Dissertation

Wohlfahrtsmärkte
Schriften des Zentrums für Sozialpolitik
Band 28
Herausgegeben von Gerd Glaeske, Karin Gottschall, Stephan Leibfried, Philip
Manow, Frank Nullmeier, Herbert Obinger, Heinz Rothgang und Stefan Traub
Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen
Stephan Köppe, Dr. rer. pol., ist Lecturer in Social Policy am University College
Dublin, Irland.
Stephan Köppe
Wohlfahrtsmärkte
Die Privatisierung von Bildung und Rente
in Deutschland, Schweden und den USA
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Gekürzte Fassung der Dissertation »Martexpansion und Einbettung: Wohlfahrtsmärkte im
historischen Vergleich«, Universität Bremen, Mai 2014.
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ISBN 978-3-593-50272-4
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Dieses Buch ist auch als E-Book erschienen.
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Inhalt
Vorwort .................................................................................................................... 9 1 Einleitung ...................................................................................................... 11 2 Wohlfahrtsmarkt als politikwissenschaftliches Konzept ...................... 23 2.1 Ökonomische und soziologische Marktdefinitionen ..................... 24 2.2 Wohlfahrtsmarkt .................................................................................. 28 2.2.1 Literaturüberblick der Wohlfahrtsmarktkonzepte ............. 29 2.2.2 Soziale Güter und Marktmechanismen ............................... 38 2.2.3 Vermarktlichung ...................................................................... 51 2.2.4 Wohlfahrtsmarkttypen ........................................................... 55 2.2.5 Fazit ........................................................................................... 61 3 Wohlfahrtsmärkte im Vergleich ................................................................ 63 3.1 Fallauswahl ............................................................................................ 65 3.1.1 Länder: Deutschland, Schweden, USA................................ 67 3.1.2 Politikfelder: Renten- und Bildungsmärkte......................... 69 3.1.3 Zeitraum: 1990–2010.............................................................. 74 3.2 Untersuchungsmethoden .................................................................... 75 3.3 Erklärungsansätze zur Entstehung und Varianz von
Wohlfahrtsmärkten .............................................................................. 78 6
4 WOHLFAHRTSMÄRKTE
Expansion des Marktvolumens ................................................................. 95 4.1 Rente..................................................................................................... 107 4.1.1 Internationaler Vergleich der Rentenmärkte .................... 107 4.1.2 Vermarktlichung öffentlicher Rentensysteme in
Deutschland, Schweden und den USA? ............................ 116 4.1.3 Vermarktlichung in allen Dimensionen –
Ausblick auf die Rentenmärkte ........................................... 145 4.2 Bildung ................................................................................................. 148 4.2.1 Internationaler Vergleich der Bildungsmärkte ................. 148 4.2.2 Ausbau der Privatschulen in Deutschland, Schweden
und den USA.......................................................................... 155 4.2.3 Zusammenfassung – Subventionierte Privatschulen ...... 187 4.3 Wachstum des Marktvolumens ohne Rückzug des Staates –
Eine Zusammenfassung .................................................................... 188 5 Regulierung der Wohlfahrtsmärkte......................................................... 193 5.1 Analytischer Rahmen ......................................................................... 196 5.2 Deutschland – Brüche und Kontinuität ......................................... 203 5.2.1 Rentenmarkt: Das Erbe Bismarcks in der
Riester-Rente .......................................................................... 203 5.2.2 Bildungsmarkt: Die religiösen Ursprünge der
Privatschulfinanzierung ........................................................ 227 5.2.3 Fazit – Rekalibrierung deutscher Sozialpolitik? ............... 247 5.3 Schweden – Die Neuerfindung des schwedischen Modells........ 253 5.3.1 Rentenmarkt: Universelle Prämienrente und
sozialdemokratischer Konsens............................................ 254 5.3.2 Bildungsmarkt: Freie Schulen – Vereinheitlichung,
Dezentralisierung und Privatisierung ................................. 278 5.3.3 Sozialdemokratische Neuerfindung des schwedischen
Modells .................................................................................... 303 5.4 USA – Pionier und regulative Vielfalt ............................................ 306 5.4.1 Rentenmarkt: Flexibel und übertragbar............................. 307 5.4.2 Bildungsmarkt: School Choice zwischen Konflikt
und Konsens .......................................................................... 328 5.4.3 Fazit – Liberale Einbettung ................................................. 359 INHALT
6 7
Wachstum, Varianz und Einbettung im Vergleich .............................. 363 6.1 Historischer Vergleich ....................................................................... 365 6.2 Vergleich der Politikfelder ................................................................ 373 6.3 Ländervergleich .................................................................................. 376 6.4 Diskussion der Grundannahmen und Fazit .................................. 379 7 Konklusion und Ausblick......................................................................... 383 7.1 Wohlfahrtsmarkt als flexibles Konzept .......................................... 383 7.2 Wohlfahrtsmarktexpansion trotz Vertrauenskrise........................ 385 7.3 Einbettung und Innovation .............................................................. 388 Tabellenverzeichnis ............................................................................................ 391 Abbildungsverzeichnis....................................................................................... 393 Literatur................................................................................................................ 394 Vorwort
Als ich die Arbeit über Wohlfahrtsmärkte begann, merkte ich schnell, dass
sowohl Kollegen als auch Freunde und Bekannte mit dem Begriff zum Teil
wenig anfangen konnten und keine Vorstellung von meinem Forschungsfeld hatten. Mein Standardbeispiel in Konversationen wurde schnell die
deutsche Riester-Rente, um die Vermarktlichung und Privatisierung von
Sozialprogrammen zu illustrieren.
Normalerweise würgen solche Themen jedes Gespräch ab, weil keiner
über komplexe Finanzanlagen über einem Bier oder bei Kaffee und Kuchen sprechen möchte. Ich erlebte aber das Gegenteil. Schnell kamen Fragen auf, ob ich denn auch schon eine Riester-Rente abgeschlossen hätte
und welchen Anbieter beziehungsweise welches Produkt ich empfehlen
würde. Ich musste meine Gesprächspartner immer enttäuschen, weil ich
ihnen zwar ans Herz legte eine Riester-Rente abzuschließen, aber selber
noch keine abgeschlossen hatte. Für Betriebsrenten habe ich mich nie aktiv
entschieden, sondern war immer automatisch versichert. Häufig waren
meine Gesprächspartner an dieser Stelle enttäuscht, weil sie hofften,
Insidertipps zu bekommen, um auch endlich eine Entscheidung über ihre
private Vorsorge zu treffen.
Ich erläuterte dann meist etwas beschämt und umständlich, dass ich
lediglich die Regulierung und den politischen Entstehungsprozess der
Vermarktlichung untersuche. An dieser Stelle wurden die Gespräche
wieder lebhafter und es folgten zum Teil stundenlange Debatten über das
Für und Wider von Privatisierungen und Märkten. All diese Gespräche
waren hilfreich, um zu erkennen, wie politisch umstritten die Einführung
von Wohlfahrtsmärkten ist. Ebenso wird an meiner eigenen Versichertenlaufbahn deutlich, wie irrational Menschen in Wohlfahrtsmärkten agieren
und welchen Einfluss die Regulierung der Märkte hat. Trotz besseren
Wissens habe ich nie eine Riester-Rente abgeschlossen. Die Diskussionen
darüber haben zu meinem Verständnis beigetragen, welchen Einfluss die
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WOHLFAHRTSMÄRKTE
Regulierung der Wohlfahrtsmärkte auf das Verhalten von Menschen hat
und wie politisch umkämpft das Feld ist. Mein Dank gilt also diesen vielen
Gesprächspartnern auf Konferenzen, Feiern und ähnlichen Anlässen.
Die Hauptarbeit ist am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität
Bremen entwickelt und durchgeführt worden. Weitere institutionelle Unterstützung erhielt ich von der Bremen International Graduate School of
Social Sciences (BIGSSS), dem Swedish Institute for Social Research
(SOFI, Universität Stockholm) und den Universitäten Edinburgh,
St Andrews und Dundee. Außerdem gilt mein Dank dem ZeS und der
Phorms Education SE für Druckkostenzuschüsse. Dabei möchte ich betonen, dass die finanzielle Unterstützung keinerlei Einfluss auf den Inhalt der
Arbeit hatte.
Viele Kollegen haben mich an verschiedenen Stellen der Arbeit unterstützt und viele sind gute Freunde geworden. Maßgeblich haben Frank
Nullmeier und Herbert Obinger diese Arbeit von Anfang an begleitet und
meine Argumente kritisch und konstruktiv beleuchtet.
Namentlich möchte ich vor allem Hayley Bennett, Catherine Blair, Florian Blank, Stefanie Börner, Irene Dingeldey, Benjamin Ewert, Karin Gottschall, Ralf Götze, Karl Hinrichs, Gitta Klein, Tanja Klenk, Clémence
Ledoux, Stephan Leibfried, Steffen Mau, Ingela Naumann, Jonas Pieper,
Tanja Pritzlaff, Patrick Sachweh, Peter Starke, Thomas Wachtendorf und
Philine Weyrauch für konstruktive Kommentare zu Entwürfen und Ideen
in verschiedenen Arbeitszusammenhängen danken. Viele weitere Menschen haben diese Arbeit begleitet und geholfen sie erfolgreich abzuschließen, auch ihnen sei hiermit gedankt.
Besonderer Dank gilt Karl Loxbo von der Linnaeus Universität (Växjö,
Schweden), dessen Experteninterviews ich einer Sekundäranalyse unterziehen konnte. Ebenso wäre die Arbeit nicht ohne die ausführlichen Informationen meiner Interviewpartner möglich gewesen. Persönlich möchte
ich mich bei Simone Lempart bedanken, die mich ermunterte überhaupt
eine Promotion anzugehen. Dank auch an Jessica Poeschel, die maßgeblich
zur sprachlichen Verbesserung beitrug und für den stilistischen Feinschliff
sorgte. Schließlich gilt mein besonderer Dank Theda Grabow für die ausdauernde und liebevolle Unterstützung in allen Lebenslagen.
Dundee, November 2014
Stephan Köppe
1 Einleitung
»A ›welfare state‹ is a state in which organized power
is deliberatively used (through politics and administration)
in an effort to modify the play of market forces«
(Briggs 1961: 228).
»Das Konzept ›Wohlfahrtsmarkt‹ zieht auch deshalb viel Interesse und
Aufmerksamkeit auf sich, weil es die Unterscheidung zwischen
›Wohlfahrtsstaat‹ und ›Markt‹ in Frage stellt und aufhebt.«
(Berner 2009: 288).
Diese Studie untersucht Wohlfahrtsmärkte.1 Also Sozialprogramme, die
privat finanziert werden, nicht-staatliche Anbieter involvieren und Wahlfreiheiten für die Wohlfahrtsnutzer ermöglichen. Im Fokus steht der empirische Vergleich von Wohlfahrtsmärkten in zwei Politikfeldern (Rente und
Bildung) und drei unterschiedlichen Wohlfahrtsregimen (Deutschland,
Schweden, USA). Bisher dominierten Fallstudien zur Vermarktlichung und
Privatisierung von Sozialpolitik die Wohlfahrtsmarktforschung und diese
Arbeit soll vergleichend zu diesem Themenkomplex beitragen und somit
eine Forschungslücke im gegenwärtigen Forschungsstand schließen. In
dieser Studie werden vor allem vier Beiträge zur Wohlfahrtsmarktliteratur
geleistet. Erstens wird das Konzept Wohlfahrtsmarkt theoretisch umfassend hergeleitet. Zweitens werden verschiedene – teilweise innovative –
Indikatoren ausgewertet, um ein möglichst umfassendes Bild des Marktvolumens zu zeichnen. Drittens werden die institutionellen Unterschiede
zwischen Wohlfahrtsmärkten untersucht, folglich gilt es, die institutionelle
Einbettung der Marktmechanismen in die Wohlfahrtsregime zu vergleichen. Und viertens werden basierend auf der existierenden sozialpolitischen Literatur Erklärungen für die Entstehung, den Wandel und die Einbettung von Wohlfahrtsmärkten diskutiert.
Warum beschäftigt sich aber eine sozialpolitische Studie mit Märkten?
Oder genauer gefragt: Warum sind Wohlfahrtsmärkte ein relevantes sozialpolitisches Forschungsfeld? Mit Sozialpolitik werden sehr unterschiedliche
Konzepte verbunden, die einem historischen Wandel unterliegen. Die
Wurzeln der Sozialpolitik liegen in lokalen Selbsthilfevereinen, kommu-
——————
1 In dieser Arbeit wird die männliche Schreibweise für Personen verwendet, um den
Lesefluss nicht zu behindern. Gemeint sind aber Personen beiderlei Geschlechts, wenn
nicht anderweitig angegeben.
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WOHLFAHRTSMÄRKTE
nalen Armenhäusern, betrieblichen – teilweise paternalistischen – Leistungen und familiären Unterstützungsnetzwerken. Seit der Einführung von
Sozialversicherungen und einer Verrechtlichung der sozialpolitischen Leistungen wurde Sozialpolitik vornehmlich als eine nationalstaatliche Aufgabe
aufgefasst. Der Wohlfahrtsstaat – oder auch der im deutschen Sprachraum
gebräuchliche Sozialstaat – wurde sinnbildlich für sozialpolitische Leistungen und versprach gesellschaftlichen Fortschritt (Alber 1988; Alber/
Behrendt 2001; Briggs 1961; Kaufmann 2000; Köppe u.a. 2011). Wie das
Eingangszitat von Briggs (1961) zeigt, wurden wohlfahrtsstaatliche
Programme explizit als Gegengewicht gegenüber Marktkräften implementiert. In der Expansionsphase der Wohlfahrtsstaaten, dem sogenannten
»Goldenen Zeitalter«, wurde bis in die 1970er Jahre hinein der Wohlfahrtsstaat auf eine nationale, staatliche und monofunktionale Institution verengt. Erstmals schien es, dass der »welfare state had now gained parity with
market forces« (Leibfried/Obinger 2000: 281). Erst in den letzten zwei
Dekaden wurde die ursprüngliche sozialpolitische Pluralität in der sozialpolitischen Forschung wieder stärker aufgegriffen. Beispielsweise ignoriert
die nationale Verengung lokale, regionale, supranationale und internationale Institutionen, die ebenso zur Wohlfahrt von Gesellschaften beitragen
(Leibfried/Zürn 2006b). Monofunktionale Perspektiven betrachten nur
einen Aspekt der Sozialpolitik, wie zum Beispiel die Vermeidung von Armut und sozialen Risiken, begrenzt auf einige wenige Politikfelder, ohne
die komplexen und politikfeldübergreifenden Zusammenhänge zu berücksichtigen (u.a. Zohlnhöfer 2007a). Die Engführung auf den Staat lässt
außer Betracht, dass andere gesellschaftliche Sektoren ebenfalls an der
Wohlfahrtsproduktion beteiligt sind, wie Märkte, Verbände und Familien
(Esping-Andersen 1987; 1990; Evers/Olk 1996; Zapf 1984). Diese mehrdimensionale Auffassung von Sozialpolitik erweitert den Handlungsspielraum der sozialpolitischen Akteure, verschiedene Steuerungsformen anzuwenden (Köppe u.a. 2011).
Diese Studie wird genau einen Aspekt der sozialpolitischen Pluralität
näher betrachten: Verschiebungen auf der sektoralen Achse zum Markt.
Das Interesse der Studie richtet sich auf die Finanzierung und Bereitstellung von sozialpolitischen Gütern mit marktförmigen Mitteln, sogenannten
Wohlfahrtsmärkten. Zu Wohlfahrtsmärkten zählen unter anderem freiwillige Rentenversicherungen, private Pflegedienste, die Wahl zwischen obligatorischen Krankenversicherungen, Bildungsgutscheine für Privatschulen
und Eingliederungsmaßnahmen der Arbeitsämter und viele andere Sozial-
EINLEITUNG
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programme und soziale Dienstleistungen, die Marktmechanismen enthalten.
Mit dem Begriff Wohlfahrtsmarkt werden diese Veränderungen der
Sozialpolitik zunächst konzeptionell erfasst (Berner 2009; Nullmeier 2001;
Taylor-Gooby 1999). Außerdem können die neuen Marktformen unter
dem Begriff Wohlfahrtsmarkt empirisch untersucht werden. Kurz gesagt
sind Wohlfahrtsmärkte eine Sozialpolitik mit den Mitteln des Marktes.
Demnach dienen Wohlfahrtsmärkte, wie auch der Wohlfahrtsstaat, der
sozialen Risikoabsicherung oder Versorgung mit sozialen Diensten, die
sozialen Institutionen beinhalten jedoch Marktmechanismen, um die
Sozialleistungen zu finanzieren, zu produzieren und zu verteilen. Dadurch
werden die Wohlfahrtsnutzer zu Konsumenten, wenn sie aufgefordert
werden, zwischen den Optionen im Wohlfahrtsmarkt, das heißt Produkten
und Anbietern, zu wählen.
Exemplarisch werde ich kurz die Marktmechanismen in Wohlfahrtsmärkten anhand der Anfang der 2000er Jahre eingeführten deutschen
Riester-Rente veranschaulichen. Die Riester-Produkte werden zuallererst
von Versicherungen, Banken und Fondsgesellschaften angeboten, also
privaten Marktakteuren. Den Wohlfahrtsnutzern steht es nun frei, aus
einer Produktpalette an Riester-Produkten zu wählen. Diese Rentenversicherungen werden nach Marktpreisen von den Versicherten finanziert
und sie wählen die Produkte selbst aus. Zusammengenommen werden die
Riester-Renten auf einem Rentenmarkt gehandelt und getauscht. Die spezielle Regulierung der Riester-Rente führt dazu, dass ein eigenständiger
Wohlfahrtsmarkt entsteht, der sich von benachbarten Rentenmärkten oder
Altersvorsorgeprodukten unterscheidet und von den Nutzern und Anbietern als ein separater Markt wahrgenommen wird. Trotz dieser Marktmechanismen sind die angebotenen Rentenversicherungen ein soziales
Gut, weil mit einem Riester-Vertrag, wie auch bei einer staatlichen Sozialversicherung, ein Einkommen im Alter bereitgestellt wird.
Dieses Beispiel verdeutlicht die komplexen Marktmechanismen eines
konkreten Wohlfahrtsmarktes. Derartige Wohlfahrtsmärkte variieren erheblich in ihrem Marktvolumen und den institutionellen Eigenschaften.
Folglich sind wesentliche Unterschiede zwischen Nationen und Politikfeldern zu vermuten. Dabei können die Unterschiede zwischen den Politikfeldern genauso hoch sein wie zwischen den Ländern (vgl. Bode 2008;
Gingrich 2011). Beispielsweise ist die Riester-Rente ein Wohlfahrtsmarkt
mit relativ vielen Marktmechanismen im Gegensatz zum schwedischen
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WOHLFAHRTSMÄRKTE
Bildungsmarkt der sogenannten »freien Schulen« (fristående skolor). Der
schwedische Bildungsmarkt wird weiterhin vollständig steuerfinanziert,
wohingegen privaten Beiträgen zur deutschen Riester-Rente dominieren.
Dennoch haben beide Märkte gemein, dass private Akteure um die Wohlfahrtskonsumenten konkurrieren. Ziel dieser Arbeit ist, diese Unterschiede
zwischen den Wohlfahrtsmärkten herauszuarbeiten und die Gründe für
diese Variationen zu untersuchen.
Forschungsüberblick
Aus einem Alltagsverständnis heraus werden derartige sozialpolitische
Institutionen wie die Riester-Rente als Märkte bezeichnet. Trotz verschiedener konzeptioneller Vorarbeiten, die marktförmige Sozialprogramme als
Wohlfahrtsmärkte definieren (Berner 2009; Nullmeier 2001; Taylor-Gooby
1999), konnte keins der Wohlfahrtsmarktkonzepte eine universelle Definition vorlegen, die möglichst alle marktförmigen Sozialprogramme historisch und international adäquat umfasst.2
Neben der fehlenden konzeptionellen Bearbeitung des Gegenstandes
bestand lange Zeit eine empirische Forschungslücke über marktförmige
Sozialpolitik – von wenigen frühen Forschungsarbeiten einmal abgesehen
(u.a. Esping-Andersen 1987; Zapf 1984). In der letzten Dekade hat sich
zwar die sozialpolitische Forschung zunehmend mit diesem Bereich befasst, allerdings sind vergleichende Forschungsarbeiten über mehrere Politikfelder und Länder weiterhin rar.
Es ist zum einen festzustellen, dass wenig über das Marktvolumen von
Wohlfahrtsmärkten bekannt ist. Offene Forschungsfragen sind in diesem
Kontext, wie relevant die Märkte sind, wie sie finanziert werden und wie
viele Nutzer auf diesen Märkten agieren. Vereinzelt existieren Studien, die
das Marktvolumen einzelner Wohlfahrtsstaaten (für Großbritannien
Burchardt 1997; Smithies 2005) oder Politikfelder erhoben haben. Beispielsweise ist das Marktvolumen von privaten Rentenversicherungen
relativ gut dokumentiert, zum Teil sogar in vergleichenden Studien
(Casey/Yamada 2004).3 Trotz dieser Verbesserungen der Datenlage fehlen
weitgehend historische Analysen über die Entwicklung dieser privaten und
——————
2 Andere Begriffe wie Quasi-Markt umfassen ebenfalls nur Teilaspekte marktförmiger
Sozialprogramme (u.a. Le Grand 1991).
3 Seit den 2000er Jahren auch verschiedene internationale Datenbanken (Adema 1999;
Adema u.a. 1996; Adema/Ladaique 2005; OECD 2009a; Pearson/Martin 2005).
EINLEITUNG
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marktförmigen Sozialprogramme. Ebenso bestehen bei der Erhebung des
Marktvolumens Messungenauigkeiten, die bisher nicht thematisiert wurden. Und schließlich ist das Marktvolumen jenseits von privaten Rentenversicherungen nach wie vor weitgehend unerforscht.
Zum zweiten sind die Institutionen von Wohlfahrtsmärkten ein weiteres
Desiderat. Während die Institutionen des Wohlfahrtsstaates ausgiebig erforscht wurden, ist das Wissen über die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte
weiterhin fragmentarisch. Ebenso ist bisher wenig über die Variation der
Wohlfahrtsmarktinstitutionen sowie über die Ursachen dieser Unterschiede
bekannt. Diese Informationslücke betrifft auch hier vor allem systematische Vergleichsstudien über mehrere Länder und Politikfelder.
In der letzten Dekade wurden viele Fallstudien zu Wohlfahrtsmärkten
in einzelnen Ländern und Politikfeldern veröffentlicht, die zumindest zu
einem kumulativen Wissenszuwachs geführt haben. Wie auch beim Marktvolumen beschäftigte sich das Gros der sozialpolitischen Forschung mit
privaten Rentensystemen und -versicherungen und nur vereinzelt mit Politikfeldern wie Gesundheit (Glennerster/Le Grand 1995; Rothgang u.a.
2008) und Bildung (Barrow 1998; Vandenberghe 1998).4
Dennoch wurde auch eine steigende Anzahl von Studien veröffentlicht,
die systematisch einzelne marktförmige Sozialprogramme mehrerer Wohlfahrtsregime vergleichen, unter anderem in Politikfeldern wie Arbeitsmarkt
(Bredgaard/Larsen 2008), Renten (Hippe 2007; 2009; Leisering 2011),
Schulen (Gingrich 2011; Klitgaard 2007a; 2007b; 2008; 2009; 2010; Whitty
u.a. 1998), Gesundheit und Pflege (Gingrich 2011) oder Hochschulen
(Regini 2011). Diese institutionellen Vergleiche werden um einige allgemeinere Sammelbände zur Privatisierung von Sozialpolitik ergänzt, ohne
jedoch das Augenmerk auf die Besonderheiten von Marktmechanismen zu
legen (Béland/Gran 2008b; Greve 2009b; Seeleib-Kaiser 2008b). In diesem
Kontext sind auch Diskursanalysen über Wohlfahrtsmärkte zu erwähnen,
die untersuchen, wie Märkte im öffentlichen Diskurs legitimiert (Bode
——————
4 In Fallstudien wurden sehr detailliert die Institutionen der Rentenmärkte dargestellt und
Erklärungen für die Regulierung der Märkte diskutiert (Berner 2009; Bridgen/Meyer
2005; Emmerson 2003; Hacker 2002; Marschallek 2005). Sammelbände haben einige
Fallstudien zu privaten Rentensystemen zusammengetragen und ermöglichen somit einen kumulativen Vergleich (Clark/Whiteside 2003; Ebbinghaus 2011; Feldstein/Siebert
2002; Gale u.a. 2004; Leisering 2011; Meyer u.a. 2007; Rein/Schmähl 2004). Ferner
wurden in einfachen Überblicksstudien die regulativen Unterschiede von privaten Rentensystemen oberflächlich zusammengetragen (OECD 2008a; 2009b), ohne jedoch konsistent die Marktmechanismen herauszustellen.
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WOHLFAHRTSMÄRKTE
2008; Leisering/Vitić 2009; Seeleib-Kaiser 2008b) und wie sie von der
Bevölkerung wahrgenommen werden (Cebulla 2000; Rowlingson 2002).
Schließlich widmet sich ein Strang in der Literatur den Nutzern von
Wohlfahrtsmärkten und wie sie mit ihrer Wahlfreiheit umgehen. In der
theoretischen Debatte wird auf den Wandel vom Sozialstaatsbürger zum
Wohlfahrtskonsumenten abgestellt (Baldock 2003; Baldock/Ungerson
1993; Clarke 2006; Greve 2003). Neben institutionellen Analysen der
Wahloptionen in Fallstudien (Blank 2009; Blomqvist 2004) wurde das
tatsächliche Verhalten der Nutzer, ebenfalls vor allem im Rentenbereich,
untersucht (Benartzi/Thaler 2001; Corneo u.a. 2007; Madrian/Shea 2001;
Mann 2005; Peggs 2000; Rowlingson 2002; Vidler 2002). Abgesehen von
Sammelbänden mit Fallstudien (Blank u.a. 2012; Greve 2009b) gibt es
keine systematischen Ländervergleiche zum tatsächlichen Wahlverhalten
von Nutzern in Wohlfahrtsmärkten.
Fragestellung
Obwohl vermehrt marktförmige Sozialprogramme und soziale Dienstleistungen Gegenstand von Forschungsarbeiten sind, bleiben mehre Fragen
offen. In dieser Studie werden diese theoretischen und empirischen Forschungsdesiderate aufgegriffen.
Wie erwähnt ist das Verständnis von Wohlfahrtsmärkten bisher konzeptionell nur unzureichend entwickelt und bedarf genauerer Abgrenzung
und Konkretisierung. Deshalb wird der einleitende theoretische Teil der
Studie die stellenweise widersprüchlichen Konzepte diskutieren und Wohlfahrtsmärkte aus politikwissenschaftlicher Sicht systematisch konzeptualisieren. Die so gewonnene Definition von Wohlfahrtsmärkten ist dann
Grundlage für die weitere empirische Analyse.
Die Fülle der vereinzelten Fallstudien und der (gleichwohl kleiner werdende) Mangel an komparativen Arbeiten zeigt eine Forschungslücke für
vergleichende Arbeiten in diesem Feld auf. Die länderspezifischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Wohlfahrtsmärkten wurden bisher nur
unzureichend herausgearbeitet. Diese Studie vergleicht deshalb systematisch die Wohlfahrtsmärkte in den drei Ländern Deutschland, Schweden
und den USA. Diese drei Länder repräsentieren drei verschiedene Wohlfahrtsregime und ihr systematischer Vergleich soll zeigen, ob diese Unterschiede auch bei den Wohlfahrtsmärkten festzustellen sind.
EINLEITUNG
17
Vor allem sind aber Forschungsarbeiten rar, die über Alterssicherungssysteme hinausgehen. Um diesen Rentenbias in den empirischen Arbeiten
über Wohlfahrtsmärkte aufzubrechen, wird zusätzlich zu den Wohlfahrtsmärkten der Alterssicherung die Vermarktlichung des Bildungssektors
analysiert. Dieses Untersuchungsdesign ermöglicht zum einen, auf eine
breite empirische Basis im Rentenbereich zurückgreifen zu können. Zum
anderen erweitert die Untersuchung von Bildungsmärkten die Forschungsperspektive auf ein zusätzliches Politikfeld und ermöglicht weitergehende
Generalisierungen. Außerdem weisen die Renten- und Bildungspolitik
innerhalb der Untersuchungsländer bereits erhebliche Unterschiede auf,
wodurch die Varianz der Vergleichsfälle erhöht wird.
Aus den aufgezeigten empirischen Forschungslücken in Bezug auf das
Marktvolumen und die Institutionen von Wohlfahrtsmärkten ergeben sich
zwei zentrale Fragen dieser Arbeit:
1. Hat eine Vermarktlichung von Sozialpolitik stattgefunden und wenn ja,
wie stark ist sie ausgeprägt?
Mithin berührt diese Frage, wie hoch das Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte ist und ob das Marktvolumen angestiegen ist.
2. Findet eine Entwicklung zu einem Typ von Wohlfahrtsmärkten statt
oder werden die neuen Märkte national politisiert und reguliert? Treten
also institutionelle Unterschiede zwischen den Wohlfahrtsmärkten auf
oder gleichen sich die implementierten Marktmechanismen?
Die Frage nach den Unterschieden bezieht sich explizit auf Unterschiede
zwischen Ländern und Politikfeldern gleichermaßen. Diese beiden Hauptfragen nach dem Marktvolumen und den institutionellen Unterschieden
der Wohlfahrtsmärkte sind der Kern dieser Untersuchung. Beide Fragestellungen beschäftigen sich nicht nur mit der Beschreibung der Entstehung
und Ausgestaltung von Wohlfahrtsmärkten, sondern auch damit, wie der
Wandel und die Unterschiede erklärt werden können.
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WOHLFAHRTSMÄRKTE
Grundannahmen
Basierend auf der bereits erwähnten Literatur (Details s. Kapitel 3) können
drei Grundannahmen über das zu erwartende Marktvolumen und die Regulierung von Wohlfahrtsmärkten abgeleitet werden.5
In Bezug auf das Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte deuten die diskutierten Forschungsarbeiten darauf hin, dass marktförmige Strukturen in
den letzten zwei Dekaden zugenommen haben. Daraus ergibt sich die erste
Grundannahme:
1. Seit den 1990er Jahren ein Wachstum der Wohlfahrtsmärkte festzustellen.
Ziel dieser Studie ist also, den Ausbau und Anstieg der Wohlfahrtsmärkte
nachzuweisen.
In der Literatur ist allerdings bisher ungeklärt, wann genau Wohlfahrtsmärkte in den einzelnen Ländern und Politikbereichen entstanden sind und
wie hoch deren Marktvolumen im Vergleich zu anderen Wohlfahrtsregimen
und zur öffentlichen Sozialpolitik ist. Bei aller Marktrhetorik wird häufig
übersehen, dass die Wohlfahrtsstaaten weiterhin einen Großteil der sozialen Sicherung garantieren, womit die Frage im Raum steht, wie relevant diese
neuen Wohlfahrtsmärkte überhaupt sind. Ziel dieser Studie ist es, ein genaueres Bild des Marktvolumens zu zeichnen. Dabei wird untersucht, ob
Konvergenzen des Marktvolumens festzustellen sind (Holzinger u.a.
2007a; Knill 2005). Die bereits erwähnten Forschungsarbeiten liefern in
diesem Punkt Hinweise auf erhebliche Unterschiede zwischen den Wohlfahrtsregimen und Politikfeldern. Daraus kann folgende zweite Grundannahme abgeleitet werden:
2. Trotz eines Anstiegs des Marktvolumens bleiben wesentliche Unterschiede zwischen Wohlfahrtsregimen und Politikfeldern bestehen.
Beispielsweise ist in liberalen Wohlfahrtsregimen dieses Wachstum vermutlich früher und stärker festzustellen als in konservativen und sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimen.
Der zweite Fragenkomplex beschäftigt sich mit der Regulierung der
Wohlfahrtsmärkte. Wenn Wohlfahrtsmärkte neu entstehen, werden neue
——————
5 Da es sich hier um keine Hypothesen prüfende Studie (im Sinne von quantitativen
Methoden) handelt, erscheint der Begriff Grundannahme geeigneter, um auch den theoretischen Beitrag dieser Studie zu betonen.
EINLEITUNG
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Institutionen (im Sinne von Regeln) gegründet. Verschiedene Studien
konnten bereits zeigen, dass die Institutionen von Wohlfahrtsmärkten
variieren (u.a. Gingrich 2011). Diese Studie zielt darauf ab, diese strukturellen Unterschiede systematisch herauszuarbeiten. In Anlehnung an den
politischen Institutionalismus der Marktsoziologie (Fligstein 2001) konnte
in anderen Märkten gezeigt werden, dass benachbarte existierende Institutionen als Vorbilder (templates) für neue Marktinstitutionen verwendet werden. Die neuen Märkte werden also in das bestehende Institutionengefüge
eingebettet. Geprägt von Pfadabhängigkeiten ähneln die neuen Märkte
bereits existierenden Märkten und öffentlichen Institutionen. Wohlgemerkt
liegen der Marktgründung politische Entscheidungen zugrunde. Machtvolle Akteure versuchen, eine für sie vorteilhafte Marktregulierung zu implementieren und profitieren am meisten davon, wenn die neuen Märkte in
das existierende Institutionengefüge eingebettet werden.
Dieser Prozess der institutionellen Einbettung kann auf Wohlfahrtsmärkte übertragen werden, woraus sich folgende dritte Grundannahme
ableitet
3. Die dominanten sozialpolitischen Akteure haben ein ureigenes Interesse, dass die Wohlfahrtsmärkte in das existierende Wohlfahrtsregime
institutionell eingebettet werden, damit sie ihre Machtposition behaupten können. Folglich werden Wohlfahrtsmärkte nach dem Vorbild der
existierenden sozialpolitischen Institutionen gestaltet.
Die Wohlfahrtsmärkte replizieren damit bestehende institutionelle Eigenschaften.
Grundannahme drei lässt sich wieder am Beispiel der deutschen
Riester-Rente illustrieren: Demnach orientiert sich die Regulierung der
neugegründeten Riester-Rente an dem existierenden deutschen Rentensystem. Angestellte, Beamte und Selbstständige hatten vor der Einführung
der Riester-Rente unterschiedliche Altersvorsorgesysteme, bei der Marktregulierung der Riester-Rente wurden diese Statusunterschiede aufrechterhalten und für Selbständige eine separate Rürup-Rente gegründet. Im
Vergleich dazu war das schwedische Rentensystem vor der Reform Ende
der 1990er Jahre universell und obligatorisch, ebenso wie der neue Rentenmarkt der Prämienrente. Die institutionelle Einbettung ist in beiden Ländern anhand dieses Beispiels dadurch gekennzeichnet, dass die Marktregulierung benachbarten existierenden Institutionen gleicht.
20
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Im Rahmen dieser Studie werden diese Formen der institutionellen
Einbettung von Wohlfahrtsmärkten herausgearbeitet. Grundsätzlich können alle gesellschaftlichen Akteure je nach ihrer Machtposition die Regulierung von Wohlfahrtsmärkten beeinflussen, weshalb sowohl Parteien, Gewerkschaften, Unternehmen, Verbände und Verfassungsgerichte in die
Analyse einbezogen werden. Jeder dieser Akteure versucht, seine Präferenzen bei der Gründung und regulativen Einbettung der Wohlfahrtsmärkte
durchzusetzen.
Damit stellt sich die Frage, wie die formulierten Grundannahmen erklärt werden können. Welche Faktoren befördern das Wachstum der
Wohlfahrtsmärkte (Grundannahme 1), tragen zu den Unterschieden im
Marktvolumen bei (2) und führen zur Einbettung der Wohlfahrtsmärkte in
das existierende Wohlfahrtsregime (3)? Dabei werden soweit wie möglich
verschiedene Theorieschulen der Wohlfahrtsstaatsforschung berücksichtigt, der Schwerpunkt liegt aber auf institutionellen (Pierson 1994;
2000; Streeck/Thelen 2005b) und akteurszentrierten (Gingrich 2011;
Kitschelt 2001; Korpi 1983; Korpi/Palme 2003; Schmidt 1996) Erklärungsansätzen.
In der empirischen Analyse, so das Hauptargument dieser Studie, konnten Institutionen und Akteure als zentrale Einflussfaktoren identifiziert
werden. Wobei die existierenden Institutionen maßgeblich zur Einbettung
beitragen und auch das Wachstum der Wohlfahrtsmärkte begrenzen. Die
dominanten Akteure verstärken die positiven Feedback-Effekte der Institutionen, weil sie vom Erhalt der institutionellen Eigenschaften in den
Wohlfahrtsmärkten profitieren. Wie bereits in der dritten Grundannahme
anklang, sind die Institutionen die Hauptfaktoren für das Wachstumspotenzial, die Varianz und die Einbettung der Wohlfahrtsmärkte. Allerdings können Akteure institutionelle Pfade durchbrechen und Innovationen einführen. Allein die Einführung und das Wachstum von
Wohlfahrtsmärkten gehen auf einen institutionellen Wandel zurück, der
von Akteuren angestoßen wurde. Zusätzlich handeln Akteure unter ökonomischen und gesellschaftlichen Zwängen, die ihre Präferenzen formen.
Anders ausgedrückt, Institutionen stabilisieren nicht nur die Regulierung
der Wohlfahrtsmärkte und bewahren die Unterschiede der Märkte, sie
bestimmen auch zum großen Teil das Wachstumspotenzial. Die beteiligten
Akteure versuchen, die Wohlfahrtsmärkte nach ihren Präferenzen zu gestalten, neue Akteure können jedoch nur marginale Innovationen in Marktreformen durchsetzen. Und schließlich können die sozio-ökonomischen
EINLEITUNG
21
Rahmenbedingungen das Wachstum beschleunigen oder abmildern und im
öffentlichen Diskurs können bestimmte institutionelle Regulierungsoptionen von vornherein ausgeschlossen sein, dennoch besitzen die Institutionen eine hohe Persistenz und begrenzen den Spielraum von Marktwachstum und sozialer Einbettung erheblich.
Das Hauptaugenmerk dieser Studie liegt auf dem empirischen Vergleich der Wohlfahrtsmärkte und inwiefern die leitenden Überlegungen
von Expansion des Marktvolumens und Kontinuität der Länderunterschiede bestätigt werden können. Die Effekte und Wirkungen der Wohlfahrtsmärkte sind explizit nicht Gegenstand dieser Studie, nur an einigen
Stellen wird auf Verteilungseffekte und Ungleichheiten verwiesen, um die
institutionellen Unterschiede der Marktregulierung zu veranschaulichen.
Das vergleichende Forschungsdesign ermöglicht, einerseits generelle Einflussfaktoren für den beobachteten Wandel zu identifizieren und zu überprüfen, andererseits können die Zusammenhänge aufgrund der geringen
Fallzahl nicht statistisch getestet werden. Ein weiterer Beitrag des qualitativen Untersuchungsdesigns liegt in der Theoriebildung zur Erklärung von
Entstehung und Varianz von Wohlfahrtmärkten. Ein weiteres zentrales
Element der Studie ist die Konzeptualisierung des Begriffes Wohlfahrtsmarkt.
Aufbau der Studie
Die Gliederung orientiert sich an den Forschungsfragen. Zunächst wird in
Kapitel zwei der theoretische Rahmen gespannt und das Konzept der
Wohlfahrtsmärkte in den sozialpolitischen Diskurs eingeordnet. Im darauf
folgenden Kapitel werden die Fallauswahl und das methodische Vorgehen
ausführlich dargelegt sowie die Erklärungsansätze für die Grundannahmen
diskutiert. In den Kapiteln vier und fünf erfolgt die eigentliche empirische
Analyse. Das Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte wird in Kapitel vier
erhoben und dargestellt. Dazu werden verschiedene Indikatoren internationaler und nationaler Datenbanken ausgewertet. Der Vergleich der Regulierung erfolgt in Kapitel fünf, gegliedert nach Ländern und Politikfeldern.
In diesem Kapitel werden auch die Interessen und Motivationen der Akteure untersucht und wie sie die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte tatsächlich beeinflusst haben. Ein abschließendes Vergleichskapitel trägt die
Ergebnisse aus den empirischen Kapiteln zusammen und diskutiert sie vor
dem Hintergrund der Erklärungsansätze aus Kapitel drei. In einem ab-
22
WOHLFAHRTSMÄRKTE
schließenden Fazit wird ein Ausblick auf den Zusammenhang von Sozialpolitik und Wohlfahrtsmärkten gegeben. Allgemeingültige Muster und
Entwicklungstrends, die über den sozialpolitischen Kontext hinausgehen,
werden aufgezeigt.
2 Wohlfahrtsmarkt als
politikwissenschaftliches
Konzept
Der Staat spielte in den Anfängen der Sozialpolitik nur eine Nebenrolle,
denn kommunale, betriebliche, kirchliche und private Träger waren
gleichwertige Akteure bei der Gründung sozialpolitischer Programme
(Kaufmann 2003; Pohl 1991; von Stein 1850). Erst im Zeitverlauf verengte
sich der Begriff auf staatliche Sozialleistungen – konkretisiert im Konzept
des Wohlfahrtsstaates (Alber/Behrendt 2001; Neumann/Schaper 2008;
Schmidt 2005; Schmidt u.a. 2007). Sozialpolitik wurde und wird primär als
staatliche Politik aufgefasst und betrieben, obwohl die Ursprünge eben
gerade nicht dort liegen. Infolgedessen beschäftigte sich die sozialpolitische
Forschung hauptsächlich mit der Staatstätigkeit und dem Wohlfahrtsstaat,
eine Forschungsperspektive, die bis heute dominiert (Alber 1987; 1988;
Briggs 1961; Flora 1986; Flora/Alber 1981; Katznelson 1988). Trotz dieser
Verengung ist aber selbst die Definition des Wohlfahrtsstaates nicht immer
eindeutig und klar umgrenzt (Barr 2004: 6).
In anderen sozialpolitischen Forschungsansätzen wurde die sektorale
Pluralität der Sozialpolitik allerdings immer adressiert vgl. Köppe u.a.
(2008). Unter Begriffen wie Wohlfahrtspluralismus oder Wohlfahrtsmix
wurde jenseits der öffentlichen Leistungserbringung die betriebliche, freiwillige, private, kirchliche und familiäre Wohlfahrtsproduktion berücksichtigt (Evers/Olk 1996; Powell 2007; Titmuss 1963 [1956]; Zapf 1984).
Meist werden vier wesentliche Wohlfahrtssektoren genannt: Staat, Markt,
Verbände (bzw. der Dritte Sektor) und Familien. Allerdings sind die Grenzen zwischen den Sektoren dabei immer weniger auszumachen und verschwimmen zusehends. Hybride Wohlfahrtsarrangements entstehen, die
Eigenschaften mehrerer Wohlfahrtssektoren aufweisen. Beispielsweise
wurden betriebliche Renten mehr und mehr privaten Rentenversicherungen angepasst, sodass sie Eigenschaften beider Sektoren aufweisen
(Berner 2009; Greener 2008: 97).
24
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Im Rahmen dieser Arbeit interessiert vor allem die Erbringung von
Wohlfahrtsleistungen mithilfe von Marktmechanismen im konkreten Untersuchungsgegenstand von Renten- und Bildungsmärkten. Als heuristisches Konzept zur Analyse dieser marktförmigen Sozialpolitik verwende
ich den Begriff Wohlfahrtsmarkt, der in diesem Kapitel definiert wird. In der
Konzeptualisierung werden die Eigenschaften von Wohlfahrtsmärkten
dargelegt, die Operationalisierung von Vermarktlichung diskutiert und
verschiedene Wohlfahrtsmarkttypen definiert. Im Rahmen der Fokussierung auf die Marktmechanismen sozialpolitischer Programme und Dienstleistungen liegt das Hauptaugenmerk der Studie – und damit auch der
folgenden konzeptionellen Diskussion – auf dem Wechselverhältnis von
Staat und Markt, ohne andere Wohlfahrtssektoren explizit zu berücksichtigen.6
Im Folgenden werden die Begriffe Markt, Wohlfahrtsmarkt und Vermarktlichung diskutiert und definiert, sowie verschiedene Schattierungen
von Wohlfahrtsmarkttypen auf der Achse Staat-Markt differenziert. Zuerst
werden die unterschiedlichen ökonomischen und soziologischen Marktdefinitionen präsentiert. In das politikwissenschaftliche Konzept des
Wohlfahrtsmarktes werden Elemente aus beiden Disziplinen aufgenommen und Brücken zu ihnen geschlagen, Märkte werden aber insbesondere
als politisch konstituierte Arenen des Tauschs betrachtet (Fligstein 1996;
2001). Anschließend werden in einem Literaturüberblick Wohlfahrtsmarktkonzepte diskutiert. Im darauf folgenden Abschnitt wird das in dieser
Studie verwendete Wohlfahrtsmarktkonzept definiert. Im Anschluss an die
Definition von Wohlfahrtsmärkten wird Vermarktlichung als ein Wandel
zu Wohlfahrtsmärkten konkretisiert sowie die Wohlfahrtsmarkttypen ausführlich dargestellt.
2.1
Ökonomische und soziologische Marktdefinitionen
Ökonomen und Soziologen haben unterschiedliche Zugänge zu Märkten.
In der Ökonomie wird definitorisch meist von einem perfekten Markt
——————
6 Betriebliche Sozialpolitik ist häufig eng mit Wohlfahrtsmärkten verbunden und wird in
den empirischen Kapiteln aufgegriffen, insbesondere in der Rentenpolitik. Konzeptionell wird aber nur das Verhältnis zwischen Wohlfahrtsmarkt und Wohlfahrtsstaat diskutiert.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
25
ausgegangen, der nur selten real existiert. Soziologen sind hingegen vor
allem an den Interaktionen der Marktteilnehmer interessiert. Im Gegensatz
zu den meisten Ökonomen gehen sie nicht von einem idealen Markt aus,
sondern definieren minimale gesellschaftliche Bedingungen, unter denen
Märkte entstehen. Beiden akademischen Disziplinen ist gemein, dass Märkte soziale Institutionen des Tausches von Gütern und Dienstleistungen
sind. Allgemeiner formuliert: Auf Märkten findet der Tausch von Eigentumsrechten statt.
Ökonomische Perspektive
Märkte müssen nach ökonomischer Lesart die vier Standardannahmen
vollständiger Wettbewerb, vollkommene Märkte, Abwesenheit von Marktversagen und vollständige Informationen erfüllen (Barr 2004: 73–79).
Rational handelnde Marktakteure handeln unter diesen Bedingungen ausschließlich zur individuellen Nutzenmaximierung Waren und Dienstleistungen. Laut neoklassischer Auffassung reguliert sich der Markt weitgehend selbst durch den Preismechanismus und die staatliche Aufgabe
besteht lediglich darin, Eigentumsrechte zu garantieren (Nachtwächterstaat).
Zentral ist im Folgenden die erste der vier Standardannahmen – vollständiger Wettbewerb –, weil sich die ökonomische Definition von Wettbewerb von der soziologischen Definition unterscheidet. Ein vollständiger
Wettbewerb liegt laut ökonomischer Theorie vor, wenn Marktakteure
Preisnehmer sind und Machtgleichheit herrscht. In einem Markt mit einer
atomistischen Akteursstruktur, das heißt vielen Anbietern und Nachfragern
(Czada 2007: 73) und ohne Eintrittsbarrieren, ist kein Akteur fähig, die
Preise zu diktieren. Folglich müssen alle Akteure die auf dem Markt angebotenen Preise annehmen. Aufgrund der vielen Anbieter ist das »Wettbewerbssystem im Großen und Ganzen unpersönlich« (Samuelson 1955: 40).
Diese Definition von Märkten ist überwiegend Konsens unter Ökonomen, die Wirkungen werden jedoch teilweise höchst unterschiedlich interpretiert oder die vier Standardannahmen werden ergänzt beziehungsweise
spezifiziert. Reale Märkte erfüllen nicht immer die Standardannahmen und
wenn es zu einem Marktversagen kommt, dann werden die angenommenen positiven Wohlfahrtseffekte der Märkte nicht erreicht (Barr 2004).
26
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Soziologische Perspektive
Die Marktsoziologie ist im Vergleich zur Wirtschaftswissenschaft stärker
an den sozialen Interaktionen interessiert, die den Tausch von Gütern und
Dienstleistungen ermöglichen (Aspers 2011; Beckert u.a. 2007; Fligstein/
Dauter 2007; Maurer 2008; Slater/Tonkiss 2001; Smelser/Swedberg 2005).
Märkte sind demnach »Arenen sozialen Handelns« (Aspers/Beckert 2008),
also keine abstrakten unpersönlichen Gebilde, sondern basieren auf
konkreten menschlichen Interkationen.7 Die »Vertragsarena« (Zintl 2003)
steht im Mittelpunkt der soziologischen Betrachtung und weist drei
Grundeigenschaften auf:
Erstens dient ein Markt dem Austausch von Eigentumsrechten. Die Marktakteure tauschen Güter oder Dienstleistungen direkt oder mithilfe eines
Tauschmittels (z.B. Geld). Die Marktarena bildet die soziale Struktur sowie
die institutionelle Ordnung, die zur Bewertung, zum Erwerb und zur Veräußerung der Eigentumsrechte nötig ist.
Zweitens findet der Austausch unter Wettbewerbsbedingungen statt. Mindestens drei Akteure müssen an dem Austausch beteiligt sein, damit Wettbewerb entsteht. Zwei Konsumenten konkurrieren somit um ein Angebot
oder zwei Anbieter konkurrieren um einen Kunden. Dieses minimale
Wettbewerbskonzept steht im Widerspruch zum aufgezeigten atomistischen Wettbewerbsmodell der Ökonomie.
Drittens bildet ein Markt den Rahmen für »freiwillige Kooperationen«
(Zintl 2003: 31). Marktteilnehmer können aufgrund der Freiwilligkeit der
Tauschbeziehungen selbst bestimmen, ob ein Tausch der Eigentumsrechte
stattfindet. Ohne die Freiwilligkeit des Tausches wären die Akteure nicht
mehr autonom und somit der Wettbewerb eingeschränkt. Die Arena verbindlicher Kollektiventscheidungen (Politik, Staat) ist laut Weber (2005
[1922]: 493) der Gegenpol zur freiwilligen Vertragsarena (Zintl 2003).
Diese soziologische Minimaldefinition ist erweiterbar und offen für
weitere theoretische Eingrenzungen oder Annahmen. Insgesamt liegt der
Fokus der soziologischen Marktkonzepte auf den Marktindividuen und
ihrem Handeln innerhalb der Marktinstitutionen.
——————
7 Arena wird in diesem Zusammenhang meist im systemtheoretischen Kontext verwendet. Eine Arena ist ein soziales System, das funktional ausdifferenziert ist.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
27
Bedeutung für die Sozialpolitik
Wie gezeigt haben beide Disziplinen – Ökonomie und Marktsoziologie –
sehr unterschiedliche Fragestellungen und Grundannahmen. Aus sozialpolitischer Perspektive stellt sich jedoch folgende zentrale Frage: Welche
Güter sollen auf Märkten gehandelt und welche vom Wohlfahrtsstaat bereitgestellt werden? Laut ökonomischer Theorie stellen vollkommene
Märkte alle Güter und Dienstleistungen zur Verfügung, für die Individuen
bereit sind zu zahlen (Barr 2004: 74). Einige Güter sind jedoch so beschaffen, dass in kapitalistischen Gesellschaften keine natürlichen Märkte für
diese Güter entstehen (u.a. öffentliche Güter, nicht versicherbare Risiken).
Vor allem die funktionalen Eigenschaften der Güter bestimmen aus ökonomischer Perspektive, ob ein Markt entstehen kann oder nicht. Bei Gütern, deren Märkte nicht natürlich entstehen, obwohl ein öffentliches Bedürfnis nach diesen Produkten besteht, ist eine öffentliche Finanzierung,
Bereitstellung oder Regulierung legitim. Soziologische Studien haben gezeigt, dass die Marktkompatibilität von Gütern auch normativ bestimmt
wird und bestimmte fiktive Produkte wie Lebensversicherungen oder Finanzderivate erst auf einem Markt gehandelt werden können, wenn ihre
Tauschfähigkeit normativ akzeptiert worden ist (MacKenzie/Millo 2003;
Quinn 2008).
Diese beiden Sichtweisen zeigen, dass der Handel von Produkten und
Dienstleistungen einerseits von den Eigenschaften der Güter abhängt,
andererseits aber auch davon, ob diese Güter im Rahmen sozialer Konstruktion als handelbare Güter aufgefasst werden. Die Grenzen von handelbaren Gütern werden ständig neu ausgelotet und unterliegen kulturellem und gesellschaftlichem Wandel.
Für die Sozialpolitik stellt sich somit erstens die Frage, ob sozialpolitische Güter Eigenschaften besitzen, die einen Handel auf Märkten ermöglichen, und zweitens, ob die sozialpolitischen Güter auch als handelbare
Güter aufgefasst werden. Die Definition von Wohlfahrtsmärkten wird
diese beiden Aspekte der Handelbarkeit von Produkten und Dienstleistungen aufnehmen.
28
2.2
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Wohlfahrtsmarkt
Märkte werden üblicherweise nach den gehandelten Produkten und
Dienstleistungen differenziert. Beispielsweise wird der Automobilmarkt
vom Lebensmittelmarkt unterschieden. Energie- und Telekommunikationsmärkte sind aus der öffentlichen Daseinsvorsorge bekannt. Im Bereich
der inneren und äußeren Sicherheit wird beispielsweise der Begriff
»Military Market« verwendet (u.a. Leander 2006).
Das Wohlfahrtsmarktkonzept ist ein heuristisches Konstrukt, um die
marktförmige Allokation von sozialen Gütern gegenüber anderen Gütermärkten abzugrenzen. Ebenso macht der Begriff Wohlfahrtsmarkt deutlich, dass die Allokation nicht hierarchisch wie im Wohlfahrtsstaat erfolgt,
sondern in marktförmigen Strukturen. Nicht alle Studien, die sich diesem
Themenkomplex widmen, verwenden den Begriff Wohlfahrtsmarkt, sondern
sprechen beispielsweise schlicht von Märkten im »Wohlfahrtsstaat« oder
»öffentlichen Sektor« um das Phänomen von Marktmechanismen im Kontext von Sozialprogrammen zu beschreiben (Gingrich 2011; Greener
2008). Ziel der theoretischen Diskussion ist hier eine begriffliche Kohärenz
herzustellen, die verschiedene Ansätze und Definitionen vereint.
