Arbeitskreis „Eine moderne kommunale Verwaltung – e-Government/Bürgerservice“: Deutschland mit Nachholbedarf Moderation: Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Inputgeber: Dr. Herbert Zinell Ministerialdirektor und Amtschef des Innenministeriums BadenWürttemberg Lena-Sophie Müller Geschäftsführerin der Initiative D21 Paul Larue Bürgermeister, Stadt Düren Dr. Kristina Schade Bundesministerium des Inneren Im Arbeitskreis „Eine moderne kommunale Verwaltung – e-Government / Bürgerservice“ diskutierten Kommunalvertreterinnen und -vertreter über die Bedeutung von elektronischen Behördendiensten. Dabei wurden sowohl Chancen als auch Hürden und Hemmnisse bei der Einführung von e-Government in deutschen Kommunalverwaltungen thematisiert. Durch den Arbeitskreis „Eine moderne kommunale Verwaltung – e-Government/ Bürgerservice“ führte als Moderator Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Als Inputgeber eingeladen waren der Ministerialdirektor und Amtschef des Innenministeriums Baden-Württemberg, Dr. Herbert Zinell, die Geschäftsführerin der Initiative D21, Lena-Sophie Müller, der Bürgermeister der Stadt Düren, Paul Larue, sowie als Vertretung des Bundes Dr. Kristina Schade aus dem Bundesministerium des Inneren. Zu Beginn warf DStGB-Sprecher Franz-Reinhard Habbel die Fragen auf, welche im Allgemeinen mit den Gedanken an e-Government einhergehen: Was ist moderne Verwaltung und wie weit geht Bürgerservice? Welche Rolle spielt e-Government in Zukunft? Und warum ist Deutschland im internationalen Vergleich so schlecht aufgestellt? E-Government-Situation in Deutschland Zunächst eröffnete Dr. Herbert Zinell als Vertreter des Bundeslandes BadenWürttemberg mit einigen Thesen die Diskussionsrunde. Internetdienste und deren Nutzung seien heute Normalität. Folglich erwarteten die Bürgerinnen und Bürger auch eine moderne Verwaltung, die übersichtlich und sicher sein müsse, so Dr. Zinell, der hier auch das Land in der Verantwortung sah. Seiner Meinung unabkömmlich sei jedoch vor allem die Zusammenarbeit von Land und Kommunen, da die kommunalen Portale letztlich als Einstieg für die Bürgerinnen und Bürger dienten und somit der Erfolg von den Kommunen abhänge. Als Herausforderung 1 bezeichnete er die Aufgabe, technische Entwicklungen zu beachten, zu übertragen und gleichzeitig die damit einhergehende Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Lena-Sophie Müller präsentierte Ergebnisse der Studie „eGovernment MONITOR 2015“ der Initiative D21 zur Nutzung und Akzeptanz von elektronischen Bürgerdiensten im internationalen Vergleich. Danach haben in den vergangenen zwölf Monaten nur knapp 40 Prozent der deutschen Onliner elektronische Bürgerdienste genutzt. Wie Müller betonte, liege Deutschland damit im Vergleich zu Ländern wie Österreich, der Schweiz und Schweden mit Werten von bis zu über 70 Prozent deutlich zurück. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger stelle mangelnde Bekanntheit die Hauptbarriere für die Nutzung von e-Government dar. Gefunden würden entsprechende Angebote zumeist über eine Suchmaschine im Internet. Müller schloss sich der Ansicht von Dr. Zinell an, dass es nun Ziel sein müsse, Nutzung und Akzeptanz zu steigern und gleichzeitig Datensicherheit zu garantieren. Pilotvorhaben „Modellkommune e-Government“ Als dritter Inputgeber gab Paul Larue einen Einblick in seine Erfahrungen, die er als Bürgermeister der Stadt Düren im Bereich e-Government erlangt hat. Die Stadt Düren hat 2013 einen Bundeswettbewerb des Bundesministeriums des Inneren gewonnen und wurde als „Modellkommune e-Government“ ausgewählt. Um eGovernment-Anwendungen zu konzeptionieren und umzusetzen, erhielt die Stadt 100.000 Euro. Es entstand ein Bürgerportal als Zugang für diejenigen Dienstleistungen, an denen durch vorherige Befragungen ein Interesse festgestellt wurde. Laut Larue sei die Konzentration auf gerade diese Anwendungen wichtig. Dies und die Erkenntnis, dass e-Government auch Organisations- und nicht reine ITProjekte seien und erst Marketing zum Erfolg führe, fasste Larue als seine wichtigsten Erfahrungen zusammen. Als Vertreterin des Bundes gab Dr. Christina Schade schließlich einen Überblick über das Pilotvorhaben „Modellkommune e-Government“ als Bestandteil der digitalen Agenda des Bundes. Hauptziel des Projektes sei es, Potenziale auf kommunaler Ebene aufzuzeigen und nutzerfreundliche, effiziente und medienbruchfreie elektronische Verwaltungsverfahren zu entwickeln. Die Konzepte der Modellkommunen würden optimistisch stimmen, aber leider seien die ausgewählten Kommunen bisher zumeist lediglich „Inselkönige“. Als Faktoren für erfolgreiche eGovernment-Angebote