Phosphorquellen optimal nutzen: Die hydrothermale

RESSOURCENTECHNOLOGIE
Phosphorquellen optimal nutzen
Die hydrothermale Carbonisierung verspricht energetische
Vorteile gegenüber der thermischen Trocknung und ermöglicht
auch zukünftig eine Mitverbrennung von Klärschlamm
Von Thomas M. Kläusli und Stepan Kusche
In Zukunft soll Klärschlamm in Deutschland gemäß dem Koalitionsvertrag aus
ökologischen Gründen nur noch thermisch verwertet werden. Zudem erarbeitet das
Bundesumweltministerium (BMU) zurzeit eine neue Klärschlammverordnung
(AbfKlärV), in welcher ein Gebot zur Phosphor-Rückgewinnung aufgenommen
werden soll. In der Schweiz wird mit der Revision der Technischen Verordnung über
Abfälle (TVA) bereits ab dem 1. Januar 2016 die Rückgewinnung von Phosphor aus
Klärschlämmen gesetzlich vorgeschrieben. Die EU hat zudem Phosphor auf die Liste
der 20 kritischen Rohmaterialien aufgenommen. Seit dem 1. Januar 2015 ist es in
Holland erlaubt, Recycling-Phosphor einzusetzen. Die hydrothermale Carbonisierung
(HTC) eröffnet neue Möglichkeiten für die thermische Klärschlammverwertung.
Dank einer effizienten Rückgewinnung des Phosphors aus der HTC-Kohle ist die
Mitverbrennung von Klärschlamm in Form von phosphatfreien HTC-Kohle auch in
Zukunft gesichert. Nachfolgend werden Ergebnisse einer Studie zur hydrothermalen
Carbonisierung vorgestellt, an der die AVA-CO2 Schweiz AG als Industriepartner
beteiligt war.
Thomas M. Kläusli
ist Chief Marketing Officer
AVA-CO2 Schweiz AG, Zug
Keywords:
Klärschlamm, Klärschlammverordnung, TVA, Phosphor, hydrothermale Carbonisierung,
Biokohle, HTC-Kohle
1 Der Flaschenhals des Lebens
Dipl.-Ingenieur Stepan Kusche
ist Geschäftsführer der AVA-CO2
Forschung GmbH, Karlsruhe
ReSource 3/2015
Phosphor ist der Flaschenhals des Lebens,
schrieb der Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimow bereits 1959 [1].
Seine damalige Aussage hat nichts an Aktualität verloren. Denn Phosphor ist Bestandteil der Erbsubstanz, es steckt in Adenosintriphosphat, das für die Energieversorgung
auf Zellebene verantwortlich ist und es ist
Baustein von Knochen, Zähnen und Pflanzen. Phosphor ist damit Bestandteil für alles
Leben auf der Erde. Die Krux: Phosphor ist
endlich. Wann genau die Phosphorreserven
zur Neige gehen ist umstritten. Laut der
Studie „World Phosphate Rock Reserves
and Resources“ von 2010, reichen die Vorräte noch 300 bis 400 Jahre [2]. Andere Untersuchungen deuten jedoch an, dass die
maximale Fördermenge bereits in 20 bis 25
Jahren erreicht sein könnte.
Die landwirtschaftliche Nutzung von
Klärschlamm, welche oft mit dem Kreis-
laufgedanken gerechtfertigt wird, ist aus
ökologischen Gründen umstritten. Neben
einer in vielen Teilen Europas bereits heute
vorhandenen Überdüngung, bestehen berechtigte Ängste, dass mit dem Klärschlamm schädliche pathogene Stoffe in die
Umwelt gelangen [3]. Neben diesen ökologischen Bedenken hat die Klärschlammausbringung einen weiteren Nachteil: Da der
Phosphor im Klärschlamm durch den Einsatz von chemischen Fällungsmitteln bei
der Abwasserbehandlung meist relativ stark
gebunden ist, bleibt die kurzfristige Pflanzenverfügbarkeit des eingebrachten Phosphors in der Regel ungenügend. Für einen
optimalen Pflanzenertrag muss in einigen
Fällen sogar mineralischer Phosphordünger dazugegeben werden. Aus diesem
Grund wird weltweit fieberhaft an der
Phosphor-Rückgewinnung geforscht und
nach Lösungen gesucht. Klärschlamm steht
hier im Fokus, da der Anteil an Phosphor
im Klärschlamm hoch ist. Aus technischer
19
RESSOURCENTECHNOLOGIE
Sicht ist die Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlammasche bereits heute möglich. Dies ist auch der Grund für die Vielzahl an bestehenden, oder geplanten Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen und unterschiedlichen Verfahren. Wegen der hohen Kosten
und des enormen Aufwandes wird jedoch noch keines der verschiedenen Phosphor-Rückgewinnungsverfahren aus Klärschlammasche kommerziell eingesetzt. Aber auch der Weg der PhosphorRückgewinnung aus dem Klärschlamm ist technisch schwierig und
wirtschaftlich nicht darstellbar. Eine flächendeckende PhosphorRückgewinnung aus Klärschlamm ist aus diesen Gründen wohl
nur über entsprechende Verordnungen und Gesetze erreichbar.