Allerdings ist der Begriff Wohlfahrtsmarkt aus sozialpolitischer Perspektive ein Oxymoron: ein Kompositum aus zwei sich widersprechenden
Begriffen. In der sozialpolitischen Forschung konnte immer wieder gezeigt
werden, dass Märkte (insbesondere der Arbeitsmarkt) soziale Risiken verursachen und zu sozialen Ungleichheiten führen. Die Aufgabe des Wohlfahrtsstaates ist unter anderem dieses Marktversagen auszugleichen.8 In
diesem Kontext erscheint es widersprüchlich, dass nun Märkte, obwohl
Ursache für soziale Risiken und Ungleichheiten, diese verhindern oder
reduzieren sollen (s. auch S. 32). Das Konzept Wohlfahrtsmarkt bezieht
sich explizit auf Wohlfahrtsprogramme, die Marktmechanismen bei der
Allokation von Transferleistungen, Sachleistungen und Dienstleistungen
verwenden. Marktmechanismen werden, als ein sozialer Steuerungsmechanismus wie auch Hierarchien oder Netzwerke, zur Bereitstellung sozialer
Güter verwendet.
——————
8 Der Wohlfahrtsstaat wurde im engen Sinne als Intervention in Märkte verstanden
(Katznelson 1988: 517) oder als ein »effort to modify the play of market forces« (Briggs
1961: 228; vgl. auch Esping-Andersen 1985: »politics against markets«).
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
29
In kritischer Lektüre der existierenden Literatur zu Wohlfahrtsmärkten
wird im Folgenden das Konzept weiterentwickelt. Dieses Konzept wird
dann konkret auf die Politikfelder Rente und Bildung angewendet.
Tabelle 1: Wohlfahrtsmarktansätze
Autor
Kriterien
einbezogene
Politikfelder
Stärken und
Schwächen
Öffentliches Gut
Historisch-regulativ
Konstruktivistisch
Taylor-Gooby
(1999)
Öffentliche Güter
(keine Rivalität,
kein Ausschluss)
Nullmeier (2001,
2002)
- marktförmige
Strukturen
- soziale Güter
- ehemals staatlich
- sozialpolitische
Regulierung
Berner (2007)
Sozialpolitik (Gesundheit, Rente,
sozialer Wohnungsbau), Stressreduzierung,
öffentliche
Sicherheit
+ Definition anhand der Guteigenschaften
– Beispiele passen
nicht zur Definition
– nicht auf Sozialpolitik begrenzt
Sozialpolitik
(Rente, Pflege, KV)
Sozialpolitik
(insbesondere
Rente)
+ konkreter sozialpolitischer Bezug
− einseitig temporal
− Betonung der
Sozialversicherung
+ diskursanalytisch
+ hybride Institutionen
− internationaler
Vergleich eingeschränkt
Sozialpolitische
Zuschreibung
Quelle: eigene Darstellung
2.2.1 Literaturüberblick der Wohlfahrtsmarktkonzepte
Basierend auf der existierenden Literatur können drei Konzepte von den
Autoren Taylor-Gooby (1999), Nullmeier (2001; 2002a; 2004) und Berner
(2009) unterschieden werden, die unterschiedliche Vor- und Nachteile
besitzen. Die ausführliche Darlegung der drei Konzepte wird im Folgen-
30
WOHLFAHRTSMÄRKTE
den zeigen, wie das Konzept weiterentwickelt und kohärenter ausformuliert werden kann. Tabelle 1 fasst die drei Ansätze der Wohlfahrtsmärkte
zusammen und bietet einen Überblick über die verschiedenen Konzepte,
die in den folgenden Abschnitten näher erläutert werden.
Der öffentliche Güter Ansatz (Taylor-Gooby)
Erstmals verwendet Taylor-Gooby (1999) den Begriff »welfare market« zur
Beschreibung von marktförmigen Sozialprogrammen.9 Theoretisch und
konzeptionell problematisch ist die beiläufige Einführung des Begriffes, als
ob der Begriff bereits definiert sei, dennoch kann zwischen den Zeilen
herausgelesen werden, was genau Taylor-Gooby unter dem Begriff Wohlfahrtsmarkt versteht.10
Die Innovation von Taylor-Gooby besteht darin, Wohlfahrtsmärkte
ausschließlich über ihren Gutcharakter zu definieren, das heißt als Märkte,
auf denen öffentliche Güter angeboten werden (Taylor-Gooby 1999: 100).
Lediglich die Eigenschaft der öffentlichen Güter unterscheidet Wohlfahrtsmärkte von normalen Gütermärkten.
Öffentliche Güter zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder durch Rivalität gekennzeichnet sind (keine Konkurrenz um knappe Güter), noch
Konsumenten vom Verbrauch der Güter ausgeschlossen werden können
(keine Exklusion). Dazu zählen Güter wie die öffentliche Rundfunküber-
——————
9 Peter Taylor-Gooby verwendet den Begriff bereits ein Jahr zuvor (1998) für den Titel
eines von ihm editierten Sammelbandes, ohne im Text auf den Begriff näher einzugehen. Eine Suche über den Social Science Citation Index ergab lediglich zweierlei: Einige
Übersetzungen der »sozialen Marktwirtschaft« als »Welfare Market Economy«, sowie zufällige Überschneidungen von Titel und Untertitel (»… social welfare – market forces
…«) führten zu positiven Treffern, die jedoch nichts mit dem Kompositum im Sinne
Taylor-Goobys gemein haben. Eine zusätzliche Suche über GVK-PLUS Katalog führte
zu einem Artikel, der den Begriff »welfare market« zwar im Kontext der Sozialpolitik
verwendet, diesen aber nicht näher definiert und in drei unterschiedlichen Kontexten
anwendet: Erstens im ökonomischen Kontext zur allgemeinen Steigerung der Wohlfahrt
und des Glücks, was durch die Einführung von Auswahlmöglichkeiten in welfare markets
erreicht wird; zweitens als Synonym für Quasi-Märkte (vgl. Fußnote 10); und drittens als
subsystem eines omnipotenten Marktkapitalismus (Lai 1994).
10 Taylor-Gooby entwickelt seine Konzeption der Wohlfahrtsmärkte in direktem Bezug
auf die Quasi-Markt-Debatte, grenzt sich dennoch von ihr ab. Quasi-Märkte führen
Wettbewerb unter den Anbietern sozialer Leistungen ein, die Finanzierung der Leistungen übernimmt aber weiterhin der Staat (Bartlett u.a. 1998; Glennerster/Le Grand
1995; Le Grand 1991; 1993). Siehe auch Kapitel 2.2.4 Ausschreibungs- und Vouchermarkt.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
31
tragung. Das Rundfunksignal kann von allen Bürgern im Sendegebiet empfangen werden (keine Exklusion) und das Produkt ist nicht knapp, denn
die Übertragung wird nicht davon beeinflusst, ob mehr oder weniger Zuschauer einschalten (keine Konkurrenz). Bei öffentlichen Gütern kommt
es zu einem Marktversagen, weil keine natürlichen Märkte entstehen.
Gleichzeitig wird ein breites gesellschaftliches Interesse für öffentliche
Güter angenommen, weshalb der Staat deren Produktion übernimmt und
über Steuergelder finanziert (Jansen/Priddat 2007).
Öffentliche Güter – laut Taylor-Gooby so disparate Güter wie öffentliche Sicherheit, öffentliche Gesundheit, allgemeine Reduzierung von
Stress – können deshalb nicht adäquat auf einfachen Gütermärkten bereitgestellt werden, weshalb er gegenüber Wohlfahrtsmärkten eher eine kritische Haltung einnimmt (Taylor-Gooby 1999). Wohlfahrtsmärkte produzieren zwar soziale Güter, allerdings würden damit wohlfahrtsstaatliche
Ziele wie Gleichheit, Gerechtigkeit, Sicherheit nicht erreicht. Es bestehe
ein Zielkonflikt zwischen den Marktmechanismen (market means) und den
Wohlfahrtszielen (welfare ends) (Taylor-Gooby 2004b; Taylor-Gooby u.a.
2004).
Alles in allem verwendet Taylor-Gooby zwar ein etwas vages Konzept
von Wohlfahrtsmärkten, aber dennoch wird deutlich, dass die Eigenschaften der Güter den Wohlfahrtsmarkt konstituieren. Wenn öffentliche
Güter, die eigentlich laut ökonomischer Theorie nicht handelbar sind, auf
Märkten getauscht werden, sind diese Märkte Wohlfahrtsmärkte. Damit
bietet das Wohlfahrtsmarktkonzept von Taylor-Gooby eine knappe Definition, die auf verschiedene Märkte angewendet werden kann und einfach
zu operationalisieren ist.
Allerdings sind viele wohlfahrtsstaatliche Leistungen wie die besagte
öffentliche Gesundheit keine öffentlichen Güter. Patienten konkurrieren
sehr wohl um die beste Versorgung und können von Leistungen ausgeschlossen werden. Obwohl als Wohlfahrtsmarkt bezeichnet, umfasst das
Konzept von Taylor-Gooby nicht sozialpolitische Leistungen, sondern
öffentliche Güter.
Trotz dieser zentralen Einschränkung führte Taylor-Gooby mit dem
Oxymoron Wohlfahrtsmarkt einen Begriff in den sozialpolitischen Diskurs
ein, der ein augenscheinlich widersprüchliches Begriffspaar vereint. Damit
wird die Trennung des Verteilungsmechanismus (Markt/Staat) von den
sozialpolitischen Zielen verdeutlicht. Obwohl Taylor-Gooby bezweifelt,
dass Marktmechanismen sozialpolitische Ziele erreichen können, suggeriert
32
WOHLFAHRTSMÄRKTE
der Begriff Wohlfahrtsmarkt zunächst genau das und entideologisiert somit
Märkte als Allokationsmechanismus in der Sozialpolitik. Märkte sind demnach ein Mechanismus der sozialpolitischen Güterallokation unter vielen.
Der Fokus auf »traditionelle« Sozialpolitik und Regulierung (Nullmeier)
In der deutschen Diskussion wurde Taylor-Goobys Begriff »welfare
market« von Nullmeier (2001) aufgegriffen. Der Begriff erfährt dabei, trotz
der wörtlichen Übersetzung, eine engere Definition als die britische Variante.
»Unter Wohlfahrtsmärkten (vgl. Taylor-Gooby 1999) sollen alle marktförmigen
wirtschaftlichen Strukturen verstanden werden, die auf die Produktion und Verteilung von Gütern und Diensten gerichtet sind, die traditionell unter dem Schutz des
Sozialstaates als Leistung zur Schaffung sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit stehen oder standen, und als Märkte weiterhin einer sozialpolitischen Regulation unterliegen. Unter Wohlfahrtsmärkten sind voll entwickelte Märkte ebenso zu
fassen wie staatlich hochgradig regulierte und finanzierte Märkte, innerstaatliche
Quasimärkte (Le Grand 1993) oder Marktprozesse nur nachahmende Wettbewerbsprozesse ohne Beteiligung privater Anbieter. Von Wohlfahrtsmärkten soll
jedoch nur dann gesprochen werden, wenn eine sozialpolitische Gesetzgebung als
Marktrahmen oder Marktregulation fortbesteht« (Nullmeier 2001: 647).
Wohlfahrtsmärkte müssen demnach vier Bedingungen erfüllen: Erstens
müssen Marktmechanismen institutionalisiert sein. Zweitens produzieren
oder verteilen sie sozialpolitische Güter. Drittens muss die Produktion
oder Verteilung vorher vom Staat erbracht worden sein. Und viertens muss
weiterhin eine sozialpolitische Regulierung erkennbar sein.
Ebenso wie Taylor-Gooby weist Nullmeier auf die widersprüchliche
sozialpolitische Wirkung der Wohlfahrtsmärkte hin (s.o. Oxymoron):
»Vom Markt erzeugte soziale Risiken werden jetzt durch Wohlfahrtsmärkte
ausgeglichen« (Nullmeier 2001: 646; 2002a: 270; 2004). Allerdings zieht
Nullmeier einen anderen Schluss als Taylor-Gooby und meint, dass Wohlfahrtsmärkte sehr wohl sozialpolitische Ziele erreichen können. Es komme
auf die staatliche Regulierung der Wohlfahrtsmärkte an, ob sie die Wohlfahrtsziele erreichen können. Beispielsweise sei es Aufgabe der staatlichen
Sozialpolitik, die Nutzer – in Nullmeiers Worten die Verbraucher – der
Wohlfahrtsmärkte zu unterstützen, indem beispielsweise Marktinformationen bereitgestellt werden und die Bürger zu gut informierten und souveränen Verbrauchern ausgebildet werden (Nullmeier 2002b; 2004).
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
33
Der zentrale Beitrag von Nullmeier ist, dass seine Definition sehr viel
konkreter auf Sozialpolitik gemünzt ist als die von Taylor-Gooby. Das
zweite Kriterium der sozialen Güter bezieht Nullmeier im Gegensatz zu
Taylor-Gooby lediglich auf jene Güter, die der Absicherung beziehungsweise der Kompensation von Risiken, die durch den Arbeitsmarkt entstehen, dienen. Wohlfahrtsmärkte sind für ihn insbesondere Sozialversicherungsmärkte. Als konkrete Politikfelder benennt und untersucht er die
Rentenversicherung (Nullmeier 2001), die Krankenversicherung und die
Pflegeversicherung (Nullmeier 2002a). Soziale Dienstleistungen wie Bildung oder Altenpflege werden hingegen nicht explizit erwähnt.
Die weitere Bedeutung der sozialen Güter ergibt sich aus dem dritten
Kriterium: Wohlfahrtsmärkte sind in Nullmeiers Konzept auf die »traditionellen« Felder der Sozialpolitik beschränkt. Problematisch an dieser Einschränkung ist, dass dadurch weder Unterschiede des Wohlfahrtsmix einzelner Länder noch neue soziale Risiken ausreichend berücksichtigt
werden.
Erstens werden ausgeprägte Wohlfahrtsmärkte in liberalen Wohlfahrtsstaaten wie den USA per Definition ausgeschlossen, weil die Wohlfahrtsproduktion einzelner Politikfelder (u.a. Krankenversicherung) »traditionell«
nie in staatlichen Sozialversicherungen organisiert war (Berner 2004: 10).
Bei strenger Auslegung des Kriteriums »traditionell« werden bestehende
Wohlfahrtsmärkte ausgeschlossen, die parallel zu staatlichen Sozialprogrammen überdauerten (z.B. Betriebsrenten oder Privatschulen).
Zweitens ist es unerheblich, ob die Produktion traditionell in staatlicher
Hand war, denn die bisherige Fokussierung allein auf das veränderte Verhältnis von Staat und Markt ignoriert die familiäre Wohlfahrtsproduktion.
Wohlfahrtsmärkte können auch entstehen, wenn die sozialen Güter bisher
von Familien erbracht wurden und der Staat nicht substanziell an der
Güterallokation beteiligt war.11 In dieser Arbeit wird zwar auch der Hauptfokus auf das Verhältnis von Staat und Markt gelegt, dennoch sollte eine
universelle Definition von Wohlfahrtsmärkten andere Wohlfahrtssektoren
nicht per se ausschließen.
Drittens wurden neuere soziale Problemlagen und Risiken erst in den
letzten Jahren als sozialpolitisch relevant aufgegriffen und haben zunehmend staatliche Interventionen hervorgerufen, wie zum Beispiel in
——————
11 Dies trifft zum Teil im Bereich der Altenpflege und Kinderbetreuung zu, die in einigen
Wohlfahrtsstaaten typischerweise direkt von der Familie auf private Marktanbieter übertragen wurde.
34
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Deutschland im Bereich der Kinderbetreuung (Armingeon/Bonoli 2006;
Bonoli 2005; Taylor-Gooby 2004a). Von Nullmeiers Definition werden
diese neuen Risiken nicht ausdrücklich berücksichtigt und gehören auch
nicht zum »traditionellen« Kern der Sozialpolitik.
Die drei Einwände zeigen, dass die Beschränkung auf »traditionelle«
Sozialpolitik nur eine Entwicklungsrichtung von Wohlfahrtsmärkten zulässt – vom Staat zum Markt. Allerdings kann die Entstehung von Wohlfahrtsmärkten sowohl der Entwicklung wohlfahrtsstaatlicher Sozialpolitik
vorgelagert sein (zeitlich) als auch einer Veränderung mehrerer Wohlfahrtssektoren zugrunde liegen (räumlich).
Das dritte Kriterium, die sozialpolitische Regulierung der Märkte, führt
eine normativ-politische Dimension ein. Für Nullmeier (2001) ist die
»sozialpolitische Gesetzgebung« essenziell bei der Marktrahmung und
Marktregulierung. Die staatliche Aufsicht und Kontrolle der im Markt
agierenden Unternehmen ist demnach eine neue sozialpolitische Staatsaufgabe. Die Sozialpolitik bedient sich dabei des Instrumentariums der
Banken- und Finanzaufsicht und des Verbraucherschutzes.
Es wird nicht näher erläutert, was genau eine sozialpolitische Regulierung von normaler Regulierung unterscheidet. Die Instrumentarien die
Nullmeier benennt, sind nicht originär sozialpolitisch. Ebenso ist die von
ihm exemplarisch herangezogene Riester-Rente nicht in das SGB eingebunden, sondern ein eigenständiges Gesetz.12
Angesichts der Einschränkungen von Nullmeiers Konzeptualisierung
der Wohlfahrtsmärkte bleibt festzuhalten, dass die Stärke der Definition in
dem eindeutigen Bezug auf Sozialpolitik liegt. Nullmeiers Verständnis von
Wohlfahrtsmärkten bietet besonders gute Anknüpfungspunkte zu Sozialprogrammen des Wohlfahrtsstaates, wenn auch soziale Dienstleistungen
eher ignoriert werden. Außerdem wird von verschiedenen Graden der
Marktmechanismen ausgegangen, wenn sowohl »voll entwickelte« Märkte
als auch Quasimärkte einbezogen werden. Allerdings muss auch angemerkt
werden, dass die Definition relativ restriktiv in Bezug auf die historische
und räumliche Anwendbarkeit in der vergleichenden Sozialpolitikforschung ist.
——————
12 Im Online-Portal der Bundesregierung taucht es aber zusammen mit dem SGB auf
(http://gesetze.bmas.de). Das Argument einer spezifisch sozialpolitischen Regulierung
wurde auch von Leisering (2007) aufgegriffen. In der Folge wendet sich Leisering (2011)
aber eher vom Begriff Wohlfahrtsmarkt ab und richtet die Forschungsperspektive ausschließlich auf den »regulativen Staat« (vgl. Gilbert/Gilbert 1989; Majone 1994).
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
35
Der konstruktivistische Ansatz (Berner)
Berner (2009) konzeptualisiert Wohlfahrtsmärkte ausschließlich aus einer
sozialkonstruktivistischen Perspektive. Von einem Wohlfahrtsmarkt könne
man nur sprechen, »wenn sich das politische Bewusstsein der staatlichen
Verantwortung für die Wohlfahrt der Gesamtbevölkerung und ein sozialstaatlich begründeter Gestaltungsanspruch auf Märkte oder einen Komplex
von Marktbereichen erstrecken« (Berner 2009: 289). Ähnlich wie Nullmeier
betont Berner die »wohlfahrtsstaatliche Einbettung« einzelner Märkte in
den Verantwortungsbereich der staatlichen Sozialpolitik. Letztlich definieren nicht die Eigenschaften der Güter und Dienstleistungen einen
Wohlfahrtsmarkt, sondern »ob diesen Gütern oder Dienstleistungen sozialpolitische Bedeutung beigemessen wird« (Berner 2009: 291). Die sozialpolitische Regulierung der Wohlfahrtsmärkte wird folglich in Abgrenzung zu
Nullmeier irrelevant, denn es gibt
»sozialpolitisch begründete Regulierung, nicht jedoch sozialpolitische Regulierung ›an
sich‹. Wenn man von den Begründungen und Zielsetzungen absieht, beinhaltet
etwa das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Maßnahmen, die auch in
anderen, nichtsozialpolitischen Kontexten eingesetzt werden oder eingesetzt werden könnten« (Berner 2009: 291, Hervorhebungen Autor).
Weder ein besonderer Regulierungstyp entstehe in Wohlfahrtsmärkten,
noch weisen sie notwendigerweise eine stärkere regulative Intervention auf.
Epistemologisch stellt sich somit die Frage, ob Wohlfahrtsmärkte und
Marktmechanismen überhaupt an objektiven Kriterien festgemacht werden
können. In den weiteren Ausführungen unterlässt es Berner, Markteigenschaften zu spezifizieren, und lässt offen, wie der Austausch von Eigentumsrechten im Kontext von Sozialpolitik erfolgt.
Ergänzend zur konstruktivistischen Perspektive betont Berner (2009)
die Hybridität sozialer Ordnungen. Seines Erachtens existiert keine deutliche Trennung Staat und Markt, sondern Mischformen, die Elemente aus
beiden Wohlfahrtssektoren in Abstufungen kombinieren. Folglich sind
derartige hybride Institutionen eher der Regelfall als die Ausnahme.
Die konstruktivistische Perspektive ist eine konzeptionelle Weiterentwicklung, die insbesondere die kulturelle Markteinbettung hervorhebt. Die
konstruktivistische Konzeption hat jedoch Nachteile für Vergleichsstudien
von Wohlfahrtsmärkten, hauptsächlich wenn konkrete sozialpolitische
Programme miteinander verglichen werden. Die ausschließlich konstruktivistische Betrachtung kann dazu führen, dass je nach kulturellem und zeit-
36
WOHLFAHRTSMÄRKTE
lichem Hintergrund ein und derselbe Markt entweder als Wohlfahrtsmarkt
oder als normaler Gütermarkt im nationalen Kontext definiert wird. Da die
Marktregulierung im öffentlichen Diskurs eines Landes nicht als sozialpolitisch relevant erachtet wird, wäre sie qua Definition nicht existent und
könnte entsprechend nicht Gegenstand politikwissenschaftlicher Analyse
sein. Ferner erschweren zeitliche Veränderungen der normativen Zuschreibungen zusätzlich die Fallauswahl für vergleichende Politikfeldanalysen.
Der konstruktivistische Ansatz von Berner hebt vor allem die diskursive sozialpolitische Zuschreibung von Märkten hervor und erscheint besonders vorteilhaft für diskursanalytische Forschungsarbeiten.13 Ebenso
werden mit den hybriden Organisationsformen verschiedene Grade von
Märkten verdeutlicht, die Elemente staatlicher Steuerungsmechanismen
integrieren.
Gleichwohl wirft der konstruktivistische Ansatz die epistemologische
Frage auf, ob überhaupt objektive Kriterien für Wohlfahrtsmärkte festgelegt werden können. Laut Berner existieren verschiedene Konzepte von
Wohlfahrtsmärkten in Raum und Zeit. Allerdings verwendet auch Berner
implizit ein Marktkonzept. In seiner empirischen Untersuchung der deutschen Rentenmärkte werden individuelle Rentenversicherungen als Vergleichsgröße gegenüber staatlichen und betrieblichen Rentenversicherungen verwendet, ohne jedoch explizit zu benennen, anhand welcher
Eigenschaften individuelle Renten nun vermehrt Marktmechanismen beinhalten. Selbst wenn also ein konstruktivistischer Ansatz verwendet wird, ist
eine Definition von Marktmechanismen vonnöten, um als Vergleichsdimension zu fungieren. Erst durch die Formulierung idealtypischer Marktmechanismen ist auch ein historischer und räumlicher Vergleich des Diskurses über die sozialpolitische Bedeutung von Wohlfahrtsmärkten möglich.
Diskussion der existierenden Wohlfahrtsmarktkonzepte
Die Vor- und Nachteile der drei diskutierten Wohlfahrtsmarktkonzepte
sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Alle Ansätze haben gemeinsam, dass
——————
13 Bode (2008) untersucht beispielsweise explizit den öffentlichen Diskurs über Wohlfahrtsmärkte, aber auch andere Studien sind theoretisch anschlussfähig an Berners Konzept (Béland 2007b; Boyd 1993). Ebenso bestehen theoretische Überschneidungen zur
Einstellungsforschung gegenüber Wohlfahrtsmärkten (Cebulla 2000; Rowlingson 2002).
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
37
ein universelles Konzept angestrebt wird, das auf mehrere sozialpolitische
Bereiche angewendet werden kann. Ebenfalls wird jedes Konzept theoretisch hergeleitet und anschließend empirisch angewendet. Taylor-Gooby
definiert Wohlfahrtsmärkte – basierend auf einem ökonomischen Marktverständnis – nach den Eigenschaften der gehandelten Güter. Nullmeier
verknüpft Wohlfahrtsmärkte stärker mit Sozialpolitik und verankert sein
Konzept stärker in der Politikwissenschaft, indem die staatliche Regulierung hervorgehoben wird. Schließlich leitet Berner Wohlfahrtsmärkte
aus der soziologischen Theorie her, mit dem Interesse, die soziale Konstruktion von sozialen Ordnungen zwischen Staat und Markt im Bereich
der Sozialpolitik zu untersuchen.
Der Vorteil aller drei Konzeptionen ist die Resonanz, die der Begriff
hervorruft. Im sozialpolitischen Diskurs wird der Begriff mittlerweile relativ beiläufig verwendet, ohne jedoch den Bedeutungsgehalt konkret zu
definieren. Ebenso wurde der Begriff gut gegenüber konkurrierenden Begriffen wie Privatisierung und Kommerzialisierung abgegrenzt.14 Außerdem haben Nullmeier und Berner stichhaltig herausgearbeitet, dass Wohlfahrtsmärkte keine absolute Kategorie darstellen. Vor allem Berner betont,
dass die Unterscheidung zwischen Markt und Staat, öffentlich und privat
ein Kontinuum zwischen zwei Gegenpolen ist. Hybride Institutionen sind
eher der Normalfall als die Ausnahme in der realen Sozialpolitik.
Allerdings lassen die diskutierten Konzeptualisierungen Validität vermissen, weil sie theoretisch unpräzise das empirische Phänomen beschreiben. Wie gezeigt wurde, treffen die Definitionen von Taylor-Gooby und
Nullmeier nicht auf alle Felder der Sozialpolitik zu. Ebenso weisen die
Konzepte Defizite in der Operationalisierung und Kohärenz auf.
Die diskutierten Vor- und Nachteile der drei Wohlfahrtsmarktkonzepte
verdeutlichen, dass jedes Konzept für bestimmte Forschungsfragen jeweils
geeigneter ist. In der folgenden Konzeptualisierung der Wohlfahrtsmärkte
werden die diskutierten Vor- und Nachteile abgewogen und bilden die
Grundlage für eine Weiterentwicklung des theoretischen Konzepts. Ziel
dieser Rekonzeptualisierung ist, eine einheitlichere Definition zu entwickeln, die möglichst umfassend marktförmige Sozialprogramme erfasst
und gleichzeitig möglichst eindeutige Kriterien für Wohlfahrtsmärkte festlegt (vgl. Gerring 2001: 35–64).
——————
14 Mit dem Privatisierungsbegriff werden sehr unterschiedliche Phänomene bezeichnet
(Klein 1984; Kuptsch 2001; Mayer 2006; Starr 1988; Whitty/Power 2000). Borgmann
(2006: 195) definiert Kommerzialisierung als allgemeine Ausweitung der Marktkultur.
38
WOHLFAHRTSMÄRKTE
2.2.2 Soziale Güter und Marktmechanismen
Die folgende Definition von Wohlfahrtsmärkten kombiniert Nullmeiers
und Berners Ansätze, entwickelt sie aber kritisch unter Berücksichtigung
der Marktsoziologie und Wohlfahrtsökonomie weiter (u.a. Barr 2004;
Fligstein 1996; 2001; Powell 2007). Zuerst wird das politikwissenschaftliche
Grundverständnis von Märkten dargelegt, anschließend werden die beiden
Grundkriterien (soziale Güter und Marktmechanismen) erläutert. In den
letzten beiden Abschnitten wird die Operationalisierung der Marktmechanismen in drei Dimensionen (Finanzierung, Produktion, Wahlfreiheit) konkretisiert, der Prozess der Vermarktlichung als Kontinuum zwischen Staat und Markt diskutiert und verschiedene Markttypen idealtypisch
hergeleitet.
Märkte als politisch konstituierte Institutionen
Laut dem ökonomischen und soziologischen Marktverständnis sind Märkte entweder natürliche und anonyme Strukturen oder Arenen sozialen
Handelns (vgl. Abschnitt 2.1). Allerdings sind diese Ansätze ungeeignet für
eine politikwissenschaftliche Betrachtung von Märkten, weil politische
Akteure und Machtverhältnisse nur unzureichend Beachtung finden. Besonders gewinnbringend für eine (sozial-)politikwissenschaftliche Analyse
von Märkten ist Fligsteins politisch-institutioneller Ansatz (Fligstein 1996;
2001). Die Marktschaffung ist demnach ein politischer Aushandlungsprozess – Fligstein spricht von »markets as politics« –, in dem die institutionellen Grundlagen für einen Markt gelegt werden. Die politisch einflussreichen Akteure bestimmen beispielsweise, welche Güter gehandelt werden
können und welche Wettbewerber zugelassen sind. In Bezug auf sozialpolitische Güter bedeutet diese politische Perspektive für die Gründungsphase von Märkten, dass zentrale politische Akteure definieren, welche
sozialpolitischen Güter handelbar sind.
Märkte werden demnach in dieser Arbeit basierend auf Fligsteins (1996;
2001; 2008) politisch-institutionellem Ansatz als originär politisch konstituierte institutionelle Ordnungen aufgefasst. Bei Wohlfahrtsmärkten werden die Mittel des Marktes politisch eingesetzt, um ein sozialpolitisches
Ziel zu erreichen. Marktakteure – wie Unternehmen, Arbeitgeberverbände,
Gewerkschaften, Wohlfahrtsanbieter und Wohlfahrtsnutzer – ringen in der
politischen Arena (Zintl 2003) um die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte.
Diese Politisierung von Märkten verankert sie im politischen Raum und
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
39
bringt sie ins Zentrum von politischen Entscheidern und Interessengruppen. Wie bei wohlfahrtsstaatlichen Programmen ist die konkrete Regulierung der Wohlfahrtsmärkte demnach ein Aushandlungsprozess der politischen Akteure (vgl. auch Gingrich 2011).15
In den diskutierten Konzepten blieb dieser politische Aspekt von
Märkten weitgehend unbeachtet. Die Konzeption von Wohlfahrtsmärkten
als politisch geformte Institutionen betont die Gemeinsamkeiten zu wohlfahrtsstaatlichen Programmen und ermöglicht somit einen Anschluss an
die etablierte Wohlfahrtsstaatsforschung. Zwar wird in der vergleichenden
Wohlfahrtsstaatsforschung der Einfluss der politischen Akteure unterschiedlich bewertet (u.a. zu Parteien Kitschelt 2001; Korpi/Palme 2003;
Schmidt 1996; 2010b), dennoch steht außer Frage, dass Wohlfahrtsmärkte
öffentlich regulierte Institutionen sind. Letztlich wird die Regulierung von
Wohlfahrtsmärkten von politischen Entscheidungen bestimmt, gleichwohl
kann der Einfluss der politischen Akteure schon im Vorfeld durch andere
Faktoren (Globalisierung, wirtschaftliche Entwicklung, Normen und Diskurse etc.) abgemildert werden. Obwohl an dieser Stelle die politischen Akteure und existierenden institutionellen Rahmenbedingungen als zentrale
Faktoren für die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte herausgestellt wurden,
sind andere soziale und ökonomische Einflussfaktoren nicht ausgeschlossen, um die Entstehung und den Wandel von Wohlfahrtsmärkten
zu erklären. Solche Faktoren würden den direkten Einfluss von den politischen Akteuren und Marktinstitutionen abschwächen oder in andere
Bahnen lenken.
Wohlfahrtsmarktkriterien
Die Herausforderung bei der Rekonzeptualisierung von Wohlfahrtsmärkten liegt darin, einfache Kriterien festzulegen, die aber für möglichst
alle Felder der Sozialpolitik zutreffen und gleichzeitig nicht beliebig sind.
Im Endeffekt gilt es die Kriterien von Nullmeier zu lockern, ohne das Feld
der Sozialpolitik zu verlassen wie bei Taylor-Gooby. In diesem Sinne sind
Wohlfahrtsmärkte spezielle Märkte, die zwei Voraussetzungen erfüllen
——————
15 Gingrich (2011) betont in ihrer Untersuchung von Dienstleistungsmärkten ebenfalls die
politischen Akteure und die institutionelle Einbettung der Märkte. Allerdings vermeidet
sie den Begriff Wohlfahrtsmarkt und spricht von »Markets in the Welfare State«,
wodurch auch eine umfassende Definition der Wohlfahrtsmärkte ausbleibt.
40
WOHLFAHRTSMÄRKTE
müssen: Erstens werden auf ihnen soziale Güter getauscht und zweitens
wirken Marktmechanismen.
Ein Kriterium allein definiert noch keinen Wohlfahrtsmarkt, deshalb
entstehen Wohlfahrtsmärkte nur, wenn beide Kriterien zusammen erfüllt
sind. Dementsprechend existieren Wohlfahrtsmärkte, wenn soziale Güter
in marktförmigen Institutionen getauscht, verteilt und bereitgestellt werden. Sämtliche Institutionen, die Marktmechanismen enthalten, zählen
dazu und bilden ein Kontinuum zwischen Staat und Markt. Das bedeutet,
je nach Grad der Marktmechanismen besteht ein vollentwickelter Wohlfahrtsmarkt oder ein partieller Wohlfahrtsmarkt. Hybride Institutionen, die
sowohl Elemente des Wohlfahrtsmarktes als auch des Wohlfahrtsstaates
enthalten, können entstehen und sind sogar eher die Regel als die Ausnahme. Als soziale Güter sind alle Güter zu verstehen, die ein sozialpolitisches Ziel erfüllen sollen (wie beispielsweise Armutsvermeidung, Lebensstandardsicherung, Absicherung sozialer Risiken, Reduzierung von
Ungleichheit oder Erhöhung der sozialen Inklusion).
Diese weite Definition von Wohlfahrtsmärkten basiert explizit nur auf
diesen zwei Kriterien, damit die Konzeption auf viele Bereiche der Sozialpolitik und verschiedene Marktformen angewendet werden kann. Die konkrete Operationalisierung von Wohlfahrtsmärkten hängt vom Forschungsgegenstand ab und kann auf spezifische Politikfelder zugeschnitten
werden, indem weitere Kriterien ergänzt werden. In den folgenden zwei
Abschnitten wird näher erläutert, was unter sozialen Gütern und Marktmechanismen zu verstehen ist und wie sie in der empirischen Analyse
verwendet werden.
Soziale Güter
Soziale Güter sind einzelne handelbare Dienstleistungen oder Produkte. In
einem Vertrag oder einem ähnlichen formellen Rahmen muss eindeutig
umrissen sein, welches sozialpolitische Ziel erreicht werden soll. Indem
den handelbaren Gütern eine sozialpolitische Funktion zugeschrieben
wird, können sie dem Bereich der Sozialpolitik untergeordnet werden.
Beispielsweise werden Anwartschaften auf eine Rente wie ein Produkt
verkauft und diese Anwartschaften sollen eine Lebensstandardsicherung im
Alter ermöglichen. Weitere Beispiele für handelbare soziale Güter sind
spezifische Dienstleistungen wie Pflege im Altenheim, die Verwaltung und
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
41
Auszahlung von Sozialhilfe durch private Dienstleister (s.u. Ausschreibungsmarkt) oder eine Unterrichtsstunde.16
Diese Güter sind soziale Güter, weil sie eine sozialpolitische Funktion
erfüllen sollen. Diese Funktionszuschreibung unterliegt sozialem und kulturellem Wandel und ist folglich sozial konstruiert (Überblick bei Köppe
u.a. 2008). Damit stellt sich die Frage, was eigentlich die Aufgabe des
Wohlfahrtsstaates ist und welche Politikfelder zur Sozialpolitik hinzugezählt werden. Je nach historischem und kulturellem Hintergrund wurde
diese Frage höchst unterschiedlich beantwortet (Alber 1988; Béland 2010;
Briggs 1961; Cahnman/Schmitt 1979; Katznelson 1988; Kaufmann 2000).
Sozialpolitik ist ein normativ sehr umstrittenes Konzept. Außerdem wurde
der Bereich der Sozialpolitik in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgedehnt und weitere Politikfelder und Funktionen wurden zur Sozialpolitik
hinzugezählt. Neuere sozialpolitische Funktionsbeschreibungen heben vor
allem das ganzheitliche Zusammenspiel verschiedener Sozialprogramme
und benachbarter Politikfelder hervor, um eine soziale Inklusion aller Gesellschaftsmitglieder zu erreichen und um das Wohlergehen jedes einzelnen
Bürgers zu erhöhen (vgl. Goerne 2010; Luhmann 1981; Sen 1985;
Zohlnhöfer 2007a). Zu diesen neueren sozialpolitischen Politikfeldern
zählen beispielsweise Migrations- und Bildungspolitik, obwohl Bildungspolitik in einigen Wohlfahrtssystemen traditionell zum Aufgabenbereich
der Sozialpolitik gezählt wurde.
Trotz dieser Unschärfe des sozialpolitischen Aufgabenbereichs können
beispielsweise aus dem sozialpolitischen Diskurs in einschlägigen Zeitungen, wissenschaftlichen Zeitschriften und Lehrbüchern sowie aus der
allgemeinen Sozialstatistik folgende Ziele aktueller Sozialpolitik identifiziert
werden:17
– die Sicherung des Existenzminimums (durch direkte staatliche Transfers wie z.B. Sozialhilfe),
– die Reduzierung sozialer Ungleichheit (z.B. durch eine progressive
Einkommenssteuererhebung)
– die Lebensstandard-/Einkommenssicherung, wenn soziale Risiken
auftreten (typischerweise durch Versicherungen bei Risiken wie Unfall,
Rente, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Pflege),
——————
16 Das soziale Gut kann aber auch informelle Leistungen enthalten, die nicht explizit
aufgeführt werden (vgl. dazu im Bereich sozialer Dienstleistungen Möhring-Hesse 2008).
17 Für ausführlichere Auflistungen sozialpolitischer Ziele siehe Barr (2004: 10–13) und
Köppe u.a. (2008).
42
WOHLFAHRTSMÄRKTE
– die Absicherung sozialer Risiken durch Dienstleistungen im Bedarfsfall
(Krankenversorgung, Altenpflege),
– die Eingliederung in den Arbeitsmarkt (beispielsweise Grundbildung,
aktive Arbeitsmarktpolitik aber auch Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen)
– die Förderung von Aufstiegschancen und sozialer Mobilität (u.a. durch
Bildung)
– oder die soziale Teilhabe und Inklusion breiter Bevölkerungsschichten
am gesellschaftlichen Leben (Bildung, Migrationspolitik).
Diese Auflistung verschiedener sozialpolitischer Ziele ist erstens nicht vollständig und zweitens politisch umstritten, trotzdem erfasst sie die Essenz
der wichtigsten sozialpolitischen Ziele. Soziale Güter sind dadurch charakterisiert, dass mit den handelbaren Produkten und Dienstleistungen mindestens eines dieser sozialpolitischen Ziele angestrebt wird. Diese Ziele
unterliegen einem zeitlichen Wandel und räumlicher Variation, weshalb
tatsächlich wie Berner (2009) unterstreicht, kein fester funktionaler Kern
sozialer Güter definiert werden kann. Außerdem kann trotz der sozialpolitischen Zielformulierung das angestrebte Ergebnis verfehlt werden, weshalb die Absichtsbekundung zentrales Element sozialer Güter ist.18 Explizit wird somit eine weite Definition sozialer Güter verwendet, um
konzeptionell offen für einen normativen Wandel sozialpolitischer Ziele zu
sein. Zudem schließt diese weite Definition sozialer Güter nicht a priori
neuere Funktionszuschreibungen der Sozialpolitik aus, sondern bleibt
offen für sozialen Wandel und neue sozialpolitische Ziele und Risiken.
Dennoch wird deutlich, dass soziale Güter nicht Funktionen wie öffentliche
Sicherheit oder Deichschutz umfassen, wie es Taylor-Goobys Begriff der
öffentlichen Güter nahelegen würde. Das hier verwendete Konzept der Wohlfahrtsmärkte schließt mit dem weiten Verständnis sozialer Güter grundsätzlich alle sozialpolitischen Politikfelder ein. Ergänzend zu Berner (2009)
stellt die hier verwendete Definition aber heraus, dass die sozialpolitischen
Ziele zwar einem Wandel unterliegen, die eigentlichen sozialen Güter aber
handelbare Güter oder Dienstleistungen sein müssen. Letztlich hängt es
vom konkreten Forschungsgegenstand ab, welche spezifischen sozialen
Güter untersucht werden. Konzeptionell wird hier also eine weite Definition von sozialen Gütern verwendet, um das weite sozialpolitische Feld
——————
18 Das gilt selbstverständlich auch für staatliche Sozialprogramme, die angestrebte sozialpolitische Ziele verfehlen oder sogar das Gegenteil bewirken können.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
43
erfassen zu können. Forschungspraktisch muss aber für jeden Einzelfall
bestimmt werden, welche sozialen Güter untersucht werden.
Basierend auf diesem weiten Verständnis von sozialen Gütern werden
im Rahmen dieser empirische Untersuchung zwei konkrete soziale Güter
untersucht: Renten und Schulbildung (zur Begründung der Fallauswahl
siehe Kapitel 3).
Soziale Güter können aber auf verschiedene Art und Weise verteilt und
bereitgestellt werden, das heißt staatliche, marktförmige und andere Allokationsmechanismen können herangezogen werden. Beispielsweise können
die Bildungsdienstleistungen von staatlichen Schulen angeboten werden,
ohne dass eine Wahlfreiheit zwischen Anbietern besteht und es somit auch
zu keinem Handel der Bildungsdienstleistung kommt. Das Kriterium
»soziales Gut« allein konstituiert noch keinen Wohlfahrtsmarkt, weshalb
das zweite Kriterium »Marktmechanismen« notwendigerweise erfüllt sein
muss, um einen Wohlfahrtsmarkt zu konstituieren.
Marktmechanismen
Das zweite Kriterium der Marktmechanismen basiert auf der bereits erläuterten soziologischen Marktdefinition. In diesem Abschnitt wird erläutert,
was das grundsätzlich für den Handel sozialer Güter auf Wohlfahrtsmärkten bedeutet.
Wie bereits erwähnt sind Märkte in ihrer Grundform eine Arena des
Tausches von Eigentumsrechten. Dieser Tausch von Gütern erfolgt nach
Marktmechanismen, wenn die zwei Bedingungen Wettbewerb und Wahlfreiheit erfüllt sind. Grundsätzlich werden beide Kriterien durch die institutionellen Rahmenbedingungen und das Agieren der Marktakteure bestimmt. Das bedeutet, die Marktregulierung gibt vor, welche Wettbewerbsformen und Wahlfreiheiten legal sind, die Akteure entscheiden aber letztlich, welchen Wettbewerb sie führen wollen und welche Wahloptionen sie
präferieren. Beispielsweise können gemeinnützige und profitorientierte
Unternehmen auf einem Markt zugelassen sein, doch die Unternehmen
entscheiden, welche Betriebsform sie annehmen. Für beide Charakteristika
gilt grundsätzlich, je stärker der Wettbewerb und je höher die Wahlfreiheit,
desto stärker wirken die Marktmechanismen in einem Wohlfahrtsmarkt.
Wettbewerb entsteht bereits bei der soziologischen Minimaldefinition
von drei Marktakteuren (Aspers 2011), also entweder konkurrieren zwei
Anbieter um einen Konsumenten oder zwei Konsumenten bieten für ein
44
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Produkt (z.B. bei einer Auktion). Ein vollständiger Wettbewerb entsteht
erst, wenn die ökonomische Standardannahme von atomistischen Märkten,
das heißt viele Anbieter und viele Nachfrager, erfüllt wird. Wettbewerb
kann aber auch nur nachgeahmt werden (vgl. Nullmeier 2001), beispielsweise in Form von Benchmarks, die eine Wettbewerbsdynamik innerhalb
von staatlichen Verwaltungen entfalten können. Vollständiger Wettbewerb
besteht jedoch erst, wenn die Güterallokation durch den Preismechanismus erfolgt, ein Gewinninteresse besteht und private Anbieter dominieren. Wettbewerb ist somit als ein Kontinuum von schwachen Wettbewerbsformen bis zu vollständigem Marktwettbewerb zu verstehen.
Wahlfreiheit ist die abgeschwächte Form der Freiwilligkeit, die in der
soziologischen Marktdefinition erfüllt sein muss (s. Kapitel 2.1). Allerdings
sind Wohlfahrtsmärkte nicht immer freiwillig, weil Wohlfahrtsnutzer zur
Teilnahme am Markt gezwungen werden können. Individuen können im
Vergleich zu freien Gütermärkten dazu verpflichtet werden in eine private
Rentenversicherung zu investieren, aber sie besitzen die Wahlfreiheit, zwischen verschiedenen Rentenversicherungen und Anbietern ein präferiertes
Produkt auszuwählen (das ist z.B. der Fall bei der privaten schwedischen
Prämienrente).19
Werden die beiden Bedingungen Wettbewerb und Wahlfreiheit zusammengenommen, existiert ein Markt in den folgenden beiden Beispielen:
Einerseits kann ein Patient zwischen zwei Hausärzten auswählen: Hier
stehen die Hausärzte in Konkurrenz zueinander und versuchen, den Patienten mit möglichst attraktiven Angeboten anzulocken. Andererseits kann
ein Hausarzt auch sehr beliebt sein und neue Patienten werden nur nach
einer Warteliste in die Praxis aufgenommen. In diesem Fall konkurrieren
die Patienten um die Aufnahme in die Praxis. In beiden Fällen bestehen
somit Wettbewerb und Wahlfreiheit.
Basierend auf dieser Minimaldefinition von Wettbewerb und Wahlfreiheit können diese Marktmechanismen in den Dimensionen Anbietertyp,
Gewinninteresse und Preismechanismus ausgeweitet werden. In Märkten ist der
Anreiz für die Wettbewerber üblicherweise ein Preisvorteil, allerdings können mit Benchmarks andere Anreize gesetzt werden wie Qualität, Kundenservice und ästhetisches Erscheinungsbild. Je mehr private Anbieter auf
einem Markt agieren und staatliche oder gemeinnützige Anbieter verdrängen, desto eher entspricht ein Wohlfahrtsmarkt dem gewinnorientierten
——————
19 Derartige obligatorische Märkte existieren auch für andere Gütermärkte, beispielsweise
eine obligatorische KFZ-Haftpflichtversicherung.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
45
Idealbild eines Marktes. Allerdings kann Wettbewerb auch unter Akteuren
des öffentlichen und dritten Sektors wie Behörden, Krankenkassen, Stiftungen, Kirchen und Genossenschaften herrschen. In Wohlfahrtsmärkten
können somit komplexe und pluralistische Anbieterstrukturen entstehen.
Beispielsweise ist es in Märkten der Kinderbetreuung üblich, dass Gemeindekindergärten mit kirchlichen und privaten Anbietern konkurrieren oder
auch kooperieren. Schließlich gilt es nicht nur die rechtliche Organisationsform der Marktanbieter zu bedenken, sondern auch ob sie ein Gewinninteresse verfolgen. Theoretisch ist ein stärkerer Wettbewerb zu vermuten,
wenn alle oder einzelne Akteure danach streben Gewinne zu erzielen. Der
Privatisierungsgrad von Anbietern und der Anteil der privaten Finanzierung ist folglich ein wichtiger Bestimmungsfaktor von Wettbewerb, jedoch
nicht der einzige. Im anschließenden Abschnitt werde ich die Unterscheidungskriterien Anbietertyp, Gewinninteresse und Preismechanismus bei
der Operationalisierung von Wohlfahrtsmärkten aufgreifen.
Wie bereits deutlich wurde ist das Spektrum der Marktmechanismen
sehr weit gefasst. Quasi-Märkte (Le Grand 1991), die Wettbewerb oder
Wahlfreiheit nur simulieren, wie beispielsweise Benchmarks in öffentlichen
Verwaltungen, sind ebenso einzubeziehen wie Wohlfahrtsmärkte, auf
denen vollständiger Wettbewerb und Wahlfreiheit besteht. Ziel dieser weiten Definition ist, alle möglichen Variationen an Marktmechanismen theoretisch erfassen zu können und anschließend empirisch zu operationalisieren, zu messen und letztlich zu vergleichen. In Abschnitt 2.2.4 werden
zentrale Wohlfahrtsmarkttypen herausgearbeitet, um diese Komplexität auf
einige wenige idealtypische Fälle zu reduzieren.
Zusammenfassend existieren Wohlfahrtsmärkte, wenn die beiden Basiskriterien gelten: Soziale Güter werden mit Marktmechanismen getauscht.
Ein berechtigter Einwand gegen diese Definition von Wohlfahrtsmärkten ist vor allem die weit gefasste Definition von sozialen Gütern.
Kritiker könnten einwenden, dass auch Wasser-, Energie- oder Immobilienmärkte als Wohlfahrtsmärkte aufgefasst werden könnten. Diese
Grauzone betrifft jedoch nicht nur Wohlfahrtsmärkte, sondern auch den
Wohlfahrtsstaat. In Großbritannien wird seit einigen Jahren selbstverständlich im öffentlichen und akademischen Diskurs von Wasser- oder Energiearmut gesprochen mit direktem Bezug auf die steigenden Kosten und
Ungleichheiten auf diesen Märkten der Daseinsvorsorge (Snell/Bradshaw
2009; Thomson/Snell 2013). Diese Märkte werden zunehmend sozialpolitisiert. Bisher hat dies noch zu keiner allgemeinen Akzeptanz von
46
WOHLFAHRTSMÄRKTE
sozialpolitische Interventionen in diese Märkte geführt. Die Diskussion ist
aber ein Beispiel dafür, wie Märkte der Daseinsvorsorge zu Wohlfahrtsmärkten werden können: Wenn diesen Märkten eine sozialpolitische Bedeutung zugeschrieben wird und mit politischer Intervention versucht
wird, sozialpolitische Ziele zu erreichen (in diesem Fall Armutsvermeidung
und -verringerung), werden diese Märkte zu Wohlfahrtsmärkten. Ein
weiteres prominentes Beispiel für ein »Wobbly Pillar under the Welfare
State« ist das Wohnungswesen (Torgersen 1987). Lowe u.a. (2012: 106)
stellen pointiert heraus, dass einige akademische Verwirrung darüber
besteht, ob »housing should be thought of as a core welfare state pillar or
as a commodity bought and sold in a market«. Wohlfahrtsstaatliche Interventionen im Wohnungswesen reichen von Mietzuschüssen über lokale
Wohnungsgenossenschaften bis zu Zuschüssen für den Eigentumserwerb.
Vor allem Steuererleichterungen zum Eigentumserwerb sind in liberal
geprägten Wohlfahrtsstaaten wie den USA und Großbritannien wichtige
Pfeiler einer Sozialpolitik im Verborgenen (Howard 1997). In diesen
Ländern übernimmt Wohneigentum eine wichtige soziale Schutzfunktion
gegen Risiken wie Altersarmut und Pflege (»asset-based welfare«, Lowe u.a.
2012). Die Regulierung direkter und indirekter Märkte im Kontext von
Wohneigentum (Immobilienmarkt, Hypotheken, Hypothekentilgungsversicherungen) kann mit einer sozialpolitischen Zielsetzung verknüpft
werden. Eine derartige sozialpolitische Zuschreibung ist stark kontextabhängig, ermöglicht aber, verschiedene Märkte mit sozialpolitischer Relevanz zu untersuchen.
Letztendlich sind die Ränder der Sozialpolitik Grauzonen, die zeitlich
und räumlich variieren. Dabei ist es unerheblich, welcher Steuerungsmechanismus dominiert. Dieses Problem der Grauzone von sozialen
Gütern betrifft nicht nur Wohlfahrtsmärkte sondern auch die Abgrenzung
von wohlfahrtsstaatlicher Politik gegenüber anderen staatlichen Politikfeldern. Die hier präsentierte Definition problematisiert diese soziale Konstruktion sozialer Ordnung, schlägt aber auch vor, wie der Kern der Sozialpolitik bestimmt werden kann. Dominante sozialpolitische Zuschreibungen in Politik, Medien und Wissenschaft sind ein Gradmesser für den
Kern wohlfahrtsstaatlicher und -marktlicher Interventionen.
Im folgenden Abschnitt wird genauer spezifiziert, was unter den
Marktmechanismen Wettbewerb und Wahlfreiheit zu verstehen ist und wie
sie operationalisiert werden können.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
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Operationalisierung der Marktmechanismen
Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass Wohlfahrtsmärkte politisch
geformte Institutionen sind. Damit bestimmt die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte, welche Marktmechanismen überhaupt zugelassen sind. Folglich hängt es maßgeblich von den Entscheidungen der politischen Akteure
ab, welche Anbieter zugelassen sind, wie die Märkte finanziert werden und
welche Wahlfreiheiten bestehen. Das tatsächliche Marktvolumen, also das
Ausmaß der Marktmechanismen eines Wohlfahrtsmarktes wird letztendlich aber von den Marktakteuren bestimmt. Wenn beispielsweise Wahlmöglichkeiten eingeräumt werden, diese aber von den Wohlfahrtsnutzern
nicht genutzt werden, besteht zwar offiziell ein Markt, das tatsächliche
Marktvolumen wäre jedoch gering. Die Regulierung der Märkte legt somit
grundsätzlich fest, welche Marktmechanismen legal sind. Das tatsächliche
Ausmaß der Märkte beruht darauf, ob Wettbewerb und Wahlfreiheit auch
von den Marktakteuren genutzt werden und ihre Wirkung entfalten können.
