1 Wolfgang Gebhardt, Regensburg Das Leben eines schwierigen Zeiten: Theoretischen Physikers in Zur Biographie von Erich Kretschmann. Vorbemerkung In diesem Jahr (2015) feiert die Fachwelt der Physiker das 100jährige Bestehen der Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), die Albert Einstein im Herbst 1915 zum ersten Mal vollständig veröffentlichte. Es ist deshalb auch an der Zeit, eines Mannes zu gedenken, der durch seine gründlichen Untersuchungen und kritischen Bemerkungen zur Rezeption der ART beitrug und in diesem Zusammenhang noch heute zitiert wird. Es handelt sich um Erich Kretschmann (1887 – 1973), dessen zwei den Relativitätstheorien gewidmete Arbeiten 1915 und 1917 in den Annalen der Physik erschienen sind. Kretschmann war zuletzt von 1946 – 1952 ord. Professor für Theoretische Physik an der Universität Halle. Dort habe ich als Student im dritten Semester meine ersten Vorlesungen in Theoretischer Physik bei ihm gehört und im SS 51 auch bei ihm die Zwischenprüfung abgelegt. Die Recherchen nach seinem Leben gestalteten sich insofern schwierig, als fast keine persönlichen Aufzeichnungen oder ein längerer Briefwechsel von ihm auffindbar waren. Kretschmann blieb unverheiratet, ebenso seine jüngere Schwester Herta, die er zur Alleinerbin einsetzte, die 1973 sein Begräbnis organisierte und inzwischen längst verstorben ist. So war ich bei meiner Spurensuche auf die im Archiv der Universität Halle vorhandenen offiziellen Schreiben, sowie die eingereichten Unterlagen und Lebensläufe angewiesen (s. dazu Quellennachweis am Schlu ss). Kindheit und Jugend Erich Kretschmann kam am 14.07.1887 in Berlin als erstes Kind des Bauführers Joseph Kretschmann (1847 – 1931 ) und seiner Ehefrau Johanna geb. Rudel (1857 – 1938) zur Welt. Die Berufsbezeichnung „Bauführer“ schließt heute meist eine Fachhochschulausbildung ein. Bauführer überwachen auf einer 2 Baustelle die Arbeiter und die Bauausführung nach vorliegenden Plänen. Sie sind für die Qualität verantwortlich und werden als Angestellte bezahlt. Man darf davon ausgehen, dass sich im Laufe der Zeit an diesem Berufsbild nicht viel geändert hat und die Ausbildung zum Bauführer der Zeit entsprechend ähnlich war. Das bedeutet, dass wir die Eltern Kretschmann zur bürgerlichen Mittelschicht rechnen können. Die Familie ist römisch-katholischer Konfession. Erich schreibt später zur Begründung seines Kirchenaustritts, dass er erst nach dem Krebstod der Mutter (1938) die römisch-katholische Kirche verlassen habe. Er nennt sich, wie damals üblich, gottgläubig, möchte damit aber keine falsche Vorstellung verknüpft wissen. Sein Weltbild und seine Metaphysik begründe sich im wissenschaftlichen Realismus, wie ihn die modernen Naturwissenschaften vertreten. Entsprechende Zweifel an der strengen Lehre der Kirche seien ihm schon früher gekommen, aber er habe seine Weltsicht aus „Rücksicht auf „die Gefühle der Eltern“ für sich behalten. Erich besuchte die „Vorschule“ und die drei ersten Klassen des humanistischen Gymnasiums. Die Familie zog 1898 nach Königsberg. Im Juni 1901, Erich ist 14 Jahre alt, treten psychische Probleme bei ihm auf. Der Schulbesuch muss abgebrochen werden. In einem späteren ärztlichen Gutachten von 1912 schreibt Dr. E. Hallervorden, ein Facharzt für Psychiatrie aus Königsberg, Erich „hat während seines Wachstums- und Entwicklungsalters vom 14ten Jahre ab eine schwere Neuro- und Psychopathie (depressive Zwangsvorstellungen mit Erscheinungen nervöser Erschöpfbarkeit) durchgemacht. Drei Jahre, von der Untersekunda ab, musste der Schulbesuch ganz unterbleiben. Darauf bestand der wenn auch kranke, so doch hochbegabte junge Mann nach 2jährigem ärztlich modifiziertem und mit größter Schonung geübten Schulbesuch im 19. Jahr das Abiturientenexamen. Die Krankheitserscheinungen sind durch vorsichtiges, hygienisch geregeltes Leben allmählich zurückgedrängt, und der Patient hat seitdem Mathematik und Physik studiert….“ Eine „hygienisch geregelte“ Lebensführung hat Erich Kretschmann offensichtlich ein ganzes Leben durchgehalten. Es bleibt offen, wie aus heutiger medizinischer Sicht eine solche Krise einzuschätzen ist. Möglicherweise war es eine psychosomatische Störung und keine Psychopathie. Die medizinischen Begriffe, aber auch die Behandlungsmethoden haben sich seitdem geändert. Man mag darüber spekulieren, 3 inwieweit eine strenge katholische Erziehung beim Eintritt in die Pubertät zur Verschärfung, vielleicht sogar zur Auslösung der Krise beigetragen hat. Nach der Genesung konnte sich Erichs mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung offensichtlich voll entfalten. Zu seinem großen