Deutschland und die Welt

FRANKFU RT ER A L LG EM E I NE Z E I TU NG
Deutschland und die Welt
N R. 2 0 8 · S E I T E 7
D I E N S TAG , 8 . S E P T E M B E R 2 0 1 5
Relativ untüchtig
mit dem Rad über
die Hackerbrücke
Ein neues
Stonehenge
bei Stonehenge?
MÜNCHEN, 7. September. Am 22. September 2014 fuhr ein 48 Jahre alter Ingenieur nachts gegen 23 Uhr mit seinem Fahrrad über die Hackerbrücke in
München. Er kam gerade vom Oktoberfest. Als er ins Stocken geriet und stürzte, wurden zwei Polizisten auf ihn aufmerksam. Der Mann versuchte weiterzufahren und stürzte wieder. Nun sprachen ihn die Polizeibeamten an.
Der Ingenieur antwortete mundartlich: „Woast, was i Hanswurschtn sag, i
zahl euch zwei Deppen“ – „Wisst ihr,
was ich zu solchen Hanswürsten sage:
Ich bezahle euch zwei Deppen.“ Daraufhin brachten ihn die Polizisten ins
Institut für Rechtsmedizin. Eine Blutprobe ergab einen Promille-Gehalt von
1,56. Der Mann wurde wegen Beleidigung und Trunkenheitsfahrt mit dem
Fahrrad angeklagt.
Vor dem Amtsgericht München wollte er sich an nichts erinnern. Die Polizeibeamten beschrieben jedoch, dass
er gelallt habe und nicht gerade habe
stehen können. Zwar liegt die Grenze
für die „absolute Fahruntüchtigkeit“
bei Fahrradfahrern bei 1,6 Promille.
Die Richterin wertete jedoch die „erheblichen Ausfallerscheinungen“ bei
Fahrt und Verhalten trotz des PromilleGehalts von 1,56 als Fahruntauglichkeit. Denn wenn die Umstände der Tat
zeigen, dass Alkoholkonsum zur Fahruntauglichkeit geführt hat, kommt
auch die „relative Fahruntauglichkeit“
in Betracht, die ebenso strafbar ist, wie
das Amtsgericht München am Montag
mitteilte. Zugute hielt ihm das Gericht
immerhin, dass er sich bei den Polizisten entschuldigt hatte. Das Urteil vom
April, das nun rechtskräftig ist, sieht
wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung von zwei Polizeibeamten eine Geldstrafe von insgesamt
2000 Euro vor.
Der Führerschein kann Fahrradfahrern durch das Gericht zwar nicht entzogen werden. Bei einer Fahrradfahrt
mit 1,6 Promille und mehr erhält man
jedoch nach dem Bußgeldkatalog drei
Punkte. Außerdem wird – zusätzlich
zur Geldstrafe – eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet.
Wird diese Untersuchung nicht bestanden, kann sogar der Führerschein entzogen werden.
KARIN TRUSCHEIT
job. LONDON, 7. September. Archäologen haben etwa 100 zum Teil aufgerichtete Steine entdeckt, die in der
Nähe von Stonehenge vergraben waren. Die Forscher sprachen am Montag
von „phantastischem Glück“, die Monolithen entdeckt zu haben. Die überwiegend in einer Reihe stehenden Blöcke
seien möglicherweise das „größte prähistorische Monument, das je in Britannien errichtet wurde“. Die Fundstelle
liegt drei Kilometer entfernt von Stonehenge in der südenglischen Grafschaft
Wiltshire, einer der Hauptsehenswürdigkeiten im Königreich. Warum die
Steinformation errichtet wurde, ist
nicht klar. Ihr Alter wird auf 4500 Jahre
geschätzt. Laut BBC wurde der neue
Fund mit Hilfe von Radaruntersuchungen unter einem Erdwall entdeckt. Die
Steinsetzung markiert die Südgrenze eines etwa zehn Hektar großen Geländes, das als Durrington Walls bekannt
ist und eine der größten steinzeitlichen
Siedlungen Europas beherbergt. Die
Steine seien bis zu viereinhalb Meter
hoch gewesen, schätzten die Forscher,
die ihre Arbeit beim „British Science
Festival“ in Bradford vorstellten. Womöglich seien sie noch in prähistorischer Zeit planmäßig umgestürzt und
mit einem Wall überdeckt worden. Von
einer „völlig unerwarteten Phase monumentaler Architektur“ sprach der Archäologe Vincent Gaffney vom „Stonehenge Hidden Landscape Project“, das
für den Fund zuständig ist.