Eine weitere Grundannahme ist, dass Wohlfahrtsmärkte variieren. Sowohl die Regulierung der Märkte als auch das tatsächliche Marktvolumen
der Wohlfahrtsmärkte ist vielfältig. Wohlfahrtsmärkte entstehen in verschiedenen sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Kontexten, wodurch die Charakteristika der Wohlfahrtsmärkte zwischen Ländern und Politikfeldern variieren. Einige empirische Studien können die
Pluralität von marktförmigen Sozialprogrammen untermauern (Bode 2005;
Gingrich 2011; Hippe 2009). Die konzeptionelle Frage ist nun, wie die
Unterschiede der Marktmechanismen operationalisiert werden.
In Anlehnung an Burchardt (1997) können Marktmechanismen in drei
Dimensionen untergliedert werden, mit denen das Marktvolumen gemessen werden kann (vgl. Burchardt u.a. 1999; Hills 2004: 141–159): Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit. Die Finanzierungsdimension bezieht
sich auf die Verteilung der Tauschmittel während des Güteraustausches,
mit der Produktionsdimension wird der Wettbewerb unter den Marktteilnehmern untersucht und mit der Wahlfreiheitsdimension werden die
Wahloptionen und das tatsächliche Wahlverhalten in Märkten erhoben.
1. Finanzierungsdimension. Der Gütertausch erfolgt in entwickelten Märkten
üblicherweise mit Geld. Für einen vorher ausgehandelten Preis erhalten die
48
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Konsumenten ein Produkt oder eine Dienstleistung.20 Je mehr private
Finanzierungsquellen zur Finanzierung von Wohlfahrtsmärkten herangezogen werden, desto stärker ist der Grad der Vermarktlichung und desto
höher ist das Marktvolumen. Beispielsweise können Versicherte höhere
Beiträge zahlen und Schüler müssen Schulgeld entrichten. Mit diesen Beiträgen wird das Tauschverhältnis der Güterallokation gestärkt.21 Die Wohlfahrtsnutzer erwarten im Austausch für ihre Beiträge eine Gegenleistung,
damit wird ein gegenseitiges Tauschverhältnis gegründet. In diesem Fall
erwerben die Wohlfahrtsnutzer – egal ob Versicherte, Patienten oder Schüler – einen direkten Anspruch auf eine Gegenleistung, wie üblich in
Gütermärkten. Wird hingegen ein Sozialprogramm nicht mit Beiträgen
finanziert, sondern mit Steuermitteln, besteht kein direktes Tauschverhältnis. Dies ist zum Beispiel der Fall bei steuerfinanzierten Schulgutscheinen;
für die Anbieter und Wohlfahrtsnutzer wird damit ein direkter Preiswettbewerb ausgehebelt. An die Stelle von Preisen können aber Benchmarks
wie Leistungstabellen von Schulen ein Qualitätssignal an die Eltern und
Schüler geben. Der Wettbewerb erfolgt in diesem Beispiel idealerweise
nicht über den Preis sondern über die Qualität.22 Zusätzlich wird mit der
Finanzierungsdimension auch ein Preiswettbewerb operationalisiert, denn
unterschiedliche Beitragshöhen geben den primären Wohlfahrtsnutzern
direkte Anreize Produkte und Anbieter zu wechseln. Ein Beispiel dafür ist
das sozialwirtschaftliche Dreieck des deutschen Gesundheitssystems (Bäcker u.a. 2010: Bd. 2, 560). Die Beitragszahler können ihre gesetzliche
Krankenkasse nach dem günstigsten Tarif beziehungsweise den geringsten
——————
20 Wenn Benchmarks benutzt werden, fungieren sie als Preissignale und indirekt können
mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.
21 Der Begriff »Beitrag« wird in dieser Arbeit Synonym für »Prämie« (z.B. Lebensversicherung) verwendet, um eine einheitliche Begriffsverwendung sowohl für öffentliche und
private Versicherungen zu erreichen. Damit wird hier eher dem englischen Sprachgebrauch gefolgt. Relevante Unterscheidungskriterien wie öffentliche oder private Beiträge
und obligatorische oder freiwillige Beiträge bleiben jedoch bestehen. Der Begriff »Gebühren« wird meist im Kontext von Dienstleistungen verwendet und der Begriff »Beitrag« im Kontext von Sozialversicherungen. In beiden Fällen ist eine Gegenleistung für
die entrichtete Gebühr oder den geleisteten Beitrag zu erwarten. Gebühr und Beitrag
unterscheiden sich somit nicht wesentlich von Preisen und Prämien. Zentrales Unterscheidungskriterium bleibt, wer diese »Beiträge« entrichtet und ob öffentliche oder private Anbieter diese »Beiträge« einziehen bzw. erhalten.
22 In der Realität sind derartige Benchmarks nicht unbedingt vorteilhafter als Preiswettbewerb. Beispielsweise legt Green (2005) den zweifelhaften Nutzen und die mangelnde Effektivität von derartigen Schulleistungstabellen für Großbritannien dar.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
49
Zuzahlungen auswählen. Als Patient variiert der Leistungskatalog hingegen
kaum, weil die meisten Behandlungen gesetzlich vorgeben sind.
2. Produktionsdimension. Mit der Produktionsdimension werden Anbieterwettbewerb und Nachfragekonkurrenz erfasst. Zentrale Dimensionen zur
Operationalisierung sind (a) die Anbieter- und Produktanzahl, (b) die
rechtliche Verfassung der Anbieter, (c) das Gewinninteresse der Anbieter
und (d) schließlich die Anzahl der Wohlfahrtsnutzer beziehungsweise der
gehandelten sozialen Güter und Dienstleistungen.
(a) Ein Wohlfahrtsmarkt nähert sich dem atomistischen Marktideal, je
mehr Anbieter auf dem Markt ihre Produkte anbieten. Je mehr Produkte von möglichst verschiedenen Anbietern angeboten werden, desto
mehr Wettbewerb besteht. Wohlgemerkt gelten Mono- und Oligopole
als wettbewerbshinderlich, sodass auch eine hohe Marktkonzentration
einiger weniger Anbieter auf begrenzten Wettbewerb in einem Wohlfahrtsmarkt hindeuten würde.
(b) Drei Hauptanbietertypen können unterschieden werden: staatliche,
private und hybride (wie Stiftungen, Vereine, Verbände und Genossenschaften). Werden die sozialen Güter und Dienstleistungen von privaten Unternehmen angeboten, besteht der größte Grad der Vermarktlichung, wohingegen staatliche Anbieter den Gegenpol darstellen (vgl.
auch formelle Privatisierung in Mayer 2006). Hybride Organisationsformen sind zwischen diesen beiden Polen zu verorten, die genaue Zuordnung hängt von der jeweiligen rechtlichen und organisatorischen
Ausgestaltung ab (Möhring-Hesse 2008). Die rechtliche Organisationsform, beziehungsweise der Privatisierungsgrad, ist ein Platzhalter für
den Grad der Vermarktlichung, denn letztlich können private Unternehmen intern ähnlich verfasst sein wie staatliche Behörden und umgekehrt. Für die Messung des Grades der Vermarktlichung ist eine derartige Differenzierung aber überaus hilfreich und wird in den empirischen
Kapiteln am häufigsten verwendet, weil der Privatisierungsgrad meist
sehr reliabel erhoben werden kann.
(c) Üblicherweise verfolgen nur private Unternehmen ein Gewinninteresse
im Gegensatz zu staatlichen Behörden und Anbietern des Dritten Sektors. Das Gewinninteresse kann aber vom rechtlichen Status abweichen, weshalb diese zusätzliche Differenzierung zentral ist, um den
Grad der Vermarktlichung zu erfassen. Beispielsweise kann es verboten
sein, in einem Wohlfahrtsmarkt einen Gewinn zu erzielen oder Ge-
50
WOHLFAHRTSMÄRKTE
winne müssen in das Unternehmen reinvestiert werden. Trotz dieser
Einschränkung agieren auf solchen Märkten formal betrachtet private
Firmen (z.B. Privatschulen in Deutschland), allerdings können sie keine
Gewinne an Aktionäre oder Teilhaber ausschütten.
(d) Die Produktionsdimension beinhaltet neben der Angebotsseite auch
die Nachfragekonkurrenz. Einerseits kann nur ein Nachfrager auf
einem Wohlfahrtsmarkt agieren, wie im Falle von offenen Ausschreibungen. Ein Beispiel dafür sind die britischen »Welfare to Work«Programme, in denen verschiedene private und Dritte Sektor Anbieter
um öffentliche Aufträge konkurrieren (Finn 2009). Anderseits können
viele Nachfrager von den Anbietern umworben werden, wie im Falle
von privaten Rentenversicherungen und Schulen. Empirisch kann das
Marktvolumen in der Produktionsdimension somit auch anhand der
unterzeichneten Verträge und der Anzahl der Wohlfahrtsnutzer erfasst
werden. Im Rahmen dieser Arbeit werden ausschließlich Wohlfahrtsmärkte mit vielen Nachfragern untersucht, weshalb dieser Aspekt des
Vermarktlichungsgrades neben den anderen Indikatoren der Produktionsdimension analysiert wird.
Zusammenfassend gilt je mehr Anbieter, Produkte und Dienstleistungen
angeboten werden und je mehr Wohlfahrtsnutzer diese Produkte nachfragen, desto höher ist der Wettbewerb. Vollständiger Wettbewerb existiert
allerdings erst, wenn private Anbieter, die ein Gewinninteresse verfolgen,
miteinander konkurrieren. Deshalb gilt: je mehr private Anbieter auf dem
Markt agieren, desto höher ist der Grad der Vermarktlichung und desto
höher ist das Marktvolumen.
3. Wahlfreiheitsdimension. Wird die Wahlfreiheit der Wohlfahrtskonsumenten
erhöht beziehungsweise der Zwang zu bestimmten Tauschhandlungen
verringert, können mehr Marktmechanismen wirken. Diese Dimension
bezieht sich auf die Wahloptionen und das tatsächliche Wahlverhalten. Die
Wahloptionen erstrecken sich nicht nur auf die Auswahl zwischen verschiedenen Produkten (choice) sondern auch auf Entscheidungen über
Markteintritt und -austritt (exit) und spätere Wechseloptionen nach der
ursprünglichen Wahl.23 Ebenso können Wahloptionen nicht direkt den
——————
23 Siehe auch Haarmann u.a. (2010) für eine Diskussion und Erweiterung von Hirschmans
Exit-Option (vgl. Hirschman 1970). Zur Operationalisierung ausführlicher in den methodischen Überlegungen von Kapitel 4.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
51
Wohlfahrtsnutzern (agent) zur Verfügung stehen, sondern Experten
(principal) treffen stellvertretend die Entscheidungen für die Wohlfahrtsnutzer. Beispielsweise treffen Unternehmen stellvertretend für ihre Beschäftigten die Investitionsentscheidung über die Betriebsrenten. Somit
entstehen sekundäre Wohlfahrtsmärkte, ohne die Wohlfahrtsnutzer direkt
einzubeziehen (vgl. Berner 2009). Das tatsächliche Wahlverhalten hängt
eng mit den Wahloptionen zusammen, gleichwohl können sich die eigentlichen Entscheider, seien es die Wohlfahrtsnutzer oder Experten, mehr
oder weniger als Konsumenten verhalten. Wenn sie häufig die Wahloptionen nutzen, entfalten sich mehr Marktmechanismen und entsprechend ist
das Marktvolumen größer.
Im Wesentlichen gilt: je höher die privaten Beiträge und Gebühren, je
mehr private Anbieter Produkte und Dienstleistungen anbieten und je
größer die Wahloptionen beim Tausch sozialer Güter sind, desto größer ist
das Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte. Die Trennung der Marktmechanismen in die drei Dimensionen Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit ermöglicht eine präzise Operationalisierung und eine detaillierte Analyse des Marktvolumens. Ein Wohlfahrtsmarkt kann beispielsweise so
beschaffen sein, dass viele private Anbieter zugelassen sind, die Finanzierung aber weiterhin öffentlich erfolgt und auch die Wahloptionen eingeschränkt sind. In diesem Fall ist nur ein partieller Wohlfahrtsmarkt entstanden, der andere sozialpolitische Wirkungen hat als ein vollständiger
Wohlfahrtsmarkt.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Wohlfahrtsmärkte politisch
geformte Institutionen sind. Ein Wohlfahrtsmarkt ist die sozialpolitische
Instrumentalisierung von Marktmechanismen, wenn erstens soziale Güter
getauscht werden und zweitens Marktmechanismen wirken. Die Operationalisierung der Marktmechanismen erfolgt anhand der drei Dimensionen
Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit.
2.2.3 Vermarktlichung
Da im Diskurs über marktförmige Sozialprogramme viele verwandte Begriffe wie beispielsweise Privatisierung oder Kommerzialisierung verwendet werden,24 wird in diesem Abschnitt dargelegt, wie der Begriff Ver-
——————
24 vgl. Fußnote 14.
52
WOHLFAHRTSMÄRKTE
marktlichung im Kontext von dem skizzierten Wohlfahrtsmarktkonzept
verwendet wird.
Vermarktlichung beschreibt den Prozess der Ausweitung von Marktmechanismen beim Tausch von sozialen Gütern. Dieser Prozess ist prinzipiell unabhängig vom Ausgangspunkt der Entwicklung. Ob nun vormals
staatliche Sozialleistungen stärker nach Marktmechanismen produziert
werden oder familiäre Sozialleistungen (z.B. Kinderbetreuung) an private
Unternehmen externalisiert werden, beide Entwicklungen sind unter dem
Begriff Vermarktlichung zusammenzufassen. Konkret bedeutet die Zunahme von Marktmechanismen die Einführung von Wettbewerb und
Wahlfreiheit, wie bereits in der Definition erläutert.
Obwohl Vermarktlichung lediglich gesellschaftlichen Wandel beschreibt und prinzipiell unabhängig vom Ausgangspunkt ist, kann der Ausgangspunkt der Vermarktlichung politisch und gesellschaftlich eine entscheidende Rolle spielen. Wenn bereits viele Marktmechanismen wirksam sind,
werden Marktreformen politisch anders bewertet, als bei Sozialprogrammen, die bisher kaum Marktmechanismen enthielten. Ebenso ist die
gesellschaftliche Wirkung der Vermarktlichung tiefgreifender, wenn
Marktmechanismen neu eingeführt werden, als in Sozialprogrammen, die
bereits marktförmige Elemente beinhalten. Beispielsweise ist der Grad
einer Vermarktlichung moderat, wenn in einem staatlichen Gesundheitssystem Wahlfreiheit zwischen einzelnen staatlichen Anbietern eingeführt
wird. Existiert diese Wahlfreiheit bereits und sie wird nun auch auf zertifizierte private Anbieter ausgedehnt, ist der Grad der Vermarktlichung ebenfalls als moderat einzuschätzen. Würde die Wahlfreiheit in einem staatlichen Gesundheitssystem aber in einem Reformschritt auf private Anbieter
ausgedehnt, würden die staatlichen Anbieter schlagartig unter sehr großen
Anpassungsdruck geraten. In diesem Fall ist der Grad der Vermarktlichung
höher als bei der schrittweisen Vermarktlichung. Die graduellen Abstufungen der Marktmechanismen sind also relevante Determinanten des
Veränderungsprozesses, weshalb der Ausgangspunkt der Vermarktlichung
wichtig für die politische Bewertung und gesellschaftliche Evaluierung des
Wandels ist.
Bei der Betonung der Vermarktlichung als Prozess stehen Staat und
Markt nicht kategorisch einander gegenüber. Das steht im Widerspruch zur
Literatur zum Wohlfahrtspluralismus, in der Staat und Markt als diametrale
eindeutig abgrenzbare Wohlfahrtssektoren definiert werden (Burchardt u.a.
1999; Evers 1993; Evers/Laville 2004; Evers/Wintersberger 1990; Johnson
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
53
1999; Powell 2007). Märkte sind in diesen Konzeptionen eine klar umrissene Kategorie neben Staat, Verbänden, Betrieben und Familien. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Wohlfahrtssektoren wird
in solchen Konzeptionen zu einer absoluten Kategorie, die jedoch den
hybriden Organisationsformen aus hierarchischer und marktförmiger
Güterallokation in der Realität nicht entspricht. Basierend auf der hier
verwendeten Wohlfahrtsmarktkonzeption zeigt der Prozess der Vermarktlichung hingegen ein Kontinuum zwischen beiden Polen Staat und Markt auf
(vgl. auch Béland/Gran 2008b; Hacker 2002: 29–30; Seeleib-Kaiser 2008a).
Wenn beispielsweise einzelne Marktelemente in staatliche Sozialprogramme implementiert werden, entspricht dieser Prozess einer Vermarktlichung unabhängig von der sektoralen Zuordnung des neuen sozialpolitischen Arrangements. Die Abgrenzung zwischen den Sektoren Staat und
Markt ist somit immer unscharf (»always fuzzy«, Béland/Gran 2008a: 8),
dennoch bedeutet eine Ausweitung von Marktmechanismen stets eine
Vermarktlichung. Damit rücken sowohl die konkreten Marktmechanismen
selbst in den Vordergrund als auch der politische und gesellschaftliche
Prozess hinter der Vermarktlichung. Dieser Blick auf die Prozesse der
Vermarktlichung ermöglicht in der empirischen Analyse auch Fälle zu
untersuchen, die weiterhin hauptsächlich staatliche Steuerungsmechanismen enthalten, aber auch Marktmechanismen aufweisen. Diese schrittweise, beziehungsweise inkrementelle, Vermarktlichung erweitert das Konzept der Wohlfahrtsmärkte und ermöglicht, empirisch verschiedene
Marktmechanismen in der Sozialpolitik mit einem theoretischen Konzept
zu untersuchen.
Die quantitative Operationalisierung der Vermarktlichung erfolgt anhand der bereits erläuterten drei Dimensionen des Marktvolumens –
Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit:25
Die Finanzierungsdimension erstreckt sich von hundertprozentiger öffentlicher Steuerfinanzierung über partielle direkte staatliche Transfers, Sozialbeiträge, indirekte Steuererleichterungen und Subventionen bis zur individuellen privaten Finanzierung ohne jegliche öffentliche Unterstützung.
——————
25 Eine mögliche vierte Dimension der Vermarktlichung wären Diskurse (vgl. SeeleibKaiser 2008a). Eine normative Verschiebung zu marktkonformen Werten würde eine
diskursive Vermarktlichung implizieren, z.B. wenn häufiger Zielorientierungen wie Effizienz und Gewinnorientierung in öffentlichen Diskursen auftauchen. Da in dieser Arbeit
ausschließlich realexistierende marktförmige Sozialprogramme untersucht werden, wird
eine diskursive Vermarktlichung nicht berücksichtigt.
54
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Produktionsdimension erstreckt sich ebenfalls auf einer kontinuierlichen Skala zwischen staatlicher Bereitstellung und vielen konkurrierenden
profitorientierten Unternehmen. Dazwischen existieren unter anderem
staatseigene Unternehmen, Public-Private-Partnerships, Wohlfahrtsverbände und gemeinnützige Anbieter.
Die Wahlfreiheitsdimension zeigt wiederum den Grad der Wahloptionen
und des Wahlverhaltens an. Je mehr Entscheidungen Individuen freiwillig
treffen können und je weniger Zwang der Staat ausübt, desto stärker wirken Marktmechanismen. Das Spektrum erstreckt sich von Pflichtversicherungen, Ausstiegsoptionen (Opt-out), Wechseloptionen (Opt-within) bis
hin zu vollständig freiwilligen Märkten (Opt-in).
In dieser Studie werden alle drei Dimensionen – Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit – verwendet. Der multidimensionale Ansatz wird
verwendet, um den Wandel zu Wohlfahrtsmärkten möglichst umfassend
darzustellen. Dadurch sollen insbesondere zwei Aspekte von Vermarktlichung deutlich werden. Erstens ermöglichen die drei Dimensionen den
Wandel zu Wohlfahrtsmärkten im Wohlfahrtsmix darzustellen, das heißt
eine Verschiebung des Wohlfahrtsmix von Staat, Verbänden und Familien
zum Markt. Zweitens können mit den drei Dimensionen auch Verschiebungen innerhalb von Märkten untersucht werden; im Sinne einer Ausweitung von Marktmechanismen innerhalb existierender Märkte.
Ein Beispiel kann beide Effekte der Vermarktlichung in den drei Dimensionen verdeutlichen. Die Vermarktlichung von Schulen kann in den
Dimensionen Finanzierung und Produktion stattfinden. Erstens würde
eine Verschiebung im Wohlfahrtsmix dann deutlich, wenn der Anteil der
privaten Anbieter an der Produktion steigt. Diese Verschiebung kann ohne
eine Ausweitung der privaten Finanzierung der Schulen geschehen. Mehrere Dimensionen der Vermarktlichung können also zeigen, in welchen
Bereichen die Vermarktlichung stattfindet und wie sich der Wohlfahrtsmix
verändert. Zweitens kann eine genauere Analyse der Produktionsdimension zeigen, ob innerhalb des Marktes Marktmechanismen zugenommen
haben. Beispielsweise können gemeinnützige Schulen gegenüber profitorientierten Schulen Marktanteile verlieren. Dies wäre ein Indiz für eine interne Vermarktlichung, weil Wettbewerb unter profitorientierten Unternehmen schärfer geführt wird. Beide Beispiele wären Evidenzen für eine
Vermarktlichung der Sozialpolitik und ein gestiegenes Marktvolumen.
Vermarktlichung findet also generell in den genannten drei Dimensionen statt. Entlang dieser drei Dimensionen kann Vermarktlichung hin-
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
55
reichend abgegrenzt und einer empirischen Überprüfung unterzogen werden. Für die Analyse von Wohlfahrtsmärkten sind die drei Dimensionen
ein quantitativer Gradmesser für das Ausmaß der Vermarktlichung. Die
konkreten Indikatoren zur Erhebung der Finanzierungs-, Produktions- und
Wahlfreiheitsdimension werden in Kapitel 4 operationalisiert, spezifiziert
und analysiert.
Ergänzend zur Vermarktlichung als quantitatives Konzept wird insbesondere in Kapitel 5 dieser Arbeit die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte
qualitativ analysiert. In diesem Kontext werden die Schlüsselbegriffe
Marktgründung und -liberalisierung verwendet. Die erstmalige Einführung
von Marktmechanismen in einem Sozialprogramm wird als Marktgründung
bezeichnet. Eine regulative Ausweitung von Marktmechanismen durch
politische Reformen wird in Abgrenzung zur quantitativen Vermarktlichung als Marktliberalisierung bezeichnet. Teilweise bestehen aber Überschneidungen zwischen Vermarktlichung und Marktliberalisierung. Wenn
beispielsweise die Ausweitung von Wahloptionen quantifiziert wird, basiert
dies auf einer Analyse der regulativen Reformen.
2.2.4 Wohlfahrtsmarkttypen
Aus den Dimensionen der Vermarktlichung können sieben idealtypische
Wohlfahrtsmarkttypen hergeleitet werden. Diese Idealtypen sind lediglich
ein heuristisches Konstrukt (Weber 1988), um die Multidimensionalität der
Vermarktlichung auf wenige einfache Typen zu reduzieren. In der sozialen
Realität bleibt die Vielschichtigkeit und Komplexität der Wohlfahrtsmärkte
bestehen. Hybride Steuerungsformen sind vermutlich eher die Regel als die
Ausnahme (Berner 2009). Verschiedene Wohlfahrtsmärkte idealtypisch zu
ordnen ist nicht neu (Bode 2005; Gingrich 2011; Hippe 2009), allerdings
berücksichtigt keine der vorgelegten Typologien alle drei Dimension von
Marktmechanismen (Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit). Die bisherigen Typologien entwerfen jedoch schematische Idealtypen mit klaren
Abgrenzungen zwischen den Feldern der Matrix. Mit den folgenden Wohlfahrtsmarkttypen sollen jedoch stärker die Marktschattierungen zwischen
Staat und Markt betont werden als absolute Kategorien herauszuarbeiten.
Stellen wir uns die jeweiligen Pole der Marktmechanismen einerseits als
hierarchischer Staat und andererseits als vollentwickelter Markt vor, ergibt
sich aus diesen drei Dimensionen eine kontinuierliche Skala wie in
Abbildung 1 dargestellt. Aus den drei Dimensionen ergeben sich acht
56
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Idealtypen, wovon sieben Marktmechanismen enthalten. Wohlgemerkt ist
diese Einteilung sehr schematisch und reduziert die soziale Realität auf
einen idealtypischen Wohlfahrtsstaat und sieben Markttypen. Diese Matrix
ist aber hilfreich, um zu verdeutlichen, welche Markttypen Gegenstand
dieser Arbeit sind, welche Marktmechanismen und -strukturen sie
enthalten und welchem Wandel sie unterlagen.
Abbildung 1: Wohlfahrtsmarkttypen
Markttyp
a) Steuerfinanzierter Wohlfahrtsmarkt
(Grundrente)
b) Beitragsstaat*
(Sozialversicherung ohne Zuschuss)
c) Konsumentenmarkt*
(Magnet Schools, z.T. Charter Schools)
d) Ausschreibungsmarkt
(Welfare to Work, z.T. Charter Schools)
e) Öffentlicher Dienstleistungsmarkt
(VHS)
f) Vouchermarkt*
(fristående skolor)
g) Obligatorischer Markt*
(staatl. Rentenfonds, z. T. Prämienrente)
h) Regulierter Markt*
(Riester-Rente, k(401) Betriebsrenten)
Dimension der Vermarktlichung
Finanzierung
Wahlfreiheit
Produktion
Finanzierung, Wahlfreiheit
Produktion, Wahlfreiheit
Finanzierung, Produktion
Finanzierung, Produktion,
Wahlfreiheit
Quelle: eigene Darstellung
Legende:
Alle drei Dimensionen staatlich.
Eine Dimension vermarktlicht.
Zwei Dimensionen vermarktlicht.
Alle drei Dimensionen vermarktlicht
* Wohlfahrtsmarkttypen, die Gegenstand dieser Arbeit sind.
a) Steuerfinanzierter Wohlfahrtsstaat
Der steuerfinanzierte Wohlfahrtsstaat weist in keiner der drei Dimensionen
Marktmechanismen auf: Staatliche Behörden finanzieren, verwalten und
entscheiden über soziale Produkte und Dienstleistungen. Beispielsweise
wird bei einer Grundrente ausschließlich politisch über die Leistungen des
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
57
Rentensystems entschieden, die Finanzierung erfolgt aus dem allgemeinen
Staatsbudget und eine staatliche Behörde verwaltet die Rentenkonten und
zahlt monatlich die Renten aus. Lediglich auf der Verwaltungsebene sind
interne Märkte möglich, die eine Marktumgebung simulieren. Die New
Public Management (NPM) Debatte verdeutlicht, wie innerhalb von Behörden unterschiedliche marktförmige Anreizsysteme implementiert werden können, um Wettbewerb nachzuahmen (Rüb 2003). Als Schlagworte
wären zu nennen: Budgetierung, Controlling, Benchmarking, Leistungsbesoldung, Projektmanagement und partielle Autonomie von Referaten. Die
eigentliche Bereitstellung der Sozialleistungen wird aber nicht vermarktlicht, weil nur auf der internen Organisationsebene marktförmige Anreize
gesetzt werden können.
b) Beitragsstaat
Werden für öffentliche Dienstleistungen Beiträge oder Gebühren erhoben,
zum Beispiel in Form von Sozialbeiträgen, Eintrittsgeldern oder Gebühren,
bleibt der Staat der zentrale Anbieter, aber die Finanzierung der staatlichen
Leistung enthält Marktelemente. Verpflichtende Sozialbeiträge für Sozialversicherungen lagern zwar die Finanzierung aus dem Staatsbudget aus, da
der Staat aber Monopolist ist, entsteht kein direkter Wettbewerb. Deshalb
erscheint hier die Bezeichnung Beitragsstaat angebrachter, weil kein
Marktwettbewerb entsteht. Im Falle von obligatorischen Sozialversicherungen sind die Marktelemente äußerst gering, allerdings operieren sie
häufig nach dem Vorbild des Äquivalenzprinzips privater Versicherungen.
Die Finanzierung über Sozialbeiträge verändert den Charakter der Sozialleistungen, denn sie bekommen einen marktsimulierenden Vertragscharakter. Der Bürger wird zwar noch nicht zu einem Kunden, aber zu einem
Sozialstaatsklienten, der Leistungen einklagen kann. Außerdem können
Ermäßigungen oder Strafzahlungen konformes Verhalten begünstigen, was
auch ein Marktmechanismus ist (z. B. Praxisgebühr, weitere Beispiele aus
der Verhaltensökonomie in Thaler/Sunstein 2009).
c) Konsumentenmarkt
Der einzige Markt im Rahmen von staatlicher Finanzierung und Produktion ist ein Konsumentenmarkt, wenn die Wohlfahrtsnutzer frei zwischen
staatlichen Dienstleistungen wählen können. Das ist beispielsweise der Fall,
58
WOHLFAHRTSMÄRKTE
wenn Schüler zwischen öffentlichen Schulen wählen dürfen, anstatt dass
ihnen eine Schule zugewiesen wird (vgl. Abschaffung des Schulsprengels in
einigen Bundesländern, Riedel u.a. 2010; oder Magnet Schools in den
USA). Die staatlichen Anbieter stehen also untereinander in einem Wettbewerb um Nutzer ihrer Dienstleistungen.
d) Ausschreibungsmarkt
Beim Ausschreibungsmarkt konkurrieren private Anbieter, die Finanzierung ist aber weiterhin staatlich, was in der Literatur auch als Quasi-Markt
bezeichnet wird (Le Grand 1991). Diese Märkte werden aus Steuergeldern
refinanziert, private Anbieter konkurrieren jedoch um direkte staatliche
Aufträge. Beim Ausschreibungsmarkt agieren staatliche Behörden weiterhin als Prinzipal für die Kunden (principal purchaser split). Dies ist beispielsweise der Fall bei Ausschreibungen des englischen nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) und den britischen »Welfare to Work« Programmen. Im
letzteren Fall schreibt die britische Regierung die Aufgaben der Arbeitsvermittlung (vgl. Agentur für Arbeit) für private Dienstleister aus. Der Anbieter mit dem preiswertesten und effektivsten Angebot gewinnt die Ausschreibung eines Einzugsgebietes für einige Jahre und muss sich danach
wieder um den Auftrag bewerben.
e) Öffentlicher Dienstleistungsmarkt
Im Vergleich zum Beitragsstaat entfaltet der direkte Bezug zwischen eigenen Beiträgen und staatlichen Leistungen erst Wettbewerbswirkung,
wenn die Klienten zu Kunden werden und selbst über die Verwendung
entscheiden können. In einem öffentlichen Dienstleistungsmarkt haben die
Bürger die Wahlfreiheit staatliche Angebote zu nutzen, müssen dafür aber
entsprechende Gebühren entrichten. Dazu zählen beispielsweise die Angebote der Volkshochschulen, die zu rund 50 Prozent über Beiträge der
Kunden finanziert werden. Volkshochschulen gehören als Weiterbildungsträger eher zu einem randständigen Feld der Sozialpolitik, allerdings ist mir
kein weiteres sozialpolitisches Beispiel bekannt, bei dem Finanzierung und
Wahlfreiheit als Wohlfahrtsmarktkriterien erfüllt sind.
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
59
f) Vouchermarkt
In Ergänzung zum Ausschreibungsmarkt können die Kunden in einem
Vouchermarkt selbst wählen, welchen Anbieter sie bevorzugen. Dieser
Markttyp ist relativ häufig bei sozialen Diensten zu finden. Der Staat finanziert üblicherweise pauschal pro Kopf eine bestimmte soziale Dienstleistung (z.B. jährliche Schulbildung) und private Anbieter liefern die gewünschte Dienstleistung. Die Wohlfahrtsnutzer können dabei frei zwischen
den Anbietern wählen, sodass die Anbieter versuchen, Kunden mit möglichst guten Angeboten für den Pauschalpreis zu gewinnen. Innerhalb
dieses Markttyps können erhebliche Variationen bei der Marktregulierung
bestehen, beispielsweise können ggf. zusätzliche Gebühren anfallen,
gewinnorientierte Anbieter sind verboten oder Kopfpauschalen können je
nach individuellem Aufwand variieren (z.B. höhere Vergütung für Kinder
mit Lernschwierigkeiten oder Migrationshintergrund). Beispiele für
Vouchermärkte sind die freien Schulen in Schweden, Bildungsgutscheine
in den USA, Kindergärten in Hamburg (Arlt 2002) und Bildungsgutscheine
in der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Kruppe 2009).
g) Obligatorischer Markt
Bei obligatorischen Wohlfahrtsmärkten ist lediglich die Wahlfreiheit eingeschränkt, die Finanzierungs- und Produktionsdimension sind zu einem
hohen Grad vermarktlicht. Das idealtypische Beispiel ist eine Pflichtversicherung, wie die schwedische Prämienrente oder eine obligatorische
private Krankenversicherung. Im Beispiel der schwedischen Prämienrente
werden die Wohlfahrtsnutzer verpflichtet eine private Rentenversicherung
abzuschließen, das heißt die Wahlfreiheit ist an zentraler Stelle eingeschränkt, die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Rentenfonds und Versicherungskonzernen bleibt aber gewahrt (Opt-within). Stärkere Einschränkungen der Wahlfreiheit, wie zum Beispiel die Zuweisung eines
Versicherungsanbieters, entsprächen diesem Idealtyp eines obligatorischen
Marktes. Die meisten realexistierenden obligatorischen Märkte operieren
jedoch nach dem Prinzip der Pflichtversicherung, bei freier Wahl der Anbieter. Betriebsrenten mit automatischer Versicherung entsprechen dem
Subtyp quasi-obligatorischer Wohlfahrtsmärkte. Die Beschäftigten haben
die Option aus der Betriebsrente auszuscheiden, werden aber bei Beschäftigungsbeginn automatisch versichert (Opt-out).
60
WOHLFAHRTSMÄRKTE
h) Regulierter Markt
Der Wohlfahrtsmarkt mit dem größten Grad der Vermarktlichung ist der
regulierte Wohlfahrtsmarkt. Private Anbieter agieren hier, die Finanzierung
erfolgt durch private Quellen (Bürger, Unternehmen, Spenden) und die
Wohlfahrtsnutzer haben viele und weitreichende Wahlfreiheiten. Der staatliche und politische Einfluss auf diese Märkte beschränkt sich auf die
Marktregulierung. Beispiele für diesen Markttyp sind die deutsche RiesterRente und die individuellen Rentenversicherungen in den USA (individual
retirement account – IRA). Einschränkend ist aber anzumerken, dass diese
Beispiele keine reinen regulierten Wohlfahrtsmärkte repräsentieren, weil
der Staat über Subventionen, Zuschüsse und Steuererleichterungen an der
Finanzierung beteiligt bleibt.
Die sieben idealtypischen Ausprägungen von Wohlfahrtsmärkten finden
sich selten in Realtypen. Die konkreten Ausformungen der Sozialprogramme können selten eindeutig einem Markttyp zugeordnet werden und
Eigenschaften der realexistierenden Markttypen überschneiden sich mit
zwei oder mehr Idealtypen. Insbesondere in den Dimensionen Finanzierung und Konsumentenentscheidungen sind verschiedene Abstufungen
der Autonomie und Mischfinanzierung zu beobachten, bei der Produktionsdimension kann hingegen oft trennschärfer zwischen Staat und Markt
unterschieden. Dennoch verwischen auch auf der Anbieterseite die Grenzen. Beispielsweise nutzen Public Private Partnerships (PPP) explizit die Vorteile öffentlicher und privater Trägerschaft, eine eindeutige Zuordnung
hängt auch hier vom Einzelfall ab.
Bei aller Ungenauigkeit ist der Vorteil dieser Martktypen, dass verschiedene Formen der Vermarktlichung deutlich werden und entsprechend sehr
unterschiedliche Regulierungspotenziale herausgearbeitet werden können.
Dies hat weitere Implikationen für die politische Intervention in diese
Märkte und den institutioneller Wandel zu mehr Marktmechanismen. Folglich ergeben sich aus diesen Idealtypen einige theoretische Schlussfolgerungen bezüglich der zu erwartenden Umverteilungswirkungen, Politisierung und Akteurskonstellationen:
Bezüglich des Umverteilungspotentials legen die Wohlfahrtsmarkttypen
nahe, dass die Möglichkeit zur progressiven Umverteilung vom steuerfinanzierten Wohlfahrtsstaat zum regulierten Markt kontinuierlich abnimmt. Je weniger staatliche Intervention in Produktion, Finanzierung und
Wahlfreiheit besteht, desto stärker wirken Marktmechanismen und die
WOHLFAHRTSMARKT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
61
soziale Ungleichheit wird verstärkt. Allerdings können auch kleine organisatorische Änderungen große Wirkungen entfalten und den Marktcharakter
fundamental verändern. Beispielsweise kann der Unterschied zwischen
regulierten und obligatorischen Märkten äußerst gering erscheinen, da
lediglich eine Versicherungspflicht den Unterschied ausmacht. Alle anderen Markteigenschaften wie öffentliche Zuschüsse und private Anbieter
würden sich gleichen. Eine Pflichtversicherung bewirkt gleichwohl, dass
alle Bürger über einen Versicherungsschutz verfügen. In diesem Beispiel
entfaltet eine Regeländerung erhebliche Umverteilungswirkung, verändert
aber die anderen Markteigenschaften nur geringfügig. Die tatsächlichen
Umverteilungswirkungen können aber von den theoretisch implizierten
Umverteilungswirkungen abweichen und müssen in jedem Einzelfall zunächst empirisch bestätigt werden. Dazu zählen auch politisch unbeabsichtigte Wirkungen, die zunächst anhand der Regulierungseigenschaften
nur begrenzt vorhersehbar waren.
Außerdem variiert der politische Instrumentenkasten zur Regulierung
der Wohlfahrtsmärkte erheblich zwischen den Typen. Bei refinanzierten
Wohlfahrtsmärkten stehen starke finanzielle Regulierungsinstrumente zur
Verfügung, wohingegen bei regulierten Wohlfahrtsmärkten lediglich Regeln wie Marktzugang, Garantien und Standards eingesetzt werden können. Mithilfe der Wohlfahrtsmarkttypen kann aber auch untersucht werden, ob bestimmte Markttypen in einem Wohlfahrtsregime dominieren.
Ferner ergeben sich aus den Typen höchst unterschiedliche Akteurskonstellationen, was sowohl Marktakteure als auch politische Akteure
betrifft. Mit der Zunahme der Marktmechanismen sind grundsätzlich mehr
Marktakteure und komplexere Akteurskonstellationen zu erwarten. Folglich sind auch mehr Akteure am politischen Prozess der Marktregulierung
beteiligt. Zusätzlich zu primär politischen Akteuren wie Parteien, Mandatsträgern, Parlamentariern und Beamten in den staatlichen Sozialbehörden
kommen Marktanbieter und deren Interessenverbände hinzu. Beispielsweise gewinnen bei der privaten Altersvorsorge Versicherungskonzerne,
Banken und Verbraucherverbände an politischer Bedeutung.
2.2.5 Fazit
Wohlfahrtsmärkte wurden in diesem Kapitel als politisch geformte Institutionen definiert, in denen soziale Güter unter Anwendung von Marktmechanismen getauscht werden. Das Konzept kann auf alle Politikfelder
62
WOHLFAHRTSMÄRKTE
der Sozialpolitik übertragen werden, allerdings wird es im Weiteren lediglich auf die Alterssicherungs- und Bildungspolitik angewendet. Für die
empirische Analyse wird das Marktvolumen anhand von drei Dimensionen
(Finanzierung, Produktion, Wahlfreiheit) erhoben, damit lässt sich sowohl
das aktuelle Ausmaß der Wohlfahrtsmärkte ermitteln als auch der Prozess
der Vermarktlichung. Basierend auf diesen drei Dimensionen wurde eine
Wohlfahrtsmarkttypologie entworfen, die zentrale Unterschiede zwischen
idealtypischen Wohlfahrtsmärkten herausstellt.
Dieser konzeptionelle Rahmen ermöglicht mir, die beiden Hauptforschungsfragen dieser Arbeit zu beantworten. Sind erstens Wohlfahrtsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA in den letzten zwei Dekaden entstanden? Kann zudem ein allgemeiner Anstieg im Marktvolumen in
der OECD-Welt festgestellt werden? Die drei Dimensionen der Vermarktlichung sind ein heuristisches Werkzeug, um den Anstieg der Wohlfahrtsmärkte quantitativ zu operationalisieren.
Der zweite Fragenkomplex untersucht die politisch geformten Institutionen der Wohlfahrtsmärkte. Wie wurden sie institutionell ausgestaltet?
Welche Akteure haben die Regulierung der Märkte politisch beeinflusst?
Welche Wohlfahrtsziele können in der Regulierung identifiziert werden?
Korrespondiert eine bestimmte Regulierung mit einem Politikfeld? Inwiefern gleichen sich Wohlfahrtsmarkt und Wohlfahrtsstaat eines Landes? Das
hier verwendete Wohlfahrtsmarktkonzept bietet auch für diesen Fragenkomplex die Grundlage zur qualitativen Operationalisierung. Die institutionalisierten Marktmechanismen und die gehandelten sozialen Güter sind
die Grundeigenschaften der Wohlfahrtsmärkte und geben Aufschluss über
die Konstituierung der Märkte. Ebenso betont das verwendete Wohlfahrtsmarktkonzept die politische Einbettung der Wohlfahrtsmarktinstitutionen.
3 Wohlfahrtsmärkte im Vergleich
Der Gegenstand dieser Studie – Wohlfahrtsmärkte – wurde bisher kaum
stringenten vergleichenden Analysen unterzogen. Wie bereits in der Einleitung erläutert, existieren verschiedene Fallstudien zum Thema oder einige
area studies, die en detail ein Land oder Politikfeld untersuchen. Béland und
Gran (2008: 279) fordern deshalb
»[to] explore the economic, political, and ideological conditions under which pathdeparting changes to the public-private dichotomy for social policy are not only
possible but likely. This type of analysis could take the form of small-N, qualitative
comparisons between countries«.
Laut Lijphart (1971: 685) diene die vergleichende Methode im Rahmen
von small-N Ländervergleichen insbesondere der Exploration von Hypothesen eines bisher wenig untersuchten Forschungsgegenstandes, die später in einem statistischen Modell untersucht werden könne. Im Gegensatz
zu Fallstudien werden »mindestens zwei Fälle bezüglich mindestens zweier Variablen analysiert« (Siegel 2007: 104). Aufgrund der begrenzten Anzahl von
Fällen und Variablen der vergleichenden Analyse sind Generalisierungen
und Kausalitäten im Vergleich zu multivarianten large-N Forschungsdesigns in der Tat eingeschränkt. Dennoch hat die vergleichende Methode
gegenüber einzelnen Fallstudien den Vorteil, allgemeine Trends zu identifizieren und über den Bereich der Fallstudie hinaus weitergehende Schlussfolgerungen zu ermöglichen (King u.a. 1994; Seawright/Gerring 2008).
Das vergleichende small-N Untersuchungsdesign überbrückt somit die
Vor- und Nachteile von Fallstudien und large-N Vergleichen. Ziel dieser
Untersuchungsanordnung ist sowohl explorativ zur Theorieentwicklung
beizutragen, als auch generelle Erklärungsansätze für die Entstehung, die
Unterschiede und den Wandel von Wohlfahrtsmärkten herauszuarbeiten.
Gleichwohl besteht somit auch die Gefahr, die Nachteile beider Methoden
zu übernehmen. Mit einer wohlüberlegten Fall- und Variablenauswahl wird
versucht, diese Nachteile möglichst zu minimieren.
64
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die folgende Auswahl der Fälle und Variablen orientiert sich grundlegend an den forschungsleitenden Fragen: Erstens ist ein genereller Trend
zu Wohlfahrtsmärkten festzustellen und zweitens wie werden diese wachsenden Wohlfahrtsmärkte reguliert?
Um das Problem vieler Variablen und weniger Fälle zu minimieren,
empfiehlt Lijphart (1971: 686–691), einerseits möglichst die Fallanzahl zu
erhöhen, andererseits aber nur die wichtigsten Variablen zu berücksichtigen und vergleichbare Fälle zu untersuchen. Mit der Auswahl des geeigneten Untersuchungsdesigns soll einerseits das Ziel nach möglichst hoher
Tiefenschärfe erreicht werden und andererseits sollen generelle Schlüsse
anhand der empirischen Ergebnisse gezogen werden. Beide Ziele müssen
nicht nur gegeneinander abgewogen werden, sondern auch noch forschungspraktisch handhabbar bleiben (King u.a. 1994).
Für explorative Studien, die ein neues soziales Phänomen untersuchen,
ist es besonders hilfreich möglichst unterschiedliche Fälle auszuwählen, um
die Pluralität des Forschungsgegenstandes abzubilden und daraus Erklärungen und Theorien zu generieren. Für derartige explorative Studie ist ein
diverse case design am ergiebigsten, weil alle möglichen Ausprägungen der
Variablen in den möglichst unterschiedlichen Fällen untersucht werden
können (Seawright/Gerring 2008: 300–301). Die Varianz der Fälle ermöglicht, mehrere kausale Pfade zu identifizieren und somit notwendige Bedingungen für die Ausprägung der abhängigen Variable herauszukristallisieren. Da bisher kaum vergleichende Studien über Wohlfahrtsmärkte
durchgeführt wurden, erscheint ein diverse case design besonders angebracht, um die Pluralität der Wohlfahrtsmärkte erkunden zu können. Um
Generalisierungen und Erklärungen zu ermöglichen wird ein Drei-Länderund Zwei-Politikfelder-Vergleich gewählt. Damit können Trends und Kausalzusammenhänge auf Länder- und Politikfeldebene identifiziert und
verglichen werden, die über die Fallstudien hinausgehen. Außerdem konzentriert sich die Analyse vornehmlich auf institutionelle und akteursbezogene Erklärungsansätze, was auch der Komplexitätsreduzierung zuträglich
ist.
Die folgenden Abschnitte werden nun darlegen, welche Fälle und Variablen in der vergleichenden Studie berücksichtigt werden. Zuerst wird die
Auswahl der Fälle begründet (3.1). In Kapitel 3.2 werden die Untersuchungsmethoden erläutert und im darauf folgenden Kapitel die berücksichtigten unabhängigen Variablen und möglichen Einflussfaktoren diskutiert (3.3).
65
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
Tabelle 2: Zeitpunkte der Wohlfahrtsmarktgründung und zentrale Reformen
Name
Markttyp
Marktgründung
Marktreformen
regulierter
WM
Vouchermarkt
2002
2004, 2006
Bildung
Riester-,
Rürup-Rente
Privatschulen
ca. 1850,
erneut 1949
um 1987
(fragmentiert)
Schweden
Rente
Prämienrente
obligatorischer WM
Vouchermarkt
1995/2000a
2010
ca. 1800,
bzw. 1960er
1992,
1997/2003
ca. 1950er
1974/1981
um 1868
seit 1990
(fragmentiert)
seit 1991
(fragmentiert)
Deutschland
Rente
Bildung
USA
Rente
freie Schulen
(fristående)
IRAs, 401(k)
Bildung
School
Vouchers
Charter
Schools
regulierter
WM
Vouchermarkt
Ausschreib./
Konsum.
1991
Anmerkungen: Zeitpunkte beziehen sich auf Implementierung, a) 1995: ersten Beiträge erhoben,
2000: erste Rentenfondswahl
3.1
Fallauswahl
Um die beiden Hauptfragen zum Wachstum und zur Regulierung von
Wohlfahrtsmärkten in einem diverse case design zu beantworten, müssen sich
die Fälle sowohl im Marktvolumen als auch in den Regulierungseigenschaften unterscheiden. David Levi-Faur (2006a; 2006b) plädiert für eine
Kombination von Länder- (national patterns) und Politikfeld-Vergleich (policy
sector), um einen hohen Grad der Generalisierung zu erreichen. Wenn diese
Kriterien zusammengenommen werden, bieten sich die Länder Deutschland,26 Schweden und die USA und die Politikfelder Rente (private Rentenversicherung) und Bildung (private Primar- und Sekundarschulen) als Untersuchungseinheiten an.
——————
26 Vor der Wiedervereinigung bezieht sich die Untersuchung auf die Bundesrepublik
Deutschland (1949–1990). Der Hauptuntersuchungszeitraum bezieht sich aber auf das
wiedervereinigte Deutschland nach 1990.
66
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Zusätzlich wird Anzahl von Fällen dadurch erhöht, indem mehrere Erhebungszeitpunkte berücksichtigt werden (Gerring 2004). Der Hauptuntersuchungszeitraum erstreckt sich von 1990 bis 2010 und wird teilweise
auf frühere Perioden ausgedehnt, wenn es der Analyse und Erklärung
dient. Damit wird der Vergleich von Ländern und Politikfeldern um einen
intertemporalen Vergleich ergänzt. Tabelle 2 bietet einen Überblick über
die untersuchten Fälle und zentralen Reformen, die in der Studie berücksichtigt werden.
Von den Rentenmärkten werden die deutsche Riester-Reform Anfang
der 2000er Jahre untersucht, sowie die anschließenden Ergänzungen und
Novellierungen, wenn auch nicht mit derselben Genauigkeit. In Schweden
wurde in etwa zeitgleich die obligatorische Prämienrente eingeführt. USamerikanische Rentenmärkte von Relevanz existieren rund seit den 1950er
Jahren, allerdings liegt der Fokus der Untersuchung auf den Individual
Retirement Accounts (IRAs, 1974) und den betrieblichen 401(k) Renten
(1981). Diese Rentenmärkte können den regulierten (Deutschland, USA)
und obligatorischen (Schweden) Wohlfahrtsmarkttypen zugeordnet werden, die zum Teil auch refinanziert werden durch öffentliche Zuschüsse
und Steuererleichterungen (vgl. Abbildung 1).
Die untersuchten Bildungsmärkte erstrecken sich auf das deutsche Privatschulsystem, die schwedischen freien Schulen (fristående skolor) und USamerikanische Schulgutscheine sowie Charter Schools. Privatschulen im
modernen Sinne existieren auf deutschem Boden seit rund 1850, die entscheidende Marktgründung für den aktuellen Privatschulmarkt erfolgte
aber erst mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb
wird diese entscheidende Phase nach dem zweiten Weltkrieg betrachtet, als
auch die entscheidende Liberalisierungsphase um 1987. In Schweden wurden Privatschulen bis 1960 weitgehend von den öffentlichen Schulen zurückgedrängt und gegen Ende der 1970er Jahre wurden verschiedene Reformen verabschiedet, die eine neuerliche Marktgründung 1992 vorbereiteten. Der Fokus der Analyse liegt jedoch auf die Gründungsphase 1992
und die folgenden transformativen Reformen. In den USA existierte nach
dem Zweiten Weltkrieg immer ein substantieller Privatschulmarkt von
10 bis 15 Prozent (s. Kapitel 4), der als regulierter Wohlfahrtsmarkt beschrieben werden kann. Für diese Studie entscheidend ist allerdings der
Zeitraum seit den 1990er Jahren, als verschiedene Voucher-, Ausschreibungs- und Konsumentenmärkte im Privatschulbereich implementiert
wurden. Gegenstand dieser Studie sind zum einen der Ausschreibungs-
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
67
und Konsumentenmarkt der Charter Schools und zum anderen die Vouchermärkte im Rahmen von Schulgutscheinen.
Im Folgenden werde ich ausführlicher die Auswahl der Länder, der
Politikfelder und des Zeitraums begründen und erläutern, warum sie besonders zum Vergleich geeignet sind.
3.1.1 Länder: Deutschland, Schweden, USA
Die sozialpolitischen Arrangements sind in Wohlfahrtsstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet, weshalb verschiedene Typologien entwickelt wurden, um die Unterschiede zwischen Wohlfahrtsstaaten zu kategorisieren (u.
a. Arts/Gelissen 2002; Aspalter u.a. 2009; Bambra 2004; Castles/Mitchell
1993; Esping-Andersen 1990; 1999; Korpi/Palme 1998; Leibfried 1993;
Schelkle 2009; Scruggs/Allan 2009; Svallfors 2003). Für das hier verwendete diverse case design sollten die Untersuchungsländer möglichst unterschiedliche Wohlfahrtsregime repräsentieren.
Die einflussreiche Regimetypologie von Esping-Andersen (1990) klassifiziert die Wohlfahrtsstaaten anhand der Dimensionen De-Kommodifizierung, Stratifizierung und Wohlfahrtsmix in drei Typen, bestehend aus
sozialdemokratischen, konservativen und liberalen Wohlfahrtsregimen. Die
drei Untersuchungsländer repräsentieren laut Esping-Andersen (1990) jeweils die drei Wohlfahrtsregime: Schweden wird als sozialdemokratischer,
Deutschland als konservativer und die USA als liberaler Wohlfahrtsstaat
betrachtet. Diese zentralen Unterschiede der öffentlichen Sozialpolitik in
den drei Ländern wurden in verschiedenen Studien im Großen und
Ganzen bestätigt (s. o. und vor allem Arts/Gelissen 2002; Bambra 2004;
Ferragina/Seeleib-Kaiser 2011).
Für die Fallauswahl ist vor allem die Dimension des Wohlfahrtsmix
zwischen Staat, Markt und Familie relevant. Laut Esping-Andersen (1990)
überwiegt im sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime die staatliche Wohlfahrtsproduktion, im konservativen Regime die familiäre Produktion und
im liberalen Regime dominieren Märkte. Obwohl der Wohlfahrtsmix häufig ein Teil der Untersuchungsdimensionen ist, beziehen sich die verschiedenen Wohlfahrtsstaatstypologien überwiegend auf öffentliche Sozialprogramme. Doch Seeleib-Kaiser weist darauf hin, dass sich öffentliche und
private Wohlfahrtsregime zu einem Wohlfahrtssystem ergänzen (SeeleibKaiser 2001; 2008a; 2009). In einem Wohlfahrtssystem bilden Wohlfahrtsstaat und Wohlfahrtsmarkt komplementäre Einheiten, die funktional-
68
WOHLFAHRTSMÄRKTE
äquivalente Aufgaben der Sozialpolitik erfüllen. Außerdem wurden einige
theoretische Typologien von Wohlfahrtsmärkten entwickelt, die unterschiedliche regulative Eigenschaften von Wohlfahrtsmärkten betonen
(Blank 2006; Bode 2005); allerdings wurden sie bisher nur auf die nationalen Unterschiede von deutschen Wohlfahrtsmärkten angewendet.
