Vom Korn zum Brot - Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde

Museumspädagogische
Programme im Volkskundemuseum
Vom Korn zum Brot
(Mittelschule)
I NHALT
Das Korn –
Von der Aussaat des Getreides bis zum
vorläufigen Endprodukt Mehl
Die Getreidesorten
Die Aussaat
Die Ernte
Die Lagerung
Das Dreschen
Das Getreide säubern
Die Mühle
Foto: HMG
Das Brot –
Vom Mehl zum Grundnahrungsmittel
Die Entwicklung des Brotes
Brotteig herstellen im Pustertal
Brot backen
Die Brotaufbewahrung
Brot im religiösen Kontext und
Brotbräuche
H INWEIS: Diese Unterlage können Sie von unserer Website herunterladen:
www.volkskundemuseum.it/de/vom-korn-zum-brot.asp
Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Ostermontag–31 . Oktober
Herzog-Diet-Str. 24 | 39031 Dietenheim/Bruneck Dienstag bis Samstag: 1 0–1 7 Uhr
Tel. (+39) 0474 552 087 | Fax (+39) 0474 551 764 Sonn- und Feiertage: 1 4–1 8 Uhr
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„[…] Wenn reichliche Körner das Ackerfeld trägt, die Mühle dann flink ihre Räder bewegt. Und schenkt uns
der Himmel nur immerdar Brot, so sind wir geborgen und leiden nicht Not. […]“
(aus dem Volks- und Kinderlied „Es klappert die Mühle“)
1) DAS KORN – VON DER AUSSAAT DES GETREIDES BIS ZUM VORLÄUFIGEN
ENDPRODUKT MEHL
1a) Die Getreidesorten
Als Brotgetreidesorten spielten in unseren
Gegenden der Weizen und der Roggen eine
wichtige Rolle. Die anderen Getreidesorten
nahmen beim Brotbacken eine untergeordnete
Aufgabe ein, weil sie nur bei Knappheit von
Roggen oder Weizen dem Teig beigemischt
wurden.
Getreidesorten
(Bildquelle: DREYKORN, Monika: „Leben wie früher“. Bad Windsheim, Verlag
Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim: 2007. S. 36)
Der Weizen ist eine der ältesten, von den Menschen im Ackerbau angebauten Getreidearten. Es
gibt verschiedene Weizensorten. Der Weizen liebt feuchte, fette Böden und ein warmes Klima.
Im Laufe der Zeit hat sich der Weizen zum beliebtesten Brotgetreide entwickelt.
Der Roggen ist ein sehr widerstandsfähiges Getreide, das bis auf 1 800 Höhenmeter noch sehr
gut gedeiht, magere Böden sowie ein raues, nasses Klima durchaus gut verträgt und sich durch
Winterfestigkeit auszeichnet. Damit ist er wesentlich anspruchsloser als der Weizen.
Die Gerste setzt, ähnlich wie der Roggen, keine großen Ansprüche an Boden- und
Klimaverhältnisse, weshalb sie weit verbreitet und beliebt ist. Sie zählt, wie der Weizen, zu den
ältesten Kulturpflanzen. Gerstemehl wurde bei der Brotherstellung dem Roggenmehl
beigemischt, wenn es an letzterem mangelte. Geröstet und gemahlen wurde die Gerste auch
als Kaffeeersatz verwendet.
Der Hafer war einstmals aufgrund des großen Fettgehalts seiner Körner ein beliebtes Getreide
und wurde zu Mus, Brei oder Suppe verarbeitet. Dem Brotteig wurde Hafermehl nur dann
beigemischt, wenn Mangel an Weizen- oder Roggenmehl herrschte, denn Hafermehl gilt als
schwer verdaulich.
Der Dinkel ist sehr genügsam, aber nicht sehr ertragreich.
Die Hirse gedeiht auf sandigen Böden und bei warmem Klima. Als Brotgetreide eignet sie sich
kaum, sie wurde aber häufig zu Brei verkocht.