2 Politische Rahmenbedingungen
Nicht nur die Menge an Phosphatreserven geht zurück, auch die
Qualität nimmt konstant ab. Bereits heute ist der Schwermetallanteil in gewissen Phosphatminen bedrohlich hoch geworden [4].
Die EU hat reagiert und Phosphor auf die Liste der 20 kritischen
Rohmaterialien gesetzt [5]. In der Schweiz wird in der revidierten
Technischen Verordnung über Abfälle (TVA) die Rückgewinnung
von Phosphor aus Klärschlamm ab dem 1. Januar 2016 gesetzlich
vorgeschrieben. Dabei soll die Übergangsfrist lediglich fünf Jahre
betragen [6]. Auch in Deutschland wird das Thema einer gesetz­
lichen Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm derzeit intensiv diskutiert, da die landwirtschaftliche Verwertung in absehbarer
Zeit durch die thermische Verwertung abgelöst werden wird. Das
Bundesumweltministerium (BMU) bestätigte auf der 2nd European Sustainable Phosphors Conference (ESPC2) in Berlin am
5. bis 6. März 2015, dass ein entsprechendes Gebot zur Rück­
gewinnung in die novellierte AbfKlärV aufgenommen werden
soll [7]. Das BMU beabsichtigt ein Recyclingkonzept zur Nutzung
von Phosphor aus Abwasser und Klärschlamm der fachlichen Diskussion zuzuleiten und rechtlich verbindlich umsetzen. Dazu
schlägt das BMU in Übereinstimmung mit der Bund/LänderArbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) folgende Rahmenbedingungen vor.
cNährstoffrückgewinnung hat dann zu erfolgen, wenn der Klärschlamm einen Phosphorgehalt von mindestens 12 Gramm
(umgerechnet auf Phosphat: 30 Gramm) je Kilogramm Klärschlamm-Trockenmasse aufweist und der Klärschlamm einer
Verbrennungsanlage zugeführt werden soll.
cUnabhängig vom Phosphorgehalt gilt für Klärschlämme, die in
Monoverbrennungsanlagen eingesetzt werden, dass die erzeugten Aschen unmittelbar zur Herstellung von Phosphordüngemitteln zu verwenden oder zu lagern sind, bis eine Nutzung der
Asche (P-Gewinnung) erfolgen kann.
cGrundsätzlich nicht zulässig ist eine Vermischung von Klärschlamm mit anderen Abfällen, Stoffen oder Materialien. In
Ausnahmefällen können für Tiermehle, die ebenfalls hohe Phosphorgehalte aufweisen, zugelassen werden.
cAngemessene Übergangsfristen sind einzuplanen.
cDie Umsetzung der Regelungen sollte über die Verordnung auf
der Ermächtigungsgrundlage des § 11 KrWG erfolgen.
cKonkrete Verfahren zur Durchführung einer Nährstoffrückgewinnung sollten nicht vorgegeben werden. Jedem Klärschlammerzeuger obliegt die Entscheidung, welches technische Verfahren er zur Phosphorrückgewinnung einsetzen möchte.
Diskutiert werden die Gewinnung aus dem Abwasserstrom, aus
dem phosphorreichen Klärschlamm, aus der Asche aus Monoverbrennungsanlage oder aus der Klärschlammkohle aus der hydrothermalen Carbonisierung [8], [10].
20
3 HTC als Basis einer effizienten
Klärschlammverwertung
Die Grundlage einer energie-effizienten Trocknung von Klärschlamm sowie einer wirtschaftlichen Rückgewinnung von Phosphor könnte das Verfahren der hydrothermalen Carbonisierung
(HTC) darstellen. Eine Studie, die die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit finanzieller Unterstützung des
Schweizerischen Bundesamtes für Umwelt und mit der Beteiligung
der AVA-CO2 Schweiz AG als Industriepartner durchgeführt hat,
stellt fest, dass die HTC gegenüber der thermischen Trocknung
über 60 Prozent an thermischer und elektrischer Energie einsparen kann [9]. Da eine Phosphorrückgewinnung aus der HTC-Kohle möglich ist, kann dieser Wertstoff auch in Zukunft mitverbrannt werden.
