120 9. Organische Chemie 9.1 Nomenklatur, funktionelle Gruppen Trotz vielfacher Bemühungen um eine systematische Benennung organischer Moleküle haben sich eine Reihe von „Trivialnamen“ bis heute gehalten (Benzol, Naphthalin, Essigsäure, Harnstoff, Furan u.v.a.), teils aus Gewohnheit, teils weil die Trivialnamen erheblich kürzer sind. Weiterhin sind vielfach (selbst in amtlichen Vorschriften) Abkürzungen im Gebrauch (DDT), auch für ganze Stoffklassen (PAK). Eine weitgehend akzeptierte Systematik der Benennungen organischer Verbindungen ist die „IUPAC-Nomenklatur für organische Verbindungen“1, deren Benutzung auch von einschlägigen Journalen bei wissenschaftlichen Publikationen verlangt wird. In der Vorlesung werden nur verhältnismäßig einfache Verbindungen benannt, zunächst einfache Kohlenwasserstoffe. (Erinnern an kovalente Bindung, Hybridisierung, Mehrfachbindung, Kap. 3) 9.1.1 Alkane, Alkene, Alkine Lineare Alkane (Methan, Ethan, Propan, Butan, Pentan, Hexan, Heptan, …griechisch weiterzählen); heißen auch „gesättigte“ Kohlenwasserstoffe, die nur Einfachbindungen zu C-Atomen enthalten Lineare Alkene: n-Alkane, die eine oder mehrere Doppelbindungen (πBindungen) enthalten (ungesättigte Verbindungen, mit nicht-konjugierten Doppelbindungen, s.u., heißen sie Olefine) Lineare Alkine: Alkane, die eine oder mehrere Dreifachbindungen enthalten (auch ungesättigt) Gruppenname Name (Beispiel) Alkane Methan n-Hexan 1-Buten 1,3-Butadien, Buta-1,3-dien 2-Pentin Alkene Alkine Valenzstrich- Summenformel(n) Formel, Hs weggelassen CH4 H3C(CH2)4CH3, C6H8 C4H8 C4H6 C5H8 Cyclische Alkane, Alkene, Alkine Beispiel Cyclopropan, Cyclohexan Valenzstrichformel, Hs Summenformel weggelassen C3H6, C6H12 Cyclopenten, 1,4-Cyclohexadien C5H8, C6H8 Cyclohexin C6H8 1 Bemerkung Summenformel nicht eindeutig: C6H8 gibt es zweimal Die Abkürzung steht für International Union of Pure and Applied Chemistry. Die IUPAC-Regeln sind über verschiedene web-Seiten zugänglich, z.B <http://www.acdlabs.com/iupac/nomenclature/> 121 Verzweigte Alkane, Alkene, Alkine. Substituenten (substituieren ein H-Atom) erhalten die Endsilbe -yl Beispiel Valenzstrichformel, Summenformel Bemerkung Hs weggelassen 2-Methylpropan C3H10 (Isobutan) 3-Methyl-5C12H26 Längste Kette ethylnonan gibt Namen, Nummerierung der Substituenten an der niedrigsten Nummer beginnen 3-Ethylhept-3-en C6H18 (auch 3-Methylhepten-3) 9.1.2 Aromaten Aromaten: Cylische Kohlenwasserstoffe mit (4n+2) π-Elektronen, die (formal) alternierende Einfach- und Doppelbindungen enthalten (π-Elektronen delokalisiert). Viele haben Trivialnamen. Heteroaromaten sind Aromaten mit Heteroatomen (N, O, S, P, etc, anstelle von C); typisch: Rußbildung bei der Verbrennung. Beispiel Valenzstrichformel, Summenformel Bemerkung Hs weggelassen Benzen oder C6H6 Benzol Anthracen C14H10 Phenanthren C14H10 Pyren C16H10 Heteroaromaten C5H5N Pyridin Summenformel nicht eindeutig: C14H10 gibt es zweimal gehört zu PAK (polyaromatische Kohlenwasserstoffe) reagiert basisch N Furan C4H4O O Cyclohepatrien, Cylopentadien nicht Aromaten: C7H8, C5H6 Zwei, drei, 4 gleiche Substituenten: Vorsilben di-, tri-, tetra- Ein