Der Mais wurde in Südtirol bereits im 1 6. Jahrhundert angebaut. Sein Herkunftsgebiet ist
Südamerika, erst durch die Spanier gelangte er nach Europa. Das Mehl des gelben Maises, das
Polenta-Mehl, kam oft in Form von „Plent“ oder „Ribl“ auf den Tisch. Später hat der Mais vor
allem als Viehfutter an Bedeutung gewonnen.
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Der Buchweizen ist kein Getreide, sondern ein Knöterichgewächs. Er bevorzugt magere,
sandige Böden, Wärme und Trockenheit. Da der Buchweizen relativ schnell wächst und reift,
wurde er meist als Nachfolgefrucht auf den Roggen angebaut. Er ist bei uns auch als
„Schwarzplente“ bekannt.
EXKURS: Was bedeutet der Begriff „Korn“?
Der Begriff „Korn“ bezeichnete im Allgemeinen jenes Getreide, welches im entsprechenden
Sprachgebiet als Brotgetreide verwendet wurde. Im ländlichen und alpinen Raum, so auch
im Pustertal, war dies wegen der Boden- und Klimaverhältnisse der Roggen. Neben
geographischen Bedingungen beeinflussten aber auch sozialgeschichtliche Faktoren die
Verwendung von Weizen oder Roggen als Brotgetreide. Schon im Mittelalter hatte sich in
den Städten das Weizenbrot durchgesetzt, weil es heller war und somit für reiner gehalten
wurde, während sich bei den Bergbauern das Roggenbrot viel länger halten konnte. Das
Weizenbrot war für den Bergbauer etwas Außergewöhnliches, wurde zu festlichen Anlässen
gegessen oder als schonende Nahrung Alten und Kranken verabreicht.
1b) Die Aussaat
Das richtige Säen des Saatgutes war eine wichtige Voraussetzung für eine gute Ernte. Wurde zu
dünn gesät, fiel auch der Ernteertrag spärlich aus; wurde hingegen zu dicht gesät, mangelte es
den einzelnen Pflanzen an Licht, Luft, Wasser und Nährstoffen. Deshalb übernahm häufig der
Bauer selbst diese wichtige Arbeit. Das schönste Getreide aus dem eigenen Acker wurde im
darauffolgenden Jahr als Saatgut verwendet. Nach einigen Jahren besorgte man sich neue
Samen aus höheren Lagen. Das Saatgut wurde in Säcke, Tücher, eine Schürze oder einen
geflochtenen Korb gefüllt und mit geübten Armbewegungen gleichmäßig auf dem Acker verteilt.
Die Aussaat des Weizens erfolgte meist im zeitigen Frühjahr, unmittelbar nachdem der Schnee
geschmolzen und die Felder bestellt waren. Der Roggen hingegen wurde meistens im
Spätsommer, bis Ende September, gesät.
EXKURS: Wetterregeln und Lostage
Man beobachtete die Natur sehr genau, um daraus Schlüsse zu ziehen und sich ihr besser
anpassen zu können. Daraus entwickelten sich „Bauernregeln“, die auf Beobachtungen von
Wetterverhältnissen basierten und von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
►
Ist die Fasnacht klar und hell, führt man den Plug auf’n Acker schnell.
►
Wenn’s im Märzen donnern tut, wird nachher der Roggen gut.
►
Schneit’s am Palmsonntag in die Palmen, schneit’s im Juni in die Garben.
►
Wenn der April Spektakel macht, gibt’s Heu und Korn in voller Pracht.
►
Urban nimmt den letzten Samen an.
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1c) Die Ernte
Die Sichel
Geerntet wurde, je nach Getreide, vom späten
Frühjahr bis in den späten Sommer. Dazu
verwendete man die Sense oder, wie in
unseren Bergtälern üblich, die Sichel. Die
Sichel ist ein Gerät mit einem kurzen Holzgriff
und einer gekrümmten Klinge. Dabei hielt man
mit der linken Hand ein Bündel Getreidehalme,
während die rechte Hand die Sichel führte und
das Getreide schnitt.
