Den Menschen Hoffnung geben: Werke und Kirche als Partner

Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden
Nr.2 | 2015
© ACT alliance / Paul Jeffrey
Den Menschen Hoffnung geben:
Werke und Kirche als Partner
contigo
Nr.2 | 2015
INHALT
contigo
Mitteilungen der evangelischen
Werke für die Kirchgemeinden
Herausgegeben von Brot für alle,
HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen
Erscheint viermal jährlich im März, Juni,
September und Dezember
ISSN 1660-3788
© act aliance/Paul Jeffrey
2
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DOSSIER
S4 – 9 Partnerschaft im gleichen Geist
Brot für alle, HEKS und Mission 21 öffnen den Kirchgemeinden das Fenster
zur Welt. Eine Kirche ohne die Werke wäre ärmer, hält Jeanne Pestalozzi-Racine
fest. Die kirchliche Verankerung gehöre aber auch zu deren Identität, schreibt der
Theologe Peter Bühler. Für die Theologin Mary Kategile, Mbey, Tansania, macht
die Liebe Gottes zu den Menschen die Gemeinsamkeit. Werke im Norden und Kirche im Süden seien Partner im Dienste Gottes. Gemeinsam bringe Erfolg, so wie
den Fischern in Myanmar auf dem Bild. uw
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Redaktionsleitung
Urs Walter
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S10– Honduras: Gegen eine Politik zu Lasten der Armen
S11– Dank Konzernverantwortungsinitiative Menschenrechte
weltweit besser schützen
S13– «Wut, Hunger, Wandel» – hochkarätige Tagung im September
HEKS
S14– Fachkräftepotential der Migrantinnen und Migranten nutzen
S16– Flüchtlingssonntag: Zuflucht gewähren – Menschen schützen
S17– Patenschaften für zwölf Projekte
OeME-Fachstellen der Kantonalkirchen
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Redaktion
Michael Schlickenrieder (ms), Mission 21
Peter Dettwiler (ped), OeME
Olivier Schmid (os), HEKS
Urs Walter (uw), Brot für alle
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MISSION 21
S18– Jochen Kirsch: Wirkungsorientiert denken in der
Entwicklungszusammenarbeit
S19– Als Lehrerin in Afrika: Die 100-jährige Elisabeth Debrunner erzählt
S20– Hilfe für Nigeria wird weiter verstärkt
HINWEISE UND MEDIENTIPPS
S22– Agenda und Nachrichten
S23– Bücher- und Filmtipp
Titelbild: Hand in Hand bereiten die beiden Fischer in
Karonga, am Ufer des Malawisees im Norden von Malawi,
in der Abenddämmerung ihre Netze vor. uw
Rückseite: Der Bube aus Kubang Gajah, Region Aceh
in Indonesien, prüft sein Netz. Ob ihm der Himmel
Fischerglück beschert, ist nicht bekannt. uw
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EDITORIAL
Visionen – Hoffnung – Humor
Peter Dettwiler, OeME
Wo sind die Visionen von damals? Waren es bloss Luft-
ne Pestalozzi – als Teil der
schlösser? Die bequeme Aufteilung in drei Welten ist
68er-Generation – die Welt
verschwunden. Wir leben ohne Zweifel in einer Welt,
definitiv zum Besseren ver-
in der je länger je mehr alle miteinander vernetzt und
ändern. Doch heute weiss
voneinander abhängig sind. Eine komplexe Welt. Die
sie, «dass der Kampf um
Entwicklung zu einer gerechteren Welt scheint ein lan-
mehr Gerechtigkeit wohl
ger und schwieriger, manchmal aussichtsloser Prozess
nie aufhören wird.» Auch
zu sein. Die Arbeit in unseren drei landeskirchlichen
ich habe diese Entwick-
Werken ist professioneller, nüchterner und vielleicht
lung miterlebt. Die 60er-
auch ehrlicher geworden. «Es braucht Demut, Be-
Jahre – meine Teenager
scheidung und – Humor» für diese grosse Herausfor-
Jahre – waren eine Zeit
derung hält Pierre Bühler in seinem Beitrag im Dossier
des Aufbruchs, der Utopi-
fest. Humor, der sich selbst und die eigenen Anstren-
en, der Visionen von einer
gungen nicht zu ernst nimmt. Ernst zu nehmen sind
besseren Welt. Wir waren
dagegen die Nöte der Menschen. Das sieht Mary Kate-
die erste Nachkriegsgeneration, die nach vorn blick-
gile aus Tansania schon bei Jesus verwirklicht. Und ge-
te und die Igelstellung einer engen, selbstgefälligen
nau da, bei seinem Leben und seiner Botschaft, findet
Schweiz aufbrechen wollte. Die «Dritte Welt» rückte
sich auch der Ursprung der Hoffnung für eine bessere
ins Blickfeld. Ihr musste und konnte geholfen werden.
Welt. Für diese eine «Welt des Teilens» engagieren wir
Entwicklung war möglich und notwendig. Und es war
uns auch heute noch!
© zvg
Natürlich wollte auch Jean-
bald klar, dass es auch um gerechte Strukturen und
faire Handelsbeziehungen ging. Ja: Wir wollten eine
bessere, eine gerechtere Welt und glaubten daran.
Mit diesem Editorial verabschiedet sich Peter Dettwiler. Wir danken ihm für seine kompetente, sorgfältige und auf das wichtige Zusammenspiel der Werke mit
den OeME-Fachstellen ausgerichtete Mitarbeit im Redaktionsteam «contigo» – und zuvor in der Vorgängerpublikation «Informell».
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DOSSIER
WELTWEIT
Die Vision vom Übernächsten
Peter Dettwiler
Jeanne Pestalozzi-Racine ist eine Frau der Kirche
– und eine Frau der kirchlichen Werke mit weitem
Horizont: «Die Arbeit in der Kirche ist ungemein breitgefächert.» Und, ergänzt sie als Präsidentin von Brot
für alle, «die weltweite Dimension beflügelt.»
Die Arbeit auf der strategischen Ebene hat Jeanne Pestalozzi immer schon fasziniert. Das begann bereits in der
Kindheit mit der Lektüre von Mutters Konsumentinnenzeitschrift. Das weckte Interesse für die Zusammenhänge hinter
den Einkaufsregalen. Ein Schlüsselerlebnis für ein besseres
Verständnis der weltweiten Dimension von Kirche war die
Teilnahme an der Vollversammlung des Ökumenischen
Rates der Kirchen 1998 in Harare,
Simbabwe, als Delegierte des Schweizerischen Kirchenbundes SEK. Mit
dem damaligen Zentralsekretär von
Brot für alle, Christoph Stückelberger,
habe sie nächtelang Anträge bearbeitet. «Es war ein einmaliges Erlebnis.
Kirche weltweit in ihrer unglaublichen
Vielfalt von Kulturen, Konfessionen,
Farben, Theologien, Liturgien und
Liedern.» Sie habe in diesem bereichernden Austausch das einzigartige
Potential des Evangeliums entdeckt.
Demgegenüber bedauert sie manchmal die Selbstbescheidenheit unserer
Kirchen in der Schweiz. «Sie könnten
doch das Eigene unbekümmerter in
Jeanne Pestalozzi-Racine
die säkulare Gesellschaft einbringen»,
wünscht sich Pestalozzi.
Am Puls der Werke
Obwohl heute ganz dem einen Werk Brot für alle verpflichtet, ist Jeanne Pestalozzi ebenso mit HEKS und
Mission 21 verbunden. Als ihr im Zürcher Kirchenrat 1999
das Ressort „Werke und Beiträge“ anvertraut wurde, war für
sie klar, dass sie sich intensiver mit der Arbeit der Hilfswerke
vertraut machen würde. Die kirchliche Verankerung dieser
Werke ist ihr nach wie vor wichtig. «Brot für alle ist entwicklungspolitisch ausgerichtet, aber ihr Auftrag ist in der christlichen Sozialethik verwurzelt. Und im Süden haben wir Kontakte zu zahlreichen Kirchen.»
Wegweisend für das bessere Verständnis der Arbeit von
Mission 21 war die Teilnahme am Jubiläum zur fünfzigjährigen Unabhängigkeit der Presbyterianischen Kirche von
Kamerun im Jahre 2007. Dort verstand sie die gesellschaftstragende Rolle der Kirchen in Afrika mit ihrer Erwachsenenbildung, den Schulen und Spitälern. «Es ist wichtig, diesen Kirchen gegenüber präsent zu bleiben und Partnerschaft
zu leben. Es ist eine grosse Chance, um Verständigung über
Grenzen hinweg zu üben. Ohne diese
gibt es letztlich keinen Frieden.» Auch
mit HEKS war die damalige Kirchenrätin vor Ort, um die Projekte in Indien
und in Osteuropa persönlich kennen
zu lernen. Als die langjährige Zusammenarbeit mit den Kirchen Osteuropas
auf dem Prüfstand war, setzte sie sich
erfolgreich mit ihrer gewohnt freundlichen aber hartnäckigen Art für die
Fortführung dieses Mandats ein.
© Brot für alle
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Ein Auftrag – drei Werke
«Unsere Kirchgemeinden können
stolz sein auf ihre drei Werke. Sie sind
Teil der Kirche und gleichzeitig ihre
Botschafter an vielen Brennpunkten
der Welt. Die Kirchen haben sich diese ‚Instrumente‘ erarbeitet, das ist Teil ihrer Mission.» Doch
Jeanne Pestalozzi weiss, dass diese Sicht nicht selbstverständlich ist, sondern ständige Bewusstseinsarbeit verlangt. Aber
die Kirchgemeinden haben mit den Werken auch wichtige
Partner, die ihnen das Fenster zur Welt öffnen und ihr diakonisches Handeln ausweiten. Die Solidarität der Kirchgemeinden mit den landeskirchlichen Werken, die in der Kirchenordnung verankert ist, muss indes immer wieder in Erinnerung
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ist Ausdruck eines unermüdlichen Engagements auf der Basis des Evangeliums. Als Mutter und Grossmutter hat Pestalozzi einen Draht zur jüngeren Generation. Sie sieht auch
bei jungen Leuten eine wachsende Sensibilität. «Man will
nicht Teil eines Systems sein, das schadet – sei es anderen
Menschen oder der Umwelt. Immer mehr Menschen prüfen
ihr eigenes Verhalten, reduzieren den Fleischkonsum, leisten
ihren Beitrag zum Schutz der Umwelt.»
© Weltkirchenrat / Geronimo Desumala
gerufen werden. Sie lässt den oft gehörten Vorwurf nicht gelten, dass sich bei den landeskirchlichen Werken zu viel Professionalität breitgemacht und die Freiwilligenarbeit verdrängt
habe. «Zum Glück machen die Werke vor Ort professionelle
Arbeit. Das gehört zu ihrer Verantwortung. Gut gemeint genügt nicht. Dafür ist die Aufgabe zu anspruchsvoll und zu
komplex.» Zugleich ist sie überzeugt: «Die kirchliche Verankerung unserer Werke ist für diese unabdingbar. Sie gehört
DOSSIER
Gemeinsame Arbeit für den Übernächsten und für Übermorgen. In Samoa wird eine Kokosnuss als Symbol für Widerstandskraft und Hoffnung den Fluten übergeben (Dessima
Williams, frühere UN-Botschafterin, l., Christiana Figueres, UN-Konvention zum Klimawandel).
zu ihrer Identität. Kirchgemeinden sind weit mehr als Spendensubstrat, ihre Mitarbeitenden und Freiwilligen hüten und
bewahren den evangelischen Auftrag.» Doch auch umgekehrt
sind für Pestalozzi die landeskirchlichen Werke unverzichtbarer Bestandteil einer Kirche, die das Evangelium predigt und
lebt. «Von den Kirchen wird erwartet und traut es ihnen auch
zu, dass sie sich im ‚Weltsüden‘ glaubwürdig engagieren.»