Glück machte ihn der ärztliche Befund nach überstandener Krankheit für den Militärdienst „dauerhaft untauglich“, wie er schreibt, und „führte dazu, dass ich nie Soldat wurde“. Das hat ihn später auch vor der Teilnahme am Ersten Weltkrieg bewahrt (s. unten). Stattdessen fällt später in diese Zeit seine kreativste Schaffensphase. Studium 1906 immatrikuliert sich Kretschmann, 19 Jahre alt, in München für Physik und Mathematik. Das zweite Semester studiert er in Berlin, das dritte in Göttingen und hört Vorlesungen bei Woldemar Voigt (1850 – 1919) und David Hilbert. Vom sechsten Semester an (1909) bis 1912 ist er wieder in Berlin eingeschrieben. Er besucht die Vorlesungen und Übungen von Max Planck und absolviert das physikalische Praktikum bei Robert Wichard Pohl und James Franck (damals noch in Berlin). Sieben Monate vor seiner Promotion rückt er in das Fußartillerie-Regiment „von Lingen“ in Königsberg als Einjähriger Freiwilliger ein, wird aber nach einem Monat als „dauernd untauglich“ wieder entlassen. Dazu schreibt er: „Den gleichen Bescheid erhielt ich bei mehreren Untersuchungen während des Krieges.“ Die Dissertation. Berlin 1914 Kretschmanns Dissertation, die im Mai 1914 in Berlin vorgelegt wurde, trägt den Titel „Eine Theorie der Schwerkraft im Rahmen der ursprünglichen Einsteinschen Relativitätstheorie“. Es wird ein komplexes Modell entwickelt, was für heutige Leser umständlich und schwer verdaulich erscheint. Der Grund liegt weniger bei dem vorsichtigen Kretschmann als mehr an der Unsicherheit, die damals noch gegenüber grundsätzlichen Fragen herrschte. In der Einleitung diskutiert der Autor auf 23 Seiten alle damaligen Versuche zur Aufstellung einer entsprechenden Theorie der Gravitation. Zitiert werden H. Poincaré, H.A. Lorentz (1900), A. Sommerfeld, H. Minkowski (1909), M. Abraham (1912), G. Nordström (1912), G. Mie und A. Einstein. Einige der zitierten 4 Physiker, wie H.A. Lorenz und M. Abraham, hatten in ihren Arbeiten den ruhenden Äther noch nicht aufgegeben, blieben also bei der Voraussetzung eines absoluten Bezugssystems.. Grundsätzliche Fragen konnten aufgrund der experimentellen Befunde nur unsicher oder gar nicht beantwortet werden. War wirklich schwere gleich träger Masse, wie Einstein (und M. Grossmann) mutig voraussetzten? Wie sollte aber dann der Massenverlust durch radioaktiven Zerfall berücksichtigt werden? Kommt der Hohlraumstrahlung Masse zu? Offensichtlich ist die Materie aus „positiver und negativer Ladung“ aufgebaut, aber die Gravitation scheint nur mit der positiven Ladung verbunden zu sein. Da das Neutron noch lange unbekannt blieb, war es schwer die Gravitation sicher von der viel größeren elektromagnetischen Wechselwirkung (Faktor 1036) zu trennen. Diese Unsicherheiten führten auf langwierige, aus heutiger Sicht völlig überflüssige Diskussionen. So braucht man etwa den Gravitationsdruck im Innern eines Himmels-Körpers nicht zu kennen, wenn die Gravitation im Außenraum bestimmt werden soll.. Kretschmann setzt sich in der Einleitung auch mit der EinsteinGrossmann-Arbeit (1913) auseinander, die den Entwurf einer geometrischen Deutung der Gravitation enthältt und bereits die Gleichheit von träger und schwerer Masse als Grundvoraussetzung ebenso wie das Äquivalenzprinzip enthält. Es taucht darin auch schon der differentielle Abstand ds2 und der (gkl)-Tensor auf, sowie die Forderung, daß für eine Weltlinie das Integral über ds ein Minimum werden soll, was auf die Geodätengleichung führt. Kretschmann kritisiert, dass diese mathematischen Beziehungen physikalisch inhaltsleer seien. Der (gkl)-Tensor steht zwar für das alte skalare Gravitationspotential, aber es fehlt noch der Zusammenhang mit den Quellen des Feldes, also mit dem EnergieImpuls-Tensor (Tkl). Kretschmann folgt nicht dem Ansatz Einsteins, sondern bleibt bei einem skalaren Gravitationspotential wie auch andere Autoren zu dieser Zeit. Liest man in Kretschmanns Dissertation die Skizzierung der alternativen Gravitationstheorien, welche bis 1914 publiziert wurden und berücksichtigt man, daß die Abweichung von der Newtonschen Gravitation nur in dem winzigen Effekt der Perihel-Bewegung des Merkurs bestand, dann wird klar, dass alle diese Versuche (einschließlich Kretschmanns) ziemlich beliebig 5 waren. Einstein und Grossmann kümmerten sich in jhrer Arbeit wenig um die noch vage experimentelle Situation und setzten sich so einem erheblichen Risiko aus. Denn weder die Gleichheit von schwerer und träger Masse, noch die Unabhängigkeit des Gravitationsfeldes von elektromagnetischen Kräften war experimentell hinreichend gut bestätigt. Instinktsicher steuerte Einstein