War das Getreide geschnitten, wurde es zu
Garben gebunden. Eine Garbe konnte, je nach
Gegend, unterschiedlich groß sein. Zum Binden
verwendete man mehrere zusammengedrehte
Strohhalme. Mehrere Garben bildeten einen
Schober oder ein „Manndl“, welche noch einige
Tage zum Austrocknen auf dem Acker stehen
gelassen wurden.
Meist herrschte bei der Getreideernte
Arbeitsteilung: Die Frauen übernahmen das
Schneiden des Getreides, während die Männer
für das Binden und Aufstellen der Garben
verantwortlich waren.
Garbe binden
EXKURS: Die hl. Notburga – Schutzpatronin des Bauernstandes
Die hl. Notburga wurde in Rattenberg am Inn (Nordtirol) im Jahre
1265 geboren. Sie war Dienstmagd auf dem Schloss der Grafen
von Rottenburg, bedachte aber stets der Armen und Bedürftigen.
Nach dem Herrscherwechsel musste sie die Burg verlassen und
arbeitete beieinem Bauern im Unterinntal. Dortbestandsie
darauf, an jedem Sonn- undFeiertag beim Gebetläuten die
Arbeit beenden zu dürfen. Einer Legende nach untersagte ihr
derBauereinmalzurErntezeitdie Arbeitniederzulegen.
Daraufhin warf sie ihre Sichel in den Himmel, welche bezeugen
sollte, dass ihr Verlangen zu Recht bestünde. Zu aller Verwunderung blieb die Sichel in der Luft stehen. Aufgrund ihrer Tätigkeit
als Dienstmagd wird sie mit Milchkanne und Brot in der Schürze
dargestellt, Getreidegarbe und Sichel wurden dank des Sichelwunders zu weiteren
Attributen der hl. Notburga.
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1d) Die Lagerung
Die Harpfe (vorne) und die Hilge (hinten)
Da das Getreide beim Mähen nicht überreif sein
durfte, damit die Getreidekörner nicht aus der
Ähre fielen, musste es nach der Ernte zum
Nachreifen noch einige Zeit gelagert werden.
Bei Platzmangel in der Tenne und in höheren
Lagen wurden dazu ein Gebäude namens
„Hilge“ oder eine Holzkonstruktion namens
„Harpfe“ verwendet.
Die Harpfe ist ein Trockengerüst mit Schirmdach. Ein Mann sitzt auf einem stuhlartigen,
beweglichen Gerät, während ihm von unten mit
Hilfe von Gabeln die einzelnen Garben hinaufgereicht werden, damit er sie dann wechselweise übereinanderlegen kann.
Die Hilge ist ein Speichergebäude, das auf
pilzförmigen Pfosten steht, um eine gute
Belüftung des Getreides zu garantieren,
dasselbe von Ungeziefer und Mäusen sowie
vor Feuchtigkeit zu schützen.
1e) Das Dreschen
Der Dreschflegel
Dreschen bezeichnet jenen Arbeitsvorgang,
durch den die Getreidekörner aus der Ähre
herausgeschlagen werden. Diese Arbeit wurde
erst im Spätherbst angegangen, sobald alle
Arbeit auf dem Feld erledigt war, meist nach
Martini (11 . November). Schon am frühen
Morgen begann die anstrengende und staubige
Arbeit. Zunächst wurden 60 Garben auf dem
Boden der Dreschtenne ausgebreitet. Alsdann
ging man zu dritt, viert oder sechst ans Werk
und begann rhythmisch auf die Ähren
einzuschlagen. Um den Takt zu halten und den
Dreschpartner nicht zu treffen oder die Geräte
nicht zu verhaken, sprach man Merkreime vor
sich hin. Auf jede Garbe sollte hundertmal
eingedroschen werden. Bei wichtigen und
anstrengenden Arbeiten gab es meist auch
kräftigeres Essen, so auch während der
Dreschzeit.