Visionen für die Zukunft
Natürlich wollte auch sie – als Teil der 68er-Generation
– die Welt definitiv zum Besseren verändern, meint Jeanne
Pestalozzi lachend. Heute jedoch sei ihr bewusst, dass der
Kampf um mehr Gerechtigkeit wohl nie aufhören werde.
«Aber er ist nicht hoffnungslos! Es gibt Fortschritte in Ländern des Südens, etwa in der Bildung. Ohne Hoffnung wäre
ich tot.» Es ist mehr als ein ansteckender Optimismus, den
die Stiftungsratspräsidentin von Brot für alle ausstrahlt. Es
Hat die Kirchenfrau einen Wunsch an die Kirchen?
Hier denkt die sonst eher spontane Jeanne Pestalozzi einen
Moment nach und meint dann: «Die Landeskirche hat ihre
Stärke in der Nähe zur Bevölkerung und zur Gesellschaft vor
Ort. Dort engagiert sie sich für das Wohl der Gemeinschaft
und der Einzelnen. Das ist der konkrete Dienst am Nächsten. Doch es gibt auch eine Vision vom Übernächsten. Gerade der Übernächste ist die Überraschung und die eigentliche Herausforderung. Das ist schon im Evangelium so. Es
ist die Herausforderung mit den Grenzen, mit jenen auf der
anderen Seite der Grenze – sei es in unserer Gesellschaft oder
eben in anderen Ländern.»
Jeanne Pestalozzi-Racine, geboren 1952, war von 1995 bis 2011
Exekutivmitglied der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons
Zürich. Seit November 2011 ist sie Präsidentin des Stiftungsrates von
Brot für alle, dem sie seit 2005 angehört.
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SÜDSICHT
Partner sein im Dienst Gottes
Mary Kategile *
Wie hängen Leben und Glauben zusammen, was verbindet Theologie und Entwicklungszusammenarbeit,
wie zeigt sich Partnerschaft zwischen Nord und Süd?
Persönliche Antworten gibt Mary Kategile, Theologin
der reformierten Kirche Moravian Church in Tansania.
Seit der Ankunft des Christentums in Afrika und im Besonderen
in Tansania sind wir hier in Tansania
wie auch unsere Missionspartner im
Norden in einem ständigen Lernprozess. Die ersten Herrnhuter Missionare kamen vor 124 Jahren hierher.
Auf sie geht die Moravian Church
in Tansania zurück. Die Herrnhuter
Kirche nahm grossen Aufschwung,
sowohl bezüglich der Mitgliederzahl
wie in geistlicher Hinsicht. Diese Entwicklung ist ein Segen und Grund zur
Freude und Dankbarkeit für die Menschen in Tansania, ihre europäischen
Missionspartner und Menschen in allen Teilen der Welt.
richten muss, soll er wirkungsvoll sein. Also Verkündigung
in Wort und Tat. Die Verkündigung der guten Nachricht
ist in diesem Teil der Welt angesichts der vielfältigen Nöte
der Menschen eine anspruchsvolle Aufgabe. Die vielen
Probleme in Tansania – wie auch in anderen Ländern im
Süden – stellen eine grosse Herausforderung dar, wollen
wir unser Leben und Handeln nach dem Evangelium richten. Der Schrei nach Hilfe begegnet
uns überall. Die Menschen leiden an
Armut, an Krankheiten wie Malaria
oder HIV/Aids. Frauen und Kinder
werden diskriminiert, Albinos getötet, Stammeskonflikte und Analphabetismus gehören zur täglichen
Ungerechtigkeit in verschiedenen
Lebensbereichen.
Und das sind nur einige der vielen
Herausforderungen. Unsere Kirche
wie ihre Partner im Norden dürfen
diese nicht ignorieren. Eine Kirche,
die wirksam sein soll, muss sich bei
der Verkündigung des Evangeliums
daher nach dem Vorbild von Christus
richten. Sie muss das Evangelium in
Wort und Tat verkünden. Und es bedeutet, dass die Kirche die Nöte der Menschen an Leib und Seele ernst nimmt,
wenn sie mit ihnen das Evangelium teilen will.
© zvg
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Mary Kategile
Die Verkündigung des Evangeliums bleibt spannend
und herausfordernd zugleich. Der Dienst der Moravian
Church in Tansania hat zwei Seiten: Auf der einen Seite
erleben wir dieses gesegnete und anhaltende Wachstum
der Kirche. Dabei wird die evangelistische Arbeit von allen
mitgetragen. Aber wir sind auf der anderen Seite mit grossen Herausforderungen konfrontiert.
Verkündigung in Wort und Tat
Schon am Leben und Wirken unseres Herrn Jesus Christus können wir ablesen, wie er sich in seiner Verkündigung
dem Menschen in seiner Ganzheit zuwandte. Die Sorge
sowohl um das geistliche als auch physische Wohlergehen
der Menschen war Teil seiner Mission. Von ihm können
wir lernen, dass unser Dienst sich an den ganzen Menschen
Das Motiv für unser Handeln
In dieser Situation muss der Antrieb für unseren Dienst
die Liebe sein. Und zwar eine Liebe ohne Bedingungen, so
wie Jesus sie gelebt hat. Sicher braucht es finanzielle Mittel, um den Menschen zu helfen und sie zu unterstützen.
Aber Geld allein genügt nicht. Vielmehr sollten Spenden
wie Unterstützung ein Resultat unserer Liebe und unseres
Engagements für die Menschen sein. Dieser Dienst der Kirche muss aus echter Liebe wachsen. Wer mit dieser Haltung
gibt, trägt die begünstigte Person und ihre Nöte im Herzen,
zeigt mir meine bescheidene Erfahrung. So erhalten Geben
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sind, dass beide nach dem Bild Gottes geschaffen, durch
die Gnade Gottes gerettet und gerufen sind, in dieser
Welt aus der Liebe Gottes durch Jesus Christus zu leben.
Das lässt Differenzen schwinden und wir begegnen uns
© Brot für alle / Markus Amrein
und Empfangen eine tiefere Bedeutung. Beide Seiten sind
miteinander verbunden. Das verdeutlicht den Menschen,
dass wir ihnen nicht bloss eine Spende aus unserem Reichtum oder Überfluss geben, sondern eine Gabe der Liebe.
DOSSIER
Gemeinsam zur Liebe Gottes Sorge tragen.
Unterstützung aus einer solchen Verantwortung heraus
wird Anerkennung und Dankbarkeit bewirken. So werden
die Kirche in Tansania und ihre Partner im Norden erleben, was wahre Partnerschaft ist.
Anspruchsvolle Partnerschaft
Auch von unseren Partnern im Norden erwarten die
Menschen der Moravian Church die obgenannte bedingungslose Liebe. Ich glaube, dass ihr Dienst umso wirkungsvoller ist, je mehr er von christlicher Liebe zu den
Menschen Afrikas getragen ist. So werden wir wirklich
zu Partnern. Und Partnerschaft ist umso tragfähiger, je
mehr sie in der Liebe Christi gründet. Den grossen Graben, der sich politisch, kulturell und materiell zwischen
uns in Tansania und unseren Partnern im Norden öffnet,
müssen wir dabei ernst nehmen. Dennoch glaube ich an
eine echte Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe – wenn
wir auf dem gleichen Fundament stehen und überzeugt
partnerschaftlich. Zugleich wächst ein gegenseitiges Verständnis der je unterschiedlichen Situationen. Wenn du
jemanden liebst, dann versuchst du auch, diese Person
zu verstehen und zu akzeptieren. Wir von der Moravian
Church in Tansania und unsere Partner im Norden sind
gemeinsam dazu berufen, das Volk Gottes überall in der
Welt zu lieben und ihm zu dienen. Nur in der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat trägt unser Dienst
Früchte.
Friede und Segen für alle.
* Mary Kategile ist ordinierte Pfarrerin und Dozentin an der Teofilo Kisanji
University in Mbeya im Südwesten von Tansania, einer Institution der
Moravian Church. Die Herrnhuter Kirche ist eine Partnerkirche von
Mission 21. Kategile schloss ihr Theologiestudium 2008 ab mit einer
Arbeit über die Ordination von Frauen in ihrer Kirche.
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THEOLOGISCH
Welt des Teilens (statt Welt zum Teilen)
Pierre Bühler *
Der evangelische Theologe Pierre Bühler macht sich
Gedanken zur theologischen Begründung der Entwicklungszusammenarbeit. Braucht es eine solche Begründung? Und wenn ja, welche?
Mitten in der Winternacht klopfte es an der Fensterscheibe. Eine hohle Stimme rief: «Ernst, kann ich bei euch
übernachten?» Unser Vater stand auf und richtete im warmen Stall eine Ecke mit frischem Stroh ein. Der Betrunkene
legte sich hin, nachdem er Zigaretten,
Zündhölzer und Flasche abgegeben
hatte. Am Morgen teilte er das Frühstück mit uns und konnte sich wieder
auf den Weg machen, mit einer Mahnung, aber auch und vor allem mit
einem Zeugnis. Unser Bauernhof als
Notschlafstelle für Alkoholiker: Das
hat mich früh geprägt, obschon die
nächtliche Störung uns Kinder auch
etwas beängstigte.
Empfangen, aufnehmen, helfen,
anstatt sich gegen das Elend abzuschotten, nichts sehen und hören zu
wollen, die Leidenden auszugrenzen. Es wurden später Asylsuchende,
Pierre Bühler
Flüchtlinge, Sans-Papiers, aber auch
weltweit Notleidende, etwa Strassenkinder in den südamerikanischen Grossstädten oder Waisenkinder von an Aids
gestorbenen Eltern in Afrika. Es geht, im Kleinen wie im
Grossen, um «eine Welt des Teilens», wie die Zeichnung
von Mix & Remix anschaulich ausdrückt.
«Ethische Evidenz»
Hätte unser Vater seine nächtliche Hilfe theologisch begründen können? Hätte er dies nötig gehabt? Sicher gehörte
das Helfen für ihn zur Praxis gelebten Glaubens. Aber war
es nicht einfach spontan, selbstverständlich? Gehörte es
nicht einfach, wie ich es später bei meinem Lehrer Ebeling
lernte, zur «Evidenz des Ethischen»? Als ein Antworten auf
menschliche Nöte?
Das hat einiges für sich. Auch in der Entwicklungsarbeit geschieht vieles mit säkularer Motivation, und selbst in
den kirchlichen Hilfswerken gibt es heute Mitarbeitende,
die aus humanistischer Überzeugung an der Arbeit sind.