von der Annahme der Gleichheit von träger und schwerer Masse auf die Einsicht zu, daß es der Raum selbst sein muss, der die Bahnen von Testmassen im Schwerefeld bestimmt und daß in einem frei fallendes System keine äußeren Gravitationskräfte mehr auftreten. Der Nachteil von Einsteins kühnem Ansatz war allerdings, daß er sich eine schwierige Mathematik einhandelte, welche einen pseudo-Riemannschen Raum und ein System nichtlinearer Differentialgleichungen erfordert. Diese Probleme, wird Kretschmann wenig später (1917) nach dem Erscheinen von Einsteins vollständig ausgeführter Theorie (1915) wieder aufgreifen. Obwohl nirgends explizit genannt, dürfte Max Planck der „Doktorvater“ gewesen sein. Kretschmann dankt ihm in einer Fußnote für den Hinweis auf eine experimentelle Arbeit aus England. Planck hatte sich seit dem Erscheinen von Einsteins Arbeit von 1905 immer wieder intensiv mit der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) beschäftigt, hatte darüber publiziert und in öffentlichen Vorträgen für ihre Akzeptanz geworben. Das Thema von Kretschmanns Arbeit lag demnach ganz in Plancks Forschungsinteresse. Habilitation und Karriere in Königsberg Nach der Promotion geht Kretschmann zurück zu den Eltern nach Königsberg. Dazu schreibt er in einer Biographie vom November 1938: „Nach der Promotion arbeitete ich weiter selbständig auf dem Gebiet der theoretischen Physik im Hause meiner Eltern in Königsberg und beteiligte mich im Institut für praktische Physik durch Vorträge an dem physikalischen Kolloquium unter Professor Walter Kaufmann.“ Von 1917 – 1919 unterrichtet Kretschmann Rechnen, Mathematik und Physik als „Vertreter eines Oberlehrers“ am „Kneiphöfschen Gymnasium“ der Stadt, später in der „Waldschule in Retgethen“. Diese Tätigkeit half ihm als Physiker und Zivilist in einer schwierigen Zeit zu überleben. In den Schulen vertrat er beamtete Lehrer, die im Kriege kämpften oder vielleicht schon nicht mehr am Leben waren. Daneben arbeitet er selbständig weiter an physikalischen Problemen und hält Kontakt zum physikalischen Institut an der Albertus-Universität in 6 Königsberg, dessen Direktor der Experimentalphysiker Walter Kaufmann (1871 – 1947) war. Die theoretische Physik wurde in Königsberg damals von dem Ordinarius Paul Volkmann (1856 – 1938) vertreten, der 1924 in den Ruhestand trat. Kretschmann beteiligt sich zunächst am physikalischen Kolloquium und hält Vorträge über aktuelle Themen der theoretischen Physik. Den experimentellen Lehrstuhl hatte Walter Kaufmann inne, einer der Ersten, der die Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Elektronenmasse gemessen hatte. 1915 und 1917 veröffentlichte Kretschmann zwei längere Arbeiten in den Annalen der Physik. Die Titel lauten: „Über die prinzipielle Bestimmbarkeit berechtigter Bezugssysteme beliebiger Relativitätstheorien“. Annalen der Physik (1915) 48,Teil I, S. 907 – 942 und Teil II, S. 943 – 993. und „Über den physikalischen Sinn der Relativitätspostulate. Albert Einsteins neue und seine ursprüngliche Relativitätstheorie“. Annalen der Physik (1917) 53, S. 575 – 614. In der ersten zweiteiligen Arbeit beschäftigt sich der Autor mit Einsteins Spezieller Relativitätstheorie (SRT) sowie mit damals diskutierten Alternativen. Vor Einsteins Arbeiten war Kants Auffassung von Raum und Zeit als Anschauungsformen noch weitgehend unumstritten. Diese Auffassung wiederum, konsequent vertreten, verhinderte zunächst, daß Raum und Zeit überhaupt Objekte theoretischer und empirischer Forschung werden konnten. Deshalb nimmt sich Kretschmann in der Arbeit von 1915 im 1. Teil viel Raum, um darzulegen, wie wir Raum erfahren und wie räumliche Ausdehnungen und Entfernungen gemessen werden können. Man spürt noch den Einfluss der physiologischen Forschungen des 19. Jahrhunderts, in welchen es vor allem darum ging, wie aus Sinneswahrnehmungen nachprüfbare objektivierbare Messwerte werden können. Im zweiten Teil wird vor allem die Bedeutung von Symmetrien, also Bewegungsgruppen, hervorgehoben. In der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) ist es die Lorentz-Gruppe, mit deren Operationen gleichförmige Bewegungen ineinander übergeführt werden können. Der sprachlich leicht missverständliche Begriff der „Relativität“ bedeutet letzten Endes eine Invarianz der physikalischen Größen und ihrer Gesetze 7 gegenüber der Gruppe der Lorentz-Transformationen (oder allgemeiner der Poincaré-Gruppe). Deshalb empfiehlt Kretschmann, sich bei der Überprüfung besser an Invarianten zu halten anstatt an Raum-Zeit-Punkte (Weltlinien). In der zweiten Arbeit Kretschmanns von 1917, die bis heute zitiert wird, befasst