Zu beachten ist jedoch, dass Anwendungsbeispiele dem Verständnis dienen, für nachhaltige Lösungen aber die Systemgesamtsicht notwendig ist. Während das vorliegende eID-Ökosystem-Modell einen Beitrag zur Konsolidierung von Wissen, Sprache und Verständnis leistet, darf die gesamtgesellschaftliche Wirkung einer eID nicht ausser Acht gelassen werden. Die bis dato aktiv involvierten Kreise sind nach wie vor überschaubar. Es werden auch künftig Anstrengungen notwendig sein, um den Fachdiskurs auszuweiten und die Konsolidierung der Sichten voranzutreiben. Mit dem vorliegenden eID-Ökosystem-Modell liegt nun ein Instrument vor, das in der weiteren Kommunikation eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist das Modell national und international anwendbar und orientiert sich an bestehenden Stan- dards. Es bildet eine Grundlage für weitere Modelle im Rahmen der strategischen Steuerung im E-Government. Quellen ––SECO: Projektabschlussbericht der Berner Fachhochschule «eID-ÖkosystemModell» vom Mai 2015, Bern: https://www.wirtschaft.bfh.ch/uploads/tx_frppublikationen/eID-OEkosystem_V1_2.pdf ––Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union: Verordnung der EU über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ HTML/?uri=CELEX:32014R0910&from=EN. Informationen zum Projekt eID-Ökosystem-Modell Auftraggeber: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) Mitwirkende des Projektes (Berner Fachhochschule): Ronny Bernold, Olivier Brian (Projektleiter), Jérôme Brugger, Angelina Dungga Winterleitner, Marianne Fraefel, Roman Hosang, Prof. Dr. Reinhard Riedl (Projektverantwortlicher), Thomas Selzam (stv. Projektleiter), Prof. Dr. Konrad Walser, Katinka Weissenfeld Projektdauer: Oktober 2014 bis Mai 2015 (8 Monate) Anzahl Interviewpartner: 33 Projektmanagement HERMES 5 HERMES 5 ist DIE schweizerische Projektmanagementmethode, nicht nur im Bereich der Informatik, sondern auch in der Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten, der Anpassung von Geschäftsorganisationen und vielem mehr. HERMES 5 «Foundation» oder «Advanced» mit Zertifizierung Unsere erfolgreichen HERMES-Kurse werden weiterhin durchgeführt! Als Partner der Bundesverwaltung bieten erfahrene Dozenten und Projektleiter der Berner Fachhochschule HERMES-Ausbildungen mit integrierter Zertifikatsprüfung an. In den Kursen «Foundation» oder «Advanced» verschaffen Sie sich ein vertieftes Verständnis von HERMES 5 und lernen, wie Sie die Methode individuell an Ihre spezifischen Projektbedürfnisse anpassen können. Direkte Unterstützung für Sie in Ihrem Unternehmen Wir führen ebenfalls firmenspezifische Kurse durch und bieten Projektmanagementunterstützung, Coaching und Qualitätsunterstützung durch unsere BFH-Experten. Nehmen Sie mit uns unter [email protected] Kontakt auf und wir unterbreiten Ihnen ein massgeschneidertes Angebot. Weitere Informationen und das Anmeldeformular finden Sie unter wirtschaft.bfh.ch/hermes. Partner: ‣ Wirtschaft 43 Forschung/Analyse Attente et réalité sur les données ouvertes: objectifs ambitieux et pratiques dysfonctionnelles Des gouvernements de partout dans le monde et à tous les niveaux ont embrassé l’idée des données ouvertes au cours des dernières années et ont commencé à publier ces données. Cependant, les données sont publiées dans de nombreux catalogues. Par conséquent, nous avons développé une méthode pour récolter et comparer des métadonnées à partir de plus de 130 catalogues européens des données ouvertes. Les résultats illustrent des pratiques incongrues de la publication des données ouvertes. Cela soulève des doutes importants quant à la réussite future de données ouvertes et la réalisation de ses bénéfices et impacts assumés. Sirko Hunnius Institute for eGovernment (IfG.CC) Employé scientifique [email protected] Des gouvernements de partout dans le monde et à tous les niveaux ont embrassé l’idée des données ouvertes au cours des dernières années et ont commencé à publier ces données. Cependant, les données sont publiées dans de nombreux catalogues indépendants et sont de ce fait dispersées à travers internet. Encore plus significative est la question sur l’homogénéité des données publiées en ce qui concerne les licences, les formats et les métadonnées en général. Ceci est important dans l’utilisation à grande échelle, dans la mesure où les différentes données peuvent être mélangées en mashups et que les applications ne fonctionnent pas dans une seule ville, mais dans l’ensemble de l’Europe ou même mondialement. Ceci est un point crucial pour l’évolutivité des cas d’utilisations et pour la durabilité des données ouvertes. Grégoire NjacheunNjanzoua Institute for eGovernment (IfG.CC) Employé scientifique njacheun.gregoire @gmail.com Afin de rendre possible l’utilisation des données à grande échelle, certains critères doivent être remplis. Ces critères comprennent l’interopérabilité technique, par exemple les formats de données, l’interopérabilité sémantique, par exemple que les termes et les mesures sont appliqués de manière cohérente, ainsi que l’interopérabilité juridique 1. Comme base, ouverts aux utilisateurs de données doivent être en mesure de comprendre ce que les données sont d’environ (sémantique), comment il peut être utilisé (technique) et dans quel but il peut être utilisé (juridique). Si par exemple régimes de licences différer, les utilisateurs sont dans un vide juridique et doivent potentiellement s’abstenir d’utiliser des données. Le paysage de données ouvertes diffusées ne rend pas seulement inaccessible pour les potentiels utilisateurs le fait de rechercher et de détecter les données ouvertes; les diverses et souvent incongrues métadonnées entravent la facilité d’utilisation des données. Des tentatives ont été faites pour développer des cadres communs pour décrire les ressources de données ouvertes (par exemple, RDF, DCAT profil d’application) 2. Cela reste toutefois difficile de comprendre dans quelle mesure ceux-ci sont compris, adoptés et utilisés par les gouvernements. Par conséquent, cet article explore l’hétérogénéité du paysage de données ouverte. La question de recherche abordée est celle de savaoir comment la taille de l’hétérogénéité des métadonnées utilisées pour décrire des données (gouvernement) ouvertes est réellement. Méthodologie Pour explorer l’hétérogénéité dans l’édition de données ouvertes du gouvernement, nous avons recueilli et analysé les données de catalogues de données ouvertes à travers l’Europe. A cette fin, nous avons étudié une liste de catalogues des données (gouvernement) ouvertes compilées par le projet FP7 européen OpenDataMonitor. Cette liste comprend un total de 134 catalogues de 24 pays européens. Pour notre analyse, nous avons mis en place et appliqué les outils de récolte pour recueillir les métadonnées de ces catalogues. Sur ce, les métadonnées récoltées ont été analysées avec des outils de statistiques descriptives de base. Dans la section suivante, nous présentons quelques-uns des principaux résultats et les observations de cette analyse des métadonnées brutes collectées pour les catalogues enregistrés. Résultats empiriques Analysant la congruence des métadonnées fournies, un certain nombre d’attributs peut être considéré comme des objets pertinents. Ici, nous nous concentrons sur les licences, les formats et la catégorisation topique de données comme étant les principaux exemples d’attributs de métadonnées. Chacun représente un aspect différent de l’interopérabilité des données ouvertes: interopérabilité juridique (licences), l’interopérabilité technique (formats) et l’interopérabilité sémantique (le sujet de la zone). Par conséquent, ils donnent une impression de multiples facettes de l’hétérogénéité des données ouvertes. Hétérogénéité dans l’utilisation et la définition de licences Les termes de la licence d’une pièce ouverte de travail ont été discutés depuis des années. Un certain nombre d’institutions (par exemple Open Knowledge, Creative Commons) ont mis en avant leurs propres définitions d’«ouvertes» qui par la suite ont été largement diffusées. Malgré des licences ouvertes des organismes civiques, les gouvernements – générateurs principaux de données ouvertes – ont créé des régimes nationaux de licences. Les licences nationales sur mesure peuvent être interprétées comme une tentative d’étendre le contrôle du gouvernement de l’utilisation des données au-delà de sa publication 3. En outre, ils essaient de tenir compte des différences dans les traditions juridiques et les cadres des Etats-nations 4. Si nous regardons les résultats empiriques, trois grands schémas de communauté de licences peuvent être rencontrés fréquemment: 44 Forschung/Analyse les licences Creative Commons (CC), Données ouvertes Commons- licences (ODC) et GNU-licences. En outre, de nombreux modèles de licences moins fréquents peuvent être trouvés. Au-delà, des licences nationales sur mesure sont largement distribuées, principalement le long des lignes de pays. structurer les données, d’autres utilisent des balises (Italie par exemple) et peuvent ainsi affecter des données à de nombreuses catégories d’actualité. Certains catalogues n’organisent pas leurs ensembles de données en catégories du tout. Cependant, l’énorme quantité de valeurs différentes extraites du processus de récolte est, avec près de 500 valeurs différentes, étonnamment élevées, dont 130 sont survenues au moins 20 fois. Ainsi, plus de 300 valeurs représentent moins de 10 ensembles de données chacun. Cependant, certaines tendances peuvent être détectées. Par exemple, la valeur modale, CC BY, représente environ 23 000 ensembles de données, ce qui représente 12% de l’échantillon. Les résultats illustrent des pratiques incongrues de la publication des données ouvertes. Cela soulève des doutes importants quant à la réussite future de données ouvertes et la réalisation de leurs bénéfices et impacts assumés. Afin de devenir durables, des données ouvertes doivent à tout au moins être utilisables et idéalement sur une grande échelle. Cela met l’accent sur deux aspects des pratiques autour de données ouvertes: 1. La normalisation des métadonnées ainsi que les données elles-mêmes: ouvrir les données doivent être juridiquement, techniquement et sémantiquement interopérable dans le marché numérique européen pour construire une analyse de rentabilisation importante qui vient même à proximité des projections fantastiques; 2. Ouverte par la conception au lieu du travail manuel des fonctionnaires qui est lourde et source d’erreurs: les TIC dans le secteur public doivent devenir capables de publier des données automatiquement selon des règles prédéfinies. Si les données ouvertes progressent sur l’élan comme cela semble être le cas actuellement, il pourrait autrement se tarir, ce qui a pourtant commencé comme un grand effort. Hétérogénéité dans les formats de fichiers D’un point de vue technique, l’aspect principal qui détermine le degré de facilité d’utilisation et l’interopérabilité des ensembles de données publiées sont les formats de fichiers utilisés. Bien qu’il existe certainement des formats de fichiers qui sont utilisés plus souvent que d’autres, encore une fois, il y a un degré non négligeable de la diversité qui impose souvent des problèmes en réutilisant ou en comparant les données des différents catalogues ou dans le même catalogue. Les distributions de 450 000 ensembles de données qui ont été récoltés sont disponibles dans plus de 400 formats différents, dont 205 se produisent au moins 20 fois. Le format CSV est la valeur modale, utilisé pour environ 80 000 distributions (Freq. 0.1737). Ici, il y a deux principaux facteurs conduisant à cette hétérogénéité. Tout d’abord, et surtout, elle peut être attribuée aux différents points de vue et des intérêts des éditeurs de données et des consommateurs de données. Du point de vue d’un utilisateur de données, certains formats sont préférables à d’autres, car ils permettent des requêtes structurées et l’analyse des données (par exemple, les données fournies en RDF). En revanche, du point de vue des éditeurs de données, d’autres formats peuvent être plus fréquents, par exemple Microsoft Excel. En outre, la publication des données sous forme de valeurs séparées par des virgules (CSV) est également un cas commun en raison de la simplicité de ce format, et la plupart des produits logiciels fournissent une fonctionnalité pour exporter des données à partir de n’importe quel utilisé en interne format CSV. Un deuxième facteur est le fait que les ensembles de données disponibles couvrent une variété de domaines, donc, dans certains cas, les formats de fichiers spécifiques sont également utilisés (par exemple, les fichiers KML pour les données géographiques). Incongruité dans la catégorisation topique La catégorie topique d’un ensemble de données indique le contenu de l’ensemble de données, par exemple données géographiques ou démographiques. La collecte de ces données a été problématique, en particulier parce que la plupart des catalogues suivent leurs propres catégories pour organiser les jeux de données. Par conséquent, la plus grande et apparente incompatibilité peut être détectée en ce qui concerne la catégorisation topique de données ouvertes. Les catégorisations varient pratiquement dans tous les catalogues, même dans un seul pays. Alors que certaines catégories simples pourraient se produire plus fréquemment, le schéma global varie considérablement. La variété peut être expliquée par des approches différentes d’une part, et les différences de granularité d’autre part. Alors que certaines catégories de catalogues apparemment distinctes sont utilisées pour Conclusion Quellen 1 M. Janssen, Y. Charalabidis and A. Zuiderwijk, «Benefits, Adoption Barr iers and Myths of Open Data and Open Government», Inf. Syst. Manag., vol. 29, no. 4, pp. 258–268, sep. 2012. 2 O. Glassey, «Developing a one-stop government data model», Gov. Inf. Q., vol. 21, no. 2, pp. 156–169, 2004. 3 S. Bandhakavi, C. C. Zhang and M. Winslett, «Super-sticky and declassi fiable release policies for flexible information dissemination control», in Proceedings of the 5th ACM Workshop on Privacy in Electronic Society – WPES’06, 2006, pp. 51–58. 4 S. Hunnius, B. Krieger and T. Schuppan, «Providing, Guarding, Shielding: Open Government Data in Spain and Germany», in 2014 EGPA Annual Conference, 10–12 September 2014 in Speyer, Germany, 2014. 45 Forschung/Analyse Digitalisierung der Bürgerbeziehung: vom formularbasierten Prozess zur digitalen Interaktion Die Beziehung zu und die Kommunikation mit seinen Bürgern ist für jede öffentliche Institution die essentielle Kernaufgabe. Im Zuge der Digitalisierung der Gesellschaft werden auch in dieser Beziehung altbewährte Prozesse und Kommunikationsmuster hinterfragt. Eine Studie von ti&m mit Studenten und Studentinnen der Fachhochschule Nordwestschweiz untersucht die Möglichkeiten der digitalen Prozesse. Digitalisierung als Megatrend Der weltweite Megatrend zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen geht auch an den öffentlichen Institutionen nicht vorbei. Genauso wie Banken, Versicherungen und Handels- wie Handwerksunternehmen die Gestaltung ihrer Kundenkommunikation auf Stephan Sutter völlig neue «digitale Füsse» stellen müssen, ti&m AG, CTO Bern um den sich dramatisch ändernden Ansprü[email protected] chen ihrer Kundschaft im digitalen Zeitalter gerecht zu werden, genauso müssen auch Behörden und öffentliche Einrichtungen ihre Kunden, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, digital betreuen. Auch wenn die Schwerpunkte und Treiber einer Digitalisierungsstrategie andere sind als bei Wirtschaftsunternehmen, so sind sie doch nicht weniger wichtig und in ihrer Wirkung nicht weniger «disruptiv». Statt von Kundenbindung, Cross-Selling und Brand-Awareness sprechen wir im öffentlichen Bereich von Bürgerzufriedenheit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vertraulichkeit, von Werten also, die in Zeiten von NSA und Wikileaks grundlegend hinterfragt und neu definiert werden. Die Studie Im Rahmen unseres ti&m Innovation Room hat ti&m gemeinsam mit Studentinnen und Studenten der Fachhochschule Nordwestschweiz verschiedene Szenarien untersucht, wie die heute meist formularbasierten Webauftritte der Behörden in interaktive digitalisierte Prozesse überführt werden können. Konkret wurden bei der Stadt Bern, dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) sowie dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) einzelne Digitalisierungsszenarien untersucht, um aus diesen dann grundlegende Forderungen abzuleiten, die in einer behördlichen Digitalisierungsstrategie zu beachten sind (siehe Infobox). Der Praxischeck Mit zehn ausgearbeiteten grundlegenden Forderungen «bewaffnet», wurden nun bei den genannten Institutionen ausgewählte bestehende Prozesse analysiert, um herauszufinden, welcher Digitalisierungsansatz Verbesserungen gemäss den zehn Forderungen generieren kann. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der exemplarischen Analyse des freiwilligen Meldewesens beim BAZL, des Managements von Anwohnerparkkarten bei der Stadt Bern sowie des Bewilligungsprozesses für Gefahrenguttransporte beim ASTRA waren die folgenden: –– Die bestehenden Formulare waren meist eine direkte Übertragung der Papierversion und wurden lediglich als PDF-Formulare auf der Website aufgeschaltet. –– Die Wartung von Formularen, die von den Nutzerinnen und Nutzern offline oder online, manuell oder digital ausgefüllt werden können, ist in der Regel sehr aufwendig. –– Viele Prozesse enthalten sowohl automatisierte als auch manuelle Schritte. –– Der Medienbruch bei Formularen (offline ausgefüllt, alte Versionen usw.) erfordert meistens manuelle Eingriffe in der Verarbeitung. Wie kann also eine Behörde die strikte, asynchrone und hochgradig fehleranfällige Kommunikation mittels Formularen in eine interaktive und digitalisierte Kommunikation wandeln? Iteration, Interaktion, Agilität So vielfältig und dynamisch wie die Anforderungen der Benutzerinnen und Benutzer, so flexibel und agil muss auch das Vorgehen bei der Umsetzung sein. Schritt für Schritt müssen einzelne Interaktionsmuster ausprobiert und mit weiteren Schritten kombiniert werden. Für die Umsetzung bietet sich hier ein Plug-and-play-Bausteinprinzip an, wie es z.B. die ti&m channel suite bietet. Die Bausteine zur digitalen Kommunikation und Interaktion wie Chats, sicherer Dokumentenaustausch, Terminabsprachen, Kommentare usw. können iterativ implementiert und mit einer flexiblen Prozess-Engine zu neuen Formen der Kundenkommunikation komponiert werden. Dabei stellt die Omnikanalfähigkeit sicher, dass die Kommunikation jederzeit genau dort anknüpft, wo sie vorher – evtl. auf einem anderen Kanal – unterbrochen wurde. Der Kontext jeglicher vorherigen Kommunikation ist allen Beteiligten sofort präsent – kein Aktenwälzen mehr, keine Weiterverbindungs-Odysseen, einfach mehr und besserer Service. Neben der Flexibilität ist das Hauptargument für ein solches Plug-and-play-Vorgehen natürlich die Umsetzungsgeschwindigkeit. Auch im öffentlichen Sektor ist die Zeit der Mammutprojekte mit Laufzeiten von mehreren Jahren und dem Anspruch, die alleinige Lösung aller Probleme zu bieten, vorbei. Sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Mitarbeitenden in den Behörden verlangen zu Recht schnelle Erfolge, wenig Schulungsaufwand und einen möglichst nahtlosen Übergang in die neue, digitale Welt. Dieser Übergang gelingt natürlich viel besser, wenn er inkrementell erfolgt: Ein Baustein nach dem anderen wird in Betrieb genommen, die Prozesse werden Schritt für Schritt angepasst und umgestellt, die Lernphasen sind kurz. Vom Amt zum digitalen Bürgerschalter Gemäss der oben skizzierten Einführung einer digitalen Bürger-Amt-Interaktion wird sich die Rolle des Amtes genauso wie die Arbeit seiner Beschäftigten grundlegend wandeln. Der heute zu beobachtende Mix von 50% direkten Kundengesprächen und 50% 46 Forschung/Analyse Aktenbearbeitung (Lesen, Beantworten, Recherchieren) wird sich mit einer digitalen Kommunikation nicht nur proportional verändern, er wird auch stärker zu einer Einheit verschmelzen. Haben wir heute eine Trennung von Gespräch und Bearbeitung und damit immer wieder einen Medienbruch im Kundenvorgang, so wird der digitale Bürgerschalter ständig den Kontext der Bearbeitung mit sich führen und so einen nahtlosen Sprung von einem Vorgang zum nächsten ermöglichen. Die Rolle der Bearbeiter wird sich ändern: vom «Aktenfresser» und Entgegennehmer von mündlichen «Bittstellungen» zum digitalen Kommunikator, zum Servicemanager und Partner des Bürgers. Kurze Durchlaufzeiten, direktes Bürgerfeedback und vor allem eine erhöhte Qualität der Vorgänge werden die Zufriedenheit sowohl der Mitarbeitenden in den Behörden als natürlich auch der Bürgerinnen und Bürger steigern. Zehn Forderungen für die Digitalisierung im E-Government Folgende Forderungen wurden herausgearbeitet: 1. Effizienz: Digitale Prozesse müssen Mitarbeitende entlasten und Zeit sparen. 2. Omni-Channel: Der Kunde entscheidet, wann, wo und wie er mit den Behörden interagiert. 3. Wertschöpfungskette: Die verschiedenen Systeme müssen kombinierbar sein und durchgängige Transaktionen ermöglichen. 4. User Experience: E-Government soll für die Bürgerinnen und Bürger leicht zugänglich sein und jederzeit zur Verfügung stehen. 5. Agilität: Veränderungen in Prozessen und Anforderungen sind schnell umsetzbar. 6. Kunden: Der Bürger will alle Angelegenheiten an einem Ort jederzeit erledigen können. KMU sind von den Behörden abhängig und müssen effizient sein. 7. Kosten: Das Budget muss besser genutzt, und die Kosten müssen gesenkt werden. 8. Vertrauen: Das Vertrauen in die Behörden muss aufgebaut werden. Behörden gewährleisten Datensicherheit, und der Bürger kann selbst bei Problemen mit Unterstützung und Transparenz rechnen. 9. Schnittstellen: Alle füreinander relevanten Systeme sollen miteinander verbunden sein, um Redundanzen zu verhindern. 10. Personalisierung: Der Kunde möchte alle für ihn relevanten Daten auf einen Blick mit wenigen Schritten einsehen können. Fazit Die Digitalisierung ist da. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten heute umfassende digitale Interaktion bei jedwedem Kontakt mit Banken, Versicherungen, Händlern und auch mit Behörden. Für die Ämter bietet dieses sich wandelnde Kundenverhalten grosse Chancen, die aber mit tief greifenden Veränderungsprozessen einhergehen. Die Chancen schrittweise beim Schopfe packen und gleichzeitig die Veränderungen positiv gestalten, das ist die Vorgehensweise, die den grösstmöglichen Erfolg verspricht. Technische und organisatorische Veränderungen müssen dabei harmonisch aufeinander abgestimmt sein, der Wandel wird iterativ und inkrementell vorangetrieben. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass eine schrittweise Umsetzung des Ziels einer digitalen Gesellschaft nur mit geeigneter technischer Unterstützung vorangetrieben werden kann. Geeignete Tools bringen rasche Resultate, die als Input in die nächsten Schritte einfliessen können. Bei Fragen und Anregungen steht der Autor gerne zur Verfügung. Quellen – Praxisprojekt E-Government, FHNW und ti&m AG, Projektteam Christopher Koller, Loïc Lavanchy, Mario Aeschbach, Betreuung Prof. Barbara Thönssen. Key Partnerships Key Activities Value Propositions Customer Customer Relationships Segments These 6 Service anbieten Amtlichen Auftrag ausführen (Service erbringen) Informieren Bürger und Amt Beziehungen Effinzients Beraten Parlamente Services (weiter)entwickeln Organisationen, die Dienstleistungen erbringen These 3 Effektivität Amtlichen Auftrag erklären (Information, Beratung) Vertrauen Bürger in der Rolle Privatperson These 1 These 10 Bürger in der Rolle Community Communities entwickeln Automatisierte Prozesse ausführen Zivilgesellschaft Key Resources These 3 Automatisierte Prozesse warten und weiterentwickeln Sachberarbeitende Nichtregierungsorganisationen (NGO, Vereine) Kommunikatoren Bürger in der Rolle Mitarbeit These 8 These 4 Organisationen, die Dienstleistungen (Services) nutzen Channels Schalter These 3 Telefon These 2 Parteien Berater WebSeite Medien Prozess-Manager (manuelle oder automatische Prozesse) Briefpost Gesetzliche Grundlagen E-Mail Cost Structure Verwaltungskosten (Personal, Raum, Energie) Revenue Streams These 7 Informatikkosten (Betrieb, Wartung, Entwicklung) Steuern Gebühren http://yanthoinet.com/2014/01/18/10-disruptive-business-models/ The Business Model Canvas: http://www.businessmodelgeneration.com This work is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported License. To view a copy of this license, visit http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ Business Canvas stellt die zehn Thesen in den Zusammenhang mit E-Government und der digitalen Gesellschaft. 