Die Christen, die Kirchen sollten sich auch auf diesem Boden wiederfinden können, die Arbeit an der «Welt des Teilens» mit anderen teilen.
Das heisst zwar nicht, dass der
spezifische Bezug auf theologische Zusammenhänge der Entwicklungsarbeit
verschwiegen werden soll. Nur sollte
es nicht zu selbstherrlich geschehen,
denn es könnte leicht zu einem verdächtigen Überbau werden. Es dürfte eher die bescheidene Gestalt eines
Zeugnisses annehmen.
Nicht verzweifeln
Ob profan oder religiös, ob kirchlich oder säkular, alle, die in der
Entwicklungszusammenarbeit tätig
sind, wissen darum, wie wenig evident diese «Evidenz des Ethischen»
ist. Warum träumen so viele mehr
von einem «Aufteilen der Welt» als von einer «Welt des
Teilens»? Warum herrschen weltweit Profit, Eigeninteresse, Ausbeutung, Unterdrückung, Ausgrenzung anstatt
Begegnung, Respekt, Frieden, gegenseitige Hilfe? Daran
kann man verzweifeln, wie es einmal Friederich Dürrenmatt zum Ausdruck brachte: «Gewiss, wer das Sinnlose,
das Hoffnungslose dieser Welt sieht, kann verzweifeln,
doch ist diese Verzweiflung nicht eine Folge dieser Welt,
sondern eine Antwort, die man auf diese Welt gibt, und
eine andere Antwort wäre das Nichtverzweifeln, der Entschluss etwa, die Welt zu bestehen, in der wir oft leben wie
Gulliver unter den Riesen.»
© zvg
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An dieser Gabelung zwischen Verzweifeln und Nichtverzweifeln hat die
theologische Begründung ein spezifisches Zeugnis abzulegen. Um den Mut
gegen die Verzweiflung zu wappnen,
kann sie Gründe in Anspruch nehmen.
Vielleicht sind es nur Bilder, Visionen,
die tragen, die nach vorne ziehen.
Gegen Lähmung steht der Humor
© Mix&Remix
Dass mit einem Gott gerechnet werden darf, ist die besondere Herausforderung der theologischen Begründung.
Das könnte leicht dazu verleiten, ihm alles anzuvertrauen
und selbst nichts mehr zu tun. Diese Gefahr bekämpft jedoch
Paulus, indem er uns zu «Gottes Mitarbeitern» erklärt (1. Korinther 3, 5-9): Der eine Mensch soll pflanzen, der andere bewässern, Gott aber ist es, der es wachsen lässt. Damit werden
das Pflanzen und Bewässern nicht unbedeutend.
«Wir träumen von einer Welt des Teilens» – «… wir vom Teilen der Welt»
Diese Visionen haben etwas Utopisches. Aber das dürfen
sie, und das brauchen wir, weil darin subversives Potenzial
liegt gegen all das, was in der Welt Geltung und Gewicht hat.
Und da sollten wir die Aufgabe nicht vergessen, die die refor-
Gerne würden wir die Welt retten, gewiss. Aber diese
Riesenaufgabe würde uns lähmen. Hier darf der Humor
eingreifen, eine durchaus theologische Tugend, die zu unterscheiden weiss, was uns zukommt und was nicht. Humor hat auch mit humilitas, Demut, Bescheidung zu tun. In
Alexander Solschenizyns Roman August 14 heisst es: «Die
Ungerechtigkeit hat nicht mit uns begonnen; nicht wir werden ihr ein Ende setzen.» Und ähnlich sagt es der Jude Gulliver in Dürrenmatts Roman Der Verdacht (ein Text, der
mich seit Jahrzehnten begleitet!): «Wir können als einzelne
die Welt nicht retten, das wäre eine ebenso hoffnungslose
Arbeit wie die des armen Sisyphus; sie ist nicht in unsere
Hand gelegt, auch nicht in die Hand eines Mächtigen oder
eines Volkes oder in die des Teufels, der doch am mächtigsten ist, sondern in Gottes Hand, der seine Entscheide
allein fällt. Wir können nur im Einzelnen helfen, nicht im
Gesamten, die Begrenzung des armen Juden Gulliver, die
Begrenzung aller Menschen. So sollen wir die Welt nicht zu
retten suchen, sondern zu bestehen, das einzige wahrhafte
Abenteuer, das uns in dieser späten Zeit noch bleibt.»
Vielleicht nur mit etwas frischem Stroh in einer Ecke des
warmen Stalls …
* Pierre Bühler, 1950 im Berner Jura geboren, war Professor für systematische
Theologie, zuerst von 1982 bis 1997 an der Universität Neuenburg, dann bis
Ende Januar 2015 an der Universität Zürich.
© Brot für alle/Miges Baumann
Mitarbeiter Gottes
«Trachtet zuerst nach dem Reich
Gottes und seiner Gerechtigkeit»,
heisst es in Matthäus 6, 33. Aber was
ist dieses Reich? Vielleicht einfach ein
grosses Gastmahl mit allen Armen,
Verkrüppelten, Blinden und Lahmen,
die auf den Strassen und Gassen gefunden wurden (Lukas 14, 21). Aber auch
Visionen, die uns «von hinten» nach
Der Mensch pflanzt und erntet – doch wachsen lässt Gott.
vorne stossen, sind zu erwähnen: Gab
mierte Tradition als prophetisches Wächteramt bezeichnete:
es da nicht einmal einen Garten, der uns anvertraut wurde,
mit einem Amos etwa zu einer prophetischen Kritik der heudamit wir ihn «bebauen und bewahren» (Genesis 2, 15)?
tigen Weltverhältnisse anzusetzen, heftig, wenn nötig, aber
Und verbindet uns nicht mit allen Geschöpfen dieses Garnicht überheblich, sind wir doch auch ein Stück dieser Welt.
tens die vom Zürcher Kirchenhistoriker Fritz Blanke betonte
Mitgeschöpflichkeit?
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HONDURAS
Privilegien für Konzerne auf
Kosten der Armen
Ester Wolf *
Honduras ist tief gespalten. 60 Prozent der Menschen
@Brot für alle / Tina Goethe
leben in Armut, daneben findet sich die zweithöchste
Anzahl von Millionären in Mittelamerika. Demokratie
und Recht gelten wenig. Anafae fördert das lokale
Saatgut und lässt damit Hoffnung wachsen.
Die Mehrheit der von Armut und Mangelernährung betroffenen Menschen in Honduras lebt auf dem Land. «Die
mangelnden Perspektiven auf dem Land treiben unzählige
Jugendliche jedes Jahr in die Städte», sieht Octavio Sánchez,
Direktor von Anafae, langjährige Partnerorganisation von
Brot für alle in Honduras. «Vielen gelingt es nicht, dort Arbeit zu finden. Oft rutschen sie in Kriminalität und Gewalt
ab». Anafae zeigt Jugendlichen Alternativen zur Landflucht.
Fehlende Unterstützung für Kleinbauern
Etwa 40 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten in der
Landwirtschaft. Doch «Die Regierung stellt die Rechte
der Unternehmen über die der ‹normalen› Bevölkerung»,
sagt Sánchez. Mit dem sogenannten «Monsanto-Gesetz»
erhalten die (ausländischen) Saatgutkonzerne exklusive
Eigentumsrechte an Saatgut. Bäuerinnen und Bauern dürfen dieses Saatgut weder selbst züchten noch untereinander
tauschen oder im Folgejahr wieder anbauen. Sie müssen es
jedes Jahr neu kaufen. Das drängt das traditionelle Saatgut
und bäuerliche Saatgutmärkte zurück. Wegen der Kosten
droht den Ärmeren, sich zu verschulden. Und wer – auch
Gentech statt Mais für alle
In Honduras setzen Staat und Eliten auf Gentechnik. Bis 2020
sollen mit Syngenta, Monsanto und Bayer auf 100 000 Hektaren
Gentechmais angebaut werden – beinahe die Fläche des Kantons
Thurgau. 2013 waren es laut einer Studie, die Anafae mit Unterstützung
von Brot für alle erarbeitet hat, erst 30 000 ha. «Der Anbau von
Gentechmais bedroht nicht nur die biologische Vielfalt im Land. Mais
Octavio Sánchez, Direktor von Anafae in Honduras, setzt sich für lokales Saatgut ein.
Das sichert nicht nur die Ernährung, sondern bringt auch Genuss.
aus Unwissen – gegen das Monsanto-Gesetz verstösst, erhält Geldstrafen.
Absurde Folgen der Politik
Anstelle der bäuerlichen Landwirtschaft fördert der
Staat den agroindustriellen Anbau von Agrarrohstoffen
(vgl. Kasten). Das bedeutet enormen Landverschleiss, Monokulturen mit Hightech-Saatgut, hoher Einsatz von Pestiziden und damit Schaden für Umwelt und Klima. Zudem
schafft die industrialisierte Landwirtschaft kaum Arbeitsplätze. Honduras muss sogar Grundnahrungsmittel einführen. Von der staatlichen Politik profitieren vor allem
Eliten und die Konzerne.
Dennoch setzten Entwicklungsprogramme – ob staatlich, privat oder von Uno-Organisationen – oft auf «Monsanto-Saatgut», bemängelt Sánchez. «Problematisch ist,
wenn entsprechendes Saatgut gratis verteilt wird – und die
Bäuerinnen und Bauern darum die Zucht der eigenen, gut
an die lokalen Bedingungen angepassten Sorten aufgeben.»
Anafae hilft darum, Saatgutbanken einzurichten und Saatgutmessen zu organisieren. Mit Erfolg: Viele Familien können wieder genügend Lebensmittel anbauen und erst noch
gesunde Produkte auf den Märkten verkaufen. Brot für alle
unterstützt Anafae vor allem im politischen Engagement:
So wird ein Alternativvorschlag zum Monsanto-Gesetz
erarbeitet. Kommunalverwaltungen sollen das heimische
Saatgut anerkennen, registrieren und so für den Gebrauch
der Bauern und Bäuerinnen sichern. uw
ist ein Grundnahrungsmittel. Das birgt auch gesundheitliche Risiken
für die Bevölkerung», sagt Tina Goethe, Verantwortliche für Recht auf
* Ester Wolf, Brot für alle, Fachperson Recht auf Nahrung
Nahrung und Klimawandel bei Brot für alle. uw
Information: www.brotfueralle.ch
Spenden: PC-Konto 40-984, Recht auf Nahrung, Anafae/Honduras/
Biodiversität 835.8036
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Organisationen getragene Initiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt»
bringen. Brot für alle hat die Konzernverantwortungsinitiative mitinitiiert. Unterschriften werden seit dem 21. April 2015
gesammelt.
INITIATIVE
Firmen sollen Menschenrechte
weltweit einhalten
Gesetze und Sorgfaltspflicht
Urs Walter
Menschenrechte weltweit respektieren, Schöpfung
bewahren, Verantwortung übernehmen: Die Ziele
der Konzernverantwortungsinitiative entsprechen
der Ausrichtung von Brot für alle. Als Mitinitiantin
unterstützt Brot für alle die Initiative.
