Schule, Nachbarschaft und Chancengleichheit Vortragswerkstatt «Schule - Mehr als Kompetenzvermittlung» Luzern, 22. Oktober 2015 Carsten Quesel Übersicht • Flash: Chancenspiegel Deutschland • Flash: Freie Schulwahl in England • Schule und Nachbarschaft in den USA • Entwicklungen und Perspektiven in der Schweiz • Fazit 2 1 Flash: Chancenspiegel Deutschland (2014) Der Wohnort hat einen wichtigen Einfluss auf den Zugang zur Hochschulreife. 3 Flash: Freie Schulwahl in England School League Tables – Beispiel: die 200 Sekundarschulen mit den schlechtesten Abschlüssen School name Local authority Average point score Pupils with five good GCSEs (%) xxx mmm 574.4 0% yyy nnn 451.1 6% zzz ooo 453.1 13% 4 2 Schulische Bildung • Garantin des sozialen Zusammenhalts • grösste Kraft des sozialen Ausgleichs • Steuerrad der sozialen Maschine Horace Mann (1848) 5 Brown vs. Board of Education (1954/55) «We conclude that in the field of public education the doctrine of 'separate but equal' has no place. Separate educational facilities are inherently unequal.» 6 3 Little Rock, Arkansas (1957) „Little Rock Nine“ 7 Alabama (1963): «… segregation forever»? Gouverneur George Wallace barrikadiert den Eingang der Universität von Alabama 8 4 Desegregation Busing Entscheidungen des Supreme Court 1971 & 1974 • Schulzuweisung nach Gesichtspunkten ethnischer Durchmischung • Abkehr von der geographischen Allokation 9 School Choice in den USA Eine wachsende Anzahl von Bundesstaaten eröffnet den Eltern Wahlmöglichkeiten. Philosophie: Mehr Wahlfreiheit für die Eltern Mehr Wettbewerb Bessere Leistungen 10 5 School Choice • Eltern als Kunden • schlechte Dienstleistungen drohender Bankrott • sozialer Ausgleich durch Bildungsgutscheine (school vouchers) • Charter Schools als neues Bildungsangebot: private Schulträger im staatlichen Auftrag 11 School Vouchers Pro: Stärkung der Wahlfreiheit der Kontra: Indirekte Aushöhlung der Trennung von Staat und Kirche Eltern 12 6 Privatschulen in den USA (2011) • knapp 31’000 Privatschulen • rund 4,5 Millionen Schülerinnen und Schüler (etwa 9% der gesamten Schülerschaft) • zwei Drittel der Privatschulen haben eine religiöse Ausrichtung • mit mehr als 20% haben die katholischen Schulen das grösste Gewicht 13 Charter Schools • Schule als «Unternehmen» • Vertrag zwischen Schulbehörde als Anbieter und Schulleitung als Auftragnehmer • Rechenschaftspflicht gegenüber der Schulbehörde und den Eltern • Einhaltung professioneller Standards • Teilnahme an standardisierten Leistungstests • ansonsten grosse Gestaltungsfreiheit • inzwischen besuchen ca. 5 % der Kinder und Jugendlichen solche Schulen 14 7 Charter Schools: Evaluation der Bildungsqualität (2010) (Steuerung: Aufnahme durch Losverfahren bei Übernachfrage) Bildungserfolge von ausgelosten und nichtausgelosten Schülerinnen und Schülern können verglichen werden Befund: im Durchschnitt ergibt sich bei den Lernfortschritten in Englisch und Mathematik kein signifikanter Unterschied 15 Charter Schools: Zwischenbilanz der Forschung • mehrere Studien attestieren diesem Angebot Erfolge beim Kampf gegen Schulabbruch und bei der Leistungsentwicklung • Kritiker führen diese Erfolge darauf zurück, dass eine offene oder verdeckte Auslese der Schülerschaft stattfindet («creaming effect») 16 8 Homeschooling in den USA 2011 wurden rund 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche in den USA daheim unterrichtet (das entspricht einem Anteil von 3,4%). 4 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 1999 2003 2007 2011 Homeschooling: Entwicklung in den USA 1999-2011 (in %) 17 Homeschool Now « Homeschooling is organic.» «Organic education lets you take advantage of your child’s natural interests throughout the course of real life, every day.» 18 9 Statement of Faith … Each man is a sinner and needs to be saved (Rom. 3:23). … The earth was created by God in six literal days (Ex. 20:8-11). Discipleship in the home is not only necessary and essential, but it is also mandated in the Scriptures (Deut. 6:7). 