47 Forschung/Analyse Open Data als erster Schritt zum Aufbau einer nationalen Dateninfrastruktur Damit die Behördendaten ihr Nutzenpotenzial für Wirtschaft und Gesellschaft entfalten können, müssen sie umfassend und systematisch zur Verfügung gestellt werden. Von besonderem Interesse sind Basisregister sowie Geodaten zur Lokalisierung dieser Entitäten. Zusammen mit weiteren Behördendaten zu Themen wie Verkehr, Energie oder Gesundheitswesen bilden diese eine immaterielle Infrastruktur, deren Kohärenz, Qualität und Verfügbarkeit über den erfolgreichen Aufbau einer Datenwirtschaft entscheidet. So wie öffentliche Schienen- und Strasseninfrastrukturen die Entwicklung der Industriegesellschaft ermöglicht haben, benötigt die Wissensgesellschaft eine nationale Dateninfrastruktur – Open Data ist der erste Schritt auf diesem Weg. Daten sind kein «Erdöl» André Golliez Präsident Opendata.ch golliez @opendataconsulting.ch Alessia C. Neuroni Leiterin Schwerpunkt Open & Linked Data E-Government-Institut Berner Fachhochschule [email protected] Obwohl Daten immer wieder als das «Erdöl» des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden, ist diese Metapher falsch. Im Gegensatz zu Erdöl können Daten als Infrastrukturressource – vergleichbar einem Leuchtturm – ohne Rivalität genutzt werden. Die beliebige Kopierbarkeit digitaler Daten erlaubt es, diese zu nutzen, ohne jemand anderen an der Mitnutzung zu hindern. Zudem sind Daten ein Investitionsgut, das zur Erstellung von Dienstleistungen und Endprodukten eingesetzt werden kann und für beliebig viele unterschiedliche Zwecke verwendbar ist (OECD 2014: 24). Die OECD kommt in ihrem Bericht «Datadriven Innovation for Growth and Wellbeing» zum Schluss, dass Daten eine wichtige Ressource darstellen, die zu neuem Wissen, neuen Produkten, Prozessen und Märkten führen können, und bezeichnet diesen Trend als datenbasierte Innovation (ebd. S. 4). Daten können einerseits als Infrastrukturressource dienen, die grundsätzlich von einer unbeschränkten Anzahl Nutzern für eine unbegrenzte Anzahl Zwecke Knowledge base Decision making Data analytics (soft ware and skills) Value added growth and well-being Datafi cation and data collection Big data Abb. 1: Der Data Value Cycle (OECD 2014: 23) für Dienstleistungen und Endprodukte eingesetzt werden kann, und andererseits als Input für die Analyse, welche neue Erkenntnisse und automatisierte Entscheidungen erlaubt. Wertschöpfung mit Daten Die datenbasierte Innovation ist kein linearer Prozess; Feedback-Loops sowie wiederkehrende Phasen der Wertschöpfung sind Teil des Prozesses (vgl. Abbildung 1). Die Wertschöpfungskette der Daten vom ersten Erfassen bis zur Aussage in der Statistik ist heute allerdings immer noch eine lange Folge von Medienbrüchen. Unterschiedlichste Anforderungen und Systeme erschweren den Beschaff ungs- oder Verarbeitungsprozess für Daten, Informationen und Inhalte. Das verlangsamt den Prozess nicht nur, sondern mindert auch die Qualität der Daten und erschwert deren Interpretation unnötigerweise. Der positive Einfluss datenbasierter Innovation ist nicht auf den ICT-Wirtschaft szweig limitiert. Die Tätigkeiten von Finanzdienstleistern sowie Firmen in den Bereichen Business und Professional Services sind äussert datenintensiv, diese Unternehmen werden daher in Zukunft noch vermehrt in die Entwicklung datenbasierter Innovationen investieren. Daneben sieht die OECD im Gesundheitsund im Ausbildungssektor sowie in der öffentlichen Verwaltung Chancen für datenbasierte Innovationen, die in verhältnismässig kurzer Zeit grosse Auswirkungen haben können (ebd. S. 5). Data Governance Um datenbasierte Innovation zu fördern, braucht es eine strategische Steuerung und Koordination der Datenproduktion, Datenpublikation und Datennutzung des Bundes über die organisatorischen Grenzen der Verwaltung hinweg («Data Governance»). Damit Daten als Infrastrukturressource genutzt werden können, benötigt es insbesondere geeignete Rahmenbedingungen für den Zugang («access») zu den Daten sowie das Teilen («sharing») und die Interoperabilität («interoperability») der Daten. Für die Regelung des Datenzugangs eröff net sich ein Spektrum von geschlossenen Daten, die nur dem Data Owner zugänglich sind, bis zu offenen Daten, zu welchen die Öffentlichkeit ohne Einschränkungen Zugang hat. Auch für die Weiternutzung der Daten eröff nen sich verschiedene Optionen, von der Unterbindung jeglicher Weiternutzung bis zur freien Weiterverwendung ohne jede Einschränkung («public domain»). Das wichtigste Hindernis für den freien Fluss der Daten zwischen potenziellen Nutzern sind Datensilos. Gerade auch innerhalb grosser Firmen und in der öffentlichen Verwaltung behindern diese den freien Fluss der Daten über organisatorische Grenzen hinweg. Daher muss die Data Governance insbesondere auch die Vernetzung und 48 Forschung/Analyse Integration der Datenbestände innerhalb einer Organisation regeln. Linked Data ist ein wichtiger technischer Ansatz, um diese Anforderung an die Vernetzung und Integration von Datenbeständen über organisatorische Grenzen hinweg zu erfüllen. Das Programm «Good Basic Data for Everyone» in Dänemark ist ein gutes Beispiel für den erfolgreichen Aufbau einer nationalen Dateninfrastruktur. Die Grundannahme besteht darin, dass die Öff nung qualitativ hochstehender Daten als Infrastruktur Behörden ermöglicht, ihr Kerngeschäft organisationsübergreifend besser erfüllen zu können. Zusätzlich gilt in Dänemark die Datenliberalisierung als Innovationstreiber. In Grossbritannien ist seit 2013 ein ähnliches Programm unter dem Namen «National Information Infrastructure» in Gang. nisse zur Schweiz ermöglicht. Diese Infrastruktur muss den Zugang zu den Daten über Onlinedatenkataloge, Download-Services, API etc. so offen und einfach wie möglich gestalten und nur dort einschränken, wo es rechtliche Auflagen wie der Schutz der Privatsphäre zwingend verlangen. Nebst den Basisdaten sowie Daten aus verschiedenen Wirtschaft s-, Verwaltungs- und Wissenschaft sbereichen sind Verzeichnisse der Datenbestände, Referenzdaten, Terminologien und weitere Hilfsmittel zur Erschliessung der Daten Bestandteil der Dateninfrastruktur. App App App Ausgangspunkt Open Data Seit wenigen Jahren haben in der Schweiz einzelne Bundesämter, Kantone und Städte damit begonnen, Behördendaten punktuell der Öffentlichkeit als Open Data zur freien Nutzung zur Verfügung zu stellen. Das ist erfreulich und de facto ein erster Schritt auf dem Weg zu einer nationalen Dateninfrastruktur. Aber es ist bei Weitem nicht ausreichend. Damit die Behördendaten ihr enormes Nutzenpotenzial für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur effektiv entfalten können, müssen sie umfassend und systematisch zur Verfügung gestellt werden. Von besonderem Interesse sind dabei diejenigen Basisdaten, welche in allen Lebensbereichen der Wissensgesellschaft permanent zur Anwendung kommen: Register zu Personen, Firmen und Gebäuden, Adressen sowie Geodaten zur Lokalisierung dieser Entitäten. «Typically, Key Registers hold essential and frequently used public sector information pertaining to persons, companies, land, buildings and other ‹infrastructural› elements critical to the proper functioning of government. The rationale for establishing a System of Key Registers is the notion that it is in fact infrastructure that is indispensable for fulfilling governmental policy ambitions and societal needs in the context of the evolving (digital) relationship between a government and its citizens and companies.» (de Vries/ Pijpker 2013: 4). Zusammen mit weiteren Daten des öffentlichen Sektors, z.B. von Verkehr, Energie, Gesundheitswesen, öffentlichen Finanzen oder Wetter, bilden diese Basisdaten eine immaterielle Infrastruktur, deren Kohärenz, Qualität und Verfügbarkeit über den erfolgreichen Aufbau einer Datenwirtschaft und -kultur entscheidet. Vision Nationale Dateninfrastruktur Schweiz Die EU-Kommission sieht die Realisierung eines digitalen Binnenmarktes als eine politische Priorität. Die Infrastruktur – inklusive Dateninfrastruktur – ist auch aus ihrer Perspektive eine zentrale Voraussetzung, um das Potenzial der digitalen Wirtschaft auszuschöpfen. Will die Schweiz in den kommenden Jahren das Potenzial datenbasierter Innovationen für wirtschaft liches Wachstum und soziales Wohlergehen nutzen, dann ist die Erschliessung und Vernetzung der bis anhin in einzelnen Silos isolierten Datenbestände der öffentlichen Verwaltung und des gesamten öffentlichen Sektors eine zwingende Voraussetzung. Die nationale Dateninfrastruktur muss beginnend bei den Basisregistern für Unternehmen, Gebäude und Personen sowie bei den Geobasisdaten alle Datensätze aus Bereichen wie Gesundheit, Energie, Verkehr, Erziehung etc. umfassen, welche für das Funktionieren der Schweiz relevant sind. Diese Datenbestände sind nicht länger als isolierte Installationen zu betrachten, sondern als Teile einer übergeordneten immateriellen Infrastruktur, welche die Entwicklung datenbasierter Dienstleistungen und die Gewinnung relevanter Erkennt- Einwohner Unternehmung Gesundheit Verkehr Verwaltung Energie App App … Erziehung Sektorspezifi sche Daten … Datenkatalog, Referenzdaten Basisdaten (Register, Geodaten) Abb. 2: Nationale Dateninfrastruktur Die nationale Dateninfrastruktur soll die Erstellung von datenbasierten Dienstleistungen und Applikationen über unterschiedliche Anwendungsbereiche hinweg mit minimalem Aufwand ermöglichen. Sie ist Plattform und Motor für organisationsübergreifende Zusammenarbeit und datenbasierte Innovationen. Quellen – de Vries, Marc/Pijpker, Udo (2013): The Danish Dash. A short story unravelling the Danish magic of shaping a System of Key Registers in less than nine months. The Hague. – European Commission (2015): A Digital Single Market Strategy for Europe, May 2015, http://ec.europa.eu/priorities/digital-single-market/docs/dsm-communication_en.pdf. – OECD (2014): Data-driven Innovation for Growth and Well-being, Interim Synthesis Report, October 2014, http://www.oecd.org/sti/inno/data-driven-innovation-interim-synthesis.pdf. OPEN SOURCE FÜR eGOVERNMENT Subscription Management Managed Services Linux Migration Services Cloud Orchestration Jetzt registrieren und Erstberatung buchen! BETTER TOGETHER Acceleris AG | Zollikofen | Kloten | Renens | Bucarest | +41 31 911 33 22 | www.acceleris.ch | [email protected] 50 Forschung/Analyse Wenn das Internet tot ist – ein Blick in die Zukunft War früher für jede Tätigkeit zwingend ein Mensch notwendig, ist es heute bereits Tatsache, dass Dinge (Geräte) miteinander kommunizieren und Tätigkeiten selber ausführen können: Autos fahren von selbst, Kühlschränke bestellen selber Milch, und Sensoren richten das Raumklima nach den Personen aus, die sich darin befinden. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Auch für die staatlichen Stellen bringt dieser Wandel grosse Chancen und Veränderungen. Gérald Strub Kommunaler Beauftragter für E-Government in den Kantonen Aargau und Luzern Gemeindepräsident Boniswil am Hallwilersee gerald.strub @strubpartner.ch Bereits heute werden Lösungen eingesetzt, die die Arbeit der Verwaltung erleichtern: automatische Fernauslesung der Strom- und Wasserzähler; intelligenter Grüngutcontainer, der aufgrund des beinhaltenden Gewichts weiss, wie viel der Einwohner berappen muss, und so weiter. Dabei stehen wir mit dieser Entwicklung erst am Anfang. Wie könnte im Jahr 2035 ein normaler Arbeitstag eines Verwaltungsmitarbeiters aussehen? Aufstehen Der ins Smartphone integrierte Schlafphasenerkenner sendet um 5.54 Uhr ein Signal an den Radiowecker. Dieser lässt Patrick G. Schreiber sanft erwachen, indem er sogleich dessen Gefühlslage erkennt und das entsprechende Lieblingslied des Schlafenden abspielt. Entnommen hat er es aus der Lieblingsplaylist auf dem Smartphone. Es ist Dienstag, der 31. Juli 2035. Der Geweckte schaut mit kleinen Augen auf den Radiowecker und stellt ihn ab. Gleichzeitig erhellt eine nicht direkt sichtbare Lichtquelle automatisch und langsam den Raum, und Schreiber setzt sich an den Bettrand. Eine freundliche Stimme fragt, wie er seinen Kaffee nach der morgendlichen Toilette zubereitet haben möchte. Auf dem Weg zur Küche stellt er auf seinem Smartphone, das etwa dieselbe Grösse hat wie sein Handrücken und alle Bewegungen problemlos mitmachen kann, den Infokanal an und lauscht den neusten Nachrichten. Beinahe alle Räume im Haus sind mit Lautsprechern ausgestattet. Sie sind jedoch nur dort aktiv, wo sich gerade Personen befinden. Gleich verhält es sich mit dem Licht. Um 6.45 Uhr steht Schreibers selbstfahrendes Auto abfahrbereit in der Einfahrt. Der blinkende Regenschirm im Ständer weist ihn darauf hin, dass die Wettervorhersage für den heutigen Tag besser sein könnte. «Ein Schirm zur Sicherheit schadet nicht», denkt er sich und setzt sich ins Auto. Per Smartphone schliesst er das Haus und löscht das Licht. Dann macht er sich auf den Weg Richtung Stadtverwaltung. Früher musste Schreiber jeweils um einiges früher aus dem Haus, da er auf seinem Arbeitsweg gut 30 Minuten im Stau stand. Aufgrund der Erfindung der selbstfahrenden Autos sind diese Zeiten allerdings vorbei. Die Autos kommunizieren untereinander und sind zudem an das Verkehrsleitsystem der Stadt angeschlossen. Dieses leitet den städtischen Verkehr vollautomatisch. So findet Schreibers Auto auf schnellstem Weg zum Arbeitsplatz. Auf dem Weg dorthin liest der Verwaltungsmitarbeiter die heutige Ausgabe der Tageszeitung und erste wichtige Büromeldungen auf einem grossen Touchscreen, wo früher die Windschutzscheibe freien Blick auf die Fahrbahn bot. Bei Bedarf lässt sich der Screen auch ganz normal als Windschutzscheibe mit Durchblick nutzen. Nach ein paar Minuten fällt dem Passagier eine defekte Strassenlampe auf, die anscheinend durch äussere Einwirkung in die Brüche gegangen ist. Da er auf der Stadtverwaltung arbeitet, weiss er, dass diese Lampe automatisch eine Meldung beim städtischen Energieversorger abgesetzt hat, die nun bereits auf dem Weg sein dürfte, um die defekte Lampe zu reparieren. Was mit den Lautsprechern und Lampen in seinem Haus funktioniert, funktioniert auch bei der Strassenbeleuchtung. So werden nur diejenigen Strassen mit LED-Lampen erhellt, auf deren Abschnitte entsprechende Sensoren Bewegungen verzeichnen. Schreibers Auto setzt ihn vor dem Eingang der Verwaltung ab und sucht sich selbstständig einen freien Parkplatz. Die Verrechnung der Benützungsdauer funktioniert automatisch, und die Gebühr wird ihm monatlich auf seinem Bürgerkonto in Rechnung gestellt. Arbeitsbeginn Patrick Schreiber überquert die Türschwelle, und ein Sensor registriert seine Anwesenheit. Diese Information wird sogleich an das Zeiterfassungssystem übermittelt. Zudem erkennt das System seine Tagesverfassung. Aufgrund dieser stellt es eine Arbeitsplanung für den Tag zusammen, die Schreiber natürlich jederzeit anpassen kann. Auf dem Bürostuhl angekommen, verschafft er sich einen Überblick darüber, welche Arbeiten er heute zu erledigen hat, und sortiert sie aufgrund seiner Vorliebe selber noch nach. Die Vermietung sämtlicher Verwaltungsgebäude fällt in seinen Aufgabenbereich. So genehmigt er diverse Gesuche mit seiner digitalen Unterschrift, die Einwohnerinnen und Einwohner übers Wochenende online gestellt haben. Durch die Genehmigung werden die dafür fälligen Gebühren automatisch dem Bürgerkonto der Gesuchsteller belastet. Auch das interne Raummanagement fällt unter Schreibers Fittiche. So meldet ihm das System, dass der Raum 34.2 im Schulhaus West an den letzten zwei Freitagnachmittagen nicht benutzt wurde, obwohl eine Belegung diese Zeitspanne blockiert hat. An der Decke angebrachte Sensoren haben dies dem System mitgeteilt. Schreiber erkundigt sich bei der reservierenden Person nach den Gründen der Nichtbenutzung. Es stellt sich heraus, dass der Raum nicht mehr benötigt wird. Schreiber schaltet ihn wieder frei. Das mit dem Raummanagement vernetzte Gebäudeenergiemanagement-System sorgt umgehend dafür, dass der Energieverbrauch bereits am Freitagmittag auf das Minimum reduziert wird. Um 11.55 Uhr begibt Schreiber sich in die Cafeteria der Stadtverwaltung und nimmt sein Mittagessen aus dem Fach Nr. 23 heraus. Seine Bestellung hat er bereits am Morgen auf dem Arbeitsweg über den Touchscreen im Auto getätigt und der Küche elektronisch über- 51 Forschung/Analyse mittelt. Spezialwünsche werden gerne entgegengenommen. Die notwendigen Zutaten werden ohne Aufwand für den Küchenchef frisch bei den Cafeteria-Lieferanten bestellt. Diese Auslagen werden durch die Cafeteria monatlich in Rechnung gestellt und im zentralen Bürgerkonto in einem internen Bereich zur Verfügung gestellt. Nach dem Mittagessen prüft Schreiber kurz die neue Cafeteriasowie die Parkplatz-Rechnung und gibt die Zahlung direkt über sein Smartphone frei. Er hat noch Besorgungen zu erledigen und macht einen kurzen Spaziergang Richtung Innenstadt. Zum Glück hat er seinen Regenschirm dabei, denn es hat ein leichter Regen eingesetzt, der an diesem heissen Sommertag für ein wenig Abkühlung sorgt. Wieder im Büro angekommen, widmet er sich der monatlichen Rechnungsstellung des Wasser- und Energieverbrauchs, die er zu überwachen hat. Die intelligenten Zähler melden den Zählerstand in Echtzeit. So prüft Schreiber die vom System automatisch bereitgestellten Rechnungen auf ihre Korrektheit. Signifikante Abweichungen zum Vormonat werden kenntlich gemacht und können so näher untersucht werden. Nach Abschluss dieser Prüfung werden die Rechnungen den Einwohnerinnen und Einwohner direkt auf dem Bürgerkonto belastet und zur Einsicht zur Verfügung gestellt. Soeben erhält Schreiber auf seinem eigenen Smartphone eine Push-Meldung, die ihn darauf aufmerksam macht, dass die Stadtverwaltung eine Rechnung gestellt hat. Feierabend Kurz vor 17 Uhr prüft Schreiber auf seinem Smartphone nochmals die Wetterlage. Für den Abend ist Sonnenschein vorausgesagt. Er denkt sich, dass eine Abkühlung im Wasser toll wäre, und prüft gleich auch noch den Belegungsstand der Badi. Dabei stellt er fest, dass dort aufgrund des Ferienanfangs ein grosser Andrang herrscht. Per Smartphone gibt er seinem Auto den Befehl, vor dem Eingang auf ihn zu warten und sich anschliessend auf den Weg Richtung Flussbad zu machen, da dort viel weniger Leute sind. Er verlässt sein Büro, ein Sensor an der Tür registriert dies und speichert seine Arbeitszeit im System. Beim Flussbad angekommen, macht Schreiber sich ein paar gemütliche Minuten und liest ein herkömmliches Buch, das er mitgebracht hat. Ihm kommt in den Sinn, dass er zum Abendessen noch nichts eingekauft hat. Auf seinem Smartphone sendet er seine Bestellung an den ortsansässigen Detailhändler und gibt an, dass er die Ware um 18.55 Uhr abholen wird. Nach einer Runde Schwimmen im Fluss gibt er seinem Auto den Befehl, vor dem Eingang auf ihn zu warten und auf dem Heimweg beim Detailhändler einen kurzen Stopp zu machen. Dort hält er sein Smartphone gegen ein Lesegerät und bezahlt so seine Warenbezüge. Auf dem Heimweg sendet das Auto ein Signal nach Hause, damit die automatische hausinterne Luftversorgung für ein perfektes Raumklima sorgen kann, bis Schreiber eintrifft. Zu Hause angekommen, bereitet Schreiber das Abendessen zu. Nach dem Essen lässt er sich per Smartphone einen Kaffee raus, schaltet seine Lieblingssendung im TV ein und setzt sich auf das Sofa. Nebenbei prüft er die Spielstände verschiedener Fussball spiele. Zu später Stunde legt er sich ins Bett und versetzt sein Smartphone in den Nachtmodus, das dadurch automatisch das Licht löscht und alle Geräte im Haushalt in den Energiesparmodus versetzt. So oder so ähnlich … … könnte der Alltag eines Schweizer Verwaltungsmitarbeiters im Jahre 2035 aussehen. Trotz aller Euphorie ist es zum heutigen Zeitpunkt sehr schwierig, abzuschätzen, wohin uns die technische Entwicklung bringen wird. Eines ist sicher, das Internet wird unsere Lebensweise total durchdringen. Wir werden es gar nicht mehr bewusst wahrnehmen – es wird «tot» sein. 52 Praxis – Schweiz Die Post bringt ihr Kerngeschäft in die digitale Welt Wahlberechtigte geben ihre Stimme online ab, Gerichte und Anwälte tauschen Prozessakten elektronisch aus, und Bürgerinnen und Bürger haben jederzeit und überall Einsicht in ihr Patientendossier. Als traditio nelle Übermittlerin vertraulicher Informationen arbeitet die Schweizerische Post daran, diese Zukunft mit modernen und sicheren Lösungen umzusetzen. In den Bereichen E-Health, E-Voting und vielleicht bald auch E-Justice leistet sie so ihren Beitrag an die künftige Infrastruktur der Schweiz. Claudia Pletscher Leiterin Entwicklung und Innovation Die Schweizerische Post [email protected] Die Schweizerische Post überbringt seit vielen Jahren sensible Dokumente wie Abstimmungsunterlagen, medizinische Befunde und Gerichtsentscheide. Sie tut das zuverlässig, sicher und im Rahmen des Postgeheimnisses absolut vertraulich. Gestützt auf den gesellschaftlichen und technischen Fortschritt will der Gesetzgeber E-Government vorantreiben: Berechtigte Nutzerinnen und Nutzer sollen künftig zeitund ortsunabhängig auf medizinische und juristische Unterlagen zugreifen können, die Stimmberechtigten sollen übers Internet wählen und abstimmen können. Die Post will ihre verlässliche Mittlerfunktion auch im E-Government übernehmen. Dazu entwickelt sie derzeit Lösungen in verschiedenen Bereichen, stets nahe am Kerngeschäft – dem sicheren und zuverlässigen Transport vertraulicher Informationen. E-Health Die Strategie eHealth Schweiz des Bundes will, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz über ein elektronisches Patientendossier verfügen. Jeder kann sein Dossier ortsunabhängig und zu jeder Zeit einsehen und ausgewählten Gesundheitsakteuren einen Zugang zu seinen medizinischen Daten gewähren. Ein elektronisches Patientendossier ist damit nicht nur praktisch, sondern erhöht die Selbstbestimmung des Patienten. Darüber hinaus verbessert es durch die Verfügbarkeit relevanter Gesundheitsdaten die Behandlungsqualität und sorgt für mehr Kosteneffizienz im Gesundheitswesen. Mit dem neuen Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) wurden schweizweit einheitliche Rahmenbedingungen zur Einführung des elektronischen Patientendossiers festgelegt. Der Bund definiert dabei technische und prozessuale Vorgaben, die einen standardisierten und sicheren Austausch von Gesundheitsdaten ermöglichen. Nationale und internationale Standards stellen sicher, dass die Daten auch zwischen E-Health-Plattformen unterschiedlicher Anbieter vollkommen transparent ausgetauscht werden können, sofern der Patient die Autorisierung dazu gibt. Das Parlament hat in der Sommersession 2015 das EPDG praktisch einstimmig verabschiedet. Voraussichtlich im Jahr 2017 soll es in Kraft treten. Die Post hat im Rahmen eines Pilotprojekts bereits 2011 zusammen mit dem Kanton Genf ein elektronisches Patientendossier entwickelt, das die Vorgaben des Bundes erfüllt. Es basiert auf der E-Health-Lösung vivates und ist heute im Kanton Genf unter dem Namen MonDossierMedical in Betrieb. Die Lösung deckt die Vorgaben der Strategie eHealth Schweiz ab, geht in ihrem Leis- tungsumfang aber deutlich über das elektronische Patientendossier hinaus. Insgesamt stehen den medizinischen Leistungserbringern fünf optional einsetzbare Module zur Verfügung. Sie können durch deren Verwendung ihre Effizienz steigern und Kosten sparen sowie die Behandlungsqualität erhöhen. –– Spitalzuweisung: Damit können Ärzte ihre Patienten direkt mittels Praxissoftware, via Internetportal oder wie bisher über Fax, Brief oder E-Mail im Spital anmelden. Das Spital erhält sämtliche Zuweisungen digitalisiert auf einer Plattform und kann sie intern rasch und sicher an die beteiligten Abteilungen weiterleiten. So können pro Überweisung mehrere Dutzend Franken gespart werden. –– Behandlungsplan: Menschen, die krankheitsbedingt auf eine längere Behandlung angewiesen sind – sei dies zur Pflege, zur Rehabilitation oder für regelmässige Check-ups bei verschiedenen Spezialisten –, können alle benötigten Informationen auf der Plattform abrufen. Dasselbe gilt für die behandelnden Fachpersonen. –– Medikation: Bei chronisch kranken Menschen ist die Medikation oft komplex und muss streng eingehalten werden. Mit einem elektronischen Medikationsplan können alle Fachpersonen die bestehenden Medikationen eines Patienten einsehen – sofern der Patient sie dafür berechtigt hat – und damit unerwünschte Wechselwirkungen oder doppelte Verschreibungen verhindern. –– Berichtstransfer: Medizinische Berichte werden verschlüsselt an einen oder mehrere Empfänger gesendet. Diese können die Daten einsehen oder automatisch ins bestehende Informationssystem laden. So lassen sich strukturierte und unstrukturierte Patientendaten hochautomatisiert von System zu System transferieren. –– Patientendossier gemäss EPDG: Im Wesentlichen deckt das Patientendossier die Gesamtheit der übrigen Module ab, indem es alle Elemente verbindet und dem Patienten den Zugriff auf die dezentral vorhandenen Daten gewährt. Bei E-Health geht es um mehr, als nur darum, eine Software zur Verfügung zu stellen. Es müssen marktneutral verschiedene Organisationen, Institutionen und Bürger identifiziert, an E-Health-Plattformen angeschlossen und miteinander vernetzt werden. Es gilt, die physische mit der digitalen Welt zu verbinden. Die Post erfüllt mit ihrer Lösung bereits heute die geltenden Anforderungen. Politisch und im Markt ist sie aktiv und gut vernetzt, tritt aber im Gesundheitswesen stets neutral auf. Nebst einem wachsenden Kernteam, das die E-Health-Lösung intern weiterentwickelt und Kunden sowie Projekte betreut, arbeiten im Hintergrund zusätzlich diverse Partnerunternehmen und posteigene Abteilungen wie die Konzern-IT mit. Die von der Post entwickelte Lösung bewährt sich in der Praxis: Für das Genfer MonDossierMedical registrieren sich pro Monat mehrere Hundert Nutzerinnen und Nutzer. Im Kanton Waadt betreibt 53 Praxis – Schweiz die Post mit vivates die Kommunikationsplattform zwischen den Spitälern, dem Ärztenetz und dem Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV). Im Tessin läuft das Patientendossier für Krebspatienten reTIsan über vivates und im Aargau das Zuweisungsmanagement zwischen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und den Kantonsspitälern Aarau und Baden. Somit hat die Post bereits in mehreren Kantonen und in drei Sprachregionen der Schweiz produktive medizinische Plattformen im Einsatz, denen einzelne oder mehrere Module der Lösung vivates zugrunde liegen. Wegen der hohen Sensibilität personenbezogener medizinischer Daten sind die Anforderungen an Sicherheit und Vertraulichkeit im Gesundheitswesen besonders hoch. Der Zugriff auf Gesundheitsdaten setzt von Gesetzes wegen sowohl für Patienten als auch für medizinische Fachpersonen ein starkes Authentifizierungsinstrument voraus. Als eines von mehreren infrage kommenden Instrumenten dient die von der Post mitgegründete und mitbetriebene SuisseID. Informationssicherheit und Datenschutz haben bei vivates auch über die Authentifizierung hinaus höchste Priorität. Alle Daten werden ausschliesslich verschlüsselt übermittelt. Die Post betreibt schweizweit hochsichere IT-, Kommunikations- und Logistikinfrastrukturen und verfügt daher über die notwendigen Kompetenzen, um schützenswerte Daten im Vertrauen der verschiedenen Akteure zu transportieren. Diese Kompetenzen kommen allen E-Government-Lösungen der Post zugute. E-Justice Der elektronische Rechtsverkehr umfasst den Austausch von Prozessakten, Verfügungen und Urteilsverkündungen. In seiner Antwort auf die Motion von Ständerat Pirmin Bischof im Jahr 2013 hat der Bundesrat schweizweit einheitliche Vorgaben begrüsst. In Zusammenhang mit der Revision des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES; SR 943.03) erteilte der Bundesrat verschiedene Aufträge für die Ausarbeitung eines Gesetzgebungspaketes zur Förderung des elektronischen Geschäftsverkehrs. Diese Rechtsgrundlagen sind teilweise noch in Erarbeitung. Eine elek tronische Akteneinsicht soll berechtigten Akteuren ausserhalb des Gerichts – beispielsweise Anwälten und Versicherungen – die schnelle und unkomplizierte Einsicht in juristische Falldokumente erlauben. Als Drehscheibe zwischen den Akteuren im Abstimmungsprozess vereinfacht die Post beim E-Voting die Prozesse. 