Tödlicher Schulunfall
beim Speerwurf
GÜTERSLOH, 7. September (dpa).
Ein 16 Jahre alter Schüler, der am Freitag beim Speerwerfen im Sportunterricht an einer Schule in Gütersloh verunglückt war, ist am Wochenende an
seinen Kopfverletzungen gestorben.
Das teilte die Schulleiterin am Montag
mit. Der Junge war auf dem Sportplatz
der Gesamtschule beim Anlauf für einen Wurf ausgerutscht und in den
Speer gestürzt.
Mann ersticht seinen
Neffen im Kurzurlaub
EMMENDINGEN, 7. September (dpa).
Ein Mann aus der Nähe von Trier hat gestanden, seinen acht Jahre alten Neffen
bei einem Kurzurlaub umgebracht zu
haben. Das Kind wurde mit einem Messer erstochen, wie die Obduktion am
Montag ergab. Ob es sich bei der Tat in
einem Hotel in Emmendingen (BadenWürttemberg) um ein Sexualdelikt handeln könnte, wollte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage nicht mitteilen. Die
Obduktion sei noch nicht abgeschlossen. Auch zur Art des Messers und zu
der Zahl der Stiche wurden noch keine
Angaben gemacht. Der 27 Jahre alte
mutmaßliche Täter hatte sich am Sonntag der Polizei gestellt und die Tat zugegeben. Gegen ihn wurde am Montag
Haftbefehl erlassen. Nach den Angaben
hatte der Junge mit Einverständnis der
Eltern seit vergangenem Mittwoch mit
seinem Onkel Urlaub gemacht.
Einigung im Kölner
Dombau-Streit
aro. KÖLN, 7. September. Der Rechtsstreit zwischen dem entlassenen Kölner
Dombaumeister Michael Hauck und
dem Metropolitankapitel ist beigelegt.
Einen entsprechenden Bericht in der
örtlichen Presse bestätigten jetzt das Kapitel und der Medienberater Haucks.
Demnach haben sich die Parteien außergerichtlich auf eine einvernehmliche
Trennung geeinigt; die wechselseitigen
Vorwürfe würden nicht aufrechterhalten. Michael Hauck, der zuvor 24 Jahre
Dombaumeister in Passau war, hatte
am 1. September 2012 in Köln die Nachfolge von Dombaumeisterin Barbara
Schock-Werner angetreten. Am 30. Mai
2014 war ihm zum Jahresende gekündigt worden. Gründe dafür sollen Zerwürfnisse Haucks mit der Belegschaft
der Dombauhütte und ein unbeherrschter Führungsstil gewesen sein. Gegen
die Entlassung hatte Hauck Klage eingereicht, der das Kölner Arbeitsgericht im
April stattgab. Seit der Kündigung
Haucks leitet sein Stellvertreter Peter
Füssenich die Dombauhütte kommissarisch.
Reben an Hängen: Die Lage „Würzburger Stein“ gehört zu den steilsten und besten deutschen Lagen.
Fotos Cornelia Sick
Vom Terroir zur Spitzenlage
In Wiesbaden haben
die „Großen Gewächse“
des VDP Premiere.
Von Fabian
und Cornelius Lange
WIESBADEN, 7. September. Es ist ein langer Weg, den die deutschen Winzer beschreiten – und er ist beschwerlich. Er soll
von der Spätlese zur Spitzenlage führen.