freies Elektronenpaar am O gehört zum aromatischen πElektronen.System 122 1,3,5-Trimethylbenzen (triv. Mesitylen) 9.1.3 Funktionelle Gruppen Unter dem Begriff versteht man bestimmte Substituenten an Kohlenwasserstoffen, die zumeist Heteroatome enthalten und die die Reaktivität der Verbindung bedingen oder beeinflussen. Dazu gehören hauptsächlich –OH-Gruppen → Verbindungen heißen dann Alkohole, gekennzeichnet durch die OH OH OH Ethanol, Endsilbe -ol; Cyclobutanol, Phenol (triv.). –NH2-Gruppen → Verbindungen heißen dann Amine; die Aminogruppe kann selbst N NH2 substituiert sein; Propyl-1-amin (1-Aminopropan), Triethylamin. –NO2-Gruppen → Verbindungen heißen dann Nitroverbindungen, Vorsilbe Nitro-: NO2 Nitrobenzol –Halogen → Verbindungen heißen dann Halogen(haltige)-Verbindungen, Vorsilben Cl OH Fluor- Chlor-, Brom-, Iod-: 1-Chlor-cyclopentan-3-ol, oft heißt es auch auch z.B. H3CCl Methylchlorid (ist aber kein Salz, nicht ionisch!). –COOH-Gruppen (Carboxylgruppen, org. Säuren) → siehe Carbonylverbindungen im Kap. 9.2.5. Verbindungen mit R–CH2–O–CH2–R-Gruppen heißen Ether, zum Beispiel das (heute nur noch in Krimis benutzte) Betäubungsmittel Diethylether (H3C–CH2–O–CH2– CH3). Mit –R werden irgendwelche „Reste“ am Molekül bezeichnet (abgekürzt), die man nicht explizit nennen will, weil es verschiedene sein können oder weil sie in der jeweiligen Betrachtung keine Rolle spielen. Feinheiten wie die Reihenfolge der Aufzählung von Substituenten oder welcher Substituent den Namen gibt sollen müssen in dieser Lehrveranstaltung nicht genau HN OH beachtet werden ( 2 4-Aminobutan-1-ol, weil OH schwerer ist als NH2). Die Positionsangaben müssen jedoch eindeutig sein. 9.2 Einfache Reaktionsmechanismen (Anders als in der anorganischen Chemie ersetzen aus Platzgründen oft Reaktionsschemata die stöchiometrisch ausgeglichenen Gleichungen) Die Ladungsverteilung (in polarisierten kovalenten Bindungen, s. Kap. 3) entscheidet über die Reaktivität der Verbindung und über die Stelle im Molekül, an welcher die Reaktion stattfindet. Reaktanden haben 3 Grundtypen des Angriffs auf andere Moleküle zur Verfügung: - radikalisch – greift nicht (stark) polarisierte Bindungen wie R-H an - elektrophil – greift elektronen(dichte)reiche Positionen im Molekül an - nucleophil – greift elektronenarme Positionen im Molekül an. 123 Die letzten beiden Reaktionstypen werden durch I- und M-Effekte (Induktionseffekte, Meosomerieeffekte) begünstigt. Der Induktionseffekt verstärkt die Polarisierung einer kovalenten Bindung zum benachbarten C-Atom. Man unterscheidet den -I-Effekt, der Elektronendichte vom benachbarten C-Atom wegzieht (läuft im PS wie die Elektronenaffinität, d.h. C<N<O<F, bzw. I<Br<Cl<F) und den +I-Effekt, der Elektronendichte zum benachbarten C-Atom hindrückt, also negative Ladungen, Teilladungen oder freie Elektronenpaare. -I-Effekt +I-Effekt O CH3 R N OR < + N R < R C CH3 H2 methyl- ethyl- R R < R N_ F < Aminogr. < Ethergr. R: Rest, z.B. Alkyl- < < Halogen neg. geladen < CH3 CH3 C < H CH 3 2-propyl- CH3 CH3 isobutyl- –I<–Br<–Cl (aber gleichzeitig –I-Effekt der HalogenSubstituenten) + R O R R R R < Vinyl-gr R < Phenyl-gr R < N N R Alkinyl-gr. N < R Amino-gr. Schiff-Base Nitrilo-gr Bestimmte Zusätze zum Reaktionsgemisch verstärken den –I-Effekt, z.B. Verbindungen mit einer Elektronenpaarlücke, sog. Lewis-Säuren wie AlCl3 Cl C Cl Al Cl Cl δ++ δ− δ− starke positive Teilladung am C Mesomerie-Effekte Voraussetzung für das Auftreten eines Mesomerie-Effekts ist das Vorliegen sogenannter konjugierter Doppelbindungen (abwechselnd Doppelbindung und Einfachbindung, ggf. unter Einbeziehung von einsamen Elektronenpaaren). In diesen Fällen lassen sich mesomere Grenzstrukturen finden, die mögliche Ladungsverschiebungen entlang des konjugierten Doppelbindungssytems zulassen Beispiel: H2C=CH–CH=O ↔ H2C+–CH=CH–O–. Die Verbindung wird in keiner der beiden Grenzstrukturen gemeinhin vorliegen sondern die aktuelle Situation wird irgendwo in der Mitte liegen (in polaren Lösemittel mehr rechts, in unpolaren mehr links). Der Doppelpfeil soll also weder ein Reaktionspfeil sein noch ein Gleichgewicht symbolisieren. Die Moleküle können 124 jedoch zur Reaktion (z.B. während des Übergangszustands auf dem Gipfel des Aktivierungsbergs, die jeweils geeignetere Form annehmen. Der mesomere Effekt kann nun eine Verschiebung der Ladungsverteilung nicht nur im Bereich einer Bindung (wie beim induktiven Effekt) sondern über das ganze konjugierte Doppelbindungssystem zur Folge haben, z. B. H2C C Cl H H2C C H H2C C C C Cl H H H + Cl oder CH2 C C C H H H + Cl . Hier wird der +MEffekt des Chlor-Substituenten beschrieben: die CH2-Gruppe erhält eine negative Teilladung und kann so einen nucleophilen Angriff unternehmen oder elektrophil angegriffen werden. -M-Effekt N R +M-Effekt < + R O < R + R N R _ O R < O R R < C N R < F O < O R < N R R R < I < N Br < Cl < F (aber auch –I-Effekt) 9.2.1 Radikalische Substitution Typische Kettenreaktionen; Beispiel Photochlorierung Kettenstart Cl-Cl → 2 Cl· (mit UV-Licht; Punkt: einzelnes Elektron) Kettenfortpflanzung R-H + Cl· → R· + HCl R· + Cl-Cl → R-Cl + Cl· R-H + Cl· → R· + HCl R· + Cl-Cl → R-Cl + Cl· usw. Die Kettenreaktion kann durch zwei Abbruchreaktionen beendet werden R· + R· → R-R Cl· + Cl· → Cl-Cl In dem Fall muss neu gestartet werden, d.h. während der Photochlorierung brennt die UV-Lampe. Photochlorierung zum Beispiel von Toluol (Toluen) CH3 + hν H2 C Cl Cl2 - Cl . (Reaktionsschema, keine Gleichung) werden in großem Umfang industriell durchgeführt. Chlor ist eine Grundchemikalie, mit welcher Chlorsubstituenten in Kohlenwasserstoffe eingebracht werden, die dann durch verschiedene Reaktionen weiter modifiziert werden können zur Herstellung von Alkoholen, Aminen, Nitrilen, Ethern und ungesättigten Verbindungen (s. Kap. 9.2.2, 9.2.3). 