Lediglich Hippe (2007; 2009) und Klitgaard (2007a) untersuchen systematisch die Unterschiede von Renten- beziehungsweise Bildungsmärkten
in Deutschland, Schweden und den USA.27 Beide Studien bestätigen, dass
auch zwischen den Wohlfahrtsmärkten der drei Länder charakteristische
Unterschiede bestehen. Dennoch bleiben einige Forschungsfragen unbeantwortet. Hippe (2007; 2009) bezieht lediglich kapitalgedeckte Rentenversicherungen in den Vergleich ein, wodurch die regulativen Einflüsse von
benachbarten Institutionen wie öffentlichen und betrieblichen Rentenversicherungen nicht berücksichtigt werden. Außerdem bleibt bei Hippe
offen, wie die regulativen Unterschiede der Wohlfahrtsmärkte erklärt werden können. Klitgaard (2007a) fokussiert seine Analyse auf die Einführung
von Bildungsmärkten in den drei Ländern (Deutschland, Schweden, USA),
ohne aber die systematischen Regulierungsunterschiede der Bildungsmärkte zu untersuchen.
Die Wohlfahrtsmärkte von Deutschland, Schweden und den USA wurden also zum Teil schon erforscht, aber eine systematische Untersuchung
des Marktvolumens und der Marktregulierung fehlt bisher. Mit dieser Fallauswahl werden somit drei sehr unterschiedliche Wohlfahrtsregime untersucht, was laut der theoretischen und empirischen Literatur sowohl auf die
öffentlichen als auch die marktförmigen Sozialprogramme zutrifft. Diese
Studie geht der Frage nach, worin diese Unterschiede bestehen und wie
diese Unterschiede entstanden sind, sofern sie denn festzustellen sind.
Neben den sozialpolitischen Unterschieden besteht auch eine hohe Varianz in Bezug auf politische Variablen. Die Länder besitzen unterschiedliche Regierungssysteme, Parteiensysteme, Staatsstrukturen und
Vetospielerkonstellationen (Ismayr 2003a; Lijphart 1999; Tsebelis 2002).28
——————
27 Andere Studien vergleichen auch die Märkte in verschiedenen Wohlfahrtsregimen (u.a.
Gingrich 2011; Leisering 2011), untersuchen aber andere Länder.
28 Die drei Länder sind jedoch eher Konsensdemokratien als Konkurrenzdemokratien,
weil die jeweiligen Parteiensysteme (Deutschland, Schweden), die Staatstrukturen
(Deutschland, USA), die Vetopunkte (Deutschland, USA) und das Regierungssystem
(Deutschland, Schweden) tendenziell politischen Konsens erzwingen. Die politische
Einbindung von Deutschland und Schweden in die Europäische Union kommt als wei-
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
69
Insgesamt besteht also eine sozialpolitische und politisch-institutionelle
Varianz zwischen den Untersuchungsfällen, wodurch mehrere Einflussfaktoren auf das Marktvolumen und die Marktregulierung überprüft werden
können.
3.1.2 Politikfelder: Renten- und Bildungsmärkte
Die folgenden Ausführungen legen zuerst dar, warum Bildungsmärkte als
sozialpolitisches Politikfeld neben Rentenmärkten untersucht werden.
Anschließend erfolgt die Begründung der Fallauswahl und welche Varianz
und Gemeinsamkeiten die Fälle aufweisen. Zum Ende des Abschnittes
werden einige Begrifflichkeiten von Renten- und Bildungsmärkten erläutert, die für die weitere Analyse relevant sind.
Aus deutscher Perspektive ist Bildung als Feld der Sozialpolitik zunächst ungewöhnlich. Im angelsächsischen Raum war Bildungspolitik
schon immer integraler und konzeptioneller Bestandteil der Sozialpolitik
(Mare 1981; Marshall 1992), wurde aber auch dort meist in der sozialpolitischen Forschung missachtet. Seit dem PISA-Schock und den dort enthaltenen detaillierten Wirkungsanalysen der Bildungssysteme nahm das sozialpolitische Interesse an der Bildungspolitik in Deutschland zu, was sich in
diversen sozialpolitischen Publikationen niederschlug (u.a. Busemeyer/
Nikolai 2010; Opielka 2005; Schmidt 2010a; Schmidt 2007b).29 Die Bil-
——————
tere Variation hinzu, wobei anzumerken ist, dass Schweden erst 1995 der EU beigetreten ist und weiterhin nicht an der Währungsunion (EMU) teilnimmt.
29 Generell wendete sich auch die internationale Politikwissenschaft in der letzten Dekade
verstärkt der Bildungspolitik zu (Busemeyer/Trampusch 2011; Jakobi u.a. 2010), obwohl
einige ältere Veröffentlichungen bereits das Verhältnis von Sozial- und Bildungspolitik
untersuchten (u.a. Heidenheimer 1973; 1981; Kaelble 1981). Von der Literatur mit
sozialpolitischem Bezug sind drei Schwerpunkte zu unterscheiden: Der erste Strang der
Literatur untersucht die öffentlichen Bildungsausgaben international vergleichend
(Busemeyer 2006a; Schmidt 2002; 2007a; 2010a; Wolf 2008; Zohlnhöfer 2007b), aber
auch die privaten Bildungsausgaben sind untersucht worden (Busemeyer 2006b; 2007;
Schmidt 2004; 2007a; Wolf 2009; Wolf/Zohlnhöfer 2009). Im zweiten Schwerpunkt
werden verschiedene Bildungsregime verglichen, institutionelle Unterschiede
herausgearbeitet und in welchem Verhältnis diese zu Wohlfahrtsregimen stehen
(Allmendinger/Leibfried 2003; Hega/Hokenmaier 2002; Schmid u.a. 2011). Im dritten
Forschungsstrang wird der Schwerpunkt auf die Wirkungen der Bildungsinstitutionen
gelegt (u.a. Kohlrausch 2009; Leuze 2010; Reimer/Pollak 2005). Für die Untersuchung
von Wohlfahrtsmärkten sind davon vor allem jene Studien interessant, die das Wahlverhalten der Schüler und Eltern zwischen öffentlichen und privaten Schulen untersuchen
70
WOHLFAHRTSMÄRKTE
dungspolitik steht, anders als Rentenpolitik, sinnbildlich für einen investierenden Sozialstaat, der vorsorgt und das Potenzial der Bürger aktiviert,
anstatt sie nur zu alimentieren und die Ursachen von sozialer Ungleichheit
und Benachteiligung im Nachhinein abzumildern (Esping-Andersen 2005;
Morel u.a. 2011). Hohe Bildungsabschlüsse erhöhen die Partizipationschancen und senken das individuelle Armuts-, Krankheits- und Arbeitslosigkeitsrisiko (BMAS 2005: 85–95).
Die untersuchten Politikfelder sollen ebenso wie die untersuchten Länder ein breites Spektrum sozialpolitischer Leistungen abdecken und gleichzeitig typische und wichtige Politikfelder umfassen. Die Renten- und
Bildungsausgaben sind jeweils der größte beziehungsweise drittgrößte
sozialpolitische Haushaltsposten in der OECD-Welt (OECD 2007), was
die Relevanz beider Politikfelder unterstreicht. Beide Politikfelder decken
zudem aufgrund ihrer Leistungsstruktur und dem Zeithorizont der sozialen
Wirkung eine hohe sozialpolitische Bandbreite ab:
(a) Die Leistungsstruktur unterscheidet sich wie folgt: Renten sind soziale Transfers, wohingegen Bildung eine soziale Dienstleistung ist. Die Untersuchung von sozialen Dienstleistungen und Transferleistungen umfasst
ein breites Spektrum der Sozialpolitik, insbesondere deshalb, weil soziale
Dienstleistungen im Vergleich zu sozialen Transferleistungen tendenziell
ein Forschungsdesiderat darstellen (vgl. Jensen 2010). Außerdem ist das
Vermarktlichungspotential sozialer Dienstleistungen gegenüber Transferleistungen grundverschieden.
(b) Sozialpolitische Programme können zeitlich vor dem eigentlichen
sozialen Problem wirksam werden – ex ante – oder sie kompensieren Risiken bereits eingetretener sozialer Problemlagen – ex post. Bildungspolitik
wirkt insbesondere in den ersten Lebensjahren, im Gegensatz dazu kompensieren Renten den Einkommenswegfall aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit im Alter. Bei Rentenversicherungen kommt zusätzlich ein
langer Zeithorizont der Beitragszahlung hinzu, der bei umlagefinanzierten
Rentensystemen mehrere Generationen umfasst. Eine Gemeinsamkeit von
Bildungs- und Renteninvestitionen besteht darin, dass sie sich über einen
langen Zeitraum auszahlen (u.a. BMAS 2005; Legros 2006; Poterba u.a.
1999).
——————
(Köppe 2012; Kruppe 2009; Noreisch 2007a; 2007b; Riedel u.a. 2010) und die Leistungsunterschiede von öffentlichen und privaten Schulen vergleichen (u.a. Ladd 2002;
Neal 2002).
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
71
Die beiden Politikfelder repräsentieren auch verschiedene Potenziale
der Vermarktlichung: Private Rentenversicherung kumulieren mit öffentlichen Sicherungssystemen zu einem Gesamtversorgungsniveau, wohingegen die Vermarktlichung von Schuldienstleistungen substitutiv erfolgt,
weil nur entweder eine öffentliche oder eine private Schule besucht werden
kann (vgl. Busemeyer 2006a: 316). Die Konkurrenz zwischen öffentlichen
und privaten Trägern ist also im Bildungsmarkt viel schärfer als im Rentenmarkt.
Schließlich ist noch anzumerken, dass die Literatur zu Wohlfahrtsstaatsregimen gemeinhin Bildung nicht berücksichtigt. Allerdings bestätigen verschiedene Studien auch hier eine grundsätzliche Varianz zwischen
Deutschland, Schweden und den USA (Schmid u.a. 2011).30 Vor allem die
Ausgabenprioritäten in Bezug auf die öffentlichen Bildungs- und Sozialausgaben variieren erheblich (vgl. Kaganovich/Zilcha 1999; Wolf/
Zohlnhöfer 2009): Liberale Wohlfahrtsstaaten wie die USA investieren
hauptsächlich in Bildung, sozialdemokratische Wohlfahrtsstaaten wie
Schweden weisen sowohl bei den Sozialversicherungen als auch im Bildungsbereich hohe Ausgaben auf und konservative Wohlfahrtsstaaten wie
Deutschland legen die Priorität ausschließlich auf Sozialversicherungen.
Die drei Länder repräsentieren also in beiden Politikfeldern drei exemplarische Wohlfahrtsregime, deren institutionelle Rahmenbedingungen variieren und unterschiedliches Vermarktlichungspotenzial aufweisen.
In den folgenden zwei Unterkapiteln werden einige grundlegende Begriffe der Renten- und Bildungsmärkte erläutert, auf die in der empirischen
Analyse verwiesen wird.
——————
30 Im »Varieties of Capitalism«-Diskurs wird beispielsweise der Zusammenhang zwischen
Berufsausbildung und den Produktionsmerkmalen den landestypischen Spielarten des
Kapitalismus betont (Überblick bei Busemeyer/Trampusch 2012; Estévez-Abe u.a.
2001: 154; Shire/Gottschall 2007). Mit Bezug auf die Allgemeinbildung können
Allmendinger und Leibfried (2003) klare Regimeunterschiede sowohl bei den Kompetenzleveln als auch bei der Kompetenzverteilung ausmachen: Das schwedische Bildungssystem zeichnet sich tendenziell durch ein hohes Kompetenzlevel und hohe
Gleichheit aus (sogenannter »central type«). Deutschland kann weder hohe Kompetenzen
noch hohe Gleichheit aufweisen (sogenannter »centrifugal type«). Die USA entziehen sich
in diesem Fall einer klaren Typisierung.
72
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Rentenmärkte
Mit Rentenmärkten sind alle marktförmigen Sozialprogramme gemeint, die
der Einkommenssicherung im Alter dienen.31 Ein Rentensystem besteht
üblicherweise aus verschiedenen Säulen, die zur Einkommenssicherung im
Alter beitragen.32 Mit Bezug auf Köppe (2009) können fünf Rentensäulen
identifiziert werden: steuerfinanzierte Grundrenten, obligatorische Sozialversicherungen, Betriebsrenten, individuelle private Rentenversicherungen
und schließlich allgemeines Sparen (u.a. Lebensversicherungen, Wohneigentum).
Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf individuellen privaten
Rentenversicherungen, weil dort die meisten Marktmechanismen implementiert werden können und zugleich ein eindeutiger Bezug zur Einkommenssicherung im Alter besteht.33 Partielle Rentenmärkte können aber
auch in den anderen Säulen des Rentensystems entstehen. Beispielsweise
besitzen die Versicherten von Betriebsrenten zusätzliche Wahloptionen,
wenn sie ihre Beiträge in verschiedene Fonds investieren können (vgl.
Kapitel 2, quasi-obligatorische Wohlfahrtsmärkte). Entsprechend werden
derartige benachbarte Rentenmärkte berücksichtigt, wenn sie relevant sind;
der empirische Schwerpunkt liegt aber auf individuellen privaten Rentenversicherungen. Beispielsweise werden in den USA auch Betriebsrenten
——————
31 Im Gegensatz zur reinen Rentenpolitik, die nur die staatliche Sozialversicherung betrachtet, bezieht sich Alterssicherungspolitik auf das Gesamtversorgungsniveau im Rentenalter (Hinrichs 2000a; 2000b). Alterssicherungspolitik beinhaltet aber nur die Einkommenssicherung im Alter und nicht wie Alterspolitik oder Generationenpolitik eine
holistische Betrachtung mehrer altersrelevanter Politikfelder wie Pflege, Gesundheit,
Familienpolitik, Bildung etc. (Lüscher/Liegle 2003: 210–230). Ich verwende für die Einkommenssicherung im Alter trotzdem weiterhin den geläufigeren Begriff Rente.
32 In der international vergleichenden Literatur wird entweder zwischen Bismarck- und
Beveridge-Systemen oder zwischen Einsäulenmodellen und Mehrsäulenmodellen differenziert. Bismarck-Systeme basieren, im Gegensatz zu universellen steuerfinanzierten
Beveridge-Systemen, auf dem Versicherungs- und Beitragsprinzip (Bonoli 2000: 11;
Hinrichs 1999: 12). Einsäulenmodelle vertrauen bei der Altersvorsorge nur auf einen
Typ der Absicherung, also entweder auf steuerfinanzierte Grundrenten (Beveridge), umlagefinanzierte Sozialversicherungen (Bismarck), Betriebsrenten oder individuelle Kapitaldeckungsverfahren. Jede Säule besitzt spezifische Vor- und Nachteile, die unabhängig
von den anderen Säulen bestehen. Mehrsäulenmodelle – mittlerweile in fast allen Wohlfahrtsstaaten üblich – kombinieren die verschiedenen Durchführungswege der Einkommenssicherung und stimmen die einzelnen Säulen aufeinander ab (Bonoli 2003:
400–402).
33 Allgemeines Sparen kann zwar zur Einkommenssicherung im Alter beitragen, ist jedoch
nicht spezifisch genug, weil keine automatische Annuität besteht.
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
73
untersucht, da sie vielfältige Marktmechanismen enthalten und für viele
US-Amerikaner häufig die wichtigste Rentenversicherung darstellen.
Bildungsmärkte
Bei Bildungsmärkten können drei Leistungen vermarktlicht werden: (1)
Die Lerninhalte und entsprechende Infrastrukturleistungen können von
privaten Trägern vermittelt und angeboten werden (Privatschulen, Privatuniversitäten, Nachhilfe). (2) Akkreditierungsagenturen können auf einem
sekundären Bildungsmarkt die Lizenzierung einzelner Bildungsorganisationen oder Ausbildungsgänge anbieten (Akkreditierung von BA/MAStudiengängen). (3) Und schließlich kann sich ein Markt zur Finanzierung
von Ausbildungszeiten entwickeln, insbesondere zur Finanzierung eines
Studiums (Bildungssparen, Studienkredite).
Eingangs hatte ich die sozialpolitische Relevanz von Bildungspolitik im
Allgemeinen herausgearbeitet (S. 69). Neben der frühkindlichen Bildung
hat die Schulbildung die größte sozialpolitische Wirkung im Sinne von der
Vermeidung von Armut und der Erzielung gleicher Bildungschancen (vgl.
u.a. Barr 2004; Esping-Andersen 2002; Keeley 2007). In dieser Studie werden die Primar- und Sekundarschulen untersucht, weil sie im Gegensatz
zur frühkindlichen Bildung einen größeren Ausgabenposten darstellen.
Außerdem verringert sich die Varianz der Wohlfahrtssektoren bei einer
Fokussierung auf die Schulbildung, denn bei der frühkindlichen Bildung
kommt eine starke familiäre Produktion hinzu, die aber nicht im Fokus
dieser Untersuchung steht.
Der Schwerpunkt der Studie liegt auf den Bildungsmärkten für Privatschulen, es steht also die Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen
Schulbetreibern im Mittelpunkt der Untersuchung, da diese die primären
Bildungsanbieter sind. Zur Bildungsmarktregulierung zählen auch Bildungsgutscheine, Steuererleichterungen (Tuition Tax Credit) und Zuschüsse, die den Besuch einer Privatschule (oder öffentlichen Schule außerhalb des Schulbezirkes) ermöglichen. Diese sind insbesondere in den USA
und Schweden relevant, wie die empirischen Kapitel darlegen. Die sekundären Märkte für Akkreditierungsagenturen und Bildungssparanlagen werden nicht untersucht, obwohl in den USA beide als spezifische Wohlfahrtsmärkte existieren, aber Vergleichsmärkte in Deutschland und Schweden
fehlen.
74
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Bei der Fallauswahl kommt hinzu, dass die Bildungspolitik in Deutschland und den USA Aufgabenhoheit der Gliedstaaten ist. Die Bildungsmärkte können also höchst unterschiedlich in den Bundesländern und den
US-Bundesstaaten reguliert werden. In Deutschland ist der Bildungsmarkt
für Privatschulen relativ einheitlich, sodass auf eine Auswahl von Bundesländern für gliedstaatliche Fallstudien verzichtet wird. Dagegen ist der USamerikanische Bildungsmarkt föderal fragmentierter. Erstens bestehen
zwei unterschiedliche Marktformen: Charter Schools und Schulgutscheine
für Privatschulen (sogenannte School Voucher). Charter Schools sind öffentliche Schulen, die aber den Schulbetrieb an private Betreiber ausschreiben
können und Schülern den Zugang außerhalb des zugewiesenen Schulbezirks ermöglichen. Schulgutscheine ermöglichen Schülern den Besuch
einer Privatschule. Zweitens sind diese Marktformen in den USA ungleich
verteilt. Charter Schools sind in rund 40 US-Bundesstaaten vertreten, wohingegen Schulgutscheine bisher nur in zwei US-Bundesstaaten (Wisconsin, Ohio) und dem District of Columbia implementiert wurden.
Außerdem scheiterten einige Schulgutschein-Gesetze an Gerichtsentscheidungen und mussten wieder zurückgenommen werden (u.a. Florida, Kalifornien). Die detaillierte Analyse der Marktregulierung erfolgt deshalb nur
in vier typischen US-Bundesstaaten (Wisconsin, Ohio, Florida, Kalifornien), die eine hohe Varianz an implementierten und gescheiterten
Bildungsmärkten aufweisen.34
3.1.3 Zeitraum: 1990–2010
Seit den 1970er Jahren gelten die meisten Wohlfahrtsstaaten als ausgereift
mit geringem Wachstumspotenzial. Im Silbernen Zeitalter der Wohlfahrtsstaaten (seit 1980), so die verbreitete These, kam es zu Kürzungen und
Umstrukturierungen des Wohlfahrtsstaates (Leibfried/Zürn 2006a; TaylorGooby 2002). Allerdings erwiesen sich die Wohlfahrtsstaaten trotz aller
Kürzungsrhetorik relativ robust gegenüber massiven Kürzungen (Pierson
1994). Zwar waren die USA und Großbritannien in den 1980er Jahren
Vorreiter für Vermarktlichungen und Privatisierungen, allerdings betrafen
——————
34 Nach Möglichkeit werden aber auch mehrere Charter-School-Gesetze untersucht (vgl.
Kapitel 5.4.2).
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
75
die ersten Privatisierungen lediglich Transport-, Strom-, Telekommunikations- und Logistikmärkte (Zohlnhöfer u.a. 2008).35
Marktförmige Sozialprogramme wurden überwiegend erst in den
1990er Jahren eingeführt, sodass der Zeitraum davor größtenteils vernachlässigt werden kann (vgl. Forschungsüberblick in der Einleitung). Allerdings wurden in einigen Ländern (vor allem USA) schon frühzeitig Rentenund Bildungsmärkte implementiert. Folglich wird in den Fallstudien zur
Marktregulierung der Zeitraum seit der Marktgründung berücksichtigt. Das
trifft vor allem auf die Rentenmärkte in den USA zu, die bereits in den
1970/80er Jahren liberalisiert wurden. Aber auch im Bildungsbereich existierten Privatschulen schon meist vor 1990, gleichwohl erfolgten weitreichende Marktliberalisierungen erst in den letzten zwei Dekaden. Wohlfahrtsmärkte wurden überwiegend zwischen 1990 und 2010 konstituiert
und ausgebaut, weshalb ein Fokus auf diesen Zeitraum besonders interessant ist. Wenn also wesentliche Marktgründungen und -liberalisierungen
vor 1990 stattfanden, werden sie in der Analyse berücksichtigt, ansonsten
bezieht sich der Untersuchungszeitraum auf die Zeitspanne von 1990–
2010.
3.2
Untersuchungsmethoden
In der Einleitung hatte ich bereits aufgezeigt, dass die Datengrundlage über
das Marktvolumen und die Institutionen von Wohlfahrtsmärkten insgesamt unzureichend ist, weshalb nur begrenzt auf existierende Erhebungen
zurückgegriffen werden kann. Zum Teil existieren zwar international vergleichende Datenbanken über das Marktvolumen und Regulierungseigenschaften (z.B. für einige Rentenindikatoren Adema/Ladaique 2005; OECD
2008a), dennoch bestehen erhebliche Datenlücken, um die Entstehung,
den Wandel und die Unterschiede von Wohlfahrtsmärkten zu untersuchen.
Im Rahmen dieser Studie wird deshalb ein Methodenmix angewendet, der
auf verschiedene Datenquellen zurückgreift und unterschiedliche Analysemethoden entsprechend der Datengrundlage und Fragestellung anwendet.
Für die beiden Hauptforschungsfragen nach dem Wachstum und den regulativen Unterschieden sind jeweils unterschiedliche Methoden angebracht,
——————
35 Der größte Privatisierungsschub erfolgte im Großteil der OECD-Welt sogar erst in den
1990er Jahren.
76
WOHLFAHRTSMÄRKTE
die im Folgenden diskutiert werden (vgl. Embedded Research Design in
Creswell/Plano Clark 2011).
Für den ersten Fragenkomplex nach dem Wandel des Marktvolumens
wird eine Zeitreihenanalyse durchgeführt (Zucchini u.a. 2009). Die Analyse
im Zeitverlauf stützt sich vornehmlich auf deskriptive Maßzahlen wie relative Häufigkeiten und prozentuale Verteilungen. Anhand von internationalen und nationalen Datenbanken werden verschiedene Indikatoren verwendet, um das Ausmaß der Wohlfahrtsmärkte in den Dimensionen
Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit im Zeitverlauf zu erheben. Die
verwendeten Indikatoren werden in Kapitel 4.1 genauer erläutert. Der
besondere Forschungsbeitrag dieser Arbeit ist, dass internationale und
nationale Datenquellen zusammengetragen und unter einer Fragestellung
analysiert werden. Durch diesen Datenabgleich und die Verwendung unterschiedlicher Indikatoren werden reliablere Ergebnisse bei der Erhebung
des Marktvolumens erzielt.
Im Rahmen der zweiten Hauptfrage werden die regulativen Unterschiede der Wohlfahrtsmärkte untersucht. Zum Teil existieren Datenbanken einzelner regulativer Details; diese sind jedoch nicht ausreichend,
um die institutionelle Einbettung der Wohlfahrtsmärkte mit den vormals
bestehenden Institutionen zu vergleichen. Da mit quantitativen Methoden
die komplexen Zusammenhänge der Entstehung, des Wandels und der
Unterschiede von Wohlfahrtsmärkten nur unzureichend untersucht werden können, werden für jedes Land (Deutschland, Schweden, USA) und
Politikfeld (Renten, Bildung) vergleichende Fallstudien durchgeführt. In
Kapitel 5 werden somit sechs vergleichende Fallstudien durchgeführt.
Damit die Vergleichbarkeit der Fallstudien gegeben ist (vgl. Jensen/
Rodgers 2001), werden die Regulierungseigenschaften anhand von fünf
Regulierungsdimensionen (Zugangsvoraussetzungen, Leistungsstruktur,
Finanzierungsmechanismus, Verwaltung, Wahlfreiheit) kategorisiert, die in
Kapitel 5.1 ausführlicher erläutert werden. In den Fallstudien selbst wird
auf verschiedene qualitative Datenquellen zurückgegriffen. Neben einer
ausführlichen Analyse der Sekundärliteratur werden als primäre
Dokumente vor allem die Gesetzestexte auf die regulativen Details und
Änderungen der Renten- und Bildungsmärkte hin untersucht. Außerdem
werden Parlamentsprotokolle, Pressemitteilungen, Stellungnahmen von
zentralen politischen Akteuren und weitere primäre Dokumente ausgewertet.
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
77
In dem vergleichenden Untersuchungsdesign wird ein besonderer empirischer Schwerpunkt auf die zwei schwedischen Fallstudien gelegt, weil
hier die Sekundärliteratur und Dokumentenanalyse nur unzureichend Aufschluss über den politischen Prozess der Marktgründung lieferte. Deshalb
wurden zusätzlich Experteninterviews durchgeführt und ausgewertet, um
eine tiefenscharfe Analyse des politischen Prozesses zu ermöglichen
(Gläser/Laudel 2004; Legard u.a. 2003). Es wurden 7 Leitfadeninterviews
(persönlich und telefonisch) mit Politikern und Experten durchgeführt, die
maßgeblich an den Marktgründungen in Schweden beteiligt waren. Zusätzlich stehen Interviews mit schwedischen Rentenexperten für eine Sekundäranalyse zur Verfügung (Loxbo 2007).36 Aufgrund dieser zusätzlichen
Primärerhebung in Schweden kann in einigen Aspekten ein detaillierteres
Bild der Reformprozesse gezeichnet werden als in den Sekundäranalysen
allein. Allerdings fußen die Sekundäranalysen in Deutschland und den USA
auf ausführlichen Quellenstudien, sodass sie den schwedischen Fallstudien
nicht nachstehen. Zusammen ergeben alle drei Länderstudien ein umfassendes Bild der Regulierung und Reformprozesse von Renten- und Bildungsmärkten.
Da das Hauptforschungsinteresse dieser Studie der Vergleich von
Wohlfahrtsmärkten ist, werden die Ergebnisse der Fallstudien in Kapitel 6
durch drei Vergleichsperspektiven (historischer Vergleich, Länder- und
Politikfeldvergleich) zusammengefasst. Im folgenden Abschnitt wird nun
erläutert, welche Erklärungsansätze in den Fallstudien schwerpunktmäßig
untersucht werden.
——————
36 In einigen Fallstudien zur Vermarktlichung der Renten- bzw. Bildungspolitik wurden
bereits ausführliche Experteninterviews mit zentralen politischen Akteuren geführt
(Berner 2009; Klitgaard 2007a; 2008; 2010; Loxbo 2007; Marier 2008) Von diesen
konnte ich Loxbos Interviews einer Sekundäranlyse unterziehen (s. Tabelle 20). Ergänzend dazu habe ich drei entscheidende Personen des Rentennetzwerks interviewt, die
Loxbo seinerzeit nicht erreichen konnte. Da die schwedischen Bildungsexperten bisher
noch nicht interviewt wurden, beinhalten die Analysen dieses Datenmaterials originellere
und detailliertere Ergebnisse als die ausschließlichen Sekundäranalysen.
78
3.3
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Erklärungsansätze zur Entstehung und Varianz von
Wohlfahrtsmärkten
Sozialpolitische Theorien setzen sich mit drei Hauptfragen auseinander
(vgl. Köppe u.a. 2008): Wie entstehen Sozialprogramme, wie verändern sie
sich und warum unterscheiden sie sich? Einige theoretische Ansätze zielen
darauf ab, alle drei Aspekte von Entstehung, Wandel und Varianz der
Sozialprogramme zu erklären, wohingegen andere Ansätze nur für einen
Aspekt besonders aussagekräftig sind. Im Endeffekt können vier Theorieströmungen unterschieden werden (Amenta 2003; Castles u.a. 2010;
Lessenich 2000; Myles/Quadagno 2002; Schmidt u.a. 2007; Schneider/
Janning 2006; Skocpol/Amenta 1986; Starke 2006):
Erstens betonen funktionale Ansätze sozioökonomische Faktoren von
Gesellschaften wie Wirtschaftskraft, demografischen Wandel, Erwerbsquoten, öffentliches Defizit usw. als Antriebskräfte der Sozialpolitik. Basierend auf dem Literaturüberblick erscheinen diese Theorien besonders
erklärungskräftig bei Fragen zur Entstehung und zum Wandel von
Sozialprogrammen, ihre Erklärungskraft sinkt gemeinhin in Bezug auf das
Beharrungsvermögen und die Varianz von Wohlfahrtsstaaten (Flora 1986;
Wilensky 1975; 2002).
Zweitens versuchen akteurszentrierte Ansätze, anhand der relativen
Machtpositionen von Parteien, Interessenverbänden (Wirtschaft, Gewerkschaften), Kirchen, sozialen Bewegungen oder einzelnen Individuen alle
drei Aspekte zu erklären. Verschiedene Studien haben ihre Erklärungskraft
sowohl zur Entstehung, als auch zum Wandel sowie zur Varianz von
Sozialprogrammen und Wohlfahrtsstaaten erhärtet (Allan/Scruggs 2004;
Anderson/Meyer 2003; Castles/Obinger 2007; Iversen 2001; Kitschelt
2001; Korpi 1983; Korpi/Palme 2003; Swenson 2004; van Kersbergen
1995).
Drittens untersuchen institutionelle Ansätze den Einfluss von Regeln
und Organisationen auf die Sozialpolitik. Ein Strang der Forschung konzentriert sich auf die bestehenden sozialpolitischen Institutionen, diese Ansätze
haben in verschiedenen empirischen Studien besonders die Stabilität und
fortdauernde Varianz von Sozialprogrammen untermauert. Regeln und
Organisationen stabilisieren tendenziell eine politische Ordnung, wobei
positive Rückkopplungseffekte den Stabilisierungseffekt im Zeitverlauf
noch verstärken (Hacker/Pierson 2002; Pierson 1994; 2000; Streeck/
Thelen 2005b). Ein anderer Strang institutioneller Ansätze berücksichtigt
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
79
den Einfluss politischer Institutionen – wie Regierungssysteme, Vetospieler, die
territoriale Gliederung oder das Wahlsystem – auf Sozialprogramme. Diese
Theorieschulen untersuchen wie politische Institutionen sozialpolitischen
Wandel erleichtern oder verhindern. Beispielsweise konnten empirische
Studien zeigen, dass ein föderales Regierungssystem die Einführung von
nationalen Sozialprogrammen eher verhindert, wohingegen ein Mehrheitswahlsystem einschneidende sozialpolitische Reformen befördert (Immergut 1990; Obinger u.a. 2005b; Weir u.a. 1988).
Und viertens berücksichtigen ideelle Ansätze Normwandel und Ideentransfer als treibende Kräfte hinter sozialpolitischem Wandel. Ideen existieren jedoch nicht im freien Raum, sondern werden von Akteuren verfolgt
oder sind institutionell verankert, weshalb sie häufig mit institutionellen
und akteurszentrierten Ansätzen kombiniert werden. Ideelle Ansätze können je nach Fokus Entstehung, Wandel, Stabilität und Varianz erklären,
ihre Stärke liegt insbesondere in der Erklärung von Einstellungswandel
gegenüber sozialpolitischen Programmen (Béland 2005a; 2006;
Béland/Shinkawa 2007; Blyth 2002; Fraser 1990; Kildal/Kuhnle 2005;
Quinn 2008; Steensland 2006; Taylor-Gooby 2005; Weyland 2008).
All diesen theoretischen Ansätzen ist gemein, dass sie sich meist auf
wohlfahrtsstaatliche Programme beziehen. Eine wachsende Anzahl von
Studien haben diese Theorien auf private Sozialprogramme oder Wohlfahrtsmärkte übertragen (vgl. Béland/Gran 2008a), dennoch hat sich noch
kein vergleichbarer Theoriekanon wie bei der Wohlfahrtsstaatsforschung
herausgebildet, der die Entstehung, den Wandel und die Varianz von
Wohlfahrtsmärkten erklärt. Deshalb werden die existierenden sozialpolitischen Theorieschulen aufgegriffen, müssen aber auf den Kontext der
Wohlfahrtsmärkte angepasst werden, weil die zugrunde liegenden politischen Mechanismen teilweise konträr zu denen staatlicher Sozialpolitik
verlaufen.
Mit der vergleichenden Methode können nicht alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die aus der (Sozial-) Politikforschung bekannt sind, weshalb in die empirische Analyse lediglich die wesentlichen
Variablen einbezogen werden (vgl. Lijphart 1971). Bei der Analyse bin ich
zunächst offen an das empirische Material herangegangen und habe theoretische Ansätze existierender Fallstudien herangezogen (u.a. Apple 2006;
Berner 2009; Busemeyer 2006a; Hacker 2002; Helgøy 2006; Klitgaard
2007a; 2007b; 2008; 2009; Loxbo 2007; 2008; Lundberg 2003; Marier 2008;
Vergari 2007). Dabei bin ich explorativ vorgegangen und habe die Ergeb-
80
WOHLFAHRTSMÄRKTE
nisse auf verschiedene Erklärungsansätze hin untersucht. Aufgrund des
diverse case designs wurden in den untersuchten Fällen zum Teil höchst unterschiedliche und widersprüchliche Erklärungen für die Entstehung, den
Wandel und die regulative Einbettung gefunden.
Bedingt durch die Auswahl des empirischen Materials und der Untersuchungsmethoden konnte weder eine umfassende Diskursanalyse wie bei
ideellen Forschungsansätzen noch eine umfangreiche Analyse der sozioökonomischen Einflussfaktoren erfolgen. Außerdem sind funktionale
Einflussfaktoren wie Staatsdefizit, Wirtschaftswachstum oder Altersquotienten eher in quantitativen Forschungsdesigns überprüfbar. In Interviews
können Akteure zwar auf diese internen und externen Einflussfaktoren
verweisen, aber es ist letztlich ihre Interpretation der Sachlage. Ebenso
verhält es sich mit ideologischen Determinanten wie öffentlichen Diskursen und normativen Zuschreibungen. In dieser Arbeit werden zwar öffentlich verfügbare Quellen einer Sekundäranalyse unterzogen, aber nicht mit
dem Ziel, den kompletten öffentlichen Diskurs darzustellen. Es geht darum, selektiv anhand der wichtigsten Dokumente die Positionen und
Handlungen der Akteure nachzuvollziehen. Die verwendete Methodik lässt
nur wenige Rückschlüsse auf funktionale und ideologische Determinanten
zu, dennoch werden sie soweit wie möglich als Kontextfaktoren in der
Analyse berücksichtigt. Folglich verengte sich der analytische Fokus auf
institutionelle und akteurszentrierte Einflussfaktoren, ohne funktionelle
oder ideelle Erklärungsansätze gänzlich zu verwerfen.
Basierend auf dieser Konzentration auf Akteure und Institutionen erwies sich Neil Fligsteins Ansatz zur Erklärung von Marktgründungen und reformen als hilfreicher Theorierahmen, um die verschiedenen Einflussfaktoren in ein kohärenteres theoretisches Konzept zu integrieren
(Fligstein 1996; 2001). Zudem bietet Fligsteins Ansatz verschiedene Anknüpfungspunkte für etablierte Theorien der Wohlfahrtsstaatsforschung.
Im Folgenden wird nun Fligsteins Ansatz auf die Entstehung und regulative Einbettung von Wohlfahrtsmärkten übertragen. Dabei wird ausführlicher die Rolle von Akteuren und Institutionen diskutiert.
Fligsteins politisch-institutionelle Einbettung
Fligsteins Ansatz zur Erklärung von Marktgründungen und -wandel kombiniert akteurszentrierte und institutionelle Ansätze miteinander (Fligstein
1996; 2001). Als Vertreter der Marktsoziologie gehört sein Ansatz nicht
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
81
zum sozialpolitischen Theoriekanon, dennoch kann gerade damit eine
Brücke zwischen Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft geschlagen werden. Fligsteins Ansatz weist einige Ähnlichkeit zum akteurszentrierten Institutionalismus auf (Mayntz/Scharpf 1995; Scharpf 2000),
der auch die Akteurskonstellationen und institutionellen Rahmenbedingungen als zentrale Determinanten von Politikgestaltung hervorhebt.
Allerdings ist der akteurszentrierte Institutionalismus in Bezug auf die
konkreten politischen Mechanismen im Rahmen von Marktregulierung
relativ unspezifisch. Fligstein hingegen benennt sehr genau die Motive und
Handlungsspielräume von Marktakteuren im Hinblick auf die politische
Regulierung. Vor allem die Entstehung und der Wandel von Märkten werden explizit in mehreren Thesen ausgeführt und empirisch untermauert.
Fligsteins Hypothesen können im Gegensatz zu Scharpfs relativ unspezifischem Ansatz konkret auf das Feld der Wohlfahrtsmärkte übertragen
werden und erheblich zur Erklärung der politischen Regulierung beitragen.
Bei der Marktgründung hebt Fligstein die richtungsweisende Rolle von
politischen Akteuren, insbesondere der Regierung hervor (2001: 38):
»Most market institutions were the outcome of political struggles whereby one
group of capitalists captured government and created rules to favor themselves
over their political opponents«.
Marktinstitutionen sind deshalb abhängig von (1) der staatlichen Leistungsfähigkeit zu intervenieren, zu regulieren und zu moderieren und (2) der
relativen Macht sozialer Gruppierungen, ihre Interessen in politisches
Handeln umzusetzen (Fligstein 2001: 42–44). Märkte sind keine rein funktionalen Strukturen zum Warenaustausch, sondern politisch geformte
Institutionen, die politische Konflikte der Vergangenheit widerspiegeln.
Die Regeln des Marktes sind demnach ein System von politischer Macht,
denn Allianzen von Firmen, Arbeitnehmern und staatlichen Vertretern
versuchen, durch die Gestaltung der Marktregeln ihre Interessen durchzusetzen.
Einmal konstituiert, stabilisieren die Regeln den Markt und die Machtverhältnisse. Folglich wird Marktwandel maßgeblich von den formellen
und informellen Institutionen bestimmt, die auch die Konstituierung neuer
Märkte beeinflussen:
»Initial formation of policy domains and the rules they create affecting property
rights, governance structures, and rules of exchange shape the development of new
markets because they produce cultural templates that determine how to organize in
a given society. The initial configurations of institutions and the balance of power
82
WOHLFAHRTSMÄRKTE
between government officials, capitalists, and workers at that moment account for
the persistence of, and differences between, national capitalisms« (Fligstein 2001:
40).
Dieser stabilisierenden Effekt von Institutionen wurde auch für staatliche
Sozialprogramme festgestellt (Pierson 1994; 2000). Auf Wohlfahrtsmärkte
übertragen bedeutet das, dass einmal gegründete Marktinstitutionen die
Machtkonstellation der Gründungsphase (eine sogenannte critical juncture)
konservieren. Der institutionelle Rahmen entfaltet positive Rückkopplungseffekte (positive feedback), wodurch sich die Institutionen immer mehr
verfestigen und dauerhaft etablieren.
Allerdings konnten Streeck und Thelen (2005a) auch zeigen, wie inkrementelle institutionelle Änderungen zu weitreichenden Änderungen führten. Vor allem Wohlfahrtsmärkte konnten unter diesem inkrementellen
Wandel wachsen. Streeck und Thelen (2005a) konnten fünf Mechanismen
des inkrementellen Wandels identifizieren:
– Verdrängung / displacement (untergeordnete Institutionen verdrängen
langsam dominante Institutionen)
– Überlagerung / layering (an bestehende Institutionen werden neue Elemente hinzugefügt, die allmählich deren grundsätzliche Struktur verändern)
– Abweichung / drift (unterlassene institutionelle Modernisierung führt zu
Abwanderung bzw. Untergrabung)
– Umwidmung / conversion (neue Ziele werden mit alten Institutionen erreicht)
– Erschöpfung / exhaustion (allmählicher Abbau der bestehenden Institution)
Akteure können somit strategisch inkrementelle Marktreformen anstreben,
um langfristig die staatlichen Institutionen zurückzudrängen. Beispielsweise
kann eine private Rentenversicherung anfangs nur als Ergänzung zur staatlichen Vorsorge gedacht sein, sie verdrängt aber zusehends die dominante
Vorgängerinstitution (displacement).
Fligstein nimmt darüber hinaus an, dass existierende Institutionen als
Vorlage neuer Institutionen dienen. »New markets borrow conceptions of
control from nearby markets, particularly when firms from other markets
choose to enter the new market« (2001: 78). Das Hauptziel ökonomischer
Akteure (in seinem Sinne Unternehmen) sei es, möglichst stabile Märkte zu
schaffen. Dominante Unternehmen wollen ihre Marktmacht erhalten und
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
83
etablieren mit den Institutionen des Marktes eine Wettbewerbskultur, die
ihre herausgehobene Stellung zementiert. Akteure streben im Gegensatz
zur Rational Choice Theorie nicht nach dem maximalen Profit, sondern
wollen das Überleben ihrer Firma sichern (Fligstein 2001: 17).37
Überträgt man diese Annahme Fligsteins auf die Konstituierung von
Wohlfahrtsmärkten, wäre zu erwarten, dass nicht nur existierende Märkte
als Vorlage dienen, sondern auch existierende staatliche Programme.
Sozialpolitische Akteure wie Beamte der Sozialverwaltung, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften wollen in den neuen Wohlfahrtsmärkten
nicht an Einfluss verlieren und wären darauf erpicht, Anleihen bei den
Institutionen zu nehmen, die ihnen bisher eine Machtposition gesichert
haben. Ebenso wären die Marktakteure in benachbarten Märkten (z.B.
Privatschulen) darauf bedacht, ihre Position in den neuen Wohlfahrtsmärkten (z.B. Schulgutscheine) von vornherein zu behaupten.
Der Begriff Einbettung wird in Fligsteins Ansatz sehr weit verwendet.
Als Vertreter der Marktsoziologie fußt Fligsteins Einbettungsbegriff auf
der Annahme, dass alle Märkte soziale Konstrukte sind, die in soziale
Netzwerke, Normen und Institutionen eingebettet werden (vgl. u.a.
Beckert u.a. 2007; Ebner/Beck 2008; Granovetter 1985; Polanyi 1957
[1944]; Smelser/Swedberg 2005). Im Weiteren verwende ich hier ein enges
Verständnis von institutioneller Einbettung (vgl. Deutschmann 2008).
Unter Einbettung sollen strukturelle Gemeinsamkeiten von Institutionen
verstanden werden. Werden Wohlfahrtsmärkte nach dem Vorbild von
benachbarten Institutionen, das heißt staatlichen Sozialprogrammen oder
privaten Gütermärkten, gegründet, sind sie strukturell eingebettet. Bestehen dagegen erhebliche Neuerungen und Abweichungen zum vorherigen institutionellen Arrangement liegt keine Einbettung vor.
Konzeptionell besteht eine Nähe zu Pfadabhängigkeiten (Mahoney
2000; Pierson 2003), allerdings wird in diesen Theorien die institutionelle
Kontinuität bestehender Organisationen und Regeln betont. Im Gegensatz
dazu können im Rahmen von institutioneller Einbettung neue Organisationen und Regeln entstehen; diese beziehen sich jedoch auf die Vorgängerinstitutionen oder Nachbarinstitutionen und gleichen diesen. Kontinuität besteht also auf inhaltlicher Ebene und zu geringerem Ausmaß auf
organisatorischer Ebene. In dieser Studie soll vor allem die institutionelle
——————
37 Hier bezieht sich Fligstein auf Theorien zur Populationsökologie, die Wettbewerb als
den Überlebenskampf von Organisationen beschreiben (Beck 2008; Hannan/Freeman
1977).
84
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Einbettung qualitativ aufgezeigt werden. Detaillierte Vergleiche der existierenden Vorgängerinstitutionen mit den neugegründeten Marktinstitutionen
sollen strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufdecken. Dabei
geht es weniger darum, eine Quantifizierung oder Bestimmung von Graden der Einbettung, sondern darum, die zugrunde liegenden politischen
und institutionellen Prozesse herauszuarbeiten, die dazu führen, dass bestimmte institutionelle Eigenheiten auf neue Institutionen übertragen werden oder warum es zu Abweichungen und Innovationen kommt. Trotz des
qualitativen Ansatzes, werden sich aus dem Vergleich relative Schlussfolgerungen wie »erscheint stärker eingebettet als …« ergeben. Hauptsächlich
dient der Vergleich aber dazu, prinzipielle Unterschiede der Marktregulierung zu untersuchen und herauszufinden, wie die Einbettung in den jeweiligen Wohlfahrtsregimen erfolgt.
Mithilfe von Fligsteins Ansatz können somit Marktgründung und
Marktwandel und die Einbettung der Wohlfahrtsmärkte in das bestehende
Wohlfahrtsregime erklärt werden. Zusammenfassend können aufgrund
dieser Überlegungen zwei, bereits in der Einleitung erwähnte, Grundannahmen abgeleitet werden. Grundannahme drei besagt:
3. Die Regulierung von Wohlfahrtsmärkten bedient sich benachbarter
Institutionen als Vorbilder wie staatliche Sozialprogramme und ähnliche Güter- und Dienstleistungsmärkte. Vor allem dominante Akteure
aus dem benachbarten Sozialpolitik- und Marktumfeld haben ein Interesse, die existierenden Regulierungseigenschaften auf die neuen Wohlfahrtsmärkte zu übertragen und werden ihre politischen Einflusskanäle
nutzen, um die Wohlfahrtsmärkte nach ihren Präferenzen zu formen.
Insgesamt trägt diese Tendenz zu einer Kontinuität der nationalen Regulierungseigenschaften bei. Dadurch gilt Grundannahme zwei nicht nur für
das Marktvolumen sondern auch für die Regulierungseigenschaften:
2. Wesentliche Unterschiede der Wohlfahrtsregime bleiben auch bei der
Regulierung der Wohlfahrtsmärkte erhalten, weil sie in die bestehenden
Institutionen eingebettet werden.
Anhand der in Kapitel 5.1 konkretisierten Regulierungsdimensionen Zugang, Leistungsstruktur, Finanzierung, Verwaltung und Wahlfreiheit bedeutet das für die drei untersuchten Wohlfahrtsregime Folgendes. In liberalen Wohlfahrtsregimen wie den Vereinigten Staaten wäre zu erwarten,
dass Statusunterschiede beibehalten werden und der Zugang häufig nach
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
85
Bedürftigkeit geregelt wird. Leistungen sind somit einerseits bedarfsgeprüft
für niedrige Einkommensschichten und einkommensbezogen für die restliche Bevölkerung. Liberale Wohlfahrtsmärkte würden stark von Steuererleichterungen abhängen oder bei Bedarfsprüfung auch direkte Steuerzuschüsse enthalten. Die Verwaltung wird soweit wie möglich privaten Agenturen und Konzernen übertragen, zum Teil auf gliedstaatlicher Ebene. Bei
der Wahlfreiheit sind viele Wahloptionen zu erwarten mit einem hohen
Grad an Freiwilligkeit, lediglich einige zusätzliche Verbraucherrechte würden implementiert. Im Rentenbereich beträfe das zum Beispiel Übertragungsrechte oder Schutz vor Insolvenz. Außerdem wären weiche Elemente der Verbrauchersteuerung zu erwarten, die auf dem Konzept des
»libertären Paternalismus« (Thaler/Sunstein 2009) beruhen (z.B. automaticenrolment).
In Deutschland als konservatives Wohlfahrtsregime wäre zu erwarten,
dass ebenfalls Statusunterschiede auf die Wohlfahrtsmärkte übertragen
werden, allerdings ohne die starke Bedarfsprüfung liberaler Wohlfahrtsmärkte. Leistungen wären stark einkommensbezogen oder würden andere
»soziale Beiträge« wie Familienpflege bei der Leistungsberechnung anerkennen. Die Finanzierung konservativer Wohlfahrtsmärkte würde sowohl
auf individuellen Beiträgen als auch Steuerzuschüssen fußen. Steuerzuschüsse würden eher an Organisationen ausgezahlt oder besondere Bedarfe
berücksichtigen als Individuen über Steuererleichterungen zu finanzieren.
In der Verwaltung sollten Dritte-Sektor-Anbieter oder parastaatliche
Selbstverwaltung dominieren, aber nur wenn diese Verwaltungsmodi bereits existieren. Sollten private oder staatliche Vorbilder im Politikfeld vorliegen, können sie auch auf die konservativen Wohlfahrtsmärkte übertragen werden. Wahlfreiheit bezieht sich im konservativen Regime traditionell eher auf Ausstiegsoptionen (vgl. Subsidiaritätsprinzip). Dennoch ist
eine größere Wahlfreiheit im Rahmen von Wohlfahrtsmärkten zu erwarten,
die aber stärker eingeschränkt wird als im liberalen Regime. Beispielsweise
wäre zu erwarten, dass einige Risiken der Wahlfreiheit abgefedert werden.
Aufgrund der geringen Erfahrung mit Wahlfreiheit im konservativen Regime, sind hier besonders innovative Ansätze zu erwarten.
Wohlfahrtsmärkte im sozialdemokratischen Regime – und besonders
im schwedischen Modell – basieren auf einem hohen Universalismus, der
allen Einwohnern einen Zugang zu den Märkten ermöglicht. Entweder
sind die Wohlfahrtsmärkte obligatorisch oder es gibt kaum Zugangshürden. Leistungen sind generös und bieten eine hohe Qualität. Vermut-
86
WOHLFAHRTSMÄRKTE
lich sogar über dem staatlichen Niveau, wenn die Märkte eine Ergänzung
zu staatlichen Programmen sind (z.B. Rente). Je nach Politikfeld ist entweder ein ausschließliche Steuerfinanzierung zu erwarten, um jegliche
Segregation zu verhindern; oder es gibt nur geringe staatliche Zuschüsse,
weil die Märkte ohnehin obligatorisch sind beziehungsweise lediglich als
Ergänzung für Besserverdienende gedacht sind. Staatliche Behörden bleiben die zentralen Verwaltungsinstanzen, private Akteure werden nur zugelassen, wenn eine starke öffentliche Kontrolle möglich bleibt. Wie im konservativen Regime bestehen keine institutionellen Vorbilder für Wahlfreiheit. In Anlehnung an den »libertären Paternalismus« (s.o.), der Freiheiten
vorsichtig einschränkt, wären aber die Vorzeichen in einem »sozialdemokratischen Paternalismus« umgekehrt. Grundsätzlich ist die Wahlfreiheit
eingeschränkt und wird nur innerhalb eines staatlich kontrollierten Settings
ermöglicht. Beispielsweise ist die Teilnahme am Markt obligatorisch, innerhalb des Marktes bestehen dann aber viele Wahloptionen (Opt-within).
Außerdem bestehen in jedem Markt öffentliche Standardoptionen, die alle
auffangen, die keine Wahl treffen.
Diese Grundannahmen postulieren relativ allgemeine Zusammenhänge
von Akteuren und Institutionen bei der Marktgründung und weitergehenden Reformen. In den folgenden Abschnitten werden die Zusammenhänge spezifiziert und diskutiert, welche dominanten Akteure und
welche politischen Institutionen die Marktgründung und Regulierung von
Wohlfahrtsmärkten prägen.
Akteure
Die bisherige Forschung untersuchte vor allem, welche Akteure Märkte
präferieren. Theoretische Modelle der Akteurspräferenzen zur Marktregulierung fehlen überwiegend noch und werden im Folgenden deduktiv
aus der theoretischen Literatur hergeleitet. Wichtige Akteure bei der Gründung von Wohlfahrtsmärkten sind Parteien, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Beamte und Interessenverbände.
Beginnend mit den politischen Parteien ist die Grundannahme der
Parteiendifferenztheorie (Hibbs 1977), dass bürgerliche Parteien Märkte
präferieren, wohingegen linke Parteien Märkte grundsätzlich ablehnen. Die
Forschungsergebnisse in Bezug auf die Einführung von Wohlfahrtsmärkten sind jedoch nicht so eindeutig. Zwar kann bestätigt werden, dass
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
87
konservative Parteien überwiegend die Einführung von Wohlfahrtsmärkten anstoßen (Apple 2006; Coulsen 1999; Hacker 2002; Howard 1993;
Wolf 2009; Wolf/Zohlnhöfer 2009), aber auch sozialdemokratische Parteien haben Wohlfahrtsmärkte eingeführt (Anderson u.a. 2008; GreenPedersen 2003; Klitgaard 2007b; Schmidt 2003).
Nach der Nixon-goes-to-China Logik können nur Parteien glaubhaft
weitreichende Reformen erfolgreich durchführen, die ihren Kernpräferenzen widersprechen. Entsprechend dieser Logik sind Sozialdemokraten
die einzigen Parteien, die glaubhaft Wohlfahrtsmärkte einführen können
(Cukierman/Tommasi 1998; Green-Pedersen 2003; Kitschelt 2001; Ross
2000; Starke 2006: 108). Nur die Sozialdemokraten können demnach einen
externen Reformdruck glaubhaft kommunizieren, weil sie ideologisch
Märkten gegenüber skeptisch eingestellt sind. Gingrich (2011) argumentiert
weiterhin, dass linke Parteien unter bestimmten Rahmenbedingungen
Märkte als second-best-Option präferieren. Sie stimmen der Einführung
von Wohlfahrtsmärkten zu, wenn sie ihr Ziel nach mehr sozialer Sicherung
im Rahmen des Wohlfahrtsstaates nicht erreichen können. Obwohl Sozialdemokraten also unter bestimmten Umständen für die Einführung von
Wohlfahrtsmärkten stimmen, präferieren sie immer eine strenge Regulierung der Märkte nach dem Vorbild öffentlicher Sozialprogramme. Wenn
linke Parteien also Wohlfahrtsmärkte einführen, sind die Marktmechanismen auf ein Minimum begrenzt.