Die hydrothermale Carbonisierung beschreibt generell ein chemisch-physikalisches Verfahren, welches unter Druck und Temperatur wässerige organischer Materialien (Biomasse) in braunkohleartige Partikel umwandelt. Diese sogenannte wässerige Inkohlung findet bei Klärschlämmen bei etwa einem Druck von 23 bar,
einer Temperatur von 210 Grad Celsius und einer Verweilzeit von
circa vier Stunden statt. Während dieser Zeit laufen im Reaktor
verschiedene chemische Reaktionen mit unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten – teilweise parallel – ab. Der erste Reaktionsschritt ist die Hydrolyse, also die Spaltung einer chemischen
Verbindung durch die Reaktion mit Wasser. Sie stellt durch die
Zerlegung der Biomasse eine große Anzahl an Reaktionspartnern
im Reaktor zur Verfügung. Je nach vorgegebenen Prozessbedingungen bilden sich damit unterschiedliche chemische Verbindungen und Spaltprodukte.
Die unter diesen Bedingungen gelösten Substanzen werden weiter unter Abspaltung von Wasser, Kohlenmonoxid und -dioxid
umgewandelt und zersetzt. Liegen genügend gelöste, reaktive Reaktanden vor, führen Polymerisations- und Kondensationsreaktionen zu entsprechenden „Kristallisationskernen“, die die Ausgangsbasis für die sich anschließende Karbonisierung bilden. Die Qualität der HTC-Kohle hängt in erster Linie von substrat- und prozessspezifischen Parametern ab. Zu den wichtigsten Eigenschaften der
Ausgangsmaterialien gehören etwa die Aufbereitung und Zusammensetzung der Biomasse, der Wassergehalt und das Verhältnis
von organischen zu anorganischen Anteilen. Zur Einordnung eines erfolgreichen Prozessverlaufes dient das Inkohlungsdiagramm
oder „Van Krevelen Diagramm“. Hier wird das molare Wasserstoff/
Kohlenstoff-Verhältnis über das molare Sauerstoff/KohlenstoffVerhältnis einer Biomasse aufgetragen und bewegt sich im Normalfall von rechts oben nach links unten. Die Abnahme der Wasserstoff- und Sauerstoffgehalte deutet auf die Bildung von Wasser,
Kohlendioxid und Kohlenmonoxid hin.
Die Ingenieure stimmen die Prozessführung exakt auf die jeweiligen Biomasseeigenschaften ab und beeinflussen über eine vordefinierte Temperatur-Zeit-Führung und -Regelung im Reaktor sowie über eine intelligente Prozesswasserführung in der Gesamtanlage die hydrothermalen Carbonisierungsreaktionen. Im Einklang
mit den weiteren resultierenden Prozessparametern wie dem
Druck und dem pH-Wert wird eine stabile Raum-Zeit-Ausbeute
erzielt, die es nicht nur ermöglicht, qualitativ hochwertige Klärschlammkohle im industriellen Maßstab herzustellen, sondern
während des gesamten Betriebs einer HTC-Anlage eine sehr homogene Biokohle herzustellen. Dies ist für die thermische Verwertung in der Industrie von großer Bedeutung.
Dass die Prozesstechnik zuverlässig funktioniert, kann die Unternehmensgruppe an ihrem F&E-Standort in Karlsruhe nachweiReSource 3/2015
RESSOURCENTECHNOLOGIE
sen. Um die erwähnte und beweisbare Redundanz sicher einhalten
zu können, haben sich die Ingenieure für das Batch- beziehungsweise Multibatch-Verfahren entschieden. Der Vorteil des Batchbetriebes liegt in der stabilen Fahrweise, bei der beispielsweise keine
sogenannten „Kurzschlussreaktionen“ auftreten, durch welche die
berechnete Reaktionsdauer nicht für die gesamte Biomasse garantiert werden kann, oder Wärmeübertragungsprobleme durch Anhaftungen sowie Belagbildung aufgrund von Strömungsgeschwindigkeitsgradienten. Die Nachteile bezüglich einer großen Indu­
strie- beziehungsweise Entsorgungsanlage werden durch einen
quasi-kontinuierlichen Multibatchbetrieb negiert und zu einem
skalierbaren Vorteil gewandelt. Die Ingenieure nutzten diesen
Umstand zur Entwicklung verschieden großer am Markt geforderter Industriemodule (siehe Abb. 1), zum Beispiel 50.000 und
80.000 Jahrestonnen MEKS (Mechanisch Entwässerter Klärschlamm) mit 25 Prozent Trockensubstanzgehalt. Die Module
können zu beliebigen Größen und Jahrestonnagen zusammengestellt werden.