Brot für alle setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Unternehmen die Menschenrechte einhalten und die Rechte der
Arbeiterinnen und Arbeiter respektieren – und zwar weltweit. Unsere Partnerorganisationen im Süden berichten
regelmässig über Verstösse gegen die Rechte der Bevölkerung. Mehrere von Brot für alle gemeinsam mit Fastenopfer
veröffentlichte Studien belegen dies. Das Gleiche gilt beim
Umweltschutz. In der Demokratischen Republik Kongo als
Beispiel verschmutzt Glencore beim Abbau von Rohstoffen
Wasser und verdrängt die lokale Bevölkerung; unwürdige
Arbeitsbedingungen sind in der Produktion der Handys und
Computer in China (Kampagne «High Tech - No rights»
HTNR) an der Tagesordnung.
Zum Schaden für die Bevölkerung vor Ort kommt das
Reputationsrisiko für die Schweiz. Abhilfe soll die von 66
Damit transnationale Unternehmen mit Sitz in der
Schweiz ihre Verantwortung weltweit wahrnehmen, braucht
es Gesetze und Vorschriften bei uns. Die Wirtschaft mit ihrer
Arbeitsteilung ist globalisiert. Darum müssen auch die Verantwortung und das Verhalten globalisiert geregelt werden.
Und verbindlich in Verfassung und Gesetzen der Staaten
festgehalten: Die Uno hat erste Leitprinzipien verabschiedet,
in mehreren Staaten werden entsprechende Vorlagen erarbeitet. Freiwillige Vereinbarungen genügen nicht. Das entspricht auch dem Gebot der
Gerechtigkeit: Sonst erhalten
Unternehmen einen ungerechtfertigten wirtschaftlichen Vorteil, wenn sich ihr
Management nicht an freiwillig vereinbarte Regeln hält. Was
in der Konzernbuchhaltung oder im Risikomanagement üblich ist, soll auch für die Verantwortung bei Verletzungen
der Menschenrechte oder Schädigungen der Umwelt gelten.
Die Sorgfaltspflicht der Verwaltungsräte hält fest, dass sie
haften, wenn sie nicht vorausblickend Vorkehrungen gegen
absehbare negative Folgen der Tätigkeit des Unternehmens
veranlassen.
Thema der kommenden Kampagnen
Aus diesen Gründen gehören Brot für alle und Fastenopfer
zu den Wegbereiterinnen der Konzernverantwortungsinitiative. Gemeinsam wollen sie 20 000 Unterschriften zum Gelingen beitragen. Unser Initiativbogen liegt bei oder lässt sich
herunterladen. Vertieft wird das Thema Unternehmensverantwortung und Menschenrechte mit neuen Fallbeispielen in
der Kampagne im August 2015 und vor allem in der Ökumenischen Kampagne 2016 (vgl. Seite 12).
Unterschriftenbogen herunterladen:
www.brotfueralle.ch/konzernverantwortung
@Brot für alle/Chantal Peyer
VERNEHMLASSUNG
Die Konzernverantwortungsinitiative verlangt, dass Konzerne ihre Verantwortung
Sorgfaltsprüfungspflicht nötig
Brot für alle hat sich an der Vernehmlassung zur Revision des Aktienrechts beteiligt. Die bisher fehlende Sorgfaltsprüfungspflicht gehört unbedingt ins Gesetz, ist eine Kernforderung in der ausführlichen Stellungnahme. uw
weltweit wahrnehmen. Es geht um mehr als möglichst viel Profit in die eigene
Tasche zu wirtschaften.
www.brotfueralle.ch
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contigo
Nr.2 | 2015
vermindert werden kann. Entsprechend wurden vielerorts Klimamenüs
in grossem wie kleinem Kreis gekocht.
ÖKUMENISCHE
KAMPAGNE
2015: Arbeit zu Klima und Essen
Die Ökumenische Kampagne 2015
hat inhaltlich und bei den Zahlen gute
Ergebnisse gebracht: Besonders freuen
die 21 000 Unterschriften für die Klimapetition. Allen Beteiligten herzlichen Dank!
Die breite Präsenz des Poulets in
der Kühltruhe auf dem Plakat der Ökumenischen Kampagne 2015 brachte
viele Echos. Lob für die anschauliche
Verknüpfung vom Essen auf unserem
Teller und den Auswirkungen auf das
Weltklima stand auch Kritik gegenüber. Angeprangert wurden mit dem
Importpoulet aber nicht Schweizer
Mästereien, die bereits hohe Standards
zum Wohl von Tier und Umwelt erfüllen. Es ging um Rezepte, wie mit
anderem und geringerem Fleischkonsum die Belastung des Klimas weltweit
Breit war das Engagement in den
Kirchgemeinden und den Pfarreien
für die Klimapetition an Bundesrätin
Doris Leuthard. Viele sandten den Talon aus dem Fastenkalender auch direkt ein. So brachten Brot für alle und
Fastenopfer die versprochenen 21 000
Unterschriften bei, fast ein Fünftel der
total über 90 000 Unterschriften. uw
Ein Klimamenü mit
Freunden gewonnen
Am Wettbewerb auf dem Tischset beteiligten sich 1400 Personen.
Glückliche Gewinnerin ist Monika
Schmidheiny aus Altstätten. Gemeinsam mit Freundinnen und Freunden
darf sie ein Klimamenü nach dem Rezept von Carlo Crisci geniessen, ohne
Einkauf der saisonalen und regionalen
Zutaten und ohne Abwasch. uw
PERSONALIA
GL mit Elke Fassbender und Regula Reidhaar verstärkt
Der Stiftungsrat von Brot für alle hat Elke Fassbender und Regula Reidhaar
per 1. April 2015 als Leiterinnen für die neu geschaffenen Ressorts «Fundraising &
Marketing» und «Kommunikation & Bildung» sowie als Mitglieder der Geschäftsleitung gewählt. Beide waren zuvor als Teamleiterinnen für diese Aufgaben zuständig. uw
Barbara Lutz leitet neu Qualitätssicherung
Die bisherige Koordinatorin der Kooperations-Gemeinschaft (KoGe), Barbara
Lutz, übernimmt ab 1. September 2015 das Ressort Knowledge Sharing & Kooperationssysteme. Sie folgt auf Bernard DuPasquier, der dann Geschäftsleiter von
Brot für alle wird. uw
AUSBLICK 2016
2016: Schutz von Menschen
und Umwelt verstärken
2016 steht die Verantwortung der
Manager und Verwaltungsräte im
Zentrum. Keine Verletzung der
Menschenrechte weltweit und
Schutz der Umwelt sind das Ziel.
Im Fokus der Ökumenischen Kampagne 2016 steht die Unternehmensverantwortung: Bergbaukonzerne, die
Gewässer verschmutzen, Goldverarbeitung mit giftigen Stoffen, Firmen, die
Land in Beschlag nehmen, wo zuvor Lebensmittel wuchsen. Der Blick richtet
sich durch die Lupe auf transnationale
Unternehmen. Ihre länderübergreifenden Geschäftspraktiken sollen an menschenrechtlichen und christlich-ethischen Massstäben gemessen werden.
Neue Beispiele werden dies illustrieren.
Brot für alle ist darum Mitinitiantin der
Konzernverantwortungsinitiative (siehe Seite 11). Bereits die entwicklungspolitische Kampagne im August 2015
bringt Informationen und Anstösse, die
Initiative zu unterschreiben. uw
Termine 2016
Fastentagung:
7. Nov. 2015, Basel; Fasten ist, den
Raum des Möglichen erweitern;
Praktische Tipps für das Leiten
von Fastengruppen, Hintergrundreferat von Thomas Wallimann
Jan Tschannen leitet neu Bildung und Theologie
Kampagnenzeit: Aschermittwoch, 10. Februar bis
Ostersonntag, 27. März 2016
Theologe und Pfarrer Jan Tschannen hat Anfang Mai die Stelle Bildung und
Theologie übernommen. Zugleich ist er für die theologischen Bildungsaufgaben
innerhalb der Ökumenischen Kampagne zuständig und wird Plattformleiter. uw
Brot- und Teeaktion:
während der ganzen Kampagne
Mathias Raeber verstärkt den Bereich Mittelbeschaffung
Mit Mathias Raeber, Fundraiser Direct Marketing, wurde auf Anfang Mai das
Ressort «Fundraising & Marketing» verstärkt. uw
Rosenaktion:
Samstag, 5. März 2016, erste Informationen und Materialien ab August auf
www.sehen-und-handeln.ch
contigo
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Nr.2 | 2015
auf politischer Ebene dafür ein, damit Firmen mit Sitz in der
Schweiz stärker zu einem menschenrechtskonformen Handeln verpflichtet werden.»
JAHRESBERICHT
Erfolgreiche Kampagnen
Brot für alle stellte sich 2014 ausgeprägt in den
Dienst der Beschäftigten, die unter misslichen Arbeitsbedingungen Handy und Computer oder Kleider
herstellen.
Brot für alle hat sich 2014 verstärkt auf zwei Schwerpunkte ausgerichtet: Das Recht auf Nahrung soll für alle gelten
– und Brot für alle stellte sich 2014 ausgeprägt in den Dienst
der Beschäftigten, die unter misslichen Arbeitsbedingungen
Handy und Computer oder Kleider herstellen. Unternehmen
und Konzerne müssen ethisch wirtschaften. Das trug Früchte. «Die beiden Hauptarbeitsfelder von Brot für alle hängen
stark zusammen», betont Zentralsekretär Beat Dietschy.
«Damit alle Menschen Zugang zu Nahrung haben, braucht
es eine Wirtschaft, bei der das Wohlergehen der Menschen
mindestens so stark gewichtet wird wie der eigene Profit.»
Die Ökumenische Kampagne 2014 zeigte auf, wie die
Kleiderproduktion Mensch und Umwelt vergiftet. Das im
Spätsommer vorgestellte erste Ethik-Rating für Handy oder
Computer ermöglicht beim Kauf Hersteller zu wählen, denen Arbeitsbedingungen und Umweltschutz wichtig sind.
Damit ethisch wirtschaften zur Norm wird, setzt sich Brot
für alle für entsprechende Gesetze und Vorschriften ein. Im
Bereich Recht auf Nahrung wurden 2014 bessere Regelungen
rund ums Saatgut erreicht, sowohl in der EU wie in Benin.
Tiefer Kostensatz
2014 erreichte der Gesamtertrag von Brot für alle 18,7
Millionen Franken. Das ist nach über 9 Prozent Zuwachs
im Vorjahr ein leichter Rückgang um rund 3,5 Prozent. Der
Aufwand für Administration und Mittelbeschaffung blieb
mit 15 Prozent des Gesamtertrags sehr tief und unter dem
Durchschnitt der Zewo-zertifizierten Organisationen. Sechs
von sieben Spendenfranken helfen direkt den Partnerorganisationen mit ihren rund 350 Projekten. uw
Jahresbericht herunterladen: www.brotfueralle.ch/jahresbericht
TAGUNG BROT FÜR ALLE VOM
11. SEPTEMBER 2015
© Brot für alle / Monika Flückiger
Hunger, Wut und Wandel –
Empörung als treibende Kraft für
gesellschaftliche Veränderung
Liang Pui Kwan, Projektleiterin bei Sacom, Partnerorganisation von Brot für alle in Hongkong,
erzählte eindrücklich vom Malaise in chinesischen Fabriken. Zugleich brachte sie charmant
das ethische Rating unter die Leute.