In diesem Kontext gilt es, auch die Positionen von christdemokratischen und grünen Parteien zu untersuchen, denn auch ihre Präferenzen
gegenüber staatlichen Sozialprogrammen sind ambivalenter als ein einfaches Rechts-Links-Schema nahelegen würde (vgl. Egle u.a. 2003; SeeleibKaiser 2002b; van Kersbergen 1995; van Kersbergen/Manow 2009).
Christdemokraten lehnen zwar tendenziell Märkte mit profitorientierten
Anbietern ab, befürworten aber dritte Sektor Anbieter, vor allem christliche gemeinwohlorientierte Organisationen. Insbesondere christliche
Privatschulen werden von christdemokratischen Parteien unterstützt. Auch
grüne Parteien unterstützen zum Teil Privatschulen, wenn dadurch reformpädagogische Alternativen im Schulsystem gefördert werden.
Zusammengenommen befürworten nur liberale und säkular-konservative Parteien Wohlfahrtsmärkte. Allerdings führen auch linke oder christlich-konservative Parteien Wohlfahrtsmärkte ein, wenn sie damit andere
Ziele wie die Verteidigung eines öffentlichen Sozialprogramms oder christliche Pluralität an Schulen erreichen können. Diese eher marktkritischen
88
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Parteien versuchen Marktmechanismen einzugrenzen und die Marktregulierung nach ihren Präferenzen zu gestalten, wenn sie schon eine Marktgründung nicht verhindern können. Zu erwarten wäre, dass Sozialdemokraten universelle Wohlfahrtsmärkte nach dem Vorbild eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates präferieren. Christdemokraten akzeptieren Wohlfahrtsmärkte, die Statusunterschiede beibehalten, das Subsidiaritätsprinzip stärken und eine religiöse Pluralität der Anbieter ermöglichen.
Grüne Parteien würden Wohlfahrtsmärkte zustimmen, die ähnlich wie
universelle sozialdemokratische Sozialprogramme organisiert sind, ohne
aber einen starken Zentralstaat zu präferieren. Individuelle Autonomie und
die Stärkung von Graswurzelbewegungen innerhalb des Marktes wäre ein
grünes Anliegen, ebenso wie die Stärkung von Verbraucherrechten (Lamla
2008). Da die bisherige Forschung noch wenig zu den genauen Regulierungspräferenzen der Parteien beigetragen hat, wird in den Fallstudien ein
besonderes Augenmerk auf die parteipolitischen Differenzen in Bezug auf
die Markteigenschaften gelegt.
Jenseits des Regierungsapparates können insbesondere Gewerkschaften
und Arbeitgeberverbände einflussreiche Akteure sein. Laut dem Machtressourcenansatz haben Gewerkschaften eine Präferenz für staatliche
Sozialprogramme. Demnach verhindert ein hoher gewerkschaftlicher
Organisationsgrad die Einführung von Wohlfahrtsmärkten (Korpi 1983;
Starke 2006: 108). Insbesondere wenn die Vermarktlichung nur einen Teil
der Beschäftigen betrifft (z.B. Lehrer an öffentlichen Schulen), ist ein starker Widerstand der Spezialgewerkschaften zu erwarten (so bei der
American Federation of Teachers (AFT), Busemeyer 2006a: 123). Allerdings trifft das nicht auf alle Gewerkschaftsbewegungen zu, denn sie können ihren betrieblichen Einfluss stärken, wenn betriebliche Sozialleistungen und Ausbildungsgänge eingeführt werden (Berner 2009; Harrysson
2000; Trampusch 2008). Je nach den (sozial-)politischen Rahmenbedingen
befürworten Gewerkschaften beispielsweise Betriebsrenten mit geringen
Marktmechanismen, weil sie dadurch mehr direkten politischen Einfluss
erlangen (Hacker 2002; Swenson 2004). Gewerkschaften lehnen private
Rentenversicherungen tendenziell ab, aber im Rahmen von Verhandlungen
mit Regierungsparteien (package deals) sind sie zu Zugeständnissen bereit,
wenn andere gewerkschaftliche Kernforderungen erfüllt werden (Anderson/Meyer 2003). Gewerkschaften verfolgen aber auch Partikularinteressen und können Marktmechanismen begrüßen, wenn ihre Kernklientel
(z.B. männliche Arbeitnehmer) davon profitiert (Anderson/Meyer 2003).
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
89
Folglich sind Gewerkschaften zwar grundsätzlich gegen die Einführung
von Wohlfahrtsmärkten, befürworten aber unter bestimmten Umständen
betriebliche oder private Sozialprogramme, wenn sie nur auf diesem Weg
ihre Kernforderung nach adäquater sozialer Sicherung der Beschäftigten
erreichen können (vgl. Berner 2008; Trampusch 2004; Wiß 2011).
Im Gegensatz zu den Gewerkschaften präferieren Arbeitgebervertreter
tendenziell betriebliche und private Sozialprogramme über staatlichen
Lösungen. Bei privaten Sozialprogrammen fallen gemeinhin geringere
obligatorische Sozialbeiträge für Arbeitgeber an und der staatliche Einfluss
bleibt gering (Hacker/Pierson 2002). Allerdings ist auch hier das empirische Bild nicht einheitlich und Arbeitgeber befürworteten staatliche
Sozialprogramme, wenn es ihnen opportun erscheint (Hacker/Pierson
2004; Swenson 2004). Folglich würden Arbeitgeber eine Marktregulierung
präferieren, die Finanzierungsverantwortung und potenzielle Risiken der
Gemeinschaft oder Arbeitnehmern aufbürdet. Die konkreten Marktmechanismen sind vermutlich eher zweitrangig, weil Arbeitgeber davon
nicht betroffen sind.
Schließlich sind jene Interessengruppen hervorzuheben, die direkt entweder als Leistungserbringer oder als Nutzer der Sozialleistungen in der
Politikformulierung beteiligt sind. Dazu zählen Beamte, Unternehmen,
Versicherte und Eltern von Schülern.
Beamte von Sozialbehörden verteidigen im Regelfall ihre öffentliche
Organisation und versuchen, eine Vermarktlichung zu unterbinden, weil
sie einen geringeren Einfluss ihrer Behörde fürchten (Marier 2005;
Schulze/Jochem 2007). Glennerster und Le Grand (1995) zeigen jedoch,
dass Spitzenbeamte von einer Vermarktlichung profitieren können. Da
gemeinhin Regulierungsbehörden mit der Einführung von Wohlfahrtsmärkten gegründet werden, behalten hochqualifizierte Spitzenbeamte weiterhin starken Einfluss in dem Politikfeld, wohingegen die Mitarbeiter mit
Kundenkontakt ihren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst verlieren.
Öffentlich Beschäftigte sind also nicht per se gegen eine Vermarktlichung
und können auch für die Einführung von Wohlfahrtsmärkten eintreten.
Alle Branchen die in benachbarten Märkten aktiv sind, profitieren von
einer Vermarktlichung vormals staatlicher Sozialprogramme. Wenn bereits
ein starker Wohlfahrtsmarkt besteht, wehren sich diese Branchen gegen
eine zu starke staatliche Intervention, wenn sie befürchten ihre Geschäftsgrundlage sei bedroht (vgl. Fligstein 2001). Beispielsweise begrüßt grundsätzlich die Finanzbranche die Einführung und öffentliche Förderung von
90
WOHLFAHRTSMÄRKTE
privaten Rentenversicherungen (Kemmerling/Neugart 2009; Wehlau
2009). Die verschiedenen Akteure der Finanzbranche versuchen dabei, die
politische Entscheidung so zu beeinflussen, dass eine ihnen vorteilhafte
Marktregulierung implementiert wird. Beispielsweise präferiert die Versicherungsbranche eine Regulierung der Rentenmärkte, die Versicherungen
gegenüber Rentenfonds begünstigt (Wehlau 2009). Im Bildungsbereich
sind derartige Lobbytätigkeiten von Privatschulen und Privatschulverbänden bisher nicht untersucht worden. Ebenso ist wenig über die Präferenzen und Lobbytätigkeit von Dritte-Sektor-Anbietern bekannt, die in
Wohlfahrtsmärkten in Konkurrenz zu profitorientierten Anbietern treten
(vgl. Möhring-Hesse 2008), allerdings ist zu vermuten, dass auch sie versuchen, die Marktregulierung nach ihren Präferenzen zu beeinflussen.
Schließlich sind noch Kirchen und Elterninitiativen, als Befürworter
von Privatschulen hervorzuheben. Empirische Untersuchungen in den
USA und Deutschland haben vor allem den Einfluss von Kirchen und
religiös motivierten Bürgerbewegungen auf die Finanzierung und Regulierung von Bildungsmärkten aufgezeigt (Apple 2006; Herbst 2006; Wolf
2009). Christliche Interessengruppen treten üblicherweise für starke Privatschulen ein, präferieren jedoch geringe staatliche Intervention in die Bildungsinhalte und wollen Wettbewerb mit profitorientierten säkularen
Schulen vermeiden. Folglich sollen die Bildungsmärkte zwar Bildungsalternativen ermöglichen, jedoch möglichst wenige Marktmechanismen
beinhalten.
Die genannten Akteure werden in den Fallstudien besonders berücksichtigt. Ihre Präferenzen zur Einführung und Regulierung von Wohlfahrtsmärkten werden untersucht und miteinander verglichen. Insgesamt
zeigte der Literüberblick, dass »sociopolitical actors with neoliberal
orientations advocate for private policies« (Gran/Béland 2008: 273). Allerdings hängen der Einfluss und die Präferenzen der Akteure von den sozialpolitischen Rahmenbedingungen ab. Viele Akteure haben zwar eindeutige
Kernpräferenzen für oder gegen marktförmige Sozialprogramme, sind aber
bereit davon abzuweichen, wenn sie ihre Interessen mit beziehungsweise
ohne Marktmechanismen eher erreichen können. In den Fallstudien werden diese unterschiedlichen Präferenzen und Rahmenbedingungen dargelegt.
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
91
Politische Institutionen
Akteure sind in politische Institutionen eingebunden, die ihnen bestimmte
Handlungsoptionen eröffnen oder Handlungsspielräume einschränken,
wenn sie Wohlfahrtsmärkte gestalten. Wie eingangs erläutert, können die
Theorien zur Entstehung von Wohlfahrtsstaaten zwar Hinweise geben,
welche politischen Institutionen wichtig sind, allerdings ist anzunehmen,
dass die politischen Institutionen auf die Einführung, Regulierung und den
Wandel von Wohlfahrtsmärkten andere Wirkungen haben als wohlfahrtsstaatliche Programme. Basierend auf einem Literaturüberblick sind drei
politische Institutionen im Kontext von Wohlfahrtsmärkten besonders
relevant: Föderalismus, Referenden und Verfassungsgerichte.
1. Föderalismus. Föderale Strukturen verhindern tendenziell den Ausbau
wohlfahrtsstaatlicher Leistungen (Obinger u.a. 2005b), dennoch können
die institutionellen Hürden mit Bypass-Strategien umgangen werden. In
den USA entwickelte sich ein sozialpolitischer »Flickenteppich« und in
Deutschland ein starker Parafiskus, wobei gerade letztere Bypass-Strategie
zu hohen staatlichen sozialpolitischen Ausgabenniveaus führen kann
(Obinger u.a. 2005a: 555). Föderale Strukturen würden demnach auch den
Ausbau von Wohlfahrtsmärkten verhindern, weil die Länderkammern
einschneidende Sozialreformen blockieren. Klitgaard (2008) argumentiert
hingegen, dass föderale Strukturen auch Innovationen auf gliedstaatlicher
Ebene ermöglichen. Im Falle der US-amerikanischen Schulgutscheine
konnten so vereinzelt Bildungsmärkte eingeführt werden, allerdings erreichten sie nicht die erwünschte Reformdynamik und sind weiterhin selten. Föderale Strukturen erschweren tendenziell eine national einheitliche
Marktregulierung, fehlende öffentliche Sozialprogramme aufgrund des
Föderalismus begünstigen aber die Entstehung privater und marktförmiger
Institutionen. Vereinzelt können aber föderale Strukturen die Einführung
gliedstaatlicher Experimente mit marktförmigen Sozialprogrammen begünstigen, die bei lokalen Erfolgen auf das gesamte Land ausgedehnt werden. Sollten jedoch öffentliche Sozialprogramme existieren, wäre zu erwarten, dass föderale Strukturen eher zum Status quo beitragen und die
Einführung von Wohlfahrtsmärkten verhindern.
2. Referenden. Als weitere institutionelle Hürde für eine expansive Sozialpolitik erweisen sich Formen der direkten Demokratie (Wagschal/Obinger
2000). In Staaten mit starken direktdemokratischen Elementen wurden
92
WOHLFAHRTSMÄRKTE
wohlfahrtsstaatliche Programme spät eingeführt und kostenintensive
Sozialprogramme häufig verhindert. In dem Untersuchungssample dieser
Studie existieren nur auf der Ebene der US-Bundesstaaten substanzielle
Formen von Direktdemokratie. Die wenigen empirischen Studien deuten
darauf hin, dass in den USA durch fakultative Referenden die Einführung
von Schulgutscheinen wiederholt verhindert wurde (Kenny 2005; Klitgaard
2008). Ein ähnlicher Effekt wäre in Deutschland zu vermuten, weil dort
nach der Wiedervereinigung in allen Bundesländern Gesetze für Volksentscheide erlassen wurden (Ismayr 2003b), bisher wurden aber keine empirischen Studien durchgeführt, die diesen Zusammenhang untersucht haben.38 Zusammengenommen scheinen Referenden einen Status quo zu
begünstigen, unabhängig davon, ob es um die Expansion staatlicher oder
marktförmiger Sozialprogramme geht; Regulierungsunterschiede scheinen
Referenden nicht zu beeinflussen.
3. Verfassungsgerichte. Schließlich sind noch Verfassungsgerichte als wichtige
politische Institutionen hervorzuheben. Zunächst sind Verfassungsgerichte, die vor allem in Deutschland und den USA besonders stark sind
(Ismayr 2003b; Shell 2004), Vetospieler gegen Reformvorhaben (vgl.
Tsebelis 1995; 2002). Eine machtvolle Verfassungsgerichtsbarkeit kann
somit potenziell sozialpolitische Reformen, inklusive der Einführung von
Wohlfahrtsmärkten, verhindern.39 In den USA gibt es mehrere Evidenzen,
dass durch die bundesstaatlichen und gliedstaatlichen Verfassungsgerichte
die Einführung von Schulgutscheinen verhindert wurde (Kemerer 2002;
Omand 2003). Über den Einfluss der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit auf die Gründung von Wohlfahrtsmärkten existieren keine empirischen Studien, ebenso wenig wie im Rentenbereich. Außerdem können
Verfassungsgerichte existierende Regeln uminterpretieren und bestehende
Marktregeln neu auslegen (s.o. conversion). Dieser Einfluss von Verfassungsgerichten ist bisher wenig untersucht und bedarf genauerer Untersuchung
im Kontext von Wohlfahrtsmärkten.
Wie deutlich wurde, beeinflussen die politischen Institutionen (Föderalismus, Referenden, Verfassungsgerichte) vor allem die erfolgreiche Einführung von Wohlfahrtsmärkten. Föderalismus, Referenden und Verfas-
——————
38 Die konsultativen Referenden in Schweden können nicht effektiv Gesetzesinitiativen
verhindern (Jahn 2003).
39 Da in Schweden keine Verfassungsgerichtsbarkeit existiert, wird dieser Aspekt in den
schwedischen Fallstudien nicht berücksichtigt (Jahn 2003: 120).
WOHLFAHRTSMÄRKTE IM VERGLEICH
93
sungsgerichte erschweren überwiegend die Wohlfahrtsmarktgründung, auf
die Regulierung der Märkte haben die politischen Institutionen jedoch
kaum Einfluss. Die Regulierungseigenschaften der Wohlfahrtsmärkte werden, wie oben diskutiert, maßgeblich von den existierenden Institutionen
und dominanten Akteuren geprägt.
In diesem Kapitel wurden die Fallauswahl, das methodische Vorgehen und
Theorien zur Entstehung und Wandel von Wohlfahrtsmärkten diskutiert.
Insgesamt basierte die Fallauswahl überwiegend auf theoretischen Überlegungen und einer kritischen Studie der Literatur. Im weiteren Verlauf der
Studie wird dieser analytische Rahmen angewendet. Einige Konzepte und
Indikatoren werden dabei am Anfang jedes Kapitels ausführlicher vorgestellt als es hier erfolgte (Kapitel 4.1 und 5.1). In Kapitel 6 werden die
Ergebnisse der empirischen Kapitel vergleichend diskutiert.
4 Expansion des Marktvolumens
In diesem Kapitel wird die erste Frage dieser Arbeit untersucht: Sind
Wohlfahrtsmärkte in den letzten zwei Dekaden gewachsen? Das Hauptaugenmerk liegt somit auf dem Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte.
Dazu werden die Renten- und Bildungsmärkte separat analysiert. Die beiden Unterkapitel beginnen jeweils mit einem internationalen Vergleich von
OECD-Ländern. Darauf folgen je detaillierte Fallstudien Deutschlands,
Schwedens und den USA im historischen Vergleich.
Zur Untersuchung werden die drei Dimensionen des Marktvolumens
(Finanzierung, Produktion, Wahlfreiheit) zugrunde gelegt. Der analytische
Schwerpunkt liegt auf der Finanzierung und Produktion der Wohlfahrtsmärkte, wobei zwei Indikatoren verwendet werden: die gesamtgesellschaftliche Relevanz und der Public-Private-Mix. Relevanz misst die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Wohlfahrtsmärkte, beispielsweise die
Rentenbeiträge (Finanzierung) und Rentenrücklagen (Produktion) in Prozent des BIP. Daran wird abgelesen werden, wie wichtig die Wohlfahrtsmärkte in einem Land insgesamt sind. Der Public-Private-Mix gibt den
jeweiligen privaten Anteil an der Finanzierung oder Produktion im Vergleich zu den staatlichen Aufwendungen an. Anders ausgedrückt wird damit die private und öffentliche Finanzierungsverantwortung und Arbeitsteilung erhoben.
Alle diese Indikatoren werden sowohl international verglichen, um Unterschiede zwischen den Ländern herauszuarbeiten, als auch historisch
ausgewertet, um Veränderungen des Marktvolumens aufzeigen zu können.
Die einzelnen Indikatoren und Bezugsgrößen werden in den folgenden
methodischen Überlegungen ausführlicher diskutiert und in den jeweiligen
Kapiteln weiter konkretisiert. Dabei wird vor allem auf deskriptive Analysen des Datenmaterials zurückgegriffen, um das Marktvolumen und den
Wandel aufzuzeigen.
96
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Diese systematische Untersuchung wird dreierlei belegen: Erstens zeigen die verwendeten Indikatoren, dass Wohlfahrtsmärkte sozialpolitisch
relevant sind. Zweitens zeigt die historische Analyse, dass eine Verschiebung zu mehr Marktmechanismen stattgefunden und das Marktvolumen
insgesamt zugenommen hat. Drittens zeigt der Vergleich erhebliche Unterschiede je nach Land, Politikfeld und verwendeten Indikatoren auf. Insbesondere die bisher nur theoretisch vermuteten Unterschiede zwischen
Deutschland, Schweden und den USA werden empirisch belegt.
Methodische Überlegungen
Im Folgenden wird ausführlich die Konstruktion der Indikatoren dargestellt. Leser, die weniger an den detaillierten methodischen Überlegungen
interessiert sind, können diesen Abschnitt überspringen und sogleich zu
den Ergebnissen in den nächsten Kapiteln blättern.
Die Datenlage über das Ausmaß und das Wachstum von Wohlfahrtsmärkten ist sowohl international als auch national sehr fragmentarisch und
unzureichend.40 International vergleichbare Datenbanken wurden zwar in
den letzten Jahren aufgebaut (Adema/Ladaique 2005; OECD 2008b;
2009b), sie weisen aber noch erhebliche Datenlücken auf. Es fehlen häufig
Beobachtungszeitpunkte vor den 2000er Jahren, wichtige Länder sind nicht
enthalten oder die Daten sind schlichtweg nicht reliabel und valide genug
erhoben (beispielsweise Global Pension Statistics in OECD 2009a;
Education Database in OECD 2009c). Nimmt man alle diese Einschränkungen zusammen, kann der Wandel von Wohlfahrtsmärkten mit OECDDaten also nur unzureichend dargestellt werden. Die verfügbaren OECDDaten sind dennoch geeignet, das aktuelle Ausmaß der Wohlfahrtsmärkte
zu vergleichen und die drei Länder international zu verorten. Um den tatsächlichen Wandel genauer nachzuzeichnen, werden weniger vergleichbare,
dafür aber zuverlässigere Daten der nationalen Statistikbehörden für den
historischen Vergleich von Deutschland, Schweden und den USA herangezogen.
Die Operationalisierung des Marktvolumens bezieht sich auf die bereits
in der Definition der Wohlfahrtsmärkte erwähnten Dimension der Vermarktlichung (vgl. Kapitel 2: Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit).
Demnach steigt das Wohlfahrtsmarktvolumen je höher der Anteil privater
——————
40 Eine der wenigen positiven Ausnahmen sind Burchardt (1997) und Smithies (2005), die
den Public-Private-Mix von Großbritannien detailliert gemessen haben.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
97
Finanzierungsquellen, je mehr private Anbieter involviert sind und je mehr
Wahlfreiheit die Marktteilnehmer besitzen. Basierend auf diesen Dimensionen der Vermarktlichung werden verschiedene Indikatoren zur Messung
des Marktvolumens herangezogen. Das Marktvolumen wird, wie diese
methodische Diskussion und die folgende Untersuchung in diesem Kapitel
zeigt, jedoch hauptsächlich anhand der Finanzierung und Produktion gemessen und in den detaillierteren historischen Ländervergleichen noch um
die Dimension der Wahlfreiheit ergänzt.
Insbesondere die Finanzierungs- und Produktionsdimension sind relativ gut dokumentiert und bilden die Grundlage dieses Kapitels. Beispielsweise sind die (Renten-)Beiträge41, (Schul-)Gebühren und öffentliche Zuschüsse beziehungsweise Steuererleichterungen ideal als Indikatoren für die
Finanzierung von Wohlfahrtsmärkten. Je höher beispielsweise die privaten
Beiträge sind, desto höher wäre das Marktvolumen in der Finanzierungsdimension.
Als typische Indikatoren für die Produktionsdimension im Rentenmarkt werden die gebildeten Rentenrücklagen, ausgezahlte Rentenleistungen, Anzahl der privat Versicherten, abgeschlossene Verträge usw.
verwendet. Im Bildungsmarkt werden Indikatoren wie Anzahl der Privatschüler und Privatschulen ausgewertet.
Bisher gibt es keine etablierten Indikatoren zur Wahlfreiheit die regelmäßig erhoben werden, daher erwies sich die Suche nach geeigneten Indikatoren als schwieriger, vor allem die Suche nach international einheitlich
erhobenen Indikatoren. Die konkrete Messung der Wahlfreiheit bezieht
sich auf zwei Aspekte: Einerseits können die Wahloptionen erhoben werden.
Zum Beispiel können Konsumenten eine Wahloption über den Markteintritt besitzen (freiwillige vs. obligatorische Teilhabe). Andererseits kann
sich Wahlfreiheit auch auf das Wahlverhalten, also die tatsächlich praktizierte
Wahl, beziehen. Indikatoren für diese Subkategorie von Wahlfreiheit sind
beispielsweise die Wechselquoten von Produkten und Anbietern sowie die
Austrittsquoten der Konsumenten aus der angebotenen Standardoption
(z.B. Austritt aus der Betriebsrente).
Grundsätzlich sind alle verwendeten Indikatoren unabhängig voneinander; beispielsweise kann ein hohes Marktvolumen in der Finanzierungsdimension festgestellt werden, aber ein niedriges bei der Produktions-
——————
41 Vgl. Fußnote 21.
98
WOHLFAHRTSMÄRKTE
dimension, wodurch die untersuchten Märkten den verschiedenen
Wohlfahrtsmarkttypen (Kapitel 2.2.4) zugeordnet werden können.
Indikatoren der Finanzierungs- und Produktionsdimension
Die Primärindikatoren anhand derer die Finanzierungs-, Produktions- und
Wahlfreiheitsdimension untersucht werden, sagen in absoluten Zahlen
wenig über das Marktvolumen aus. Erst wenn die Primärdaten, wie zum
Beispiel die Anzahl der Privatschulen, in Relation zu wohlfahrtsstaatlichen,
gesamtwirtschaftlichen und demografischen Bezugsgrößen gesetzt werden,
wird ihre sozialpolitische Bedeutung anschaulich. Damit können dann
aussagekräftige Vergleiche zwischen Ländern durchgeführt werden. Aus
diesem Grund werden aus den primären Daten durch den Bezug zu
ökonomischen und demografischen Rahmendaten sekundäre Indikatoren
gebildet. Die Tabelle 3 illustriert die sozialpolitische Bedeutung der sekundären Indikatoren in Abhängigkeit von der Finanzierungs- und Produktionsdimension auf der einen Seite und der jeweiligen Bezugsgröße (PublicPrivate-Mix oder BIP/Pro-Kopf) auf der anderen Seite, wodurch entweder
die Finanzierungsverantwortung, die Arbeitsteilung oder die Relevanz des
Marktvolumens abgebildet wird (vgl. Tabelle 3):
Public-PrivateBIP oder
Mix (I)
Population (II)
Bezugsgröße
Tabelle 3: Sozialpolitische Bedeutung der sekundären Indikatoren in Abhängigkeit von
Bezugsgröße und Dimension des Marktvolumens (Finanzierung und Produktion)
Finanzierungsdimension
Finanzierungsverantwortung
Beispiel: Anteil der privaten
Rentenbeiträge an allen
Rentenbeiträgen.
Produktionsdimension
Arbeitsteilung
Beispiel: Anteil der Privatschulen an allen Schulen
gesamtgesellschaftliche Relevanz
Beispiele: Anteil der gesamten Rentenbeiträge am BIP, Anteil
der Versicherten an der Bevölkerung, Investitionen in Schulen
pro Kopf
Quelle: eigene Darstellung
Der Public-Private-Mix (I), das heißt der Anteil der privaten Beiträge oder
Anbieter an der Gesamtanzahl der Beiträge oder Anbieter, weist eine
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
99
unterschiedliche sozialpolitische Bedeutung je nach Finanzierungs- und
Produktionsdimension auf. Entweder kommt die Finanzierungsverantwortung (Finanzierungsdimension) oder die Arbeitsteilung (Produktionsdimension) zum Ausdruck.
1. Finanzierungsverantwortung. In Bezug auf die Finanzierungsdimension gibt
der Anteil der privaten Beiträge an den Gesamtbeiträgen eines sozialpolitischen Politikfeldes wieder, wer die Finanzierungsverantwortung für die
soziale Absicherung trägt. Sind staatliche oder andere öffentliche Träger
die Hauptfinanzierungsquelle der Wohlfahrtsmärkte oder private Quellen,
wie Haushalte und Unternehmen? Der private Anteil wird in der Finanzierungsdimension als Prozent der Gesamtbeiträge ausgedrückt und gibt
somit den Public-Private-Mix an. Ein hoher Anteil privater Beiträge erhöht
das Marktvolumen, weil durch die private Finanzierung eine marktförmige
Verknüpfung zwischen den Beitragszahlern und der angebotenen Leistung
entsteht. Detailliertere Differenzierungen werden im Rentenkapitel vorgenommen (öffentlich/betrieblich/individuell, Arbeitnehmer-/Arbeitgeberbeiträge).
2. Arbeitsteilung. In der Produktionsdimension wird mit dem Public-PrivateMix die Arbeitsteilung zwischen staatlichen und privaten Anbietern gemessen. Dargestellt wird die Arbeitsteilung beispielsweise als prozentualer
Anteil der Privatschulen an der Gesamtproduktion, das heißt aller Schulen.
Je höher der Anteil der privaten Anbieter, desto höher ist das Marktvolumen der Märkte. Der Anteil privater Anbieter wird gleichzeitig auch
zur Maßzahl für den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern, denn je höher der Anteil der privaten Anbieter ist, desto stärkeren
Druck üben sie auf öffentliche Anbieter aus und desto größer ist somit ihr
politischer Einfluss.42
3. Relevanz. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz eines Wohlfahrtsmarktes ergibt sich aus den primären Indikatoren des Marktvolumens
——————
42 Zusätzlich zu den Maßzahlen der Anbieter (Versicherungen, Schulen), der Produkte
(Versicherungsverträge, Abschlüsse, etc.) und der Kunden (Versicherte, Schüler) können
auch vereinzelt Ausgabendaten zur Messung der Arbeitsteilung herangezogen werden.
Im Gegensatz zu Beiträgen sind Ausgaben ein Indikator für die Produktion der sozialen
Güter, beispielsweise sind Rentenauszahlungen die eigentliche Leistung einer Versicherung. Deshalb sind Ausgaben der Produktionsdimension hinzuzurechnen, obwohl es ein
monetärer Indikator ist, der fälschlicherweise der Finanzierungsdimension zugeordnet
werden könnte.
100
WOHLFAHRTSMÄRKTE
in Relation zum BIP oder zur Population, womit die relativen Finanzierungs- und Produktionsprioritäten pro Land verglichen werden können.
Beispielsweise können die Bildungsausgaben in einem Land gesamtwirtschaftlich sehr relevant sein (hoher Anteil am BIP), wodurch das gesamte Marktvolumen in diesem Land größer wäre als in einem Land mit
geringeren Bildungsausgaben. Andere sekundäre Indikatoren für die gesellschaftliche Relevanz sind Versichertenquoten (Anteil der öffentlich und
privat Versicherten an der Bevölkerung) und der Anteil der gesamten
Rentenbeiträge in Prozent des BIP. In diesem Kapitel wird die gesamtgesellschaftliche Relevanz meist nicht zwischen Finanzierungs- und Produktionsdimension differenzieren, weil das gesamte Marktvolumen erhoben werden soll. Im Mittelpunkt der Analyse der gesamtgesellschaftlichen
Relevanz steht, in welchem Land Wohlfahrtsmärkte die größte Bedeutung
besitzen, wodurch die Unterschiede der Finanzierungs- und Produktionsdimension in den Hintergrund treten. Beispielsweise ist für die Frage, wie
relevant in einem Land überhaupt private Rentenversicherungen sind, die
Darstellung aller Beiträge in private Rentenversicherungen als Prozent des
BIP ein geeigneter Indikator. Ebenso können die gesamten Rentenrücklagen privater Rentenversicherungen als Prozent des BIP herangezogen
werden. Der erste Indikator gibt die Relevanz in der Finanzierungsdimension an und der zweite in der Produktionsdimension. Je höher beide
Indikatoren sind, desto höher ist das gesamte Marktvolumen und desto
bedeutender ist der Wohlfahrtsmarkt in dem untersuchten Land.
Indikatoren zur Messung von Wahlfreiheit
Wahlfreiheiten ergeben sich für Individuen zu vier verschiedenen Zeitpunkten. Individuen haben die Wahlfreiheit am Markt teilzunehmen
(Marktzugang t1), über Produkte und Anbieter im Markt (Wahloptionen
t2), eine Entscheidung zu revidieren und das Produkt zu wechseln (Wechseloption t3) und schließlich die Freiheit den Markt wieder zu verlassen
(Marktausstieg t4).
Wahloptionen
Die grundsätzlich möglichen Wahloptionen werden beim Marktzugang
und den Wechseloptionen institutionell, das heißt regulativ oder vertraglich
bestimmt, wie zum Beispiel durch das grundsätzliche Verbot von Rentenversicherungen ohne Leibrente oder das Verbot von konfessionellen
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
101
Privatschulen. Obwohl die Wahloptionen über Produkte und Anbieter
institutionell beeinflusst werden, ist die Angebotsvielfalt auch davon abhängig, wie die Anbieter den institutionellen Spielraum nutzen, um vielfältige Produkte anzubieten. Im Folgenden wird das Analyseraster für
Wahloptionen genauer erläutert.
1. Marktzugang. Der erste Zeitpunkt für Wahloptionen ergibt sich aus der
Regulierung des Marktzugangs: Ist der Wohlfahrtsmarkt obligatorisch oder
freiwillig? Wenn der Wohlfahrtsmarkt obligatorisch ist, besteht zu diesem
Zeitpunkt keine Wahloption. Ist der Wohlfahrtsmarkt freiwillig, existieren
zwei Mechanismen wie die Freiwilligkeit institutionell gestaltet werden
kann: entweder als Opt-in oder als Opt-out. Bei der Opt-in-Variante ist die
Teilnahme am Markt grundsätzlich allen freigestellt und Individuen entscheiden aktiv über eine Marktteilnahme. Sie erwerben eine Versicherungspolice oder nehmen eine soziale Dienstleistung auf ihre eigene Initiative hin in Anspruch. Beispielsweise ist der Abschluss eines RiesterVertrags eine aktive Entscheidung des Versicherten.
Im Gegensatz dazu ist bei der Opt-out-Variante eine definierte Nutzergruppe automatisch im Markt – also Versicherte, Schüler, Patienten oder
Pflegedürftige – und Individuen können auf Anfrage aus dem Markt ausscheiden. Einige Betriebsrenten in den USA funktionieren nach diesem
Prinzip der automatischen Einschreibung (automatic enrollment). Teilweise
wird dieser Zugangsweg auch als quasi-obligatorisch bezeichnet. Jeder Beschäftigte ist bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags automatisch versichert, es sei denn, er entscheidet sich explizit dagegen und tritt aus der betrieblichen Versicherung aus. Im Vergleich zu Opt-in-Rentensystemen
haben Opt-out-Systeme eine höhere Versichertenquote, weil Individuen
bei derartigen Entscheidungen ein hohes Beharrungsvermögen aufzeigen
(inertia) und häufiger bei der Standardoption bleiben, als sich aktiv für oder
gegen eine Marktteilnahme zu entscheiden (Madrian/Shea 2001; Thaler/
Benartzi 2004).
2. Wahloptionen. Nachdem die erste Wahl über den Marktzugang positiv
ausgefallen ist, kommen im zweiten Schritt die eigentlichen Wahloptionen
im Wohlfahrtsmarkt zum Tragen. Individuen können auf dem Markt zwischen Produkten, Dienstleistungen und Anbietern wählen und haben eine
bestimmte Anzahl von Wahloptionen innerhalb des Marktes (Opt-within).
Indikatoren für die Wahloptionen im Wohlfahrtsmarkt sind die Anzahl der
102
WOHLFAHRTSMÄRKTE
am Markt erhältlichen Produkte (Produktpalette) und die Unterschiede
zwischen den einzelnen Produkten. Im Gegensatz zu den bisher diskutierten relationalen sekundären Indikatoren können Wahloptionen valider
mit nominalen Primärindikatoren gemessen werden.43
Die optimale Anzahl von Angeboten ist indes umstritten
(Irons/Hepburn 2007; Iyengar/Lepper 2000; Norwood 2006; Schwartz
2004). Einerseits sollte das Angebot möglichst groß sein, damit Wettbewerbsmechanismen wirken können, andererseits aber auch überschaubar
sein, um nicht die Informationsverarbeitungskapazität der Marktteilnehmer
zu überfordern.
3. Wechseloptionen. Wenn einmal eine Wahlentscheidung getroffen wurde,
das heißt ein Individuum hat sich für ein Produkt entschieden, kann die
Option bestehen, die Entscheidung sofort oder nach einem bestimmten
Zeitpunkt zu revidieren und ein anderes Produkt zu wählen. Grundsätzlich
stehen dem Individuum die gleichen Wahloptionen aus Zeitpunkt t2 zur
Verfügung. Der entscheidende Punkt für die verfügbaren Wahloptionen ist
aber, ob ein Wechsel legal ist.
Mit einem Wechsel können aber auch zusätzliche Kosten, sogenannte
Transaktionskosten (Greve 2009a; Le Grand 2007), verbunden sein. Die
Wohlfahrtsnutzer müssen Informationen über die Anbieter einholen, ggf.
Wechselgebühren entrichten und gerade bei sozialen Diensten sind auch
emotionale Transaktionskosten involviert (Greener 2008; Hanushek u.a.
2007). Je höher die vorgeschriebenen Transaktionskosten sind (z.B.
Wechselgebühren), desto geringer sind die Wechseloptionen.
4. Ausstiegsoptionen. Die Option den Markt zu verlassen ergibt sich meist aus
dem Marktzugang. Wenn der Marktzugang freiwillig ist, kann meist auch
ein Marktausstieg vorgenommen werden (vgl. Hirschman 1970). Allerdings
——————
43 Wahloptionen stehen jedem Individuum zur Verfügung und sind damit unabhängig von
der Bevölkerungsgröße. Als Beispiel stellen wir uns einen Nutzer in Land A mit 100
Millionen Einwohnern und in Land B mit einer Million Einwohnern vor, den jeweils
100 Anbieter mit rund 500 Alterssicherungsprodukten umwerben. Pro Kopf kommt in
Land A ein Anbieter auf eine Million Einwohner, wohingegen in Land B ein Anbieter
auf 10.000 Einwohner kommt. Trotz dieser relativen Differenzen bleiben auf individueller Ebene die Wahloptionen konstant. Dieses Beispiel zeigt, dass mit nominalen Indikatoren eine höhere Validität in Bezug auf Wahloptionen erreicht wird als mit relationalen Indikatoren.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
103
können Kündigungsgebühren anfallen oder ein Marktausstieg kann nur
erfolgen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Anhand dieser vier Zeitpunkte kann untersucht werden, inwiefern die institutionell verankerten Wahloptionen von den Marktanbietern tatsächlich eröffnet werden.
Wahlverhalten
Der zweite Indikator der Wahlfreiheit nach den Wahloptionen ist die tatsächlich ausgeübte Wahl. Das Wahlverhalten im Wohlfahrtsmarkt ergibt
sich aus individuellen Entscheidungen im Möglichkeitsraum der Wahloptionen. Das Wahlverhalten lässt sich anhand von Wechsel- und Kündigungsquoten messen. Weitere Indikatoren sind die Häufigkeit einzelner
Optionen und die Häufigkeit der Abweichung von Standardoptionen.
Diese Indikatoren müssen aber im Spiegel der regulativen Vorgaben
betrachtet werden (z.B. Transaktionskosten), denn je nach regulativem
Rahmen können beispielsweise hohe Wechselquoten entweder einem
funktionierenden oder einem versagenden Markt zugeschrieben werden. In
einem Markt ohne Transaktionskosten für die Nutzer sind hohe Wechselquoten ein Zeichen eines funktionierenden Marktes. Die Nutzer üben ihr
Wechselrecht aus, sodass die Anbieter gezwungen sind, die Nutzer mit
einem besseren Angebot langfristig zu binden. Fallen hingegen hohe
Transaktionskosten für die Nutzer bei einem Wechsel an (z.B. Wechselgebühren, Verlust des sozialen Netzes, etc.), ist vor allem die erste Wahlentscheidung von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Marktteilnahme der Nutzer. Die Wechselquoten sind ein Indikator für eine geringe
Markttransparenz bei der ersten Wahlentscheidung, wenn trotz hoher
Transaktionskosten viele Wechsel durchgeführt werden. Die Nutzer versuchen, ihre erste suboptimale Wahlentscheidung zu korrigieren, müssen
dafür aber hohe Transaktionskosten in Kauf nehmen, anstatt bei der ersten
Wahl bereits das gewünschte Produkt beziehungsweise den gewünschten
Anbieter gefunden zu haben. Noch negativer wirken sich Kündigungen –
insbesondere von Kapitalanlagen – aus, weil sie unter hohen Verlusten
ausgezahlt werden und ihren sozialpolitischen Verwendungszweck verlieren. Kündigungen oder Austritte aus Versicherungsverträgen sind somit
Ausdruck praktizierter Wahlfreiheit, diese Entscheidungen sind jedoch mit
Transaktionskosten und geringer sozialer Absicherung verbunden.
104
WOHLFAHRTSMÄRKTE
In den zwei folgenden Renten- und Bildungskapiteln werden die genannten Indikatoren zur Finanzierungs- und Produktionsdimension (Relevanz,
Finanzierungsverantwortung und Arbeitsteilung) als auch die Indikatoren
zur Wahlfreiheitsdimension (Wahloptionen und Wahlverhalten) verwendet
und weiter spezifiziert, indem sie jeweils auf das Politikfeld angepasst und
je nach Datenlage modifiziert werden.
Operationalisierung des Konzepts Rentenmarkt
Die verwendeten Indikatoren zum Rentenmarkt beziehen sich ausschließlich auf Rentenversicherungen, weil ein direkter Bezug zur Altersvorsorge
besteht (vgl. Kapitel 3.1.2).44
Zur Messung der Finanzierung von Rentenversicherungen sei einleitend auf drei mögliche Finanzierungsquellen hingewiesen, weil sie sowohl
für den internationalen als auch für den historischen Vergleich relevant
sind. Die drei Finanzierungsquellen von öffentlichen und privaten Renten
können der Staat, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sein.
In Bezug auf den Staat ist zunächst anzumerken, dass der Staatshaushalt zwar aus Steuereinnahmen – also aus Abgaben von Bürgern und
Unternehmen – gespeist wird, diese sind aber nicht zweckgebunden und
werden deshalb nicht dezidiert der Alterssicherung zugeordnet. Der Staat
kann qua seiner Steuereinnahmen gleichwohl Rentenversicherungen finanzieren: Entweder direkt mit Zuschüssen zu den aktuellen Rentenleistungen
wie bei einer öffentlichen Rentenversicherung oder Grundrente (die sogenannte Steuerfinanzierung) oder indirekt als Anreiz zum Abschluss einer
privaten Rentenversicherung. Letzteres wird üblicherweise durch Steuererleichterungen, das heißt indirekte öffentliche Beiträge des Staates, erreicht, aber auch direkte öffentliche Zuschüsse in private Rentenversicherungen sind möglich (z.B. Zulagen zur deutschen Riester-Rente).
Die anderen beiden Finanzierungsquellen von Rentenversicherungen
sind direkte Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sie werden
entweder mit der Lohnsteuer als Sozialversicherungsbeiträge einbehalten
oder individuell in eine Rentenversicherung eingezahlt. Sozialversicherungsbeiträge sind zwar private Beiträge, sie unterscheiden sich jedoch
——————
44 Obwohl nicht Schwerpunkt der Untersuchung wurde das Marktvolumen der Lebensversicherungen als eine Form der Altersvorsorge auch untersucht. Die Ergebnisse bestätigen sowohl die Unterschiede in Deutschland, Schweden und den USA als auch das
Wachstum der Wohlfahrtsmärkte (Insurance Indicators, OECD 2009c).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
105
signifikant von individuellen Beiträgen. Im Gegensatz zu individuellen
Beiträgen sind Sozialversicherungsbeiträge obligatorisch und finanzieren
ein öffentliches Sozialversicherungssystem. Sozialversicherungsbeiträge
sind deshalb – laut Wohlfahrtsmarktkonzept – nur teilweise vermarktlicht,
weil die Produktion weiterhin öffentlich erfolgt und keine Wahlfreiheit
besteht. Sozialbeiträge sind dennoch private Beiträge in eine Rentenversicherung, wodurch ein versicherungswirtschaftlicher Bezug zwischen
Beitrag und Leistung hergestellt wird, der in steuerfinanzierten Rentenversicherungssystemen nicht besteht. Individuelle Beiträge in private Rentenversicherungen erfüllen eher die Kriterien eines Wohlfahrtsmarktes, weil
Marktmechanismen wie Preiswettbewerb und Freiwilligkeit wirken. Die
Beiträge in private Rentenversicherungen sind deshalb ein besserer Indikator für das Finanzierungsvolumen von Wohlfahrtsmärkten, dennoch
sind sie erst aussagekräftig im Vergleich zu den gesamten privaten Rentenaufwendungen, die obligatorische Sozialbeiträge einschließen.
Arbeitgeberbeiträge als eigenständige Rentenbeiträge zu betrachten ist
umstritten, weil sie letztendlich auch von den Arbeitnehmern bezahlt werden. Denn entweder refinanzieren Arbeitgeber die Mehrausgaben über
geringere Bruttolöhne oder sie stellen weniger Personal ein, was wiederum
die Arbeitnehmer mit geringeren Beschäftigungschancen »bezahlen«
(Glennerster 2009: 40). Meines Erachtens ist die Differenzierung zwischen
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen wichtig, erstens um die Legitimation von Rentenversicherungen unter Arbeitgebern zu analysieren und
zweitens um zwischen betrieblicher und individueller Rentenversicherung
zu unterscheiden. Insbesondere letzteres illustriert die unterschiedlichen
Finanzierungsquellen betrieblicher und individueller Rentenversicherungen.
In der Produktionsdimension wird ebenfalls zwischen staatlichen, betrieblichen und individuellen Renten unterschieden. Das größte Marktvolumen ist bei den individuellen Renten gegeben, weil sie typischerweise
mehr Wahlfreiheit für die Versicherten bedeuten. Soweit wie möglich wird
das Augenmerk deshalb auf individuelle Rentenversicherungen gelegt,
ohne aber Betriebsrenten zu ignorieren, wenn sie ein hohes Marktvolumen
aufweisen.
106
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Operationalisierung des Konzepts Bildungsmarkt
Bei sozialen Dienstleistungen (benefits in-kind) wie Bildung erfolgt die Implementierung von Marktmechanismen auf andere Weise als bei sozialen
Transfers (benefits in-cash) wie Renten, weshalb zum Teil andere Indikatoren
verwendet werden, um das Marktvolumen im Bildungsbereich messen zu
können.
Wenn nicht anders angegeben liegt der Schwerpunkt des Kapitels auf
den Primar- und Sekundarschulen ohne Berufsschulen (vgl. Kapitel 3.1.2).
Allerdings wird anfangs beim internationalen Vergleich auch der tertiäre
Bildungssektor berücksichtigt, um einen Überblick über das Marktvolumen
des ganzen Bildungsbereichs zu gewinnen. Auch im Bildungsbereich wird
das Marktvolumen anhand der drei eingangs diskutierten Dimensionen
gemessen: Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit.
(1) In der Finanzierungsdimension werden selbstverständlich die
Schulgelder oder andere private Gebühren zur Ermittlung des Marktvolumens berücksichtigt. Sie sind Indikatoren für die Bildungsausgaben
privater Haushalte. Aber auch die öffentlichen Ausgaben – in Form von
Zuschüssen – zählen zur Finanzierungsdimension, weil sie ebenso als Einnahmen der Schulen zu berücksichtigen sind. Es wäre aber zu erwarten,
dass private und öffentliche Schulen einen unterschiedlichen Einkommensmix aus privaten und öffentlichen Quellen aufweisen. Die OECD
erhebt den Indikator »Bildungsausgaben nach Quelle«, womit die Bildungsausgaben nach den eigentlichen Finanzierungsquellen aufgeschlüsselt werden. Dieser Indikator ist daher im Endeffekt eine valide Darstellung der
Finanzierungsdimension. So kann bei der Darstellung der Bildungsausgaben zwischen Staat, Privathaushalten und Unternehmen als Finanzierungsquellen unterschieden werden. Wird der private Anteil der gesamten
»Bildungsausgaben nach Quelle« in Prozent dargestellt, kann somit die
private Finanzierungsverantwortung gemessen werden.
(2) Das Bildungsmarktvolumen der Produktionsdimension wird direkt
anhand der Anzahl der Anbieter und Personen im Bildungsmarkt gemessen.45 Erfasst werden die Anzahl der Anbieter (Schulen, Bildungsunter-
——————
45 In internationalen Vergleichsstudien werden üblicherweise die institutionellen Bildungsausgaben herangezogen (u.a. Busemeyer 2006a; Busemeyer 2006b; Wolf 2009;
Wolf/Zohlnhöfer 2009), allerdings werden hier die Ausgaben von Privatschulen häufig
nicht valide erhoben. Robustere Ergebnisse zum tatsächlichen Ausmaß des Marktvolumens lassen sich anhand der direkten Output-Indikatoren wie Anzahl der Schulen
und Schüler ermitteln. Gegenüber den institutionellen Bildungsausgaben messen diese
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
107
nehmen) und die Schülerzahlen. Dargestellt als Public-Private-Mix messen
auch diese direkten Produktionsindikatoren die Arbeitsteilung.
4.1
Rente
In diesem Kapitel wird das quantitative Wachstum der Rentenmärkte diskutiert. Dieses Wachstum wird in allen drei Dimensionen der Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit seit den 1990er Jahren untersucht. Im
internationalen Vergleich werden die Besonderheiten zwischen Deutschland, Schweden und den USA herausgearbeitet. Dabei wird gezeigt, dass
die USA als liberales Wohlfahrtsregime das höchste Rentenmarktvolumen
aufweisen. Schweden hat allerdings anhand mehrerer Indikatoren ein höheres Rentenmarktvolumen als Deutschland, obwohl zu erwarten wäre,
dass ein sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime wie Schweden eher ein
geringeres Marktvolumen aufweisen würde als Deutschland als konservatives Wohlfahrtsregime.
Im folgenden Abschnitt (4.1.1) wird zunächst das Marktvolumen der
Rentenmärkte international untersucht und verglichen. Dabei liegt das
Augenmerk auf den Marktvolumina der drei Länder Deutschland, Schweden und USA. Anschließend erfolgt ein historischer Überblick über die
Entwicklung in den drei Ländern, um ein detaillierteres Bild des Marktvolumens und dessen Wandels zeichnen zu können (4.1.2). Im Fazit werden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert (4.1.3).
4.1.1 Internationaler Vergleich der Rentenmärkte
Der internationale Vergleich des Marktvolumens arbeitet heraus, dass vor
allem sehr große Unterschiede zwischen den Rentenmärkten in den
OECD-Ländern bestehen. Ebenso können Evidenzen für eine Rentenmarktexpansion in der OECD-Welt gefunden werden. Im internationalen
Vergleich wird zuerst die Finanzierungsdimension diskutiert, gefolgt von
der Produktionsdimension.
——————
Indikatoren die tatsächliche Bildungsproduktion, das heißt die erfolgte Dienstleistung.
Wohlgemerkt bieten die institutionellen Bildungsausgabendaten gewisse Vorteile für
internationale Vergleiche und multivariate Analysen.
108
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Finanzierungsdimension von Renten – Dominanz der Beitragsfinanzierung?
Anhand der Beiträge in private Rentenfonds und der Steuererleichterungen
für individuelle Renten kann die gesamtgesellschaftliche Relevanz der privaten Finanzierung gut abgelesen werden. Diese beiden Indikatoren messen also wie bedeutend die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
sind, aber auch wie bedeutend öffentliche Zuschüsse in private Rentenversicherungen sind. Beide Indikatoren sind jedoch in ihrer Aussagekraft
beschränkt, weil entweder Daten zu Schweden und den USA fehlen (Beiträge in private Rentenfonds) oder die erhobenen Daten Schwächen in der
Reliabilität und Validität aufweisen (Steuererleichterungen).
Beiträge in private Rentenfonds
Die OECD erhebt Beiträge in private Rentenfonds seit 2001 (Global
Pension Statistics, OECD 2009a). Für den Zeitraum 2001–2007 habe ich
den privaten Beitragsanteil in Prozent des BIP ermittelt. Aufgrund der
fehlenden Werte für Schweden und die USA werde ich an dieser Stelle nur
kurz auf die wichtigsten Ergebnisse eingehen.
Zunächst besteht eine erhebliche Streuung des Beitragsvolumens zu
privaten Rentenfonds (0,4–12,2 % in 2007). Vor allem Länder mit quasiobligatorischen Betriebsrenten weisen ein hohes Beitragsvolumen auf (vor
allem skandinavische und angloamerikanische Wohlfahrtsstaaten, OECD
2009b: 40). Obwohl in der OECD-Datenbank nicht erhoben, ist eine vergleichbares privates Beitragsaufkommen in Schweden zu vermuten, weil
auch dort quasi-obligatorische Renten vorherrschen (Sjögren Lindquist/
Wadensjö 2006). Deutschland gehörte 2007 zur Schlussgruppe mit 0,5
Prozent Beitragsaufkommen gemessen am BIP. Demnach sind private
Rentenfonds relativ irrelevant in Deutschland, was auf ein geringes
Marktvolumen hindeutet.
Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2007 ist der Anteil der privaten Rentenbeiträge am BIP ist durchschnittlich um 0,8 Prozentpunkte
angestiegen. Deutschland verzeichnete hier relativ betrachtet ein hohes
Wachstum von 0,1 auf 0,5 Prozent, allerdings war das Beitragsniveau 2001
auch das niedrigste. Zusammengenommen verdeutlichen die privaten Beiträge in Rentenfonds eine hohe Varianz zwischen den Staaten und ein
Wachstum des Marktvolumens.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
109
Steuererleichterungen
Als zweiter Indikator der Finanzierungsdimension werden die öffentlichen
Zuschüsse in Form von Steuererleichterungen für private Renten herangezogen (Adema/Ladaique 2005).46 Die Steuervergünstigungen werden aus
dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert und sind im Endeffekt
öffentliche Beiträge für eine private Versicherung. Die Steuervergünstigungen sollen die private Vorsorge fördern. Die Nettobelastung der
Beitragszahler für private Rentenversicherungen sinkt durch die Steuererleichterungen, weshalb sie als Indikator für die staatlichen Beiträge zu
privaten Rentenversicherungen verwendet werden. Abbildung 2 zeigt die
Steuervergünstigungen für private Renten in Prozent des BIP durch die
dunklen Balken (Steuererleichterungen). Im Vergleich dazu zeigen die
helleren Balken die staatlichen Ausgaben für öffentliche Rentensysteme.
Ziel dieser Gegenüberstellung ist es unterschiedliche öffentliche Ausgabenprioritäten zu identifizieren.