Das Dreschgerät, der sogenannte Dreschflegel,
bestand aus einem langen Stiel und einem
Schwengel aus Birnenholz, welcher am Stiel mit
einem Lederband befestigt war.
Eine andere Methode, welche die Strohhalme
schonte, war das Dreschen auf dem
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Ausschlaggatter oder einem Holzbock, der im
Pustertal „Roggebock“ hieß. Die Garbe wurde
daraufgelegt und mit einem spießartigen
Knüppel wurden die Körner ausgeschlagen.
Auch ein umgekehrter Wagenkorb, eine Penn,
konnte dazu verwendet werden. Die gut
erhalten gebliebenen Strohhalme konnten zum
Decken von Strohdächern oder zum Flechten
von Bienenkörben und Strohhüten verwendet
werden.
Der Roggebock oder Roggenbock
Die Drendl
(Foto: HMG)
Eine besondere technische Erfindung, welche
die Drescharbeit wesentlich erleichterte und
beschleunigte, war die Drendl. Diese Dreschmaschine konnte mit Wasser oder aber mit
Zugtieren betrieben werden. Der waagrechte
Wellbaum mit 1 6 Hebarmen bewegt 1 6 vertikal
angeordnete Holzstößel, welche auf die sich
drehende Dreschscheibe stampfen. Die Garben
werden so ausgebreitet, dass sich die Ähren
genau unter den Holzstößeln befinden.
Vorbilder für diese Maschine waren die
Pochwerke, welche im Bergbau verwendet
wurden, um das im Berg gewonnene Erz zu
zerkleinern. Die Drendl des Museums stammt
aus St. Peter im Ahrntal.
EXKURS: Strohdächer
Zum Decken von Dächern eignetsich langhalmiger, nicht
überreifgeschnittenerWinterroggen, dermitHandaufdem
Roggebockgedroschen, am Hachelbaum gekämmtundvon
Unkrautbefreitwurde. Handdicke Bündelwurden zum Schab
gebunden, wobei20 Schab eine Bure ergaben. Das Decken
selbstbeginntan derTraufe, wobeidie Schab streifenweise
übereinandergelegtwerden. Etwa 30 cm dickistdie fertige
Strohschicht. Lange Stangen beschweren das Stroh und halten
es nieder. Mit Stroh gedeckte Gebäude bleiben kühl und gut belüftet. Regen dringt nur fünf
cm tief in die Dachhaut ein, Schnee bleibt kaum liegen. Allerdings können Vögel auf ihrer
Suche nach Käfern und anderen Tierchen das Strohdach wesentlich beschädigen. Ein
Strohdach kann bis zu 20 Jahre und länger halten, wenn es sorgfältig eingedeckt und
qualitatives Stroh verwendet wurde.
1f) Das Getreide säubern
Wenn das Getreide gedroschen ist, werden die Körner aufgesammelt. Allerdings befinden sich
darunter auch fremde Samenkörner, Staub, Steine und Strohreste, welche das Mehl
verunreinigen und schlimmstenfalls ungenießbar machen können. Deshalb muss das Getreide
noch gesäubert werden.
Fast jeder Bauer besaß eine Wind- oder Putzmühle, auch Kornfege genannt, welche mit Hand
betrieben wurde. Über einen Trichter wird das Getreide in die eigentliche Windmühle geschüttet,
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in welcher sich ein Schaufelrad durch
manuellen Antrieb dreht und Wind erzeugt.
Der erzeugte Luftstrom trennt die Spreu vom
Getreide, welches durch Siebwerke in einen
dafür vorgesehenen Behälter fällt. Die Siebwerke mit unterschiedlicher Maschenbreite
ermöglichen es auch, die Körner nach Größe zu
sortieren und somit fremde Samenkörner vom
Getreide zu trennen.