Nach der großen Weinkrise vor drei Jahrzehnten sind auch die letzten Winzer erwacht und versuchen, die alte Sonderrolle
des deutschen Weins abzulegen. Seit 1971
wurde er im Weingesetz über den Zuckergehalt der Trauben kategorisiert und ihm
das System aus Kabinett, Spätlese, Auslese und so weiter verordnet. Doch heute
muss ein Wein trocken sein, wenn er Erfolg haben will. Da spielt die Süße der
Trauben bei der Ernte nicht mehr die große Rolle. Stattdessen soll er nun aus einer
Spitzenlage stammen, um sich von der
Masse abzusetzen. Ein Wein, so der Glaubenssatz, ist nur so gut wie der Weinberg,
aus dem er stammt.
Vorreiter dieser Idee ist der VDP, ein
Verein mit etwa 200 Winzern, der sich vor
mehr als 100 Jahren paradoxerweise gegründet hatte, um edle Süßweine gemeinsam zu präsentieren und zu versteigern.
Nun schreibt sich der VDP ein neues Ziel
auf seine Fahnen: das „Große Gewächs“,
eine wörtliche Übersetzung des französischen „Grand Cru“, mit dem im Burgund
die besten Weinlagen bezeichnet und gesetzlich geregelt werden. Seit dem Jahrgang 2012 werden die Spitzenlagen des
VDP als „Große Lage“ tituliert (von 2006
bis 2011 hieß sie „Erste Lage“), die von
den Verbandsmitgliedern in renommierten Weinbergen erzeugt werden. Die
Weingüter dürfen die Große-GewächsLage nicht für andere Weine verwenden.
Jeweils am 1. September kommen sie offiziell in den Verkauf.
Das „Große Gewächs“ ist fast immer
ein trockener Wein und repräsentiert die
Spitze des deutschen Weinbaus. Dazu sollen ein niedriger Ertrag, eine längere Reifezeit und eine Extra-Verkostungsrunde
zur Weinprüfung beitragen sowie das
Herzstück der Klassifikation, die eigentliche Spitzenlage. Im Vorbild Burgund werden die Weinberge entweder als „Premier
Cru“ (gut und teuer) oder „Grand Cru“
(exzellent und sehr teuer) bewertet. Die
Vergleichbarkeit der burgundischen Weine wird dadurch unterstützt, dass die Rebsorten Chardonnay und Pinot Noir innerhalb von meist rund zehn Tagen geerntet
werden, während bei der Weinlese in
Deutschland bis zu sechs Wochen die Regel sind – was zu sehr unterschiedlichen
Weinstilen führt.
Vorläufer der Klassifikation sind die
schon vor mehr als 100 Jahren angefertigten Lagenkatasterkarten, auf deren Basis
die Winzer besteuert wurden. Auf diese
historischen Beweisstücke beruft sich der
VDP noch heute. Legendäre Weinberge
finden sich unter den klassifizierten Lagen, zum Beispiel der Erbacher Marcobrunn, der Scharzhofberg oder der Würzburger Stein, die seit Jahrhunderten begehrte Weine hervorbringen. Meist sind
es Steil- und Steilstlagen, doch vereinzelt
finden sich auch Hang- oder Flachlagen
darunter, etwa das Forster Kirchenstück.
Und doch bleibt ein Geschmäckle –
schließlich ist das „Große Gewächs“ des
elitären Winzerclubs so angelegt, dass jeder Mitgliedsbetrieb eine Spitzenlage aus
seinem Portfolio vorschlagen darf. Und es
wird – oh Wunder – auch in fast jedem Betrieb mindestens eine Lage gefunden und
VDP-intern klassifiziert. So sind unter
den Großen Gewächsen heute Lagen, die
vor 30 Jahren noch unbekannt waren. Das
deutet auf Proporz hin: Alle Mitglieder sollen die Chance haben, beim Großen Gewächs mitzuspielen.