er sich mit Einsteins „Allgemeiner Relativitätstheorie“ (ART) wieder unter dem Gesichtspunkt der Symmetrie einer allgemeinen Bewegungsgruppe. Er stellt dabei fest, dass es sich bei der ART um eine außerordentlich umfangreiche Bewegungsgruppe handelt. In diesem Fall ist es die Gruppe GL aller linearer Transformationen, so daß man im allgemeinen Fall nicht mehr von Symmetrie reden kann, da nur noch das Einheitselement physikalische Ereignisse in sich abbildet. Kretschmann kritisiert deshalb Einsteins Sprachgebrauch: Wenn in der SRT „Relativität“ mit einer Gruppeneigenschaft (Lorentzgruppe) verbunden war, so kann man bei der ART gar nicht mehr von Relativität sprechen. Es handele sich nach Kretschmann stattdessen um eine „Absolut-Theorie“. Auch seien andere ursprüngliche Vorgaben Einsteins dabei nicht eingelöst worden, wobei sich diese Kritik ausdrücklich nicht auf inhaltliche Aussagen bezieht. Außerdem könne man im Grunde jede physikalische Theorie kovariant schreiben, wobei man aber noch nichts zum physikalischen Problem beigetragen hätte (eine polemische Übertreibung Kretschmanns). Deshalb müsse es auch noch einen tieferen physikalischen Sinn geben, den es heraus zu arbeiten gelte. Auch heute noch erscheint der Name der ART eher irreführend, obwohl wir uns daran gewöhnt haben. Deshalb wird meist dazu gesagt, dass es sich um eine geometrische Theorie der Gravitation handelt. Einstein hat in den Annalen (1918) auf Kretschmanns Kritik in einer kurzen Stellungnahme in drei Punkten geantwortet. Er führt dazu aus, daß die allgemeine Relativitätstheorie „auf 3 Hauptgesichtspunkten beruht“: a) Das Relativitätsprinzip, b) das Äquivalenzprinzip, c) das Machsche Prinzip. Einstein schreibt zu Kretschmann, er halte seine Einwände für richtig, halte aber „seine Neuerung“ (nämlich alle Gesetze kovariant zu schreiben) „für nicht empfehlenswert“ . Das war eine höflich ironische Replik auf Kretschmanns Übertreibung. Kretschmann habilitierte sich in Königsberg am 30.04.1920 mit einer strahlungstheoretischen Arbeit, deren Essenz er in den 8 Annalen der Physik (1921) 370 Heft 12, S.310 – 334, unter dem Titel „Über die Wirkung des Planckschen Oszillators auf die spektrale Energieverteilung des Strahlungsfeldes“ veröffentlichte. Am 29.06.1922 erhält er einen Lehrauftrag für theoretische Physik. Er schreibt zahlreiche Referate zu den Beiblättern der Annalen der Physik und die physikalischen Berichte. Am 22.03.1926 wird Erich Kretschmann zum nichtbeamteten a.o. Professor der Theoretischen Physik in Königsberg ernannt. Zur damaligen Zeit waren Extraordinate für Theoretische Physik vom guten Willen und der Kooperationsbereitschaft des Ordinarius abhängig, dem die Labors unterstanden, die Räume und die laufenden Mittel. Ohne seine Zustimmung konnte niemand beim Extraordinarius promovieren. Wie eng diese Grenzen für Kretschmann gezogen waren, ist nicht bekannt, zumal seinem Vorgänger ein Assistent zustand. Die Zahl der Physikstudenten, welche sich für eine theoretische Arbeit entschieden hatten, dürfte ohnehin klein gewesen sein. Wer ehrgeizig war und die „Neue Physik“ kennen lernen wollte, ging nach Göttingen zu Born oder nach München zu Sommerfeld. So ist es zweifelhaft, ob Kretschmann Doktoranden hatte oder ob er sich auf das Abhalten der theoretischen Kursvorlesungen und Übungen beschränken musste. Hat er sich später um eine ordentliche Professur bemüht? Vergleicht man seine Karriere mit der seines Vorgängers Paul Volkmann, so fällt auf, dass Volkmann ebenfalls in Königsberg habilitierte (1882) und und 4 Jahre später zum Extraordinarius ernannt wurde. Schließlich wurde Volkmann 8 Jahre später ordentlicher Professor für Theoretische Physik ebenfalls in Königsberg. Man könnte nun spekulieren, dass die Fakultät bei Ernst Kretschmann ähnlich verfahren würde. Dann hätte er mit einer Ernennung zum Ordinarius 1934 rechnen können. Sie blieb jedoch aus. Dafür könnte es Gründe geben: 1933 kam Hitler an die Macht. Walter Kaufman, zwar evangelisch getauft, war der Sproß einer jüdischen Famiie und kam sicher unter Druck, denn er wurde 1935 zur Emeritierung gezwungen, obwohl erst 64. Damit verlor Kretschmann wahrscheinlich schon seit 1933 einen wichtigen Fürsprecher und Förderer. Ob er selbst unter Druck geriet ist eher unwahrscheinlich. Wenn aber Scharfmacher aus dem Reichsministerium sich seine Vita vornahmen, so müsste er doch 9 als ein Kenner und Förderer jüdischer Physik gelten und deshalb nicht förderungswürdig. Er scheint nicht viel gereist oder auf Tagungen aufgetreten zu sein. In seiner Bescheidenheit ist er nur durch seine Publikationen in Erscheinung getreten. In einem Brief vom 14.11.1927 schreibt Arnold Sommerfeld an Karl Försterling (1885 - 1960), ord. Professor für theoretische Physik in Köln, der ihn um Berufungsempfehlungen gebeten hatte, unter anderem: „Ferner fällt mir ein, Dr Kretschmann, Privatdozent in Königsberg, sehr gründlich, speziell (in) Relativitätstheorie und Elektronenstatistik zu Hause. Es wäre ihm ganz gut, wenn er einmal von Königsberg fortkäme.