Ein Segment eines Moduls (siehe Abb. 2) wird in Karlsruhe für
Versuchsreihen verwendet und kann pro Batchdurchlauf circa eine
Tonne Biokohle Trockensubstanz produzieren.
Das Produkt aus dem Reaktor ist ein kohlehaltiger Schlamm, der
sich – im Vergleich zu den Ausgangsmaterialien – im anschließenden Trennschritt sehr gut entwässern lässt. Tests beweisen, dass sich
durch die hydrothermale Umsetzung des Klärschlammes sphärische Partikel mit hydrophoben Eigenschaften bilden. Die schnelle
Wasserabgabe aus der Suspension und die erreichten Trockenrückstandsgrade von 70 Prozent belegen das Verhalten eindeutig.
Die produzierten HTC-Klärschlamm-Kohlen weisen eine Steigerung der Energiedichten um circa 20 Prozent auf 25.000 bis
28.000 Kilojoule pro Kilogramm (kJ/kg) auf, die denen der Braunkohlen entsprechen. Diese Werte gelten aber nur für den umgewandelten, organischen Anteil. Der real zur
Verfügung stehende Heizwert der HTCKohlen reduziert sich durch den hohen Inertanteil in Klärschlämmen von bis zu 55 Prozent bestehend aus b
­ eispielweise Sand, Silt
(Schluff) und Phosphaten und der verbleibenden Restfeuchte deutlich. (2)
Um schon im Vorfeld eine Aussage über
die Karbonisierbarkeit einer Biomasse treffen zu können, wird der HTC-Prozess anhand einer Analyse des Ausgangsmaterials
simuliert.
Abbildung 1: Verschieden große Industriemodule möglich
Abbildung 2: HTC-0 Industriemodul, Standort AVA-CO2-Forschung GmbH Karlsruhe
ReSource 3/2015
4 Phosphorrückgewinnung
aus HTC-Kohle
Im Hinblick auf die politisch gewünschte
und in Zukunft gesetzlich geforderte Phosphorrückgewinnung stellte sich die Frage, ob
eine Rückgewinnung von Phosphor aus dem
HTC-Prozess oder aus der HTC-Kohle möglich wäre. Ein solcher Ansatz würde den
Königsweg für die Verwertung von Klär­
schlamm darstellen, da zum einen die thermische Trocknung durch eine effizientere
und energiesparendere hydrothermale Carbonisierung abgelöst werden könnte und
zum anderen die Mitverbrennung in z. B.
­Zementwerken weiterhin möglich wäre, womit auf den Bau von Monoverbrennungs­
anlagen verzichtet werden könnte.
Bei der Phosphor-Rückgewinnung konnte
bereits die Studie der Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften (ZHAW) aufzeigen, dass die Rückgewinnung von Phosphor aus der Asche von HTC-Klärschlammkohle keine Nachteile gegenüber einer möglichen Rückgewinnung aus der Asche von
thermisch verwertetem Klärschlamm aufweist. Im Gegenteil: Die Rückgewinnung aus
der HTC-Asche ist gemäß den Ergebnissen
der Studie dank der tieferen Alkalinität (die
Alkalinität beschreibt das Säurebindungsvermögen, also die Menge „basisch“ wirkender
Kationen oder anderer säurebindender gelöster Stoffe) effizienter [10]. Die Rückgewin21
RESSOURCENTECHNOLOGIE
nung von Phosphor aus der HTC-Kohle entpuppte sich als noch deutlich effizienter. Den
Schlüssel zu dieser Entwicklung stellt die
veränderte chemische Struktur der HTC­
Klärschlammkohle dar. Verschiedene Versuchsreihen zeigten, dass die sphärischen,
­hydrophoben Kohlepartikel zwar eine hohe
Bindungsaffinität gegenüber den in der Klärschlammkohle eingelagerten Schwermetall­
verbindungen aufweisen, nicht aber zu den
vorhandenen Phosphatverbindungen. Diese
liegen lediglich schwach angelagert in
„Schlierenform“ vor und lassen sich zu
95–99 Prozent durch e­ inen Säureaufschluss
(Acid-Leaching) in ein Substrat (Leach­
wasser) überführen. Der spezifische Säureverbrauch an Schwefelsäure liegt theoretisch
(stöchiometrisch bestimmt) bei 4,8:1, das
heißt es werden 4,8 Gramm Schwefelsäure Abbildung 3: P-spezifischer Säureverbrauch bei verschiedenen HTC-Kohlen
(g H2SO4) für 1 Gramm rückgelösten Phosphor benötigt. Bedingt durch Stör­ionen, aber
auch durch die zum Beispiel unterschied­liche
Zusammensetzung (etwa durch verschiedene
Fällungsmittel wie Aluminium und Eisen),
kann diese Relation variieren (Abb. 3).