125 9.2.2 Nukleophile Substitution Zwei Mechanismen, SN1 und SN2 SN1-Reaktion 1. Schritt: Dissoziation von Halogenalkylverbindungen (z.B. hergestellt nach 9,2,1) in Ionen, die in polaren Lösemitteln (z.B. Methanol) begünstigt wird R1 R2 R3 R1 R2 + R3 langsam X schnell + X _ X = Cl (oder Br, OH, OCH3, CN, usw., Gruppierungen, die als Anionen relativ stabil sind, d.h. abgeschlossene Schalen an der Bruchstelle haben). R1 + Das entstehende planare2 Carbokation R2 R3 ist nicht stabil (wie z.B. Na+-Ionen in Wasser), deshalb erfolgt eine schnelle Rückreaktion mit X-, wenn nicht alternativ ein anders nukleophiles Reagens Y- angeboten wird. Dann wird das gewünschte Produkt gebildet: R1 R2 + R3 + Y R1 R2 R3 _ Y . SN2-Reaktion Diese läuft nicht über ionische Zwischenstufen Y _ R1 R1 + R2 R3 Y C _ R1 X X Y R2 R3 R2 R3 + X _ Nach der Reaktion ist die Reihenfolge der Substituenten –R1-3 vertauscht (Walden Umkehr). Nukelophile Reagenzien müssen nicht anionisch sein, freie Elektronenpaare (Wasser, Akohole) sind ebenso zum nukleophilen Angriff befähigt. Die Nukleophilie (Grad der Fähigkeit zum nukleophilen Angriff) von gängigen Reagenzien für SN2-Reaktionen steigt in folgender Reihenfolge3: F- < H2O << Cl- < PhO- < Br- < OH- , OR- < NH3, NR3 < I- < CN- < S29.2.3 Eliminierung mit Bildung von Doppelbindungen. Viele Verbindungen, die nach 9.2.1 oder 9.2.2 hergestellt worden sind, können durch Eliminierung in ungesättigte Verbindungen (Olefine) überführt werden. Mechanismus: _ H C C + Y H C C X H C C+ + X Y _ _ + Y 2 C C + HY Hybridisierung sp2, übriges p-Orbital leer für die hiervon verschiedene Reihung des Einflusses von X (nukleofuge Abgangsgruppe) siehe Lehrbücher. 3 126 Eliminiert werden immer trans(gegenüber)-ständige Atome. In cyclischen KW entsehen ggf. stereochemisch eindeutige Produkte: H H H H X H H H H nach hinten nach vorn Wichtige Eliminierungsreaktionen: X = –Halogen: Abspaltung von Halogenwasserstoff (HCl, etc.), X = –OH: Abspaltung von Wasser; X = –OR: Abspaltung von Alkohol aus Ethern. Technisch benötigt werden Verbindungen mit Doppelbindungen als Monomere für Polymerisationen, z.B. Butadien aus 1,3-Butandiol). Analog kann aus Dihalogenverbindungen das Halogenmolekül abgespalten werden: X X C C X C C+ X + + X + X _ _ C C + X2 9.2.4 Elektrophile Addition an Doppelbindungen Die Addition an Doppelbindungen ist praktisch die Umkehrung der Eliminierung. Mechanismus: H H C C H H H H HH _ H H + H H H + H H H + H+ + Cl H Cl H H Also auch trans-Addition (ist dem Produkt wegen der frei drehbaren Doppelbindung nicht anzusehen). Klar erkennbar bei cyclischen Verbindungen: + Br2 H H AlCl3 Br + _ H H Br + Br Br der Ringebene. Nochmal anders gezeichnet: H H 1 Brom oberhalb, 1 Brom unterhalb 127 AlCl3 dient zur Polarisierung des Brommoleküls, wodurch die Anlagerung von Br+ and die Doppelbindung möglich ist: Cl Br Br Cl Al Cl Cl δ+ δ− Br+ + Br _ Al Cl Cl + (wobei freie Br -Ionen und AlCl3Br--Ionen nicht vorkommen sondern nur intermediär in dem Prozess gebildet werden. Aus AlCl3Br- wird dann Br- zur Komplettierung der Reaktion wieder abgegeben). In Umkehrung der Eliminierungsreaktionen können an Doppelbindungen addiert werden: Halogenwasserstoff (HCl, etc.), Wasser; Alkohole. Technisch wichtige Produkte von solchen Additionsreaktionen sind z.B. Ethanol, Propanol, usw. auch längerkettige Alkylsulfate (Olefin + verd. Schwefelsäure; Waschmittel). 