In Abbildung 2 ist zu sehen, dass vor allem angloamerikanische Wohlfahrtsstaaten relativ geringe staatliche Ausgaben für öffentliche Rentensysteme aufwenden, jedoch hohe Steuererleichterungen für private Renten
gewähren (vgl. Großbritannien, Australien, Kanada, Island, Irland, USA).
Die Steuererleichterungen sollen Anreize schaffen, zusätzlich zur geringen
öffentlichen Alterssicherung eine private Rentenversicherung abzuschließen. Allerdings steuern nicht alle Länder so die Nachfrage nach privater Altersvorsorge. Beispielsweise ist in Dänemark, der Schweiz und den
Niederlanden die private Vorsorge obligatorisch, weshalb auch keine steu-
——————
46 Dieser Indikator besitzt eine geringe Reliabilität, trotz erheblicher Verbesserungen seit
2001. Einige Länder berichten neben der Subventionierung in der Sparphase auch die
besonderen Einkommenssteuerregime für Rentner in der Auszahlungsphase. Ebenso erfolgt die Abgrenzung öffentlicher und privater Renten nicht einheitlich. Beispielsweise
zeigte eine Abgleichung mit der deutschen amtlichen Statistik, dass die Steuererleichterungen für Riester-Renten nicht berücksichtigt sind. Die Werte zur schwedischen
Prämienrente sind ein weiteres Beispiel für Messfehler. Obwohl die Beiträge zur Prämienrente ebenso wie die Beiträge zur Einkommensrente in Schweden voll von der
Einkommenssteuer abzugsfähig sind, werden sie nicht als Steuererleichterungen aufgeführt. Außerdem werden freiwillige zusätzliche Vorsorgeverträge seit langer Zeit steuerlich begünstigt (Prop. 2007/08:26). Trotz dieses Wissens ist es nicht möglich, mit den
öffentlich zugänglichen Daten die OECD-Erhebung zu korrigieren. Diese beiden Beispiele lassen weitere Messfehler vermuten, sodass dieser Indikator nur bedingt aussagekräftig ist.
110
WOHLFAHRTSMÄRKTE
erlichen Anreize zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung nötig
sind.
Abbildung 2: Öffentliche Rentenausgaben in Prozent des BIP, 2005
AUT 0.1
DEU
0.9
ITA <0.01
FRA
GRC
POL 0.2
SWE <0.01
HUN
PRT 0.1
JPN 0.1
FIN 0.1
ESP 0.3
CZE 0.1
BEL 0.2
GBR
1.2
DNK
NOR
0.6
CHE
AUS
1.9
USA
0.8
CAN
1.7
NLD
NZL
1.3
LUX
ISL
1.0
TUR
IRL
1.4
KOR
1.4
MEX 0.1 0.9
0
12.7
11.2
11.6
10.9
10.8
10.4
9.6
8.8
8.7
8.6
8.5
7.9
7.5
7.2
6.1
7.3
6.3
6.6
4.4
5.2
3.8
5.5
4.2
5.2
3.8
4.8
2.9
5
10
Prozent des BIP
15
Steuererleichterungen
Öffentliche Rentenversicherung
Quelle: Adema/Ladaique (2005), OECD (2007; 2008c)
Anmerkungen: Sortiert nach Gesamtausgaben aus Summe von indirekten Steuererleichterungen
und direkten öffentlichen Rentenausgaben, angegebene Werte beziehen sich jeweils auf letztere.
Fehlende Werte keine Angabe. Portugal 2004.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
111
Tendenziell weisen alle Länder mit unterdurchschnittlichen Steuererleichterungen für private Renten, höhere Staatsausgaben für öffentliche
Rentensysteme auf. Das bedeutet, es gibt einen Substitutionseffekt zwischen öffentlichen Beiträgen in private Rentenfonds oder öffentliche
Rentenversicherungen. Wohlfahrtsstaaten können nicht beide Altersvorsorgeformen fördern, sondern legen den Schwerpunkt auf eine Form der
Altersvorsorge. Die kontinentalen Wohlfahrtsstaaten wie zum Beispiel
Deutschland und Österreich wiesen nur geringe Beiträge für private
Renten und eine geringe öffentliche Förderung auf. Alles in allem deuten
die Ergebnisse auf ein vergleichsweise geringes Rentenmarktvolumen in
Deutschland hin.47
Obwohl das hier diskutierte Datenmaterial Schwächen hinsichtlich der
Reliabilität aufweist, konnte dennoch gezeigt werden, dass erhebliche
Länderunterschiede im Marktvolumen bestehen. Ebenso konnten Evidenzen für ein Marktwachstum im Bereich der Finanzierungsdimension
gefunden werden, wenn auch nicht besonders starke, weil nur relativ kurze
Erhebungszeiträume in die Analyse einflossen.
Die Produktionsdimension von Rentenversicherungen
Nach der Finanzierungsdimension wendet sich dieser Abschnitt nun der
Produktionsdimension zu. Das Marktvolumen der Rentenleistungen wird
zuerst anhand der ausgezahlten Renten und anschließend anhand der angesparten Rücklagen gemessen.
Rentenauszahlungen
Abbildung 3 zeigt die ausgezahlten Renten, das heißt die privaten und
öffentlichen Ausgaben für Renten. Dabei sind die privaten Ausgaben (hellgrau) den öffentlichen (dunkelgrau) gegenübergestellt. Die Länder sind
absteigend nach den Gesamtausgaben geordnet.
——————
47 In Deutschland waren Kapitallebensversicherungen bis Ende der 1990er Jahre die
häufigste und wichtigste private Altersvorsorge, die mit Steuererleichterungen gefördert
wurde. Für die Selbstständigen waren sie sogar meist die alleinige Altersvorsorge
(Börsch-Supan 2004). Dennoch sind auch im OECD-Vergleich die deutschen Beiträge
zu Lebensversicherungen im hinteren Mittelfeld und geringer als in den USA und
Schweden (eigene Berechnung basierend auf OECD 2009a).
112
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Abbildung 3: Öffentliche und private Rentenauszahlungen in ausgewählten OECD
Ländern in Prozent des BIP, 2006
öffentlich
Italien
Österreich (1)
Schweiz
Deutschland (2)
Großbritannien
Polen
Finnland 1.1
Belgien
Niederlande
Dänemark
Schweden
Portugal
Spanien
Ungarn
Tschechien (3)
Australien
Norwegen
Kanada (4)
Neuseeland
Luxemburg (5)
Island 0.4
Korea 1.3
Mexiko 0.7
0
privat
0.3
0.2
12.0
12.1
5.5
6.7
0.1
11.7
3.1
7.5
0.0
10.4
9.2
1.3
8.1
3.6
4.2
5.4
4.8
1.1
1.0
0.6
0.1
0.3
7.7
7.5
7.8
8.1
7.2
3.6
4.4
3.6
3.7
4.0
3.6
0.9
0.2
2
3.7
1.4
2.1
1.5
0.1
4
6
8
Prozent
10
12
14
Quelle: OECD (2009b: Abbildung 1.1)
Anmerkungen: Verwaltungsausgaben sind inbegriffen, die tatsächlichen Rentenleistungen sind also
geringer. 1) Private Auszahlungen beziehen sich nur auf Pensionskassen. 2) Private Auszahlungen
beziehen sich nur auf Pensionskassen und Pensionsfonds. 3) Private Auszahlungen beziehen sich
auf das Jahr 2007. 4) Private Auszahlungen beziehen sich nur auf »trusteed pension funds«.
5) Private Auszahlungen beziehen sich nur auf Rentenfonds, die von der Finanzmarkt Regulierungsbehörde (CSSF) und der Versicherungskommission (Commissariat aux Assurances) beaufsichtigt werden.
Die Rentenauszahlungen weisen ein ähnliches Muster wie bei der Rentenfinanzierung auf. Außerdem wird deutlich, dass neben eher liberalen Wohl-
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
113
fahrtsregimen (u.a. Schweiz, Australien) auch einige sozialdemokratische
Regime (u.a. Island, Finnland, Dänemark) einen großen Anteil privater
Renten – insbesondere Betriebsrenten – aufweisen. Damit kann zwar eine
hohe Relevanz privater Altersvorsorge festgestellt werden, aber nur ein
begrenztes Marktvolumen, weil Betriebsrenten typischerweise weniger
Marktmechanismen aufweisen als individuelle Rentenversicherungen (vgl.
Diskussion S. 105). Laut der Wohlfahrtsregimetheorie (Esping-Andersen
1987; 1990) stellt der insgesamt hohe Anteil privater Rentenleistungen in
skandinavischen Ländern einen Widerspruch zum idealtypischen sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime mit dominanten öffentlichen Rentenversicherungen dar. In den skandinavischen Ländern bewirken aber die
(quasi-)obligatorischen Betriebsrenten den hohen privaten Anteil an der
Rentenproduktion, was ursprünglich von Esping-Andersen (1987) aber
nicht berücksichtigt wurde.
Ein detaillierter Blick auf den Rentenmarkt in Deutschland zeigt einen
relativ geringen Anteil privater Rentenleistungen. Weitere eher konservativ
geprägte Wohlfahrtsstaaten (u.a. Österreich, Italien) vermitteln ebenfalls
das Bild einer Dominanz öffentlicher Rentenversicherungen in konservativen Wohlfahrtsregimen.48
Rentenrücklagen
Im Gegensatz zu den privaten Rentenleistungen sind die Daten über akkumulierte Rücklagen von Rentenfonds vollständiger verfügbar, inklusive
aller Fallstudien (Deutschland, Schweden, USA). Tabelle 4 zeigt die akkumulierten Rentenrücklagen in private Rentenfonds in Prozent des BIP für
verschiedene OECD-Länder.
Die Rentenrücklagen verteilten sich 2007 wieder nach einem länderspezifischen Muster. Die angloamerikanischen Wohlfahrtsstaaten und
diejenigen mit obligatorischen privaten Rentensystemen (vor allem Betriebsrenten) bildeten dabei hohe Rücklagen gemessen am BIP. Die privaten Rentenrücklagen waren also insbesondere in den Ländern hoch, in
denen die Versicherten nur geringe Leistungen aus dem öffentlichen Rentensystem erwarten konnten. Die Rentenmärkte bilden anscheinend ein
funktionales Äquivalent für die fehlende öffentliche Alterssicherung.
——————
48 Ein Vergleich mit den USA ist aufgrund fehlender Daten leider nicht möglich.
114
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Tabelle 4: Anteil privater Rentenrücklagen am BIP (2001, 2007) und Anteil individueller und betrieblicher Renten (2007)
Dänemark
Island
Niederlande
USA
Schweiz
Australien
Kanada
Großbritannien
Finnland
Schweden
Irland
Portugal
Mexico
Polen
Neuseeland
Ungarn
Spanien
Norwegen
Frankreich
Österreich
Tschechien
Slowakei
Deutschland
Belgien
Italien
Durchschnitt
2001
96,0
84,7
102,6
110,5
102,5
75,3
103,9
72,0
56,0
32,4
43,7
11,5
4,3
2,4
14,7
3,9
5,8
5,5
3,8
2,9
2,3
0,0
3,4
5,5
2,2
37,9
2007
140,6
138,3
138,1
125,7
119,2
109,5
103,5
78,9
78,1
57,4
46,6
15,5
12,4
12,2
11,1
10,9
9,0
7,0
6,9
4,8
4,7
4,2
4,1
4,0
3,3
49,8
Wandel
44,6
53,6
35,4
15,2
16,7
34,2
-0,4
6,9
22,1
25,0
2,9
4,0
8,1
9,8
-3,6
7,0
3,2
1,6
3,1
1,9
2,4
4,2
0,7
-1,5
1,0
11,9
individuell
15,5
12,5
betrieblich
84,5
87,5
39,0
61,0
31,8
68,2
5,8
25,0
94,2
75,0
13,5
72,2
98,6
36,3
86,5
27,8
1,4
63,7
53,5
46,5
67,2
32,8
18,8
37,7
81,2
62,3
Quelle: OECD (2009a), Alle Vertragstypen, N = 25 (15), eigene Berechnung.
Anmerkungen: Absteigend sortiert nach Höhe der Rentenrücklagen 2007. Wandel zeigt die Veränderung der Rentenrücklagen in Prozentpunkten 2001–2007. Leere Felder fehlende Werte.
Über sechzig Prozent der Rentenrücklagen waren 2007 in Betriebsrenten
angelegt. Ein zentraler Faktor in diesem Zusammenhang scheinen die
häufig quasi-obligatorischen Betriebsrenten zu sein, die zwangsläufig
insgesamt höhere Rücklagen bilden als freiwillige individuelle Rentenversicherungen.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
115
Im Zeitverlauf zeigt sich in Tabelle 4 ein vergleichbarer Anstieg der
Rentenrücklagen wie bei den privaten Beiträgen zwischen 2001 und 2007.
Es liegt also der Schluss nahe, dass durchschnittlich die Relevanz der
privaten Rentenfonds zugenommen hat. Das Marktvolumen ist also angestiegen.49
Von den drei Untersuchungsfälle weisen – wie auch bei den vorherigen
Finanzierungsindikatoren – die USA das höchste Marktvolumen auf, gefolgt von Schweden und Deutschland. Trotz aller Unterschiede im Marktvolumen ist ein deutliches Wachstum der Rentenmärkte in allen drei Fallstudien festzustellen, das in Schweden am höchsten war. Insgesamt ist also
das Marktvolumen in der Produktionsdimension angestiegen.
Zusammenfassung des internationalen Vergleichs der Rentenmärkte
Der internationale Vergleich der Finanzierungs- und Produktionsdimension zeigte in Bezug auf Rentenmärkte drei wesentliche Ergebnisse.
Erstens sind die Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Rentensystemen der Länder beträchtlich. Die angloamerikanischen Wohlfahrtsstaaten haben einen großen Anteil an privater Vorsorge, der steuerlich bezuschusst wird und freiwillig ist. In den skandinavischen und einigen
kontinentalen Staaten (z.B. den Niederlanden und der Schweiz) ist die
private Vorsorge ebenfalls sehr relevant. Dort wird die private Altersvorsorge aber kaum steuerlich begünstigt. Aufgrund der (quasi-) obligatorischen privaten Vorsorge sind keine finanziellen Anreize notwendig. Die
übrigen kontinentalen Staaten vertrauen überwiegend auf öffentliche Systeme und subventionieren die private Vorsorge kaum.
Zweitens zeigen alle Indikatoren, dass ein Anstieg der privaten Vorsorge stattgefunden hat. Die privaten Haushalte investieren mehr in private
Rentenfonds, Steuererleichterungen für private Rentenversicherungen sind
gewachsen und private Rentenfonds weisen höhere Rücklagen auf. Trotzdem sind die Wohlfahrtsmärkte insgesamt nur moderat gewachsen.
Und drittens offenbarte der Vergleich eine Ausgabenkonkurrenz zwischen öffentlicher und privater Vorsorge (Substitutionseffekt). Hohe Steuererleichterung für die private Vorsorge und hohe Rentenrücklagen waren
——————
49 Die Finanzkrise von 2008 ist hier jedoch noch nicht abgebildet, sodass unklar ist welchen Einfluss die Krise auf die Rücklagen hatte. Aktuelle Studien legen aber nahe, dass
die Rentenfonds hohe Kapitalverluste durch die Krise abschreiben mussten (Habbard
2011; OECD 2011).
116
WOHLFAHRTSMÄRKTE
eher in Ländern mit schwachen öffentlichen Rentensystemen vorhanden.
Wenn die öffentliche Hand die private Altersvorsorge unterstützt, bleiben
offenbar weniger Ressourcen für ein ausgebautes öffentliches Rentensystem übrig.
In Bezug auf die Fallauswahl bestätigten die verwendeten Indikatoren
die hohe Varianz zwischen den drei Ländern. Deutschland, Schweden und
die USA variieren erheblich sowohl in der gesamtwirtschaftlichen Relevanz
der Wohlfahrtsmärkte, in der Finanzierungsverantwortung des Staates als
auch in der Arbeitsteilung zwischen öffentlicher und privater Hand. Die
drei Länder stehen exemplarisch für sehr unterschiedliche Ausgangsniveaus für die Einführung und das Wachstum von Wohlfahrtsmärkten.
Die USA wiesen – wie zu erwarten für ein liberales Wohlfahrtsregime –
insgesamt das höchste Marktvolumen auf. Unerwartet hoch waren das
Marktvolumen und die Wachstumsraten Schwedens als ein sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime. Schließlich wurde in Deutschland ein relativ
geringes Marktvolumen des Rentenmarktes festgestellt, das auch im Vergleich zu anderen konservativen Wohlfahrtsregimen unterdurchschnittlich
war. Die öffentlichen Rentensysteme weisen zwar einige Ähnlichkeiten auf
(s. Kap. 3.1.2), im Zusammenspiel mit der privaten Vorsorge sind die Unterschiede zwischen den drei Ländern aber beträchtlich.
Der folgende Abschnitt wird sich detaillierter mit dem Wandel der Rentenmärkte in Deutschland, Schweden und den USA auseinandersetzen.
Dabei werden die bereits bekannten Indikatoren um nationale Daten ergänzt, die ermöglichen, ein detaillierteres Bild der Veränderungen zu
zeichnen. Neben dem detaillierteren historischen Vergleich ermöglichen
die nationalen Daten eine zuverlässigere Erhebung des tatsächlichen
Marktvolumens als die vorher herangezogenen OECD-Daten.
4.1.2 Vermarktlichung öffentlicher Rentensysteme in Deutschland,
Schweden und den USA?
Wie Tabelle 2 zu entnehmen ist, sind die Einführungszeitpunkte von
Wohlfahrtsmärkten und deren Reformen zwischen Deutschland, Schweden und den USA sehr unterschiedlich. Die deutsche Riester-Rente und
schwedische Prämienrente wurden Anfang der 2000er Jahre als Ergänzung
zu weiterhin generösen, jedoch gekürzten, öffentlichen Sozialversicherungen eingeführt. In den USA existierten schon seit der Gründung der
öffentlichen Rentenversicherung zusätzliche betriebliche und private Ren-
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
117
tensysteme, die seit den 1970er Jahren einen Wachstumsschub erlebten,
wie Individual Retirement Accounts (seit 1974) und 401(k) Betriebsrenten
(seit 1982). In diesem Abschnitt werden diese Länder detaillierter untersucht und insbesondere die unterschiedliche Entwicklung der privaten
Vorsorge in den letzten 20 Jahren nachgezeichnet. Die folgende Frage
steht damit im Mittelpunkt: Hatten sich die beobachteten Unterschiede der
privaten Rentenmärkte schon in den 1990er Jahren manifestiert oder entwickelten sich die Differenzen erst mit den Reformen der zurückliegenden
zwei Dekaden?
Die Analyse der Wohlfahrtsmärkte im Bereich Altersvorsorge wird um
die Dimension Wahlfreiheit ergänzt, damit zusätzlich zur Finanzierungsund Produktionsdimension auch die Effekte auf Wettbewerb, Anbieter
und Konsumenten untersucht werden können. Die Zunahme von Marktmechanismen in der Altersvorsorge kann auf diese Weise multidimensional
im direkten Ländervergleich gemessen werden.
Finanzierungsdimension – Höhere Beiträge und mehr Kapitaldeckung
Im vorherigen internationalen Vergleich wurde die jeweilige Relevanz der
privaten Vorsorge gemessen in Prozent des BIP analysiert. In diesem Abschnitt steht die Entwicklung der Finanzierung privater Renten im Vergleich zur öffentlichen Rentenversicherung im Vordergrund. Die folgende
Analyse fokussiert deshalb auf die Finanzierungsverantwortung zwischen
Staat, Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dazu werden sowohl gesetzliche
Beitragssätze als auch tatsächlich gezahlte Beiträge einander gegenübergestellt. Der Abschnitt beginnt mit den gesetzlich vorgegebenen Beitragssätzen, darauf folgt eine detaillierte Analyse der tatsächlich gezahlten Beiträge. Insgesamt wird der Abschnitt vor allem belegen, wie der private
Beitragsanteil seit 1990 angestiegen ist, was ein Indiz für ein Wachstum der
Wohlfahrtsmärkte in der Altersvorsorge ist.
Gesetzliche Beitragssätze
Tabelle 5 listet die gesetzlich festgelegten Beitragssätze in Prozent des
Bruttolohns seit 1990 für ausgewählte Jahre auf. Wie bereits aus dem internationalen Vergleich der tatsächlichen Beiträge für Rentenversicherungen
deutlich wurde, ist der gesetzliche Beitragssatz zur öffentlichen Rentenversicherung in den USA erheblich geringer als in Deutschland und Schweden
118
WOHLFAHRTSMÄRKTE
und hat sich seit 1990 auch kaum verändert. Der schwedische Beitragssatz
zur öffentlichen Rentenversicherung wurde seit 1990 mehrmals gesenkt
und näherte sich dem US-amerikanischen Niveau an. Zusätzlich schlägt
aber der obligatorische Beitragssatz zur privaten Prämienrente mit 2,3
Prozent zu Buche.50 In Deutschland ist der öffentliche Beitragssatz im
selben Zeitraum leicht auf 19,9 Prozent gestiegen. Um jedoch das Sicherungsniveau aus dem Jahr 2000 zu halten, wird erwartet, dass die Versicherten zusätzlich vier Prozent ihres Einkommens in die freiwillige
Riester-Rente investieren.
Bei der Gegenüberstellung der privaten Beitragssätze ist zu bedenken,
ob sie freiwillig oder obligatorisch sind und wie flexibel sie variiert werden
können. Lediglich die Beiträge zur schwedischen Prämienrente sind obligatorisch und unveränderlich. In Deutschland gilt hingegen ein gesetzlicher
Mindestbeitragssatz, dieser ist aber freiwillig und den Versicherten steht es
frei, mehr zu investieren.51 Grundsätzlich gilt in den USA, dass die Versicherten meist sehr flexibel und jährlich wechselnd ihren Beitrag einzahlen
können. Die privaten Beitragssätze in Tabelle 5 weisen für die USA zwei
verschieden Werte aus. Bis 2001 wird der maximale Beitragssatz aufgeführt, seitdem existiert keine prozentuale Beitragssatzbegrenzung mehr.52
Deshalb führt die Reihe in Tabelle 5 seit 2002 den durchschnittlichen
Maximalbeitragssatz für Betriebsrenten aus, das heißt die vertraglich definierten Beitragssatzgrenzen. Daran wird deutlich, dass trotz der Abschaffung des gesetzlichen Maximalbeitragssatzes die Vertragsklauseln der Betriebsrenten weiterhin das Marktvolumen begrenzen. Diese Grenze
——————
50 Der schwedische Beitragssatz wird meist mit 18,5 % angegeben, wovon 2,5 % in die
Prämienrente fließen. Dieser Wert bezieht sich aber auf den Nettolohn. Auf die in international gängigere Bruttogröße umgerechnet ergibt sich ein Beitragssatz von 17,21 %.
Auf dieser Grundlage wurden die gesetzlichen Beitragssätze für die öffentliche und private Säule in Tabelle 5 berechnet.
51 Für Geringverdiener gilt ein Mindesteigenbeitrag von 60 € pro Jahr.
52 Bis 2001 existierte in den USA sowohl eine absolute Beitragsgrenze als auch eine prozentuale Beitragssatzgrenze vom Gehalt. Mit dem Economic Growth and Tax Relief
Reconciliation Act of 2001 (EGTRRA) wurden die absoluten Beitragssatzgrenzen beibehalten (vergleichbar mit Fördergrenzen), aber die prozentuale Beitragssatzgrenze wurde abgeschafft. Versicherte mit kleinem Einkommen können somit theoretisch 100 %
ihres Einkommens in eine Betriebsrente investieren, wenn ihr jährliches Einkommen
unter der absoluten Beitragsbemessungsgrenze liegt. Diese Variante kann beispielsweise
für Paare attraktiv sein, bei denen ein Partner nur ein geringes Einkommen hat, aber
eine eigenständige Rente aufbauen möchte.
12,12
16,0
50/33
öffentlich
privat (freiwillig)c
Arbeitgeberanteil
öffentlich/privatd
USA
Quelle: (BMAS 2008c: tab 7.7; ESV 2003: 25; Palmer/Scherman 1993: 54; SSA 2009b)
50/33
16,0
12,4
50/33
16,0
12,4
65,6
95,0
Arbeitgeberanteil
öffentlich und privat
100
2,0
öffentlich
2,0
50/-
20,3
privat (obligatorisch)b
50/-
18,6
1998
18,18
20,45
50/-
18,7
1995
17,86
Schweden
Arbeitgeberanteil
öffentlich/privat
privat (freiwillig)a
öffentlich
Deutschland
1990
50/33
16,0
12,4
59,3
2,3
14,91
50/-
19,3
2000
50/33
16,5
12,4
59,3
2,3
14,91
50/0
1,0
19,1
2002
50/33
17,2e
12,4
59,3
2,3
14,91
50/0
2,0
19,5
2004
50/33
18,3
12,4
59,3
2,3
14,91
50/0
3,0
19,5
2006
59,3
2,3
14,91
50/0
4,0
19,9
2008
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
119
verschob sich jedoch weiter nach oben und ermöglicht den Versicherten,
einen hohen Anteil ihres Einkommens in Betriebsrenten zu investieren.
Tabelle 5: Gesetzliche Beitragssätze zur öffentlichen und privaten Altersvorsorge in
Prozent des Bruttolohns, 1990–2008
120
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Anmerkungen: Beitragssatz in Prozent vom Bruttolohn, Arbeitgeberanteil in Prozent; a) Mindestbeitragssatz, höherer Eigenbeitrag möglich, b) obligatorisch, c) bis 2001 gesetzlicher Maximalbeitragssatz, seit 2002 durchschnittlicher Maximalbeitragssatz von Betriebsrenten (kursiv), kein
Minimum definiert, d) Ein Drittelzuschuss des Arbeitgebers meist bis zu 6 % des Einkommens,
keine gesetzliche Vorgabe, e) 2003.
Wenn davon ausgegangen wird, dass in Deutschland und den USA die freiwilligen Beitragssätze, die zur einer Lebensstandardsicherung als notwendig
erachtet werden, tatsächlich gezahlt werden, ergibt sich folgendes Bild der
zu erwartenden Beitragsbelastung.53 Die gesamte theoretische Beitragsbelastung ist in Deutschland mit 23,9 Prozent des Bruttolohns am höchsten,
gefolgt von den USA mit 18,4 Prozent und am niedrigsten in Schweden
mit 17,21 Prozent. Der Beitragssatzanteil in private Rentenversicherungen
an der gesamten Beitragsbelastung ist hingegen in den USA mit 32,6 Prozent am höchsten. Der Beitragsanteil für private Rentenversicherungen ist
in Deutschland (16,7 %) und Schweden (13,4 %) vergleichsweise gering.
Die relativ hohe Beitragsbelastung in Deutschland und den USA widerspricht der zu erwartenden mittleren beziehungsweise geringen Beitragsbelastung in konservativen beziehungsweise liberalen Wohlfahrtsstaaten.
Theoretisch wäre zu erwarten, dass im sozialdemokratischen Schweden das
generöseste Rentensystem mit den höchsten Beiträgen existiert. Wohlgemerkt sind die privaten Beiträge in Deutschland und den USA freiwillig; sie
werden aber als notwendig erachtet, um eine ausreichende Alterssicherung
aufzubauen. In Schweden ist die obligatorische Beitragsbelastung in den
1990er Jahren stark reduziert worden, wohingegen sie in Deutschland
sogar ohne die zusätzliche Riester-Rente angestiegen ist. Dieses unerwartete Ergebnis des Vergleichs ergibt sich aus der Gesamtbetrachtung der
öffentlichen und privaten Beiträge.
Wenn die öffentlichen und privaten Beiträge getrennt betrachtet werden, fallen zwei Besonderheiten auf:
Erstens beruht die theoretische Gesamtbeitragslast auf der Annahme,
dass die freiwilligen Beiträge in Deutschland und den USA von allen Bürgern entrichtet werden, obwohl sie von individuellen Entscheidungen, der
Profession oder der Branche abhängen. In Schweden besteht diese Wahlfreiheit nicht, denn die privaten Beiträge sind ebenso obligatorisch wie die
öffentlichen. Im Abschnitt Wahlfreiheit werde ich detaillierter auf die Effekte von obligatorischen und freiwilligen Rentenversicherungen eingehen.
——————
53 Betriebsrenten in Deutschland und Schweden werden nicht berücksichtigt, ebenso
wenig wie individuelle Privatrenten in den USA.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
121
Zweitens ist der hohe Anteil der Beiträge für private Rentenversicherungen in den USA äußerst typisch für einen liberalen Wohlfahrtsstaat. Die
niedrigen öffentlichen Beiträge werden durch vergleichsweise hohe private
Beiträge (in diesem Fall ein Drittel der Beiträge) ergänzt, um eine ausreichende Absicherung im Alter zu garantieren.
Außerdem ermöglicht Tabelle 5 zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen zu unterscheiden. In Schweden ist der Arbeitgeberanteil
insgesamt erheblich gesunken. Der Arbeitgeberanteil in der Einkommensund Prämienrente ist identisch, das heißt auch der neue Wohlfahrtsmarkt
wird mit Arbeitgeberbeiträgen finanziert. Die betrieblichen Versorgungssysteme werden jedoch weiterhin zu hundert Prozent von Arbeitgeberbeiträgen finanziert (nicht in Tabelle, s. Sjögren Lindquist/Wadensjö 2006:
185).
In Deutschland und den USA sind die Beträge zur öffentlichen Rentenversicherung unverändert paritätisch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgeteilt. Im Gegensatz zur paritätischen Finanzierung der
öffentlichen Renten beteiligen sich die Arbeitgeber nur geringfügig an der
privaten Vorsorge.
In den USA variieren die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge je
nach Vorsorgeplan. Am häufigsten ist jedoch eine Arbeitgeberzulage von
50 Prozent zu jedem eingezahlten Dollar bis zu einem Beitragssatz von 6
Prozent, das heißt der privat Versicherte trägt zwei Drittel der Beiträge
(McGill u.a. 2005: 380; Vanguard 2008).
Die Riester- und Rürup-Renten werden in Deutschland ausschließlich
von den Arbeitnehmern finanziert. Die steuerliche Förderung der Betriebsrenten (Entgeltumwandlung) ermöglicht einige Zuschüsse der Arbeitgeber.
Der Anteil der Arbeitgeberbeiträge ist bei der Entgeltumwandlung relativ
gering und beträgt maximal rund 20 Prozent der gesamten Beiträge zur
Betriebsrente. Die Entgeltumwandlung bewirkte seit 2002 eine Ausweitung
der Mischfinanzierung und Reduzierung der ausschließlichen Arbeitgeberfinanzierung (Berner 2008: 405–406).54
Die theoretisch zu entrichtenden Beitragssätze zu Rentenversicherungen deuten auf einen Anstieg von Marktmechanismen hin: Erstens ist
der Anteil der Beitragssätze zu privaten Rentenversicherungen angestiegen
und zweitens ist der Anteil der Arbeitnehmer an den gesamten Beitragssätzen leicht angestiegen. Insgesamt ist somit die Erwartung des Gesetz-
——————
54 Anderweitige Betriebsrenten ohne Riester-Förderung wurden nicht berücksichtigt.
122
WOHLFAHRTSMÄRKTE
gebers, dass die Bürger privat für die Alterssicherung vorsorgen, angestiegen.
Tatsächliche Beiträge
Die theoretisch einzuzahlenden Beitragssätze, seien sie nun gesetzlich festgelegt wie in Deutschland und Schweden oder vertraglich festgeschrieben wie
in den USA, beeinflussen zwar die tatsächlich eingezahlten Beiträge, sie
determinieren aber nicht Beitragszahlungen, besonders wenn sie freiwillig
entrichtet werden. Dieser Abschnitt widmet sich deshalb der Frage, wie
viel tatsächlich für die private Vorsorge aufgewendet wird. Der Abschnitt
geht der Frage nach, ob die gesetzlichen Änderungen Auswirkungen auf
die tatsächliche Sparquote hatten. Der Abschnitt wird zeigen, dass die
tatsächlichen Beiträge tendenziell den theoretischen entsprechen, mit Ausnahme von Deutschland. Zusätzlich werden Steuererleichterungen bei den
Berechnungen der tatsächlichen Beiträge berücksichtigt, weil sie wie quasistaatliche Beiträge einbezogen werden können.
Tabelle 6 enthält eine detaillierte Auflistung der tatsächlich geleisteten
Beiträge in private Rentenversicherungen basierend auf den amtlichen
nationalen Statistiken. Die Zahlen beziehen sich in Deutschland ausschließlich auf die förderungsfähigen Produkte im Rahmen der RiesterRente, in Schweden auf die Prämienrente und in den USA auf 401(k) Vorsorgepläne. Die erste Länderzeile gibt die gesamtwirtschaftliche Relevanz
in Prozent des BIP wieder. In der zweiten Zeile werden die privaten Beiträge in Relation zum öffentlichen Rentensystem betrachtet und als Prozent der gesamten Beiträge ausgewiesen. Dieser zweite Indikator misst
somit die Finanzierungsverantwortung. Und schließlich zeigt die dritte
Zeile das Beitragsaufkommen pro Kopf für jedes Land.
Tabelle 6 zeigt deutlich, dass in den USA ist die private Vorsorge mit
Abstand am wichtigsten ist, gefolgt von Schweden und Deutschland. In
allen drei Ländern hat die gesamtwirtschaftliche Relevanz der privaten
Vorsorge im jeweiligen Untersuchungszeitraum zugenommen.
In den USA hat die private Vorsorge eine lange Tradition und war zur
Lebensstandardsicherung stets nötig, was sich im frühzeitig hohen Anteil
der eingezahlten privaten Beiträge widerspiegelt. Der tatsächliche private
Beitragsanteil stimmte in den USA weitgehend mit dem theoretisch erwarteten überein (jeweils rund ein Drittel).
123
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
822 1038 1154 1221
596
172
US $ pro Kopf
396
32,9
32,7
29
28,4
35,4
% Total
23,8
2,4
2,2
1,7
2,3
% BIP
USA
Schweden
Deutschland
32,3
2,8
2,9
2,8
442
389
265
US $ pro Kopf
235
353
11,5
11,3
10,5
12,2
% Total
10,6
0,9
1
% BIP
0,8
0,9
0,9
164
107
64
6
US $ pro Kopf
32
2,5
1,6
0,2
% Total
0,8
< 0,1
% BIP
0,1
0,2
0,3
1975 1990 1995 2000 2002 2005 2006 2007 2008
0,4
Tabelle 6: Tatsächliche Beiträge zur privaten Vorsorge, 1975–2007 (ausgewählte
Jahre)
Quelle: eigene Berechnungen, gerundet (BMAS 2009b: Tabelle 25; DRV 2009; OECD 2009c; SCB
2009: verschiedene Jahrgänge; SSA 2009a: table 4.3, OASIDI; U.S. Department of Labor 2009a:
table A4, verschiedene Jahrgänge).
Anmerkungen: Deutschland: Riester-förderungsfähige Produkte, Schweden: Prämienrente, USA:
401(k) Vorsorgepläne. % Total = Prozent der Beiträge in private Rentenversicherungen von den
gesamten Rentenbeiträgen, US $ pro Kopf = US Dollar pro Einwohner, jährlicher durchschnittlicher Wechselkurs. Für Schweden wurden die privaten Beiträge nur nach 2000 berechnet, weil
vorher die privaten Beiträge nur durch eine Dummy-Variable ermittelt werden konnten, die auf
den gesetzlichen Beitragssätzen basiert. Aus den gesetzlichen Regeln kann geschlossen werden,
dass vor 1994 keine Beiträge für die private Prämienrente existierten. Von 1995 bis 2000 wurden
2 % des Bruttolohns in die private Vorsorge investiert, was in der Beitragsstatistik nicht dokumentiert ist. Ab 2000 wird das private Beitragsaufkommen dokumentiert und sollte theoretisch 13,4 %
aller Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge ergeben.
124
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Detaillierte Untersuchungen der tatsächlichen Beiträge deuten darauf hin,
dass die Abschaffung der maximalen Beitragssatzgrenze nicht zu einer
Erhöhung der Beitragsraten über 16 Prozent geführt hat (Benartzi/Thaler
2007: 86). Insgesamt führte die Abschaffung einer gesetzlichen Maximalbeitragssatzgrenze nicht zu höheren, sondern tendenziell zu niedrigeren
Beitragssätzen.
Als zweiten Effekt der regulativen Vorgaben haben die vertraglich festgelegten Arbeitgeberzuschüsse einen starken auf die tatsächlichen Beiträge.
Im Median beträgt der private Beitrag sechs Prozent und richtet sich nach
der üblichen Förderhöchstgrenze der Arbeitgeber (eigene Berechung,
Vanguard 2008).55 Die meisten Versicherten investieren gerade so viel in
die Betriebsrente, dass die höchsten Arbeitgeberbeiträge garantiert sind.
In Schweden bewirkte die Einführung der obligatorischen Prämienrente einen drastischen Anstieg und hohes Niveau der privaten Beiträge
von Anfang an. Die gesetzliche Beitragssatzregelung wird vermutlich ohne
politische Intervention keinen weiteren substanziellen Anstieg bewirken,
lediglich ein Reifen bis zum theoretisch zu erwartenden Niveau von 13,4
Prozent der gesamten Beiträge, wenn die Übergangsjahrgänge (1938–1953)
pensioniert sind.
Im Vergleich zu Schweden war das Wachstum des Beitragsaufkommens der freiwilligen Riester-Rente in Deutschland relativ gering, die
Wachstumsraten waren aber trotzdem beachtlich. Das Wachstum der
Riester-Rente beruhte auf einer stetig steigenden Versichertenquote (vgl.
Abbildung 7) und den stufenweisen Erhöhungen des gesetzlichen Beitragssatzes. Beispielsweise verdoppelte sich das Beitragsaufkommen zwischen 2005 und 2006. Dieser Anstieg basierte hauptsächlich auf der Einführung der vorletzten Riester-Stufe, als der gesetzliche Beitragssatz von
zwei auf drei Prozent erhöht wurde (vgl. Tabelle 5).
Insgesamt zeigt der Vergleich der theoretischen und tatsächlichen Beiträge, dass Individuen in Wohlfahrtsmärkte investieren, wenn die institutionellen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Die privaten
Beiträge sind hoch wenn sie obligatorisch sind wie Schweden. Außerdem
begünstigt eine hohe Notwendigkeit zur privaten Vorsorge und steuerliche
Förderung wie in den USA hohe Beiträge.
——————
55 Die Daten von Vanguard – einem Anbieter von Betriebsrenten – sind nicht repräsentativ, weil ausschließlich die eigens angebotenen und verwalteten Betriebsrenten analysiert werden.
125
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
Finanzierungsquellen
Der restliche Abschnitt der Finanzierung analysiert die Finanzierungsquelle
der tatsächlichen Beiträge genauer. Die Analyse konzentriert sich auf die
Finanzierungsquellen der tatsächlichen Beiträge, die nach Staat, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeschlüsselt werden, wie in Abbildung 4 gezeigt.
Abbildung 4: Finanzierungsquelle der privaten und öffentlichen Beiträge, 2006
STAATLICH
PRIVAT
Deutschland
Deutschland
Staat
30%
Arbeitgeber
35%
Staat
27%
Arbeitnehmer
61%
Selbstständige
12%
Arbeitnehmer
35%
Schweden
Schweden
Staat
Staat
10%
10%
Arbeitgeber
53%
Arbeitnehmer
36%
Arbeitgeber
53%
Arbeitnehmer
36%
USA
USA
Staat
3%
Staatl. Steuererleichterungen
24%
Arbeitgeber
43%
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
49%
49%
33%
Arbeitnehmer
126
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Quelle: eigene Berechnungen (Adema/Ladaique 2005, aktueller Datensatz direkt von Maxim
Ladaique als Excel-Tabelle erhalten; BMAS 2009b: Tabelle 25; DRV 2009; OECD 2009c; SCB
2009: Jahrgang 2006; SSA 2009a: table 4.A3, OASIDI; U.S. Department of Labor 2009a: table
A4).
Anmerkungen: In Schweden Dummy-Variablen für den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil, die
Berechnung des Anteils basiert auf dem gesetzlichen Beitragssatz. Steuererleichterungen der USA
basieren auf OECD-Daten. USA Privat bezieht sich auf das Jahr 2005 und beinhaltet nur Betriebsrenten (das heißt ohne IRAs, etc.). Deutschland Privat sind Riester-Zulagen (Staat), Beiträge zur
Riester-Rente (Arbeitnehmer) und Basis-Rente (Selbstständige).
Deutschland. Die Deutsche Rentenversicherung wird vom Bund aus allgemeinen Steuermitteln bezuschusst. Abbildung 4 zeigt sehr deutlich, dass
die öffentliche Rentenversicherung in etwa zu je einem Drittel von Staat,
Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert wird.56 Erstaunlich ist, dass
der Staat seinen Finanzierungsanteil auch bei der privaten Riester- und
Rürup-Rente beibehält. Knapp ein Drittel der Beiträge stammen weiterhin
aus öffentlichen Zuschüssen, das heißt mit der Riester- und Rürup-Rente
hat sich der Staat nicht zurückgezogen, sondern behält eine beachtliche
Finanzierungsverantwortung bei.57 Individuell können die staatlichen Zulagenquoten zum Teil noch höher sein als die aggregierten Durchschnittsdaten nahelegen. Beispielsweise erreichten Frauen 2005 eine durchschnittliche Zulagenquote von 42,1 Prozent, aufgrund der Kinderzulagen
und des geringen Mindestbeitrags (Stolz/Rieckhoff 2006: 312).
Das Tortendiagramm zeigt auch, dass die Arbeitgeber nicht mehr an
der Finanzierung der privaten Altersvorsorge beteiligt sind, was bereits
anhand der Analyse der gesetzlichen Beitragssätze zu erwarten war. Als
neue Gruppe tauchen Selbstständige auf, die jedoch seit jeher allein für ihre
Beiträge aufkommen mussten. Da es sich bei den verwendeten Daten um
Aggregatdaten handelt, ist das Tortendiagramm etwas irreführend in Bezug
auf Selbstständige und Arbeitnehmer. 12 Prozent der Beiträge in Riesteroder Rürup-Produkte werden von Selbstständigen entrichtet, die Selbst-
——————
56 Für die Berechnung wurden die Daten der ZfA verwendet, die tendenziell die Zulagen
und Steuererleichterungen unterschätzen, im Vergleich zur Schätzung des Statistischen
Bundesamtes (Rieckhoff u.a. 2010).
57 Die Berechnungen für Deutschland berücksichtigen die steuerliche Absetzbarkeit der
Riester-Beiträge, nicht jedoch die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeitnehmerbeiträge
zur öffentlichen Rentenversicherung. Die individuelle Beitragsquote kann sich also im
staatlichen Tortendiagramm noch zugunsten der Arbeitnehmer verschieben, wenn dieser Finanzierungsmechanismus berücksichtigt wird. Der staatliche Finanzierungsanteil
der Deutschen Rentenversicherung wäre damit noch etwas höher als 30 % anzusetzen.
Mir sind aber keine Datenquellen bekannt, um diese Finanzierungskomponente in der
Berechnung zu berücksichtigen.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
127
ständigen bekommen staatliche Zuschüsse für die Rürup-Rente, finanzieren aber nicht die Riester-Renten der Arbeitnehmer und umgekehrt.
Das Tortendiagramm illustriert deshalb nur den Beitragsanteil der Selbstständigen an allen förderungsfähigen privaten Vorsorgeprodukten.
Dem Tortendiagramm ist nicht zu entnehmen, dass die staatliche Förderung für die Riester- und Rürup-Rente in absoluten Zahlen jährlich gewachsen ist (BMAS 2009b: Tabelle 25), weil die Anzahl der förderberechtigten Versicherten anstieg. Der Finanzierungsanteil des Staates hat
sich dadurch aber nicht verändert.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Finanzierungsverantwortung in Deutschland individualisiert wurde. Die kollektive Verantwortung der paritätischen Finanzierung ist seit 2001 einer individuellen
Verantwortung der Arbeitnehmer gewichen. Erstaunlicherweise blieb die
staatliche Finanzierungsverantwortung auf dem gleichen Niveau, obwohl
der Finanzierungsmechanismus verändert wurde.
Schweden. Das schwedische Tortendiagramm aus Abbildung 4 zeigt, dass im
neuen schwedischen Rentensystem zehn Prozent der Beiträge aus dem
Steueraufkommen finanziert werden.58 Die staatlichen Beiträge finanzieren
vor allem die sogenannten »Kinderjahre«, das heißt die Zeit in der Eltern
ihre Kleinkinder pflegen und erziehen (Köppe 2007: 179). Im alten ATPRentensystem betrug dieser Anteil noch 21,6 Prozent (1995). Zwei Aspekte sind erstaunlich für einen sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat.
Erstens wird, obwohl eine stärkere öffentliche Förderung der öffentlichen Rentenversicherung zu erwarten wäre (vgl. Esping-Andersen 1990),
die private und öffentliche Altersvorsorge gleich behandelt. Im sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat Schwedens sind keine Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Finanzierung festzustellen, was auf eine
Gleichbehandlung beider Rentenversicherungstypen hindeutet.
Zweitens wird die Rentenversicherung nicht direkt mit staatlichen Pauschalbeiträgen bezuschusst, sondern individuell und durch Einkommenssteuererleichterungen. Die individuelle staatliche Förderung erfolgt indem
——————
58 Die Finanzierung der schwedischen Grundrente bleibt im staatlichen Tortendiagramm
unberücksichtigt, weil sie nicht beitragsfinanziert ist. Wenn sie berücksichtigt wird, würde sich der staatliche Anteil erhöhen. Ich habe jedoch darauf verzichtet, weil dann auch
die deutsche Grundsicherung im Alter berücksichtigt werden müsste. Um eine höhere
Vergleichbarkeit zu erreichen, wurden deshalb nur die beitragsfinanzierten öffentlichen
Rentenversicherungen in Abbildung 4 berücksichtigt.
128
WOHLFAHRTSMÄRKTE
der Staat die Rentenbeiträge für pflegende Eltern in die öffentliche und
private Rentenversicherung einbezahlt. Außerdem sind alle Rentenbeiträge
einkommenssteuerfrei (s. Fußnote 46), das heißt sowohl Beiträge in die
öffentliche Einkommens- und private Prämienrente.
Zusammenfassend zeigt der schwedische Fall eine unerwartete Verteilung der Finanzierungsverantwortung für einen sozialdemokratischen
Wohlfahrtsstaat, weil die staatliche Förderung insgesamt gering erscheint
und öffentliche und private Vorsorge auf die gleiche Art und Weise finanziert werden.
USA. Die Tortendiagramme der USA zeigen einen erwartet geringen staatlichen Beitragsanteil bei der öffentlichen Rentenversicherung (OASDI).
Das öffentliche Rentensystem ist größtenteils von öffentlicher Finanzierung unabhängig, was politisch intendiert ist (Béland 2005b; Hacker
2004). Im Kontrast dazu sind die privaten Rentenversicherungen hochgradig staatlich subventioniert. Die enormen Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Rentenversicherungen können bei den Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteilen nicht nachgewiesen werden; sie beteiligen sich
in etwa zu gleichen Teilen sowohl bei den öffentlichen als auch bei den
privaten Rentenbeiträgen. Eine eingehendere Untersuchung der aggregierten privaten Rentenversicherungsbeiträge offenbart jedoch weitere
Unterschiede im Zeitverlauf:
Erstens besteht eine hohe Varianz des Arbeitgeberanteils je nach
Rentenversicherungstyp. Außerdem ist der Arbeitgeberanteil bei den privaten Rentenversicherungen seit 1970 stark gesunken. Die aggregierte und
punktuelle Auswertung des Jahres 2006 täuscht darüber hinweg, dass große
Unterschiede zwischen Betriebsrenten mit Leistungszusage (DB) und Beitragsorientierung (DC) bestehen. Bei den alten Betriebsrenten mit Leistungszusage trägt der Arbeitgeber weiterhin fast hundert Prozent der Beiträge. Die neueren und mittlerweile häufigeren beitragsorientierten
Betriebsrenten waren Anfang der 1990er Jahre noch zu fünfzig Prozent
von den Arbeitgebern finanziert. Der Arbeitgeberanteil ist seitdem aber auf
37 Prozent gesunken, was in etwa dem bereits erwähnten und üblichen 50prozentigen Arbeitgeberzuschuss für die geleisteten Arbeitnehmerbeiträge
entspricht. Außerdem beziehen sich die Daten nur auf betriebliche Rentenpläne, denn Individual Retirement Accounts, bei denen überhaupt keine
Arbeitgeberbeiträge vorgesehen sind, werden von der Beitragsstatistik
nicht erfasst. Der tatsächliche durchschnittliche Arbeitgeberanteil aller
129
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
privaten Rentenversicherungen ist also vermutlich noch viel geringer als in
Abbildung 4 angegeben. Alles in allem müssen die Arbeitnehmer einen
immer höheren Beitragsanteil aufwenden, wodurch das Risiko der Altersvorsorge individualisiert wird (Hacker 2006).
Abbildung 5: Arbeitgeberbeiträge zur öffentlichen (OASDI) und privaten Altersvorsorge in Prozent des Bruttolohns, USA (1948–2009)
7
6
Prozent
5
4
3
2
Arbeitgeberbeiträge
zu Betriebsrenten
1
Arbeitgeberbeiträge
zu OASDI
0
1948
1958
1968
1978
Jahr
1988
1998
2008
Quelle: eigene Berechnung (BEA 2012).
Trotz des Rückgangs der Arbeitgeberbeiträge muss erwähnt werden, dass
die Arbeitgeberbeiträge in die private Altersvorsorge weiterhin substanziell
sind im Vergleich zu den Arbeitgeberbeiträgen in die öffentliche Rentenversicherung (OASDI). Abbildung 5 zeigt die prozentualen Arbeitgeberbeiträge sowohl zur öffentlichen als auch zur privaten Altersvorsorge.
Entgegen dem in der Literatur betonten Rückgang der Arbeitgeberfinanzierung (Clark/Mitchell 2005; Hacker 2002) sind die Arbeitgeberbeiträge weiterhin enorm wichtig. Wohlgemerkt sind in Abbildung 5
Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors zusammengefasst, vor
allem erstere profitieren weiterhin von hohen Betriebsrenten mit Leistungszusage. Insgesamt wird auch deutlich, dass traditionell weitaus mehr
Arbeitgeberbeiträge in die Betriebsrenten fließen als in die öffentliche
Rentenversicherung (OASDI) und zwar schon seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die betriebliche Altersvorsorge war von Anfang an viel wichtiger als die
130
WOHLFAHRTSMÄRKTE
öffentliche Rentenversicherung. Das ist ein weiteres Indiz für die frühe
Gründung und Einbettung der betrieblichen Altersvorsorge in das Rentensystem der USA. Die USA sind dadurch ein Pionier der Rentenmärkte und
weisen deshalb auch das höchste Marktvolumen auf.
Zweitens ist der Anteil der Steuererleichterungen für private Rentenversicherungen seit 1993 leicht gesunken (von 28 auf 24 Prozent). Die
Versicherten entrichteten folglich höhere Beiträge, was auf eine Privatisierung der Finanzierungsverantwortung hindeutet. In Anbetracht der weiterhin vergleichsweise hohen staatlichen Steuererleichterungen ist dieser Anstieg allerdings zu relativieren.
Drittens zeigt die Aufschlüsselung nach verschiedenen Rentenvorsorgeplänen, dass im Zeitverlauf unterschiedliche Anlageformen besonders
beliebt sind und steuerlich gefördert werden. Beispielsweise sind die
Steuererleichterungen für Individual Retirement Accounts (IRAs, 1993–
2005, -85 %) und 401(k)-Betriebsrenten rückläufig, lediglich die Steuervergünstigungen für Keogh-Vorsorgepläne stiegen im selben Zeitraum um 56
Prozent an (Berechnungen basieren auf Adema/Ladaique 2005).
Alles in allem wird deutlich, dass private Rentenversicherungen in den
USA durch staatliche Beiträge weitaus stärker unterstützt werden als die
öffentliche Rentenversicherung. Außerdem konnte in der Zeitreihenanalyse beobachtet werden, dass der Anteil der Arbeitnehmerbeiträge zu
den privaten Rentenversicherungen angestiegen ist, was ein weiteres Indiz
für eine Expansion von Marktmechanismen ist.
Vergleich. Insgesamt sind die jeweiligen Finanzierungsanteile von Staat, Arbeitgebern und Arbeitnehmern in allen drei Ländern sehr unterschiedlich.
Dabei gibt der institutionelle Rahmen vor, welche Beiträge entrichtet
werden müssen. Öffentliche Zuschüsse für die private Vorsorge werden
eingesetzt, um Investitionsanreize in freiwilligen Wohlfahrtsmärkten zu
schaffen. Ebenso existieren Anreize oder explizite Regeln, welchen Beitragsanteil Arbeitgeber und Arbeitnehmer entrichten.
Der Vergleich zeigt auch, dass sich der Staat nicht gänzlich aus der
Finanzierungsverantwortung bei privaten Rentenversicherungen zurückzieht, sondern teilweise sogar mehr öffentliche Mittel aufwendet als für die
öffentliche Rentenversicherung. Tendenziell müssen Arbeitnehmer einen
größeren Anteil an den Beiträgen schultern als noch Anfang der 1990er
Jahre.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
131
Kurzum: die Finanzierungsdimension bestätigte die Grundannahme
von wachsenden Rentenmärkten und beträchtlichen Unterschieden zwischen Deutschland, Schweden und den USA.
Produktionsdimension – Private Rentenversicherung auf dem Vormarsch
Dieser Abschnitt widmet sich nun der Produktionsdimension der drei
Rentenmärkte in Deutschland, Schweden und den USA. Im Blickpunkt
steht, ob sich die Ergebnisse der Finanzierungsdimension auch in der Produktionsdimension bestätigen. Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt: Können dieselben Länderunterschiede in der Produktionsdimension identifiziert werden? Und zeigen die Produktionsindikatoren der Rentenmärkte
ein ähnliches Wachstum in den drei Ländern wie in der Finanzierungsdimension?