“ Arnold Sommerfeld 1868 – 1951) stammte selbst aus Königsberg und hatte dort studiert, was daran erinnert daß Königsberg auf eine glänzende Vergangenheit der Mathematik vor allem im 19. Jahrhundert zurückblicken konnte mit Namen wie Neumann und Jacobi, die an der Alberta 1834 das erste mathematisch-physikalische Seminar gründeten. Auch Minkowski, Hurwitz und Hilbert haben die frühen Jahre ihrer Karriere in Königsberg verbracht, waren eng befreundet und haben dort entscheidende Anregungen erfahren. Sommerfelds gutgemeinter Wunsch ging allerdings vor dem 2. Weltkrieg nicht mehr in Erfüllung. Bis in die 30er Jahre publiziert Kretschmann 14 Arbeiten, die meist in den Annalen der Physik oder in der Zeitschrift für Physik erscheinen, davon waren 7 den Relativitätstheorien Einsteins gewidmet. Im November 1938 schreibt er allerdings: „Hauptgegenstand meiner wissenschaftlichen Arbeit sind die allgemeinen Grundlagen physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Doch bin ich auf diesem Gebiet zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen und habe daher noch nichts darüber veröffentlicht. Später klagt er darüber, ab 1937 nichts mehr publiziert zu haben, wobei 2 Arbeiten 1939 publikationsreif gewesen wären. Er gibt als Gründe das langanhaltende Leiden seiner Mutter an, die 1938 an Magenkrebs starb. Er habe sich dann um die Auflösung des elterlichen Haushalts und den Verkauf des Hauses kümmern müssen. Danach wechselt er im Zeitraum von Februar bis Oktober 1939 fünf Mal die Wohnung. Das lässt vermuten, dass er bis zum Tod der Mutter im elterlichen Haus lebte und als Junggeselle die Annehmlichkeiten einer Rundumversorgung durch die Mutter genoss. Ein Ersatz war 10 schwer zu finden. Seine wissenschaftliche Arbeit, so klagt er, litt seit 1939 unter der zeitweisen Verpflichtung zu „kriegstauglichen Arbeiten“. 1942 erhält er eine „Treue-Medallie von der Reichsregierung für seinen (kriegstauglichen?) Einsatz. De profundis: Flucht und Notunterkunft in SchleswigHolstein Vom 01.01.45 gibt es eine Einkommensund Vermögensaufstellung, welche vermutlich in Anbetracht der drohenden Flucht angefertigt worden war. Danach hatte Kretschmann ein monatliches Einkommen von 600 RM und ein Vermögen von 80 000 RM. Der Unterschied der Kaufkraft zur Gegenwart lässt sich ungefähr durch einen Faktor sieben ausdrücken. Am 27.01.1945 schließt Friedrich Hoffmann, Kanzler und Kurator seit 1922, wegen „drohender Feindgefahr“ die Albertus-Universität Königsberg. Als nächster Ausweichort war Greifswald vorgesehen. Aber in Anbetracht des raschen Vorrückens der Roten Armee bringen sich viele Mitglieder der Universität in Schleswig-Holstein in Sicherheit. Flensburg wird zur Anlaufstelle für Anfragen und Suche nach Personen. Kretschmann ist in Rendsburg /Schleswig-Holstein, Waldstr. 24 untergekommen. Die Bitte des früheren Kanzlers und Kurators Hoffmann, den versprengten Mitgliedern der Albertus-Universität bei der Suche nach einer neuen Stelle zu helfen, beantwortet Kretschmann: Er würde, was in seiner Macht stehe, gern tun, allerdings dürften die Betreffenden nicht durch die Vergangenheit belastet sein, und sie sollten auch bereit sein, in der sowjetischen Besatzungszone eine Stelle anzunehmen. 1946 schrieb Kretschmann aus Rendsburg mehrfach an Günter Mönch, seit kurzem Ordinarius für angewandte Physik am II. Physikalischen Institut der Universität Halle. Mönch hatte wohl kurz vorher 2 Telegramme an Kretschmann geschickt, von welchen keine Abschriften erhalten sind. In Halle war die Stelle eines Direktors des Instituts für Theoretische Physik zu besetzen in der Nachfolge von Adolf Smekal, der zusammen mit dem Physiologen Abderhalden und anderen Hallenser Wissenschaftlern von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Westdeutschland abtransportiert wurde. Mönch war von 1942 - 45 apl. Professor für angewandte Physik in Königsberg gewesen und kannte 11 offensichtlich Kretschmann gut. Dieser erkundigt sich bei Mönch, „wie wir uns hier (in Halle) bewegen und verhalten können“. Darauf antwortet Mönch, der Kretschmann offensichtlich schon für die Wiederbesetzung des Lehrstuhls in Halle ins Gespräch gebracht hatte: „Das Grundgehalt eines etwa 58-jährigen ordentlichen