Durch dieses einfache Trennverfahren
wird der Metallanteil (85-90 Prozent), der in
der Klärschlammkohle verbleit, von der im
Leachwasser verbleibenden Phosphatfraktion getrennt: Beide stehen somit separat weiteren Veredelungsschritten zur Verfügung.
Die Abbildung 4 stellt die wichtigsten Elemente in der flüssigen Phase (Leachwasser)
und der festen Phase (Filterkuchen) dar. Es
ist deutlich zu sehen, dass nach der SäureRücklösung über 90 Prozent des Phosphors
im Filtrat zu finden sind, während die meisten Schwermetalle, mit Ausnahme von Cadmium, in der HTC-Kohle verbleiben. Die Abbildung 4: Verteilung von Phosphor, Kohlenstoff, Metallen in Filtrat und Filterkuchen
Klärschlammkohle wird in einem anschließenden Prozessschritt einer mechanischen Entwässerung unterzoBeispiel Metallsulfate als Fällungsmittel in die Kläranlagen zugen. Dank der Rücklösung des Phosphors, was zu einer Zerstörung
rückgeführt werden, findet die Phosphorsäure ihre Abnehmer
von Hydrathüllen führt, werden Entwässerungswerte von bis zu 75
in der Industrie. Die Qualität der Phosphorsäure, die bei diesem
Prozent erreicht. In einem weiteren Schritt kann die HTC-Kohle
Prozess entsteht, ist dank der tiefen Schwermetallkonzentratioauf bis zu 95 Prozent nachgetrocknet werden. Da die verbleibende
nen heutiger industrieller Phosphorsäure überlegen.
Restfeuchte nur noch aus Oberflächenwasser besteht, kann die 2 Über den Verfahrensschritt der Zudosierung von CalziumhydNachtrocknung mit wenig Energieaufwand durchgeführt werden.
roxidlösung kann als Alternative pflanzenverfügbares CalziumDie trockene, phosphorfreie HTC-Klärschlammkohle kann somit
phosphat ausgefällt werden. Kürzlich durchgeführte Versuchsauch nach einer allfälligen Verordnung zur Phosphorrückgewinreihen an der FHNW in Basel bestätigen sowohl die technische
nung in der Mitverbrennung eingesetzt werden. Insbesondere der
Machbarkeit als auch die positive Düngewirkung des derart geEinsatz in Zementwerken stellt einen interessanten und effizienten
wonnenen Calziumphosphates.
Verwertungsweg dar. Der Sand-/Siltanteil wird im Zementwerk
stofflich verwertet und die HTC-Klärschlammkohle kann auf- Die Abbildung 5 verdeutlicht die unterschiedlichen Stoffströme
grund des verbesserten Heizwertes fossile Brennstoffe ersetzen und möglichen Synergieeffekte innerhalb der Kombination von
und so den Kohlendioxid-Fussabdruck der Zementindustrie redu- hydrothermaler Carbonisierung und integriertem AVA cleanphos
zieren.
Prozess.
Der Phosphor kann auf zwei unterschiedliche Wege zu einem
vermarktungsfähigen Produkt aufgearbeitet werden.
5 Vorteil Ökobilanz
1 Über den Verfahrensschritt einer Membranfiltration lässt sich
der Restanteil der Metallfraktion 10 bis 15 Prozent, die als gelös- Die Autoren der Ökobilanz-Studie, Bättig et al. (2011) [11], verglite Metallsalze vorliegen (etwa Aluminium und Eisen), von der chen mittels einer Multikriterienanalyse 15 verschiedene VerfahPhosphorsäure abtrennen. Während die Metallsalze wie zum ren der Klärschlammentsorgung. In der Multikriterienanalyse
22
ReSource 3/2015
RESSOURCENTECHNOLOGIE
Kohle, in einem Zementwerk, in Bezug auf
den Verbrauch von nicht erneuerbaren Energien, den Treibhausgasemissionen, Eutrophierung, Human- & Ökotoxizität und radioaktiven Abfällen besonders positiv ab.
Die HTC in Kombination mit der beschriebenen Möglichkeit zur Phosphorrückgewinnung erlaubt genau dieses Szenario
und stellt daher aus diesem Blickwinkel die
effizienteste Technologie zur Klärschlammverwertung dar.