Der historische Vergleich konzentriert sich auf zwei Indikatoren. Erstens werden die angesparten Rentenrücklagen im Zeitverlauf betrachtet
und zweitens die Entwicklung der Versichertenzahlen. Auf eine historische
Analyse der Ausgabendaten, das heißt der ausgezahlten privaten und
öffentlichen Renten, wird hier verzichtet, weil kurzfristig keine wesentlichen Veränderungen zu erwarten sind. Die jüngsten Reformen in
Deutschland und Schweden haben zwar zu neuen Versicherten geführt, sie
werden jedoch erst nach einigen Jahren zu neuen Leistungsempfängern
führen, die auch die privaten Ausgaben erhöhen würden (z.B. BMAS
2009b: 277). Angesparte Rentenrücklagen und die Anzahl der Versicherten
sind sensiblere Indikatoren, um eine Vermarktlichung der Produktion
zeitnah zu messen.
Rücklagen privater Rentenfonds
Im Vergleich der drei Länder reichen die dokumentierten Rentenrücklagen
maximal bis ins Jahr 1985 zurück. In Abbildung 6 sind die Rentenrücklagen in Prozent des BIP für den Zeitraum 1985–2007 angegeben:
Deutschland rangiert seit Erhebungsbeginn auf vergleichsweise geringem Niveau. Trotzdem betrug die jährliche Wachstumsrate 3,9 Prozent.
Der Anstieg der Rücklagen in Deutschland wirkt im Vergleich zu den USA
und Schweden vergleichsweise gering (Abbildung 6), nominal beutet der
Anstieg von 1,3 Prozentpunkten des BIP immerhin ein Volumen von 32
Milliarden Euro, die jährlich zusätzlich angelegt wurden.
132
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die USA nehmen bei den Rentenrücklagen eindeutig eine Vorreiterrolle der privaten Vorsorge ein und können als Pionier bei der Schaffung
von Rentenmärkten bezeichnet werden (vgl. Köppe 2008: 15). Bereits vor
der großen Privatisierungswelle öffentlicher Dienstleistungen Ende der
1980er Jahre, verzeichneten die USA erhebliche private Rentenrücklagen,
die mehr als 50 Prozent des BIP ausmachten. Seitdem sind die Rücklagen
stetig angewachsen und erreichten ihren Höchststand bereits während der
Spekulationsblase im Zuge des Internetbooms Ende der 1990er Jahre.
Trotz dieser Schwankungen war die jährliche Wachstumsrate über den
gesamten Zeitraum in den USA mit 5,8 Prozent etwas höher als in
Deutschland. Wie stark die Rücklagen nach der Weltfinanzkrise 2008 gesunken sind, kann den hier präsentierten Zahlen noch nicht entnommen
werden (vgl. OECD 2011).
0
50
Prozent
100
150
Abbildung 6: Private Rentenrücklagen in Prozent des BIP, 1985–2007
1985
1990
Deutschland
1995
Jahr
2000
Schweden
2005
USA
Quelle: OECD (2009a), Alle Vertragstypen.
Anmerkungen: Veränderung in Deutschland 1995–2007 von 2,8 auf 4,1 %.
Die höchsten Wachstumsraten der privaten Rentenrücklagen sind in
Schweden zu beobachten. Die privaten Rücklagen stiegen seit 1995 jährlich
um 18,6 Prozent an. Obwohl die Wachstumsraten in Schweden am höchs-
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
133
ten sind, war das Ausgangsniveau 1995 geringer als in den USA. Der Vergleich der schwedischen und US-amerikanischen Zeitreihen deutet auf ein
paralleles Wachstum hin, ohne dass Schweden die USA mittelfristig einholen wird. Wegen der geringen Wachstumsraten der deutschen Rücklagen
sind die Unterschiede zwischen Schweden und Deutschland seit 1995
deutlich größer geworden.
Weder in Deutschland noch in Schweden hatte die Gründung der
Wohlfahrtsmärkte Anfang der 2000er Jahre (Prämien- bzw. Riester-Rente)
offensichtliche Auswirkungen auf die Rücklagen privater Rentenfonds. Die
im Datensatz erhobenen Rücklagen beziehen sich demnach überwiegend
auf andere private Vorsorgeformen wie zum Beispiel Betriebsrenten oder
Lebensversicherungen. Ebenso sind die Zinseszinseffekte am Anfang der
Sparphase noch nicht so deutlich spürbar, wie kurz vor der Auszahlung des
Rentenkapitals.
Im Vergleich zu den privaten Rücklagen stiegen auch die Rücklagen
öffentlicher Rentenfonds an. In Schweden stiegen sie seit 2001 von 24,4
auf 31,7 Prozent des BIP an und in den USA von 12,0 auf 16,6 Prozent
(OECD 2009a, eigene Berechnung). Der demografische Wandel belastete
bisher weder die privaten noch die öffentlichen Rücklagen. Erst wenn die
Babyboomer-Generation in Rente geht, wird von einem Abschmelzen der
Rücklagen ausgegangen, was in beiden Ländern ab 2010 zu erwarten ist
(Diamond 1999; SOU 1994:20).
In Deutschland wurden weder private noch öffentliche Rücklagen gebildet, um den demografischen Wandel abfedern zu können.59 Im Gegensatz dazu wurden in Schweden und den USA beachtliche öffentliche und
private Rentenrücklagen gebildet, um die Renten zukünftiger Rentnergeneration auszuzahlen.
Versicherte in öffentlichen und privaten Rentenversicherungen
Anhand der Versichertenzahlen lässt sich ein viel stärkerer Wachstumseffekt der neuen schwedischen und deutschen Rentenmärkte ablesen, weil
sie zeitnaher Veränderungen abbilden als die langsame Akkumulation von
Rentenkapital. Abbildung 7 zeigt die Versicherten der öffentlichen (Linien)
——————
59 Die Schwankungsreserve der Deutschen Rentenversicherung ist gesetzlich auf Rücklagen im Gegenwert von Rentenleistungen für zwei Monate begrenzt (Heiss 2003) und
somit eher ein konjunktureller Ausgleichsfonds als eine generationsübergreifende Rücklage.
134
WOHLFAHRTSMÄRKTE
und privaten (Markierungszeichen) Rentenversicherungen in Prozent der
Bevölkerung.
60
40
20
0
Versichertenquote in Prozent
80
Abbildung 7: Versicherte mit der öffentlichen und privaten Rentenversicherungen in
Prozent der Bevölkerung, 1980–2008
1950
1960
1970
1980
Jahr
1990
2000
Deutschland privat
Schweden privat
USA privat
Deutschland öffentlich
Schweden öffentlich
USA öffentlich
2010
Quelle: (BMAS 2008c; 2009a; FK 2009; PPM 2009b; SSA 2009a; U.S. Census Bureau 2009: table
533), eigene Berechnungen.
Anmerkungen: Linien öffentliche Rentenversicherung, Markierungszeichen private Rentenversicherung, in Deutschland wurde 1983 und 1993 die Berechnungsgrundlage verändert.
In den USA und Deutschland ist die private Quote nicht um Personen mit zwei Verträgen bereinigt, das heißt die tatsächliche Quote ist etwas geringer. Allerdings werden in den USA nur
Betriebsrenten und in Deutschland nur Riester-Verträge berücksichtigt.
Schweden weist sowohl bei der öffentlichen als auch bei der privaten Rentenversicherung die höchste Versichertenquote auf, gefolgt von den USA
und Deutschland mit der geringsten.
Die öffentliche Rentenversicherung Schwedens weist traditionell eine
universelle Versichertenquote auf, weil alle Bürger pflichtversichert sind
(SCB 2009: 83). In den USA wuchs der Versichertenkreis seit der Einführung der öffentlichen Rentenversicherung (Social Security 1935) ständig an
und umfasst derzeit rund 95 Prozent der Erwerbstätigen beziehungsweise
knapp 70 Prozent der Bevölkerung (Murswieck 2004: 652). Aufgrund des
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
135
statusbezogene Rentensystems ist die deutsche Versichertenquote relativ
gering, denn Selbstständige und Beamte sind von der Deutschen Rentenversicherung ausgeschlossen.
In Bezug auf die private Altersvorsorge heben sich die USA wieder als
Pionier privater Vorsorgeformen ab. Die Versichertenquote der privaten
Betriebsrenten hat sich in den USA von 1975 bis 2005 verdoppelt
(Abbildung 7). Aber auch der Anteil der Haushalte mit einer individuellen
Rentenversicherung (IRA) stieg in den USA zwischen 2000 und 2007 von
35,7 auf 39,8 Prozent (nicht in obiger Abbildung aufgeführt, siehe SSA
2009a: table 535). Hier ist also – parallel zur betrieblichen Absicherung –
ein Markt entstanden, bei dem die Versicherten mehr Freiheiten bezüglich
der Auswahl ihrer Absicherung haben. Viele Versicherte, die Ansprüche
auf eine Betriebsrente erwerben, haben auch einen IRA abgeschlossen,
weshalb die private Versichertenquote bei rund 50–60 Prozent liegen dürfte. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass rund 40–50 Prozent der Versicherten allein auf die öffentliche Rentenversicherung angewiesen sind;
was für die Betroffenen bedeutet, eine Rente nahe dem Existenzminimum
zu beziehen (s.a. Midgley 2009).
Die Anzahl der Privatversicherten schnellte in Schweden und Deutschland nach der Einführung der Prämien- und Riester-Rente nach oben.60 In
Schweden stieg die Versichertenquote aufgrund der obligatorischen Prämienrente weitaus stärker an als in Deutschland mit der freiwilligen
Riester-Rente. Die schwedischen Versichertenzahlen überflügelten trotz
der späteren Einführung sogleich die US-amerikanischen Versichertenquoten. Auf lange Sicht wird das Obligatorium der Prämienrente zu einem
Angleichen der öffentlichen und privaten Versichertenquote in Schweden
führen.
In Deutschland ist die private Versichertenquote im Vergleich zu
Schweden und den USA am geringsten. Ende 2008 hatten rund 18 Prozent
der Bevölkerung einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Zwar verzeichnet
die Riester-Rente seit der Einführung hohe Wachstumsraten und die Popularität der Riester-Vorsorge ist weiterhin ungebrochen. Beispielsweise sind
trotz der Weltfinanzkrise 2008 die Versichertenzahlen auch im Krisenjahr
2009 weiter angestiegen (BMAS 2009a). Trotzdem hätte bei gleichbleibender Wachstumsrate erst 2017 die Hälfte der Pflichtversicherten
(also ein Drittel der Bevölkerung) einen Riester-Vertrag abgeschlossen. Die
——————
60 Zu Betriebsrenten siehe Oesch (2008).
136
WOHLFAHRTSMÄRKTE
geringe private Versichertenquote birgt das Risiko, dass viele Pflichtversicherte im Rentenalter keine ausreichende Alterssicherung aufweisen
können.
Bezogen auf den Zeitraum seit 2002 ist deutlich zu erkennen, dass
Länder mit einer hohen öffentlichen Versichertenquote auch eine hohe
private Versichertenquote aufweisen. Daraus folgt, dass der Inklusionsgrad
der privaten Rentenversicherung dem Muster der öffentlichen entspricht,
wenn eine staatliche geförderte private Säule existiert.
Ungeachtet der unterschiedlichen Grade der Vermarktlichung in den
untersuchten Ländern zeichnete sich in allen Ländern ein Trend zu Wohlfahrtsmärkten in der Alterssicherung ab. Die privaten Beiträge, die Rücklagen und die Versichertenzahlen sind gewachsen. Hohe Wachstumsraten
waren vor allem dann festzustellen, wenn regulative Eingriffe vorgenommen wurden, wie die Einführung neuer Wohlfahrtsmärkte in Deutschland und Schweden (Riester-/Prämienrente) oder die Ausweitung des Versichertenkreises.
Der historische Vergleich zwischen Deutschland, Schweden und den
USA offenbarte auch, dass die USA ein Pionier der privaten Altersvorsorge
waren, weil schon nach dem Zweiten Weltkrieg private Rentenversicherungen immer wichtiger wurden (Hacker 2002; Hacker/Pierson 2004). In
Schweden und Deutschland waren private Rentenversicherungen in verschiedenen Formen wie Betriebsrenten oder Lebensversicherungen auch
schon vor den 2000er Jahren relevant. Das große Wachstum setzte aber
2001 in Schweden beziehungsweise 2002 in Deutschland mit der Einführung neuer Rentenmärkte ein.
Der internationale und historische Vergleich der Finanzierung und
Produktion der Rentenmärkte bestätigte also die Grundannahme (1), dass
Wohlfahrtsmärkte in der Alterssicherung an sozialpolitscher Relevanz
zugenommen haben. Der folgende Abschnitt wird nun untersuchen, ob
auch die Wahlfreiheit auf den Wohlfahrtsmärkten ausgeweitet wurde.
Wahlfreiheit – Die Qual der Wahl
Dieser Abschnitt wird zunächst die Wahloptionen der Rentenmärkte in
Deutschland, Schweden und den USA erheben. Im zweiten Schritt wird
das tatsächliche Wahlverhalten anhand einiger ausgewählter Studien diskutiert.
137
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
Wahloptionen Rentenversicherungen
Die vorhandenen Wahloptionen werden nach dem Analyseraster aus den
methodischen Überlegungen (s. S. 100) nach Marktzugang, Wahloptionen
und Wechseloptionen hin dargelegt. Auf die Ausstiegsoption wird im
Rahmen des Marktzugangs eingegangen, weil sie meist einander bedingen.61 Tabelle 7 fasst die Ergebnisse aller Wahloptionen für individuelle
und betriebliche Rentenversicherungen zusammen.
Tabelle 7: Überblick Wahloptionen
Wahloptionen
individuelle Rente
Marktzugang
Wahloption
Wechseloption
Betriebsrente
Marktzugang
Wahloption
Wechseloption
Deutschland
Schweden
USA
freiwillig (Opt-in)
hoch
hohe Transaktionskosten
obligatorisch
hoch
keine Transaktionskosten (2001–2009),
seit 2010 Wechselgebühren
freiwillig (Opt-in)
hoch
Übertragung
möglich
Opt-out (Opt-in)
meist keine
keine
Opt-out
Opt-within
Fondswechsel ohne
Transaktionskosten,
kein Wechsel zwischen Betriebsr.
Opt-out / Opt-in
Opt-within
Übertragung
möglich
Quelle: eigene Darstellung.
Marktzugang und Marktaustieg
Der Marktzugang ist nur bei der schwedischen Prämienrente obligatorisch.
Die deutsche Riester-Rente und die US-amerikanischen individuellen Rentenversicherungsoptionen (u.a. IRAs, Keogh plans) sind ausschließlich
freiwillig (Opt-in). Beim Marktzugang besteht in Schweden also keine
Wahloption, wohingegen in Deutschland und den USA ein hoher Grad an
Wahlfreiheit besteht.
——————
61 Für diese Studie konnten keinen vergleichbaren Indikatoren für Kosten des Marktaustiegs gefunden werden (z.B. Kündigungsgebühren), weshalb dieser Aspekt der
Wahloptionen nicht berücksichtigt wird.
138
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Betriebsrenten sind in allen drei Ländern häufig quasiobligatorisch, weil die Versicherung automatisch erfolgt und ein bewusster
Austritt zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen müsste (Optout). In Schweden haben über 90 Prozent der Erwerbstätigen Zugang zu
quasi-obligatorischen Betriebsrenten (Sjögren Lindquist/Wadensjö 2006).
Auch in den USA ist eine Zunahme von quasi-obligatorischen Betriebsrenten zu verzeichnen (Madrian/Shea 2001; Munnell u.a. 2001;
Thaler/Benartzi 2004; Vanguard 2008). Deutsche Betriebsrenten waren bis
Ende der 1990er Jahre überwiegend obligatorisch oder quasi-obligatorisch.
Mit der Rentenreform von 2001 wurden auch freiwillige betriebliche Rentenversicherungsvarianten (z.B. Entgeltumwandlung) eingeführt (Berner
2008; Ebbinghaus u.a. 2011; Oesch 2008).
Wahloptionen
Individuelle Rentenversicherungen. Für Deutschland und Schweden ist die Anzahl der lizenzierten Produkte in Abbildung 8 aufgeführt.62
In Deutschland waren Anfang 2009 rund 4000 Produkte von 1890
Anbietern zugelassen (Produktanzahl dicke durchgehende Linie in
Abbildung 8). Seit der Einführung der Riester-Rente haben aber schon
über 2000 Anbieter auf dem Markt agiert und über 4300 verschiedene
Produkte angeboten. Jeder Anbieter hat sich also mit rund zwei Produkten
auf dem Rentenmarkt platziert.
Eine genauere Analyse des deutschen Datensatzes zeigt, dass sich die
Menge der lizenzierten Produkte und Anbieter verringert, wenn nur die
Produktnamen erfasst werden. Sparkassen und andere Bankverbünde sind
in der Datenbank jeweils mit ihren regionalen Vertretungen aufgeführt, sie
vermarkten aber ein national/regional einheitliches Produkt. Eine genaue
Aufschlüsselung der Produktnamen zeigt, dass die Altersvorsorgeprodukte
der Bankverbünde überwiegend die gleichen Produktnamen verwenden.
Beispielsweise vermarkten die bayerischen Sparkassen Riester-Sparpläne als
RentePlus. Trotz des einheitlichen Marken- und Lizensierungsnamens der
bayerischen Sparkassengruppe differieren die Zinssätze und Vertragskonditionen erheblich zwischen den einzelnen bayerischen Sparkassen
(Finanztest 2005: 32). Andere in der Zertifizierungsliste aufgeführte Namen wie »Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (Bankguthaben mit Zinsansammlung) (Referenzzins)« werden von mehreren
——————
62 Für die USA existieren keine vergleichbaren Daten zur Anzahl der lizenzierten Rentenpläne oder Anbieter.
139
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
sehr unterschiedlichen Banken und Versicherungen benutzt. Einige der
Angebote sind regional begrenzt, andere werden bundesweit angeboten,
was zu erheblichen regionalen Ungleichheiten führt. Der Marktzugang ist
zwar für alle gleich, aber nicht alle Bürger haben Zugang zum gleichen
Angebot.
Abbildung 8: Anzahl der lizenzierten privaten Rentenversicherungen, 2000–2009
4000
3500
Anzahl
3000
2500
2000
1500
1000
500
2000
2002
Deutschland
2004
Jahr
2006
2008
Deutschland Produktnamen
2010
Schweden
Quelle: eigene Berechnungen (BaFin 2009; PPM 2009b).
Anmerkungen: Die dicke durchgehende Linie gibt Anzahl aller deutschen Riester-Produkte an, die
pro Jahr auf dem Markt zugelassenen waren. Die Anzahl der Produktnamen (–···–···) gibt alle
verwendeten Produktnamen wieder, als Näherungswert für die tatsächlichen Wahloptionen (Details siehe Text).
Basierend auf diesen Überlegungen zur tatsächlichen Produktvielfalt kann
eine alternative jährliche Produktanzahl berechnet werden, die sowohl die
regional vorhandenen Wahloptionen als auch die vom Konsumenten
wahrgenommen Marken und somit Produktoptionen genauer abbildet. In
Abbildung 8 ist diese genauere Erhebung der Wahloptionen als Anzahl der
Produktnamen angegeben (–···– Deutschland Produktnamen).63 Die An-
——————
63 Die Berechnung der Produktnamen mit dem BaFin-Datensatz ist aufgrund der Struktur
des Datensatzes anfällig für Fehler. Die Beobachtungen sind in dem BaFin-Datensatz als
140
WOHLFAHRTSMÄRKTE
zahl aller jemals angebotenen Riester-Produkte reduziert sich dann auf 502.
Einige dieser Produkte sind wieder vom Markt verschwunden, sodass
jährlich knapp 300 Riester-Produkte unter gleichem Namen angeboten
wurden. Im Vergleich zu den 4000 lizenzierten Produkten wirkt die Anzahl
der Produktnamen übersichtlicher für den Konsumenten. Aber selbst
unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede und Marketingstrategien
stehen den deutschen Konsumenten sehr viele Wahloptionen zur Verfügung. Da die Berechnung der Produktnamen nur ein Näherungswert der
tatsächlichen Produktvielfalt darstellt, beziehen sich die folgenden Ausführungen ausschließlich auf die komplette Anzahl der Riester-Produkte (und
-Anbieter), die als dicke durchgehende Linie in Abbildung 8 angegeben ist.
Der direkte Vergleich des Angebots zwischen Schweden und Deutschland zeigt, dass die Wahloptionen in Deutschland viel größer sind als in
Schweden. Dennoch gelten beide Märkte als unübersichtlich, weil individuell das Angebot von über 800 schwedischen beziehungsweise über 4000
deutschen Rentenversicherungen und -fonds kaum überblickt werden kann
(Hagen/Reisch 2010; Schwartz 2004). Selbst professionellen Verbraucherorganisationen, die Produktvergleiche anstellen, ist es schier unmöglich
einen vollständigen Überblick über die Wahloptionen zu erlangen und das
beste Produkt auf dem Markt herauszufiltern (beispielsweise Finanztest).64
Die hohe Anzahl der Wahloptionen erschwert deshalb individuell eine
optimale Entscheidung zu treffen.
Im Zeitverlauf erscheint das Produktangebot seit der Einführung der
Rentenmärkte in Deutschland und Schweden relativ stabil und steigt in
beiden Ländern nur leicht an. Vier bis fünf Jahre nach der Einführung der
schwedischen Prämienrente und der deutschen Riester-Rente ist ein kleiner
Einbruch des Angebots festzustellen, um anschließend weiter anzusteigen.
In beiden Ländern gab es zu diesem Zeitpunkt kleine Änderungen der
Zertifizierung, die offensichtlich dazu führten, dass einige Produkte – anstatt an die neuen Vorgaben angepasst zu werden – vom Markt genommen
wurden. Anschließend haben die Anbieter aber mehr Versicherungsprodukte angeboten als vor den Änderungen.
——————
String-Variablen gespeichert, wodurch minimale Rechtschreibfehler oder Namensergänzungen die Berechnung verzerren.
64 Der einzige Unterschied ist, dass die schwedischen Versicherten umfassende und unabhängige Informationen von der öffentlichen Rentenbehörde zu den einzelnen Rentenfonds bekommen. Die Versicherten erhalten somit einen einfachen Überblick über den
Markt, was in Deutschland für Laien nicht möglich ist (PPM 2009a).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
141
Die Anzahl der Produktanbieter veränderte sich trotz der Produktschwankungen in beiden Ländern nicht wesentlich. In Schweden war die
Anbieteranzahl von Prämienrenten stabil bei 70–80 pro Jahr im Vergleich
zu knapp 2000 Anbietern in Deutschland. Die Marktkonzentration ist in
Schweden also weitaus stärker als in Deutschland.65
Insgesamt kann konstatiert werden, dass die Wahloptionen für individuelle Rentenversicherungen zugenommen haben, insbesondere nach der
Marktschaffung, anschließend erfolgte kaum eine Veränderung der
Wahloptionen. Die Wohlfahrtsnutzer konnten seitdem zwischen einer
Vielzahl von Anbietern und Produkten wählen, die jedoch für den einzelnen Versicherten sehr unübersichtlich sind.
Betriebsrenten. Da in Deutschland keine Wahloptionen zwischen Betriebsrenten bestehen, werden die folgenden Absätze nur die USA und Schweden behandeln.
In den USA können die Versicherten nicht zwischen den rund 700.000
verschiedene Betriebsrentenpläne wählen (U.S. Department of Labor
2009b: E1g), sondern sind an die Konditionen ihrer Arbeitgeber gebunden.
Allerdings können die Versicherten von beitragsorientierten (DC) Betriebsrenten, die seit den 1980er Jahren gegenüber Betriebsrenten mit Leistungszusage (DB) dominieren, zunehmend zwischen verschiedenen Anlageoptionen wählen. So konnten die Versicherten im Jahre 2007
durchschnittlich zwischen 22,5 Rentenfonds wählen, während ihnen im
Jahre 2000 durchschnittlich nur 13,2 Wahloptionen zur Verfügung standen
(Vanguard 2008: 32). Ebenso wurde nicht nur die Anzahl der angebotenen
Fonds erhöht sondern auch deren Diversität nahm zu (z.B. mehr internationale Fonds und Lebenszyklusfonds).
Auch in Schweden wurden die Wahloptionen der Betriebsrenten ausgeweitet. In Schweden existieren insgesamt nur vier Betriebsrentensysteme,
die von den vier großen Gewerkschaften verwaltet werden. Abgesehen von
der Betriebsrente der Angestellten (ITP) erfolgte auch in Schweden in den
letzten zehn Jahren eine Umstellung von der Leistungszusage zu beitragsorientierten Betriebsrenten. Mit der Einführung der beitragsorientierten
——————
65 Allerdings ist zu erwarten, dass sich die deutsche Anbieteranzahl ähnlich wie die Produktanzahl reduziert, wenn Bankverbünde und Konsortialanbieter zusammengefasst
und als ein Akteur berücksichtigt werden. Aufgrund der angeführten Mängel im BaFin
Datensatz (s. Fußnote 63) führte die entsprechende statistische Auswertung zu ungenauen Ergebnissen, weshalb sie hier nicht aufgeführt werden.
142
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Systeme wurden ebenfalls die Wahloptionen ausgeweitet. Ähnlich wie bei
der Prämienrente können die Versicherten frei zwischen verschiedenen
Fonds wählen (Sjögren Lindquist/Wadensjö 2006: 161–185).
Wechseloption
In Deutschland war ein Wechsel entweder mit hohen Transaktionskosten
verbunden (Riester-Rente, u.a. AP 2008a; GDV 2008) oder überhaupt
nicht möglich (Betriebsrenten). Die schwedischen Fonds der Prämienrente
und Betriebsrenten konnten bis 2009 ohne individuelle Transaktionskosten
gewechselt werden. Die Wechselkosten waren in den allgemeinen Verwaltungsgebühren enthalten und wurden auf alle Versicherten umgelegt. Seit
2010 erhebt die Prämienrentenbehörde geringe individuelle Wechselgebühren für jede Transaktion im Portfolio (Prop. 2009/10:44).66 Allerdings
konnten die schwedischen Versicherten nicht zwischen Betriebsrenten
wechseln oder Beitragskonten in einen anderen Betriebsrentenfonds übertragen.
In den USA waren Wechsel zwischen Anbietern und Unternehmen
kein Problem, weil seit 1974 Wechsel zwischen Rentenfonds und Betriebsrenten durch die ERISA-Gesetzgebung geschützt wurden. Rentenrücklagen konnten zwischen Betriebsrenten mit Leistungszusage (DB) kostenfrei transferiert werden (McGill u.a. 1996; 2005). Seit 2006 können auch
Rentenansprüche aus DC Betriebsrenten und IRAs kostenfrei in einen
neuen Vertrag übertragen werden.67
Insgesamt wurde in diesem Abschnitt deutlich, dass Versicherten seit
Anfang der 1990er Jahre, trotz aller Unterschiede, mehr Wahloptionen zur
Verfügung stehen. Sie können entscheiden, ob sie überhaupt eine zusätzliche private Versicherung abschließen wollen und sie können zwischen
mehreren Optionen wählen.
Wahlverhalten
Wie wirken sich der regulative Rahmen und diese Kostenstruktur auf das
Wahlverhalten aus? Die Datenlage zum tatsächlichen Wahlverhalten ist in
allen drei Ländern sehr spärlich, bis auf die bereits diskutierten Versichertenzahlen, die vor allem den Marktzugang abbilden. Die folgende
Diskussion des Wahlverhaltens präsentiert eher eine Auswahl an Indizien
——————
66 Weitere Details in Kapitel 1.
67 Pension Protection Act of 2006.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
143
als einen stringenten empirischen Vergleich. Dennoch veranschaulichen
die verschiedenen Studien, wie die vorhandenen Wahloptionen das tatsächliche Wahlverhalten prägen.
Deutschland. Das Wahlverhalten der Deutschen wurde mittlerweile gut
untersucht, insbesondere der Vertragsabschluss. Anhand verschiedener
Datenbanken und Umfragen wurde untersucht, welche soziodemografischen Charakteristika den Abschluss eines Riester-Vertrags und die
Höhe der eingezahlten Beiträge beeinflussen (Wilke 2012). Insgesamt zeigen diese Analysen eine soziodemografische Segregation im Wahlverhalten, das heißt individuelle Charakteristika und das soziale Umfeld der
Versicherten bestimmen ihr Wahlverhalten (Blank 2011a; Lamping/Tepe
2009; Rieckhoff 2011; Stolz/Rieckhoff 2005; 2006; Wilke 2012).
Außerdem ist die Wechselquote im Rahmen der Riester-Rente ein
wichtiger Indikator für erfolgreiche und nachhaltige Vertragsabschlüsse. In
Deutschland wurden trotz der steigenden Versichertenzahlen »seit dem
Start der Riester-Reform 2001 bis Ende 2007 rund 950.000 Verträge aufgelöst, gewechselt oder ruhen gelassen« (AP 2008a).68 Die wenigen veröffentlichten Schätzungen der jährlichen Kündigungsquote schwanken zwischen
drei und fünf Prozent (GDV 2008; Hagen/Reisch 2010: 12). Insgesamt
scheinen die hohen Transaktionskosten Wechsel und Kündigungen von
Riester-Verträgen nicht zu verhindern. Wenn man die Anzahl von rund
einer Million ruhenden, gewechselten oder aufgelösten Riester-Verträgen
den unterzeichneten Verträgen gegenüberstellt, haben rund 10 Prozent der
Versicherten ihre Riester-Vorsorge zumindest temporär ausgesetzt oder
hohe Transaktionskosten für eine suboptimale erste Wahl zahlen müssen.
USA. Die Haupterkenntnisse über das Wahlverhalten der US-amerikanischen Versicherten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Tendenziell wird die Entscheidung für eine private Altersvorsorge zu spät getroffen und dann auch noch zu wenig in die Rentenversicherungen eingezahlt
(Venti 2006). Dieses kurzsichtige Handeln führt zu einer Unterversicherung der Bevölkerung und unzureichenden Rentenrücklagen, um den
Lebensstandard im Alter zu sichern. Zusätzlich zu diesen Haupteffekten
investieren die Versicherten in risikoarme Rentenfonds (Benartzi/Thaler
——————
68 Es fehlen leider öffentlich zugängliche und verlässliche Daten, die unabhängig von der
Versicherungswirtschaft erhoben und überprüft werden können; siehe dazu vor allem
Rieckhoff u.a. (2010).
144
WOHLFAHRTSMÄRKTE
1999; Madrian/Shea 2001; Thaler/Benartzi 2004) und streuen das Risiko
nicht ausreichend (Benartzi/Thaler 2001). Der erste Effekt führt zu einer
unterdurchschnittlichen Kapitalentwicklung und der zweite Effekt erhöht
die Verlustgefahr der Rentenrücklagen. Zudem ist festzustellen, dass vor
allem die oberen vier Einkommensdezile von den Steuererleichterungen
profitieren (Howard 1997; Hughes/Sinfield 2004). Auch die US-amerikanischen Studien zeigen, dass die Wahloptionen die Individuen überfordern
und sie dazu neigen, suboptimale Entscheidungen auf den Rentenmärkten
zu treffen. Diese Verhaltensmuster verstärken die Einkommensunterschiede, die ohnehin durch die Bevorzugung der Besserverdienenden bei
den Steuererleichterungen auftreten.
Zum Wechselverhalten der US-amerikanischen Versicherten ist festzuhalten, dass meist zwangsläufig der Wechsel des Arbeitgebers auch zu
einem Wechsel der Betriebsrente führt. Obwohl die Übertragungsregeln
der Rentenrücklagen verbraucherfreundlich gestaltet sind, werden sie häufig – selbst unter hohen Straf- und Steuernachzahlungen – zweckentfremdet. Die Versicherten entscheiden sich bei einem Jobwechsel, vor
allem aufgrund von Arbeitslosigkeit, für die Auszahlung der Rentenrücklagen, anstatt sie beim neuen Arbeitgeber wieder in die Betriebsrente einzuzahlen (Engelhardt 2002; 2003; Poterba u.a. 1998).
Die gestiegenen Wahloptionen innerhalb der Betriebsrenten haben das
Produktportfolio geringfügig von 3,1 Produkten im Jahre 2000 auf 3,7
Produkte im Jahre 2007 erhöht. Das tatsächliche Wahlverhalten hat sich im
Vergleich zur Verdoppelung der Wahloptionen im selben Zeitraum kaum
verändert (vgl. S. 141). Daraus wird offensichtlich, dass die Versicherten
von ihren gestiegenen Wahloptionen kaum Gebrauch gemacht haben
(Benartzi/Thaler 2001; Vanguard 2008: 36).
Schweden. Trotz anfangs abwesender Transaktionskosten der Prämienrente
wechselten die schwedischen Versicherten selten ihr Portfolio oder machten überhaupt von ihrem Wahlrecht Gebrauch (Cronqvist/Thaler 2004).
Zwei Entwicklungen des Wahlverhaltens sind in Schweden bemerkenswert:
Erstens entschieden sich immer weniger neue Prämiensparer für eine
aktive Wahl. Während 2001 noch achtzehn Prozent der neuen Sparer eine
aktive Wahl trafen, entschieden sich 2008 weniger als zwei Prozent der
neuen Sparer für einen oder mehrere Fonds. Die Mehrheit der neuen Sparer (über 98 %) blieb im Standardfonds.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
145
Zweitens wechselten diejenigen, die einmal eine Wahl getroffen hatten,
trotz anfänglicher aktiver Fondsverwaltung in den folgenden Jahren immer
seltener ihr Portfolio. Die Rentenfonds wurden also seltener den Finanzmarktentwicklungen angepasst (PPM 2009a; 2009b). Insbesondere Frauen
und Sparer mit geringen Bildungsabschlüssen hielten an ihrer ersten Wahl
fest (PPM 2009a: 46).
Die über 3 Millionen Transfers wurden überwiegend von einer kleinen
Minderheit an Sparern vollzogen (12 % 2008). Die anfallenden Transferkosten trugen aber alle Sparer. Vor allem die häufigen Wechsel zahlten sich
langfristig aus, denn je aktiver die Sparer waren, desto geringer war das
Verlustrisiko und desto höher war die Wertentwicklung.
Im Mai 2010 wurden die Wahloptionen und Anlagebedingungen des
Standardfonds geändert; wie sich die Reform auf das Wahlverhalten ausgewirkt hat, ist jedoch noch nicht abzusehen.
Zusammenfassend kann in allen drei Ländern eine Ausweitung der
Wahloptionen festgestellt werden. Versicherte haben heutzutage eine Vielzahl an Alternativen, wie sie sich im Alter absichern können. Das tatsächliche Wahlverhalten zeigt aber, dass Individuen häufig suboptimale Entscheidungen treffen und nur bedingt rational handeln. Die Versicherten
schieben wichtige Entscheidungen auf oder bleiben bei den schlechteren
Standardoptionen. Im ungünstigsten Fall schlossen sie sogar einen Rentenvertrag ab, kündigten aber unter zu hohen Kosten ihre Altersvorsorge
wieder und waren im Endeffekt sogar schlechter gestellt als ohne aktive
Wahlentscheidungen. Die neuen Wahloptionen haben also einen Markt
geschaffen und induzierten Wettbewerb unter den Anbietern. Dieser
Wettbewerb und die individuellen Entscheidungen waren aber nicht immer
optimal oder effektiv, sowohl individuell als auch für die gesamte Gesellschaft.
4.1.3 Vermarktlichung in allen Dimensionen – Ausblick auf die
Rentenmärkte
Der Vergleich der Rentenmärkte aus internationaler Perspektive und in
den historischen Fallstudien bestätigte die Ausgangsüberlegungen:
Erstens bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Wohlfahrtsmärkten in Bezug auf Relevanz, Finanzierungsverantwortung und Arbeitsteilung. Die drei Länder Deutschland, Schweden und die USA zeigen ein
146
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Muster, das zum Teil mit den bereits bekannten Wohlfahrtsregimetypologien im Einklang ist (Esping-Andersen 1987). Die USA haben als
liberales Wohlfahrtsmarktregime das größte Rentenmarktvolumen und
waren die Pioniere bei der Einführung von betrieblichen und individuellen
Rentenversicherungen. Die marktförmigen Renten wurden sogar steuerlich
mehr bezuschusst als die öffentliche Rentenversicherung (OASDI). In
Deutschland, einem konservativen Wohlfahrtsregime, wurden die Rentenmärkte ausgeweitet, aber insgesamt blieb ihr Marktvolumen gering. Die
Rentenmärkte sind in Deutschland eine freiwillige Ergänzung zur obligatorischen Sozialversicherung. Unerwartet hoch war das Marktvolumen im
sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsregime Schwedens. Vor allem die
vollständige Integration der Prämienrente in das obligatorische Rentensystem führte zu hohen Versichertenzahlen. Der private Beitragsanteil an
den gesamten Beiträgen war allerdings im Vergleich zu Deutschland und
den USA relativ gering.
Zweitens konnte in allen Dimensionen mit verschieden Indikatoren ein
Anstieg der Rentenmärkte festgestellt werden. Beispielsweise sind die privaten Rentenbeiträge gestiegen, mehr private Anbieter konkurrieren auf
den Rentenmärkten und die Wahloptionen wurden ausgeweitet. Die Rentenmärkte wurden teilweise neugegründet, was zu besonders hohen
Wachstumsraten führte, aber auch etablierte Rentenmärkte verzeichneten
hohe Wachstumsraten. Die jüngsten Rentenmärkte sind im Bereich der
individuellen Rentenversicherung entstanden. Sie weisen die höchsten
Wachstumsraten auf, zeigen die meisten Marktmechanismen und eröffnen
die größten Wahloptionen, weshalb sie aus der Forschungsperspektive
dieser Studie am interessantesten sind. Das gestiegene Marktvolumen der
individuellen Rentenversicherungen bestätigt somit die Fallauswahl und
das Augenmerk auf die Regulierung der individuellen Rentenversicherungen in den Fallstudien (Kapitel 5). Ebenso werfen insbesondere die
extrem unterschiedlichen Wachstumsraten der individuellen Rentenversicherungen einige Fragen auf, wie beispielsweise: Warum hat Schweden
als skandinavischer Wohlfahrtsstaat ein so hohes Marktvolumen gegenüber
Deutschland? Die neuen individuellen Rentenmärkte sind im Vergleich zu
den Betriebsrenten ein neues Phänomen und ihre Entstehung, ihr Wachstum und ihre institutionellen Merkmale sind zu weiten Teilen noch unerforscht.
Drittens fallen die beobachteten Rentenmärkte grob in zwei Kategorien
von Wohlfahrtsmärkten (vgl. Abbildung 1). Obwohl alle Rentenmärkte
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
147
öffentlich bezuschusst werden, überwiegt doch die marktförmige Finanzierung, sodass entweder regulierte (Deutschland, USA) oder obligatorische (Schweden) Wohlfahrtsmärkte entstanden sind. Aufgrund der
Mischfinanzierung sind die beobachteten Wohlfahrtsmärkte eher hybride
Typen mit Elementen von Vouchermärkten, insgesamt überwiegt aber die
Vermarktlichung der Finanzierung. Der internationale Vergleich unterstreicht diese Beobachtung von überwiegend regulierten und obligatorischen Wohlfahrtsmarkttypen im Bereich der Altersvorsorge.
148
4.2
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Bildung
Das Bildungskapitel weist dieselbe Struktur wie das Rentenkapitel auf. Im
Bildungskapitel erfolgt zuerst ein internationaler Vergleich des Marktvolumens in den OECD-Ländern, um die spezifischen Länderunterschiede
herauszuarbeiten. Darin werden lediglich die Finanzierungs- und Produktionsdimension untersucht, weil keine Daten über die Wahlfreiheit
vorhanden sind. Dieser Vergleich zeigt, dass die Variation zwischen den
Ländern genauso hoch ist wie die Variation zwischen dem primären,
sekundären und tertiären Bildungssektor. Die Unterschiede des Marktvolumens zwischen den untersuchten Ländern verändern sich somit, je
nachdem auf welchem Bildungssektor der Fokus liegt. Im Anschluss an
den internationalen Vergleichs folgt ein historischer Vergleich der Bildungsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA – jeweils mit dem
Schwerpunkt auf Primar- und Sekundarschulen. Die historische Analyse
soll zeigen, dass Privatschulen in allen drei Ländern seit 1990 einen Boom
erlebt haben. Die steigende Zahl der Privatschüler und der Anstieg der
Wahlfreiheiten gehen aber nicht mit einer Privatisierung der Finanzierung
einher. Der Vergleich der Privatisierung zeigt eine getrennte Entwicklung
von Finanzierung und Produktion.
Das erste Unterkapitel (4.2.1) zeigt zuerst das Volumen der Bildungsmärkte international vergleichend auf. Im zweiten Teil (4.2.2) wird das
Ausmaß der Bildungsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA
ausführlicher untersucht. Das Kapitel beinhaltet einen Exkurs über Charter
Schools und Schulgutscheine in den USA, die mit den üblichen Indikatoren für Wohlfahrtsmärkte nicht gemessen werden können und deshalb
separat behandelt werden. Zum Schluss erfolgt eine Zusammenfassung der
Ergebnisse in einem Fazit (4.2.3).
4.2.1 Internationaler Vergleich der Bildungsmärkte
Der internationale Vergleich beginnt mit den Bildungsausgaben nach
öffentlichen und privaten Finanzierungsquellen, um anschließend die private Produktion von Bildung zu untersuchen. Ziel des internationalen
Vergleichs ist es Unterschiede der Bildungsmärkte herauszuarbeiten und
diese mit den Wohlfahrtsregimen zu kontrastieren. Dies verdeutlicht zum
einen die beträchtlichen Unterschiede im Marktvolumen von Bildungsmärkten und zum anderen wird betont wie repräsentativ die Fallstudien
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
149
Deutschland, Schweden und die USA für verschiedene Bildungsmärkte
sind (vgl. Kapitel 3).
Finanzierungsdimension der Bildungsmärkte
Bei der Finanzierungsdimension stehen die Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Bildungsfinanzierung und die Relevanz der einzelnen
Bildungssektoren im Vordergrund.
Bisherige Schätzungen des Bildungsmarktvolumens haben sich vor allem auf die gesamte Bildungsfinanzierung konzentriert (Wolf 2009;
Wolf/Zohlnhöfer 2009; Zohlnhöfer 2007b). Diese Ländervergleiche der
gesamten Bildungsfinanzierung bestätigen im Großen und Ganzen die
Aufgabenverteilung zwischen privaten und öffentlichen Finanzierungsquellen, die auch Esping-Andersen (1990) für die Finanzierung der sozialen
Sicherung annimmt. Demnach kann in skandinavischen Wohlfahrtsstaaten
eine hohe öffentliche Finanzierungsquote, in kontinentalen Wohlfahrtsstaaten eine mittlere und in angloamerikanischen Wohlfahrtsstaaten eine
geringe nachgewiesen werden.
Betrachtet man die gesamte Bildungsfinanzierung als Anteil am BIP,
werden ebenfalls unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der Wohlfahrtsstaaten deutlich. Diese werden insbesondere im Vergleich zu den Sozialausgaben relevant. Die angloamerikanischen Wohlfahrtsstaaten investieren
– relativ betrachtet – einen größeren Anteil ihres Sozialproduktes in Bildung als in die Sozialtransfers, um die Chancengleichheit zu erhöhen. In
den nordischen Wohlfahrtsstaaten wird versucht, sowohl eine hohe Chancengleichheit durch Bildung als auch eine hohe Ergebnisgleichheit zu erreichen, was zu hohen Ausgabenquoten sowohl im Bildungs- als auch im
Sozialbereich führt. Die kontinentalen Wohlfahrtsstaaten weisen eher geringe Bildungsausgaben auf und fokussieren somit ihre Ausgaben stärker
auf lebensstandard- und statussichernde Sozialtransfers (vgl. dazu auch
Heidenheimer 1981).
Diese Länderunterschiede gelten nur für die Finanzierung aller Bildungseinrichtungen. Sie zeigen nicht die Finanzierung der sozialpolitisch
viel relevanteren primären und sekundären Bildung (Schulen), weil hier
frühzeitig Weichen für Bildungs- und Berufskarrieren gestellt werden.
Deshalb zeigt die folgende Abbildung die Finanzierung von Schulen.69
——————
69 Im Text wird auf weitere, hier nicht abgebildete, Auswertungen Bildungsausgaben der
Hochschulen und Berufsschulen verwiesen.
150
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Abbildung 9 zeigt den prozentualen Anteil privater Finanzierungsquellen
als Balken und die gesamten Bildungsausgaben in Prozent des BIP als
Punkte auf einer Linie (vgl. ähnliche Darstellungsweise der gesamten
Bildungsausgaben in Wolf 2009):
10
5
13.2
14.2
14.9
15.2
16.4
17.1
15
0.1
0.1
0.8
1.6
2.1
3.2
3.4
3.8
4.0
4.5
4.5
5.3
6.4
6.5
7.5
9.0
9.9
9.9
10.1
20
6
5
4
3
2
1
0
0
PRT
SWE
FIN
POL
DNK
IRL
ISL
ITA
NLD
AUT
HUN
BEL
GRC
ESP
FRA
USA
JPN
CZE
CAN
CHE
NZL
GBR
DEU
AUS
MEX
KOR
Prozent der privaten Bildungsausgaben
25
Prozent des BIP
23.0
Abbildung 9: Schulausgaben nach Finanzierungsquelle: Prozent der privaten Ausgaben, Ausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts, 2005
Private Schulausgaben in % der gesamten Schulausgaben (linke Achse)
Gesamte Schulausgaben in Prozent des BIP (rechte Achse)
Quelle: OECD (2008b: Indicators B2.2, B3.2a).
Anmerkungen: Balken: Prozent privaten Ausgaben, Linie: Ausgaben in Prozent des BIP; nur
Primar- und Sekundarstufe ohne post-sekundäre nicht-tertiäre Bildung
Am auffälligsten ist, dass die Wohlfahrtsstaatstypen Esping-Andersens
nicht mehr so offensichtlich bei den Schulausgaben zu erkennen sind. Die
öffentlichen Finanzierungsquellen dominieren für Primar- und Sekundarschulen in sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten, allerdings gilt das auch
für andere Länder wie Portugal, Polen und Irland. Die drei genannten
Länder investieren jedoch erheblich weniger öffentliche Mittel in tertiäre
und vorschulische Bildungseinrichtungen als skandinavische Länder.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
151
Von den angloamerikanischen Staaten widersprechen insbesondere die
USA dem erwarteten Muster. Private Bildungsfinanzierung floss 2005
primär in die tertiäre Bildung, während die öffentliche Finanzierung in die
schulische Bildung floss. Deutschland weist entgegen der vorherigen gesamten Bildungsfinanzierung einen hohen Anteil privater Finanzierungsquellen für Schulen auf. Insgesamt zeigen sich andere Ländergruppen bei
den Finanzierungsquellen für Schulen im Vergleich zu allen Bildungsbereichen.
Der Vergleich der privaten und öffentlichen Finanzierungsquellen veranschaulicht insgesamt, dass die öffentliche Finanzierung bei Schulen dominiert und durchschnittlich über 90 Prozent beträgt (OECD 2008b: 252–
253). Im Gegensatz dazu liegt die öffentliche Finanzierungsquote in den
OECD-Ländern in der vorschulischen Bildung bei rund 80 Prozent und in
der tertiären Bildung bei rund 70 Prozent. Hiermit wird die sozialpolitische
Relevanz der primären und sekundären Bildung an Schulen unterstrichen,
denn ihnen kommt in allen Ländern der höchste öffentliche Finanzierungsanteil zu. Eine Vermarktlichung dieses Bildungssektors wäre in diesem Kontext besonders dramatisch für die Betroffenen, denn fehlende
öffentliche Bildungsausgaben müssten durch private Mittel aufgefangen
werden.
Mit Blick auf die Bildungsausgaben in Relation zur Wirtschaftsleistung
(als Linie in Abbildung 9 dargestellt) konzentriert sich die folgende Analyse
nur auf die drei Fallstudien Deutschland, Schweden und die USA. Anhand
dieser drei Länder lässt sich die unterschiedliche Relevanz der Bildungsmärkte zwischen schulischer und tertiärer Bildung besonders gut veranschaulichen. Zunächst fällt auf, dass Deutschlands Bildungsausgaben vornehmlich in die primäre und sekundäre Bildung investiert werden. Die
relativ geringe Gesamtausgabenquote ist vor allem auf fehlende Investitionen in den Hochschulsektor zurückzuführen (1,1 %).70 Schweden hingegen investierte in alle Bildungsbereiche relativ viel Geld und weist daher
die höchste Ausgabenquote für Schulen im Vergleich der drei Staaten auf.
Die USA investierten wiederum relativ stark in den Hochschulsektor
(2,9 %), weshalb sie bei den privaten und öffentlichen Schulausgaben in
Relation zur Wirtschaftsleistung unterdurchschnittlich abschneiden.
——————
70 Das Ausbildungsniveau der Dualen Berufsausbildung (post-sekundäre nicht tertiäre
Bildung) entspricht in Deutschland in einigen Teilbereichen der tertiären Bildung in anderen Ländern und kann entsprechend diese Ausgabenlücke zum Teil erklären.
152
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Zusammenfassend zeigen die Finanzierungsindikatoren demnach, dass
die Relevanz der Bildungsausgaben und die Finanzierungsverantwortung
unabhängig voneinander sind, weil kein Zusammenhang zwischen den
beiden Indikatoren festgestellt werden konnte. Die beobachtete Verteilung
von öffentlicher und privater Finanzierung der Schulen entspricht nicht
dem erwarteten Ländermuster von konservativen, sozialdemokratischen
und angloamerikanischen Wohlfahrtsstaaten, sondern zeigt vor allem
Deutschland als ein Land mit höheren privaten Schulausgaben als die
USA.71
Produktionsdimension der Bildungsmärkte
Dieser Abschnitt widmet sich der tatsächlichen Aufgabenverteilung zwischen Staat und Markt, das heißt dem Anteil der privaten Akteure im Bildungssystem. Der hier verwendete – und aussagekräftigste – OECDIndikator ist die Anzahl der Schüler an privaten und öffentlichen Schulen.72 Abbildung 10 zeigt deshalb die Verteilung der Schüler auf öffentliche
und private Schulen im Ländervergleich.
In Abbildung 10 wird deutlich, dass die postulierten Wohlfahrtsregime
überhaupt nicht mehr zu erkennen sind. Beispielsweise weisen angloamerikanische Staaten sowohl geringe Anteile von Privatschülern auf (wie z.B.
Irland), wie auch mittlere (z.B. USA) als auch hohe (z.B. Australien).
Außerdem sind die Privatschüleranteile in den drei Fallstudien Deutschland, Schweden und USA auf einem ähnlichen mittleren Niveau.
Darüber hinaus zeigen weitere, nicht abgebildete, Auswertungen, dass
der Anteil der Privatschüler in Sekundarschulen 2005 in den meisten
OECD-Ländern höher war als an Grundschulen. Der Trend zu mehr privaten Bildungseinrichtungen bei steigendem Bildungsgrad setzt sich im
tertiären Bildungsbereich fort, sodass das höchste Marktvolumen – gemessen an der Produktionsdimension – dort nachzuweisen ist. Trotz dieser
Privatisierungstendenz der Bildungsanbieter mit ansteigendem Bildungsniveau ist aber anzumerken, dass der überwiegende Teil der Privatschüler
——————
71 Wie auch schon bei den methodischen Überlegungen diskutiert sind die OECD-Daten
nicht sehr reliabel im Vergleich zu nationalen Statistiken. Eine ausführlichere Diskussion
erfolgt daher im Abschnitt Deutschland auf Seite 158.
72 Andere mögliche Indikatoren zur Messung der Produktion sind nicht in internationalen
Datenbanken verfügbar (Beschäftigte, Abschlüsse) oder reliabel erhoben (Schulen). Diese Indikatoren werden erst in den Fallstudien mithilfe von nationalen administrativen
Daten ausführlicher analysiert.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
153
Schulen besucht, die mehr als 50 Prozent ihres Haushaltes aus öffentlichen
Zuschüssen finanzieren (OECD 2008b: 346–347). Die Privatisierung der
Produktion von Bildung muss also nicht automatisch mit einer Privatisierung der Finanzierungsverantwortung einhergehen.
Abbildung 10: Anteil der Schüler an öffentlichen und privaten Schulen, 2005
Quelle: OECD (2008b: table C2.4).
Anmerkungen: ungewichteter Durchschnitt der Primar-, Untersekundar- und Obersekundarschulen, Niederlande = 2004 (2009c, Students enrolled by type of institution).
Vermarktlichung der Produktion aber nicht der Finanzierung
Welche Schlüsse können aus dem internationalen Vergleich von der Finanzierungs- und Produktionsdimension gezogen werden? Dieser Abschnitt
fasst generelle Beobachtungen zusammen und erläutert die besonderen
Charakteristika des Bildungsmarktvolumens.
Die verwendeten Daten erlauben einen robusten Vergleich von 1998
bis 2005, sodass überprüft werden kann, ob eine Privatisierungstendenz in
den OECD-Ländern festzustellen ist. In diesem Zeitraum stiegen die institutionellen Ausgaben an (von 11,9 auf 13,7 Prozent) und auch der Anteil
der Privatschüler erhöhte sich leicht (von 12,5 auf 13,3 Prozent; OECD
2001: 93, 136; 2008b: 251–254, 346). Der höchste Anstieg ist im tertiären
Bildungsbereich zu verzeichnen. Beim Anteil der privaten Finanzierung
sind keine Veränderungen festzustellen. Die Effekte der Privatisierung sind
jedoch nicht besonders stark, weshalb wir von einer schleichenden Privati-
154
WOHLFAHRTSMÄRKTE
sierung der Bildungsinstitutionen sprechen können, das heißt langsam
übernehmen Privatschulen oder andere private Anbieter mehr und mehr
Unterricht. Diese schleichende Privatisierung des primären und sekundären Bildungssektors bleibt hinter der weiterhin überwiegend öffentlichen
Finanzierung verborgen. Insgesamt gibt dieser kurze Zeitraum nur begrenzt Auskunft über generelle Trends in allen OECD-Ländern. Ebenso
ist zu bedenken, dass der Durchschnittstrend gegenläufige oder extremere
Privatisierungstendenzen in einzelnen Ländern nicht erfasst.