54 Praxis – Schweiz Damit weist der elektronische Rechtsverkehr in seinem Anforderungskatalog zahlreiche Parallelen zum elektronischen Patientendossier im Gesundheitswesen auf. Die Post will deshalb eine eigene E-Justice-Lösung zur Verfügung stellen, die technisch auf der E-Health-Lösung vivates basiert und deren Sicherheitsmerkmale übernimmt. Das Projekt befindet sich derzeit noch in einer frühen Entwicklungsphase und wird erst zu einem späteren Zeitpunkt am Markt angeboten. E-Voting Die Post stellt den Stimmberechtigten seit vielen Jahrzehnten jährlich rund 20 Millionen Mal die Stimm- und Wahlunterlagen zu. Seit Anfang der 1990er-Jahre übernimmt sie den Transport von brieflich abgegebenen Stimmen. Sie ist damit prädestiniert, entsprechende Dienstleistungen auch elektronisch im E-Voting zu erbringen. Die Umsetzung von E-Voting ist grundsätzlich Sache der Kantone. Doch auch hier sorgt der Bund für einheitliche Vorgaben. Der Bundesrat hat am 13. Dezember 2013 die Bestimmungen für die Durchführung von Versuchen mit der elektronischen Stimmabgabe revidiert. Die Verordnung über die politischen Rechte (VPR, SR 161.11) ist am 15. Januar 2014 in Kraft getreten. Die neuen Rechtsgrundlagen definieren die Bedingungen für die Ausdehnung des elektronischen Stimmkanals. Insbesondere wurden die Sicherheitsanforderungen an die technischen Lösungen bezüglich Verifizierbarkeit und Auditierung erhöht. Die Post evaluiert seit 2012 Geschäftsmodelle zur elektronischen Stimmabgabe und entwickelt derzeit zusammen mit einem spanischen Technologiepartner eine eigene E-Voting-Plattform. Aufgrund der sehr hohen Anforderungen im Bereich Sicherheit und Verschlüsselung hat sich die Post für einen Partner entschieden, der mit seiner Kernkompetenz Kryptografie in E-Voting seit 15 Jahren weltweit führend ist. Sie besitzt gemeinsame Rechte am geistigen Eigentum aus der gemeinsamen Weiterentwicklung der Lösung. Das Schweizer Wahl- und Abstimmungssystem und die Ansprüche, denen die Software genügen muss, lassen sich mit einem Standardprodukt nicht abdecken. Es handelt sich bei der E-Voting-Lösung der Post daher vielmehr um eine spezifisch für den Schweizer Markt entwickelte Software mit einer international bewährten Technologiebasis, die vor allem die benötigten Sicherheitsmerkmale liefert. Dabei geht es um zwei wichtige Punkte: Wahlmanipulation muss verhindert werden, und das Wahl- und Abstimmungsgeheimnis muss auf allen Stufen des Prozesses gewährleistet sein. Am 31. August 2015 hat der Regierungsrat des Kantons Neuenburg entschieden, künftig auf die Lösung der Post – und damit auf eine voll ausgebaute Lösung der zweiten Generation – zu setzen. Der Entscheid ist folgerichtig, da Neuenburg bei seiner bisherigen Pilotplattform mit demselben Technologiepartner zusammen arbeitet und sich entsprechende Synergien ergeben. Die Post sucht parallel dazu den Dialog mit weiteren kantonalen Behörden, um Interessen und Anforderungen abzuklären und zusätzliche Partnerschaften zu knüpfen. Die elektronische Transformation des Kerngeschäfts Mit dem Engagement im E-Government will sich die Schweizerische Post nicht von ihrem Kerngeschäft wegbewegen, sondern dieses in die Zukunft überführen. Sie ist seit vielen Jahren eine etablierte Mittlerin für Informationen, die so sensibel sind, dass der Bund und die Kunden auf hohe Sicherheitsstandards bestehen. Die Post transportiert jährlich Millionen Stimmzettel sowie Kranken- und Gerichtsakten zur Zufriedenheit der beteiligten Akteure. Eine Zufriedenheit, auf der sie sich nicht ausruhen will. Neue technologische Möglichkeiten und der gesellschaftliche Wandel verändern die Bedürfnisse der Kunden laufend. Die Nachfrage nach digitalen Angeboten steigt entsprechend. Die Post will die Bedürfnisse ihrer Kunden auch in der nahen und fernen Zukunft abdecken. Sie hat deshalb zahlreiche Projekte initiiert, um ihre Dienste in Zukunft sowohl in der physischen als auch in der digitalen Welt anzubieten. Was ihr Zustellpersonal heute an der Haustür überbringt oder bei den Kunden abholt, transportiert die Post künftig mit derselben Sorgfalt auch übers Internet. Abzusehen ist, dass beide Welten noch einige Jahrzehnte parallel existieren werden. Deshalb baut die Post insbesondere die Schnittstelle physisch-digital konsequent aus. Die klassisch physischen und die neuen digitalen Angebote existieren nicht voneinander isoliert, sondern sind als ganzheitliches System sinnvoll miteinander verknüpft: Besteht entsprechender Bedarf, digitalisiert die Post in ihren Datencentern physische Dokumente oder produziert On-Demand-Drucksachen ab elektronischen Daten. Der Schweizer Bevölkerung erleichtert die Post mit den physisch-digitalen Lösungen den Übergang ins Zeitalter des elektronischen Informationsaustausches. Darüber hinaus senkt sie mit einem effizienten und sicheren Informationsfluss zwischen allen Akteuren im öffentlichen Sektor Kosten und vereinfacht Prozesse. Eine entsprechende Absichtserklärung befindet sich denn auch in der Vision der Post: «Wir leisten einen massgeblichen Beitrag an eine moderne Infrastruktur der Schweiz.» Die im Aufbau befindlichen E-Government-Lösungen sind ein wichtiger Teil dieser modernen Infrastruktur. Neuland betritt die Post im E-Government indes nicht. Sie gehört im Bereich Dokumentenmanagement mit Swiss Post Solutions zu den weltweit führenden Anbieterinnen. Und sie verfügt bei der sicheren digitalen Übermittlung über grosses Know-how – etwa durch Produkte wie das sichere E-Mail IncaMail und die SuisseID, dem schweizerischen Standard für sichere Identifikation und digitale Signatur. Damit verfügt sie bereits über technische Mittel und das nötige Vertrauen, um im E-Government erfolgreich Dienstleistungen anzubieten. Am ehesten lässt sich die Post bezüglich ihrer Rolle im E-Govern ment mit der Swisscom vergleichen, die ebenfalls entsprechende Lösungen entwickelt. Dass im E-Government Wettbewerb entsteht – in manchen Bereichen auch zwischen der Swisscom und der Post –, ist vom Gesetzgeber gewollt. Alternativen wären, dass der Bund die Lösungen innerhalb der Verwaltung selber entwickelt oder an einen einzelnen Anbieter konzessioniert und die Kosten selber trägt. Der gewählte Wettbewerb unter strengen Bundesvorgaben sorgt indes nicht nur für innovative Lösungen, sondern immer wieder für Kooperationen zwischen den Unternehmen. Dadurch entstehen kundenfreundliche Produkte, die schliesslich auch bezahlbar sind. Die Post ist überzeugt, dass ihre Angebote in diesem Wettbewerb Bestand haben. 55 Praxis – Schweiz E-Partizipation leicht gemacht Direkt mit der Bevölkerung digital standortabhängige Informationen austauschen – der neue Cloud-Service «mycity.builders» der Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG) machts möglich, genau wie der «Lebensqualitätsindex Schweiz», eine persönliche Rangliste der Schweizer Gemeinden und Städte, den die Fachhochschule St. Gallen und die VRSG entwickelt haben. Die zwei Beispiele zeigen den Nutzen vollständig integrierter E-Government-Lösungen: Sie ermöglichen wirkliche E-Partizipation. Neue Technologien, die Individualisierung, neue Lebens- und Arbeitsstile – diese und weitere Trends und Megatrends des 21. Jahrhunderts machen es für Verwaltungen, Organisationen, Institutionen und Unternehmen immer anspruchsvoller, mit ihren «Zielgruppen», wie sie in der KommuMartin Baumgartner nikationstheorie lange hiessen, in VerbinLeiter eGovernment dung zu treten. Immer mehr Botschaften von Verwaltungsrechenzentimmer mehr Akteuren führen zu einer daurum AG St. Gallen (VRSG) martin.baumgartner ernden Überfütterung mit Informationen. @vrsg.ch Wer in diesem ständigen Wettbewerb um Aufmerksamkeit bestehen will, ist gut beraten, auf den gezielten, persönlichen Dialog zu setzen: Aus «Zielgruppen» werden «Dialoggruppen», aus den anonymen, gesichtslosen «Bürgern» wird eine vielschichtige und «vielgesichtige» Bevölkerung. E-Government sieht den Bürger als Kunde von Regierungsdienstleistungen. Im Gegensatz dazu betont E-Partizipation die Rolle des Bürgers als mündiger Partner bei der politischen Entscheidungsfindung.»* E-Government E-Administration E-Demokratie E-Partizipation E-Voting Jederzeit überall «in Echtzeit» Diese Feststellung tönt widersprüchlich, ich weiss. «Vor dem digitalen Zeitalter, als ‹der Bürger› noch für jedes Anliegen mit Behörden und Verwaltung einen Termin im Rat- oder Gemeindehaus vereinbarte, war doch der Austausch persönlicher!», werden Sie mir zurufen. Die heutigen Kundinnen und Kunden der öffentlichen Verwaltungen wollen aber nicht auf einen Termin warten. Sie wollen jederzeit und überall, d.h. digital, den Dialog mit den Verwaltungen führen können. Und sie wollen sich einbringen. Ohne Medienbrüche und möglichst «in Echtzeit». Diese Erwartung zu erfüllen, ist aus verschiedensten Gründen nicht ganz trivial. Von Schlagworten zum Perspektivenwechsel Wer die Erwartung als legitimen Anspruch ernst nimmt, muss unter die Oberfläche der Schlagworte «E-Government» und «E-Partizipation» gelangen und einen Perspektivenwechsel vornehmen: Aus «Kunden» werden «Partner». Die Definitionen der beiden Begriffe auf Wikipedia machen das deutlich – auch wenn sie nach wie vor mit dem statischen Begriff «der Bürger» operieren: «E-Parti zipation umfasst alle internetgestützten Verfahren, die eine Be teiligung von Bürgern am politischen Entscheidungsprozess ermöglichen. (...) Als Weiterentwicklung von klassischen Beteiligungsverfahren eröffnet E-Partizipation die Möglichkeit, dass sehr viele Teilnehmer sehr fokussierte Ergebnisse erarbeiten können. Genauso wie bei veranstaltungsorientierten Formaten entscheidet die Auswahl und Konzeption der gemeinsamen Arbeitsabläufe (collaborative workflows) über den Erfolg des Verfahrens. Nötig wurde der Begriff der E-Partizipation, um eine Abgrenzung zum Begriff des E-Governments zu treffen. E-Government umfasst die Optimierung und Modernisierung von Verwaltungsprozessen durch Informations- und Kommunikationstechnologie – die Angebote öffentlicher Dienstleistungen werden online zugänglich gemacht. Abbildung 1: Übersicht über das Service-Design einer Leistungserbringung Dialog via Cloud-Service Dieser Perspektivenwechsel liegt dem modularen Cloud-Service «mycity.builders» zugrunde, den die VRSG entwickelt hat. Der Service bietet den Verwaltungen einen Kanal zur transparenten Visualisierung und Kommunikation ihrer Vorhaben – zeitunabhängig und ohne Medien- und Systembrüche. Dank verschiedenen Schnittstellen wie Geo- und statistischen Daten sowie Google Maps liefert der Service immer aktuell visualisierte Übersichten, wo welche öffentlichen Projekte in Städten und Gemeinden, die «mycity.builders» einsetzen, laufen und welches der aktuelle Stand der Projekte ist. In einem weiteren Schritt ermöglicht es der Service den Verwaltungen, über eCH-Schnittstellen direkt aus ihrer jeweiligen Geschäftsverwaltung heraus den aktuellen Stand von Geschäften zu publizieren. So können die Verwaltungen jederzeit aktiv mit der interessierten Bevölkerung kommunizieren und zugleich Anregungen, Hinweise und Ideen entgegennehmen. Austausch von Informationen und Anregungen In den Städten und Gemeinden, die «mycity.builders» einsetzen, ermöglicht der Service der Bevölkerung nämlich zeitunabhängig direkte Mitsprache und Mitbestimmung. Die Einwohnerinnen und Einwohner können jederzeit standortabhängige Meldungen, beispielsweise Schäden oder Mängel an einer öffentlichen Infrastruktur, Anregungen und Ideen mit Titel, Beschreibung und Foto sowie *https://de.wikipedia.org/wiki/E-Partizipation, 21.10.2015, mit Verweis auf: Kaiser, Robert (2001): Bürger und Staat im virtuellen Raum – E-Government in deutscher und internationaler Perspektive. In: Siedschlag et al. (2001: 57–68). 56 Praxis – Schweiz – optional – Kontaktdaten an die Verwaltungen schicken. Der genaue Standort lässt sich prüfen und detaillieren. Die Übermittlung an die Verwaltung ist anonymisiert oder personalisiert möglich. Zugleich bietet der Service – mit Filtermöglichkeiten – Einsicht in sämtliche publizierten Meldungen und deren Status. Die Verwaltungen ihrerseits können entscheiden, ob sie eingegangene Meldungen für alle Nutzerinnen und Nutzer sichtbar machen: Über die Basiskomponente des Services haben die Mitarbeitenden der Verwaltung die Publikationskontrolle und können Meldungen und Informationen zuständigkeitsorientiert zuordnen und bearbeiten. Vergleichbar mit Plattformen wie TripAdvisor Das eigene Ranking erstellen Führungscockpit als Basis Denselben Perspektivenwechsel folgt der «Lebensqualitätsindex Schweiz», den die Fachhochschule St. Gallen und die VRSG umgesetzt haben. Die Bevölkerung soll die Lebensqualität von Schweizer Städten und Gemeinden nicht mehr nur anhand von deren Eigendarstellungen oder der landläufig bekannten medialen Rankings einschätzen, sondern gleich selbst interaktiv beurteilen können. Natur und Erholungsräume, Bildungsangebote, sozialer Zusammenhalt oder auch das Wetter sind nur einige der Faktoren, die Lebensqualität ausmachen. Um ein umfassendes Bild der Lebensqualität in Schweizer Städten und Gemeinden zu erhalten, hat die Fachhochschule St. Gallen mit Unterstützung der VRSG eine interaktive Plattform konzipiert und realisiert. 27 Fragen zu sieben Themen Auf www.solebtdieschweiz.ch finden die User deshalb seit August 2015 eine interaktive Schweizer Karte, auf der alle Schweizer Gemeinden und Städte eingezeichnet sind. Die Einwohnerinnen und Einwohner können die Lebensqualität in ihren Wohngemeinden anhand von 27 Fragen beurteilen. Diese sind aufgeteilt in sieben Themenfelder: Wohnen, Infrastruktur, Arbeit & Bildung, Mobilität, Finanzen, Zusammenleben und Sicherheit. In die Berechnung fliessen zusätzlich objektive Kennzahlen wie der Steuerfuss ein. Mithilfe eines Rasters zur Gewichtung der verschiedenen Themen wird ein individueller Durchschnittswert sowie eine persönliche Rangliste der Schweizer Gemeinden berechnet. Ergänzend bietet die Plattform Hintergrundinformationen sowie statistische Daten zu den einzelnen Gemeinden. In zweijährigem Forschungsprojekt entwickelt «Der Lebensqualitätsindex zeigt, wie Einwohnerinnen und Einwohner die Schweizer Gemeinden und Städte wahrnehmen und als Wohnort beurteilen», sagt Sara Kurmann, Politologin und Leiterin des Ostschweizer Zentrums für Gemeinden OZG-FHS an der Fachhochschule St. Gallen. «Die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz erhalten auf der Plattform einen Überblick darüber, wie die Lebensqualität in verschiedenen Gemeinden beurteilt wird, und können durch ihre Einschätzung den Dialog zur Lebensqualität in der eigenen Wohngemeinde anregen.» Die Gemeindebehörden wiederum erhalten durch die Bewertungen ein differenziertes Stimmungsbild ihrer Gemeinde und können dieses zum Anlass nehmen, um mit den Einwohnerinnen und Einwohnern in einen Dialog zu treten und Handlungsoptionen abzuleiten. Entwickelt hat die Fachhochschule St. Gallen den Lebensqualitätsindex Schweiz im Rahmen eines zweijährigen, von der Gebert Rüf Stiftung finanzierten Forschungsprojekts zusammen mit den drei Pilotgemeinden Rapperswil-Jona, Uzwil und Steinach. «Ausgangspunkt unseres Projekts war das Unverständnis einzelner Gemeinden über ihr schlechtes Abschneiden beim Gemeinderanking der ‹Weltwoche›, wo doch nach ihrer Einschätzung ihre Einwohnerinnen und Einwohner durchwegs zufrieden seien», erklärt Prof. Dr. Lukas Schmid, Projektleiter und Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering IDEE-FHS der Fachhochschule St. Gallen. «Das Prinzip der freien Beurteilung der Gemeinden durch deren Einwohnerinnen und Einwohner ist vergleichbar mit Internetplattformen wie TripAdvisor, die auch so funktionieren.» Die Daten aus dem Lebensqualitätsindex dienen nicht nur der Bevölkerung als Anhaltspunkte, sondern auch den Städten und Gemeinden als Ausgangslage für detailliertere Analysen. Dieser Möglichkeit, die Bewertungen im Detail zu analysieren, liegt das Führungscockpit der VRSG zugrunde. Was in vielen mittleren und grösseren Unternehmen zum etablierten Führungsinstrumentarium gehört, wird auch in den Gemeinden zu einem immer grösseren Bedürfnis: über ein Führungsinstrument zu verfügen, das mit wenigen Klicks übersichtlich die wichtigsten Referenzgrössen für die Planung und die Überwachung der Entwicklung aufzeigt. Das Führungscockpit der VRSG ist genau das. Dank ihrer Integrations- und Verbundstrategie konnte die VRSG das Cockpit in enger Zusammenarbeit mit einer eigens dafür zusammengestellten Fachgruppe von St. Galler Gemeindepräsidenten und -schreibern entwickeln. Die Anwendung ist vollumfänglich in die Applikationslandschaft der Verwaltungen und ins E-Government integriert. Die rund 330 Mitarbeitenden der VRSG bieten dank ihrem breiten Know-how aus ICT und Verwaltung umfassende Lösungen aus einer Hand. Von der Beratung und Entwicklung über die Einführung und Wartung bis zum Support und Kundenservice. Das überzeugt: Die VRSG gewinnt in ihrem hochdynamischen Marktumfeld ständig neue Kunden hinzu. Rund 270 Kunden in der ganzen Deutschschweiz und im Tessin setzen auf Dienstleistungen und Applikationen der VRSG in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Zu den schweizweiten Vorreitern gehört die VRSG namentlich im E-Government. Die VRSG stellt nicht nur ihren Kunden, sondern auch Partnern massgeschneiderte E-Government-Lösungen zur Verfügung. Quellen ––Fachhochschule St. Gallen und Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG). ––Abbildung 1: «E-Government-Dimensionen» von Curtis Newton: übertragen aus de.wikipedia nach Commons durch Saibo mithilfe des CommonsHelper. Eigene Darstellung in Anlehnung an Christoph Dowe, Oliver Märker: Elektronische Bürgerbeteiligung in deutschen Grossstädten 2004 – Website-Ranking der Initia tive eParticipation, und Thomas Hart, Frank Pflügler: Neue Medien und Bürger orientierung – Strategien für die Zukunft vor Ort. Lizenziert unter gemeinfrei über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File: E-GovernmentDimensionen.svg#/media/File:E-GovernmentDimensionen.svg. 57 Praxis – Schweiz Der steinige Weg zum einheitlichen Personen identifikator Obwohl die Schaffung eines eindeutigen, universellen Personenidentifikators in Form der heutigen AHVNummer im Grundsatz weitherum begrüsst wird, verhindern Bedenken aus Datenschutzkreisen bislang einen solchen. Ein neues Gutachten zeigt indessen, dass sich universeller Personenidentifikator und Datenschutz nicht ausschliessen. Die Fallbeispiele schildern zudem die Gefahren von Falschidentifikation bzw. Nichtidentifikation bei Verzicht auf einen Identifikator und untermauern damit die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs. Dr. iur. Esther Hefti Juristische Sekretärin mbA Staatskanzlei des Kantons Zürich [email protected] Angelina Dungga Wissenschaftliche Mitarbeiterin E-Government Institut Berner Fachhochschule [email protected] Die Digitalisierung der Verwaltung erfordert die Schaffung eines eindeutigen, universellen Personenidentifikators. Die Diskussion darüber wird bereits seit Jahrzehnten geführt. Dabei können zwei Meinungspositionen ausgemacht werden: diejenigen, die in einem universellen Identifikator einen klaren Effizienzgewinn sehen, und diejenigen, die wegen Datenschutzbedenken eine entsprechende Entwicklung zu verhindern suchen. Die Notwendigkeit eines behördenübergreifenden, eindeutigen Personenidentifikators wurde letztmals eingehend bei der Einführung des Registerharmonisierungsgesetzes (RHG) diskutiert 1. Ziel des RHG ist, die Einwohnerregister in den Kantonen und Gemeinden zu harmonisieren und sie (wie auch die Personenregister des Bundes) für die bevölkerungsstatistischen Erhebungen und für die Modernisierung der Volkszählung nutzbar zu machen. Dabei braucht es einen behördenübergreifenden, eindeutigen Personenidentifikator für den Datenaustausch zwischen den verschiedenen Bundesregistern und den Einwohnerämtern. Die Verwendung der damals neuen AHV-Nummer bot sich an, zumal sie aufgrund ihrer Beschaffenheit (im Gegensatz zur alten «sprechenden» Nummer) keine Rückschlüsse mehr auf Personen zulässt. Schaffung eines administrativen Personenidentifikators Bereits damals war klar, dass ein behördenübergreifender, eindeutiger Personenidentifikator auch ausserhalb des statistischen Bereichs gebraucht wird. Der Botschaft des Bundesrates vom 23. November 2005 2 ist zu entnehmen, dass die neue AHV-Nummer ursprünglich als universeller Personenidentifikator angedacht war. Die Botschaft verweist auf den Nutzen einer solchen Entwicklung für das E-Government und für die Bevölkerung. Etwa zeitgleich debattierten die Räte über die Einführung der neuen AHV-Nummer (der sogenannten AHVN13) 3. Beide Vorlagen erkannten die Notwendigkeit, einen behördenübergreifenden Personenidentifikator zur Verfügung zu stellen. So listete der Bundesrat bereits damals konkrete Punkte für die Eignung der neuen AHV-Nummer zum universellen Personenidentifikator auf, nämlich die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, der weit verbreitete Einsatz sowie die Tatsache, dass die Nummer keine Rückschlüsse auf personenbezogene Merkmale zulässt und an die gesamte Wohnbevölkerung der Schweiz ausgegeben wird 3, p. 516. Datenschutzbedenken Die Schaffung eines universellen Personenidentifikators in Form der neuen AHV-Nummer wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum RHG grossmehrheitlich positiv beurteilt und für die Weiterentwicklung von E-Government als unerlässlich betrachtet. Bedenken kamen dagegen aus Datenschutzkreisen, wo eine missbräuchliche Verknüpfung von Daten befürchtet wurde. Am deutlichsten kommt dies in einer gemeinsamen Stellungnahme von EDÖB und privatim (der Vereinigung der schweizerischen Datenschutzbeauftragten) zum Ausdruck: «Die AHV-Versichertennummer führt dazu, dass die Register auf einfachste Weise verknüpft werden könnten. Damit wird ein erhebliches Missbrauchspotential geschaffen: Flächendeckende Auswertungen werden ermöglicht und der gläserne Bürger rückt in greifbare Nähe.» 4 Datenschutzbedenken waren auch der Grund, weshalb die HVG-Vorlage nur eine eingeschränkte Verwendung der neuen A AHV-Nummer vorschlug 3, p. 516. Damit sollte (neben den bereits bestehenden Massnahmen aufgrund der geltenden Datenschutz gesetzgebung) dem erwähnten Missbrauchspotenzial begegnet werden 3, p. 516. Resultat dieser Debatten sind Gesetze, welche die Nutzung der AHV-Nummer ausserhalb des Sozialversicherungsbereichs stark einschränken. Dort ist die Verwendung der AHV-Nummer auf Ebene Bund oder Kanton grundsätzlich nur gestützt auf eine gesetzliche Grundlage erlaubt. Gemäss einem Brief des damaligen Direktors des BSV, Yves Rossier, an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür zielt die heutige Regelung darauf ab, jede Verwendung der AHV-Nummer ausserhalb der Sozialversicherungen einer demokratischen Kontrolle zu unterziehen. So soll von Fall zu Fall zwischen Datenqualität, Effizienz und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte abgewogen werden. Damit wird die Entwicklung der AHV-Nummer hin zu einem administrativen Personenidentifikator explizit nicht ausgeschlossen. Die heutige Regelung bezweckt aber, dass der Prozess demokratisch begleitet wird 5. Rechtlicher Flickenteppich Der andauernde bzw. stetig wachsende Bedarf nach einem universellen, eindeutigen Personenidentifikator äussert sich u.a. in der Zahl der Gesetzesentwürfe und Gesetze, die eine Nutzung der AHV-Nummer zu administrativen Zwecken vorsehen. Eine von der entsprechenden SIK-Arbeitsgruppe 2011 durchgeführte Umfrage 58 Praxis – Schweiz ergab, dass 13 Kantone bereits eigene rechtliche Regelungen im Hinblick auf den Gebrauch der AHVN13 getroffen haben; fünf weitere Kantone äusserten einen Bedarf, haben aber noch keine eigene Regelung getroffen 6, p. 2. Aktuell liegen schon nur auf Bundesebene Vorlagen zum Grundbuch, Handelsregister und Strafregister vor. Interessanterweise zeigen die Ergebnisse der Umfrage 6, p. 3 bei den Kantonen grosse Unsicherheiten, ob die von ihnen geschaffenen Grundlagen den Anforderungen des AHVG genügen. So wurde in acht Kantonen die kantonale Gesetzesgrundlage als pauschale Generalklausel gestaltet, welche weder den Verwendungszweck noch die Nutzungsberechtigten explizit definiert. Bei vier Kantonen wird die Definition des Verwendungszwecks und/oder der Nutzungsberechtigten auf die Verordnungsebene delegiert. Wie das Bundesrecht auf Kantonsebene korrekt auszulegen ist, ist unklar bzw. umstritten. Ein klärender höchstrichterlicher Entscheid in dieser Frage steht nach wie vor aus. Der Abschlussbericht zum priorisierten Vorhaben «Rechtsgrundlagen» (B1.02) schlägt in die gleiche Kerbe. Er anerkennt den Handlungsbedarf ausdrücklich als dringend. Als Konsequenz empfiehlt er die Erarbeitung eines Konzeptes für einen nationalen E-Government-Personenidentifikator 7, p. 16. Bedarf nach einheitlicher Normierung Wie weiter? Um neue Impulse in die festgefahrene Diskussion zu bringen, erstellte die Berner Fachhochschule im Auftrag der SIK das Gutachten «AHV-Nummer als einheitlicher, organisationsübergreifender Personenidentifikator» 11. Es zeigt Risiken auf, die mit einem fehlenden Identifikator verbunden sind und untermauert damit die Dringlichkeit der Angelegenheit. Gleichzeitig belegt es, dass andere Länder (teils seit Jahrzehnten) gute Erfahrungen mit einem universell einsetzbaren Personenidentifikator gemacht haben und ihn daher auch der Schweiz empfehlen können. Nun ist die Politik gefordert, das Anliegen eines einheitlichen Identifikators zu vertreten. Dank dem Gutachten der BFH riskiert dabei aber niemand mehr den Vorwurf, den «gläsernen Bürger» in Kauf zu nehmen oder gar anzustreben. Quellen 1 2 Die Umfrage der SIK aus dem Jahre 2011 ergab auch, dass die Kantone an einer einfachen, den dynamischen Bedürfnissen des E-Governments angepassten Lösung in hohem Masse interessiert sind. Die Fixierung des Verwendungszwecks und der Nutzungsberechtigten in der (starren) Gesetzesform wird als erhebliche Hürde empfunden, wodurch die prozessorientierte Zusammenarbeit zwischen Behörden in einem dynamischen Informatikumfeld erschwert wird 6, p. 3. Aus den Umfrageergebnissen schliesst die SIK-Arbeitsgruppe, dass eine einheitliche, abschliessende und klare Regelung von Verwendung und Nutzungsberechtigten der AHV-Nummer auf Stufe Bund erhebliche Verbesserungen brächte. Sie empfiehlt deshalb entweder die Anpassung des AHVG (insbesondere von Art. 50e) an die Bedürfnisse des E-Government oder die Herauslösung des Identifikators aus dem AHVG und dessen Regelung in einem E-Government-Gesetz auf Stufe Bund 6, p. 4. 3 In dieselbe Richtung zielt das Schreiben der Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) Anfang 2014 an die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf 8. Sie wird gebeten, die Schaffung von bundesgesetzlichen Grundlagen zur Einführung eines eindeutigen, universell einsetzbaren behördlichen Personenidentifikators zu prüfen. Mit Hinweis auf ein von der SIK-Arbeitsgruppe erarbeitetes Argumentarium 9 listet es eine beträchtliche Zahl an Gründen auf, weshalb sich die Verwendung der AHV-Nummer eignet und mit dem Datenschutz vereinbar ist. In ihrer Antwort bestätigt Eveline Widmer-Schlumpf die Notwendigkeit eines eindeutigen Personenidentifikators für den Austausch von Personendaten. Vorbehalte äussert sie namentlich hinsichtlich der Kompetenz des Bundes zur Einführung eines zentralen Identifikators. In der Folge wurde das Informatiksteuerungsorgan (ISB) beauftragt, zuhanden des Bundesrates ein Grundlagenpapier als Entscheidungsgrundlage zu erarbeiten 10. 8 4 5 6 7 9 10 11 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, «Bundesgesetz über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister (Registerharmonisierungsgesetz RHG; SR 431.02)», 23. Juni 2006. [Online]. Available: https://www.admin.ch/opc/ de/classified-compilation/20052012/index.html. [Zugriff am 21. 