Bevor man die Putzmühle kannte, hat man das
Getreide durch „Worfeln“ (Getreideschwingen)
gereinigt. Mit Schaufeln schleuderte man die
Körner in die Luft, damit der Wind das gute
Korn von der Spreu trennen konnte.
Ein grobes Säubern des Korns konnte auch mit
dem „Reiter“ erreicht werden; das ist ein Sieb
mit einem Geflecht aus Leder, Holzspänen oder
Draht. Durch das Schütteln fallen die Getreidekörner durch das Sieb, während die Ähren- und
Strohreste dort zurückbleiben. Je nach Größe
der Löcher konnte das Sieb auch dazu
verwendet werden, die großen von den kleinen
Körnern und anderen Unkrautsamen zu
trennen.
Der Reiter
Die Wind- bzw. Putzmühle
1g) Die Mühle
Mit den gesäuberten Getreidekörnern konnte
noch kein Brot gebacken werden. Verfügte der
Bauer über keine eigene Hausmühle, musste er
das Korn zunächst zum Müller bringen, der es
zu Mehl mahlte. Der Müller war häufig ein
angesehener und verhältnismäßig reicher
Mann, da er eine wichtige Arbeit leistete und
sich der Kreislauf vom Korn zum Endprodukt
Mehl erst durch seine Tätigkeit schloss. Da der
Müller einen Teil des Mehls als Lohn für seine
Dienstleistung erhielt, die sogenannte Metze,
misstraute man ihm auch, weil man keine
Kontrolle darüber hatte, ob er tatsächlich alles
gelieferte Korn weiterverarbeitete und seinen
Lohn im richtigen Maß einbehielt.
Wie funktioniert eine Mühle?
Die Mühle
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
(Foto: HMG )
Eine Mühle im Alpenraum wird vorwiegend
durch Wasserkraft angetrieben, deshalb
befindet sie sich meist in der Nähe von
fließenden Gewässern. Hölzerne Rinnen,
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Vom Trichter zwischen die Mahlsteine
(Foto: HMG )
Das Innere des Beutelkastens
(Foto: HMG )
sogenannte „Wiern“, leiten das Wasser auf das
Wasserrad und setzen dieses in Bewegung.
Der Wellbaum, der am Wasserrad befestigt ist
und das Verbindungsstück zwischen demselben
und dem Inneren der Mühle darstellt, überträgt
mit Hilfe eines Zahnrads die Bewegung des
Rades auf den Mahlstein. Dieser sich drehende
Mahlstein wird Läufer genannt, weil er auf
einem festen Bodenstein „läuft“ und dadurch die
Getreidekörner zerreibt. Der Abstand zwischen
beiden Steinen kann je nach Bedarf verändert
werden, d.h. je feiner das Mehl sein soll, umso
kleiner wird der Abstand festgelegt.
Das Korn selbst wird über einen Trichter
zwischen die Mahlsteine geschüttet, welche es
mahlen. Über den Mahlgang gelangt das
zerriebene Korn in den Beutelkasten, wo das
feine Mehl von den gröberen Schalenteilen des
Korns getrennt wird. Im Beutelkasten befindet
sich ein Beutel aus Leinen, durch den das feine
Mehl durchgesiebt wird und in die darunter
liegende Mehlkiste fällt. Die groben Getreideteile werden über den Beutel durch Rüttelbewegungen in einen getrennten Behälter
weitertransportiert, damit sie erneut gemahlen
werden können. Als Ergebnis erhält man zum
einen das feine Mehl, zum andern die groben
Schalenteile, welche „Kleie“ genannt, und vor
allem an die Tiere verfüttert werden.