Auch im Alltag brauche es Änderungen, unterstreicht
Jeanne Pestalozzi, Präsidentin des Stiftungsrates von Brot für
alle: «Wir zeigen den Konsumentinnen und Konsumenten
sowie den Bürgerinnen und Bürgern, was sie ändern können, um nachhaltiger zu leben. Doch wir setzen uns auch
Hunger und Wut sind seit jeher treibende Kräfte für gesellschaftlichen Wandel. Angesichts der sozialen, ökologischen
und wirtschaftlichen Krisen und rund 800 Millionen Hungernden weltweit ist Wandel heute sogar nötiger denn je. Doch
wohin soll uns dieser führen? Anlässlich der Tagung von Brot
für alle skizzieren Expertinnen und Experten aus Theologie,
Wissenschaft und Medien den nötigen Wandel in Wirtschaft,
Landwirtschaft, Gesellschaft und damit auch in der Entwicklungszusammenarbeit. Gemeinsam mit Referenten und Referentinnen wie Luzia Sutter Rehmann (Universität Basel), Ridha
Chennoufi (Universität Tunis), der tunesischen Bloggerin Lina
Ben Mhenni und anderen lädt Brot für alle Fachpersonen und
Teilnehmende dazu ein, gemeinsam und grenzüberschreitend
Lösungsansätze für unsere Zukunft zu entwickeln. uw
Information und Anmeldung: www.brotfueralle.ch/tagung oder
[email protected].
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Nr.2 | 2015
HEKS-INLANDKAMPAGNE
Inländisches Fachkräfte –
potenzial nutzen
Nina Gilgen, Christine Spirig, Olivier Schmid
Bei der dritten Auflage seiner nationalen Kampagne «Chancengleichheit zahlt sich aus» sensibilisiert
HEKS Schweizer Unternehmen für das Potenzial
hochqualifizierter Migrantinnen und Migranten bei
Ausländische Diplome als Hindernis
Dabei ist gerade die Nachfrage der Unternehmen nach
hochqualifiziertem Personal besonders gross. Dennoch sind
schätzungsweise 50 000 Zugezogene aus Drittstaaten (d.h.
mit Herkunft ausserhalb des EU/EFTA-Raums), die einen
Hochschulabschluss haben, erwerbslos oder für ihre aktu-
© HEKS
der Bekämpfung des Fachkräftemangels.
der Einwanderungsinitiative und der möglichen Einführung
von Kontingenten wird es aber immer wichtiger, auch das
Potenzial von inländischen Fachkräften besser zu nutzen.
Bund, Kantone, Arbeitgeber- und Branchenverbände erarbeiten bereits seit einigen Jahren Strategien, um Frauen, ältere Arbeitnehmende sowie niedrigqualifizierte Migrantinnen
und Migranten besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren,
das Potenzial hochqualifizierter Migrantinnen oder Migranten blieb hingegen bisher weitgehend unbeachtet.
Viele der hochqualifizierten Migrantinnen und Migranten haben eine Arbeit, für die sie viel zu gut ausgebildet sind.
Schweizer Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu rekrutieren. Das Staatssekretariat für Wirtschaft geht von 260 000 fehlenden inländischen Fachkräften aus – bis im Jahr 2020 könnten der
Schweiz gar deren 430 000 fehlen.
Die Unternehmen rekrutierten in den letzten Jahren darum vermehrt ausländische Fachkräfte. Mit der Annahme
ell ausgeübte Tätigkeit überqualifiziert. Eine von HEKS in
Auftrag gegebene Studie zeigt: Obwohl 43 der 48 befragten
Unternehmen aus dem Bau- und Gastgewerbe, der Informatik- und Ingenieursbranche sowie dem Gesundheits- und
Pflegebereich das Potenzial der hochqualifizierten Migrantinnen und Migranten aus Drittstaaten erkennen, stellen sie
Personen aus dieser Bevölkerungsgruppe wegen verschiedener Hindernisse dennoch nicht ein.
contigo
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Nr.2 | 2015
Eine nationale Diplomdatenbank
© Guy Perrenoud/HEKS
Um die Integration von hochqualifizierten Menschen
aus Drittstaaten weiter zu verbessern, hat HEKS zusammen
mit der Basler SP-Ständerätin Anita Fetz einen parlamentarischen Vorstoss erarbeitet. Der Bundesrat wird beauftragt,
nach dem Vorbild Deutschlands den Aufbau einer nationalen Datenbank zu prüfen, die ausländische mit schweizerischen Berufs- und Studienabschlüssen vergleicht. Das würde
nicht nur die Anerkennungspraxis für ausländische Arbeitssuchende erleichtern, sondern auch die Anstellungsverfahren der Unternehmen. Letztere könnten sich mit Hilfe der
Datenbank leichter ein Bild von den Fähigkeiten und Qualifikationen der Bewerbenden machen.
Chimène Maraviglia aus Benin hat einen Bachelor in Dokumentation, muss in der Schweiz
aber Stellen annehmen, für die sie überqualifiziert ist. Mit Hilfe einer Diplomdatenbank
könnten sich die Unternehmen leichter ein Bild von ihren Fähigkeiten machen.
Als Grund führen die befragten Unternehmen ungenügende Sprachkenntnisse an, die fehlende Vergleichbarkeit
von ausländischen Diplomen und Arbeitszeugnissen mit
Schweizer Zertifikaten, den hohen administrativen Aufwand sowie ein erhöhtes Konfliktrisiko aufgrund kultureller
Unterschiede. Die Unternehmen geben an, dass sie vermehrt
hochqualifizierte Migrantinnen und Migranten einstellen
würden, wenn sie Hilfe bei der Sprachförderung, Unterstützung bei der Interpretation ausländischer Diplome und Integrationshilfen in Anspruch nehmen könnten.
Das HEKS-Projekt «Ponts Emploi»
Auf der anderen Seite sind aber auch die Migrantinnen
und Migranten auf Unterstützung angewiesen. Zwar können sie beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und
Innovation (SBFI) und weiteren Anerkennungsstellen eine
Gleichwertigkeits-Anerkennung beziehungsweise Niveaubestätigung für ihre im Ausland erworbenen Diplome einholen.
Doch viele von ihnen sind über diesen aufwendigen Prozess
nach wie vor schlecht informiert. Zudem stellen die hohen
Gebühren für viele ein unüberwindbares Hindernis dar.
Das HEKS-Projekt «Ponts Emploi» berät darum im Auftrag des Staatssekretariats für Migration (SEM) hochqualifizierte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, um ihre
Chancen bei der Suche nach einer ihren Qualifikationen
entsprechenden Arbeitsstelle zu verbessern. Sie erhalten Unterstützung bei der Anerkennung ihrer im Aus- und Inland
gemachten Berufserfahrung und im Ausland erworbener
Abschlüsse. Zudem erhalten die Migrantinnen und Migranten Beratung bei der Auswahl und Finanzierung von fehlenden oder weiterführenden Bildungsmassnahmen.
www.gleiche-chancen.ch:
Die Website bietet Praxistipps für Unternehmen zur Förderung der
Chancengleichheit, zwölf Firmenporträts als Best Practice-Beispiele
sowie die HEKS-Publikation «Hochqualifizierte MigrantInnen aus Drittstaaten – Ungenutztes Potenzial gegen Fachkräftemangel» mit den
wichtigsten Ergebnissen der Studie über inländische Fachkräfte und
Lösungsansätzen für die Rekrutierung dieser Personengruppe.
politisches Handeln
HEKS FORDERT
- Aufbau einer nationalen Datenbank, die ausländische mit schweizerischen Berufs- und Studienabschlüssen vergleicht –
zur Erleichterung und Vereinheitlichung der Anerkennungspraxis und als Interpretationshilfe für Unternehmen.
- Schaffung von Angeboten zur Integrationsförderung für
Unternehmen wie interkulturelle Vermittlung, Trainings und Konfliktmediation oder Mentoring-Programme
- Aufwertung des Status der vorläufigen Aufnahme zu einem ordentlichen Aufenthaltsrecht zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands bei der Rekrutierung aus dieser Personengruppe
handelnde Unternehmen
- Unterstützung von hochqualifizierten fremdsprachigen Mitarbeitenden durch ein spezifisches Angebot an internen oder externen Sprachkursen
- Gezielter Einsatz von integrationsfördernden Massnahmen wie interkulturelle Vermittlung, Coaching- und Mentoring-Angebote
- Vertiefte Eignungsprüfungen für Bewerberinnen und Bewerber,
zum Beispiel durch mehrwöchige Praktika
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Nr.2 | 2015
HEKS hilft im Ausland und in der Schweiz
FLÜCHTLINGSSONNTAG
Zuflucht gewähren –
Menschen schützen
Regula Demuth und Olivier Schmid
Am 21. Juni können die Kirchgemeinden für die über
50 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht
vor Krieg und Verfolgung sind, ein Zeichen der Solidarität setzen. HEKS stellt dafür eine breite Palette an
Materialien zu Verfügung.
Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Alleine in Libanon leben über
eine Million syrische Flüchtlinge, täglich werden 2500 neu registriert. Der Libanon ist mit der Unterbringung dieser Menschen überfordert, die oft unter prekären Umständen leben.
Um Menschen wie Mona mit dem Notwendigsten zum
Überleben zu versorgen, leistet HEKS in Flüchtlingslagern
in Libanon und im Nordirak Überlebenshilfe. Dennoch haben die Menschen dort kaum eine Perspektive. Deshalb fordert HEKS den Bundesrat auf, die Kontingente für syrische
Flüchtlinge auf 5000 zu erhöhen. Zudem verlangt HEKS
die Wiedereinführung des Botschaftsverfahrens im eigenen Land, damit sich bedrohte Menschen keiner lebensgefährlichen Flucht aussetzen oder sich verantwortungslosen
Schleppern anvertrauen müssen.
Mit rund 40 Projekten setzt sich HEKS auch in der
Schweiz für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten ein.
HEKS hilft ihnen bei der Integration, damit sie sich in der
Schweiz zurechtfinden und ein Leben in Würde und Sicherheit führen können.
Am Flüchtlingssonntag vom 21. Juni bietet sich für
Kirchgemeinden die Gelegenheit, das schwierige Schicksal
von Flüchtlingen aufzugreifen, darüber zu predigen, nachzudenken und zu diskutieren. HEKS stellt dafür auch dieses
Jahr eine breite Palette von Materialien zur Verfügung.
Sie können die verschiedenen Unterlagen unter www.
heks.ch/fluechtlingssonntag herunterladen oder per
E-Mail an flü[email protected] bestellen.
Ausgewählte regionale Veranstaltungen:
Filmfest in Zürich
© Pascal Mora/HEKS
Filmfest «Freiwillig für Flüchtlinge». Information: www.gefluechtet.ch
Donnerstag, 18. Juni, 17.30 bis 22 Uhr, Kulturmarkt,
Aemtlerstrasse 23, Zürich
Flüchtlingstag Region Basel
Grosses Fest in der Stadt Basel.