Jedes Jahr in der letzten Augustwoche
lädt der VDP zum großen Schaulaufen in
die Kolonnaden am Wiesbadener Kurhaus ein. Dann präsentiert die deutsche
Weinszene ihre besten Weine vor Journalisten, Weinhändlern und Bloggern. Aus
dem Jahrgang 2014 standen rund 300 Weine zur Verkostung an, die zu jeweils fünf
bis sechs Weinen zusammengefasst sind,
den sogenannten „Flights“.
Der Jahrgang spielt die Hauptrolle.
2011 war strahlend, reif und üppig. 2012
wiederum wurde mit Begeisterung aufgenommen, ein Spitzenjahr idealtypischer
Weine mit brillanter Frucht. Der 2013er
hingegen wurde zur Katastrophe – bis auf
wenige Ausnahmen konnten die Winzer
bei den rund 500 vorgestellten Weinen
aus dem verregneten und verfaulten Jahrgang kaum herausragende Kandidaten erzeugen. Und was hat uns 2014 zu bieten?
Vom Klima her bot es mit Kälte und Regen in der Erntezeit ebenfalls schlechte
Voraussetzungen. Das steigerte die Spannung umso mehr.
Wie konnte es also sein, dass viele
schwache Weine des Jahres 2013 den Titel
„Großes Gewächs“ erhielten? Schließlich
werden vom VDP sämtliche Weine, die
fürs „Große Gewächs“ vorgesehen sind, einer internen Qualitätskontrolle unterzogen, bei der die Erzeuger ihre anonymisierten Weine bewerten. Die Prüfer in diesen
Runden sind fast immer die Mitglieder
selbst. Zudem werden oft Weine miteinander verglichen, die stilistisch auseinanderdriften – der eine spät und überreif gelesen, um spontan vergoren zu werden, der
andere dagegen früh geerntet und im
Stahltank gereift. Welcher Wein hat den
Anspruch darauf, stilbildend zu sein?
Beim Jahrgang 2014 fällt der Vergleich
an der Saar am leichtesten, wie Flight
Pointierte Landung: Carolin Spanier-Gillot betreibt das Weingut Kühling-Gillot.
Nummer 10 beweist: Der 2014er Karthäuserhofberg vom gleichnamigen Weingut
zeigt in der Nase eine typisch schiefrige
Transparenz und kommt im Mund mit
deutlicher Salzigkeit, die sich wie ein Chamäleon wandelt: kühl und irisierend zugleich. Für die Spitzenklasse fehlt ein
Hauch Länge und Tiefe (etwa 30 Euro).
Der 2014er Altenberg vom Weingut von
Othegraven setzt noch eins drauf: Im Duft
vielschichtig rauchig-opulent, zeigt er sich
im Mund kraftvoll und reif, aber ohne
Überreife – brillant (etwa 28 Euro).
Der 2014er Scharzhofberger Riesling
vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt
schneidet hingegen überraschend schlank
ab: Er duftet feinfruchtig-offen, im Mund
dann ein salziger Antritt, hat aber eine
kurze Wasserphase und geht herb ohne allzu große Tiefe ins Finale (etwa 24 Euro).
Die Winzer müssen stilsicher und willensstark sein, wollen sie das Herz des
Rieslings aus dem Weinberg in den Most
und am Ende in den Wein überführen. Da
Deutschland die größte Anbaufläche dieser Rebsorte hat, liegt die Deutungshoheit
hier. Insofern ist die Vorpremiere der großen deutschen Rieslinge ein Ereignis, das
Gültigkeit im Weltmaßstab hat. Das zeigen fast immer die Weine vom Weingut
Heymann-Löwenstein. Hier geht es um
die Maximierung aller Möglichkeiten: Der
2014er Stolzenfels ist elegant, fein und rauchig im Duft mit Anklängen von Menthol
und viel Hefe. Im Mund spurtet er dynamisch los, es ist ein tatsächlich schneller
Wein, enorm tief und eindringlich, einfach großartig (etwa 20 Euro). Im Gegensatz dazu ist der 2014er Röttgen typisch
für diese Lage: laut und tief, zeigt viel
Hefe und bringt im Mund staubigen Aprikosenduft mit viel Frucht und Salz. Extremer fällt der 2014er Blaufüßer Lay aus:
mit perfektem Stinker, opulenter Reife,
sehr vielfältig, geradezu funkensprühend
in seiner Aromatik. Die brillante Säure
hat auch Salzigkeit und viel Mineralität
und endet mit weichem Finale (etwa 28
Euro). Dieses Weingut ist Maßstab für
das, was man an der Mosel schaffen kann.