2) DAS BROT – VOM MEHL ZUM GRUNDNAHRUNGSMITTEL
2a) Die Entwicklung des Brotes
Der Anbau von Getreide reicht bis in die jüngere Steinzeit zurück. Es wurde noch nicht
gemahlen, sondern in Mörsern zerquetscht und zu Brei verkocht. Als man begann den
teigartigen Brei auf erhitzten Steinplatten zu backen, entstand der Fladen, eine Vorstufe des
Brotes. Er unterscheidet sich vom Brot im Wesentlichen dadurch,
►
dass kein Sauerteig verwendet wird,
► dassdasGetreideauch bloßin zerquetschterForm, nichtnotwendigerweise
gemahlen, verwendet werden kann,
►
dass sämtliche Getreidesorten verwendet werden können; Hirse, Hafer und
Gerste sind hingegen zur Brotherstellung aufgrund ihrer schlechten Backfähigkeit
weniger geeignet und werden meist nur als Beimischung zu Weizen- oder
Roggenmehl eingesetzt.
Die Broterzeugung hat gegenüber der Breierzeugung den Vorteil, dass Brot auf Vorrat, d.h. in
größeren Mengen und für einen längeren Zeitraum, hergestellt werden kann. Früher wurde auf
den Tiroler Bauernhöfen nur etwa zwei- bis viermal im Jahr Brot gebacken – dadurch sparte man
an Holz wie an Arbeitsaufwand, außerdem war das Hartbrot leichter verdaulich. Wie oft Brot
gebacken wurde, hing auch vom Ernteertrag und den Getreide- bzw. Mehlvorräten ab.
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2b) Brotteig herstellen im Pustertal
Die Verwendung von Sauerteig unterscheidet
das Brot vom Fladen. Der Sauerteig entstand
dadurch, dass in einem eigenen Holzgefäß,
dem „Melterle“ oder „Säuratmittn“, über
mehrere Tage ein Brei aus Roggenmehl und
Wasser angerührt wurde, der gärte und stark
säuerlich roch. Der Sauerteig wirkt wie bei
einem anderen Teig die Hefe, d.h. er bringt den
Teig zum „Aufgehen“. Am Vorabend des
Backtages setzte man dem Sauerteig im
„Backmittn“, einem Holzbehälter, ein weiteres
Der Säuratmittn mit dem Sauerteig
Mal Mehl und Wasser zu. Diesen Teig ließ man
über Nacht in der warmen Stube, am besten in
der Nähe des warmen Bauernofens, gehen.
Am Backtag begann man schon am frühen
Morgen mit dem Teigkneten. Der Brotteig des
Pusterer Roggenbrotes, welches „Preatl“
genannt wird, besteht aus: Roggenmehl,
Wasser, Sauerteig. Im Pustertal ist es üblich
dem Brotteig neben Salz auch einige Gewürze
beizumischen: gemeinen Kümmel, Koriander,
Fenchel und Brotklee, besser bekannt als
Zigeunerkraut. Sie verbessern einerseits den
Geschmack des Brotes und erleichtern
Brett mit Brotlaiben
(Foto: HMG)
andererseits die Verdauung des Roggenmehls.
War das Brotgetreide knapp, wurde dem Brotteig Bohnen-, Kastanien- oder Kartoffelmehl
beigemischt. Das Teigkneten war eine überaus anstrengende Arbeit, weshalb häufig die Männer
damit betraut wurden. Zum Schluss zeichnete man ein Kreuz in den Brotteig: Damit prüfte man
die Konsistenz des Teiges, dankte Gott und bat ihn gleichzeitig um ein gutes Gelingen. Die mit
geschickten Handbewegungen geformten Brotlaibe werden auf Brotbretter, sogenannte
„Fleggn“, gelegt, die mit Tüchern aus Leinen bedeckt und mit Mehl bestäubt sind.
2c) Brot backen
Während sich anfänglich eine Gruppe von
Höfen einen gemeinsamen Backofen teilte, ging
die Entwicklung jedoch schon bald dahin, dass
jeder Hof über einen eigenen Backofen
verfügte, der entweder erkerartig am Haus
selbst angebaut wurde oder aber als
eigenständiges Gebäude etwas abseits des
Hauses stand. Der Backofen besteht in der
Regel aus einem Stein- oder Lehmgewölbe,
das sich über einem Pflasterboden aus Steinen
oder Ziegeln befindet. Das Gewölbe selbst wird
meist mit einem Bretterdach vor sämtlichen
Wettereinwirkungen geschützt.