6 Hochleistungskohlenstoffe
Hydrothermale Prozesse stellen die Basis für
eine ganze Reihe von Produkten oder AnAbbildung 5: Gesamtkonzeption HTC mit integriertem AVA-cleanphos-Prozess
wendungsbereichen dar. Neben der thermischen Verwertung von HTC-Kohle ergeben
wurden wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Dimensio- sich auch unterschiedliche Möglichkeiten bei stofflichen Anwennen betrachtet. Im damaligen Vergleich wurden unter anderem die dungen. Hier steht insbesondere die Herstellung von sogenannten
Monoverbrennung, die Mitverbrennung in einem Heizkraftwerk, Hochleistungsstoffen wie Aktivkohle oder Carbon Black im Vordie Verbrennung in einer Müllverbrennung, die Entsorgung in der dergrund. So haben beispielsweise erste Versuche beim Karlsruhe
Zementindustrie, die Schlammvergasung, die Nassoxidation, die Institut für Technologie (KIT) gezeigt, dass sich HTC-KlärVergärung und die Ausbringung in der Landwirtschaft verglichen. schlammkohle ausgezeichnet eignet, Pulveraktivkohle für die AdDas HTC-Verfahren wurde damals nicht berücksichtigt. Eine Stu- sorption von Spurenstoffen herzustellen. Dies ist im Hinblick auf
die der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat die Einführung der 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen von Interesnachträglich die Umweltauswirkungen der HTC auf Basis der se. Die Laborergebnisse haben gezeigt, dass HTC-KlärschlammakMultikriterienanalyse umfassend beurteilt und mit den fünf häu- tivkohle bei der Adsorption ähnlich Ergebnisse erzielt wie handelsfigsten thermischen Entsorgungswegen verglichen. Der Vergleich übliche Pulveraktivkohlen. Eine Pilotphase in 2015 soll nun zeimittels Ökobilanz verfolgte zwei Ziele: 1) Identifikation der wich- gen, ob die Laborergebnisse auch in einer Kläranlage repliziert
tigsten Beiträge zu den Umweltauswirkungen des HTC-Prozesses werden können.
und Erarbeiten von Empfehlungen für eine Umweltoptimierung
des HTC-Verfahrens. 2) Vergleich des HTC-Prozesses mit weite- 7 Fazit
ren Verfahren der Klärschlammentsorgung aus Umweltsicht.
Für die funktionelle Einheit und Systemgrenze der Ökobilanz Das zukünftige Gebot zur thermischen Verwertung von Klärwurde die Verarbeitung von 1 Kilogramm ausgefaultem Klär- schlamm, welches im Koalitionsvertrag explizit erwähnt wird, gibt
schlamm mit einem TS von 21,3 Prozent zu HTC-Kohle mit einem die Richtung vor wie Klärschlamm in absehbarer Zeit in DeutschTS von 70 Prozent und einem Brennwert von 14 Megajoule pro Ki- land verwertet werden wird. Die HTC eröffnet hier neue Chancen
logramm (MJ/kg) festgelegt. Die entsprechende Systemgrenze um- und Möglichkeiten, um fossile Energieträger mit Klärschlammfasste das gesamte HTC-Verfahren inklusive Energieverbrauch für kohle zu ersetzen und so einen nicht unwesentlichen Beitrag zur
den HTC-Prozess, die erforderliche Infrastruktur und die Entsor- Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes zu leisten. Die Ergebgung des Prozesswassers. Das Bereitstellen des Klärschlamminputs nisse der Studie des Schweizerischen Bundesamtes für Umwelt
und das Verbrennen der HTC-Kohle wurden nicht miteinbezogen. ­zeigen: Die hydrothermale Carbonisierung ist den herkömmlichen
Der Vergleich zeigt relativ geringe Unterschiede zur thermischen thermischen Trocknungsverfahren in Bezug auf die Energie- und
Klärschlammtrocknung mit Abwärme. Sobald jedoch auch für den Ökobilanz überlegen. Die Technologie der PhosphorrückgewinHTC-Prozess Abwärme für die Dampferzeugung verwendet wird, nung aus der HTC-Kohle ermöglicht zudem auch, nach einer
zeigt die Ökobilanz eine deutliche Überlegenheit der HTC gegen- ­zukünftigen Verordnung zur Phosphorrückgewinnung die Mit­
über der thermischen Trocknung. Auch der Einsatz von HTC- verbrennung, was zu zusätzlichen Kohlendioxid-Einsparungen
Kohle, als Ersatz für fossile Energieträger, wie dies beispielsweise in durch den Ersatz fossiler Energieträger führen würde. Zudem ist
Zement- und Stahlwerken möglich wäre, macht die HTC aus Sicht die HTC-Technologie eine Alternative zu Monoverbrennungs­
der Ökobilanz zur bevorzugten Technologie. Der Ersatz von fossi- anlagen – mit entsprechenden Kosteneinsparungen. HTC-Anlalen Brennstoffen durch HTC-Kohle und die damit verbundene Re- gen erfüllen deshalb alle technologischen Voraussetzungen, um zu
duktion von Treibhausgasemissionen wurde in einer Studie von einem festen Bestandteil der Klärschlammverwertung zu werden.