Weltweit sind rund 25 Millionen Kinder auf der Flucht. Oft leben sie, wie diese syrischen Kinder
in Libanon, unter prekären Umständen.
Mona ist eine von ihnen. Sie hat im Flüchtlingslager Shatila in Beirut Zuflucht vor dem Krieg in Syrien gefunden. Mit
ihren drei Kindern lebt sie in einem kleinen feuchten Zimmer,
das nur mit dem Nötigsten ausgestattet ist: einem alten Kühlschrank, einer Herdplatte und Matratzen. Vor dem Krieg hat
sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Deera in Syrien
gelebt. «Die Kinder sind zur Schule gegangen und haben sich
mit ihren Freunden getroffen. Es war wie im Paradies.» Da ihr
ältester, 17-jähriger Sohn bald in die Armee eingezogen worden wäre, beschloss Mona, Syrien zu verlassen und mit ihren
Kindern in den Libanon zu fliehen. Von ihrem Mann, der in
Syrien zurückgeblieben ist, hat sie keine Nachricht.
Samstag, 20. Juni, 11 bis 22 Uhr, Barfüsserplatz, Basel
Podiumsdiskussion in Kreuzlingen
Thema: Unbegleitete minderjährige Asylsuchende im Thurgau.
Anschliessend Apéro und Film «Neuland».
Samstag, 20. Juni, 17 Uhr Podium, 19 Uhr Filmvorführung,
Torggler Rosenegg, Bärenstrasse 6, Kreuzlingen
Gottesdienst im HEKS-Garten Aarau
Reformierter Gottesdienst im Familiengarten für Flüchtlingsfrauen
mit anschliessendem Apéro und Gartenbesichtigung.
Sonntag, 21. Juni, 11 Uhr, Pflanzplatz Weihermatte (Haltestelle
Tellizentrum), Aarau
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Nr.2 | 2015
in den Projekten, aber auch von Stolpersteinen und Rückschlägen. Jedes Jahr entscheiden sie, ob sie ihre Patenschaft
erneuern möchten.
HEKS-PATENSCHAFTEN
Ein langfristiges Engagement
mit Wirkung
Eine HEKS-Patenschaft bedeutet, Verantwortung zu
übernehmen, genauer hinzusehen und näher dran zu sein.
Patinnen und Paten begleiten Menschen in schwierigen Situationen und ermöglichen ihnen eine bessere Zukunft.
Patinnen und Paten bei HEKS können neu zwischen zwölf themenbezogenen Patenschaften
Mehr Informationen: www.heks.ch/patenschaften
wählen. Während mindestens einem Jahr unterstützen sie Menschen in schwierigen Situationen in der
Schweiz oder im Ausland.
AGENDA AUGUST/SEPTEMBER
«Lunchkinos» in verschiedenen
Schweizer Städten
© Andreas Schwaiger
Auch dieses Jahr präsentiert Ihnen HEKS im Rahmen
von «Lunchkinos» den Film zur jährlichen HEKS-Sammelkampagne «Entwicklung ermöglichen». Der neue Kampagnenfilm zeigt die Arbeit von HEKS in Brasilien. Für Verpflegung ist gesorgt.
Orte und Daten: Zürich: Montag, 31.8., Bern: Freitag, 4.9.,
Luzern: Dienstag, 8.9., Basel: Freitag, 11.9., Thun: Donnerstag, 17.9., St. Gallen: Freitag, 25.9.
Beginn: jeweils 12 Uhr
Informationen: www.heks.ch/lunchkino
Patinnen und Paten können neu zwischen zwölf themenbezogenen Patenschaften wählen. Eine
davon verhilft älteren und bedürftigen Menschen in Osteuropa zu einer qualitativ hochstehenden
medizinischen, pflegerischen und sozialen Unterstützung.
Patinnen und Paten leisten mit einem Franken pro Tag
während mindestens einem Jahr wichtige kontinuierliche
Hilfe zu Gunsten benachteiligter Menschen in der Schweiz
und im Ausland. Da die Beiträge der Patinnen und Paten
zweckgebunden in die von ihnen bevorzugten Projekte
fliessen, unterstützen sie denjenigen Bereich, der ihnen besonders am Herzen liegt: Sie stärken in Kambodscha die
Lebensgrundlagen von Kleinbauernfamilien, verbessern in
Äthiopien den Zugang zu sauberem Trinkwasser für ländliche Gemeinschaften oder unterstützen in Brasilien mittellose Familien beim Kampf um Land. Sie fördern aber
auch den Berufseinstieg von Jugendlichen in der Schweiz,
unterstützen die Betreuung alter Menschen in der Republik
Moldau oder verhelfen Frauen in Rumänien zu einer Starthilfe auf dem Weg zum eigenen Einkommen und zu mehr
Selbständigkeit.
Im jährlichen Bericht erfahren die Patinnen und Paten
aus erster Hand von den Fortschritten und erreichten Zielen
NEUES LOGO
HEKS hat ein neues
Corporate Design
Seit dem 1. Mai hat HEKS ein neues Corporate
Design. Kernelement des neuen Erscheinungsbildes ist das zweisprachige Logo, das neu die beiden
Abkürzungen «HEKS» und «EPER» vereint und
so die beiden Sprachregionen als konstituierende
Teile der Organisation sichtbar macht. Die Bildmarke bleibt Teil des neuen Logos. Die Bildmarke
versinnbildlicht grundlegende Werte der HEKSArbeit im In- und Ausland und hat einen hohen
Wiedererkennungswert. Neu ist die Bildmarke weiss und mit
einem roten Quadrat hinterlegt und bringt damit verstärkt
die Verankerung von HEKS in der Schweiz zum Ausdruck.
Mehr Informationen zum neuen Corporate Design: [email protected]
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contigo
Nr.2 | 2015
ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
Wirkungsorientiert denken
Interview: Katrin Pilling* / Redaktion: Michael Schlickenrieder
Die Entwicklungszusammenarbeit hat sich grundlegend verändert. Im Interview erklärt Jochen Kirsch,
Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen von
Mission 21, was dies für die Zusammenarbeit mit
den Partnern bedeutet.
den Zugang zu lokalem Wissen über Religion, Konfliktfelder
und den Bedürfnissen der Menschen vor Ort. Solche Basisdaten sind unverzichtbar.
Wichtig ist jedoch, dass wir den Partnern erklären, dass es
zunächst unser Bedürfnis ist, so vorzugehen. Meine Erfahrung
zeigt: Die Partner schätzen es, wenn wir nicht als die Starken
erscheinen, sondern ihnen sagen: «Hier brauchen wir euch.»
Das entspricht einer Beziehung auf Augenhöhe. Zudem haben
wir von ihnen bisher einhellig die Rückmeldung erhalten, dass
es auch für sie selbst ein grosser Gewinn ist, wirkungsorientiert zu arbeiten. Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen wir
unsere Partner aber nötigenfalls im Aufbau entsprechender
Kompetenzen und Strukturen unterstützen, also in der Organisations- und Personalentwicklung.
Dieses Capacity Development (Aufbau
von Fähigkeiten) ist deswegen ein zentrales Thema von Mission 21.
© Mission 21
Wirkung lässt sich nicht immer
gut messen. Besteht die Gefahr, dass
nur noch Programme durchgeführt
werden, deren Ergebnisse sich einfach
nachweisen lassen?
Nein. Es braucht einfach mehr
Aufwand: zum einen im Bereich des
bereits erwähnten Capacity Development, zum anderen durch lokale
Koordinationen. Sie helfen, Projekte
und Programme besser aufeinander
abzustimmen, zu planen und auszuwerten. Dabei geht es nicht bloss um
Ergebnisse, die sich in Zahlen ausdrücken lassen. So hat Mission 21 etwa
Eine Beziehung auf Augenhöhe. Markus Gamache (links) von der nigerianischen Kirche der Geschwister und Jochen Kirsch.
viele Programme im Bildungsbereich.
Bei der Erfassung ihrer Wirkung interessiert mich nicht
Wie hat sich die Entwicklungszusammenarbeit in den
nur, wie viele Mädchen zur Schule gehen, sondern auch ob
letzten Jahrzehnten verändert?
ihr Schulbesuch tatsächlich zu einem selbstbestimmten LeFrüher lag der Fokus auf den Aktivitäten, heute ist die
ben führt. Das lässt sich etwa nachweisen durch Interviews
Wirkung entscheidend. In diesem Sinne ist es weniger wichund das Sammeln von Lebensgeschichten. Und hier sind wir
tig, wie viele Kinder wir in einem Flüchtlingslager geimpft
wieder beim Programmansatz: Ein Schulprojekt sollte in Verhaben, sondern inwiefern sich dadurch die Kindersterblichbindung stehen mit anderen Angeboten, die Mädchen mehr
keit verringert hat. Zweitens gab es eine Verschiebung von
Mitbestimmungsmöglichkeiten eröffnen.
einzelnen Projekten hin zu thematischen, Landes- oder sogar
Kontinentalprogrammen. In einem Programm sind mehrere
Das klingt nach einem enormen Begleitaufwand.
Projekte aufeinander abgestimmt. Geschieht dies nicht, könQualität hat ihren Preis. Einer Organisation, die sagt, dass
nen sich Projekte gegenseitig in der Wirkung behindern.
sie von 100 gespendeten Franken 99 Franken an ein Schulprojekt weiterleitet, würde ich nie etwas spenden! Es kann ja
Mission 21 versteht sich als Beziehungsnetzwerk und
sein, dass wegen fehlender Begleitung die Schule Konflikte
Lerngemeinschaft. Ist diese Tendenz zur Wirkungsorientiein der Bevölkerung auslöst. Gewissenhafte Programmarbeit
rung damit vereinbar?
braucht ein vernünftiges Mass an Begleitaufwand.
Für mich ist das kein Widerspruch. Ich denke, wir haben
gerade dank unseren langjährigen Beziehungen eine ausgezeichnete Basis, um wirkungsorientiert zu arbeiten. Denn
* Katrin Pilling ist Redaktorin im Team Öffentlichkeitsarbeit von Mission 21.
erst diese vertrauensvollen Beziehungen ermöglichen uns
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Nr.2 | 2015
PERSÖNLICH
Eine Lehrerin, die mehr als das war
Elisabeth Debrunner war 27 Jahre lang für die
Basler Mission in Afrika. Die heutige 100-Jährige
arbeitete als Lehrerin und Schulvorsteherin. Und
wusste sich zu wehren, wenn es nötig war.
Bereits früh erlebte Elisabeth Debrunner schwierige Jahre.
Von Basel, wo sie 1914 geboren wurde, zog sie mit ihren Eltern
zunächst nach Zürich, dann nach Greifswald (D) und Bern,
und 1925 in die Universitätsstadt Jena. Die vielen Umzüge
hätten sie und ihre vier Geschwister in der Kindheit ein wenig
wurzellos gemacht, berichtet Debrunner. Doch weil ihr Vater
Professor für vergleichende Sprachwissenschaften und Sanskrit war, seien diese nötig gewesen. «1935
war er in einen Prozess mit der Hitlerregierung involviert: wegen ‹Lächerlichmachen der Winterhilfe›, einer getarnten Naziorganisation. Wir hatten grosse
Angst um ihn», erzählt Debrunner. Die
Familie kam mit dem Schrecken davon
und musste aber zurück in die Schweiz.