Der Backofen muss schon ein bis zwei Stunden
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Ein Backofen im Museum
(Foto: HMG)
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vor dem eigentlichen Brotbacken eingeheizt
werden. Dazu wird in unseren Gegenden
hauptsächlich Fichtenholz verwendet, weil es
schnell Hitze entwickelt und gleichmäßig
abbrennt. Die Glut muss gleichmäßig über den
Pflasterboden verteilt werden, um den
gesamten Ofenraum zu erhitzen. Bevor das
Brot in den Ofen geschoben werden kann,
müssen die abgebrannten Kohlestücke sowie
die zurückgebliebene Asche aus dem Ofen
entfernt werden, wozu man ein Gerät namens
„Ofenkrucke“ benutzt. Danach muss die
Die Ofenkrücke, die Ofenzuise oder Ofenzussl
und die Ofenschaufel
Ofenplatte noch mit der „Ofenzussl“ oder
„Ofenzuise“, einem an einem langen Stiel
befestigten nassen Stofflappen, gesäubert werden. Nun kann man mit dem „Einschießen“
beginnen, d.h. die Brotlaibe mit Hilfe des Schießers (Ofenschüssel oder -schaufel) einzeln in
den Ofen schieben. Da dies schnell gehen muss, arbeitet man am besten zu zweit: Einer stülpt
die Brotlaibe von den Leinentüchern und legt sie dem anderen auf den Schießer, mit dem sie in
den Ofen geschoben und richtig positioniert werden. Zum Schluss wird die Ofenluke
geschlossen. Je nach Größe der Brotlaibe und der vorhandenen Hitze beträgt die Backzeit
zwischen 30 und 60 Minuten. Eine ganze Ofenladung nennt man „Hitze“. Mancherorts wurden
auch mehrere „Hitzen“ gebacken, das konnten bis zu 2.000 Brote sein.
EXKURS: Aberglaube rund um das Brotbacken
Der Backtag wurde mit Sorgfalt und nach bestimmten Kriterien ausgewählt.
►
Das Wetter soll schön, trocken und luftig, aber nicht zu windig sein.
►
Es darf nicht gebacken werden, wenn das Korn am Blühen ist, sonst
schimmelt es.
►
Zunehmender Mond sowie Vollmond sind gute Zeichen, weil das Brot gut
durchgebacken wird.
►
Nicht backen soll man im Advent, weil das Brot nicht hart wird, sowie an
Tagen, an denen Schnee auf dem Dach liegt, sonst trocknet es nicht.
►
„Harte“ Tierkreiszeichen wie Steinbock, Waage und Stier wurden zum
Brotbacken bevorzugt.
2d) Die Brotaufbewahrung
Das in großer Menge gebackene Brot wurde in
Brotständern („Rehm“, „Ruhme“) aufbewahrt.
Diese aus Holz gefertigten Rahmen wurden in
trockenen und gut belüfteten Räumen (z.B. im
Dachboden oder in eigenen Brotkammern)
aufgestellt oder aufgehängt, um das Brot vor
Schimmel, aber auch vor Mäusen zu schützen.
Der Brotrahmen
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Die Brotgrammel
Je älter es wurde, umso härter wurde das Brot.
Um es in mundgerechte Stücke zu schneiden,
bediente man sich der „Brotgrammel“. Diese ist
ein kastenförmiger Behälter aus Holz, an
dessen Mitte ein schweres, bewegliches
Messer befestigt ist, mit dem man das hart
gewordene Brot zerkleinern kann.
Zweimal am Tag, zur Jause am Vormittag
(„Neuner“) und zur Marende am Nachmittag,
gab es Milch mit Brocken vom Hartbrot darin.
Diese beiden Mahlzeiten wurden häufig, vor
allem im Sommer bei der Feldarbeit, auf dem
Feld eingenommen.