nannte Dr. Schade die Rückendeckung durch die Kommunalverwaltung sowie eine frühzeitige Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein potenzielles Hindernis sah sie in dem Umstand, dass viele Dokumente immer noch die Schriftform erforderten. Persönliche Beratung kontra e-Government Manche der von den Inputgebern angedeuteten Vorbehalte und potenziellen Probleme wurden in der anschließenden Gesprächsrunde mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch deutlicher. Während sich die Anwesenden über den zunehmenden technologischen Fortschritt im Klaren waren und auch Einigkeit über die positiven Auswirkungen von medienbruchfreien, nutzfreundlichen, sicheren, günstigen und effizienten e-Government-Angeboten herrschte, wurden doch Vorbehalte bezüglich der Umsetzung beziehungsweise des Umsetzungsprozesses deutlich. So gab es die Sorge, dass der persönliche Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern durch das e-Government leide. Manchmal seien persönliche Gespräche 2 zielführender. Auf der anderen Seite stünden die gängigen Arbeitszeiten und die zunehmenden Popularität von Ganztagsschulen im Kontrast zu den regulären Öffnungszeiten der Verwaltungen. Schließlich war man sich im Plenum einig, dass die Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig die Wahl haben müssten zwischen einer persönlicher Beratung und dem e-Government. Weiterhin kritisiert wurden die häufig bestehenden Schrift- und Formerfordernisse für Dokumente, die dem e-Government im Weg stünden. Um e-Government zu ermöglichen, müssten bestehende Gesetze verändert werden. Zweifel bestanden allerdings darin, ob dies dann noch anderen Funktionen (Aufklärungs-, Schutz-, Rechtssicherheitsfunktion) der Schrift- und Formerfordernisse gerecht würde. Als Hauptproblem sahen die meisten kommunalen Vertreterinnen und Vertreter schließlich die Kosten, welche die Einführung von e-Government für die Kommunen mit sich bringt. Um eine moderne Verwaltung realisieren zu können, müssten Kommunen zunächst investieren. Angesicht der Flüchtlingskrise sei dies für die Kommunen nicht tragbar, meinten viele der Diskussionsteilnehmenden. Gefordert wurde mehrfach die Unterstützung durch den Bund für kommunale e-GovernmentProjekte. Am Ende wurde auch über Hürden bei der konkreten Umsetzung von e-Government diskutiert. Die Teilnehmenden waren sich einig, e-Government nur durch Standardisierung der Konzepte erfolgreich flächendeckend etablieren zu können. Unabdingbar dafür sei wiederum eine Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Kommunen, vor allem aber auch Austausch zwischen den einzelnen Kommunen. Doch wie soll der Austausch bei Kommunen funktionieren, wenn dieser schon zwischen Ministerien und den Ländern sowie den Ländern und den Kommunen häufig nur unzureichend funktioniert? Auch hier sahen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Bund in der Verantwortung, eine Initiative zur Standardisierung zu bieten, an denen Kommunen sich orientieren können. Als Ergebnis des Workshops kann festgehalten werden, dass erfolgreiches eGovernment zwar unabdingbar für eine moderne, zukünftige Gesellschaft ist, auf dem Weg dahin aber noch Hürden zu bewältigen sind. In der Praxis können nur realistische Ziele, also kleine, aber effiziente Schritte, zum Erfolg führen. Dazu gehört zunächst die Aufgabe, im eigenen Verwaltungsapparat für Fachwissen und Akzeptanz zu sorgen. Schlussendlich steht und fällt der Erfolg einer modernen Verwaltung jedoch mit dem Marketing: Eine moderne Verwaltung erfolgreich zu etablieren heißt auch, Vorbehalte der Bürgerinnen und Bürger abzubauen, vorhandene Angebote entsprechend zu propagieren und an die Bevölkerung heranzutragen. Und es heißt vor allem, Mut zu zeigen und neue Projekte anzugehen. Denn, um es mit den Worten von Moderator Franz-Reinhard Habbel zu sagen: „Technologie lässt sich nicht aufhalten, wenn wir uns nicht verändern, dann verändern andere uns.“ Von Marianne Bosbach, Praktikantin in der Europaabteilung des Deutschen Städtetages und der Geschäftsstelle der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) Links: 3 Studie „eGovernment MONITOR 2015“: http://www.egovernmentmonitor.de/fileadmin/uploads/Studien/2015/150715_eGovMon2015_FREIGABE_Dru ckversion1.pdf Pilotprojekt „Modellkommune e-Government“ in der Stadt Düren: http://www.egovmodellkommune.dueren.de Bürgerportal der Stadt Düren: https://www.onlinedienste.dueren.de/ Projekt „Modellkommune e-Government“: http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/ITNetzpolitik/EGovernment/modellkommune/modellkommune_node.html;jsessionid=36727E79936 D5E2D6D777890450F904F.2_cid364 4
© Copyright 2024 ExpyDoc