Zudem werden die Weine ohne Zusatz
von Hefen vergoren und gären nach einer
Winterpause oft im nächsten Jahr weiter.
Trotzdem (oder gerade deshalb) sind sie
von geradezu strahlender Frische und
Klarheit.
Die unveränderlichen Faktoren ihrer
weinbaulichen Spitzenimmobilien sind
nur die eine Seite der Medaille, mit denen
sich Deutschlands beste Winzer schmücken. Die andere ist der persönliche Stil.
Inzwischen liefern viele Betriebe Weine,
die nach persönlichen Idealen entstehen
und fundamental anders sein können.
Auch dieser Entwicklung muss ein Verband Rechnung tragen, der herausragende
Interpreten repräsentieren möchte. Was
es allerdings nicht leichter macht, die beschworene Typizität der Lagen zu betonen, wie der Flight 25 beweist – mit Rieslingen von drei rheinhessischen Weingütern, die alle im Pettenthal Große Gewächse erzeugen und die zeigen, wie
schwer es ist, das Typische einer Lage zu
finden: Gunderloch arbeitet mit seinem
2014er an einem salzigen Typ, kommt fast
ohne Restsüße daher, hat brillante Säure,
etwas Gerbstoff und ein herrlich langes Finale (etwa 25 Euro). Das Weingut Kühling-Gillot zeigt im 2014er dagegen einen
breiten Duft, hat mineralische Dichte, etwas Sesamöl und hebt am Gaumen gut ab,
um mit einer pointierten Landung zu enden (etwa 40 Euro). St. Antony wiederum
setzt 2014 auf neues Eichenholz bei der
Reifung: Im Duft Vanillequark und eine
Frucht, die vom Holz überlagert ist, der
Wein endet trocken und überzeugt nicht
(etwa 21 Euro). In den Lagen Orbel (etwa
17 Euro) und Hipping (etwa 21 Euro)
schnitt das Gut besser ab.
Bleibt die Gruppe der spontan (also
ohne Hefezusatz) vergorenen Rieslinge
mit Maischestandzeit. Die Geschmackstypen, die vom klassischen Riesling abweichen, sind 2014: der Pulvermächer vom
Weingut Beurer, der mit seiner typischen
Käsenase die spontane Gärung anzeigt,
im Mund salzig und dicht, hat Holz und
Gerbstoff dank Maischekontakt und im Finale etwas Bitterkeit (etwa 35 Euro); oder
die Rieslinge von Schäfer-Fröhlich von
der Nahe: Die Kupfergrube hat mostigen
Duft, einen breiten Auftritt im Mund,
blüht schnell auf und zeigt Breite, aber
auch überdurchschnittliche Tiefe (etwa 35
Euro). Doch im Vergleich fallen Felsenberg und Felseneck leider fast identisch
aus – hier dominiert die Methode über die
Herkunft, schade! Der Halenberg schließlich erinnert etwas an Knoblauch und mostige Frucht und endet in bittersüßem Finale (etwa 42 Euro).
Kategorien wie Spät- und Auslese lassen die Spitzenwinzer beim Großen Ge-
Kurze Meldungen
wächs inzwischen weit hinter sich, um der
Lage und der stilistischen Interpretation
Priorität zu geben. Dass dabei mancher
übers Ziel hinausschießt, macht die Veranstaltung in Wiesbaden nur attraktiver.