10. 2015]. Der Schweizerische Bundesrat, «Botschaft zur Harmonisierung amtlicher Personenregister vom 23. November 2005». [Online]. Available: https:// www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2006/427.pdf. [Zugriff am 12. 10. 2015]. Der Schweizerische Bundesrat, «Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Neue AHV-Versichertennummer) vom 23. November 2005». [Online]. Available: https://www. admin.ch/opc/de/federal-gazette/2006/501.pdf. [Zugriff am 21. 10. 2015]. Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter EDÖB und privatim, «Stellungnahme vom EDÖB und privatem zur Verwendung der AHV-Versichertennummer in den Kantonen vom 1. Dezember 2006». [Online]. Available: http://www.edoeb.admin.ch/datenschutz/00786/ 00946/00949/index.html?lang=de. [Zugriff am 21. 10. 2015]. Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, «Stellungnahme des BSV zur Verwendung der AHV-Versichertennummer in den Kantonen vom 23. Oktober 2006». [Online]. Available: http://www.edoeb.admin.ch/datenschutz/ 00786/00946/00949/index.html?lang=de. [Zugriff am 21. 10. 2015]. SIK-Arbeitsgruppe, «Zusammenfassung der Erkenntnisse aus der Umfrage zur systematischen Verwendung der AHVN13 im kantonalen Zuständigkeitsbereich». Schweizerische Informatikkonferenz (SIK), Bern, 2011. Bundesamt für Justiz BJ, «Abschlussbericht Lösungsansätze und Massnahmen», Mai 2012. [Online]. Available: https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/ staat/rechtsinformatik/magglingen/2013/10b_konzept-d.pdf. [Zugriff am 21. 10. 2015]. Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK), «AHV-Nummer Personenidentifikator. Brief der FDK an Vorsteherin EFD vom 31.01.2014». [Online]. Available: http://www.fdk-cdf.ch/140131_ personenid_e-brf_sik_def_d_uz.pdf. [Zugriff am 23. 10. 2015]. SIK-Arbeitsgruppe, «Argumentation für die Verwendung der AHV-Nummer als Personenidentifikator aus Sicht der Verwaltung». Schweizerische Informatikkonferenz (SIK), Bern, 2012. Die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD, Eindeutiger und universell einsetzbarer behördlicher Personenidentifikator. Antwortbrief vom 2. April 2014 an die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren. Bern. Berner Fachhochschule (BFH), im Auftrag der SIK-Arbeitsgruppe, «AHV-Nummer als einheitlicher, organisationsübergreifender Personen identifikator. G utachten». Schweizerische Informatikkonferenz (SIK), Bern, 2015. 59 Praxis – Schweiz Was trägt eine «vernetzte Verwaltung» dazu bei, dass E-Government selbstverständlich wird? Welche Vision braucht E-Government Schweiz, um in den nächsten zehn Jahren entscheidende Schritte voranzukommen? Kann die Idee einer «vernetzten Verwaltung» geeignete Impulse dazu liefern? Worin bestehen die Stärken dieses gedanklichen Konstrukts? Wie lassen sich allfällige Defizite eliminieren? Oder gäbe es alternative Ansätze, auf die sich die E-Government-Umsetzer von Bund, Kantonen und Gemeinden besinnen könnten? Thomas Schärli Geschäftsleiter schärli share, Mitglied mehrerer eCH-Fachgruppen thomas.schaerli @gmail.com Im Leitbild der E-Government-Strategie Schweiz ab 2016 steht der Leitsatz «E-Govern ment ist selbstverständlich: [Es stellt] transparente, wirtschaftliche und medienbruchfreie elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung [bereit].»1 Dies ist ein solider Rahmen, wenn auch nicht unbedingt eine Vision. Zu Recht wohl, denn in einem föderalen Kontext öffentlicher Meinungsbildung sollte eine Pluralität von Gestaltungsideen vertretbar sein. Was die Wünschbarkeit eines inhaltlich motivierten Orientierungsrahmens nicht auszuschliessen braucht. Vision einer «vernetzten Verwaltung» Das seit 2011 bestehende Rahmenkonzept Vernetzte Verwaltung Schweiz (eCH-0126) ist von der (damaligen Version der) E-Government-Strategie Schweiz abgeleitet und stellt eine Vision der künftigen (organisatorischen) Gestaltung von E-Government zur Diskussion. Diese geht pragmatisch von den geltenden föderalen Strukturen des politischen Systems und von einer Vielzahl selbstständig handelnder Akteure aus. Zuständigkeits- und Ressortprinzip bleiben unangetastet. Der Fokus liegt auf einem verbesserten Zugang zu öffentlichen Leistungen für Wirtschaft und Bevölkerung, verbunden mit einer administrativen Entlastung der Leistungsbezüger, was dank schlanken, serviceorientierten Abläufen sowie einer gezielten Bereitstellung wiederverwendbarer Bausteine erreicht werden soll. Dabei spielen die Unterscheidung zwischen der Produktion und dem Vertrieb von Leistungen und die Identifikation von Elementen des Aufgabenvollzugs, die ohne Legitimationsverluste ausgelagert werden können, eine Schlüsselrolle. Die Prozessorientierung ist vor diesem Hintergrund ein Muss, auch wenn sie selbstverständlich nicht überall in der gleichen Feinheit erfolgen darf, sondern sich pragmatisch an die fallweise bestehenden Erfordernisse halten muss. Eine in den Grundsätzen einheitliche Sprachregelung wird für ein solches Vorgehen vorausgesetzt. Das Konzept stammt aus dem Inneren des Verwaltungsapparats (Auftraggeber: ISB, damals noch Informatikstrategieorgan Bund genannt). «Verwaltungsmodernisierung» dient ihm als Leitbegriff. Versucht da die Verwaltung, sich selbst zu reformieren und der Bürokratie ihren eigenen Abbau schmackhaft zu machen? Historische Analogien Zwei der drei Autoren dieser Vision haben in Deutschland am Forschungsprojekt «Stein-Hardenberg 2.0» mitgewirkt.2 Der Name dieses Vorhabens ist eine Anspielung auf die Urheber der preussischen Verwaltungsreform nach den militärischen Niederlagen gegen Napoleon (1806). Auch die Eidgenossenschaft vor 1798 beschäftigte sich in ihren letzten Dekaden mit zahlreichen Reformpostulaten. Zur Umsetzung gelangten diese bekanntlich erst auf äusseren Druck, nachdem eine zentralistische Flutwelle über den handlungsunfähigen Staatenbund hinweggefegt war. Zum «napoleonischen Erbe» gehört in der Schweiz, wie in allen Ländern Europas, eine bürokratische Verwaltungsorganisation (Ressortprinzip u.Ä.), die es gemäss «Stein-Hardenberg 2.0» mittels Modellen einer «vernetzten Verwaltung» für die Herausforderungen des Informationszeitalters fit zu trimmen gilt.3 Nun pflegt sich die Geschichte zwar nicht wie ein Naturgesetz zu wiederholen. Dennoch sei die Frage gestattet, ob die Schweizer Politik den auf dem öffentlichen Sektor lastenden Reformdruck in seiner ganzen Tragweite wahrnimmt. Jedenfalls sieht es zurzeit nicht so aus, als ob das Stichwort «vernetzte Verwaltung» mit seinen subtilen Konsequenzen in politischen Debatten eine Chance auf Gehör finden könnte.4 Föderale Perspektiven Dabei stösst das besondere E-Government-Setting der Schweiz bei ausländischen Kennern durchaus auf Interesse. Internationale Vergleichsstudien bescheinigen der Schweiz in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Zuverlässigkeit der Verwaltung regelmässig einen Spitzenrang. Föderalismus, Selbstverantwortung und kurze Wege zu öffentlichen Leistungen werden als vorbildlich bewertet. Zentralistisch organisierte Systeme sind in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts obsolet. Bottom-up-Ansätze anderseits verpuffen ohne einen gemeinsamen Nenner in wirkungsloser Hektik. Gefragt ist ein ausgewogener Mix beider Wege. Ohne Pragmatismus geht nichts.5 1 2 3 4 5 6 E-Government-Strategie Schweiz ab 2016, Stand 22.10.2016 (http://www.egovernment.ch/umsetzung/00881/01066/). Köhl, Stefanie/Lenk, Klaus/Löbel, Stephan/Schuppan, Tino/Viehstädt, Anna-Katharin: Stein-Hardenberg 2.0. Architektur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government. http://www.edition-sigma.de/detailshow. php?ISBN=978-3-89404-845-7; Projekt-Informationen auf http://www.ifg.cc/projekte/stein-hardenberg-2-0 (22.10.2015); vgl. die Literaturhinweise auf der eCH-bpm-Plattform http://www.ech-bpm.ch/de/content/fachliteratur (22.10.2015). Projektteam Stein-Hardenberg 2.0: Projekt: Zukunft der Verwaltung/ Stein-Hardenberg 2.0. Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse – Handlungskorridore für die Verwaltungspraxis. Juni 2014. http://www. mik.brandenburg.de/media_fast/4055/IfGCC_SH20_Zusammenfassung_ Thesen_Handlungskorridore_140604.pdf (22.10.2015). Zum öffentlichen Widerhall des Rahmenkonzepts Öffentliche Verwaltung vgl. beispielhaft die Statistik der geführten Diskussionen (inkl. News, Ankündigungen, Reports, Literatur¬hinweisen usw.) auf dem Forum für Verwaltungsmodernisierung 2011–2015 (22.10.2015). Vgl. dazu z.B. den Blog von Klaus Lenk auf der eCH-bpm-Plattform: Warum setzen sich E-Government-Architekturen nicht schneller durch? (22.10.2015). 60 Praxis – Schweiz Im Grundlagendokument zur E-Government-Architektur Schweiz (eCH-0122) werden drei Formen von Interoperabilität (organisatorisch, semantisch, technisch) unterschieden. Ihre gegenseitige Abstimmung stellt neue Ansprüche, die es – wenn der Schweizer Föderalismus zeitgerecht weiterentwickelt werden soll – jetzt umzusetzen gilt.6 Architektur immaterieller Assets Mit dem Begriff «Architektur» verbindet die landläufige Vorstellung ein Gebäude, allenfalls einen Campus, ein Quartier oder eine Stadt. Dass auch Informationsressourcen und administrative Prozesse einer geordneten Gestaltung bedürfen, wird den Verwaltungen heute schleichend bewusst. Damit die Bedeutung von Architektur in diesem Bereich wahrhaftig ins Bewusstsein der Behörden eindringt, braucht es vermutlich mehr. Auch die Raumordnungspolitik entstand nach dem Zweiten Weltkrieg nicht über Nacht. Informationen sind immaterielle Ressourcen, die, gleich dem Boden, in einem föderalen Rahmen geplant und bewirtschaftet werden wollen. Im E-Government Schweiz wird «Unternehmensarchitektur» (Enterprise Architecture) zu einem zentralen (Steuerungs-)Instrument. Der methodische Rahmen sollte eine internationale Vergleichbarkeit ermöglichen. Die Umsetzungsschritte dürfen sich freilich gegen aussen (andere Nationen) wie auch gegen innen (Bund, Kantone, grosse bis sehr kleine Gemeinden usw.) erheblich unterscheiden.7 Modernisierung oder emergentes «muddling through»? Vielerorts (nicht zuletzt an den Verwaltungsspitzen und in der Politik) gilt E-Government noch heute als «etwas für die Techniker». Damit schiebt jedoch die operative Führung eine Verantwortung, die nur sie selbst tragen kann, Spezialisten zu. Inzwischen hat sich ein (bereits unüberbrückbar gewordener?) Graben zwischen administrativen Steuerungsmechanismen und der Komplexität technologischer Zusammenhänge aufgetan. Während ein harmonisiertes Anforderungsmanagement in weiter Ferne liegt und Projekte wie eh und je «silomässig» lanciert sowie isolierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen unterworfen werden, steigen die IT-Kosten und dreht die Wachstumsspirale öffentlicher Ausgaben unaufhörlich weiter. Tatsächlich sind die Schwierigkeiten, durch das Dickicht der Abhängigkeiten hindurchzublicken, enorm geworden. Auch das Rahmenkonzept «Vernetzte Verwaltung» (eCH-0126) verschafft einen solchen Durchblick nicht einfach so. Wie immer steckt der Teufel im Detail. Erst die konkrete Umsetzung kann zeigen, wo nachgebessert werden muss und das Gedankengebäude eventuell auf fragwürdigen Fundamenten beruht.Für die Umsetzung bedürfte es eines innovationsfreudigen Klimas, das in Problemfeldern, für deren Meisterung kein Erfahrungsschatz besteht, ein Learning by Doing und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, bewusst unterstützt. Mit der am ungeeigneten Ort gestellten Frage «Und was ist der Nutzen?» lässt sich der bescheidenste Anlauf, das politische System der Schweiz zeitgerecht zu optimieren, im Kern ersticken. Standards zwischen Erleichterung und Last Ansätze für die schweizweite Verbesserung von Interoperabilität gibt es seit mehreren Jahren. Seit 2007 sorgt E-Government Schweiz für eine gemeinsame Strategie und für die Abstimmung der Umsetzungsaktivitäten zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Auf einen noch längeren Werdegang blickt das Standardisierungsorgan eCH zurück. In dieser Zeit sind annähernd 200 eCH-Dokumente entstanden, bei denen sich bereits die Frage nach einer übersichtli- cheren Gliederung und verständlicheren Darstellung der gegenseitigen Abhängigkeiten stellt. Die im Entstehen begriffene E-Govern ment-Architektur Schweiz könnte dafür einen Weg weisen. Wichtige Bindeglieder bleiben freilich zu ergänzen. Der Weg bis zu einem selbstverständlichen, transparenten und wirtschaftlichen E-Government ist noch lang. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel der geschäftsseitigen Vorgaben und der technischen Umsetzungsstandards. An diesem Punkt wird sich entscheiden, ob die Schweiz das Prädikat eines Sonder- (bzw. Muster-)falls zu Recht beanspruchen kann. Dass an den (vielfach noch auf dem Reifegrad «experimental» befindlichen) Dokumenten da und dort «geschliffen» werden muss, bis sie für die Betroffenen eine spürbare Erleichterung und nicht bloss eine Last bedeuten, versteht sich dabei von selbst. Noch lose Mosaiksteine Beim genaueren Hinschauen zeigt sich, dass trotz allen Schwierigkeiten bereits eine Fülle von Ansätzen (eCH-Dokumente, priorisierte Vorhaben von E-Government Schweiz, lokale Projekte usw.) vorliegt, die in der einen oder anderen Form auf das Zielbild einer «vernetzten Verwaltung» Bezug nehmen.8 Ihre wirksame Orchestrierung lässt zwar noch auf sich warten. In manchen Fällen fehlt es dafür an der Qualität (Präzision, Detailliertheit usw.) der benötigten Spezifikationen (die nicht im Elfenbeinturm, sondern nur im stetigen engen Dialog mit praktischen Umsetzern erreicht werden kann). Oder die Kommunikation des Gesamtbilds gegenüber den potenziellen Bedarfsgruppen will (noch) nicht gelingen. Daneben gibt es Vorhaben, die ihrer Zeit vielleicht zu weit voraus sind, um bereits verstanden zu werden.9 Im Bereich der handlungsleitenden Vision hingegen sind fundierte Alternativen zur «vernetzten Verwaltung» momentan nicht zu erkennen, und daran dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern. Sollte E-Government einmal selbstverständlich werden, dann weil die heute erst umrisshaft erkennbaren Mosaiksteine zusammenwachsen, auch wenn es heute noch so schwerfällt, das anvisierte Zielbild zu erläutern. Quellen ––Köhl, Stefanie/Lenk, Klaus/Löbel, Stephan/Schuppan, Tino/Viehstädt, AnnaKatharin: Stein-Hardenberg 2.0. Architektur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government. In: E-Government und die Erneuerung des öffentlichen Sektors Bd. 15 (2014). ISBN 978-3-89404-845-7. ––eCH-0126: Rahmenkonzept «Vernetzte Verwaltung Schweiz» (Version 2.0, publiziert am 6.10.2013). 6 eCH-0122: Architektur E-Government Schweiz: Grundlagen (Version 1.0, publiziert am 12.6.2014), Abb. 8, S. 21. 7 eCH-0122: Architektur E-Government Schweiz: Grundlagen (Version 1.0, publiziert am 12.6.2014), Abb. 7, S. 20. 8 Verwiesen sei hier lediglich auf die auf der eCH-bpm-Plattform zusammengestellten Dokumentationsstandards in der Geschäftsarchitekturdomäne, die E-Government-Architekturdokumente eCH-0122–0125 sowie das «Informationsmodell zur Geschäftsabwicklung in einer Vernetzten Verwaltung Schweiz» (eCH-0177). 9 Dazu gehört vielleicht der Versuch, im priorisierten Vorhaben B2.13 LINDAS verallgemeinerbare Behördendaten mittels Ontologien zu suchund austauschbaren Kontextinformationen zu verbinden. Dieses Projekt stützt sich auf Lösungsansätze, die für viele Schweizer Behörden noch utopisch klingen mögen, aber frühzeitig die Weichen für die europaweit vorbildliche Umsetzung einer vernetzten Verwaltung in der Schweiz stellen könnten. Klaus Lenk spricht in diesem Zusammenhang in seinem erwähnten Blog von der Bereitstellung von Basisverzeichnissen, deren Pflege dank der Nutzung von Ontologien auf viele Schultern verteil- und dadurch minimalisierbar würde. 61 Praxis – Schweiz Digitale Archivierung – informationeller Nexus? Die Informationsproduktion der E-Verwaltung nimmt exponentiell zu. Den Überblick zu bewahren, sowohl im Arbeitsalltag als auch bei der Archivierung, ist deshalb eine zentrale Herausforderung. Ihre Erfahrung im Umgang mit Informationen unterschiedlichster Provenienz schärft den Blick der Archive für das langfristig Wesentliche als Voraussetzung für eine verdichtete, aber durch Verknüpfung unterschiedlicher Informationen materiell kohärente Überlieferung. Kurzfristig gilt es, diesen vielfältigen institutionellen Erfahrungsschatz gespeicherter Information auch mit Blick auf das inhaltlich Zusammengehörende besser zu nutzen, um Effektivität und Effizienz der Verwaltungsarbeit zu steigern. Beides ist keine IT-Aufgabe. Andreas Kellerhals Direktor Schweizerisches Bundesarchiv andreas.kellerhals @bar.admin.ch Google findet in 0,39 Sekunden rund 214 Millionen Archive, rund fünf Mal mehr als Bibliotheken. Dieses Ergebnis wird einerseits begünstigt durch die implizite Mehrsprachigkeit des Begriffs Archiv, andererseits durch die praktische Allgegenwärtigkeit des Archivs im IKT-Umfeld. Viele Websites schliessen eine Archivrubrik mit ein, auf der alte Inhalte längerfristig verfügbar gehalten werden. Archivar/innen bereitet diese terminologische Unschärfe manchmal Sorgen, denn ein Archiv dient weder Info-Messies zum Horten von Informationen noch ist es ein Datenfriedhof unnütz gewordener oder ein Endlager toxischer Informationen. Und schon gar nicht ist Archivierung eine rein IT-mässig zu lösende Aufgabe. Archivierung erfolgt in konstruktiver Absicht und in einem spezifischen Funktionszusammenhang als Sicherung von Evidenz im öffentlichen, aber auch im privaten Bereich. Sie trägt damit aktiv zur Rechenschaftsfähigkeit und zur Klärung von Verantwortlichkeiten bei und unterstützt im E-Government die Good Governance ebenso wie im E-Business die Corporate Governance. Archivierung bedeutet sowohl sichere Erhaltung als auch Vernichtung Archivierung verlangt keine Totalüberlieferung von Informationen. Nur weil wir mehr Informationen produzieren, müssen wir nicht zwingend mehr archivieren. Archivieren heisst die Dokumentation von Handlungen und Entscheidungen sichern, welche langfristige, einschneidende Folgen für Mensch und Umwelt haben, einen grossen Kreis von Betroffenen berühren und welche möglicherweise unumkehrbar sind in ihrer Wirkung. Archivierung bedeutet also immer Auswahl, bevor die sogenannt archivwürdigen Informationen – dann allerdings vollständig – erhalten werden, damit glaubhaft nachvollzogen werden kann, wie Entscheidungen zustande gekommen sind. Solch eine Auswahl wird je nach Perspektive unterschiedlich ausfallen, weshalb die Innensicht der aktenproduzierenden Akteure mit der Aussensicht des Archivs konfrontiert wird, bevor endgültig über die Archivwürdigkeit entschieden wird; ein Einbezug der Betroffenen würde dieses Bild hilfreich ergänzen, denn partizipative Entscheidung fördert die Qualität der Selektion. Eine Automatisierung dieses Selektionsprozesses scheint noch nicht in Sicht. Rechenschaftsfähigkeit: Pragmatik als Semantik im (Handlungs-)Kontext Wenn die Auswahl entlang den Fragen nach Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflichten erfolgt, dann muss der Handlungskontext von Informationen auch klar fassbar sein. Diese Handlungskontextualisierung wird im Bereich digitaler Unterlagen (Records-Management) durch die Ordnungssysteme gewährleistet, welche in erster Linie die Zuständigkeiten der handelnden Verwaltungseinheiten spiegeln. Aus IT-Sicht kommt oft das Argument, dass eine gute Suchfunktion diese aufwendige Arbeit der Erstellung und ständigen Aktualisierung eines Ordnungssystems ersetzen könnte. In dieser Hinsicht dürfen wir von Retrievalsystemen zwar sicher immer weitreichendere Unterstützung erwarten. Aktuell aber scheint es schwierig zu sein, alle Informationen eines Entscheidungsprozesses allein mit semantischen Algorithmen zuverlässig zu erfassen, ohne auf eine vordefinierte Ordnungsstruktur zu rekurrieren. Zu einem Entscheidungsprozess gehörende Informationen enthalten nicht zwingend übereinstimmende semantische Elemente, bzw. diese sind, selbst mit syntaktischem Bezug, mehrdeutig. Deshalb bieten Ordnungssysteme mit ihren vereinfachten, allgemeinen Begriffen immer noch eine unverzichtbare Hilfe, um zusammenhängende Handlungsstränge zuverlässig zu dokumentieren. Die Positionierung von Informationen in solchen Ordnungssystemen lässt sich aber durch die IKT massgeblich unterstützen. Verwaltungsabläufe: organisatorische Silos als Informa tionsgefängnisse Eine gute Auswahl und Strukturierung von Informationen macht Handlungen kohärent nachvollziehbar. Die gute Strukturierung könnte auch die alltägliche Arbeit unterstützen, wenn sie die Vernetzung der Inhalte sichtbar macht. An vielen Verwaltungshandlungen sind mehrere Verwaltungsstellen beteiligt, innerhalb der Bundesverwaltung, aber auch auf den anderen föderalen Ebenen. Im Rahmen der bisherigen sukzessiven E-Government-Strategien wird seit Langem darauf hingewiesen, dass der optimale IKT-Einsatz mit Blick auf die Staatsorganisation eine gewisse Sprengkraft habe und viele Verwaltungsabläufe effizienter und damit bürger- oder auch wirtschaftsfreundlicher organisiert werden könnten, wenn die herkömmlichen informationellen Silos aufgebrochen würden. Mehr interne Transparenz und mehr Wille zum Informations-Sharing würden die Effizienz der Verwaltungsarbeit erhöhen. Effizienzsteigerung und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung 4.0 Archiviert werden Informationen, sobald sie von den Informationsproduzenten nicht mehr ständig gebraucht werden – so die Terminologie des BGA –, bei Papierunterlagen grob zehn Jahre nach Abschluss eines Geschäfts. Im digitalen Kontext sollte das vorzugs- 62 Praxis – Schweiz weise früher geschehen, damit von Anfang an eine wirtschaftliche Überlieferung/Erhaltung der Informationen sichergestellt werden kann. Denn sichere Erhaltung von digitalen Unterlagen erfordert eine aktive Pflege durch ständige Kontrolle, Konversion auf aktuelle Datenformate und laufende Migrationen auf neue Datenträger. Ein früher Transfer von Informationen ins Archiv verlangt aber nach einer einfachen Rückkoppelung des Archivs an die Informationsverwaltungssysteme der Verwaltung. Diese Entwicklung zeigt sich beispielsweise in den Konzepten der offenen Behördendaten (Open Government Data), in der nachhaltigen Verfügbarkeit von Daten (entwickelt am Beispiel der Geoinformationen) oder im allgemein wachsenden Interesse vieler Datenproduzenten an der permanenten Nutzung ihrer Daten zur Erarbeitung von Zeitreihen und von immer neuen Analysen mit veränderten Parametern. Das alles verlangt ein anderes Modell, als es dem OAIS-Standard zugrunde liegt, der eine klare, aber heute obsolete Trennung von Informationsproduktion, -erhaltung und -konsumption stipuliert und von einer sequentiellen Lebenszyklusvorstellung für Informationen ausgeht. Informationsproduktion und -konsumption fallen heute vielmehr zusammen, wie es im Begriff der Prosumenten sprachlich zum Ausdruck kommt. Es bleibt jedoch notwendig, Informationsbestände durch eine kluge Selektion zu verdichten. Ebenso besteht der Vorteil pragmatischer Klassifikation und entsprechender handlungsparametrisierender Metadatenvergabe weiter. Letzteres würde es erlauben, im Verwaltungsalltag gespeicherte Informationen situativ passend als smarte Unterstützung bereitzustellen. Zusammenhänge zwischen gespeicherter Geschäftsdokumentation und neuen oder aktuellen Geschäften könnten beispielsweise dank guten Metadaten automatisch erkannt und die Arbeit aktiv unterstützt werden. Damit würde die Behauptung der Archivar/innen, nicht nur die Vergangenheit zu dokumentieren und das Verständnis der Gegenwart zu fördern, sondern auch zur Gestaltung der Zukunft beizutragen, verwirklicht. Heute nutzen die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung Archivgut selten für ihre Entscheidungsvorbereitung. Wenn gespeicherte Information einen wertvollen Erfahrungsschatz darstellt, müsste eine «experience-driven administration» diese tatsächlich nutzen. Das bedeutete auch, dass sich der Aufwand der elektronischen Geschäftsverwaltung nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch für die aktive Verwaltung auszahlen und den einzelnen Mitarbeitenden einen «return on effort» liefern würde. Solche Lösungen würden Erfahrungen auch bei höheren Personalfluktua tionen als institutionelle Erinnerung verfügbar machen. Die frühe Archivierung ihrerseits verhinderte das Anwachsen von Informationsbergen, die für die Ablieferung ans Archiv von nicht mehr mit den Geschäften vertrauten Mitarbeitenden aufwendig aufbereitet werden müssten. Diese Arbeit übersteigt die Ressourcen der betroffenen Verwaltungsstellen ebenso oft, wie sie ihre Motivation überfordert. Die frühe Archivierung würde zudem den Aufbau von vielen dezentralen Archivlösungen vermeiden, deren Betrieb mangels kritischer Grösse weder kostengünstig noch wirklich professionell sein kann. Schlussfolgerung Archivierung bleibt eine spezialisierte Tätigkeit, die eine eigene Professionalität verlangt. Sie muss sich im aktuellen IKT-geprägten Umfeld und angesichts der Konzepte der permanenten Verfügbarkeit und eines offenen Zugangs neu positionieren. Archive haben als «Ort», an dem Informationen unterschiedlichster Herkunft und Thematik zusammenfinden, eine eigene, ganzheitliche Perspektive. In einer heterogenen Landschaft der Informationsproduktion können sie helfen, Informationsverwaltung einheitlicher und organisierter zu gestalten. Archive haben deshalb ein enormes Potenzial, Verwaltungsarbeit effizienzsteigernd zu unterstützen und zu einem schlanken, das heisst redundanzarmen, und langfristig zuverlässigen Umgang mit diesem oft als neu apostrophierten Rohstoff Information beizutragen. Dahinter steckt die Vorstellung, dass mit Verknüpfung informationellen Rohmaterials ein roter Faden analytischer Erkenntnis und narrativer Deutung entstehen werde. Dieses Ziel ist dabei nicht rein (informations-)technisch zu erreichen, archivisches Know-how im Umgang mit Informationen ist vielmehr besonders nützlich: ex informatione narrationem consiliumque nectere. 63 Praxis – Schweiz Werden GEVER-Systeme Standardsoftware? Was sind die Konsequenzen? Verwaltungseinheiten müssen in der Lage sein, ihre Geschäftstätigkeit lückenlos nachzuweisen, um den Bürgern darüber Rechenschaft ablegen zu können. Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft und die steigenden Erwartungen an E-Government lassen den Verwaltungseinheiten keine andere Wahl, als hierfür Geschäftsverwaltungssysteme (GEVER-Systeme) zu beschaffen und zu nutzen. Mit dem Einsatz einer Standardsoftware würde sich die Beschaffung und Realisierung von GEVER-Systemen vereinfachen, sodass sich Verwaltungseinheiten auf deren Einführung und Nutzung fokussieren könnten. Eignung von GEVER-Systemen als Standardsoftware aus Anwendersicht Dimitri Gebhard Bereichsleiter APP Unternehmens beratung AG [email protected] Generell ist eine Standardsoftware – vereinfacht ausgedrückt – ein Produkt, welches für eine Vielzahl verschiedener Kunden hergestellt wird, ohne dabei vorgegebene Anforderungen derselben auf Code-Ebene zu berücksichtigen. Eine Standardsoftware enthält alle benötigten Funktionalitäten, um bestimmte Branchen oder Funktionen optimal zu unterstützen. Eine Standardsoftware kann dabei innerhalb der Branche oder der Funktion unterschiedlich parametrisiert und genutzt werden. Für bestimmte Tätigkeiten einer Verwaltung haben sich bereits wenige konkurrierende Unternehmen mit ihrer Standardsoftware durchgesetzt. Ein Grossteil der digitalen Verwaltungstätigkeit findet bereits auf Standardsoftware von Firmen wie Microsoft oder SAP statt. Dies gilt aber nicht für Tätigkeiten rund um die Geschäftsverwaltung. Im Bereich der Geschäftsverwaltung entstand über die Jahre hinweg eine heterogene Systemlandschaft mit unterschiedlichsten Produkten. Grundsätzlich basieren die verschiedenen GEVER-Systeme aber auf denselben oder zumindest sehr ähnlichen Use Cases. Die generischen Use Cases eines GEVER-Systems zur Verwaltung von Geschäftsdokumenten und für die Arbeit mit Prozessen lassen sich auch relativ einfach definieren, konzipieren und entwickeln. Werden jedoch organisationsspezifische Vorschriften und geschäftsindividuelle Abläufe der Verwaltungseinheiten berücksichtigt, gewinnen diese Use Cases schnell an Komplexität. Verwaltungsstellen führen Stammdaten von Anwendern, Bürgern, Kunden und Lieferanten oft in unterschiedlichen Systemen. Weiter führen die Verwaltungsstellen aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages viele unterschiedliche und spezifische Fachdaten in strukturierten Datenablagen. Um die Geschäftstätigkeit lückenlos darstellen zu können, sind diese Stammdaten und strukturierten Datenablagen mit dem GEVER-System zu integrieren. Dies führt zu komplexen und spezifischen Schnittstellen. Über alle Verwaltungseinheiten gesehen, sind die Anforderungen der organisationsspezifischen Use Cases und an Schnittstellen meistens sehr unterschiedlich. Eine GEVER-Standardsoftware müsste demnach über so umfassende Funktionalitäten verfügen, dass sie allen unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Ver- waltungseinheiten genügt und diese ohne zusätzliche Code-Entwicklung funktional hinreichend abdecken kann. Auf den ersten Blick ist daher die Eignung von GEVER zu einer Standardsoftware nicht gegeben. Standardisierung von GEVER-Systemen durch öffentliche Beschaffung Alle IT-Systeme der öffentlichen Verwaltung müssen nach ihrem Lebenszyklus von sechs bis zehn Jahren jeweils ausgeschrieben werden. Dabei wird jedes GEVER-System entsprechend den zum Beschaffungszeitpunkt relevanten Anforderungen der jeweiligen Bedarfsstelle (eine oder mehrere Verwaltungsstellen oder -einheiten) beschafft und implementiert. Aus jeder Beschaffung und Implementation resultiert ein Entwicklungsvorsprung, den der berücksichtigte Anbieter gegenüber neuen Konkurrenten nutzen kann. Es ist feststellbar, dass die Anforderungen an GEVER-Systeme erstens aufeinander aufbauen und zweitens im Zeitverlauf wachsen. Die Anforderungskataloge der aktuellen GEVER-System-Beschaffungen enthalten GEVER-Standardanforderungen zur Aktenführung, zum Dokumentenmanagement und zur Ablaufsteuerung sowie zusätzliche Anforderungen wie elektronische Signaturen, rollenbasierte Verschlüsselungen oder den direkten Einbezug von Externen in die Geschäftsverwaltung. Ist das GEVER-System implementiert, werden über den ganzen Lebenszyklus weitere Zusatzfunktionalitäten entwickelt. Im Jahr 2015 haben neben der Bundesverwaltung auch verschiedene Kantone ihre GEVER-Systeme neu beschafft. Der Bundes verwaltung kam dabei die Rolle der Vorreiterin zu, während die nachfolgenden Beschaffungen sich weitgehend an dem Anfor derungskatalog der Bundesverwaltung orientierten. Die Bundesverwaltung definierte faktisch das neue Set an GEVER-Standardanforderungen. Spätestens mit der Folgebeschaffung der Bundesverwaltung wird dann ein neues Set an GEVER-Standardanforderungen definiert. Dieses neue Set umfasst minimal die heutigen GEVER-Standardanforderungen plus die während des Lebenszyklus entwickelten Zusatzfunktionalitäten. Die stetige Erhöhung der gestellten Anforderungen führt zwangsweise dazu, dass der Markt an geeigneten Produkten kleiner wird. Die Erfüllung aller GEVER-Standardanforderungen wird im Zeit ablauf nur noch durch wenige Produkte möglich sein. Klar im Vorteil sind hier die bisher eingesetzten Produkte, welche die Entwicklungsschritte hinsichtlich Funktionserweiterung einerseits über wiederholte Beschaffung und Implementation und andererseits stetig während des Lebenszyklus mitgemacht haben. 64 Praxis – Schweiz Zusätzliche Funktionalitäten Zusätzliche Funktionalitäten GEVER-Standard Anforderungen Beschaffung zum Zeitpunkt T0 Beschaffung zum Zeitpunkt T1 GEVER-Standard Anforderungen Beschaffung zum Zeitpunkt T2 Anforderung an ein GEVER-System Abbildung 1: Wachstum der Anforderungen im Zeitverlauf Geht man davon aus, dass sich die Geschäftsverwaltung in den kommenden 20 Jahren nicht mehr revolutionär wandelt, wird die Umsetzung der Vorgaben des öffentlichen Beschaffungswesens zu einer GEVER-Standardsoftware führen. Der Markt für GEVER-Systeme wird dann von einzelnen Anbietern dominiert, deren Produkte die geforderten GEVER-Standardanforderungen ohne Entwicklungsaufwand abdecken können. Konsequenzen einer GEVER-Standardsoftware Wird dies nun dazu führen, dass in einigen Jahren alle Verwaltungseinheiten ihre Geschäftsverwaltung mit einer Standard software gleich gestalten? Wird die Geschäftsverwaltung selbst standardisiert? Nein, Geschäftsverwaltung wird über alle Verwaltungseinheiten gesehen immer unterschiedlich interpretiert werden. Die Verwaltungseinheiten werden kaum einmal den vollen Umfang an Funktionalitäten einer Standardsoftware nutzen. Entscheidend für die konkrete Nutzung von Funktionalitäten einer GEVER-Standardsoftware ist deren saubere Integration in die Aufgaben und die Systemlandschaft der jeweiligen Verwaltungseinheiten. Durch die Verwendung einer Standardsoftware kann sich eine Verwaltungseinheit auf diese Integration fokussieren. Durch das Vertrauen, dass die Standardsoftware die benötigten Funktionalitäten zur Verfügung stellt, kann eine Verwaltungseinheit das GEVER-Projekt als – oft kolportiertes, aber kaum je wirklich umgesetztes – Organisationsprojekt führen und nicht als IT-Projekt. Die GEVER-Standardanforderungen können aus den vergangenen, publizierten Beschaffungsunterlagen entnommen werden. Die Hauptaufgabe einer Verwaltungseinheit in einem GEVER-Projekt wird die Integration der Kernprozesse mit den Prozessen der Geschäftsverwaltung. Für eine Verwaltungseinheit steht ihre jeweilige Aufgabe, ihre «Raison d’être» im Vordergrund. Dass die Tätigkeiten in der Aufgabenerfüllung lückenlos dokumentiert werden müssen, widerstrebt oftmals der Vorstellung von effizientem Arbeiten. Hier muss jede Verwaltungseinheit ihren Weg definieren, um effiziente Kernprozesse mit detaillierter, lückenloser Dokumentation der Geschäftstätigkeit optimal zu kombinieren. Dabei sollen die bestehenden Fachapplikationen und Stammdatensysteme einer Verwaltungseinheit so mit der GEVER-Standardsoftware integriert werden, dass sie die Dokumentation der Geschäftstätigkeit möglichst automatisch unterstützen. Nur nach einer sorgfältigen Analyse der geführten Fach- und Stammdaten und ihrer Zusammenhänge mit den zu verwaltenden Geschäften lässt sich eine solche Integration realisieren. Es werden organisationsspezifische Regelungen zur Verwendung der GEVER-Standardsoftware in der Verwaltungseinheit benötigt. Diese Regelungen bestimmen die Nutzung von Funktionalitäten der GEVER-Standardsoftware. Einerseits muss den Mitarbeitenden in diesen Regelungen genügend Freiheit gelassen werden, um ihre Verwaltungstätigkeit korrekt und gemäss ihren Vorstellungen in der GEVER-Standardsoftware zu dokumentieren. Andererseits haben sich diese Regelungen immer an den Weisungen sowie den rechtlichen und strategischen Vorgaben der Verwaltungseinheit zu orientieren. In diesen Regelungen müssen beispielsweise auch der Umgang mit Dokumenten im Kontext von mehreren Geschäften, die Berücksichtigung von unterschiedlichen Sichtweisen auf die Inhalte eines einzelnen Geschäftes und die Ablage von E-Mails adressiert und geregelt werden. Die Ablage von Dokumenten muss für einen Benutzer der GEVERStandardsoftware klar und einfach sein. Dabei steht nicht die genutzte Funktionalität der GEVER-Standardsoftware im Vordergrund, sondern die Ablagestruktur, in der ein Dokument zu einem Geschäft abgelegt wird. Wo die zuständigen Archive gerne hochstrukturierte Ablagen favorisieren, ist der gewöhnliche Anwender mit der Verschachtelung und der Vielschichtigkeit einer solchen schnell überfordert. Hier gilt es, die berechtigten Anforderungen der Archive an die Ablagestruktur so zu erfüllen, dass die Gestaltungsfreiheit einer Verwaltungseinheit möglichst hoch ist. Fazit Nutzen die Anbieter von implementierten GEVER-Systemen ihren Entwicklungsvorsprung konsequent, so können diese in Folge beschaffungen gegenüber Konkurrenten wirtschaftlich günstigere Angebote einreichen. Das wird dazu führen, dass der Markt für GEVER-Systeme in 20 Jahren von wenigen spezialisierten Anbietern von GEVER-Standardsoftware dominiert wird. Trotzdem wird die Nutzung einer GEVER-Standardsoftware immer abhängig von den spezifischen Aufgaben und der bestehenden Systemlandschaft der jeweiligen Verwaltungseinheit sein. Die Beschaffung von GEVER-Systemen wird mit Standardsoftware einfacher, deren Integration in eine Verwaltungseinheit aber nicht. Hingegen können die Verwaltungseinheiten durch die Verwendung von GEVER-Standardsoftware mehr Zeit und Ressourcen für diese Integration aufwenden. 65 Praxis – Schweiz Neue Digitalisierungsstrategien durch mehr Zielgruppenorientierung Der neue Mix aus Pluralität und Gemeinsamkeit «Prosperität und Arbeitsplätze für das eigene Land hängen direkt von der Gestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ab. Dazu gehört auch eine attraktive Steuerpolitik. Der Steuerwettbewerb ist eine wesentliche Grundlage dafür.» 1 Michael Prader Geschäftsleitung Information Factory AG, Zürich michael.prader @information-factory.com Die föderalen Strukturen der Schweiz mit Steuerhoheit für Bund, Kantone und Gemeinden stehen im Wettbewerb. Dadurch entstehen hervorragende Rahmenbedingungen für die Gestaltung attraktiver, bürgernaher und guter Steuerlösungen, was sich letztendlich in der hohen Lebensqualität und Kaufkraft der Schweiz niederschlägt. Standardisierung sichert die Wettbewerbsfähigkeit bei der Digitalisierung gerade auch für kleinere Kantone. Wie viel Pluralität wollen wir uns leisten? Dr. Georg Geyer CEO Information Factory AG, Zürich georg.geyer @information-factory.com Die Erhebung der Steuern regelt den Finanztransfer vom Bürger bzw. von der Privatwirtschaft zur Verwaltung mit dem Ziel, staatliche Aufgaben für das Gemeinwohl zu erfüllen. Entsprechend der föderalen Struktur gibt es spezifische kantonale Steuerformulare, Verarbeitungsprozesse und IT-Lösungen. Formulare, Prozesse und Lösungen werden laufend optimiert, federführend von den kantonalen Steuerbehörden unter Einbeziehung spezialisierter Lieferanten (z.B. für IT-Lösungen, Scanlösungen, Betrieb etc.). Für die Beteiligten stellt sich dabei auch die Frage, wie viel Zentralisierung und Standardisierung sinnvoll wäre, für mehr Effizienz. Und wo Wettbewerb für Innovation, Vielfalt und damit Ungleichheit gewünscht ist. Standardisierung bedeutet nicht Zentralisierung Standardisierung bedeutet nicht Vereinheitlichung im Sinne von «Gleichmachen», sondern ist eine wichtige Voraussetzung für Kooperation und Austausch. Sie geht eben nicht zwangsläufig mit einer Zentralisierung einher. Die Nutzung gemeinsamer IT-Entwicklungen, aber auch die Zusammenarbeit über System- und Herstellergrenzen hinweg setzt gemeinsame Standards für Prozesse und Informationen voraus. Vom Bund wurde die Standardisierung folgerichtig als priorisiertes Vorhaben definiert. eCH-0119: E-Tax-Filing «beschreibt das Austauschformat für die Steuerdeklaration natürlicher Personen und basiert auf einem einheitlichen Satz von Musterformularen der Schweizerischen Steuerkonferenz. Für die Anpassung an die kantonalen Besonderheiten sind klare Vorgaben enthalten.»2 Das Steueramt des Kantons Zürich hat diesen Standard bereits umgesetzt. E-Tax-Filing wird zum elektronischen Datentransfer vom Bürger zum Steueramt und für die interne Verarbeitung innerhalb der Behörde erfolgreich genutzt. Weitere Kantone wie das Tessin und Luzern bereiten sich aktiv vor. Andere haben die Umsetzung in ihren Plänen. Mit E-Tax-Filing wird Wiederverwendbarkeit und Interoperabilität von Lösungen verbessert. Der Einsatz von eCH-0119 und anderen Standards wie E-Steuerauszug (eCH-0196) oder E-Meldewesen ist damit eine wichtige Voraussetzung für eine umfassende Digitalisierung. Mit eCH-0119 können in Zürich erstmals Steuerdaten zwischen verschiedenen Deklarationslösungen der Marktteilnehmer ausgetauscht werden, ohne bilaterale Konsultationen und Entwicklungen. Damit sind für die Marktteilnehmer (wie z.B. Treuhänder, Banken, IT-Unternehmen) die Bedingungen vorhanden, um innovative Lösungen zu entwickeln, die für die Bürgerinnen und Bürger zusätzlichen Nutzen stiften. Für die Steuerbehörde begünstigen etablierte Standards und Interoperabilität eine bessere Datenqualität und mehr Wettbewerb unter den Lösungsanbietern zugunsten besserer Lösungen. Die Interoperabilität betrifft vor allem den einzelnen Kanton. Der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen werden zwar erleichtert, weil die Datenmodelle standardisiert dokumentiert sind. Dennoch: Ein durchgängiger Informationsfluss zwischen den Kantonen ist mit E-Tax-Filing noch nicht gewährleistet. Eine der wichtigsten Fragen bleibt offen: Wo sind gemeinsame Standards – von der Kooperation bis hin zur Zentralisierung – zwischen den Kantonen sinnvoll und wo nicht? Wo stiftet Standardisierung zwischen den Kantonen Nutzen? Digitalisierung und damit der wirksame Einsatz von Informationsund Kommunikationssystemen basiert auf Vernetzung, Wiederverwendung, organisationsübergreifenden Wertschöpfungsprozessen und Effizienzgewinnen. Heute schafft die Digitalisierung vor allem für grosse Kantone Wettbewerbsvorteile. Fixkosten für die Entwicklung amortisieren sich über reduzierte Fallkosten (Economy of Scale). Je mehr Steuerbürger/Steuerfälle, desto schneller amortisieren sich Investitionen in digitale Lösungen. Investitionen lohnen sich, wenn Kostenvorteile verbucht werden. Diese haben vor allem grosse Kantone mit vielen Steuerbürgern. Aus der unterschiedlichen Grösse der föderalen Einheiten resultiert eine Art Wettbewerbsverzerrung. Ein grosser Kanton wie Zürich kann einfacher bürgerfreundliche digitale Services entwickeln und Skaleneffekte nutzen. Kleine Kantone können alleine nicht mit gleicher Qualität und Effizienz digitalisieren. Sie haben vergleichbare Fixkosten, aber nicht annähernd so grosse Einsparungen bei den Fallkosten. Im Umkehrschluss heisst dies: Nur bei entsprechenden Fallzahlen ist ein wirtschaftlicher Betrieb digitaler Lösungen möglich. 66 Praxis – Schweiz Gleichzeitig können sich öffentliche Behörden, anders als die Privatwirtschaft, ihre Kunden nicht aussuchen. Sie müssen die Steuererklärung allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich machen. Alle Steuerbürger werden gleich behandelt und erhalten die gleichen Tools, weshalb diese dann alle erdenklichen Fallszenarien abdecken müssen. Dies führt zwangsläufig zu komplexen Lösungen, was die Wettbewerbsfähigkeit der kleineren Kantone nicht erleichtert. –– um möglichst einfache Formulare und Prozesse sowie geringen Personaleinsatz bei allen Beteiligten (Bürger und Verwaltung) sicherzustellen –– um eine qualitativ hochwertige Digitalisierung zu realisieren, die den Bürgerinnen und Bürgern die Deklaration vereinfacht, die Datenqualität für die Verwaltung sichert und mehr Automatisierung erzeugt Aber die Steuerbürgerinnen und -bürger sind nicht alle gleich. 50% der Steuerpflichtigen erwirtschaften 98% der Steuereinnahmen. 3,4 Diese Zielgruppe wird besonders auch von privatwirtschaftlich organisierten Marktteilnehmern (Treuhändern, Banken, Finanzoptimierern) umsorgt, da die Wertschöpfung und der Nutzen entsprechend gross sind. Hier lohnt sich eine differenzierte Beschäftigung mit dem Einzelfall. Das gilt sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Steuerbehörde. Für die Zielgruppe der Steuerpflichtigen mit hohem Steueraufkommen und dementsprechend komplexeren Steuererklärungen sind kantonale Prozesse und Lösungen sowie hohe Service- und Prüfqualität weiterhin sinnvoll. Je höher das Steueraufkommen, desto weniger relevant sind die Qualität und der Skalennutzen einer hochwertigen Digitalisierung (umgekehrter Skaleneffekt wegen geringerer Fallzahl und steigender Komplexität der hohen Steueraufkommen). Die zweiten 50% der Steuerpflichtigen erwirtschaften lediglich 2% der Steuereinnahmen. 3,4 Hier geht es um ein gesundes Kosten-Nutzen-Verhältnis und vor allem um Effizienz. Sowohl bei den Steuerbürgern als auch bei den Steuerbehörden. Für die Steuerbehörden drängen sich hier interkantonale Kooperationen, Standardisierung und die Nutzung von Skaleneffekten durch Digitalisierung oder Zentralisierung auf. Dass zielgruppenorientierte Steuerlösungen heute schon möglich sind, zeigt das Beispiel von E-Tax Light des Kantons Zürich. Diese Lösung zur Steuerdeklaration richtet sich nur an Steuerbürgerinnen und -bürger mit einfachen Steuerfällen, z.B. an Studenten und Berufseinsteiger, und ist nicht für alle Steuerfälle verwendbar. Dafür ist sie auch für mobile Endgeräte geeignet. Der Bürger kann seine Formulare innerhalb von wenigen Minuten erfassen und elektronisch einreichen. Der Kanton Zürich ist aufgrund seiner Grösse und der erzielbaren Skaleneffekte in der beneidenswerten Lage, sich diese Lösung leisten zu können. Für kleinere Kantone wäre in diesem Feld eine Kooperation zweckmässig, um gemeinsam die erforderlichen Skaleneffekte zu erzielen, bürgerfreundliche Services anbieten zu können und diese gegebenenfalls auch gemeinsam effizient zu verarbeiten. Digitale Zukunft: Werden alle gleich behandelt? Offensichtliche Unterschiede der mit den Falldaten verbundenen Wertschöpfungspotenziale der Steuerfälle spielen bei der Standardisierung (wie bei eCH-0119) und Gestaltung von IT-Lösungen und Prozessen bislang keine grosse Rolle. Alle Steuerfälle werden quasi gleich behandelt. Obwohl sich eine Standardisierung, digitale Steuerassistenten und eine Automatisierung vor allem für die 50% der Steuerbürger, die 2% der Steuereinnahmen liefern, aufdrängen (sie verursachen im Zweifelsfall mehr Kosten, als sie erwirtschaften), werden Steuerlösungen heute nicht zielgruppenorientiert, z.B. auf einfache Steuerfälle, sondern immer auf alle und damit auch auf die komplexen Steuerfälle zugeschnitten. Die Bereitstellung digitaler Steuerassistenten für die Zielgruppe der einfachen Steuererklärungen würde die Deklaration vereinfachen und die Qualität verbessern und wäre auch aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger besonders relevant: Weil diese Zielgruppe relativ wenig Steueraufkommen aufweist, wird sie entsprechend weniger intensiv von der Privatwirtschaft mit digitalen und analogen Angeboten umsorgt und unterstützt. Digitalisierung für Zielgruppen als Chance Bei Digitalisierung geht es um die Kundenschnittstelle: um Wertschöpfung, Qualität der Kundenbeziehungen und um effektiven Einsatz von (personellen) Ressourcen. Eine Kooperation der Kantone und eine zielgruppenorientierte Standardisierung der Steuerformulare speziell für Steuerpflichtige mit niedrigem Steueraufkommen eröffnet Potenziale für die öffentliche Verwaltung. Denn hier sind die Skaleneffekte und die Kosteneffizienz besonders wichtig – und aktuell noch ungenutzt. Gemeinsame effiziente Steuerformulare, Prozesse und IT-Lösungen sowie ein gemeinsamer Betrieb für die Zielgruppe der Steuerpflichtigen mit niedrigem Steueraufkommen wären hier ein grosser Schritt nach vorne: –– um Qualität zu steigern –– um Effizienz und Skaleneffekte für Bürger und Verwaltung zu nutzen E-Tax Light – Zielgruppenlösung für einfache Steuerfälle Fazit Im Umfeld der öffentlichen Verwaltung und der Steuern ist die Standardisierung der Daten und Prozesse eine wesentliche Voraussetzung für die Kooperation, die Senkung der Transaktionskosten und eine permanente Innovation, aber auch für Vielfalt und Föderalismus. Die Potenziale der Digitalisierung werden ausgeschöpft, wenn neben der Effizienz auch die Optimierung der Kunden- bzw. Bürgerschnittstelle berücksichtigt wird. Zielgruppenorientierte Konzepte helfen, Prozesse zu überdenken, die Fragen der Prozessstandardisierung neu zu beantworten und mehr Wertschöpfung und Wohlstand zu erzeugen. Wenn es vor allem um Effizienz geht, können die föderalen, bürgernahen Verwaltungsstrukturen der Schweiz nur mit interkantonalen Kooperationen Skaleneffekte erzielen und Digitalisierung nutzen. In anderen Bereichen sorgt der Wettbewerb zwischen den Kantonen um die beste Lösung für Kreativität und Bürgernähe, mit unterschiedlichen kantonalen Digitalisierungsstrategien zur differenzierten Steigerung der Wertschöpfung. Quellen 1 Vgl. http://www.estv.admin.ch. 2 Vgl. http://www.ech.ch. 3 Einkommensverteilung und Steuerreformen in der Schweiz, Dossierpolitik, Nr. 7, Seite 10, 2. April 2012, www.economiesuisse.ch. 4 Eidgenössische Steuerverwaltung, 2011. 67 Praxis – Schweiz Die Digitalisierung der Politik in der Schweiz Das Internet schafft Transparenz, etabliert neue Formen der Machtausübung, generiert neuen Regulierungsbedarf und wird zu einer Datensteuerung grosser Teile des Regierungsgeschäfts führen. Im Ausland werden zudem grosse Hoffnungen auf E-Voting gesetzt. Nur die Bedürfnisse der Jugend nach einer partizipativen Erlebnisdemokratie sind noch kein Thema. Eine leicht gekürzte Version findet sich auf dem Onlineportal der SGVW. Alles digital, nur nicht die Demokratie? Prof. Dr. Reinhard Riedl Wissenschaftlicher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Die Digitalisierung hat die Wirtschaft in den letzten Jahren wesentlich verändert und wird dies weiter tun. Die Veränderungen betreffen aber auch weite Teile des öffentlichen Sektors. Onlinetransaktionsportale und digitale Dokumentenverwaltung sind mittlerweile (fast) Standard in der Verwaltung. In Zukunft werden das Internet of Things (IoT) sowie Big Data zu neuen Systemdiensten führen, z.B. für die Verkehrsüberwachung, die polizeiliche Ermittlungsarbeit, die Vorsorge für den Fall von Naturkatastrophen oder für die Umsetzung verschiedener Nachhaltigkeitsziele. Nur in Sachen Digitalisierung der Demokratie scheint fast nichts vorwärtszugehen. Die EU ist meilenweit von der Implementierung des Artikels 11 des Vertrags von Lissabon entfernt, und in der Schweiz gibt es nur sehr vorsichtige Experimente mit E-Voting und Onlinebürgerbeteiligung. Die E-Democracy ist, so scheint es, bislang ein weitgehend weisser Flecken auf der Digitalisierungslandkarte der Schweiz. Der Eindruck stimmt bezüglich der Vorderseite der Politikbühne, nicht aber im Backstage- und im Off-Bereich. Dort spielen neue Technologien entweder schon jetzt eine zentrale Rolle, oder sie werden es in Zukunft tun – von den digitalen sozialen Medien über Simulationstechniken und Big Data bis zu künstlichen intelligenten Online-Bots. Diffuse Transparenzwirkungen Das Internet erhöht die Transparenz in der Politik, was gerne und häufig beklatscht wird. Welche Wirkung dies hat, hängt aber jeweils vom konkreten Kontext ab und ist in den meisten Fällen sehr unklar. Ein Mehr an Transparenz erzeugt immer auch ein Mehr an Intransparenz. Beispielsweise lösen sich Verantwortlichkeiten auf, wenn alles zutage liegt. Zudem wirkt Transparenz wie ein Lichtkegel, indem sie Aufmerksamkeit fokussiert und dadurch andere Fakten in den Schatten des Nicht-beachtet-Werdens rückt. Schliesslich stiftet Transparenz nicht selten Verwirrung und bisweilen auch Instabilität aufgrund erratischen Herumirrens in den Informationsfluten. In der Schweiz gab es mit Smartvote schon früh ein Portal für die Deklaration der eigenen politischen Position, das exemplarisch die Wirkungen von Transparenz aufzeigt. Smartvote kann von Wäh- lenden benutzt werden, um herauszufinden, welche Politikerinnen und Politiker ähnliche Antworten auf politische Fragen geben wie sie selber. Doch meine häufige Erkenntnis dabei ist: Eigentlich vertritt mich keiner. Die für das Ranking entscheidenden Prozentunterschiede sind marginal und die Rankings sind insgesamt fern von meinen Partei- und Personenpräferenzen. Das wirft immerhin die Frage auf, ob denn die inhaltliche Übereinstimmung von Wählenden und Gewählten überhaupt ein Ziel ist. Wir können derzeit also nur ein stetiges Steigen von Transparenz (und damit auch von Intransparenz) diagnostizieren, aber nur wenig über seine Wirkung sagen. Es ist möglich, dass so Opportunismus gefördert und die kreative Problemlösung behindert wird. Gut möglich aber auch, dass die Vorhersagbarkeit politischer Entwicklungen erleichtert wird oder dass sich nicht wirklich etwas ändert. Was man weiss, ist, dass es in den meisten Systemen eine optimale Transparenz gibt und dass diese explizite Intransparenz mit einschliesst. Zu wenig und zu viel Transparenz wirken beide korrumpierend. Neue Formen der Machtausübung Mittels sogenannter Shitstorms wird mittlerweile sehr effektiv Einfluss auf die Politik genommen. Das von der Schweiz mit ausverhandelte internationale ACTA-Abkommen gegen Produktpiraterie kam beispielsweise nie zur Ratifi zierung ins Schweizer Parlament, weil es durch einen Shitstorm entsorgt wurde. Dass derartige Abkommen an öffentlichen Protesten scheitern, ist nicht unüblich. Neu ist hingegen, dass das Ausland einfach mitreden kann, weil Shitstorms im quasi internationalen Internet stattfinden. Neu ist auch, dass die Identität der Protestierenden unklar bleibt. Waren es mehrheitlich Menschen oder Maschinen? Und wenn es Menschen waren, woher kamen sie? Wie viele waren es? Und äusserten sie sich aus eigenem Antrieb oder weil sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen? Es gehört heute im Ausland zum normalen politischen und wirtschaft lichen Alltag, dass Firmen mit der Beeinflussung der Meinung im Internet beauft ragt werden. Ihre Mitarbeitenden betreiben mit Hunderten von Identitäten Meinungsmache im Internet oder setzen dafür Bots ein, das heisst Computerprogramme für Onlineaktivitäten. Diese sind mittlerweile so gut, dass sie in komplexen Computerspielen nicht von Menschen unterschieden werden können. Auch nicht von erfahrenen Spielern. Da ist der Schritt zum maschinellen Onlinepolitaktivisten nur mehr ein kleiner und eine programmierte Shitstorm-Beteiligung noch einfacher. Neuer Regulierungsbedarf Neuer Regulierungsbedarf entsteht vor allem durch das IoT und Big Data. Beide zusammen ermöglichen eine äusserst präzise Personalisierung – von der Ausgestaltung von Dienstleistungen bis zu deren