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Köpfe vom Hof
„Ich bin eine
Malocherin“
Ina Müller ist Moderatorin,
Kabarettistin und Sängerin. Ihre
Kindheit auf dem Bauernhof ist in ihrer
Sendung „Inas Nacht“ und in ihren
Liedern immer wieder Thema.
KÖPFE VOM HOF
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top agrar 11/2013
Multitalent
Ina Müller: Mit
„Singen,
sabbeln, saufen“
unterhält die
niedersächsische Bauerntochter ihr
Publikum vor der
Bühne und vorm
TV aufs Allerbeste.
locherin, das ist das Erbe vom Bauernhof“, sagt sie. Dass sie sich mit preußischer Disziplin auf ihr Album konzen­
triert oder sich auf ihre TV-Gäste
vorbereitet, vermutet man nicht bei einem Programm, das von Inas Spontanität lebt. „Wer etwas aus dem
Ärmel schütteln will, muss
vorher etwas reingetan haben“, zitiert die Künstlerin
Rudi Carell.
Die Pappschilder, die als
Gedächtnisstütze in ihrer
Sendung oft hochgehalten
werden und ihr obligatorisches Notizbuch helfen ihr,
die Nervosität zu überlisten.
Diese ist nach wie vor ständiger Begleiter vor ihren
Auftritten. Noch immer denke sie mit
Schrecken an das Richtfest von Nachbar Clausen, als sie oben auf dem
Dachstuhl steht, ohne Zettel, und ihr
der Richtspruch nicht mehr einfällt.
Laut und forsch zu sein, dass sei ihre
„Flucht nach vorne“.
Mittlerweile ist Ina Müller eine überzeugte Städterin, in deren Wohnung ein
Foto: Sandra Ludewig/105 Music
U
nd mit dreizehn Jahr’n konnten
wir Trecker fahr’n; die Hosen
aus Leder, die Stiefel voll Dreck;
diese Welt scheint so weit, weit weg“,
heißt es auf Ina Müllers neuem Album
„48“, das dieser Tage erscheint.
Dass die lustige Talkshow-Frau,
Sängerin und Kabarettistin Ina Müller
vom Bauernhof kommt, weiß jeder, der
schon mal ihren preisgekrönten LateNight-Talk „Inas Nacht“ im NDR-Fernsehen gesehen hat oder bei der Kuppelshow „Land und Liebe“ zugeguckt
hat. Ihre Kindheit mit fünf Schwestern
auf einem Milchviehbetrieb bei Cuxhaven im Norden Niedersachsens gehört
zum Programm. Auch, um ihre Gäste
aus der Reserve zu locken. In ihren Liedern dreht es sich ebenfalls immer wieder um das bäuerliche Leben.
Liebevoll lästert sie über ihr Leben
zwischen Kuhstall und Bushaltestelle,
mit drei Betten für fünf Mädchen, der
Sehnsucht nach der weiten
Welt und der harten, körperlichen Hofarbeit. Als
Kind melkt sie jeden Abend
gemeinsam
mit
ihrer
Schwester Heike die Kühe.
„Aber vorher halfen wir
Heu machen, Silo fahren
oder Gras häckseln.“ Als
Kind muss sie zum orthopädischen Turnen, das Schleppen der Milcheimer bekommt ihrem kindlichen
Rücken nicht. „Wir waren da und wurden groß“, beschreibt Ina Müller ihre
Kindheit. „Frühförderung oder Kinderbeschäftigung gab es nicht.“
Schon damals fiel Ina auf, kleidete
sich extravagant oder schmetterte ein
Lied in der Pausenhalle der Schule.
Doch hinter der lauten, lustigen Art
steckt ein Arbeitstier. „Ich bin eine Ma-
Laufband steht und die von ihrem Fenster aus die Passanten beobachten kann.
„Ich liebe das. Da vorne läuft meine Yogalehrerin. Und nachher hole ich mir da
drüben Fisch und Gemüse zum Mittag.“
Zurück aufs Land zu ziehen, kann sie sich
nicht vorstellen. „Ich finde die Leute in
meinem Dorf toll. Aber das Land ist mir
zu einsam, zu gruselig. Seit ich in der
Stadt wohne, habe ich keine Angst mehr.“
Doch obwohl die alte Bauernhof-Welt
so wenig mit Ina Müllers derzeitigem
Leben zu tun hat, hält sie engen Kontakt zu ihren Schwestern und zu ihrer
Mutter, feiert Weihnachten in ihrer
Heimat und hegt noch immer große
Sympathien für die Landwirte. „Die
sind so knorrig und authentisch. Sie reden wenig, aber wenn sie etwas sagen,
treffen sie den Nagel auf den Kopf. Und
sie wollen nicht gefallen, das imponiert
mir.“ Eine Sendung über das Höfe­
sterben in Niedersachsen, die sie moderieren sollte, wurde abgesagt. „Es ging
nicht. Ich war von jeder Geschichte so
gerührt, dass ich mitweinen musste.“
Ina hat eben immer noch ein großes
Herz für die Bauern. Kathrin Hingst