19 Entschulung der Gesellschaft? Radical Unschoolers Network: «the network for radical unschooling families» «Becoming a parent is the highest art form.» (Ren Allen) 20 10 Homeschooling: Motive • starke Dominanz (fundamentalistischer) religiöser Motive • Sorge um die Sicherheit der Kinder als zweiter wichtiger Grund • Bedeutung antiautoritärer Schulkritik geht zurück 21 Öffentliche Schulen: Neue Segregation durch direkte Demokratie? 22 11 Ruf nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung Our effort to bring an independent school district to Malibu is in full swing. We are more united than ever in our desire for separate school districts. The next step is to get our issue on an upcoming ballot and give voters the chance to have their voices heard on district separation. 23 Neue Segregation durch direkte Demokratie? … Malibu & Santa Monica, California … Gardendale & Jefferson County, Alabama … St. George & Baton Rouge, Louisiana … Wohlhabende Bürgerinnen und Bürger versuchen, ihre Gemeinden von ärmeren Schuldistrikten abzuspalten. • Schlüsselargument: demokratische Selbstbestimmung • Anknüpfung an den Geist der Unabhängigkeitserklärung • Bekräftigung der Tradition lokaler Selbstverwaltung 24 12 Elternlobby Schweiz: «Freie Bildungswahl für alle» 25 26 13 Artikel 2: Recht auf Bildung «Niemandem darf das Recht auf Bildung verwehrt werden. Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.» 27 Recht auf freie Schulwahl «Gleichberechtigung» der Institutionen gleicher Anspruch auf öffentliche Förderung Transfer von öffentlichen Geldern an private Schulen (… Bildungsgutscheine?) 28 14 Initiativen zur Einführung der freien Schulwahl: Beispiel Zürich (2012) Kantonale Volksinitiative «JA! Freie Schulwahl für alle ab der 4. Klasse!» Ja-Stimmen %: 18.23 % Nein-Stimmen %: 81.77 % (Stimmbeteiligung 40.52 %) 29 Argumentarium von Kantonsrat & Regierungsrat «Die Stimmberechtigten haben bei der Volksschule ein demokratisches Mitspracherecht. Bei den Privatschulen haben sie keine solchen Mitwirkungsrechte. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, dass die Privatschulen mit Steuergeldern finanziert werden.» 30 15 Privatschulen in der Schweiz Grossregionen Privatschulen Genferseeregion 11.3 Espace Mittelland 1.9 Nordwestschweiz 6.6 Zürich 20.7 Ostschweiz 1.2 Zentralschweiz 11.2 Tessin 16.4 Total 9.5 Anteil an den allgemeinbildenden Schulen 2013/14 (in %) 31 «Unterrichtspflicht» statt «Schulpflicht» BV Art. 62 Schulwesen 1 Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig. 2 Sie sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich. 32 16 Homeschooling in der Schweiz Stand 2012: rund 500 Kinder im schulpflichtigen Alter Motivation: • vor allem religiös • zu kleinen Teilen antiautoritär oder leistungsorientiert 33 Entschulung in der Schweiz? • «Vielfalt statt Monokultur» • «Selbstbestimmtes Leben innerhalb einer lebendigen Gemeinschaft statt fremdbestimmtes Lernen in der Kunstwelt der Schule» (http://www.entschulung.ch/) 34 17 Herkunft & Bildungserfolg Prozentanteile leistungsschwacher und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler im Lesen: PISA 2000 und 2012 1. CHgesamt 2. Einheimische 3. Zuwanderer:GenerationII 1234 4. Zuwanderer:Generation1 35 Soziale Segregation in der Schweiz 36 18 Basel-Stadt: Frühe Deutschförderung • Überprüfung der Deutschkenntnisse bei Kindern im Vorschulalter • obligatorische Partizipation in Spielgruppen oder Tagesheimen, falls keine genügenden Deutschkenntnisse vorliegen Kernargument: schulische Bildungsbeteiligung setzt zu spät an 37 Fazit Erfolgsmodell «Volksschule» … … aber kein Wundermittel … … Segregation in Städten und Agglomerationen … … betriebswirtschaftliche Notlage kleiner Gemeinden … … Integration beginnt in der frühen Kindheit … … und verlangt oft nach sprachlicher Frühförderung 38 19 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 39 20
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