Preisen. In Zukunft werden zwei Faktoren zu grossen Preis- 68 Praxis – Schweiz diskriminierungen führen: einerseits der individuelle Wert, den ein Produkt oder eine Leistung für einen Kunden hat, und anderseits die kundenspezifischen Produktionskosten. Versicherungsbeiträge werden beispielsweise das individuelle Risiko der Betroffenen abbilden. Das setzt Anreize für die Versicherer, das Leben ihrer Kundinnen und Kunden exakt zu überwachen, um ihre Risiken präzise einschätzen zu können. Durch Preiserhöhungen bei Nichtzustimmung zur Überwachung werden Versicherer ihre Kundschaft motivieren, sich freiwillig überwachen zu lassen und so den Schutz der Privatsphäre ökonomisch aushebeln. Noch weiter wird die Nutzung von Big Data im Arbeitsmarkt gehen. Dort wird die Diskriminierung einerseits rationaler werden – was z.B. für Menschen mit ausländischen Namen potenziell ein Vorteil ist –, anderseits aber auch umfassender und weitgehender. Solche «natürlichen» Phänomene der Datengesellschaft werden die politische Agenda in den nächsten Jahren wesentlich mitbestimmen. Datengetriebene Verwaltungsführung Dass Big Data irgendwann auch in der Schweiz Wahlkämpfe entscheiden werden, ähnlich wie den letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, ist fraglich. Sicher aber werden sie helfen, die Bedürfnisse nach Verwaltungsinnovationen von Einwohnern und Unternehmen zu ermitteln und umgekehrt ineffiziente oder ineffektive Leistungserbringung in der Verwaltung zu erkennen. Das schafft Nutzentransparenz und lenkt den Fokus der Politik vom oft ideologisch definierten Bedarf nach Verwaltungsleistungen auf deren tatsächliche Wirkung. Big Data werden darüber hinaus die politische Planung unterstützen, beispielsweise im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und im öffentlichen Verkehr. So wird es etwa im Gesundheitswesen möglich, die Wirkungsbeziehung zwischen konkreten Projekten, Policy-Massnahmen und politischen KPI (Key Performance Indicators) herzustellen. Das schafft für die Politikgestaltung eine neue Faktengrundlage und kann im besten Fall die Effektivität der Politik signifikant verbessern. E-Voting und E-Collecting Ein Thema für sich sind E-Voting und E-Collecting. E-Voting hilft vor allem Stimmbürgerinnen und -bürgern im Ausland, sich an den demokratischen Prozessen zu beteiligen. Gerade für junge Demokratien, die viele Staatsbürger haben, die im Ausland in etablierten Demokratien leben, ist damit die Hoffnung verbunden, sich demokratisch weiterzuentwickeln. Aber auch in der «urdemokratischen» Schweiz besteht der Wunsch, Auslandschweizerinnen und -schweizern das Abstimmen zu erleichtern. E-Collecting wiederum bietet sich als Alternative zu den Shitstorms an: Wer wirklich im Internet mitreden will, soll das doch dadurch tun, dass er mit einer vertrauenswürdigen digitalen Signatur eine Onlinepetition unterschreibt. Bedarf nach mehr Partizipation Nur bei der Entwicklung von interaktiven Partizipationsplattformen herrscht (hektischer) Stillstand. Bei all seiner Vielfalt hat das Internet wenig zu bieten, was junge Menschen zu politischem Engagement motivieren kann. Etwas vereinfachend gesagt: Es gibt einen starken Wunsch nach Möglichkeiten für ein kurzfristiges, konkretes, wirksames Onlineengagement mit Erlebnischarakter. Hier und jetzt soll die Welt verändert werden können, und es soll auch noch Spass machen und sich sehr idealistisch anfühlen. Dem steht nicht nur die Wirklichkeit des Politikmachens entgegen, sondern auch das Schrumpfen des politischen Gestaltungsspielraums infolge wachsender globaler Abhängigkeiten. Deshalb gibt es neben zahlreichen gescheiterten E-Partizipations-Projekten nur wenige erfolgreiche – und die zeichnen sich dadurch aus, dass es mit ihnen gelungen ist, die Illusion von Partizipation zu schaffen, ohne sie tatsächlich zuzulassen. Aber vielleicht geht es gerade um diese Illusion, das heisst um eine simulierte Demokratie im Internet, die politische Verbissenheit und Schlammschlachten durch Faktenwissen und Kreativität ersetzt. Vorstellbar sind Plattformen, die nicht ein Stimmrecht, sondern ein Query-Recht (das Recht, unbürokratisch Antworten auf politische Fragen zu bekommen) garantieren und die auf der Basis von Onlinepetitionen das Simulieren von politischen Entscheidungen und ihren Folgen ermöglichen. Mag sein, dass dies mit Realpolitik wenig zu tun hat, aber wir sollten uns trotzdem darauf einlassen, eine solche völlig andere Demokratie mindestens im Experiment zu wagen. Und sei es nur als Alternative zum beliebten Onlinebeschimpfen von Politikerinnen und Politikern, das in seiner Wirkung die Politik als Ganzes diskreditiert. 69 Praxis – International Smart Government – intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln Ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln (Smart Government) nutzt die Möglichkeiten intelligent vernetzter Objekte und cyberphysischer Systeme zur effizienten wie effektiven Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Damit steht es für die Anwendung des Internets der Dinge und des Internets der Dienste im öffentlichen Sektor, einschliesslich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation. Dies eröffnet grossen Gestaltungsraum für neue intelligent vernetzte Objekte und cyberphysische Systeme. «Smart» als Synonym für «intelligente Vernetzung» Weltweit ist der Anglizismus «smart» mittlerweile ein anerkannter Begriff für die nächste Stufe der digitalen Vernetzung. Im deutschen Sprachgebrauch steht das Adjektiv «smart» für «schnell, gewitzt und schlau», «geschickt, durchtrieben, pfi ffig Prof. Dr. Jörn von Lucke Universitätsprofessor und fi ndig» sowie «elegant, hübsch und und Direktor schneidig» (Wiktionary 2011–2015). Im The Open Government Institute (TOGI) an der Rahmen der Digitalisierung bezeichnet der Zeppelin Universität Begriff jedoch die intelligente Vernetzung Friedrichshafen bestehender Objekte, sodass diese über [email protected] werke und das Internet miteinander und mit Menschen, Dingen und Diensten kommunizieren können. Die eigentlichen revolutionären Veränderungen gehen von eingebetteten Systemen aus, also von Mikroprozessoren, die über Netzwerke miteinander verbunden sind. Es handelt sich dabei um Hardware- und Soft warekomponenten, die in ein Produkt integriert werden, um so weitere produktspezifische Funktionsmerkmale zu realisieren. Dadurch kann die Funktionalität und der Gebrauchswert des Produktes erhöht werden (acatech 2011, S. 5, und Geisberger/Broy 2012, S. 254). Im Prinzip werden physische Objekte (Dinge) mit steuerbaren Chips ausgestattet und über Funk vernetzt. Durch eine virtuelle Repräsentation im Internet erhalten diese Objekte eine eindeutig ansprechbare digitale Identität. So sind sie in der Lage, mit anderen virtuellen Objekten direkt zu kommunizieren. Über Sensortechnologien kann diese Funktionalität um die Erfassung von Zuständen (Temperatur, Feuchtigkeit, Schall, Licht, Bewegung) erweitert werden. Aktortechnologien ermöglichen die Ausführung von bestimmten Aktionen. Interagieren solche Objekte miteinander oder mit Menschen, so wird ihnen umgangssprachlich eine gewisse «Intelligenz» zugesprochen. Eine kleine technische Erweiterung setzt so ein gewaltiges revolutionäres Veränderungspotenzial frei. Am Beispiel smarter Telefone (Smartphones), Kameras, Uhren, Armbänder, Laptops und Fernseher wird klar, dass smarte Objekte schon weite Verbreitung gefunden haben, ohne dass uns das damit verbundene Potenzial in seiner vollen Vielfalt bewusst ist. Cyberphysische Systeme (CPS) Smarte Dinge lassen sich in cyberphysische Systeme (CPS) einbetten, also in heterogen vernetzte Gebilde, die reale physische Objekte mit digitalen Informations- und Kommunikationssystemen verknüpfen und kombinieren. Bei CPS handelt es sich um IT-Systeme, die Bestandteil von Geräten, Gebilden oder Prozessen sind. Über Sensoren erfassen sie unmittelbar physische Daten, und durch Aktoren wirken sie auf physische Vorgänge ein. Vor allem aber wer- ten sie die erfassten Daten aus und speichern diese. Zudem können CPS aktiv oder reaktiv mit der physischen und der digitalen Welt interagieren. Dazu sind sie über digitale Kommunikationseinrichtungen untereinander und innerhalb von globalen Netzen verbunden, sodass sie die weltweit verfügbaren Daten und Dienste nutzen können (acatech 2011, S. 13, und Geisberger/Broy 2012, S. 22). CPS greifen zur Aufgabenerledigung in der Regel auf eine Vielzahl intelligent vernetzter Objekte, eingebetteter Systeme oder Sensornetze zurück, die sie auch im grossen Umfang und über räumliche Entfernung nutzen. Durch ihre Anbindung an das Internet können CPS eine Reihe von neuartigen Funktionen, Diensten und Eigenschaften anbieten. Leistungsstarke CPS werden ihre verteilte Anwendungs- und Umgebungssituation unmittelbar erfassen, diese zusammen mit den Nutzern interaktiv beeinflussen und ihr Verhalten im Hinblick auf die jeweilige Situation gezielt steuern (Geisberger/Broy 2012, S. 22). Hieraus lassen sich smarte Ökosysteme entwickeln, in die IT-Systeme, Menschen, Daten, Dinge und Dienste gleichermassen eingebunden werden und die sich teils selbst informieren, analysieren, überwachen und steuern. Die Vernetzung über das Internet bewirkt eine zunehmend nahtlose Verzahnung von der realen mit der digitalen Welt. Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) hat in ihren Studien das Potenzial und das Anwendungsspektrum von CPS für Mobilität und Verkehr, Betreuung in der Medizin, Energienetze und Produktionsprozesse analysiert. Explizit werden Zugund Flugverkehrssteuerungssysteme, Tsunamiwarnsysteme, autonome Roboter, Drohnen sowie Sicherheitsüberwachung und -unterstützung erwähnt (Geisberger/Broy 2012, S. 29 ff. und S. 67 ff.). CPS könnten in bisher kaum vorstellbarer Weise Beiträge zur Sicherheit, zur Effi zienz, zum Komfort und zur Gesundheit der Menschen leisten. Auf die Marktstrukturen wirken sie aber hoch disruptiv, denn Anbieter werden mit ihren neuartigen Ansätzen bestehende Geschäft smodelle und die Wettbewerbssituation grundlegend verändern, klassische Branchen transformieren und bisherige Marktführer herausfordern (acatech 2011, S. 5). Internet der Dinge und Internet der Dienste Hinter dem Leitbild eines Smart Government steht die Anwendung des Internets der Dinge und des Internets der Dienste auf die reale Welt. Das Internet der Dinge verbindet über die IP-Suite intelligent vernetzte Objekte mit ihren Sensoren und Aktoren sowie die darauf aufsetzenden CPS miteinander. Es steht damit für die globale «elektronische Vernetzung von Alltagsgegenständen» (BMBF 2013) und den direkten gegenseitigen Informationsaustausch von Objekten ohne menschliche Eingriffe. Organisationen eröff net das Internet der Dinge neuartige Möglichkeiten, sowohl hinsichtlich Information und Analyse als auch hinsichtlich Automation und Steuerung. Wer- 70 Praxis – International den bestehende Datenbestände von Objekten geöffnet und vernetzt, erweitern sich die Potenziale für Informationsakquise und Analysen. Beispielsweise lässt sich auf Basis von Sensordaten das Verhalten von Personen, Dingen, Diensten oder Daten weltweit verfolgen. Eine schnelle wie umfassende Auswertung der verfügbaren Sensordaten verbessert jede Umgebungs- und Situationswahrnehmung in Echtzeit. Die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern kann durch eine leicht verständliche Aufbereitung von Optionen und durch deren Visualisierung erhöht werden. Datensammlungen im Internet der Dinge können auch zur Automation und Kontrolle verwendet werden. Auf Basis aktueller Sensordaten und Nutzereingaben lassen sich etwa Prozesse in geschlossenen Systemen optimieren und über Aktoren sowie Feedbackmechanismen auch selbst steuern. Das eröffnet Einsparmöglichkeiten bei Verbrauch, Energiekosten und notwendigen menschlichen Eingriffen. Konsequent weitergedacht führt dies zu komplexen autonomen Systemen, die in offenen und von grosser Unsicherheit geprägten Umgebungen eingesetzt werden, in denen schnell sofortige und robuste Entscheidungen erforderlich sind (Chui/Löffler/Roberts 2010, S. 6 ff.). Das Internet der Dienste steht für die Abbildung von Diensten und Funktionalitäten als feingranularen Softwarekomponenten, die von Providern auf Anforderung über das Internet zur Verfügung gestellt werden. Webservices, Cloud-Computing und standardisierte Schnittstellen ermöglichen dies. Die einzelnen Softwarebausteine sind als webbasierte Dienstleistungen miteinander integrierbar (Berlecon Research 2010, S. 9 und S. 14 f., und Geisberger/Broy 2012, S. 247). Die enge Verzahnung des Internets der Dienste mit dem Internet der Dinge beruht darauf, dass sich eine Reihe an realen Dingen, etwa Papier, bei mindestens gleichwertiger Funktionalität auch in webbasierte Dienste überführen und um ergänzende durchdachte Funktionen erweitern lassen. Anstelle der technischen Weiterentwicklung von Dingen zu intelligenten Objekten tritt dann gleich die Neuentwicklung leistungsfähiger Webservices mit evolutionären wie teilweise disruptiven Folgen. Vielfach ist der webbasierte Dienst deutlich effizienter und effektiver, sodass auf das Original und damit verbundene Medienbrüche komplett verzichtet werden könnte. Elektronische Akten- und Prozessunterstützungssysteme bieten gegenüber Papier und Akten etwa neuartige Möglichkeiten zur gleichzeitigen gemeinsamen Einsicht und Bearbeitung, zur Prozess optimierung, zur Kostensenkung und zur Effizienzsteigerung. Der bewusste Verzicht auf Papier als Original eröffnet frische Möglichkeiten etwa für Eintrittskarten, Fahrkarten, Ausweise, Bescheide, Urkunden und Rechnungen und für darauf aufsetzende Geschäftsmodellinnovationen. Industrie 4.0 – Reaktion Deutschlands auf drohende Verluste der Wettbewerbsfähigkeit Die deutsche Wirtschaft hat früh erkannt, dass smarte Objekte echte Herausforderungen für ihre etablierten Geschäftsmodelle bedeuten. Seit 2006 setzen sich in Deutschland Wissenschaft, Industrie und Politik mit den Auswirkungen smarter Fabriken, smarter Produkte, smarter Daten und smarter Dienste im Kontext von CPS, Industrie 4.0 und einer «Smart-Service-Welt» auseinander (acatech 2011, Forschungsunion/acatech 2013, acatech 2015). Die deutsche Industrie ist an einer raschen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser «vierten industriellen Revolution» interessiert, weil sie negative Auswirkungen für die eigenen Unternehmen, ihre Zukunftsfähigkeit und damit den Standort Deutschland befürchtet, sollte dieses Forschungs- und Entwicklungsfeld nicht angemessen und zum Nutzen der Wirtschaft entwickelt werden. Smart Cities – intelligent vernetzte Städte Die Denkansätze der Industrie 4.0 lassen sich auf urbane Räume übertragen. Erste Überlegungen führten zum Konzept der «smarten Städte» (Smart Cities). Im Kern geht es bei den meisten Smart-CityProjekten um intelligent vernetzte und sich zum Teil selbst steuernde Lösungen für Bildung, Energie, Gesundheit und Mobilität. Diese Felder haben eine herausgehobene wirtschaftliche wie gesellschaftspolitische Bedeutung. Sie versprechen Investoren attraktive Renditen. Allmählich verbreitet sich dabei die Erkenntnis, dass die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in die Gestaltung einzubinden sind, damit Lösungen überhaupt die erforderliche Akzeptanz finden. Zudem gilt, dass die öffentliche Verwaltung mit ihrem Leistungsportfolio um das Regieren und das Verwalten doch sehr viel breiter aufgestellt ist. Smart Government – intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln Die in Friedrichshafen erarbeitete Häfler-Definition versteht unter Smart Government «die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit dem Regieren und Verwalten (Government) mithilfe von intelligent vernetzten Informations- und Kommunikationstechniken. Ein intelligent vernetztes Regierungs- und Verwaltungshandeln nutzt die Möglichkeiten intelligent vernetzter Objekte und cyberphysischer Systeme zur effizienten wie effektiven Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Dies schliesst das Leistungsportfolio von E-Government und Open Government einschliesslich Big Data und Open Data mit ein. Im Kern geht es um ein nachhaltiges Regierungs- und Verwaltungshandeln im Zeitalter des Internets der Dinge und des Internets der Dienste, die technisch auf dem Internet der Systeme, dem Internet der Menschen und dem Internet der Daten aufsetzen» (von Lucke 2015, S. 4). Häfler-Verständnis einer Verwaltung 4.0 in Lehre und Forschung Angeregt von der Idee Industrie 4.0 überrascht es nicht, dass in Deutschland der Begriff «Verwaltung 4.0» von vielen Seiten mit unterschiedlichen Absichten und Inhalten verwendet wird. Der Begriff und die dazugehörige Wortbildmarke sind Schöpfungen von IVM 2 aus dem Jahre 2013. Das in Forschung und Lehre am Open Government Institute der Zeppelin Universität in Friedrichshafen gebräuchliche Verständnis orientiert sich bewusst am Begriff «Industrie 4.0», der vom entsprechenden Arbeitskreis eingeführt wurde (Forschungsunion/acatech 2013, S. 18), und überträgt dessen Kerngedanken auf den öffentlichen Sektor: «Verwaltung 4.0 meint im Kern die technische Integration von cyberphysischen Systemen in die öffentliche Verwaltung sowie die Anwendung des Internets der Dinge und der Dienste im Rahmen der Prozesse des Regierens und Verwaltens – einschliesslich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation.» (von Lucke/Schumacher 2014, S. 10; von Lucke/Schumacher 2015, S. 220, und von Lucke 2015, S. 8) Hieraus lässt sich ein verständliches Häfler-Leitbild für die Verwaltung 4.0 ableiten: «Intelligente Objekte wie etwa smarte Brillen, smarte Fernseher, interaktive Leinwände und vernetzte Kleidungsstücke können in Ministerien, Behörden, Entscheidungsprozessen und Verfahrensabläufen sehr unterschiedliche Verwendung finden. Das gewaltigste Veränderungspotenzial liegt jedoch nicht im intelligenten Papier, sondern in dessen Überführung in ein intelligentes elektronisches Format. Die flächendeckende Einführung interoperabler elektronischer Akten- und Vorgangsbearbeitungssysteme 71 Praxis – International verlagert Dokumente, Akten, Vorgänge und darauf aufsetzende Dienste in das Internet der Dinge und das Internet der Dienste. Zentrale Aufgaben der Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung lassen sich hochautomatisiert gestalten, ohne (dabei) menschliche Entscheidungsträger aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Dies ermöglicht eine stärkere Massenbearbeitung von Einzelanträgen, Rechnungen und Genehmigungsprozessen. Intelligente Vorgänge unterstützen aktiv die Vorgangsbearbeitungsprozesse. Vorgänge steuern sich selbst durch Zuständigkeiten und dynamische Wertschöpfungsnetzwerke. Autonome, sich selbst organisierende Vorgangsbearbeitungssysteme mit Genehmigungsfiktion ersetzen die bewährte papierbasierte wie botenlastige Aktenhaltung. Portalbasierte einheitliche Ansprechpartner kümmern sich um das gesamte Anliegen der Bürger und Unternehmen, ohne diese mit administrativen Kenntnissen zu überfordern. Proaktive Verwaltungsleistungen und intelligente Bescheide ergänzen das Leistungsportfolio. All diese neuartigen kooperativen Ansätze stärken die dynamische Selbstorganisation und können zur Auflösung von klassischen Zuständigkeits- und Fachbereichsgrenzen führen.» (von Lucke/Schumacher 2014, S. 10; von Lucke/Schumacher 2015, S. 220–221, und von Lucke 2015, S. 8). Herausforderungen eines smarten Regierungs- und Verwaltungshandelns Aufgrund der Vielfalt öffentlicher Aufgaben und denkbarer Eingriffsmöglichkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft sollte sehr genau überlegt werden, wo Ministerien, Behörden, Ämter und Verwaltungsmitarbeiter im Sinne von «Smart Government» mit welcher Form von Intelligenz auszustatten sind und wo zur Risikominimierung im öffentlichen Sektor bewusst Grenzen und Zuständigkeiten zu setzen sind. Schliesslich eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Generierung und Nutzung von Bewegungs- und Verhaltensprofilen, zur genaueren Situationswahrnehmung und zur Reduktion von Entscheidungsspielräumen. Das automatisierte Treffen von Entscheidungen, selbstoptimierende Systeme und komplexe autonome Systeme machen Menschen in bestimmten Bereichen sogar überflüssig. Insofern ist auch im Staat und in der Verwaltung mit disruptiven Veränderungen zu rechnen, die in ihrer Breite derzeit noch nicht sichtbar sind und wegen ihrer Auswirkungen nicht überall auf positive Resonanz stossen werden. Konsequenterweise ist für jede Fachverwaltung gesondert zu hinterfragen, inwiefern intelligent vernetzte Objekte in den Verfahrensabläufen sinnvoll sind und wie diese Lösungen konkret aussehen. Zeitnah sollten jene Bereiche bestimmt werden, in denen es sich mit Unterstützung von CPS sehr viel intelligenter, effizienter und effektiver regieren, verwalten, handeln, gestalten und zusammenarbeiten lässt. In Szenarien und mithilfe von Prototypen können intelligente Objekte, CPS und Webdienste zur Verhaltensverfolgung, zur verbesserten Situationswahrnehmung und zur sensorgestützten Entscheidungsanalyse entwickelt werden. Auch Prozessoptimierungen und Ressourcenverbrauchsoptimierung sind vorstellbar. Unter Umständen wäre sogar eine Einführung von sich selbst steuernden komplexen autonomen Systemen sinnvoll und förderwürdig. An der Zeppelin Universität hat man erste Szenarien zur Feuerwehr 4.0, Justizverwaltung 4.0, Finanzverwaltung 4.0, Standesamt 4.0, Landwirtschaftsverwaltung 4.0 und Bauverwaltung 4.0 entwickelt und vorgestellt (von Lucke 2015, S. 26 ff). In der Schweiz sollten nationale, kantonale und kommunale Stellen wissen, wo sich künftig im zulässigen verfassungsrechtlichen Rahmen smarte Objekte und vertrauenswürdige sowie ver- lässliche CPS sinnvoll einsetzen lassen, sodass sie ihre Aufgaben effektiver wahrnehmen, qualitativ hochwertige und zuverlässige Verwaltungsdienstleistungen anbieten, die Bürgerfreundlichkeit optimieren und ihren Mitarbeitenden attraktive Arbeitsplätze anbieten können. Insofern wird es in den kommenden Jahren eine anspruchsvolle wie verantwortungsvolle Aufgabe sein, zu jeder Fachaufgabe über zulässige intelligente Vernetzung, Interopera bilität und eine bewusste Grenzziehung nachzudenken, um den rechtsstaatlichen und datenschutzkonformen Rahmen einzuhalten. Schliesslich geht es um die inhaltliche Gestaltung des «smarten Staats» und «smarter Behörden» und der damit verbundenen digitalen Transformation des öffentlichen Sektors im 21. Jahrhundert im Sinne einer positiven Gesamtentwicklung. The Open Government Institute (TOGI) der Zeppelin Universität in Friedrichshafen hat ein Whitepaper zu «Smart Government. Wie uns die intelligente Vernetzung zum Leitbild ‹Verwaltung 4.0› und einem smarten Regierungs- und Verwaltungshandeln führt» vorgelegt, mit dem das Gestaltungspotenzial für Staat und Verwaltung im Internet der Dinge und im Internet der Dienste ausgelotet wird. In diesem Beitrag werden die Kernaussagen des Whitepapers zusammengefasst. Definition, Whitepaper und weitergehende Informationen finden Sie unter https://www.zu.de/ institute/togi/smartgovernment.php und http://togi.zu.de. Quellen ––acatech 2011: acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V.: Cyber-Physical Systems – Innovationsmotor für Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion. acatech POSITION, Springer Verlag, Heidelberg, 2011. ––acatech 2015: acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V.: Smart Service Welt – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Internetbasierte Dienste für die Wirtschaft. Abschlussbericht Langfassung. Berlin, 2015. ––Berlecon Research 2010: Berlecon Research GmbH, ZEW Mannheim, Interna tional Business School of Service Management und Pierre Audoin Consultants: Das wirtschaftliche Potenzial des Internet der Dienste. Studie im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Berlin, 2010. ––BMBF 2013: Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zukunftsbild «Industrie 4.0». Berlin, 2013. ––Chui/Löffler/Roberts 2010: Chui, Michael/Löffler, Markus/Roberts, Roger: The Internet of Things. In: The McKinsey Quarterly, 47. Jahrgang, Heft 2, Amsterdam, Atlanta, 2010. S. 1–9. ––Forschungsunion/acatech 2013: Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft und acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V.: Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern. Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Frankfurt, 2013. ––Geisberger/Broy 2012: Geisberger, Eva/Broy, Manfred: agendaCPS. Integrierte Forschungsagenda Cyber-Physical Systems. acatech Studie. acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V., München/Garching, 2012. ––von Lucke 2015: von Lucke, Jörn: Smart Government. Wie uns die intelligente Vernetzung zum Leitbild «Verwaltung 4.0» und zu einem smarten Regierungsund Verwaltungshandeln führt, Whitepaper, The Open Government Institute, Zeppelin Universität, Friedrichshafen, 2015. ––von Lucke/Schumacher 2014: von Lucke, Jörn/Schumacher, Florian: Whitepaper Verwaltung 4.0. Internes Diskussionspapier E6, The Open Government Institute, Zeppelin Universität, Friedrichshafen, 2014. ––von Lucke/Schumacher 2015: von Lucke, Jörn/Schumacher, Florian: Erste Skizze zur Verwaltung 4.0. Neuartige Formen der Kooperation in der öffentlichen Verwaltung durch intelligente Objekte und cyberphysikalische Systeme. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/ Hötzendorfer, Walter (Hrsg.): Kooperation, Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, Band 309, Österreichische Computergesellschaft, Wien, 2015, S. 219–226. ISBN: 978385403-309-7. ––Wiktionary 2011–2015: Wiktionary – das freie Wörterbuch: smart, Wikimedia Foundation Inc., San Francisco, 2011–2015. 