2e) Brot im religiösen Kontext und Brotbräuche
„Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird
nimmermehr dürsten“. Joh 6, 35
Eine ertragsreiche Ernte hing von vielen verschiedenen Faktoren ab und war beileibe keine
Selbstverständlichkeit. Schlechte Wetterverhältnisse konnten die mühevoll geleistete Arbeit mit
einem Schlag vernichten. Die Bauernfamilie aber war abhängig von gut gefüllten Vorratskammern. Deshalb vertraute man auf die Hilfe Gottes und der Heiligen, an welche man sich
durch das Gebet mehrmals täglich wandte. Es war üblich vor und nach den Mahlzeiten ein Vater
Unser und ein Segensgebet zu sprechen als unmittelbaren Dank für das bevorstehende bzw.
genossene Essen. Nicht ohne Grund wird im Vater Unser explizit um das tägliche Brot gebeten.
Auch Kreuzgänge und Pilgerzüge wurden regelmäßig begangen, um für eine gute Ernte zu
bitten und zu danken. So ist es beispielsweise im Ahrntal üblich, an Christi Himmelfahrt zur
Kornmutter in Ehrenburg zu pilgern. Die Religion und der tiefe Glaube drücken sich aber auch in
vielen anderen Tätigkeiten, Gegenständen, Ritualen und Bräuchen aus, die nicht nur den Alltag
bereichern, sondern vor allem an Festtagen ihren Höhepunkt erreichen. Das Erntedankfest ist
konkret dem Dank für eine gute Ernte und dem Lob des Herrn gewidmet.
Zahlreiche Bräuche sind mit dem Brot
verbunden, wobei fast jedes Tal seine eigenen
Traditionen entwickelt hat.
In vielen Dörfern wurden Allerheiligen- und
Allerseelenbrote verteilt. Heute sind viele dieser
Brotbräuche abgekommen. Einige wenige
haben sich erhalten: So zum Beispiel das
Verschenken der Gebildbrote.
An Allerheiligen und Ostern, aber auch zur
Taufe und zur Firmung, wurden die
sogenannten Gebildbrote, Brote in Tierform, an
Gebildbrot
die Patenkinder verschenkt. Diese Brote waren
etwas Besonderes, da sie aus Weizenmehl bestanden, mit geschmacklichen Zutaten verfeinert
wurden und meist durch die Verwendung von Zucker süßlich schmeckten. Wenn eine Frau ein
Kind geboren hatte, besuchte man sie einige Tage nach der Geburt und schenkte ihr das
Waisat-Brot, ebenfalls ein Brot aus süßem Weizenteig.
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Im Ahrntal hat sich bis heute der Brauch des Pitschele-Singens erhalten. An Allerheiligen zieht
eine Gruppe von Personen von Tür zu Tür und singt das „Pitschele-Lied“, mit dem sie die
Hausbewohner um eine Gabe für die Armen Seelen bittet. Die Sänger erhalten ein „Pitschele“,
das sind kleine Brote. Im Etschtal und im Burggrafenamt wird das Totenmahl „Pitschn“ genannt.
Es hat seinen Namen von kleinen Broten, den „Pitschen“, erhalten.
Häufig wurden an Gedenktagen von Heiligen Brote verteilt. Diese Brote erhielten meist den
Namen des Heiligen. Bekannt sind beispielsweise das Ägidibrot in Raas bei Natz/Schabs am 1 .
September, dem Gedenktag des Heiligen Ägidius, und das Nikolausbrot in Eggen, das Anfang
Dezember verteilt wird.
LITERATUR
Rachewiltz, Siegfried de, Brot im südlichen Tirol. Arunda. Bozen 1 980.
Sulzenbacher, Gudrun, Altes Handwerk und ländliches Leben. 3. Auflage, Bozen 2011 .
Sulzenbacher, Gudrun, Bauern, Schmied, Lodenweber (Didaktische Materialien zum Südtiroler
Volkskundemuseum), Wien/Bozen 2001 .
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