Beim 2014er Riesling aus der Lage Pechstein dominiert beim Weingut von Winning im pfälzischen Deidesheim leider
das Holz die Frucht. Der Wein kommt einfach nicht von der Stelle. Mit zu süßem Finale ist er eher ein Weißburgunder mit
Holz (etwa 44 Euro). Auch der St. Nikolaus von Spreitzer im Rheingau ist ein
Wein, der spürbare Holznoten zeigt und
im Aroma eher an Sauvignon blanc als an
Riesling erinnert (etwa 30 Euro).
Und was sind die überragenden Riesling-Stars in 2014? Der Stein vom Staatlichen Hofkeller in Würzburg ist ein Traum,
der endlich die ganze Größe dieses Weines wachruft: Seine Kristallinität wird
von der Säure wundervoll getragen; ein
eleganter, nachhaltiger, großartiger Stein
(etwa 24 Euro). Kruger-Rumpf hat an der
Nahe beim Pittersberg den Vogel abgeschossen: floraler Duft, verspielt, etwas
Bündnerfleisch und Rauch, Chrysantheme, kristallin, klar und tief wie ein Bergsee, Punktlandung (etwa 25 Euro). Aber
auch der Sonnenschein „Ganz Horn“ beschenkt die Bemühungen des Pfälzer Winzers Rebholz mit wahrer Größe: Sein Parfum aus feiner Frucht ist sehr verspielt
und kleinteilig. Ein anregender Wein, der
Kraft und Länge am Gaumen brillant entfaltet (etwa 44 Euro). Und dann Theo Minges’ Riesling aus der Hölle: erdig nasse
Straße im Duft mit synchroner Steinfrucht, eine Verbindung aus Frucht und
Mineralität par excellence, großartiges
Pfälzer Rieslingkino in 3D (etwa 24
Euro). Und schließlich der Morstein vom
Weingut Wittmann in Rheinhessen: eine
Kathedrale aus Kristall, scharf, spitz und
unnahbar (etwa 44 Euro).
König Riesling wird zwar noch von seinen Trabanten Silvaner, Spät- und Grauburgunder umkreist. Spätestens aber die
vom VDP ebenfalls für das Große Gewächs zugelassenen Weißburgunder, Chardonnay und Lemberger reichen in
Deutschland selten an wahren Spitzenwein heran. Zudem bildet oft der Stil des
Winzers die bestimmende Konstante,
nicht die Eindeutigkeit seiner Herkunft.
Die badischen Grauburgunder stammten zum Teil noch aus dem Problemjahr
2013. So der Bienenberg vom Weingut Huber. Mit seinen Holz- und Honignoten, Birnenkompott mit Nelken und deutlichen
Gerbstoffen sowie salziger Frucht bringt
er zu viel Süße und ist insgesamt sehr breit
(etwa 26 Euro). Aber auch das Weingut
Bercher zeigt mit seinem 2014er Schlossgarten nur Durchschnitt: rauchige Birnenfrucht, ein salzig-herber Wein mit karamelliger Süße, zu breit und im Finale auseinanderdriftend (etwa 22 Euro).
Aufregend sind die raren roten Burgunder: Im Jahr 2013 überzeugt der Spätburgunder an der Ahr beim Weingut Adeneuer. Er ist feinsinnig duftend, gut abgestuft
und liefert herrlichen Schieferextrakt.
Großartig und sehr lang, im Finale aber etwas oxidativ (etwa 55 Euro). Der 2013er
Schlossberg vom Weingut der Stadt Klingenberg schlägt an die Glocke: ein enorm
dichter Wein mit exzellenter PinotFrucht, brillante Säure, ein Spätburgunder von großer Kraft (etwa 54 Euro). Und
auch der 2014 verstorbene Bernhard Huber hat 2013 seinem Pinot in der Parzelle
Wildenstein noch zum wahrhaft Großen
Gewächs verholfen: elektrisierend, dicht
und nachhaltig, großes Kino mit stolzem
Preis, ein Vermächtnis (etwa 150 Euro).