Professors (Kretschmann war gerade 59) beträgt 966,67 RM zuzüglich 114 RM Wohnungszuschuss. Hiervon dürften etwa 50% als Steuern abgehen. Kolleggeld wird ausgezahlt, dagegen gibt es keine Kolleggeldgarantie. Es gibt keinen Zwang für uns irgendeiner Partei anzugehören. Und prinzipiell können wir, sofern es sich um deutsche Behörden handelt, jeden Ruf in anderen Zonen annehmen……Ansprüche auf verflossene Verpflichtungen anderer Universitäten oder Nachzahlungen kann eine staatliche Stelle nicht übernehmen“. Weiter schreibt G.Mönch: „Das Institut ist vollkommen unzerstört und im Ausbau begriffen. Dem theoretischen Physiker steht ein Amtszimmer, ein Assistentenzimmer, ein Schreibzimmer und eine in zwei Teile geteilte Bibliothek zur Verfügung. Zu dem Lehrstuhl gehört eine Assistentenstelle und eine Schreibkraft. Für die Kohleversorgung des Instituts sind bereits (Juni 1946) 50% der im Frieden benötigten Menge eingefahren worden.“ Der Brief enthält noch Informationen darüber, in welcher Form der zu Berufene benachrichtigt wird. Mönch fährt fort: „Die Wohnungsnot ist hier zwar auch groß, aber, ungleich mit dem Westen, verschwindend klein. Ich erhielt einige Tage nach der Berufung eine schöne 5 ½ -Zimmer-Wohnung. Sofort standen mir Handwerker zur Renovierung zur Verfügung und in 4 Wochen war die ganze Wohnung instand gesetzt.“ Man bedenke, dass Mönch den Brief 13 Monate nach Kriegsende schreibt. Mönch schlägt vor, Kretschmann möge sich doch in Halle einmal vorstellen. Kretschmann antwortet G. Mönch am 08.09.46, dass er keine Reisegenehmigung bekommen habe und begründet warum er keine „Schwarzfahrt über die „grüne Grenze“ auf sich nehmen wolle. Hier handelt es sich um eine der wenigen persönlichen Äußerungen Kretschmanns, die auch den Hintergrund von Schwierigkeiten, Not und Entbehrung charakterisieren, von der wir uns heute kaum noch eine Vorstellung machen können Deshalb zitiere ich eine längere Passage aus Kretschmanns Brief: „Darauf versuchte ich mir Reisegenehmigung zu verschaffen, erfuhr dass dies ganz unmöglich sei und drahtete Ihnen dies nebst „Brief 12 folgt“. Zu einer Schwarzfahrt, zu der ich mir heute Mittag Auskunft holte, kann ich mich aus schwer wiegenden Gründen nicht entschließen. Erstens würde ich dabei von meinen Barmitteln, von denen ich z. Zt. leben muss, so viel verbrauchen, wie hier in mehreren Monaten. Zweitens würden die Strapazen und Entbehrungen der Schwarzfahrt meine Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, die ich hier durch äußerst geregelte Lebensführung und genaueste Einteilung der für mich erreichbaren Lebensmittel noch so eben erhalte, auf lange Zeit und womöglich für den ganzen kommenden Winter untergraben. Ich könnte nämlich durch die langen Eisenbahnfahrten und den anstrengenden Nachtmarsch über die Grenze so gut wie keine Lebensmittel mitnehmen, da ich so gut wie alle meine (Lebensmittel-)Marken für ein 10-tägiges Mittagessen und ein 14tägiges Abendessen fortgegeben habe, bei denen ich besser fahre als bei Entnahme von Einzelmahlzeiten. Und dann hätte ich noch immer nichts für den Aufenthalt in Halle und für die Rückfahrt, zu der ich schon meiner Sachen wegen genötigt wäre, die ich nicht alle mit mir mitschleppen könnte. Schlechtes und kaltes Wetter könnten, da ich keinen auch nur einigermaßen dicht haltenden Regenmantel besitze und meine nassen Sachen am Leibe trocknen lassen müsste, das Unternehmen geradezu lebensgefährlich für mich machen. – Ganz abgesehen von der Gefahr, von den Russen erwischt zu werden.“ Tatsächlich hatten damals die Besatzungsmächte ihre „Zonen“ relativ stark gegeneinander abgeschottet. Außer an politischen Differenzen mag das einerseits an der schwierigen Mangel-Verteilung von Lebensmitteln gelegen haben, die es nur stark rationiert auf Lebensmittelkarten gab, aber andererseits mag auch die Sorge vor der Ausbreitung von Seuchen Anlass zur Abschottung gegeben haben. In meiner Erinnerung waren Typhus und Tuberkulose besonders bei älteren Menschen damals eine häufige Todesursache. Kretschmann nennt im gleichen Brief Namen von Personen, welchen er gut bekannt sei und hoffe, dass man sich auch ohne seine persönliche Vorstellung in Halle durchaus ein Bild von ihm machen könne. Er nennt dann seine Bedingungen: dazu gehören die Anerkennung des Dienstalters, die Freiheit ein anderes Angebot anzunehmen, die Freiheit der politischen Betätigung (oder von deren Enthaltung) und Anerkennung des Anspruchs auf Nachzahlung von Bezügen, die seit 01.06.1945 eingestellt wurden. Am 01.10.1946 erfolgt 13 schließlich die Berufung zum ord. Professor für theoretische Physik an der Universität Halle in