72 Praxis – International Landkreis Bergstrasse startet E-Government in Bestzeit Im Jahr 2014 hat der Kreis Bergstrasse die Stabsstelle E-Government eingerichtet. Nur fünf Monate später wurde unter Einbindung aller Fachabteilungen und mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Fraunhofer FOKUS eine E-Government-Roadmap vorgelegt und verabschiedet und mit der Umsetzung begonnen. Ent wickelt wurde die Roadmap in einem «Gegenstromverfahren», das die strategische und operative Perspek tive gleichermassen fokussiert. Sie kann sich so auf eine breite Akzeptanz und eine abteilungsübergreifende Strategie stützen. Gert Lefèvre stv. Abteilungsleiter Moderne Verwaltung E-Government und IT Kreis Bergstrasse gert.lefevre @kreis-bergstrasse.de Philipp Martin Projektleiter E-Government Fraunhofer FOKUS philipp.martin @fokus.fraunhofer.de Petra Steffens Leiterin Business Development E-Government Fraunhofer FOKUS petra.steffens @fokus.fraunhofer.de E-Government für den Kreis: gesetzeskonform, effizienzsteigernd, prozessorientiert Der Landkreis Bergstrasse im südlichen Teil des Bundeslands Hessen gehört mit seinen rund 265 000 Einwohnerinnen und Einwohnern gleich zwei europäischen Metropolregionen an, der Metropolregion RheinThomas Wieland Abteilungsleiter Moderne Main und der Metropolregion Rhein-Neckar. Verwaltung, E-Government Für die Unternehmen des Kreises und ihre und IT Kreis Bergstrasse Beschäftigten stellen der einfache Zugang thomas.wieland zur Verwaltung und durchgängige digitale @kreis-bergstrasse.de Verwaltungsleistungen über föderale Grenzen hinweg wichtige Standortfaktoren dar. In den letzten Jahren sind im Kreis Bergstrasse vorwiegend E-Government-Angebote entstanden, die die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger (G2C) im Blick hatten. Zukünftig sollen sich die E-Government-Vorhaben noch stärker am Leitbild medienbruchfreier Prozesse ausrichten, von denen neben Bürgern vor allem auch die Unternehmen der Region profitieren und die es ermöglichen, Effizienzgewinne innerhalb der Kreisverwaltung zu realisieren. Neben dieser Zielsetzung besteht die Notwendigkeit, die Anforderungen umzusetzen, die sich aus dem im Jahr 2012 verabschiedeten E-Government-Gesetz der Bundesregierung (EGovG)1 für die Kreisverwaltung ergeben. Aufbauorganisatorisch ist die Kreisverwaltung derzeit in 21 Abteilungen und drei Eigenbetriebe gegliedert, verteilt auf zahlreiche Dienststellen innerhalb und ausserhalb des Stadtgebiets der Kreisstadt Heppenheim. Ablauforganisatorisch besteht weitgehend dezentrale Ressourcenverantwortung. Hieraus resultiert ein hohes Mass an Heterogenität in der IT-Anwendungslandschaft. Die künftige Realisierung von E-Government soll daher auf Basis einer E-Go- vernment-Zielarchitektur erfolgen, die sich an der E-Government-Referenzarchitektur von Fraunhofer FOKUS2 orientiert. Ziel ist es, ein Maximum an Wiederverwendung und Interoperabilität zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzungen wurde im Jahr 2014 in einer Grundsatzentscheidung der Verwaltungsleitung der weitere Auf- und Ausbau eines bürger- und unternehmensorientierten E-Governments beschlossen. Um die hierfür erforderlichen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse systematisch und abteilungsübergreifend auf den Weg zu bringen, wurde 2014 die Stabsstelle E-Government eingerichtet. Bereits fünf Monate nach Aufnahme ihrer Tätigkeit hat die Stabsstelle im Frühjahr 2015 eine E-Government-Roadmap mit fünf zentralen Handlungsfeldern vorgelegt, die von der Kreisleitung beschlossen wurde. Die Erstellung und Abstimmung der Roadmap wurde von Fraunhofer FOKUS wissenschaftlich begleitet und moderiert. Roadmap-Entwicklung im Gegenstromverfahren Die E-Government-Roadmap wurde in einem «Gegenstromverfahren» entwickelt, das die strategische Sicht der Kreisleitung und die operative Sicht der Fachabteilungen, der Querschnittsfunktionen und aller Interessenvertreter (Personalrat, Datenschutz etc.) in einem Gesamtkonzept verbindet. Der Definition der Roadmap liegt somit eine Kombination von Top-down- und Bottom-up-Vorgehen zugrunde. Im Verlauf des Vorgehens waren jeweils unterschiedliche Zielgruppen eingebunden. Strategische Ziele wurden ebenso wie konkrete Umsetzungsbedarfe und priorisierungsrelevante Informationen erhoben, und schliesslich wurde auf Grundlage der Ergebnisse eine Priorisierung der Handlungsfelder vorgenommen. Die Massnahmen im Zuge der Bottom-up- und Top-down-Untersuchungen wurden zum Teil zeitlich überlappend durchgeführt. Inhaltlich bildeten die Top-down-Aktivitäten dabei eine Klammer um die im Bottom-up-Verfahren durchgeführten Analysen. Top-Down-Vorgehen Zielbewertung Priorisierung der Handlungsfelder E-Government-Roadmap Bottom-up-Vorgehen Auswertungsphase Untersuchungsphase Deklarationsphase Erhebungsphase Abbildung 1: Vorgehensschritte im «Gegenstromverfahren» 73 Praxis – International Im Zuge des Top-down-Vorgehens wurde zu Beginn der Roadmap-Definition eine fragebogenbasierte Erhebung unter den Abteilungs- und Betriebsleitern durchgeführt. Deren Sicht auf die strategischen Ziele von E-Government und ihre Einschätzung der vordringlichen Bedarfe war eine der Grundlagen für die Definition der Roadmap. Zeitgleich startete die Bottom-up-Analyse. Diese erfolgte gemäss dem von den E-Government-Verantwortlichen des Kreises, Gert Lefèvre und Thomas Wieland, entwickelten 4-Phasen-Modell: –– Phase 1 – Erhebung: Im Kreis sind derzeit insgesamt 40 Fachverfahren im Einsatz. Sie halten gewisse Grundfunktionalitäten (z.B. Dokumentenverwaltung) mehrfach in unterschiedlicher technischer Ausprägung vor. Diese Redundanz steht der Realisierung durchgängiger Prozesse im Weg und bietet hohes Einsparpotenzial in Bezug auf die Kosten für Wartung, Schulung und Betrieb. Am Anfang der Untersuchungen stand daher die Bestimmung des Status quo: Diese resultierte in einem Überblick über die vorhandene IT-Infrastruktur, der sowohl die Fachverfahren als auch die bereits vorhandenen E-Government-Bausteine umfasste. –– Phase 2 – Deklaration: In einer weiteren Befragung wurden die Abteilungsleiter gebeten, vordringliche Entwicklungsbedarfe zu deklarieren. Massgeblich für die Deklaration waren drei Fragen: a) Welche Anforderungen ergeben sich aufgrund des EGovG? b) Welche Massnahmen sind erforderlich, um die Kreisaufgaben effizienter durchzuführen? c) Was ist zu tun, um durchgängige Prozesse mit Unternehmen und Bürgern zu realisieren? Ergebnis von Phase 2 war eine Sammlung von noch nicht priorisierten Erfordernissen aus Abteilungsleitersicht. –– Phase 3 – Untersuchung: Um den Nutzen einer E-Government-Umsetzung von konkreten Leistungserbringungsprozessen noch besser beurteilen zu können, wurden in persönlichen Interviews weitere Informationen eingeholt. Ziel war es, auf diese Weise eine Vergleichbarkeit zwischen den Prozessen in Bezug auf ihre E-Government-Würdigkeit herzustellen. Dabei wurden folgende Faktoren untersucht: Häufigkeit (Prozessdurchläufe pro Jahr), Komplexität (Anzahl der Prozessbeteiligten, Anzahl der Aktivitäten und Schnittstellen, Umfang an eingesetzten Betriebsmitteln, Ermessensspielräume), Parallelität (Anzahl gleichzeitig erbrachter Leistungserbringungsprozesse) sowie Anzahl eingesetzter E-Government-Bausteine. Ergebnis von Phase 3 war eine Charakterisierung der jeweils drei Hauptprozesse pro Abteilung. –– Phase 4 – Auswertung: Aus den Ergebnissen der Erhebungs- und Deklarationsphase wurden fünf Handlungsfelder abgeleitet, die zentral für die weitere Umsetzung von E-Government sind. Aus der Untersuchungsphase liess sich die E-Government-Würdigkeit von Leistungsprozessen ableiten. Die Ergebnisse der Auswertungsphase wurden im «Gegenstromverfahren» in den zweiten Schritt des Top-down-Verfahrens, die Priorisierung, eingespeist. Um einen breiten und tragfähigen Konsens für die zu definierende Roadmap zu erzielen, wurden die identifizierten Handlungsfelder in einem Workshop zur Diskussion gestellt. An dem Workshop beteiligten sich die Verwaltungsleitung, alle Abteilungsleiter, die Vertreter eines Eigenbetriebs sowie Vertreter des Personal- und Gesamtpersonalrats. Anhand der Ergebnisse wurden in diesem zweiten Schritt des Top-down-Vorgehens unter Berücksichtigung der im ersten Schritt definierten strategischen Zielsetzung folgende Handlungsfelder beschlossen: medienbruchfreie Prozesse, Wissensmanagement, Geodatenmanagement und Prozesse der internen Administration. Die Handlungsfelder umfassen vordringlich Um- setzungsmassnahmen für ein elektronisches Dokumentenmanagement, für elektronische Workflows und Formulare, für das Inputmanagement, für ein Mobile-Device-Management sowie für eine Groupware- bzw. Intranet-Lösung. Flankiert werden die Umsetzungsmassnahmen von einem umfassenden Change Management. Change Management Medienbuchfreie Prozesse Wissensmanagement Geodaten Management Interne Administration Abbildung 2: Priorisierte Handlungsfelder Die priorisierten Handlungsfelder bildeten die Basis für die Definition der E-Government-Roadmap, die auf fünf Jahre angelegt ist. Bei der Auslegung der Roadmap zeigte sich, dass grundsätzlich zwei Perspektiven zu unterscheiden sind: –– Der Makrofokus, der den Schwerpunkt auf eine integrierte Leistungserstellung auf Basis wiederverwendbarer Komponenten im Rahmen der E-Government-Zielarchitektur legt. –– Der Mikrofokus, der bisherige «Insellösungen» aufgrund von Akzeptanz- und Wirtschaftlichkeitserwägungen akzeptiert und mittelfristig deren sukzessive Integration in die Zielarchitektur anstrebt. Grundsätzlich gilt, dass der Makro-Fokus Vorrang vor dem Mikro-Fokus hat. Parallele Umsetzungsprojekte und sukzessiver Rollout Für die Umsetzung der Roadmap wurde im November 2015 unter dem neu ins Amt gewählten Landrat Christian Engelhardt eine neue Abteilung gebildet, die sich dediziert den Themen „Moderne Verwaltung, E-Government und IT“ und der Steuerung der Roadmap-Umsetzung annimmt. Ein Multiprojektmanagement stellt sicher, dass die Erkenntnisse aus den parallel gesteuerten Pilotprojekten jeweils in den weiteren Rollout einfließen und übergreifende Anforderungen aufgenommen werden können (Makro-Fokus). Ein umfangreiches Qualifizierungs- und Schulungsprogramm im Rahmen des Change Managements unterstützt alle beteiligten Akteure darin, den Modernisierungsprozess mitzugehen. Durch die parallele Initiierung von Umsetzungsprojekten konnten bereits zehn Monate nach Start des Projektprogramms erste Erfolge erzielt werden: Der E-Postbrief ebenso wie ein internes Online-Reservierungssystem wurden in den Pilotbetrieb genommen; die erste Stufe der Ausschreibung eines E-Akte-Systems (Teilnahmewettbewerb) wurde bereits abgeschlossen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Durch die systematische Anwendung eines „Gegenstromverfahrens“ wurde eine E-Government-Roadmap mit breiter Akzeptanz und abteilungsübergreifender Strategie entwickelt; die Berücksichtigung der Makro- und Mikroperspektive unterstützt eine evolutionäre, risikominimierende Umsetzung der E-Government-Zielarchitektur, die geeignet ist, mittelfristig Kosten und Aufwände der aktuell heterogenen IT-Infrastruktur zu verringern. 1 2 http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/Informationsgesellschaft/egovg_verkuendung.pdf Tschichholz, Michael/Fox, Oliver: Dienste statt Software. Architekturen für prozessorientiertes E-Government. In: Zechner, Achim (Hrsg.): E-Government. Strategien, Lösungen und Wirtschaftlichkeit. Fraunhofer IRB, Stuttgart, 2007. S. 133–154. 74 Praxis – International Szenarien versus Hypes oder: Wie gestaltet man die Zukunft von Staatlichkeit? Verändert sich Staatlichkeit durch den Einsatz von IT? Wie kann dieser Veränderungsprozess bewusst gestaltet werden? In diesem Beitrag zeigen wir auf, wie man Staatlichkeit fassen kann, welche Bereiche von Staatlichkeit überhaupt betroffen sind und wie mittels der Szenariomethode IT-Trends und deren mögliche Folgewirkungen besser verstanden werden können. Für die Praxis entsteht so eine solide Entscheidungsgrundlage, welche IT in welcher Form überhaupt modernisierungsrelevant ist. Zur besseren Illustration werden in diesem Beitrag zwei konträre Zukunftsszenarien IT-basierter Staatlichkeit skizziert und Implikationen für die Praxis aufgezeigt. Problemstellung und Ausgangslage Stefanie Köhl Wissenschaftliche Mitarbeiterin IfG.CC - Institute for eGovernment Potsdam [email protected] Prof. Dr. Tino Schuppan Professor für Public Management Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA) tino.schuppan @arbeitsagentur.de Immer wieder entstehen neue IT-Entwicklungen und darauf bezogene Trends, welche die Verwaltung unter Reaktionsdruck setzen. Das Bildnis des «Getriebenen» ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Durch die additive Aneinanderreihung von Projekten und neuen Leitbildern wie Open Govern ment oder «smart irgendwas» besteht jedoch die Gefahr, nicht darüber nachzudenken, wie IT grundlegender zur Modernisierung der Verwaltung beitragen kann, welche Voraussetzungen daran geknüpft sind und welche weiteren Fragen damit zusammenhängen, insbesondere die Organisationsgestaltung betreffend. Es geht also nicht nur um die Gestaltung von IT oder darum, hinter jedem neuen IT-Trend gleich ein enormes Modernisierungspotenzial zu vermuten. Vielmehr stellt sich die grundlegendere Frage, wie sich mit welcher IT Aspekte von Staatlichkeit verändern können und möglicherweise auch sollen. Denn der u ngebremste und v.a. der ungestaltete IT-Einsatz kann leicht zu unerwünschten (Neben-)Wirkungen führen. Wirkungen, die heute zu wenig gesehen oder manchmal bewusst ausgeblendet werden. Doch gerade weil IT Einfluss auf Staatlichkeit nimmt, ist eine bewusste Gestaltung von nicht technischen Aspekten im Zusammenhang mit E-Government unabdingbar. Bereiche von Staatlichkeit und Wirkung von IT IT kann in mehrfacher Hinsicht Staatlichkeit verändern. Zwischen zwei Zusammenhängen in der Informatisierung von Staat und Gesellschaft ist zu unterscheiden. Aufgrund einer zunehmend mit IT durchdrungenen Gesellschaft kommt es zu (intendierten und nicht intendierten) Veränderungen innerhalb der Gesellschaft, die Einfluss darauf haben, was der Staat leisten oder nicht leisten soll, d.h. auf die funktionelle Sicht des Staates. Folgende Veränderungen sind durch IT-Verwendung (beispielhaft) möglich bzw. schon zu erkennen: –– Öffentliche Aufgaben: So entsteht beispielsweise Cyber-Sicherheit als neue öffentliche Aufgabe, denn Vernetzung und IT-Durchdringung der Gesellschaft bringen neue Angriffsmöglichkeiten und Sicherheitsrisiken mit sich (sogenannte negative Externalitäten), sodass der Staat im Jahr 2011 bspw. mit dem Aufbau eines Nationalen Cyber-Abwehrzentrums (kurz NCAZ) reagierte. Weiterhin gewinnen Datensicherheit und Datenschutz zunehmend an Bedeutung. –– Instrumente staatlichen Handelns können sich vor allem dadurch ändern, dass dem Staat neue Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -abgabe zur Verfügung stehen. Zudem lassen sich Informationen besser strukturieren und nach vorgegebenen Themen analysieren, wie es z.B. das sogenannte Social Media Monitoring ermöglicht. Daten und Informationen können analysiert, neu zugeordnet, miteinander verschnitten, visualisiert und verbreitet werden. Damit stehen dem Staat neue (gesellschaftliche) Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung. Personen und Objekte können zunehmend grenzüberschreitend überwacht und identifiziert werden, was in eine «Regulation by Technology» münden kann. –– Politische Willensbildung und Beteiligung: Aufgrund der IT-Durchdringung der Gesellschaft entsteht eine vermehrte Forderung nach Partizipation und Beteiligung, eben weil dies mit IT einfacher möglich ist, was neue Anforderungen an den Staat stellt. Es stellt sich die Frage, wie dieser mit Bürgern interagiert und Bürger in politische Prozesse einbindet. Das kommt nicht zuletzt in der Diskussion um Open Government und neuen (elektronischen) Beteiligungsformen zum Ausdruck. Insbesondere soziale Medien ermöglichen eine verstärkte direkte und informelle Beteiligung (sogenannte Liquid Democracy). Nicht nur nach aussen, auch nach innen setzt der Staat selbst IT mit dem Ziel ein, seine Aufgaben effektiver und effizienter zu erbringen. Mit dieser internen IT-Nutzung ist die sogenannte Machin ery of Government angesprochen, was eine stärkere Sicht auf den arbeitenden Staat erfordert – Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse sind entscheidend. Zum Beispiel sind folgende Änderungen durch eine IT-Verwendung möglich und bereits in einigen Ansätzen sichtbar: –– Makrostruktur/Makroaufbau: Durch technische und organisatorische Vernetzung ist es möglich, dass Aufgaben, welche bisher die Länder – entsprechend der vorgegebenen föderalen Arbeitsteilung – erbracht haben, der Bund im «Direktvertrieb» wahrnimmt. Darüber hinaus ist es möglich, öffentliche Verwaltungen primär nach funktionalen und nicht nach territorialen Gesichtspunkten zu organisieren. Grundlage hierfür ist die stärkere prozessbezogene Orientierung, die es erlaubt, Geschäftsprozesse auseinanderzuziehen, zu modularisieren und anders aufzuteilen. 75 Praxis – International –– Trägerwahl: Mit einer verstärkten Orientierung an Geschäftsprozessen ist es gleichfalls möglich, einzelne Bestandteile der Leistungserbringung (kleinste Prozessteile) herauszulösen, wodurch eine flexiblere Wahl von ausführenden Verwaltungsorganisationen möglich ist. Das verändert sowohl die Trägerwahl innerhalb der Verwaltungsorganisation als auch Fragen der Auslagerung auf nicht staatliche Träger. Öffentliche Leistungsnetzwerke auf der Produktionsebene können in hohem Masse zu einer effizienteren und effektiveren Leistungserbringung beitragen. –– Leistungszugang: Auf IT-Basis kann der Zugang zu öffentlichen Leistungen wesentlich verändert werden. Dabei kann der Zugang nicht nur über ein Onlineportal, sondern über unterschiedliche Formen der Bündelung von öffentlichen Leistungen in einem Front Office (physisch, telefonisch oder elektronisch) nach bestimmten Zielgruppen erfolgen. –– Zusammenspiel von Politik und Verwaltung: Gesellschaftliche Wirkungen eines politischen Programms bzw. eines Gesetzes treten nur dann ein, wenn bereits bei der Politikkonzeption Implementationsfragen berücksichtigt werden. E-Government bzw. der IT-Einsatz bietet zahlreiche Vollzugsoptionen, die schon bei der Gesetzgebung miteinzubeziehen sind, wobei vor allem Prozessmodelle eine Rolle spielen. Eine solche Verbindung von Policy Design und Implementation ist gerade bei E-Government erforderlich, weil auf diese Weise mögliche Wirkungen unterschied licher Vollzugsvarianten berücksichtigt werden können. In den aufgezeigten Teilbereichen kann sich Staatlichkeit durch den Einsatz von IT anders als bisher darstellen. In einem – pointiert formuliert – E-transformierten Staat gibt es eine andere staatliche Handlungsbreite und -tiefe. Wie weit diese reichen kann, zeigen die folgenden Szenarien auf. Szenarien: «E-transformierte Staatlichkeit» Über die Szenariomethode lassen sich plausible, kohärente und voneinander abgrenzbare mögliche Zukunftsbilder bzw. Zukünfte (keine Prognosen!) entwickeln und zugleich Zukunftsräume systematisch erforschen (vgl. u.a. Kosow/Gaßner 2008, S. 6; Kahn/Wiener 1967; Lippold/Welters 1976). Eine solche Betrachtung ist für die E-Government-Forschung besonders interessant, weil hierdurch Möglichkeitsräume und damit zugleich Handlungsspielräume erschlossen werden. Insbesondere sogenannte Extremszenarien ermöglichen es, die Spannweite möglicher Zukünfte besonders deutlich zu machen und somit den grösstmöglichen Gestaltungs- und auch Denkspielraum zu eröffnen (von Reibnitz 1991, S. 28). Im Kontext veränderter Staatlichkeit dienen Szenarien dazu, das bestehende Verständnis von Staatlichkeit über heutige Entwicklungen und Vorstellungen hinaus zu erfassen, zu systematisieren und zu vertiefen. Szenarien sind dabei nicht willkürlich, vielmehr werden sie anhand einer festgelegten Logik konstruiert (ein idealtypisches Phasenmodell bieten Kosow/Gaßner 2008, S. 19 ff.). Um extreme Reaktionen des E-transformierten Staates aufzuzeigen, sind extreme Umfeldsituationen, basierend auf wesentlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Trends (Globalisierung, Europäisierung, Individualisierung, demografischer Wandel), zu konstruieren. Das Umfeld wird so gewählt, dass sich daraus extreme negative Externalitäten ergeben bzw. ein disruptives gesellschaftliches Umfeld entsteht. In diesem Umfeld ergeben sich veränderte Erwartungshaltungen und Anforderungen an die Funktion und Rolle des Staates, die in einem E-transformierten Staat zu anderen Reaktionsmustern führt als bisher. Denkbare extreme Formen E-transformierter Staatlichkeit (normativ negativ und normativ positiv) sind im Folgenden beispielhaft dargestellt: Szenario 1: «IT-Nachtwächterstaat» Das Umfeld ist von wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in den EU-Mitgliedstaaten geprägt. Gemeinsame gesellschaftliche Grundwerte gehen verloren, was zur Entsolidarisierung führt und das Konfliktpotenzial in der Gesellschaft erhöht – Proteste und Ausschreitungen sind die Folge. Staatliche Behörden können weitgehend unkontrolliert über Mittel verfügen, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten und um die Bürger vor sich selbst zu schützen. Anstatt der Staat die Ursachen länderübergreifender Probleme bekämpft und Politik und Verwaltung zum Wohle der Allgemeinheit international zusammenarbeiten, stehen schnell durchzuführende, sichtbare ordnungs- und sicherheitspolitische Massnahmen im Mittelpunkt. Der Staat greift auf eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien zurück, mit denen das Verhalten der gläsern gewordenen Bürger erfasst werden kann. Es entsteht ein Polizeistaat neuer Couleur, bei dem massenhaft Profile von Menschen erstellt werden. Dabei wird unter anderem auf die von Internetnutzern bereitgestellten Informationen zurückgegriffen, die mithilfe von Analysesoftware nach bestimmten Kriterien ausgewertet werden. Durch ein Verschneiden von Daten entstehen ganz neue Informationen, die als Steuerungsinstrument eingesetzt werden. Falls ein als gefährlich erachtetes Individualverhalten auftritt, greift ein automatischer, anlassbezogener Sanktionsmechanismus. Grundrechte, wie die informationelle Selbstbestimmung, Gewissens- und Versammlungsfreiheit sowie das Brief- bzw. Fernmeldegeheimnis, können damit nicht mehr wirksam durchgesetzt werden. Der Verhaltensspielraum der Bürger wird auf ITBasis reduziert, sodass ein nicht gesetzeskonformes Verhalten kaum möglich ist. Szenario 2: «Vorausschauender Staat» Der Staat ist mit den Folgen einer globalen ökonomischen und ökologischen Krise konfrontiert. Nicht nur die auf Wachstum und fossilen Energieverbrauch ausgerichtete Weltwirtschaft, sondern das System «Erde» steht vor dem Kollaps. Länderübergreifend steht eine nachhaltige und ökologische Politikgestaltung auf der Agenda. Internationale Organisationen und Staatenverbände erarbeiten federführend Rahmenprogramme und Abkommen. Der Staat zeigt sich kooperativ handelnd und folgt der Maxime, Ressourcen zu sparen und Selbstgenügsamkeit zu fördern. Dabei werden eine Vielzahl öffentlicher Aufgaben wahrgenommen, um ökologische und soziale Ziele nachhaltig zu verfolgen. Um solche Massnahmenpakete zu planen und umzusetzen, greifen staatliche und nicht staatliche Akteure auf die Potenziale von IT zurück, damit öffentliche Aufgaben zielgerechter wahrgenommen werden können: Monitoring-Systeme nutzen vorhandene Informationen und verknüpfen diese miteinander; Auswertungsprogramme ermöglichen, Meinungen und Einstellungen der Bürger in den Politikzyklus einzubinden. Modularisierte Leistungsnetzwerke, die von ressourcenbindenden Territorialitätsaspekten unabhängig sind, ermöglichen einen europaweiten Bürokratieabbau und reduzieren Produktionskosten. Damit reagieren die europäischen Mitgliedstaaten auf länderübergreifende, veränderte Problem- und Bedürfnislagen. Weiterhin kommen sogenannte City-Dashboards zum Einsatz: Die Instrumententafeln visualisieren beispielsweise Kriminalitätsraten, Integrations- und Bildungsprobleme zusammen mit soziodemografischen Informationen in räumlicher Darstellung. Daran können Programme und staatliche Leistungen anknüpfen und wirksamer erbracht 76 Praxis – International werden. Auf diesem Wissen basieren Massnahmen einer guten Regierungsführung. Implikationen und weitere Reflexion Diese zugegebenermassen abstrakten Vorstellungen von Staatlichkeit machen deutlich, dass es keineswegs nur eine Richtung der Informatisierung gibt, sondern recht unterschiedliche Ausprägungen möglich sind. Potenzielle Wirkungen von heutigen IT-Entscheidungen und -Verwendungen können anhand der herausgearbeiteten Bereiche von Staatlichkeit besser eingeschätzt werden. Neue Denkwelten werden geschaffen, die erkennen lassen, in welchen Bereichen von Staatlichkeit überhaupt Veränderungen/Wirkungen zu erwarten sind und wohin diese insgesamt führen können, wenn IT unreflektiert eingesetzt wird. Was sich ebenfalls anhand der Szenarien zeigt, ist, dass die Notwendigkeit besteht, öffentliches Handeln sowie öffentliche Leistungsstrukturen krisentauglich und resilient zu gestalten. Auf der Ebene des arbeitenden Staates (Vollzugsebene) bedarf es Mechanismen, die vor dem Hintergrund extremer Umfeldbedingungen standhalten und vor allem die normativ positiven Szenarien ermöglichen. Insbesondere sind auf der Ebene der Leistungserstellung Effektivität, Effizienz, Legitimation und Stabilität sicherzustellen. Für die Praxis sind solche Szenarien hilfreich, weil E-Government nicht nur darauf abzielt, die Arbeitsebene zu verändern, sondern weitreichendere Folgen hat und daher in einem strategischen Zusammenhang mit der Funktionsweise von Staat zu sehen ist. Nur wenn die vielfältigen und komplexen Zusammenhänge zwischen IT und Staatlichkeit/Organisation verstanden werden, ist eine Gestaltung möglich, die das Risiko unerwünschter Folgen- bzw. Nebenwirkungen abmildern. Gerade wenn mehrere, langfristige E-Government-Projekte als Programm aufgelegt werden, ist bereits vorab zu antizipieren, welche Bereiche von Staatlichkeit in welcher Art und Tiefe betroffen sind und ob das überhaupt politisch erwünscht ist. Vielfach arbeiten in grossen Projekten «gut gemeinte» Informatiker und verändern damit Staatlichkeit en passant allein durch ihr Tun. Das liegt nicht an den Informatikern, sondern an den Organisationsexperten, die denken, dass sie mit der Gestaltung von Informationssystemen und Arbeitsumgebungen nichts zu tun hätten, nur weil IT darin vorkommt. Das Gegenteil ist der Fall: Damit IT wunschgemäss wirken kann, sind gerade die nicht technischen Anteile relevant. Gefragt sind neue Organisationsexperten, die etwas von IT verstehen und somit rechtzeitig Gegenmassnahmen ergreifen können oder auf bestimmte Projekte gänzlich verzichten. Die Überlegungen zur veränderten Staatlichkeit zeigen einmal mehr, dass nicht zwangsläufig die Existenz bzw. der Einkauf neuer IT-Lösungen zur Modernisierung beiträgt, sondern es auf deren Verwendung im spezifischen organisatorischen Kontext ankommt. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, wird jedoch in der gelebten Projektpraxis vielfach vernachlässigt. Entscheidend ist jedoch, dass bei der Entwicklung von E-Government-Vorhaben frühzeitig verwaltungspolitische Implikationen mitgedacht und vorgezeichnet werden. Die ermittelten Bereiche von veränderter Staatlichkeit und die Erörterung möglicher Folgewirkungen dienen dazu als Orientierungsrahmen. Die beispielhaft aufgezeigten Überlegungen zu veränderter Staatlichkeit sind zwar nicht für jede Kommunalverwaltung in umfassender Weise relevant, dennoch lässt sich die Szenariomethode auf kommunale Fragestellungen herunterbrechen. Was bedeutet zu- künftig kommunale Selbstverwaltung? Welche Art der Vernetzung hat welche Folgen für die Identität der Bürger in der Gemeinde? Was soll und kann Kommunalverwaltung leisten, und welche Institu tionen und Organisationsweisen sind konstruktiv zu hinterfragen oder weiterzuentwickeln? Ein denkbares Szenario wäre beispielsweise, dass sich die Rolle der Kommunen – neben der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben – auf die Distribution staatlicher Leistungen beschränkt («Distributionskommune»). Im Bereich der staatlichen Aufgaben bezieht sich die kommunale Organisations hoheit auf die Kombination von Prozess- und weiteren Infrastrukturbausteinen (Kompositionsfreiheit), die von staatlicher Ebene bereitgestellt werden. Gleichfalls wäre es aber auch denkbar, im Bereich der Auftragsverwaltung sämtliche Kompetenzen auf die Gemeinden zu übertragen, welche dann nicht lokale Leistungen bei diversen staatlichen und/oder kommunalen Shared-Service-Einheiten oder auch bei privaten Akteuren einkaufen («Einkaufskommune»). Szenarien sind also nicht nur auf der oberen Ebene von veränderter Staatlichkeit sinnvoll, sondern auf allen Ebenen können systematisch Potenziale und Gestaltungsmöglichkeiten erschlossen werden. Zum Beispiel könnte man für den wichtigen Bereich der planenden Verwaltung konkrete Szenarien auf der Anwendungsebene entwickeln. Wie sieht zukünftig mit IT Schul-, Bau- oder Stras senplanung aus? Welche konkreten Innovationen sind möglich? Aus solchen Vollzugsszenarien, die besonders für die Praxis wichtig sind, lassen sich dann weitere strategische Aussagen treffen, sodass eine systematische Verbindung zwischen E-Government und staatlicher Modernisierung hergestellt wird. Insbesondere kann jenseits aktueller Technikhypes eine längerfristige verwaltungspolitische Ausrichtung erreicht werden. Letztlich bilden die Überlegungen zur veränderten Staatlichkeit (auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene) eine Grundlage, um Politik und Führungskräfte der Verwaltung für das Thema zu interessieren, sodass sie die strategische Bedeutung des Themas erkennen. Quellen ––Kahn, H./Wiener, A. J. 1967: The Year 2000: A Framework for Speculation on the Next Thirty-three Years, New York. ––Köhl, S./Lenk, K./Löbel, S./Schuppan, T./Viehstädt, A. K. 2014: Stein-Hardenberg 2.0. Architektur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government, Berlin. ––Kosow, H./Gaßner, R. 2008: Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien, Werkstattbericht Nr. 103, IZT Berlin. ––Lippold H./Welters, K. 1976: Szenario-Technik. Werkstattheft Nr. 4 Zukunftsforschung, Institut für Zukunftsforschung, Berlin. ––Mietzner, D. 2009: Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen: Methoden evaluation und neue Ansätze, Wiesbaden. ––Steinmüller, K. 1997: Grundlagen und Methoden der Zukunftsforschung. Szena rien, Delphi, Technikvorausschau, Werkstattbericht 21, Sekretariat für Zukunftsforschung, Gelsenkirchen. ––von Reibnitz, U. 1991: Szenario-Technik: Instrumente für die unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung, Wiesbaden. 77 Ausblick/Rückblick Ausblick: E-Government-Themen im neuen BFH-Zentrum Digitale Gesellschaft Prof. Dr. Reinhard Riedl Wissenschaftlicher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschule [email protected] Das BFH-Zentrum Digitale Gesellschaft wird sich mit der Frage beschäft igen, wie man durch Digitalisierung möglichst grossen Wert schafft. Das ist ein weites Feld. Es beinhaltet sehr praktische Themen wie die intelligente, saubere und sichere Implementierung von IT-Lösungen. Es beinhaltet konzeptionell-konkrete Themen wie ein gutes Design von IT-Lösungen für einen gegebenen Anwendungskontext und konzeptionell-abstrakte Themen wie das Architekturmanagement von grossen IT-Systemen. Es beinhaltet weiter grundsätzliche Themen der Rechtsinformatik, u.a. den Schutz der Privatsphäre, und noch grundsätzlichere Fragen der Rechtspolitik, u.a. wie eine faire Nutzung von Informationen in unserer Gesellschaft sichergestellt werden kann. Und es beinhaltet nicht zuletzt auch die philosophische Reflexion über das Zusammenwirken von Wirtschaft , Staat, Zivilgesellschaft und den einzelnen Menschen. All diese Perspektiven, die auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen ange siedelt sind, sollten vernetzt werden, wenn man durch Digitalisierung nachhaltig Wert schaffen will. Der multioptionale E-Government-Kosmos Für uns bleibt dabei auch in Zukunft die E-Government-Frage zentral, wie der «ideale» Staat der Zukunft ausschaut und wie wir ihn in der Praxis realisieren können. Diese von Natur aus transdisziplinäre Frage muss in multidisziplinärer Zusammenarbeit untersucht werden. Denn die Digitalisierung verändert sowohl die Aufgaben der Verwaltung als auch die Möglichkeiten, die Verwaltung effi zient und effektiv zu organisieren – und zwar auf so dramatische Weise, dass man mit abgegrenzten monodisziplinären Lösungen nicht weit kommt. Weil oft genug die Technologienut zungspraxis die rechtstheoretische Ordnung der Dinge umstösst, arbeiten die Disziplinen am besten auf Augenhöhe, was schwer genug ist. Auch dann werden die mittel- bis langfristigen Zukunft sperspektiven weiterhin multioptional unklar bleiben, da es extrem entgegengesetzte Trends gibt. So steht beispielsweise der Privatisierung von Währungen, u.a. durch Bitcoin, die Ausweitung von staatlicher Finanzkontrolle, u.a. durch den automatischen Informationsaustausch, gegenüber. Und in der Politik steht der Personalisierung des Wahlkampfs mit Big Data (u.a. bereits in den USA) die Anonymisierung der Machtausübung durch Shitstorms im Internet (u.a. im Fall ACTA) gegenüber. Dieser Situation können sich angewandt Forschende nur stellen, in dem sie zwischen den Communities hin und her gleiten, d.h., indem sie im multidisziplinären Wissenschaft skosmos schweben, neudeutsch «floaten». Neue Herausforderungen für das «Digital Government» Im Digitalisierungskontext von besonderem Interesse sind zwei neue Herausforderungen für den Staat. Die eine betrifft die Schaffung einer öffentlichen Infrastruktur für die digitale Wirtschaft. Nur wenn Unternehmen Zugang zu Informationen und digitalen Vertrauens- und Rechendiensten zu vernünft igen Preisen erhalten, funktioniert der Markt. Entscheidend ist, in welcher Qualität, zu welchen Preisen und unter welchen Bedingungen die Ressourcen bereitstehen. In Zukunft wird es zu einer Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik werden, Verfügbarkeit und Kundenselbstbestimmung (u.a. ohne Lock-ins) dieser digitalen Infrastruktur zu garantieren. Die andere Herausforderung kommt aus dem Bereich der Geopolitik. Das Versagen der europäischen Verwaltungen bei der Antizipation der Flüchtlingsströme erinnert an das Versagen der Geheimdienste bei der Antizipation von 9/11. Die Daten waren da, ihre Interpretation zwar nicht zwingend, aber doch naheliegend, aber niemand nutzte sie. In der Folge handelten die politischen Entscheidungsträger ohne Faktenkenntnis – und in Deutschland und Österreich musste die Verwaltung innerhalb kürzester Zeit Aufgaben übernehmen, die es in dieser Dimension bisher nicht gegeben hatte. Dies zeigt exemplarisch, wie in der immer kleiner werdenden Welt die digitale Geopolitik zu einer Schlüsselaufgabe des Staats wird. Generalthema staatliche Datenstrategie Mit beiden Herausforderungen eng verbunden ist die hoheitliche Datenhaltung. Die Grenzen zwischen Verwaltung und Wirtschaft lösen sich teilweise auf, was die Frage nach dem Datenteilen aufwirft. Hoheitliche Handlungsmöglichkeiten weichen Sachzwängen, hinter denen nicht selten Informationsdefi zite des Staats stehen, die auch eine sinnvolle strategische Zukunft splanung verunmöglichen. Gleichzeitig zwingt der Staat den Unternehmen immer mehr Datensammlungen auf, um sie besser kontrollieren zu können. Und ganz nebenbei wird das Verhältnis von Verwaltung, Parlamenten und Souverän von einer meist disproportionalen Transparenz geprägt. Diese Verwerfungen manifestieren sich exemplarisch in der Nichtexistenz staatlicher Datenstrategien, in deren Schatten sogar die Übertragung quasi hoheitlicher Aufgaben an private Datenplattformen erfolgt (wie mit dem Löschungsauft rag an Google). Aber eine Demokratie ohne Datenstrategie, das ist wie eine Fiktion mit Ablaufdatum. Deshalb wird eine vernünft ige Gestaltung der hoheitlichen Datenhaltung zu einem Generalthema des E-Governments werden. Digitale Gesellschaft BFH-Zentrum Digitale Gesellschaft Eröffnung Mai / Juni 2016 2 Methodenschwerpunkte: – Nachhaltige Lösungsentwicklung – Angewandte Datenwissenschaft 2 Themenschwerpunkte: – Identität und Privatsphäre – Cybersecurity und IT-Forensik 2 Anwendungsschwerpunkte: – Gebäude und Städte – E-Health und Gesundheitswesen der Zukunft bfh.ch/bfh-zentren ‣ Wirtschaft 79 Ausblick/Rückblick Danksagung Wir bedanken uns herzlich bei der Leserschaft, allen Personen, die sich für ein Interview zur Verfügung gestellt haben und den Autoren und Autorinnen für Ihre Beiträge. Wir hoffen, dass Sie uns bei der geplanten online Ausgabe treu bleiben. Bitte berücksichtigen Sie, dass aufgrund zum Teil fehlender Informationen auf akademische Titel verzichtet wird. Interviews 2001–2016 Stefan Arn, Präsident von ICTswitzerland (Ausgabe 1/08) Barbara Balba Weber, Expertin in künstlerischer Musikvermittlung (Ausgabe 2/15) Peter Baumann, Marketingspezialist und ehemaliger Gemeindepräsident von Trimstein (Ausgabe 2/15) Wolfgang Both, Michael Grüebler, Brigitte Lutz, Querschnittinterview (Ausgabe 2/14) Frans de Bruïne, Europäische Kommission, Direktor, IKT für gesellschaftliche Herausforderungen, Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien (Ausgabe 2/07) Reto Bernhard, künstlerischer Leiter des Improvisationstheaters Improphil (Ausgabe 2/10) Thomas Bigliel, Geschäftsführer Politnetz (Ausgabe 2/13) Gabi Burgstaller, Landeshauptfrau Bundesland Salzburg (Ausgabe 1/12) Martin Bürki, Managing Director Ericsson Schweiz AG (Ausgabe 1/13 Fulvio Caccia, Präsident des Leitungsausschusses Technology Assessment (TA Swiss)(Ausgabe 1/13) Corina Casanova, Bundeskanzlerin (Ausgabe 2/09) Vinton G. Cerf, VP and Chief Internet Evangelist, Google; President of the ACM (Ausgabe 2/13) Graziella Contratto, Dirigentin (Ausgabe 2/13) Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) (Ausgabe 2/10) Claudio Feser, Direktor McKinsey & Company, Schweiz (Ausgabe 2/13) Peter Fischer, heute Leiter Informatikstrategieorgan des Bundes (Ausgabe 2/07), Ausgabe (2/10), Ausgabe (1/15) Peter Fischer, Leiter Informatikstrategieorgan des Bundes und Jürg Römer, Fachbereichsleiter Wirtschaft BFH Peter Fischer, Reinhard Posch, Cornelia Rogall-Grothe, Querschnittinterview mit den drei nationalen CIO im Raum D-ACH (Ausgabe 2/12) Peter Fischer, Sven Lässer, Reinhard Posch, Querschnittinterview (Ausgabe 1/13) Ulrich Freise, Johann Mittheisz, Andreas Németh, E-Government-Spezialisten aus Wien, Berlin und Zürich (Ausgabe 1/12) Urs Fischer, Leiter Digital Trust Services bei der Schweizerischen Post und CEO SwissSign (Ausgabe 1/14) Peppino Giarritta, Leiter der Stabsstelle E-Government des Kantons Zürich, Michael Keller, Leiter E-Government der Stadt Zürich (Ausgabe 1/16) André Golliez, Präsident des Vereins opendata.ch (Ausgabe 1/15) Edith Graf-Litscher, Hans Grunder, Antonio Hodgers, Kathy Riklin, Denis Simonet, E-Government aus Sicht der Parteien (Ausgabe 2/11) Daniel Gruber, Chef der Zentralen Dienste des Bundesamtes für Justiz (Ausgabe 2/14) Michael Haefliger, Präsident des Lucerne Festival (Ausgabe 2/12) Ernst Hafen, Professor am Institut für Molekulare Systembiologie und ehemaliger Präsident der ETH Zürich (Ausgabe 2/14) Lorenz Hess, Gemeindepräsident von Stettlen, BDP-Nationalrat (Ausgabe 1/12) Markus Hinterhäuser, Konzertchef der Salzburger Festspiele (Ausgabe 1/10) Horst Hörtner, Medienkünstler und Forscher (Ausgabe 2/14) Lycien Jantos, Leiter eBusiness Solutions bei Schweiz Tourismus (Ausgabe 2/12) Siim Kallas, Vice-President of the European Commission (Ausgabe 2/08) Beat Kappeler, Wirtschaftskolumnist (Ausgabe 2/09) Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele (Ausgabe 1/15) Seang-Tae Kim, professor at the Graduate School of Governance at the Sungkyunkwan University in Seoul (Ausgabe 2/14) Fredy Knie junior, artistischer Direktor des Schweizer National-Circus Knie (Ausgabe 1/11) Patricia Kopatchinskaja, Geigerin (Ausgabe 1/16) Franz Kummer, Mitinhaber der Firma Weblaw AG in Bern, Erich Schweighofer, Leiter der Arbeitsgruppe Rechtsinformatik am Juridicum der Universität Wien (Ausgabe 1/16) Martin Kuppinger, Analyst von KuppingerCole (Ausgabe 1/14) Elmar Ledergerber, Stadtpräsident von Zürich (Ausgabe 1/08) Klaus Lenk, Professor für Verwaltungswissenschaft an der Universität Oldenburg (Ausgabe 2/15) Frank Leyman, Manager Fedict, Belgium (Ausgabe 1/14) Christian Levrat, Nationalrat (Ausgabe 2/10) Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (Ausgabe 2/08) Eric Jakob, Leiter Standortförderung, Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) (Ausgabe 1/13) Corine Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich (Ausgabe 1/12) Ueli Maurer, Bundesrat (Ausgabe 1/16) Christian Mühlethaler, Stadtschreiber der Stadt Bülach (Ausgabe 1/10) Willy Müller, Projektleiter IKT-Architektur beim Informatikstrategieorgan Bund (ISB) (Ausgabe 2/11) Thomas Myrach, Direktor der Abteilung Information Management und Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, Andreas Spichiger, Leiter des E-Government-Instituts der Berner Fachhochschule (Ausgabe 1/16) Ruedi Noser, Nationalrat und Unternehmer (Ausgabe 1/10) Roger Nydegger, Darsteller, Regisseur und Theaterpädagoge (Ausgabe 1/14) Matteo Oleggini, Gemeinderat von Monteceneri (Ausgabe 2/11) Jeanine Osborne, Schweizer Künstlerin (Ausgabe 1/13) Reinhard Posch, Chief Information Officer des Bundes (Ausgabe 1/14) Bernhard Pulver, Regierungsrat des Kantons Bern (Ausgabe 2/13) Viviane Reding, EU Commissioner for Information Society and Media (Ausgabe 1/08) Marius Redli, Direktor Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT (Ausgabe 2/08) André Richard, Komponist, Dirigent und Klangregisseur (Ausgabe 1/12) 80 Ausblick/Rückblick Natalie Rickli, Nationalrätin (Ausgabe 1/11) Christian Rupp, Sprecher der Plattform «Digitales Österreich» im Bundeskanzleramt (Ausgabe 2/15) Urs Schaeppi, Leiter Grossunternehmen und Mitglied der Konzernleitung Swisscom (Schweiz) AG (Ausgabe 2/08) Peter Schmutz, Direktor Bedag Informatik AG (Ausgabe 1/09) Salome Schneebeli, Tänzerin, Performerin und Choreografin (Ausgabe 2/11) Johann N. Schneider-Ammann, Bundesrat (Ausgabe 2/11) Erich Schweighofer, Rechtsinformatikspezialist und Universitätsprofessor (Ausgabe 1/11) Renzo Simoni, Vorsitzender der Geschäftsleitung AlpTransit Gotthard AG (Ausgabe 1/11) Marcel Schwerzmann, Präsident der Schweizerischen Informatikkonferenz (SIK) und Vorsteher des Finanzdepartementes des Kantons Luzern (Ausgabe 2/09) Rudolf K. Spiess, Abteilungsleiter Informatik und Logistik der Stadt Biel (Ausgabe 2/09) Hans Stöckli, Nationalrat und Stadtpräsident von Biel-Bienne (Ausgabe 2/07) Martin Sturzenegger, Direktor von Zürich Tourismus (Ausgabe 2/15) Roland Traunmüller, österreichischer Informatiker (Ausgabe 2/12) Alexander Tschäppät, Berner Stadtpräsident (Ausgabe 1/07) Christian Weber, Leiter E-Government für KMU beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Ausgabe 1/09), (Ausgabe 1/11) Eveline Widmer-Schlumpf, Bundespräsidentin (Ausgabe 2/12) Arthur Winter, Leiter der Sektion für Informationstechnologie im österreichischen Bundesministerium für Finanzen (Ausgabe 1/08) Ernst Wohlwend, Stadtpräsident von Winterthur (Ausgabe 2/08) Autoren und Autorinnen 2001–2016 A Cristian Abella Mendez (Ausgabe 2/11) Arno Abler (Ausgabe 2/11) Gerd-Rainer Absch (Ausgabe 2/06) Timur Acemoglu (Ausgaben 2/14,1/15) Walter Achermann (Ausgabe 1/12) Stefan Ackermann (Ausgabe 1/14) Stefan Agosti (Ausgabe 2/14) Thomas Alabor (Ausgabe 2/06) Lars Algermissen (Ausgabe 1/04) Peter Andres (Ausgabe 1/14) Dirk Arendt (Ausgabe 1/11) Stephan Arnold (Ausgabe 1/12) B Lars Baacke (Ausgabe 2/07, 1/11) Hans-Joachim Baatz (Ausgabe 1/09) Kurt Bader (Ausgabe 2/08) Laurent Bagnoud (Ausgabe 1/10) Christoph Balimann (Ausgabe 2/04) Roland Baumberger (Ausgabe 2/03) Petra Baumberger (Ausgabe 2/02) Peter Baumberger (Ausgabe 1/12) Martin Baumgartner (Ausgaben 1/13, 1/15, 1/16) Peter Baumann (Ausgabe 1/12) Christian Bazzigher (Ausgabe 1/04) Jörg Becker (Ausgabe 1/04) Jan P. Beekman (Ausgabe 1/10) Christoph Beer (Ausgabe 1/13) Hermann Behrens (Ausgabe 2/04) Ronny Bernold (Ausgaben 2/09 bis 1/14) Daniela Berger (Ausgabe 1/09) Klemens Berger (Ausgabe 2/11) Thomas Berger (Ausgabe von 1/06 bis 1/09) Stefanie Binswanger (Ausgabe 2/04, 1/06, 2/06) Andres Birrer (Ausgabe 2/06) Christoph Bisel (Ausgabe 1/10) Adrian Blöchlinger (Ausgaben 2/07 bis 2/14) Christian Bock (Ausgaben 2/01, 1/04, 1/05) Urs Bolz (Ausgabe 1/12) Hans Born (Ausgabe 1/05) Wolfgang Both (Ausgabe 1/12) Detlev Bouda (Ausgabe 1/11) Heinz Brändli (Ausgabe 1/06) Patrick Brändli (Ausgabe 2/12) Daniel Brandt (Ausgabe 2/14) Tilman Braun (Ausgabe 1/10) Peter Breidenbach (Ausgabe 1/13) Michael Breidung (Ausgabe 1/13) Pius Breu (Ausgabe 2/08) Olivier Brian (Ausgabe 1/16) Heide Brücher (Ausgaben 1/02 bis 1/06) Martin Brüggemeier (Ausgaben 1/10, 1/13) Jérôme Brugger (Ausgaben 1/13 bis 1/15) Matthias Brüllmann (Ausgaben 2/11, 1/15) Christian Brunner (Ausgabe 2/13) Christoph Brütsch (Ausgabe 2/12) Julia Büchel (Ausgabe 1/10) Bruno Bucher (Ausgabe 2/12) Conrad Bühler (Ausgabe 2/08) Alain Buogo (Ausgabe 2/11) Urs Bürge (Ausgabe 2/10) Christian Burkhalter (Ausgaben 2/03, 1/04) Marco Bürli (Ausgaben 2/12, 1/14) Rolf Busch (Ausgaben 2/07, 1/15) Jules Busslinger (Ausgabe 1/05) C Melchior Caduff (Ausgabe 1/11) Muryel Calmet (Ausgabe 2/14) Silvano Castioni (Ausgabe 1/09) André Celio (Ausgabe 1/12) Charles Christinat (Ausgabe 2/06) Isabelle Clerc (Ausgabe 2/12) Alexandra Collm (Ausgaben 1/08, 2/14, 2/15) Alexander Colombi (Ausgaben 2/09, 2/13, 2/14) François Comment (Ausgabe 2/02) D Martin Dahinden (Ausgabe 1/08) Walter Dettling (Ausgabe 2/01) Jean-Jacques Didisheim (Ausgaben 1/07, 1/08, 2/09) Hans Dijkgraaf (Ausgabe 1/07) Sam Disston (Ausgabe 2/11) Gunter Dobratz (Ausgabe 1/12) Christian Dolf (Ausgaben 1/04, 1/09, 2/13) Christof Dornbierer (Ausgaben 2/10, 1/11) Miriam Dubi (Ausgabe 2/06) Angelina Dungga (Ausgabe 1/16) 81 Ausblick/Rückblick Eric Dubuis (Ausgaben 2/10, 1/13) Nathalie Duplain Michel (Ausgabe 2/11) Walter Duss (Ausgabe 2/09, 2/11, 1/12) E Andrea Eckerle (Ausgabe 1/12) Marco Eichelberg (Ausgabe 2/10) Guido Eicher (Ausgaben 2/10, 2/13) Simone Eigenmann (Ausgabe 1/05) Wolfgang Eixelsberger (Ausgabe 1/12) Lars Erdmann (Ausgaben 1/04, 2/12, 1/16) Jean-René Eudes (Ausgabe 1/13) Kilian Eyholzer (Ausgabe 1/04) F Anna Faoro (Ausgaben 2/13 bis 1/16) Lukas Fässler (Ausgabe 1/10) Thomas Fehlmann (Ausgabe 2/04) Dominic Feichtner (Ausgabe 1/12) Walter Felchlin (Ausgabe 2/06) Martin Feller (Ausgabe 1/05) Peter F. Fellinger (Ausgabe 2/07) Barbara Ferrari Travelletti (Ausgabe 2/11) Christoph Fiechter (Ausgabe 2/06) Hans Fischer (Ausgabe 2/06) Markus Fischer (Ausgaben 2/08 bis 2/14) Markus Fischer (Ausgaben 2/09 bis 2/13) Peter Fischer (Ausgabe 1/09) Stefanie Fischer-Dieskau (Ausgabe 1/10) Thomas Fischer (Ausgabe 2/04) Thomas M. Fischer (Ausgabe 1/06) Stephan Fischli (Ausgabe 2/10) René Fitterer (Ausgabe 2/07) Karl Flieder (Ausgabe 1/11) Andreas Forrer (Ausgabe 1/15) Bärbel Förster (Ausgabe 1/10) Tobias Friedl (Ausgabe 1/12) Andreas Frieg (Ausgaben 1/06, 1/07) Roberto Fröhlich (Ausgabe 1/13) Bruno Frutiger (Ausgabe 2/13) Daniel Fuchs (Ausgabe 1/12) Michael Fux et.al. (Ausgabe 1/06) G Alain Gaschen (Ausgabe 1/08) Hannes Gassert (Ausgabe 2/11) Angela Gastl (Ausgabe 2/10) Dimitri Gebhard (Ausgabe 1/16) Thomas Gees (Ausgaben 1/14, 2/14) Viktor Geiger (Ausgaben 2/14) Anton Geist (Ausgabe 2/13) Daniel Gerber (Ausgabe 1/07) Urs Gerber (Ausgabe 1/10) Urs Germann (Ausgabe 2/01) Anja Gerzner (Ausgaben 2/14 bis 1/16) Georg Geyer (Ausgabe 1/16) Peppino Giarritta (Ausgabe 2/13) Michael Gisler (Ausgaben 1/01, 2/01, 1/02) Olivier Glassey (Ausgaben 2/09, 2/10, 2/14) Balthasar Glättli (Ausgaben 2/12, 1/15) Christian Gnägi (Ausgabe 1/13) Matthias Göckel (Ausgabe 2/03) André Golliez (Ausgabe 2/11 bis 1/16) Patrick Graber (Ausgabe 1/13) Franz Grandits (Ausgaben 1/15, 2/15) Marco Greiner (Ausgabe 2/11) Elke Grossenbacher (Ausgabe 2/11) Isabelle Grünig (Ausgabe 1/10) Camillus Guhl (Ausgabe 1/04) Rudolf Gunz (Ausgabe 2/10) Matthias Günter (Ausgabe 1/01, 1/11, 2/12) Rolf Günter (Ausgabe 1/11) Andrea Gurtner (Ausgabe 1/12) Urs Gygax (Ausgabe 2/01) H Peter Haber (Ausgabe 2/11) Benno Häfliger (Ausgaben 2/11, 1/12) Stephan Haller (Ausgabe 1/16) Sami Hamida (Ausgaben 1/06, 2/07, 1/08) Andreas Hänecke (Ausgabe 2/01) Hans Häni (Ausgaben 2/10 bis 1/14) Rolf Hänni (Ausgabe 2/10) Anja Harder (Ausgabe 1/14) Fabia Hartwagner (Ausgabe 1/14) Gerhard Hassenstein (Ausgabe 1/14) Guido Hauller (Ausgabe 1/10) Paul Haus (Ausgabe 1/13) Armin Haymoz (Ausgabe 1/15) Ines Heer (Ausgaben 2/10, 2/14) Esther Hefti (Ausgabe 1/16) Ulrich Heiniger (Ausgabe 2/08) Frank Helmer (Ausgabe 1/08) Robert Hensler (Ausgabe 2/02) Oscar Javier Hernandez (Ausgabe 1/14) Thomas Hesse (Ausgabe 1/06) Markus Hinnen (Ausgabe 1/04) Helene Hirsbrunner (Ausgabe 2/15) Johann Höchtl (Ausgabe 2/13) Daniel Hodel (Ausgabe 2/15) Christian Peter Hoffmann (Ausgabe 2/13) Enno Hoffmann (Ausgabe 1/11) Urs Paul Holenstein (Ausgabe 2/06) Hans Peter Homberger (Ausgabe 2/10) Paul Horrisberger (Ausgabe 1/03) Walter Hötzendorfer (Ausgaben 2/13, 1/14) Ralitsa Hristova (Ausgabe 1/08) Amr Huber (Ausgabe 2/07) Andreas Huber (Ausgaben 2/13, 1/14) Kaspar Huber (Ausgabe 2/03) Andreas Hugi (Ausgabe 1/12) Detlef Hühnlein (Ausgaben 1/10, 1/14) Michel Huissoud (Ausgabe 1/11) Sirko Hunnius (Ausgabe 1/16) Jan Huntgeburth (Ausgabe 2/09) Alexander Hunziker (Ausgabe 2/10, 2/12) Beat Husi (Ausgabe 2/04) I Christian Ihle (Ausgabe 2/07) Markus Itin (Ausgabe 2/10) Beniamino Izzo (Ausgabe 1/05) 82 Ausblick/Rückblick J Roland Jabkowski (Ausgabe 2/08) Robert P. Jaki (Ausgabe 2/08) Beat Jakob (Ausgabe 1/02) Heidi Jann (Ausgabe 1/02) Till Janner (Ausgabe 1/08) Iven Jainta (Ausgabe 1/10) Thomas Jarchow (Ausgaben 1/08 bis 1/09) Stephan Järmann (Ausgabe 2/06) Carsten Jeblick (Ausgabe 1/13) Rolf Jufer (Ausgabe 1/10) K Ronny P. Kamber (Ausgabe 2/08/ Alexander Kämpfer-Maurer (Ausgabe 1/03, 2/12) Daniel Kappeler (Ausgabe 1/16) Michael Kaschewsky (Ausgabe 1/09, 1/10) Daniel Keller (Ausgabe 2/12) Michael Keller (Ausgaben 2/03, 2/14) Sandra Keller (Ausgabe 1/12) Andreas Kellerhals (Ausgaben 2/09 bis 1/16) Somnuk Keretho (Ausgabe 1/15) Janine Kern (Ausgabe 1/13) Annette Kielholz (Ausgabe 1/12) Andreas Kirstein (Ausgabe 2/10) Paul Klarenberg (Ausgabe 2/02) Eduard Klein (Ausgaben 2/14, 1/16) Olaf Klein (Ausgabe 2/10) Stephan Klein (Ausgabe 2/02) Christian Kleitsch (Ausgabe 1/14) Jens Klessmann (Ausgabe 2/11, 1/12) Silvia Knittl (Ausgabe 1/15) Christoph Knöpfel (Ausgabe 2/06) Nicolas Knotzer (Ausgabe 1/14) Bruno Koch (Ausgabe 2/06) Giordano Koch (Ausgabe 2/13) Oliver Koch (Ausgabe 2/07) Thomas Koch (Ausgabe 1/11) Thomas Kocher (Ausgabe 2/02) Martin Koci (Ausgabe 1/03) Stefanie Köhl (Ausgaben 2/13 bis 1/16) Roman Kohler (Ausgabe 2/11) Oliver Koller (Ausgabe 2/13) Ulrike Korte (Ausgabe 1/10) Turabi Köse (Ausgabe 1/09) Sandra Köstler (Ausgabe 1/13) Peter Koval (Ausgaben von 1/08 bis 1/11) Bernhard Krabina (Ausgabe 2/11) Christoph Krammer (Ausgabe 2/07) Hans-Jorg Krammer (Ausgabe 1/09) Andreas Krauchthaler (Ausgabe 2/15) E. Ulrich Kriegel (Ausgabe 1/08) Peter Krolle (Ausgabe 2/08) Andrea Kubath (Ausgabe 1/10) Herbert Kubicek (Ausgaben 2/02, 1/11) Charlotte Kugler (Ausgaben 2/09 bis 2/12) Roland Kull (Ausgabe 2/14) Patrick Kummer (Ausgabe 2/10) André Kunz (Ausgabe 1/15) Roger Künzli (Ausgaben 2/09 bis 1/15) Andreas Kühn (Ausgaben 1/07 bis 1/14) Raphael Kunis (Ausgabe 1/08) L David Lance (Ausgabe 1/02) Kurt Lanz (Ausgabe 1/13) Annett Laube-Rosenpflanzer (Ausgaben 1/11, 1/14) Erich Laube (Ausgabe 2/14) Markus Lauber (Ausgabe 2/10) Christian Laux (Ausgaben 2/11, 2/14) Geoffroy Laviolette (Ausgabe 1/06) Ernst Lebsanft (Ausgabe 2/06) Roland Ledinger (Ausgabe 1/04) Gert Lefèvre (Ausgabe 1/16) Rudolf Legat (Ausgabe 1/09) Jürg Lehni (Ausgaben 2/08 bis 1/16) Christine Leitner (Ausgabe 1/07) Marita Lempen (Ausgaben 2/11 bis 2/13) Klaus Lenk (Ausgaben 1/02, 1/09, 1/10) Bogdan Lent (Ausgabe 1/15) Norman Leuenberger (Ausgabe 1/14) Siwan Levy (Ausgabe 2/02) Daniel Liebhart (Ausgaben 2/08, 2/09, 1/10) Michael Liebi (Ausgabe 1/14) Jürg Lindenmann (Ausgabe 2/08) Rolf Lindenmann (Ausgabe 1/13) Mirjam Loacker (Ausgabe 2/06) Stephan Löbel (Ausgabe 1/15) Mathias Lörtscher (Ausgabe 1/08) Marco Loprete (Ausgabe 2/07) Claudia A. Louis (Ausgabe 2/12) Juan Pablo Lovato (Ausgabe 2/14) Dagmar Lück-Schneider (Ausgabe 1/09) Mario Luef (Ausgabe 1/09) Marcel Luginbühl (Ausgabe 1/08) Jürg Lüthy (Ausgaben 2/14, 2/15) Brigitte Lutz (Ausgabe 2/14) M Jérôme Magnin (Ausgabe 2/10) Josef Makolm (Ausgaben von 1/07 bis 2/09) Patric Märki (Ausgabe 1/15) Daniel Markwalder (Ausgaben 1/10, 1/11) Phillip Martin (Ausgabe 1/16) Werner Mattes (Ausgabe 2/04) Katharina Matzke (Ausgabe 2/15) Johannes Mayer (Ausgabe 1/09) Daniel Medimorec (Ausgabe 2/11) Markus Meewes (Ausgabe 1/01) Michèle Mégroz (Ausgaben 2/09, 2/13, 2/14) Martin Meier (Ausgabe 2/13) Joel Meir (Ausgabe 1/01, 2/03, 1/05) Thomas Meister (Ausgabe 1/13) Ernst Menet (Ausgaben 2/13 bis 1/15) Igor Metz (Ausgaben 1/08 bis 2/14) Klaus Meyer (Ausgabe 1/13) Thomas Meyer (Ausgabe 2/06) Claude Michel (Ausgabe 2/11) Markus Ming (Ausgabe 2/06) Lars Minth (Ausgabe 1/14) Johann Mittheisz (Ausgabe 1/12) Werner Möckli (Ausgabe 2/12) 83 Ausblick/Rückblick Reto Moosmann (Ausgabe 2/03) Enrico Moresi (Ausgabe 2/14) Denis Mourel (Ausgabe 1/13) Cédric Moullet (Ausgabe 2/11) Hélène Mourgue d’Algue (Ausgaben 2/10, 2/13) Christopher H. Müller (Ausgabe 1/06) Esther Müller (Ausgabe 1/04) Willy Müller (Ausgaben 1/04 bis 2/13) Rudolf Mumenthaler (Ausgabe 2/11) Herbert Münst (Ausgabe 1/13) Hanna Muralt Müller (Ausgabe 2/06) Philipp Murer (Ausgabe 1/12) Phillip Murkowsky (Ausgabe 2/15) Thomas Myrach (Ausgaben 1/13) N Alessia Neuroni (Ausgabe von 2/06 bis 1/16) Peter Niederberger (Ausgabe 1/13) Björn Niehaves (Ausgabe 1/04) Andreas Ninck (Ausgabe 2/15) Grégoire Njacheun-Njanzou (Ausgabe 1/16) Alexandre Nobs (Ausgabe 1/08) Ruedi Noser (Ausgabe 1/06) Nicolina Novara (Ausgabe 2/14) O David Oesch (Ausgaben 1/13, 2/15) Krystyna W. 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Jahrgang Erscheint halbjährlich in einer Auflage von 1600 Exemplaren ISSN 1424-9715 (gedruckte Ausgabe) ISSN 1424-9723 (elektronische Ausgabe) Kostenloses Abo bestellen: egov-praesenz.ch Herausgeber: Prof. Dr. Reinhard Riedl Chefredaktion: Anja Gerzner Gesamtherstellung: Stämpfli AG, Bern Fotografen: Zentrum Elektronische Medien (ZEM), Bettina Diel, Marco Borggreve Titelbild: de.fotolia.com Praxispartner Wir danken unseren Partnern für die freundliche Unterstützung der Fachzeitschrift «eGov Präsenz», der Tagungen eGov Fokus und des eGov Newsletters. Praxispartner Forschungspartner Medienpartner Informationen zum Partnerschaftskonzept des E-Government-Instituts unter www.e-government.bfh.ch/praxispartner «Wenn Sie interessiert sind daran, Partner des E-Government-Instituts zu werden, dann kontaktieren Sie unseren Partner Manager Prof. Dr. Konrad Walser unter der Tel.-Nr. 079 648 21 33 und der Email [email protected]»
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