9.2.5 Elektrophile Substitution an Aromaten Wegen der Delokalisierung der π-Elektronen gibt es im Aromaten zunächst keine (oder kaum) bevorzugten Reaktionsstellen, weshalb sie vergleichsweise reaktionsträge sind. Die erste Funktionalisierung des Aromaten, die dann dessen weitere Reaktionen steuert, ist deshalb meist die elektrophile Substitution eines H-Atoms, wobei die gesamten π-Elektronen dem elektrophilen Angriff zugänglich sind. Dieser Reaktionsmechanismus verläuft nachweislich über drei Stufen. Zunächst tritt das elektrophile Reagens X+ mit dem gesamten πSystem in Wechselwirkung (πKomplex). Sodann bildet sich daraus der s-Komplex (d.h. ein C-Atoms ist jetzt sp3-hybridisiert), aus welchem dann mit Hilfe einer Base (freies Elektronenpaar) das zugehörige Proton abgespalten wird (Schritt III). Technisch wichtig sind vor allem die Nitrierung und die Sulfonierung von Benzol (Ar–H): Ar–H + HNO3 → Ar–NO2 + H2O Das elektrophile Reagens ist hierbei das NO2+-Ion, welches sich in hinreichend konzentrierter HNO3 selbst gebildet vorliegt HNO3 + H+ ⇌ NO2+ + H2O (Gleichgewicht wird meist durch wasserentziehende konzentrierte Schwefelsäure nach rechts verschoben).4 Zur Sulfonierung Ar–H + H2SO4 → Ar-SO3 + H2O wird SO3 als elektrophiles Reagens benötigt, das in hochkonzentrierter Schwefelsäure (sog. Oleum) enthalten ist. SO3 ist am Schwefelatom positiv polarisiert, vgl. Elektronegativität (Diagramm in Kap. 3.3), dabei 3 mal O. Entsprechend lassen sich Halogensubstituenten (nach Polarisierung mit AlCl3, FeCl3, u.ä., siehe Addition an Doppelbindungen) einführen sowie unter Berücksich-tigung weiterer Einzelheiten (s. Lehrbücher) auch Alkylsubstituenten und weitere. 4 Empfehlung: Einzelschritte der Nitrierung formulieren! 128 Sobald ein solcher Substituent am Aromaten eingeführt ist, beeinflusst dieser die weitere Reaktivität des Aromaten, die durch I- und M-Effekte der Erstsubstituenten erhöht oder erniedrigt sein kann. Zudem können Zweitsubstituenten in bestimmte Positionen am Aromaten dirigiert werden. +I- und +M-Effekte erhöhen die Reaktivität (mehr Elektronendichte im aromatischen π-System) z.B. Erstsubstituent Effekt Alkyl +I –OH < –NH2 < –NHR < –NR2 +M > -I (!) – –O +M und +I Erniedrigt wird die Reaktivität durch elektronenziehende Substituenten Erstsubstituent –COR < –COOH < COOR < CN < NO2 -M, -I (3/5 Carbonylverbindungen, s. nächstes Kapitel) Halogen -I > +M + NR3 Bei Zweifachsubstitution unterscheidet man ortho- meta- und para-Stellungen (o-, m-, Y Y Y X X X p-) der Substituenten ortho meta para (Y: Erst-, X: Zweitsubstituent). Wenn Y einen +I- oder +M-Effekt aufweist, wird X in die Ortho- oder (überwiegend) in die para-Stellung dirigiert. Erklärt wird das durch die mögliche Formulierung mesomerer Grenzstukturen für den σ-Komplex, , wobei ein +I-Erstsubstituent helfen kann, die positive Ladung (zum Teil) zu kompensieren, wenn er in otho- oder paraStellung ist: 129 Schwieriger ist es, den Zweitsubstituenten in die meta-Stellung einzuführen. Hierhin dirigieren –I und –M-Effekte der Erstsubstituenten, weil sie die C-Atome in orthound para-Stellung mit positiver Teilladung versehen, wie wieder die entsprechenden _ δ_ Y _ Y Y + δ+ δ+ δ+ . mesomeren Grenzstrukturen deutlich machen: + + An den „positivierten“ C-Atomen wird das elektrophile X jetzt nicht angreifen, sondern