Nachfolge von Adolf Smekal. Ich fand in Kretschmanns Akten auch den Fragebogen zu seiner etwaigen Parteizugehörigkeit. Er gibt an, weder der NSDAP noch einer ihrer angeschlossenen Organisationen angehört zu haben. Allerdings wären einige Jahre automatisch Beiträge von der Universitätskasse einbehalten worden. Nach Aktenlage trat Kretschmann am 01.10.33 in den NS-Lehrerverband (NSLB) ein. Für den Reichsbund f. Leibesübungen NSV und Luftschutzbund, deren Mitgliedschaft er angibt, liegen keine Belege vor. In diesen Verbänden sei er „nolens – volens Mitglied gewesen“. Er beteuert, nie zu irgendwelchen Versammlungen oder Schulungen gegangen zu sein. Dazu ergänzt er im Fragebogen, dass er die Mahnung des Kultusministers Rust, doch einmal an einem Schulungslager für Dozenten teilzunehmen, geflissentlich überhört habe. Auf Kretschmanns Karteikarte des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ist in der Spalte „Politische Betätigung“ vermerkt „keinerlei“. (Die entsprechenden Unterlagen aus dem Bundesarchiv liegen mir in Kopie vor.) Kretschmann als ord. Professor in Halle Im Archiv der Universität Halle befanden sich mehrere Beurteilungen von Kretschmanns Lehrtätigkeit, die offensichtlich auch von Studenten durchweg als sehr positiv dargestellt wurde. Anläßlich eines Gesuchs um Reisegenehmigung nach Berlin begründet Kretschmann die Reise und die mehrwöchige Abwesenheit von der Universität Halle mit dem Studium von Fachzeitschriften, die offensichtlich, falls es sich um internationale Journale handelte, nur in Berlin gehalten wurden und dort von Fachwissenschaftlern eingesehen werden konnten. Ich immatrikulierte mich im Herbst 1949 an der Universität Halle in Physik und Mathematik. Nach 2 Semestern Experimentalphysik wurde im WS 50/51 von Kretschmann eine Vorlesung „Theoretische Mechanik“ angeboten, die im kleinen Hörsaal des physikalischen Instituts stattfand. 14 Kretschmann betrat den Hörsaal als ein schlanker, braungebrannter älterer Herr. Es hieß, er sei Tennisspieler. Mit seinem vollen, schlohweißem Haar war er eine imponierende Erscheinung. Stets elegant gekleidet kam er in immer gleichem Anzug, den er wahrscheinlich noch aus Königsberg gerettet hatte. In der kalten Jahreszeit trug er einen dunkelblauen Wintermantel mit weißem Schal. Da sich neben der Wandtafel über dem Waschbecken ein Haken an der Wand befand, hängte Kretschmann seinen Mantel dort auf. Als er auch noch den weißen Schal dazu tat, sahen wir Studenten, dass es ein weißes Handtuch war. Not machte auch den Eleganten erfinderisch. Die Vorlesung war tatsächlich gut verständlich. Manchmal trat er von der Wandtafel zurück und unterbrach sich durch ein oder zwei gekeuchte „Ä“, so als ob er sich gerade einer körperlichen Anstrengung entledigt hätte. Zur Vorlesung hielt der habilitierte Assistent, Max Hieke, eine ergänzende Spezialvorlesung. Sie war nicht verpflichtend. Mit einigen anderen interessierten Studenten erfuhr ich dort etwas über die Lagrange-Funktion und die Hamiltonsche Mechanik. Im SS 51 las Kretschmann für uns Viertsemester-Studenten eine „Einführung in die Atomphysik“. Die Vorlesung bestand aus einer ausführlichen ‚Beschreibung und Diskussion der Grundexperimente, die zur Aufstellung der Quantentheorie geführt hatten. In der letzten Vorlesung stand endlich die Schrödinger-Gleichung an der Tafel, in karthesischen Koordinaten geschrieben. Kretschmann erklärte, dass eine weitergehende Diskussion der Schrödinger-Gleichung sich nicht für eine Vorlesung eigne. Diese Einstellung hat leider dazu beigetragen, dass nicht wenige Mitstudenten, die sich später nicht selbst weiterbildeten, den Eindruck mitnahmen, Quantenmechanik sei etwas sehr Schwieriges, das man sowieso nicht verstehen könne. Eine naturphilosophische Bemerkung Kretschmanns ist mir noch in Erinnerung geblieben, die er angesichts des Unterschieds von Physik und Mathematik machte. „Die Physik“, meinte er, „ist eine Wissenschaft rückwirkender Verfestigung“. Mir ist die Bedeutung dieser Bemerkung erst viele Jahre später aufgegangen: Physikalische Gesetze haben 15 zwar eine analytische Form, beruhen aber auf Experimenten, die nur induktive Schlüsse zulassen. Erst wenn die Gesetze sich nach längerer Zeit nicht falsifizieren lassen, „verfestigt“ sich das Vertrauen in ihre Gültigkeit, und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit treten klarer hervor. Auch an eine andere Bemerkung erinnere ich mich. Kretschmann suchte immer nach möglichst kurzen Wegen, um zum Ziel zu kommen, das bei ihm stets physikalisch begründet sein musste. Bei einer entsprechenden Gelegenheit entfuhr ihm die Bemerkung: „Man kann auch mathematisch quasseln!