Mit dem Jahrgang 2014 zeigt die Leistungskurve also wieder etwas nach oben,
obwohl die Weinlese im Herbst 2014
schwierig war, weil die Niederschläge während der Ernte kein Ende nahmen. Und
die Zahl der Weine, die enttäuschten, ist
erfreulich niedrig.
Tilda Swinton hat bei den Filmfestspie-
len in Venedig Begriffe geklärt. „Ich
schlage vor, dass wir aufhören, von Migranten zu reden. Wir haben es hier mit
Flüchtlingen zu tun, Kriegsflüchtlingen“, sagte die schottische Oscar-Preisträgerin bei einer Pressekonferenz. Ein
Journalist hatte gefragt, warum in die
Handlung des Erotikthrillers „A Bigger
Splash“ auch das aktuelle Migrantenproblem eingeflochten worden sei. Der
Film feierte bei den Filmfestspielen Premiere und tritt im Wettbewerb um den
Goldenen Löwen an. Swinton spielt
darin einen Rockstar, der sich nach einer Stimmbandoperation auf der italienischen Insel Pantelleria erholt und auf
eine alte Liebe trifft – gespielt von
Foto dpa
Ralph Fiennes. Pantelleria liegt nördlich der Insel Lampedusa, auf der viele
Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa
ankommen. Swintons Antwort gefiel
der versammelten Presse so sehr, dass
es Applaus gab. (marw.)
Jennifer Cramblett, die als weiße Amerikanerin versehentlich mit Spermien
eines schwarzen Spenders künstlich
befruchtet wurde, ist mit einer Schadenersatzklage gegen die Samenbank
gescheitert. Ein Gericht im Bundesstaat Illinois entschied gegen die Vierzigjährige, weil sie versuchte, ihre Klage mit Regelungen zu unerwünschter
Nachkommenschaft und der Verletzung der Gewährleistung zu begründen. Das Bezirksgericht DuPage entschied aber, der Vorwurf des „Wrongful
birth“ gegen die Midwest Sperm Bank
treffe nicht zu, weil Cramblett eine
gesunde Tochter zur Welt gebracht
habe. Die Amerikanerin und ihre Lebensgefährtin Amanda Zinkon hatten
sich vor der künstlichen Befruchtung
im Jahr 2011 für einen blonden, blauäugigen Spender mit der Nummer 380
entschieden. Durch den Lesefehler einer Mitarbeiterin der Samenbank wurde Cramblett aber mit den Spermien eines afroamerikanischen Spenders mit
der Nummer 330 befruchtet. Wegen
der „Belastung“, ein Kind mit dunkler
Hautfarbe in einem weißen Wohnviertel großzuziehen, forderte Cramblett
50 000 Dollar Schadenersatz. (ceh.)
Walter Palmer, nach dem Erlegen
eines Löwen in Zimbabwe in seiner
amerikanischen Heimat untergetaucht,
will an diesem Dienstag seine Zahnarztpraxis in Bloomington (Minnesota)
wiedereröffnen. „Ich bin Arzt. Meine
Angestellten und Patienten brauchen
mich“, sagte der 55 Jahre alte Großwildjäger der „Minneapolis Star Tribune“.
Palmer war Anfang Juli zur Hassfigur
geworden, als britische Medien meldeten, er habe bei einem Jagdausflug in
Afrika den beliebten Löwen Cecil erlegt. Der Arzt soll das 13 Jahre alte Tier
aus dem Nationalpark Hwange gelockt
haben, um es mit der Armbrust zu
töten. Nach Cecils Tod beschimpften
Zehntausende Palmer in den sozialen
Netzwerken. „Ich hatte keine Ahnung,
dass der Löwe bekannt war, einen Sender trug und an einer Studie teilnahm.
Das erfuhr ich erst am Ende der
Pirsch“, verteidigte sich der Zahnarzt.
„Ich habe mich auf die Organisatoren
an Ort und Stelle verlassen.“ (ceh.)