Vogt & Fehrenbach (2012) untersucht. Die Studie identifizierte ein
großes Klimaschutzpotenzial beim Ersatz von Heizöl durch HTC- Literatur
Kohle in der Stützfeuerung von Schlammverbrennungsanlagen im
Bundesland Berlin. Die ZHAW-Studie kommt zu dem Schluss, [1] Zitiert in: Laukenmann, Joachim (2013): Mit dem Klärschlamm das Überleben sichern. Phosphor ist wichtig für Mensch, Natur und Landwirtschaft. Redass aus Sicht der Ökobilanz die Verbrennung von Klärschlamm in
cycling soll die drohende Knappheit des Schlüsselelements verhindern. In:
sonntagszeitung.ch. Beitrag vom 6. September 2013. Im Internet: http://info.
einer Müllverbrennungsanlage die höchsten negativen Umweltsonntagszeitung.ch/archiv/detail/?newsid=261465
auswirkungen in Bezug auf Metalle & Mineralien, Eutrophierung,
[2] Van Kauwenbergh, Steven: IFDC World Phosphate Rock Reserves and ReHumantoxizität und die Methode der ökologischen Knappheit
sources. Im Internet: http://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PNADW835.pdf [Stand
9. März 2015]
verursacht. Im Gegenzug schneidet die Verbrennung von HTCReSource 3/2015
23
RESSOURCENTECHNOLOGIE
[3] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (Herausgeber) (2006):
BUNDposition Klärschlamm. BUNDforderungen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Einklang mit Gesundheits- und Bodenschutz. BUNDposition 41/2006 der BUND Bundesarbeitskreise Abfall, Landwirtschaft, Bodenschutz und Wasser, Seite 6-8. Bearbeiter: Bandt, Olaf; Prenzel, Thorben. Im
Internet:
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/sonstiges/20050600_sonstiges_klaerschlamm_position.pdf
[4] Laukenmann, Joachim (2013), a.a.O. (Fn. 1)
[5] European Sustainable Phosphorus Platform - Phosphate rock in EU Critical
Raw Materials list. Im Internet: http://phosphorusplatform.eu/platform/
news/359-phosphate-rock-in-eu-critical-raw-materials-list.html [Stand 9.
März 2015]
[6] Bundesamt für Umwelt (BAFU): 4. TVA-Newsletter zum Stand der TVA-Revision. Im Internet: http://www.bafu.admin.ch/abfall/02202/12415/12907/index.html?lang=de#sprungmarke0_26 [Stand 9. März 2015]
[7] Bergs, Claus-Gerhard (BMU), Beitrag auf der Konferenz European Sustainable Phosphorus Platform, Berlin 5/6 März 2015
[8] Bergs, Claus-Gerhard (BMU), Beitrag auf Workshop „Abwasser-PhosphorDünger“, BAM, Berlin, 28/29. Januar 2014
[9] Krebs, R.; Baier, U.; Deller, A.; Escala, M.; Floris, J.; Gerner, G.; Hartmann, F.;
Hölzl, B.; Kohler, C.; Kühni, M.; Stucki, M. Wanner, R. (2013): Weiterentwicklung der hydrothermalen Karbonisierung zur CO2-sparenden und kosteneffizienten Trocknung von Klärschlamm im industriellen Massstab sowie der
Rückgewinnung von Phosphor. Schlussbericht UTF 387.21.11./ IDM
2006.2423.222. Herausgegeben von der Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften (ZHAW)
[10] Hochschule Ostwestfalen-Lippe (Herausgeber) (2014): Verbesserte energetische Nutzung organischer Industrieabfälle durch HTC. Forschungsbericht,
Höxter
[11] Bättig, M.; Klingler, G.; Büsser, S.; Frischknecht, R.; Schulthess, R. v.; Küttel, P.
(2011): Vergleich verschiedener Entsorgungswege des Klärschlamms aus der
Region Luzern mittels Multikriterienanalyse und Ökobilanzen. Herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), Kanton Luzern, Dienststelle Umwelt und Energie (uwe) und Recycling Entsorgung Abwasser Luzern (REAL),
Zürich, Uster, Luzern, Schweiz.