an den meta-Positionen. Insgesamt aber ist - wie oben gesagt - die Reaktivität für die Zweitsubstitution schlechter (d.h. längere Reaktionszeiten, höhere Reaktionstemperatur, meist mehr Nebenprodukte, usw.). Beispiele: 1) Zweitsubstitution von Phenol (OH-Gruppe +M < -I) H H H H O O O O H X + X+ + + H X + H+ X 2) Zweitsubstitution von Nitrobenzol (Stickstoff ist bereits durch die zwei O positiv teilgeladen; die durch X+ eingebrachte weitere positive Ladung wäre im σ-Komplex bei o-/p-Substitution direkt neben dem Stickstoff, s.o.) δ_ δ_ O O N δ+ + X+ O O N δ+ O O N δ+ + X + δ_ δ_ O O N δ+ + X H H O N X H O H+ + X In Technik und Industrie werden substituierte Aromaten als Bausteine für Farbstoffe und Polymere, einschließlich bestimmter Polyamide (Trevira) gebraucht. 9.2.5 Reaktionen von Carbonylverbindungen Unter dem Begriff Carbonylgruppe versteht man die C=O- Doppelbindung, Carbonylverbindungen enthalten solche Gruppen und werden als O R O O H Ketone Aldehyde, R R2 R1 und OH Carbonsäuren bezeichnet. Auch Verbindungen, die auf Carbonsäuren zurückzuführen sind (Derivate) gehören hierher wie z.B.: O O R Cl R O NH2, NHR, NR2 R OR Carbonsäurechloride, Carbonsäureamide und Carbonsäureester . C O δ+ δ_ 130 Die spezielle Reaktivität der Carbonylgruppe ergibt sich aus der vergleichsweise starken Polarisierung durch den –I-Effekt des Sauerstoffs. Das Carbonyl-C-Atom trägt eine positive Teilladung und kann deshalb nucleophiles Reagenz HB| angegriffen werden: _ HB + C O H B C O _ + . Dieser Reaktionsschritt kann durch Säuren katalysiert werden: Solche Verbindungen zerfallen gern wieder in die Ausgangsstoffe, wenn nicht eine Stabilisierung durch anschließende weitere Reaktionen möglich ist. Eine Möglichkeit im gegebenen sauren Milieu ist die Abspaltung der OH-Gruppe (als Wasser): IV muss – wie vorn gelernt – durch Abspaltung eines Protons oder Anlagerung einer Base (eines Anions) ein neutrales Moleküle gebildet werden. Konkrete Beispiele sind: - Bildung von Schiff-Basen - Bildung von Enaminen - Reaktionen von Carbonsäurechloriden, die zu Amiden und Estern führen 131 Polyamide und Polyester entstehen, wenn bifunktionelle Ausgangsstoffe eingesetzt werden: O N H O O O N H NH2 Cl Cl O Cl Cl O NH2 + N H N H O - H2O O Cl 2) 3) NH2 + HN 2 Cl O O Cl O Cl 1) O H N Cl O O H N Cl O O + HN 2 - H2O NH2 usw. Eine wichtige Methode zur Verknüpfung von C–Atomen ist die sog. AldolKondensation, wobei CH-azide Verbindungen zur Reaktion gebracht werden. Solche sind Carbonylverbindungen, die an dem der Carbonylgruppe benachbarten C-Atom (mindestens) ein H-Atom tragen, welches durch Mesomerie azide (sauer) wird und deshalb in Gegenwart einer Base B- abdissoziieren kann: Danach ist die C-H-azide Verbindung ein Anion, also ein nucleophiles Reagenz, das mit einer Carbonylverbindung wie folgt reagieren kann: Durch die hier erfolgte Verknüpfung von zwei C-Atomen sind zwei organische Moleküle zu einer Verbindung geworden. Auf diese Weise können größere Moleküle in prinzipiell beliebiger Weise zusammengefügt werden (tägliches Brot des organischen Chemikers).
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