“ Ich machte in Halle im SS 1951 noch meine Zwischenprüfung, wie das Vordiplom damals genannt wurde, unter anderem auch in Theoretischer Physik bei Prof. Kretschmann. Max Hieke trat in der Prüfung als Beisitzer auf. Aber Kretschmann sagte zu ihm in seiner üblichen Bescheidenheit: „Ach Herr Hieke, stellen Sie doch die Fragen. Ich schreibe das Protokoll“. Nach dem Ende des SS 51 wechselte ich an die Universität Jena. Erich Kretschmann emeritierte 1952 und wurde offiziell mit Wirkung vom 31.08.52 von seinen Dienstpflichten entbunden. 1954 schrieb er ein Testament, in welchem er seine Schwester Herta Kretschmann zur Alleinerbin einsetzte. Kretschmann bleibt in Halle wohnen. Der Dekan der Fakultät gratuliert ihm auch im Namen der Universität regelmäßig im Juli zum Geburtstag und Kretschmann bedankt sich auf Postkarten handschriftlich. Eine letzte derartige Karte ist vom Juli 1973 erhalten. Kretschmanns Schriftzüge sind großzügig, glatt und fast schön zu nennen, keine Spur von Zitterigkeit. Im Juli 1973 scheint noch nichts darauf hinzudeuten, dass er am 30. Dezember des gleichen Jahres stirbt. Herta Kretschmann richtet das Begräbnis aus, das in aller Stille stattfindet. Benutzte Quellen Zu den Ausführungen wurden von mir ausschließlich, die Dokumente verwendet, welche ich in der Personalakte Kretschmanns im Archiv der Martin-Luther-Universität Halle einsehen konnte. Die biographischen Angaben stammen 16 vorwiegend aus drei Lebensläufen, die in Abschriften vorliegen, zwei längere vom Nov. 1 des Jahres 1938 und vom 25.06.46 und eine kürzerer Undatierter aus der Zeit nach 1946. Außerdem wurden die Auskünfte des Bundesarchivs in Berlin zu Kretschmanns eventuellen Mitgliedschaften in NSOrganisationen verwendet. Kretschmanns Publikationen Sie finden sich gelistet unter Mathforum und Erich Kretschmanns Namen bei http://mathforum.org/kb/message.jspa? messageID=4927825. 1) Eine Theorie der Schwerkraft im Rahmen der ursprünglichen Einsteinschen Relativitätstheorie. Berlin, 113 S. Dissertationsschrift 1914 2) Über die prinzipielle Bestimmbarkeit berechtigter Bezugssysteme beliebiger Relativitätstheorien. Annalen der Physik (1915) 48,Teil I, S. 907 – 942 und Teil II, S. 943 – 993. 3) Über den physikalischen Sinn der Relativitätspostulate. Albert Einsteins neue und seine ursprüngliche Relativitätstheorie. Annalen der Physik (1917) 53, S. 575 – 614. 4) Der Liouvillesche Satz und die Relativitätstheorie. Physik. Zs. 21, 484-487. (1920) 5) Über die Wirkung des Planckschen Oszillators auf die spektrale Energieverteilung des Strahlungsfeldes. Annalen der Physik (1921) 370 Heft 12, S.310 – 334. 6) Eine Bemerkung zu Hrn. A. Gullstrands Abhandlung: „Allgemeine Lösung des statischen Einkörperproblems in der Einsteinschen Gravitationstheorie". Ark. för Mat., Astron. och Fys. 17, Nr. 2, 4 S. (1922). 7) Das statische Einkörperproblem in der Einstein'schen Theorie. Antwort an Hrn. A. Gullstrand. Ark. för Mat., Astron, och Fys. 17, Nr. 25, 4 S. (1923) 8) Über die Ableitung der Helmholtzschen Wirbelsätze in der Lorentz-Einsteinschen Relativitätstheorie. Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft (1925) Naturwiss. Klasse Heft 5. 17 9) Das Maxwell-Boltzmannsche Geschwindigkeits- und Energieverteilungsgesetz in der Relativitätstheorie. Phys. Zs. 25, 162-165 (1924) 10) Zur Theorie der Supraleitfähigkeit und der gewöhnlichen elektrischen Leitfähigkeit der Metalle. Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft (1925) Naturwiss. Klasse Heft 6. 11) Zur Theorie der Dauerströme in Supraleitern. Annalen d. Physik (4) 80, 109-136. Berichtigung. Annalen d. Physik (4) 80, 532. (1926) 12) Die Supraleitfähigkeit nach Schrödingers Wellengleichung und Fermis Statistik. Annalen d. Physik (4) 86, 914-928. (1928) 13) Eine Bemerkung zu Herrn Sommerfelds Arbeit: Zur Elektronentheorie der Metalle auf Grund der Fermischen Statistik. Zeitschrift für Physik 48, 739-744: (1928) 14) Atom und Welle. Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft (1929) Naturwiss. Klasse VI,5. 15) Beitrag zur Theorie des elektrischen Widerstandes und der Supraleitfähigkeit der Metalle. Annalen d. Physik (1932) (5) 13, 564-598. 16) Über die Resonanzbedingung und über die Beschleunigung der Elektronen in der Blochschen Theorie der Elektrizitätsleistung. Z. f. Physik 88, 792-799. (1934) 17) Beitrag zur Kritik der Blochschen Theorie der Elektrizitätsleitung. Z. f. Physik 87, 518-534. Published: (1934) 18) Über streng punktförmige Elementarladungen. Eine Bemerkung zur klassischen Elektronentheorie. Zeitschrift für Physik 1949 .
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