Kontakt:
Thomas M. Kläusli
AVA-CO2 Schweiz AG
Baarerstrasse 20 · CH-6304 Zug
Tel +41 41 727 09 70
eMail: [email protected] · Internet: www.ava-co2.com
Dipl.-Ing. Stepan Kusche
AVA-CO2 Forschung GmbH
Im Schlehert 14 · D-76187 Karlsruhe
Tel. 0721-9145081
Internet: www.ava-co2.com
IMPRESSUM
ReSource
Abfall – Rohstoff – Energie
Fachzeitschrift für nachhaltiges Wirtschaften
Telefon: 030/261 94 61 oder 261 68 54,
eMail: [email protected],
Internet: www.resource-zeitschrift.de und
www.muellmagazin.de
ISSN: 1868-9531
(Früher: MÜLLMAGAZIN · ISSN: 0934-3482)
(Gegründet 1988 vom IföR-Institut)
28. Jahrgang 2015
Redaktionsanschrift
TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky
Dorfstraße 51, D-16816 Nietwerder
Tel. 03391.45 45-0, Fax 03391.45 45-10
eMail: [email protected]
Chefredakteur
Professor Dr. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky
(verantw.)
Abonnentenbetreuung/Vertriebsleitung
Özge Kartal (Anschrift siehe
RHOMBOS®-VERLAG) Telefon: 030/261 94 61
eMail: [email protected]
Redaktion
Dr.-Ing. Stephanie Thiel,
Dipl.-Pol. Bernhard Reiser
Redaktionsbeirat
Professor Dr.-Ing. Michael Beckmann, Technische
Universität Dresden / Professor Dr. rer. nat. Matthias
Finkbeiner, Technische Universität Berlin / Professor
Dr.-Ing. Daniel Goldmann, Technische Universität
Clausthal / Professor Dr.-Ing. Karl E. Lorber, Mon­­tan­
universität Leoben / Dipl.-Ing. Johannes J. E. Martin,
Martin GmbH für Umwelt- und Energietechnik,
München / Dipl.-Chem.-Ing. Luciano Pelloni, TBF +
Partner AG Zürich / Dipl.-Ing. Christian Tebert, Ökopol GmbH, Hamburg / Prof. Dr. Andrea Versteyl,
Andrea Versteyl Rechtsanwälte, Berlin
Herausgeber und Verlag
RHOMBOS®-VERLAG, Bernhard Reiser
Fachverlag für Forschung, Wissenschaft und Politik
Kurfürstenstraße 15/16, D-10785 Berlin,
Anzeigen
Özge Kartal (Telefon: 030/261 94 61,
eMail: [email protected]) Anschrift siehe
RHOMBOS®-VERLAG
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 26 vom 1. 1. 2015.
Anzeigenschluß für ReSource, Heft 4, 2015, ist der
23. Oktober 2015.
Satz/Layout: Gerhard Karle, Tel. 05603-3392
Druck:
Druckhaus Humburg GmbH & Co. KG, Bremen
Erscheinungsweise:
ReSource erscheint vierteljährlich, jeweils zur Mitte
eines Quartals (Febr., Mai, Aug., Nov.). Ein Abonnement gilt zunächst für vier Ausgaben und verlängert
sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht
sechs Wochen vor Ablauf des Bezugszeitraums
schriftlich gekündigt wird.
Bezugspreise
Einzelheft 20,– Euro, incl. Versandkosten und MwSt.
Jahresabonnement Inland 62,– Euro, incl. MwSt. und
Versand, Jahresabonnement Ausland 72,– Euro), incl.
Versand, ohne MwSt.
Für Bezieher in Ausbildung 35,– Euro, incl. MwSt. und
Versand. Ausbildungsnachweis erforderlich.
Bei Luftpostlieferungen ins Ausland erfolgt ein
Zuschlag auf die Versandkosten.
Hinweis gemäß § 4 Abs. 3 Postdienstdatenschutz­
verordnung:
Mit der Unterschrift unter eine Abo-Bestellung wird
gleichzeitig das Einverständnis erklärt, dass die
­Deutsche Bundespost berechtigt ist, eine Anschriften­
änderung an den ReSource-Vertrieb mitzuteilen.
© by RHOMBOS®-VERLAG, Berlin
Wiedergabe und Nachdruck, auch auszugsweise, nur
mit ausdrücklicher Genehmigung des RhombosVerlages (die er auf Anfrage gerne erteilt). Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos können
Verlag und Redaktion keine Gewähr übernehmen.
Für mit Namen gezeichnete Beiträge übernimmt der
Einsender die Verantwortung. Redaktionelle Über­
arbeitungen und Kürzungen eingesandter Manuskripte liegen im Ermessen der Redaktion.
Redaktionsschluss für ReSource, Heft 4, 2015, ist der
30. September 2015.
ReSource
Abfall • Rohstoff • Energie
24
ReSource 3/2015