Kostengründen selbst anbaut. Das wäre für die Lehrerinnen
und Mädchen jedoch ein viel zu grosser Aufwand gewesen,
entgegnet Debrunner. «Deshalb haben wir anstatt der geplanten 2000 Hühner nur deren 20 gehalten und ein wenig
Tomaten und Pfeffer angepflanzt.»
Schulvorsteherin und «Baumeisterin»
Damals war Debrunner bereits Vorsteherin der Schule.
Und es blieb nicht das einzige Mal, dass sie sich zur Wehr setzte: Damit mehr Lehrerinnen ausgebildet werden konnten, liess
die Regierung neue Gebäude bauen. Eine elektrisch betriebene Küche sollte es geben. Weil es aber im Dorf keine Elektrizität gab, redete Debrunner den Beamten in Accra diese Idee aus
und bestellte einen grossen Kochofen, der mit Holz aus dem
Wald betrieben wurde. Damit der Rauch abziehen konnte,
hatte Debrunner die Idee, vom Ofen aus eine Rinne im Boden
anzufertigen, die mit Zementplatten zugedeckt wurde und
zum ebenfalls neu gebauten Kamin führte. «Ich konnte stets
den Kopf gebrauchen», resümiert sie zufrieden.
Nach ihrer Ausbildung zur Sekundarlehrerin und Anstellungen in Bern,
Zürich und Bukarest nahm es ihr «den
Ärmel rein mit der Basler Mission»,
schmunzelt Debrunner. 1948 reiste sie
nach Ghana, in die kleine Stadt Agogo
– rund 170 Kilometer nordwestlich von
der Hauptstadt Accra und «mitten im
Busch». Die Basler Mission unterhielt
dort seit langem ein Lehrerinnenseminar. Debrunner unterrichtete Geschichte, Religion, Mathematik, und
Englisch. Es sei schwierig gewesen, den
«Noch immer stellen sie mich hier im Wildermettpark an, um Reden zu halten», sagt die 100-jährige Elisabeth Debrunner.
jungen Frauen Englisch beizubringen.
Denn deren Sprache konnte sie kaum. Als sie in Agogo an1972 kehrte Debrunner wieder in die Schweiz zurück und
kam, waren es rund 80 Schülerinnen. Bei ihrer Heimkehr
kümmerte sich bis auf gelegentliche Vorträge in Gemeinden
1972 sollten es 320 sein.
fortan um ihre kranke Mutter. Nach deren Tod meldete sich
Debrunner wieder bei der Basler Mission: 1974 reiste sie nach
Batibo in den Nordwesten Kameruns und brachte dort an eiGhana erlebte gerade einen tiefgreifenden Wandel. 1952
ner Sekundarschule der Basler Mission englischsprachigen
wurde Kwame Nkrumah der erste schwarze PremierminisKindern Französisch bei. Nach drei «ebenfalls guten» Jahren
ter Ghanas. Fünf Jahre später erlangte das Land, als erstes
wurde sie schliesslich pensioniert. Heute lebt die 100-jährige
in Afrika, die Unabhängigkeit. 1969 kam der junge Akwasi
Elisabeth Debrunner zufrieden im schönen Haus am Rande
Afrifa an die Macht. «Er regierte schlecht. Das betraf leider
der Stadt Bern. Gerne zeigt sie Fotos von früher. Während sie
auch uns, weil das Seminar vom Staat finanziert wurde», hält
die Geschichten dazu erzählt, wirkt sie glücklich. ms
Debrunner fest. Afrifa wollte, dass die Schule ihr Essen aus
© Mission 21/Michael Schlickenrieder
Als junge Lehrerin nach Ghana
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Nr.2 | 2015
Erst in der zweiten Jahreshälfte 2014 hat die Regierung
unter nationalem und internationalem Druck begonnen zu
reagieren. Die staatliche Hilfe reicht jedoch bei weitem nicht
aus, um den Bedarf zu decken. Zivilgesellschaftliche Organisationen, allen voran die betroffenen Kirchen, versuchen, die
Lücken zu füllen und die akute Not der Flüchtlinge zu lindern.
AKTUELL
Hilfe für Nigeria wird ausgebaut
Armin Zimmermann und Richard Geer*
Im Jahr 2014 lancierte Mission 21 ein umfangreiches Soforthilfeprogramm für Flüchtlinge, Witwen
und Waisen in Nigeria. Wegen der anhaltenden Not
wird die Soforthilfe weiter ausgebaut.
Mission 21 unterstützt die Menschen kurz-, mittel- und
langfristig in enger Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen und der lokalen Kirche der Geschwister. Dabei setzen
wir weiter auf drei Bausteine: Flüchtlingshilfe, Witwen- und
Waisenfonds und interreligiöse Friedensarbeit.
© Church of the Brethren / David Sollenberger
So hilft Mission 21:
Soforthilfe – gegen die allerschlimmste Not
Für rund 30 000 Personen, vor allem für Flüchtlingsfamilien, Witwen und Waisenkinder, stellen wir Grundnahrungsmittel, Kleidung, Decken, Medikamente und weitere
dringend benötigte Hilfsgüter zur Verfügung.
Hilfsgüter werden zu den Familien in Nordostnigeria getragen.
Die Schreckensmeldungen aus Nordostnigeria reissen
nicht ab. Angriffe von Boko Haram sowie die Ermordung
und Entführung unzähliger Zivilisten – unter ihnen viele
Kinder – sind an der Tagesordnung.
Die radikale islamistische Gruppierung hatte in den vergangenen Monaten weite Teile des Bundesstaates Borno und
des Nordens des Bundesstaates Adamawa unter ihre Kontrolle gebracht. Selbst die Millionenstadt Maiduguri stand
kurz vor der Einnahme. Zeitweise kontrollierte Boko Haram
ein Gebiet von etwa 50 000 Quadratkilometern mit einer Bevölkerung von circa 1,8 Millionen Menschen. Zusätzlich verübte sie Anschläge auf Militärstationen, Kirchen, Moscheen
sowie zivile Einrichtungen im gesamten Norden des Landes,
bis in die Hauptstadt Abuja.
Kirchen leisten Flüchtlingshilfe
In Nigeria gibt es mittlerweile zwei Millionen Binnenflüchtlinge. Zusätzlich sind etwa 200 000 Menschen in die
Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad geflohen. Die
meisten von ihnen haben alles verloren und sind auf schnelle
Hilfe angewiesen. Eine Vielzahl von Flüchtlingen kampiert
im Freien.
Unterkunft – ein sicheres Zuhause
Wir unterstützen verfolgte Christen und Muslime mit
dem Bau von drei Flüchtlingscamps sowie festen Wohneinheiten, die Flüchtlingsfamilien eine dauerhafte Ansiedlung
ermöglichen. Zudem erhalten die Familien als Starthilfe dringend benötigte Haushaltsgegenstände wie Decken oder Töpfe.
Traumaarbeit – für die Gesundheit der Seele
Mit unserer Unterstützung schulen lokale und internationale Fachpersonen die Mitarbeitenden der Partnerorganisation in der Betreuung von traumatisierten Menschen.
Zukunftsperspektiven – für ein Leben nach der Flucht
Wir unterstützen die Menschen bei ihrem Neuanfang:
Wir stellen ihnen Geräte für den Ackerbau, Saatgut und
Düngemittel zur Verfügung, ermöglichen den Frauen handwerkliche oder hauswirtschaftliche Kurse sowie den Kindern den Besuch der Schule.
Friedensarbeit – für ein baldiges Ende der Gewalt
Gemeinsam mit unseren muslimischen und christlichen
Partnern vor Ort schaffen wir Verständigung und neues
Vertrauen. Wir fördern das gewaltlose Zusammenleben der
Bevölkerung über ethnische und religiöse Grenzen hinweg.
Die geplante Unterstützung von Mission 21 für die Menschen in Nordostnigeria beläuft sich auf 1,6 Millionen Franken für das Jahr 2015.
* Armin Zimmermann war Programmverantwortlicher Nigeria,
Richard Geer ist Leiter Fundraising bei Mission 21.
Informationen: www.mission-21.org/soforthilfe-nigeria
Spenden: PC 40-726233-2, IBAN Nr. CH58 0900 0000 4072 6233 2
(Vermerk: «999.1106»)
contigo
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Nr.2 | 2015
AGENDA
Kontinent-Abende
Dienstag, 9. bis Donnerstag, 11. Juni,
jeweils von 17.30–21.30 Uhr
Veranstaltungsorte:
Üblicherweise bei Mission 21 an der
Missionsstrasse 21 in Basel.
JUNI
Ausstellung «Rundum
Basler Mission»
17. April bis 31. Oktober (jederzeit
Thematische Inputs, musikalisches
Rahmenprogramm und Abendessen
Afrika-Abend: Dienstag, 9. Juni
Asien-Abend: Mittwoch, 10. Juni
Lateinamerika-Abend: Donnerstag,
11. Juni
Infos und Anmeldung: christa.nadler@
mission-21.org, 061 260 22 67
öffentlich zugänglich)
Stationen aus 200 Jahren: Eine Rotunde im Garten des Missionshauses
beleuchtet die Geschichte der Basler
Mission.
Ausstellung «Mission possible?»
«come–meet–share-Special»
Freitag, 12. Juni, ab 17 Uhr
Internationale Begegnung für junge
Erwachsene
Infos und Anmeldung:
www.mission-21.org/young
22. Mai bis 4. Oktober
Museum der Kulturen Basel,
Buchvernissage
Münsterplatz 20, Basel
Freitag, 12. Juni, ab 18 Uhr,
Anlässlich des Jubiläums der Basler
Mission realisiert das Museum der
Kulturen Basel eine umfassende
Ausstellung aus der ethnographischen
Sammlung der Basler Mission, die 1981
dem Museum übergeben worden ist.
Zunftsaal Schmiedenhof,
www.mkb.ch
Rümelinsplatz 4, Basel
Vorstellung der Publikation «Basler
Mission. Menschen, Geschichte, Perspektiven 1815-2015» mit anschliessendem Apéro. Herausgebende des
Buchs: Christine Christ-von Wedel
und Thomas K. Kuhn.
«Freundschaftstag»
Samstag, 13. Juni, ab 12.30 Uhr
Mit Mittagessen für Gäste aus dem Inund Ausland, Angeboten, Abendessen
Festwoche in Basel
«200 Jahre unverschämt
viel Hoffnung»
8. bis 14. Juni in Basel
Während der Festwoche tagt auch die
internationale Missionssynode, das
oberste Entscheidungsgremium von
Mission 21, mit Delegierten aus den
Partnerkirchen. Die Verhandlungen
sind öffentlich:
Mittwoch, 10. Juni, 14–17 Uhr
Donnerstag, 11. Juni, 9–17 Uhr
Grosses Jubiläumsfest
«Gemeinsam mit der Welt»
Sonntag, 14. Juni, Münsterplatz Basel
10 Uhr Festgottesdienst im Münster
11.30–17 Uhr Internationales Fest
auf dem Münsterplatz. Mit familienfreundlichem Programm, Live-Musik,
Show und Spiel sowie einem kulinarischen Angebot und Marktständen
aus aller Welt. Im grossen Festzelt ist
gemütliches Beisammensein bei jedem
Wetter garantiert.
Freitag, 12. Juni, 9–12 Uhr
www.mission-21.org/festwoche
Internationale Frauenkonferenz
Montag, 8. Juni, ab 14 Uhr
Konferenz internationales FrauenNetzwerk, Essen und Fest
SEPTEMBER
«Horizonte weiten»: Impulstagung für Kirchgemeinden
Samstag, 5. September, 9.30–17 Uhr
Frische Ideen für Ehrenamtliche in den
Kirchgemeinden. Mit Esther Schläpfer,
Pfarrerin am Berner Münster, und dem
«Chor der Nationen».
Infos und Anmeldung:
www.mission-21.org/horizonte
Internationales Symposium
Donnerstag, 24. bis Samstag,
26. September
Anlässlich des Jubiläums der Basler
Mission lädt Mission 21 zu einem
internationalen Symposium nach Basel
ein. Fachleute diskutieren drei Schwerpunkte: Polyzentrische Zugänge zur
Missionsgeschichte, Transformation der
Mission sowie Missionsgeschichte als
Potenzial für die Zukunft der Kirche.
Infos und Anmeldung:
www.mission-21.org/symposium
OKTOBER
«Da draussen bei den Heiden»
11. Oktober bis 8. November, Bern
Eine Veranstaltungsreihe zu den
Themen Mission, Rassismus und
Sklaverei. Mit einer Ausstellung,
einem Mundarttheater, Konzerten
und Geschichten. Spezialangebote für
KUW-Klassen und Gruppen aus den
Kirchgemeinden.
www.theaterensemble.ch
NOVEMBER
«200 Stimmen der Hoffnung»:
young@mission21-jahresevent
Samstag, 14. November
Am Jahresevent für junge Erwachsene
hören wir politische und kritische,
aber auch fröhliche und musikalische
Stimmen. Mit Referierenden und einem Rahmenprogramm des Musikers
Andrew Bond.
Infos und Anmeldung:
www.mission-21.org/young
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AGENDA
Nr.2 | 2015
Weitere Veranstaltungshinweise auf
den Seiten der Werke 10 bis 21
JUNI
Mission 21: Festwoche in Basel
«200 Jahre unverschämt viel
Hoffnung»
Montag 8. bis Sonntag 14. Juni, Basel
Information www.mission-21.org/festwoche
Hunger, Wut und Wandel
Tagung Brot für alle
NACHRICHTEN
Freitag, 11. Sept., 9.30-17 Uhr, Haus der
Religionen, Europaplatz, Bern
Empörung als treibende Kraft für gesellschaftliche Veränderung. Podium
und Workshops.
Information/Anmeldung: www.brotfueralle.ch/
veranstaltungen
Flüchtlingstag 2015
Internationales Symposium
Die Flüchtlingskatastrophe
in Syrien und Irak – und die
Schweiz
Hintergründe, Hilfe,
Herausforderung
Donnerstag, 24. bis Samstag, 26. Sept.
Samstag, 20. Juni, 10–17 Uhr, Zentrum
Karl der Grosse, Kirchgasse 14, Zürich
Hintergründe und Perspektiven
zum Welttag der Migranten und
Flüchtlinge aus journalistischer
(Kurt Pelda), geopolitischer (Guido
Steinberger) und islamischer (Lamya
Kaddor) Sicht
Workshops, Podium: Die Verantwortung der Schweiz.
Zum Jubiläum der Basler Mission lädt
Mission 21 zu einem internationalen
Symposium nach Basel ein. Fachleute diskutieren über: Polyzentrische
Zugänge zur Missionsgeschichte;
Transformation der Mission; Missionsgeschichte als Potenzial für die
Zukunft der Kirche.
Information/Anmeldung: www.mission-21.org/
symposium
Gegen Bildung und die Mädchen
Das Recht der Mädchen auf Bildung
gerät in vielen Ländern immer wieder
unter Beschuss. Gemäss einem Bericht
des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte vom Februar 2015 wurden
zwischen 2009 und 2014 in mindestens
70 Ländern der Welt Übergriffe auf
Schulen verzeichnet. uw
www.ohchr.org/Documents/HRBodies/CEDAW/
Report_attacks_on_girls_Feb2015.pdf
805 Millionen hungern
Jeder Mensch, der regelmässig unter
Hunger und Mangelernährung leidet,
ist einer zu viel. Dennoch ist die Statistik
der Uno-Sonderorganisation für Ernährung FAO erfreulich: Seit den 1980erJahren hat sich die Zahl der Hungernden weltweit um rund 200 Millionen auf
805 Millionen Menschen verringert. uw
www.fao.org/hunger/en
… UND AUSSERDEM:
Information: www.zh.ref.ch/termine/events
Mit dem Solartuktuk von Indien nach London
Ohne Tuktuks fährt und transportiert sich
SEPTEMBER
in indischen Städten fast gar nichts. Und
Sanfte Hügel, rauhe Gipfel –
Lebensraum Berge
Schöpfungszeit 2015
ebenso wuseln die wendigen Dreiräder
andernorts – und knattern und stinken
und verbrauchen teure Energie. Das muss
1.September - 4. Oktober 2015
Berge bilden die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Und sie
sind das Thema der Schöpfungszeit
2015 (vom 1. Sept. bis 4. Okt.). Die
oeku Kirche und Umwelt hat wieder
vielfältige Materialien vorbereitet.
www.oeku.ch, [email protected], 031 398 23 45
nicht sein, zeigt das Projekt des Inders
Naveen Rabelli. Er setzt auf Solarenergie
und spart damit nicht nur Emissionen, sondern auch Geld. Sogar wenn Strom aus
der Steckdose genutzt werde, ist Diesel etwa fünf Mal teurer. Wo der Schweizer
Solarpionier Piccard von West nach Ost die Welt umfliegen will, fährt Rabelli mit dem
Filmer Raoul Kopacka als Premiere für ein Solartuktuk von Bangalore nach London.
10 000 Kilometer, 100 Tage Fahrt und 0 Emissionen sind das Ziel. Auf der Comicnahe gestalteten Webseite lässt sich die Fahrt verfolgen. uw
www.solartuktuk.com
contigo
HINWEISE & MEDIENTIPPS
Nr.2 | 2015
BUCHTIPP
FILMPREIS
FILMTIPP
Das Vermächtnis eines
lebenslang Bewegten
Regisseurin Diep Hoang
Nguyen ausgezeichnet
Fruchtbarer Boden unter
den Füssen
«Ändere die Welt!» ruft Jean
Die vietnamesische Regisseu-
In Burkina Faso verschlechtert sich
Ziegler in seinem neusten Buch
rin Diep Hoang Nguyen hat am
die Bodenqualität. Gemeinsam
mit dem Untertitel jede und
Filmfestival von Freiburg den
baut die Bevölkerung von Gossina
jeden von uns zum Handeln auf.
jährlichen Filmpreis der Ökume-
viele kleine Staumauern mit Erfolg.
23
nischen Jury erhalten.
Thanh Duy Pham Tran, Hauptdarstellerin
Das Buch wird darum zum Vermächtnis eines 80-Jährigen, der ein
Leben lang gegen den von Menschen
verursachten Hunger und die Not der
Benachteiligten ankämpfte. Als Lücke
bleibt am Schluss aber, dass nur wenige
konkrete Anregungen helfen, um die
dringend nötigen Veränderungen von
Wirtschaft und Gesellschaft anzupacken. Die Arbeit von Jean Ziegler und
allen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, ist noch lange nicht beendet uw
Jean Ziegler, «Ändere die Welt!»,
Warum wir die kannibalische Weltordnung
stürzen müssen, Bertelsmann C. 2015,
ISBN: 978-3-570-10256-5, 28,50 Franken
Für den Spielfilm Flapping in the
Middle of Nowhere (Dap cánh giua
không trung) hat Diep Hoang Nguyen
den Preis der Ökumenischen Jury erhalten. Ihre Begründung: «Der Film
schildert ausdrucksstark und voller
Zärtlichkeit den täglichen Überlebenskampf eines sehr jungen Paares.
Die beiden stammen aus armem Milieu und die Frau ist ungewollt schwanger. Die Regisseurin thematisiert die
Frage nach dem Schutz des Lebens,
der Menschenwürde – hoffnungsvoll
und voller Poesie.»
Als Huyen von ihrem nichtsnutzigen Freund schwanger wird, ist schnell
klar, dass sie das Kind nicht behalten
wird. Die 17-jährige Collegestudentin
will das Geld für eine Abtreibung beschaffen. Bis sie klarer sieht, wächst das
kleine Wesen in ihrem Bauch über den
Termin für einen Abbruch hinaus.
Bevölkerungsdruck, Monokulturen, Viehzucht und Abholzung haben
dazu geführt, dass die wertvolle Humusschicht vielerorts verschwindet.
Der Film zeigt, wie der fortschreitenden Erosion Einhalt geboten wird. Mit
Unterstützung von Fastenopfer baut
die Bevölkerung von Gossina in harter
Gemeinschaftsarbeit kleine Steinmauern. Dadurch bleibt das Wasser in der
Regenzeit länger auf dem Boden liegen
und die fruchtbare Erde wird nicht
weggeschwemmt. Mit eigens hergestelltem Kompost wird zudem die Fruchtbarkeit verbessert.
© Katrin Oettli
© vvg
Wie schon in den bisherigen Büchern von Jean Ziegler mit unzähligen,
oft schrecklichen oder auf jeden Fall
aufwühlenden Details belegt, ist der
Zustand der Welt nicht so wie er sein
sollte. Und könnte. Alle sollten ihren
kleinen Teil übernehmen, das zu ändern, appelliert Ziegler an das Gewissen und gegen Apathie.
Bewohner bauen kleine Staumauern.
Der Film ist ein gutes Beispiel dafür,
wie mit einfachen Mitteln und geringen
Kosten viel zur Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum
beigetragen werden kann. dg
Fruchtbarer Boden unter den Füssen
Dokumentarfilm von Katrin Oettli, Schweiz
Burkina Faso 2003, 8 Min., ab 12 Jahren
Der von Brot für alle und Fastenopfer vergebene Preis von 5000 Franken
zeichnet Werke aus, die im offiziellen
Wettbewerb innovativ und künstlerisch
anspruchsvoll ethische und spirituelle
Fragen zur Darstellung bringen. uw
Bezug: Sammel-DVD «Hilfe, Selbsthilfe,
Verantwortung - Wie funktioniert Entwicklungszusammenarbeit?» Preis: Fr. 60.- ;
éducation21, 031 321 00 22,
[email protected]
Relimedia, 044 299 33 81
oder online (VOD): www.filmeeineweltvod.ch
Nr.2 | 2015
© ACT ailiance / Paul Jeffrey
contigo
Wer den Himmel im Wasser sieht,
sieht die Fische auf den Bäumen.
Chinesisches Sprichwort