Der internationale Vergleich zeigt deutliche Unterschiede im Marktvolumen der Bildungsmärkte zwischen den Ländern, vor allem hinsichtlich
des Bildungsgrades, des Anteils der privaten Finanzierungsbeteiligung, des
Anteils der Privatschüler und auch der gesamten Bildungsausgaben. Das
Ziel des Vergleichs war, Bildungsregime zu identifizieren und den Wohlfahrtsstaatsregimen gegenüberzustellen. Die beobachteten Ländergruppen
variierten erheblich, je nachdem welcher Indikator verwendet wurde und es
konnten keine eindeutigen Wohlfahrtsmarktregime anhand des Marktvolumens identifiziert werden.
Die wichtigste Erkenntnis aus der Analyse des Marktvolumens ist, dass
Relevanz, Finanzierungsverantwortung und Produktion von Bildungsdienstleistungen voneinander unabhängige Dimensionen sind. Es besteht
kein Zusammenhang zwischen dem Anteil der privaten Finanzierung, dem
Anteil der privaten Produktion und der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung
(Ausgaben in Prozent des BIP). Der Anteil der privaten Produktion (wie
die Anzahl der Privatschulen und -schüler auf dem Bildungsmarkt) ist nicht
von der Verteilung der Finanzierungsverantwortung (z.B. Anteil privater
Schulgebühren oder Spenden) abhängig. Der Vergleich der Finanzierungsverantwortung und der Produktion zeigt deutlich, dass ein hoher Privatschüleranteil sowohl mit einem hohen öffentlichen als auch mit einem
hohen privaten Finanzierungsanteil zu beobachten ist.
Die fehlenden Interdependenzen deuten darauf hin, dass vor allem die
staatliche Regulierung ausschlaggebend für das Marktvolumen ist. Diese
gestaltet die Attraktivität der privaten Investitionen in die eigene Bildung
und die Verteilung der öffentlichen Gelder an private Institutionen. Von
der Regulierung der Bildungsmärkte hängt es ab, ob Anreize für private
Haushalte existieren, in private Bildungseinrichtungen (Schulen, Hochschulen) zu investieren und ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Da
keine Vergleichsdaten existieren, welche Regularien implementiert wurden
und welche Anreizstrukturen das Marktvolumen beeinflussen, wird an-
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
155
schließend in den Fallstudien Deutschlands, Schweden und den USA
untersucht, wie vor allem die öffentlichen Bildungsausgaben verteilt werden, wie attraktiv private Schulen sind und wie die institutionellen
Rahmenbedingungen die Bildungsmärkte überhaupt erst geschaffen haben.
Das folgende Kapitel wird deshalb die Entwicklung des Marktvolumens in
Deutschland, Schweden und den USA genauer untersuchen.
4.2.2 Ausbau der Privatschulen in Deutschland, Schweden und den USA
Im Folgenden wird mit dem historischen Vergleich des Ausbaus von
Privatschulen gezeigt, wie sich Wohlfahrtsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA entwickelt haben, dort jeweils das Marktvolumen angestiegen ist und inwiefern diese Entwicklungen von regulativen Veränderungen abhängig waren.
Um die historische Entwicklung des Marktvolumens nachzeichnen zu
können, wird auf die zuverlässigere und validere nationale amtliche Statistik in den drei Ländern zurückgegriffen werden. Die Argumentation expandierender Bildungsmärkte in Deutschland, Schweden und den USA
stützt sich hauptsächlich auf die Produktionsdimension. Die Datenlage ist
diesbezüglich in allen drei Ländern sehr gut und kann teilweise bis Ende
des 19. Jahrhunderts lückenlos zurückverfolgt werden. Allerdings ist die
Datenlage der Finanzierungsdimension nicht sehr zuverlässig. Die Erhebungen von Schulgeld und öffentlichen Zuschüssen für Privatschulen sind
häufig sehr lückenhaft. Zusätzlich zur Finanzierungs- und Produktionsdimension wird soweit wie möglich das Ausmaß der Wahlfreiheit für die
drei Fallstudien erhoben und miteinander verglichen. Aufgrund fehlender
Daten ist der historische Vergleich dieser Marktdimension nur eingeschränkt möglich.
Ein Messproblem zur Eruierung des Bildungsmarktvolumens besteht in
der Definition der Privatschulen in den USA, wodurch systematisch private Schulformen und Bildungsmärkte unterschätzt werden.73 Im Exkurs
——————
73 Typischerweise wird in der amtlichen Statistik die »Privatschule« durch das Organisationsprinzip, das heißt ob ein öffentlicher (Staat, Gliedstaat, Gemeinde) oder privater
(Unternehmen, Stiftungen, Kirchen) Träger die Schule betreibt, definiert. Diese Art der
Messung bezieht sich insbesondere auf die formale Privatisierung, das heißt den rechtlichen Status der Institution (vgl. Mayer 2006: 19–20). Unter dem Begriff »Privatschulen«
sind demnach alle Schulen zu verstehen, die nicht in öffentlicher Trägerschaft sind. Aber
auch die Erhebung »normaler« Privatschulen ist zum Teil nicht reliabel (Cooper 1988).
156
WOHLFAHRTSMÄRKTE
auf Seite 169 werden diese Bildungsmärkte der Charter Schools und School
Vouchers (sogenannte Schulgutscheine) separat erhoben, weil sie nicht direkt mit den Definitionen der Privatschulen in Deutschland und Schweden
vergleichbar sind
Trotz aller Einschränkungen hat der historische Vergleich den Vorteil,
dass die Entwicklung der Bildungsmärkte über einen längeren Zeitraum
betrachtet werden kann, was im vorherigen Abschnitt beim internationalen
Vergleich nicht möglich war. Ein weiterer Vorteil der amtlichen Statistik
ist, dass aktuellere Daten verwendet werden können, sodass bereits ein
höherer Grad der Vermarktlichung aufgezeigt werden kann als mit den
Daten der OECD.
In dem gesamten Abschnitt wird verdeutlicht, dass im Zeitraum von
1990 bis 2010 das Marktvolumen für Privatschulen in den drei untersuchten Ländern gewachsen ist.74 Der Anteil der öffentlichen Finanzierung
am allgemeinen Schulwesen stagnierte oder wurde sogar ausgeweitet. Im
Gegensatz dazu ist bei der Produktion ein Anstieg der privaten Schulen
und Schüler festzustellen. Diese Vermarktlichung der Produktionsdimension zeigt sich auch an hohen öffentlichen Zuschüssen für Privatschulen.
Ebenso wurde die Wahlfreiheit in vielen Bereichen ausgeweitet. Dieser
Anstieg des Marktvolumens basiert auf politischen Reformen (Marktschaffung, Marktliberalisierung) beziehungsweise den unterlassenen Modernisierungen des öffentlichen Schulwesens (Abwanderung in Privatschulen).
Wie beim internationalen Vergleich werde ich zunächst mit der Finanzierung beginnen und anschließend den Anstieg der privaten Produktion
diskutieren. Im dritten Abschnitt folgt eine Analyse der Wahlfreiheit im
primären und sekundären Bildungsbereich.
Finanzierung der Privatschulen
Der Anteil privater Finanzierung öffentlicher Schulen ist in allen drei Ländern zu vernachlässigen, weil sie seit den 1960er Jahren ausschließlich
——————
74 Ich werde hier nicht auf die historische Entwicklung eingehen. Als kurze Referenz sei
jedoch darauf hingewiesen, dass eine umfassende öffentliche Bildung ein Phänomen des
20. Jahrhunderts ist und nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre stark ausgebaut wurde. In den Jahrhunderten davor wurde Schulbildung überwiegend privat
finanziert und bereitgestellt (Coulsen 1999; Herbst 2006).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
157
steuerfinanziert und somit kostenfrei sind.75 Deshalb wird in diesem Abschnitt nur der Anteil der privaten Finanzierung für Privatschulen, das
heißt von Haushalten und Unternehmen, betrachtet. Zuerst werden die
OECD-Daten der Privatschulfinanzierung präsentiert und im zweiten
Schritt die nationalen amtlichen Statistiken hinzugezogen.
Zwischen 1997 und 2005 war der private Finanzierungsanteil für
Privatschulen in Schweden und den USA überaus stabil, wobei der Anteil
der privaten Finanzierung in Schweden zu vernachlässigen ist, weil er so
gering ist (0,1 %). In den USA lag hingegen der Anteil der privaten Ausgaben stabil bei durchschnittlich 9 Prozent.76 In Deutschland fielen die
privaten Ausgaben für Privatschulen hingegen von gut 20 auf 15 Prozent
im Untersuchungszeitraum (eigene Berechnungen, private Ausgaben
inklusive der öffentlichen Zuschüsse für Privatschulen; OECD 2009c).
Die beobachtete Stabilität beziehungsweise der sinkende Anteil der privaten Finanzierungsquellen widerspricht der Grundannahme, dass Wohlfahrtsmärkte im Zeitraum von 1997–2005 gewachsen sind. Allerdings
führte das nicht zu einer Reduzierung der Ressourcen für Privatschulen. In
allen drei Ländern sind die öffentlichen Bildungsinvestitionen gestiegen,
die auch in private Schulen geflossen sind: »The increase in private
investment has gone hand in hand with increased public financing«
(OECD 2010: 223). Der sinkende Anteil in Deutschland resultiert anscheinend aus einem Anstieg öffentlicher Investitionen in die Privatschulen und
bedeutet somit ein größeres Finanzvolumen für die Privatschulen. Da die
Gesamtausgaben für Privatschulen in allen drei Ländern laut der OECD
angestiegen sind, kann also auf ein größeres Marktvolumen für Privatschulen geschlossen werden.
Die OECD-Daten sind jedoch aufgrund geringer Reliabilität mit Vorsicht zu interpretieren. Deshalb folgt nun ein detaillierter Blick auf die
jeweiligen nationalen Statistiken in Deutschland, Schweden und den USA,
um den Anteil der privaten Finanzierung genauer zu bestimmen.
——————
75 Eine Ausnahme sind öffentliche Berufsschulen in Deutschland, die zum erheblichen
Teil von Unternehmen finanziert werden (OECD 2010: 227).
76 Busemeyer (2007: 104) stellt hingegen einen relativen Anstieg der öffentlichen Bildungsausgaben in den USA fest.
158
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Deutschland
Laut dem deutschen Bildungsfinanzbericht sind die öffentlichen Zuschüsse
für Privatschulen zwischen 1995 und 2005 um 60 Prozent gestiegen, wohingegen die Ausgaben für öffentliche Schulen nur um 11,4 Prozent gewachsen sind (Destatis 2009: 38). Die folgende Tabelle 8 bildet die Ausgaben pro Schüler ab und illustriert die steigenden öffentlichen Zuschüsse
für Privatschüler zwischen 1995 und 2005.
Tabelle 8: Öffentliche Ausgaben pro Schüler nach Schulart 1995–2005, Deutschland
Jahr
Ausgaben je Schüler an öffentliche Schulen in Euro
Öffentliche Zuschüsse je Privatschüler in Euro
1995
4 300 €
3 900 €
2005
4 700 €
4 500 €
Öffentliche Zuschüsse für Privatschüler in Prozent der
Ausgaben für Schüler an öffentlichen Schulen
90,6 %
95,7 %
Quelle: Destatis (2009: Tabellen 4.2.5-1 und 4.2.6-3), eigene Berechnung, nicht inflationsbereinigt.
Der öffentliche Zuschuss für Privatschüler ist im Vergleich zu den Ausgaben für Schüler an öffentlichen Schulen deutlich angestiegen. Privatschulen werden stärker bezuschusst als zehn Jahre zuvor, wodurch sich das
gesamte Finanzierungsvolumen des Bildungsmarktes mithilfe von Steuergeldern erhöhte.77 Laut Tabelle 8 bleibt nur noch eine Finanzierungslücke
von fünf Prozent der Kosten an öffentlichen Schulen, die Privathaushalte
mit Schulgebühren schließen müssten. Die Berechnungen des Statistischen
Bundesamtes weisen 2005 für alle allgemeinbildenden Schulen, das heißt
öffentliche und private Schulen, sogar nur einen privaten Finanzierungsanteil von drei Prozent aus (Destatis 2009: 21). Andere Autoren argumentieren hingegen, dass die öffentlichen Zuschüsse nicht ausreichend sind
und zu einer strukturellen Unterfinanzierung der Privatschulen beitragen
(Klein 2007). Allerdings wurden dabei nicht die gestiegenen öffentlichen
Zuschüsse berücksichtigt (Stand 2003).
Ebenso ist wenig über die tatsächlich entrichteten Schulgebühren im
Zeitverlauf bekannt. Tabelle 9 zeigt die jährlichen Aufwendungen von
——————
77 Weitere Zuschüsse erhalten die Eltern direkt für ihre Bildungsausgaben. Eltern können
30 % der anfallenden Schulgebühren steuerlich geltend machen bis zu einem Höchstbetrag von 5.000 Euro pro Jahr. Allerdings werden die Steuerentlastungen nicht systematisch erhoben (Wilhelm 2006). Vergleiche Fußnote 78 zu den Steuererleichterungen
der USA.
159
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
Eltern für Bildungsdienstleistungen wie Schulgebühren, aber auch für
Nachhilfe oder Musikschulen. Erst aus der Differenz zwischen den Aufwendungen für öffentliche und private Schulen kann man grob den Anteil
der Schulgebühren schätzen. Offensichtlich geben Eltern, deren Kinder
eine Privatschule besuchen, erheblich mehr pro Jahr aus als wenn das Kind
eine öffentliche Schule besucht. Allerdings geben über 50 Prozent der
Eltern weniger als 1.200 Euro pro Jahr für Privatschulgebühren aus, was
auf relativ moderate Schulgebühren in den meisten Fällen hindeutet. Vor
allem ist bemerkenswert, dass rund sieben Prozent der Eltern überhaupt
keine Schulgebühren für Privatschulen entrichten.
Tabelle 9: Prozentuale Verteilung der familiären Ausgaben für Bildungsdienstleistungen pro Jahr (2009)
Schulen
Nichts
1 - 499 €
500 - 1.199 €
1.200 - 2.399 €
2.400 - 3.599 €
> 3.600 €
öffentlich
18,43
59,32
13,45
6,23
1,68
0,89
privat
6,85
23,37
22,94
27,24
9,99
9,61
total
17,91
57,69
13,88
7,18
2,06
1,28
Quelle: Pisa 2009, gewichtet (Köppe 2012).
Die Datenlage ist in Deutschland also sehr unübersichtlich. Allerdings
deuten die Analysen darauf hin, dass die öffentlichen Zuschüsse für Privatschulen gewachsen sind, wodurch sich die Einnahmen für Privatschulen
insgesamt erhöht haben. Das Marktvolumen des Bildungsmarktes ist somit
zwischen 1995 und 2005 in der Finanzierungsdimension angestiegen.
Schweden
Die OECD-Daten sind für den Zeitraum von 1997–2005 im Einklang mit
der schwedischen Statistik. Wie später die schwedische Fallstudie ausführlicher erläutern wird, wurde den Privatschulen ab 1997 verboten Schulgebühren zu erheben, wenn sie weiterhin staatliche Zuschüsse erhalten wollten. Allerdings wurden die öffentlichen Zuschüsse für Privatschulen denen
der öffentlichen Schulen angeglichen, sodass Privatschulen seitdem ausschließlich aus öffentlicher Hand finanziert werden (Skolverket 2005). Wie
wurden aber die Privatschulen vor der Reform finanziert? Tabelle 10 zeigt
160
WOHLFAHRTSMÄRKTE
die Ergebnisse einer einmaligen Erhebung der Haupteinnahmequellen und
weiterer Eckdaten der Privatschulen im Schuljahr 1991/92 (SOU 1992:38).
Tabelle 10: Eckdaten zu den schwedischen privaten Grundschulen vor der Vermarktlichung (Schuljahr 1990/91 und 1991/92)
1. Schulen und Schüler 1991/1992
Anzahl der Grundschulen
Anteil der Privatschüler in Schweden
77
0,9 %
2. Finanzierung 1990/91
gesamte öffentliche Finanzhilfe
davon staatliche Finanzhilfe
kommunale Finanzhilfe
Schulgebühren
Andere Einnahmen (Elternbeiträge,
Spenden, Sponsoring)
52 %
27 %
25 %
30 %
18 %
3. Kosten pro Schüler 1990/91
laut Buchführung
versteckte Kosten
tatsächliche Kosten
in SEK
29.000 SEK
11.000 SEK
40.000 SEK
4. Schulgebühren pro Schüler 1991/92
Durchschnitt aller Schulen
Durchschnitt der Schulen die Schulgebühren verlangen
höchste jährliche Schulgebühr
Anteil der Schulen ohne Gebühr
in % der öffentl. Schulen
62 %
24 %
86 %
6.500 SEK
8.000 SEK
43.100 SEK
28 %
5. staatliche Finanzhilfe pro Schüler 1990/91
Staat
9.240 SEK
Kommunen (Durchschnitt)
7.100 SEK
Kommunen (Streuung)
0–22.900 SEK
Quelle: (SOU 1992:38), alle Angaben pro Schuljahr, eigene Zusammenstellung.
Vor der Reform 1997 deckte die staatliche und öffentliche Finanzhilfe
rund 50 Prozent der Kosten und 30 Prozent des Schuletats wurden aus
Schulgebühren finanziert. Insgesamt war die Höhe der Einnahmen extrem
gestreut. Zunächst zu den Schulgebühren: Rund ein Drittel der Schulen
erhob überhaupt keine Gebühren. Im Durchschnitt betrugen die Gebühren unter 100 Euro pro Monat in inflationsbereinigten Preisen von 2009
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
161
(8.000 SEK). Allerdings erhoben einige Schulen auch erheblich mehr. Zusätzliche Einnahmen wurden durch Spenden generiert. Nicht zu unterschätzen waren auch informelle Einnahmen in Form von ehrenamtlicher
Arbeit der Eltern (s. versteckte Kosten), die somit das offizielle Budget der
Privatschulen entlasteten. Ebenso wie die Schulgebühren waren die kommunalen Zuschüsse extrem gestreut.
Obwohl die durchschnittlichen Einnahmen 1991/92 zwischen den
Schulen stark variierten, wird der grundlegende Unterschied im Vergleich
zur Situation nach 1997 deutlich. Der Bildungsmarkt für Privatschulen
wird seitdem ausschließlich steuerfinanziert, wodurch sich die Einnahmen
der meisten Privatschulen erhöhten und sich gleichzeitig die Erwartungssicherheit der Einnahmen verbesserte. Insgesamt ist damit das öffentliche
Finanzierungsvolumen in Schweden angestiegen und gleichzeitig ging die
Belastung für Privathaushalte zurück, weil die Schulgebühren wegfielen.
USA
In den USA können Privatschulen öffentliche Zuschüsse erhalten, aber das
National Center for Education Statistics bemerkt dazu nur lapidar: »Some
private elementary and secondary school revenues come from federal,
state, and local sources. However, comprehensive data are not available to
delineate the sources of revenues for private schools« (NCES 1995: 36).
Die einzige offizielle und regelmäßig erhobene Information zur Finanzierung der Privatschulen sind die eingenommenen Schulgebühren pro
Schüler.78 Tabelle 11 zeigt die durchschnittlichen Schulgebühren für
Privatschulen von 1987–2003 und setzt sie in Relation zum Familieneinkommen und den Ausgaben öffentlicher Schulen pro Schüler.
Wie auch in Schweden war die Streuung der Schulgebühren in den
USA sehr hoch. Beispielsweise bezahlten rund fünf Prozent der Schüler
weniger als 2.500 US-Dollar, aber über 50 Prozent bezahlten mehr als
10.000 US-Dollar (alle Zahlen 2003).79 Erhebliche Unterschiede bestanden
——————
78 Außerdem existieren verschiedene steuerlich absetzbare Bildungssparanlagen. Nach dem
Vorbild der Individual Retirement Accounts (IRAs) wurden auf bundesstaatlicher Ebene
1997 Education Savings Accounts (ESA) eingeführt (seit 2001 Coverdell ESA). Insgesamt ist die Anzahl der Sparpläne von 1998 bis 2001 um 53 % angestiegen, das heißt
Privathaushalte sparen mehr für die Bildung ihrer Kinder, um später Schul- und Studiengebühren bezahlen zu können (Dynarski 2004; Jackson 2006). In einigen Bundesstaaten existieren auch Steuererleichterungen für Schulgebühren (Levin/Belfield 2003).
79 Eigene Berechnung (NCES 2009b: table 59).
162
WOHLFAHRTSMÄRKTE
auch zwischen konfessionellen und säkularen Privatschulen. Während
katholische Schulen im Durchschnitt nur 4.254 US-Dollar pro Schüler
verlangten, mussten Schüler an säkularen Schulen rund das Dreifache bezahlen (13.419 $). Die hohe Streuung der Schulgebühren deutet auf einen
sehr heterogenen Markt hin.
Tabelle 11: Schulgeld für private Grund- und Sekundarschulen in Relation zum
Familieneinkommen und den öffentlichen Pro-Kopf-Ausgaben in US-Dollar (1987–
2003), USA
Jahr
Durchschnittliches Schulgeld pro
Schüler
1987
1.915 $
1993
3.116 $
1999
4.689 $
2003
6.600 $
laufende Ausgaben öffentlicher
Schulen pro Schüler (in US-$)
Schulgeld in Prozent der öffentlichen Ausgaben pro Schüler
4.240 $
5.767 $
7.394 $
8.900 $
45,2 %
54,0 %
63,4 %
74,2 %
Familieneinkommen in US-Dollar
(Median)
Schulgeld in Prozent vom
Familieneinkommen
30.970 $
36.959 $
48.950 $
52.680 $
6,2 %
8,4 %
9,6 %
12,5 %
Quelle: (NCES 1991: table 55; 1995: table 60; 2009b: table 30, 59), eigene Berechnung, nicht
inflationsbereinigt.
Um den relativen Anteil der privaten Haushalte an der gesamten Finanzierung der Privatschulen näherungsweise bestimmen zu können, wurden
zwei Indikatoren konstruiert:
Erstens wurde der Anteil der Schulgebühren im Vergleich zu den Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule berechnet. Im Untersuchungszeitraum 1987–2003 ist der Anteil von rund der Hälfte auf rund
drei Viertel angestiegen. Der Schluss liegt nahe, dass die Schulgebühren
einen größeren Teil des Budgets einer Privatschule abdecken müssen. Dies
wäre ein Hinweis darauf, dass öffentliche Zuschüsse und andere Einnahmequellen für Privatschulen rückläufig waren und deshalb die Schulgebühren stärker erhöht werden mussten, um die sinkenden Einnahmen
auszugleichen.
Zweitens wurde berechnet wie viel Prozent des Medianeinkommens
eine Familie jährlich an Schulgeld aufbringen müsste, um ein Kind an eine
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
163
Privatschule zu schicken. Wie Tabelle 11 zu entnehmen ist, stieg der relative Anteil von rund sechs auf zwölf Prozent an, das heißt Familien müssen mehr als doppelt so viel von ihrem Einkommen aufwenden um ihr
Kind auf eine Privatschule zu schicken. Somit sind die Belastungen für
private Haushalte gestiegen.
Die vorliegenden Analysen legen nahe, dass die privaten Haushalte höhere Schulgebühren entrichten mussten und vermutlich einen größeren
Anteil ihres Einkommens für die Privatschulen aufwendeten. Laut den
bereits diskutierten OECD-Daten ist aber der Anteil der privaten Haushalte an den Gesamteinnahmen von Privatschulen stabil geblieben. Anhand der nationalen Daten drängt sich jedoch die Vermutung auf, dass in
den USA das Finanzierungsvolumen für Privatschulen gesunken ist, weil
private Haushalte erheblich mehr für Privatschulen aufwenden mussten.
Mehr öffentliche Zuschüsse oder gestiegene Schulgebühren?
Aufgrund der Auswertung der amtlichen Statistik relativiert sich auch die
Schlussfolgerung aus dem Finanzierungsabschnitt des internationalen Vergleichs mit den OECD-Daten (s. S. 149), dass die USA geringere private
Bildungsausgaben haben als Deutschland. Obwohl, wie bereits erläutert,
keine Zeitreihenanalyse der deutschen Statistiken möglich ist, wurden Indizien gefunden, dass der private Finanzierungsanteil in Deutschland doch
geringer als in den USA ist und dieser im Untersuchungszeitraum nicht
gewachsen ist. Die verwendeten amtlichen Statistiken deuten darauf hin,
dass private Haushalte in Deutschland weniger für Privatschulen aufwenden müssen und mehr öffentliche Zuschüsse erhalten als in den USA. Es
scheint auch so, dass seit den 1990er Jahren die öffentlichen Zuschüsse in
Deutschland in Relation zu den privaten Ausgaben gewachsen sind und in
den USA ein umgekehrter Trend zu verzeichnen war.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Finanzierungsdimension
im Bildungsbereich keinen eindeutigen Anstieg der privaten Finanzierung.
In Deutschland und Schweden scheint die öffentliche Finanzierung ausgeweitet worden zu sein und im Umkehrschluss scheint der Anteil der privaten Haushalte gesunken zu sein. Lediglich in den USA sind die Schulgebühren für Privatschulen stärker angestiegen als die Löhne. Insgesamt
unterstreicht die Auswertung zumindest die weiterhin hohe öffentliche
Finanzierung der Schulbildung, schließt aber nicht aus, dass private Produktionsformen und Wahlfreiheiten zugenommen haben, wie die folgen-
164
WOHLFAHRTSMÄRKTE
den Abschnitte zeigen werden. Dies bedeutet aber auch, dass sowohl
öffentliche als auch private Schulen überwiegend von öffentlichen Zuschüssen abhängen, mit Ausnahme der USA, obwohl auch hier die
Datenlage sehr unzureichend ist.
Produktionsdimension des Bildungsmarktes
Der historische Vergleich der Produktionsdimension konzentriert sich auf
die tatsächliche private Produktion, dazu wird die Anzahl der Privatschulen
und Privatschüler im Zeitverlauf untersucht.
Anteil der Privatschulen
In der folgenden Abbildung 11 ist der Anteil der Privatschulen an den
gesamten Schulen von 1970–2009 im Vergleich der drei Länder Deutschland, Schweden und den USA dargestellt. Der Privatschulanteil ist in allen
drei Ländern seit 1970 angestiegen.
In den USA ist der Anteil der Privatschulen im verfügbaren Untersuchungszeitraum um 7,8 Prozentpunkte gestiegen, stagniert aber seit Mitte der 1990er Jahre.80 Der US-amerikanische Bildungsmarkt erscheint
somit stabil und deutet auf eine Marktsättigung hin.
Für Schweden sind kontinuierliche Daten vor 1994 nicht vorhanden,
sondern nur punktuelle Erhebungen. Im Jahre 1981 operierten 35 Privatschulen in Schweden, wovon 8 (22,9 %) staatliche Zuschüsse erhielten
(SOU 1981:34: 23). Man geht davon aus, dass zwischen 1980 und 1990
weniger als ein Prozent der Schulen in privater Trägerschaft war (vgl.
Tabelle 10). Im kontinuierlichen Erhebungszeitraum (1994–2008) verzeichnete Schweden mit einem Plus von 15 Prozentpunkten das stärkste
Wachstum der Privatschulen (sogenannte »freie Schulen«, fristående skolor)
aufgrund einer umfassenden Reform und Marktliberalisierung der Privatschulfinanzierung. Ausgehend von einem sehr geringen Niveau Anfang der
1990er Jahre haben die Privatschulen in Schweden mittlerweile einen vergleichsweise hohen Anteil. Die jährlichen Wachstumsraten lassen auch
noch kein Ende des Wachstums erkennen.
——————
80 Zur Entwicklung vor 1980 im Detail siehe Cooper (1988) und Herbst (2006).
165
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
5
10
Prozent
15
20
25
30
Abbildung 11: Anteil der Privatschulen an den gesamten Schulen (1970–2008)
1970
1980
Deutschland
1990
Jahr
2000
Schweden
2010
USA
Quelle: verschiedene Jahrgänge (Destatis 2000: Tabelle 1.10; 2008b: Tabelle 8.2; NCES 2009b:
table 5; Skolverket 2009: verschiedene Tabellen; eigene Berechnungen).
Anmerkungen: USA: Erhebung der Privatschulen nur alle zwei Jahre, Schweden: Privatschulen
sind alle fristående skolor inklusive internationale Schulen und Internate; Deutschland: bis 1990
Westdeutschland.
In Deutschland waren Privatschulen auch auf dem Vormarsch, aber insgesamt auf vergleichsweise niedrigem Niveau und mit moderaten Wachstumsraten.81 Die Wohlfahrtsmarktentwicklung zeigt zwar ein stetiges
Wachstum seit 1950,82 der Bildungsmarkt erscheint aber im Vergleich zu
Schweden und den USA unterentwickelt.
Die durchschnittlichen Privatisierungsanteile berücksichtigen nicht,
dass in allen drei Ländern mehr private Sekundarschulen als private
——————
81 Die Berufsschulen wurden in Deutschland nicht berücksichtigt. Der Anteil der Privatschulen ist bei den Berufsschulen höher und betrug beispielsweise 1996 rund 14 %
(Hummelsheim/Timmermann 1999: 28).
82 Als deutsche Besonderheit ist das starke Ost-West-Gefälle des Privatschulanteils zu
erwähnen. Da im SED-Regime keine privaten Schulen zugelassen waren, ist die gesamtdeutsche Quote der Privatschulen Anfang der 1990er Jahre zunächst einigungsbedingt
gesunken (Klein 2007: 18). Bei alleiniger Betrachtung der alten Bundesländer war ein
kontinuierliches Wachstum seit 1950 zu verzeichnen.
166
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Primarschulen existierten. Beispielsweise betrug der Privatschulanteil
schwedischer Grundschulen 14,2 Prozent (2008), private Gymnasien
(43,8 Prozent) waren indessen fast gleichauf mit öffentlichen Gymnasien.
In den USA und Deutschland sind die Unterschiede nicht so extrem, dennoch auch zu beobachten. Trotz dieser Unterschiede der Primar- und
Sekundarschulen verzeichnen alle Privatschulen ein Wachstum.
Ein Großteil der Privatschulen wird in Deutschland und den USA von
Religionsgemeinschaften betrieben (Cooper 1988; Herbst 2006; 66 % in
Deutschland 2004/05, Klein 2007: 11; 76 % in den USA 2003/04, NCES
2009b: table 59).83 Wenngleich Konfessionsschulen in Schweden anfangs
noch relativ häufig vertreten waren, ist ihr Anteil seit Mitte der 1990er
Jahre kontinuierlich rückläufig (Skolverket 2005: 26; 10 % Grundschule,
1,5 % Gymnasium 2008/09, Skolverket 2009). Unter nicht-säkularen Schulen waren insbesondere die Waldorfschulen in Deutschland und Schweden
stark vertreten, ihr Marktanteil ist allerdings auch in Schweden rückläufig
und sie sind kaum noch relevant.
Anteil der Privatschüler
In einem zweiten Schritt wird nun die Entwicklung der Privatschülerzahlen
verglichen, weil die Anbieter auf dem Markt (Schulen) nur einen Aspekt
der Produktion beleuchten und nicht genau angeben wie viele Kunden
(Schüler) wirklich die Schulen besuchen. Außerdem sind die Schülerzahlen
besser dokumentiert und ermöglichen die Untersuchung eines längeren
Zeitraums. Abbildung 12 zeigt den Anteil der Privatschüler gemessen an
der gesamten Schülerzahl.
Insgesamt zeigt sich ein ähnliches Wachstum bei der Entwicklung der
Privatschülerzahlen wie bei den Privatschulen, allerdings sind auch Unterschiede festzustellen (vgl. Abbildung 11). In Deutschland und Schweden
stieg der Anteil der Privatschüler seit den 1990er Jahren an, während sich
ihr Anteil in den USA leicht verringerte.84
——————
83 Historisch war der Anteil der Konfessionsschulen häufig erheblich höher. Beispielsweise
besaßen in Preußen 95 % der öffentlichen Schulen ein konfessionelles Profil und auch
in den USA dominierten öffentliche Konfessionsschulen (Herbst 2006).
84 Die »Education at a Glance« Berichte der OECD zeigen für die Periode 1998–2006
denselben Trend. In den OECD Daten wird die Anzahl der Privatschüler jedoch systematisch unterschätzt (Deutschland -0,3 %, Schweden -1,1 %, USA -1,3 %).
167
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
0
5
Prozent
10
15
Abbildung 12: Anteil der Privatschüler an der gesamten Schülerschaft
1950
1960
1970
Deutschland
1980
Jahr
1990
Schweden
2000
2010
USA
Quelle: verschiedene Jahrgänge (Destatis 2008b: Tabelle 9.2 für Deutschland 1992–2007; Klein
2007: 18 für Deutschland 1950–1990; NCES 2009b: table 3; Skolverket 2009: verschiedene
Tabellen; eigene Berechnungen).
Anmerkungen: USA: Erhebung der Privatschulen nur alle zwei Jahre, fehlende Werte wurden
ergänzt, vor 1964 Daten nur für 1950 und 1959; Schweden: Privatschulen sind alle fristående skolor
inklusive internationale Schulen und Internate; Deutschland: bis 1990 Westdeutschland.
In den USA ist aber in absoluten Zahlen die Anzahl der Privatschüler von
1990 bis 2004 um rund ein halbe Million gestiegen. Wenn die absoluten
Zahlen der Privatschüler (und Privatschulen) angestiegen sind, aber ihr
Anteil am gesamten Schulwesen sank, folgt daraus, dass das öffentliche
Schulwesen stärker expandierte als das private. Es scheint, als ob öffentliche Bildungseinrichtungen in den USA schneller auf den gestiegenen
Bildungsbedarf reagieren konnten; was sich auch mit der Bildungsexpansion um die Jahrhundertwende im 19. Jahrhundert deckt, als die öffentlichen Schulen schneller expandierten als die privaten (Busemeyer 2006a;
Herbst 2006). Der mehr oder weniger konstante Privatschüleranteil um die
13 Prozent deutet auf einen gesättigten Bildungsmarkt hin, der kein
Wachstumspotenzial hat.
In Deutschland ist der Anteil der Privatschüler stetig auf 7,4 Prozent
(2007) angestiegen. Trotz einigungsbedingten kurzzeitigen Rückgangs ist
168
WOHLFAHRTSMÄRKTE
die Privatschülerquote ununterbrochen gewachsen. Im Vergleich zu den
USA ist die gesamte Schüleranzahl in Deutschland aber seit den 2000er
Jahren rückläufig gewesen.85 In einem Umfeld sinkender Nachfrage konnten sich also die Privatschulen behaupten und sowohl absolut wachsen als
auch Marktanteile gewinnen.
Um die historische Entwicklung in Schweden mit den USA und
Deutschland vergleichen zu können, muss an dieser Stelle auf verschiedene
historische Quellen zurückgegriffen werden. Da diese Erhebungen nicht
ohne Weiteres mit den administrativen Daten der 1990er Jahre zu vergleichen sind, sind die Auswertungen nicht in Abbildung 12 aufgeführt. Von
1919 bis 1981 wurde der Bildungsmarkt mehr oder weniger marginalisiert
(vgl. Tabelle 10). Um 1959 besuchten noch rund fünf Prozent der Gymnasialschüler eine Privatschule. In den folgenden zwanzig Jahren reduzierte
sich der Anteil der Privatschüler weiter und sank unter ein Prozent
(Schätzungen von 1919–1981 basierend auf SOU 1981:34: 19).86
Seit 1990 ist im abgebildeten Untersuchungszeitraum der umgekehrte
Trend in Schweden festzustellen mit einer jährlichen Wachstumsrate von
15,3 Prozent (s. Abbildung 12). Die schwedische Privatschülerquote überflügelte nicht nur die deutsche – wie schon bei den Privatschulen – sondern auch die US-amerikanische87 und erreichte 2009 ein Niveau von 12,8
Prozent. Im Gymnasialbereich profitierten die Privatschulen insbesondere
von einem expandierenden Markt. Die Schüleranzahl an Gymnasien ist
von 1992 bis 2008 um 86.075 Schüler gestiegen, allein 72.240 davon gingen
auf Privatschulen (84 %), das heißt die Bildungsexpansion im Gymnasialbereich wäre ohne die neuen Privatschulen überhaupt nicht möglich gewesen.
——————
85 Von 2000–2007 sank die gesamte Schülerschaft von knapp 10 Mio. auf unter 9,2 Mio.
Umgekehrt zum demografischen Trend existieren 2007 rund 1000 Privatschulen mehr
als 1992 mit rund 230.000 zusätzlichen Privatschülern (Destatis 2008a; 2008b).
86 Im Jahre 1981 gingen 0,20 % der Grundschüler auf eine Privatschule, die staatliche
Zuschüsse erhielt, und 0,38 % der Grundschüler auf eine Schule ohne staatliche Zuschüsse. Auf private Gymnasien ging derselbe Anteil an Schülern (0,58 %) sie verteilten
sich jedoch etwas anders auf Privatschulen mit staatlichen (0,43 %) und ohne staatliche
(0,15 %) Zuschüsse.
87 Die Entwicklung der schwedischen Privatschülerquote für das Jahr 2009 legt diesen
Schluss nahe, kann aber noch nicht bestätigt werden, weil die US-amerikanischen Daten
nur bis zum Jahr 2006 vorliegen.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
169
Marktexpansion in der Produktionsdimension
Insgesamt zeigt die Entwicklung der Privatschulen und -schüler seit den
1990er Jahren in Deutschland und Schweden einen Aufholeffekt zum USamerikanischen Niveau (catch-up). Während der Bildungsmarkt in den USA
gesättigt erscheint, ist der Privatschüler- und Privatschulanteil in Deutschland und Schweden stetig angestiegen. Sowohl in Schweden als auch in
Deutschland ist bisher keine Abschwächung des Wachstums zu erkennen.
In Schweden ist die Expansion so stark, dass mittelfristig eine höhere Privatisierungsquote als in den USA zu erwarten ist. Da die deutschen Wachstumsraten bisher eher moderat sind, erscheint ein Überholen der USA
langfristig eher als unwahrscheinlich.
In Bezug auf alle Produktionsindikatoren – den Privatschulen und schülern – zeigte dieser Abschnitt einen Anstieg der Bildungsmärkte insbesondere in Deutschland und Schweden. In den USA konnte dieser Trend
zwar vor 1990 festgestellt werden, aber nicht mehr für den relevanten
Untersuchungszeitraum dieser Studie seit 1990. Deshalb wird sich der
folgende Abschnitt genauer zwei Phänomenen des US-amerikanischen
Bildungsmarktes widmen: Mit Charter Schools und School Vouchers wurden in den 1990er Jahren jeweils zwei Bildungsmarkttypen geschaffen,
allerdings tauchen sie in den bereits diskutierten Indikatoren aus verschiedenen Gründen nicht auf. Der folgende Exkurs wird deshalb diese zwei
speziellen und zum Teil verborgenen Bildungsmärkte und ihr Marktvolumen genauer untersuchen.
Exkurs Charter Schools und School Vouchers
Die bisher herangezogene Definition der Privatschulen hat zwei Besonderheiten des US-amerikanischen Bildungsmarktes nicht erfasst, weshalb
ich im folgenden Exkurs das Augenmerk auf Charter Schools und School
Vouchers (sogenannte Schulgutscheine) lenken möchte. Warum werden
diese Bildungsmärkte beziehungsweise Privatschulen nicht ausreichend in
den bereits diskutierten Indikatoren der Finanzierungs- und Produktionsdimensionen berücksichtigt?
Erstens sind Charter Schools öffentliche Schulen, die von Schülern frei
angewählt werden können und für die sie keine Gebühren entrichten müssen. Da sie formal öffentliche Schulen sind, werden sie in der Statistik als
öffentliche Schulen aufgeführt, sie unterscheiden sich aber fundamental
170
WOHLFAHRTSMÄRKTE
von klassischen öffentlichen Schulen wie die weiteren Ausführungen zeigen werden.
Zweitens besteht eine hohe innerstaatliche Variation in den USA bezüglich des Ausbaus von Charter Schools und School Vouchers. Beispielsweise existieren öffentliche Schulgutscheinsysteme nur in zwei Schulbezirken (Milwaukee, Ohio). Deshalb unterschätzen nationale Aggregatdaten
das beträchtliche Marktvolumen in einigen Bundesstaaten.
Zusätzlich ist eine Analyse beider Bewegungen äußerst interessant, weil
die Gründung von Charter Schools und die Einführung von Vouchers
politisch sehr umstritten ist (Levin 2001: 4). Unterhalb der nationalstaatlichen Ebene ist also ein größeres Marktvolumen zu vermuten, als zunächst die amtliche Statistik nahelegt. Soweit es möglich ist, werden die
folgenden Abschnitte auf die gliedstaatliche Variation eingehen und das
spezifische Marktvolumen der Bildungsmärkte in einzelnen Bundesstaaten
aufzeigen. Der erste Teil des Exkurses behandelt Charter Schools und der
zweite Teil diskutiert School Vouchers.
Charter Schools
Seit 1991 wurden in 41 US-Bundesstaaten Charter School Gesetze erlassen
(NCES 2011a; Vergari 2000), lediglich kleinere bevölkerungsarme Bundesstaaten haben bisher keine entsprechenden Gesetze erlassen. Charter
Schools vereinen Elemente »usually associated with both public and private
schools« (Miron/Nelson 2002: 213). Als öffentliche Schulen werden
Charter Schools vom kommunalen Schulvorstand – sogenannte School
Boards – geführt, in denen demokratisch gewählte Repräsentanten des
Schulbezirks über die Schulpolitik entscheiden. Die School Boards haben
aber viel mehr Freiheiten als an öffentlichen Schulen und schließen einen
Vertrag (die sogenannte Charter) mit einem unabhängigen Betreiber der
Schule ab.
Anfangs waren die Betreiber engagierte lokale Lehrerkollegien oder
Elterninitiativen, also vergleichbar zu Akteuren des Dritten Sektors. Sie
betreiben meist nur eine Schule und verfolgen kein Gewinninteresse.
Außerdem können sich diese lokalen Initiativen zusammenschließen und
mehrere Schulen betreiben, die als Charter Management Organizations
(CMOs) bezeichnet werden.88 Mittlerweile dürfen Charter Schools in meh-
——————
88 Sie können auch gemeinnützig sein, verfolgen aber in erster Linie kein Gewinnziel (Lake
u.a. 2010).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
171
reren Bundesstaaten verschiedene Dienstleistungen an profitorientierte
Betreiber, sogenannte Education Management Organizations (EMOs),
ausschreiben (Vergari 2007: 19).89 Profitorientierte Schulbetreiber bieten
typischerweise dem Schulvorstand einer Charter School Erziehungsdienstleistungen an und vermieten nach Bedarf auch Schulgebäude und Schulausstattungen. Die EMOs erheben häufig auf das Schulkurrikulum, den
Schulnamen sowie auf das Schulprofil Eigentumsrechte (Miron/Nelson
2002: 179). Die Grenzen von privatem und öffentlichem Eigentum verwischen in den Bundesstaaten, die profitorientierte Betreiber zulassen.
Hatcher (2003: 5) nennt diese profitorientierten Schulen deshalb auch
»quasi-voucher schools«. Charter Schools befinden sich damit im doppelten Wettbewerb mit normalen öffentlichen Schulen und mit Privatschulen.
Im Kern bleiben sie jedoch öffentliche Schulen, weil der Vertrag zwischen
öffentlichem Schulvorstand und privaten Schulbetreibern geschlossen
wird. In dieser Arbeit werde sie als Quasi-Privatschulen betrachtet, weil sie
innerhalb eines Wohlfahrtsmarktes operieren. Die Marktmechanismen
werden an zwei Stellen deutlich: Erstens können die Schüler frei zwischen
den Charter Schools wählen, wie bei einem Konsumentenmarkt. Zweitens
können verschiedene Dienstleistungen an CMOs und EMOs ausgeschrieben werden, wodurch ein Anbietermarkt entsteht. Die CharterSchool-Märkte, an denen profitorientierte EMOs zugelassen sind, weisen
den höchsten Grad der Vermarktlichung auf. Der Charter-School-Markt ist
somit ein hybrider Markt mit Elementen von Konsumenten- und Ausschreibungsmarkt (vgl. Abbildung 1).
Ein weiterer Schultyp, sogenannte Magnet Schools, ist in diesem Kontext
zu erwähnen, weil er Vorbild für die Charter Schools war und eine ähnliche
Wahlfreiheit ermöglicht wie die Charter Schools. Da die Finanzierung
(steuerfinanziert) und Produktion (keine EMOs) dieser Schulen ausschließlich staatlich ist, sind sie keine Privatschulen im weiteren Sinne. Insgesamt
sind die Marktmechanismen der Magnet Schools im Vergleich zu den
Charter Schools deutlich geringer und beschränken sich auf die Wahlfreiheit der Schüler über die Schuleinzugsbereiche hinweg (Konsumentenmarkt).
Tabelle 12 vergleicht die Entwicklung der Charter und Magnet Schools
in Bezug auf die Anzahl der Schulen und der unterrichteten Schüler in
Prozent der gesamten Schulanzahl und Schülerschaft.
——————
89 Profitorientierung ist nur in Hawaii, Iowa, Mississippi und Tennessee verboten.
172
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Tabelle 12: Charter und Magnet Schools (Anteil in Prozent aller Schulen), 1999–
2007
Jahr
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Charter Schools
Schulen
Schüler
0,6
0,3
1,7
0,7
2,1
1,0
2,5
1,2
2,7
1,4
3,1
1,6
3,5
1,8
3,9
2,1
4,3
2,4
Magnet Schools
Schulen
Schüler
1,3
2,2
1,5
2,4
1,6
2,6
1,9
3,0
2,1
3,2
2,2
3,3
2,2
3,4
2,8
4,3
2,3
3,2
Wandel
Wachstumsrate (jährlich)
3,7
29,0
1,0
7,4
2,1
29,7
1,1
5,2
Quelle: eigene Berechnung (NCES 2009a).
Anmerkungen: Der Anteil bezieht sich auf alle Bundesstaaten inklusive District of Columbia (51),
obwohl in dem Untersuchungszeitraum 10–15 Bundesstaaten keine Charter Schools zuließen.
Allein in der letzten Dekade ist der Anteil der Charter Schools an den gesamten Schulen sprunghaft angestiegen. Im Schuljahr 2006–2007 waren
über eine Million Schüler in über 4200 Charter Schools eingeschrieben. Die
relativ jungen Charter Schools hatten Ende der 1990er Jahre einen geringen Anteil als die Magnet Schools, in der letzten Dekade verzeichneten sie
aber viel höhere Wachstumsraten und erreichten 2007 fast einen doppelt
so hohen Anteil wie Magnet Schools. Der Schüleranteil der Charter
Schools wird in den nächsten Jahren vermutlich auch den der Magnet
Schools übertreffen, wenn die Wachstumsraten weiterhin so hoch bleiben
(Tabelle 12). Die Charter Schools erzielen eindeutig immer größere Marktanteile, tauchen aber in der offiziellen Privatschulstatistik nicht auf. Wie
gesagt sind Charter Schools steuerfinanziert, weshalb die Vermarktlichung
nur die Dimensionen Produktion und Wahlfreiheit betrifft.
Noch deutlicher wird das gestiegene Marktvolumen im Bereich der
Charter Schools, wenn die Education Management Organisations (EMOs)
untersucht werden. In 31 Staaten waren profitorientierte EMOs als Betreiber von Charter Schools zugelassen (2008). Sie betrieben 733 Charter
Schools im Schuljahr 2008/2009. Die Schüleranzahl ist von 1999 bis 2009
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
173
von rund 50.000 auf rund 350.000 Schüler angestiegen (Molnar u.a. 2009:
11).
Tabelle 13: Anteil der EMOs an Charter Schools, 1999–2007
Jahr
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
Schulen
25,8
15,1
14,3
15,7
16,2
15,6
15,7
13,8
11,8
Schüler
27,5
28,4
25,4
27,3
23,5
19,8
Quelle: eigene Berechnung (Molnar u.a. 2009; NCES 2009a).
Anmerkungen: Berechnung beruht auf der Annahme, dass alle EMOs Charter Schools betreiben.
Laut Molnar u.a. (2009) sind 94 % der von EMOs betriebenen Schulen Charter Schools.
Tabelle 13 zeigt nun den Anteil der EMOs an allen Charter Schools. Damit
wird praktisch der Anteil der Charter Schools angegeben, die den höchsten
Grad der Vermarktlichung aufweisen. Erstaunlicherweise ist, trotz des
absoluten Wachstums der profitorientierten EMOs, ihr relativer Anteil gesunken. Molnar u.a. (2006: 5) und Ziebarth u.a. (2005: 17) zeigen ebenfalls
einen schwindenden Marktanteil der EMOs.90 Der sinkende Anteil der
EMOs beruht auf einem Anstieg der nicht-profitorientierten Charter
Management Organizations (CMOs). Lokale Schulbetreiber hatten bis
2009 noch den größten Anteil am Charter School Markt (Lake 2010), allerdings wiesen CMOs das größte Wachstumspotenzial auf (Bowen u.a. 2012;
Lake 2005: 37).
Außerdem sind zwischen den Bundesstaaten erhebliche Unterschiede
festzustellen: Einige Bundesstaaten hatten keine einzige Charter School.
Ferner erlaubten nicht alle Bundesstaaten EMOs. In Michigan und Ohio
wurden beispielsweise 75 und 33 Prozent der Charter Schools von EMOs
——————
90 Die jeweilige Schätzung variiert jedoch im Vergleich zu Tabelle 13. Molnar u.a. überschätzen den Anteil mit rund 19 %, wohingegen Ziebarth u.a. den Anteil mit 10 % eher
unterschätzen. Die Datenerhebung von Molnar u.a. wurde 2009 überarbeitet und zeigt
einen starken Anstieg der EMOs. Da noch keine Daten vom NCES vorliegen, kann die
neue Messung noch nicht in Tabelle 13 berücksichtigt werden.
174
WOHLFAHRTSMÄRKTE
betrieben, in Staaten wie Arizona und Wisconsin liegen die Werte unter
fünf Prozent (Miron/Nelson 2002: 173; Ziebarth u.a. 2005: 17).
Obwohl die Charter Schools mit Steuergeldern finanziert sind und keine Schulgebühren erheben dürfen, stehen Charter Schools unter einem
erheblichen Druck private Finanzierungsquellen zu erschließen. Da sie nur
einen Anteil der Pro-Kopf-Ausgaben öffentlicher Schulen erhalten, müssen sie die Finanzierungslücke entweder mit geringeren Ausgaben schließen (effizientere Mittelverteilung, geringer Leistungen) oder zusätzliche
Einnahmequellen erschließen (z. B. Fundraising oder Elternarbeit, Wells/
Scott 2001: 241–248).
Schließlich ist noch hervorzuheben, dass die Charter Schools die Selektion ihrer Schülerschaft eigenständig vornehmen. Viele Schulen verlangen
Eignungstests, Vorstellungsgespräche mit Eltern und Schülern oder ehrenamtliche Leistungen. Diese Selektionsmöglichkeiten der Schulen schränken
die Wahlfreiheit der Schüler ein. Die Wahlfreiheit ist an Bedingungen geknüpft, die insbesondere Schüler und Eltern aus niedrigeren sozialen
Schichten (arm, bildungsfern, etc.) seltener erfüllen (Wells/Scott 2001).
Zusammenfassend haben Charter Schools dreierlei bewirkt: Erstens
haben sie die Wahlfreiheit erhöht, da Eltern und Schüler zwischen vielfältigen Schultypen und pädagogischen Profilen wählen können. Zweitens
verblieb die Finanzierung öffentlich, weil der Staat die Finanzierungsverantwortung behielt und somit auch Familien mit geringen finanziellen
Ressourcen Wahloptionen ermöglicht wurden, ohne dass sie dafür Schulgebühren entrichten mussten. Drittens wurde die Produktionsdimension
privatisiert und vermarktlicht. Die profitorientierten EMOs teilen sich den
neuen Bildungsmarkt aber mit gemeinnützigen CMOs. Die ungleiche Verteilung der profitorientierten EMOs über die einzelnen Bundesstaaten legt
den Schluss nahe, dass die komparativen Vorteile in einigen Bundesstaaten
größer sind als in anderen. Möglicherweise gründen profitorientierte
EMOs Charter Schools nur in Staaten, deren Marktregulierung lukrative
Gewinne verspricht.
School Vouchers
Zeitgleich zur Charter School Bewegung wurde in zwei Bundesstaaten
öffentliche Schulgutscheinsysteme eingeführt. Schulgutscheine oder School
Voucher funktionieren nach dem Prinzip, dass Schüler von einem Gutscheingeber (z.B. Staat oder Stiftung) einen Gutschein erhalten. Mit diesem
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
175
Gutschein können sie sowohl öffentliche als auch private Schulen besuchen. Teilnehmende Schulen bekommen für jeden Schüler vom Gutscheingeber eine feste Summe überwiesen. Schüler können dadurch frei
zwischen privaten und öffentlichen Schuloptionen wählen, indem sie Gutscheine erhalten, die die Schulgebühren decken.91
Metcalf und Tait (1999) betonen, dass öffentliche Gutscheinsysteme
finanziell am besten ausgestattet sind und somit die meisten Schüler unterstützen, private Gutscheinsysteme sind jedoch weiter verbreitet (s.a.
Tucker/Lauber 1995).92 Die Finanzierungsgrundlage für private Gutscheinsysteme basiert auf Spenden und Stiftungskapital. Sie ermöglichen
Schülern in ländlichen Gegenden den Besuch von privaten Schulen, wenn
keine öffentliche Schule in der Nähe ist (LAG 2000: VI-2). Öffentliche
Gutscheinsysteme größeren Ausmaßes wurden nur in den Bundesstaaten
Wisconsin mit dem Milwaukee Parental Choice Program (MPCP) und in Ohio
mit dem Cleveland Scholarship and Tutoring Program (CSTP) auf lokaler Ebene
in Cleveland und später im ganzen Bundesstaat Ohio mit dem Educational
Choice Scholarship Program (EdChoice) eingeführt, die im Folgenden ausführlicher präsentiert werden.93 Im Regulierungskapitel wird auch auf die gescheiterten Gesetzesinitiativen in anderen Bundesstaaten eingegangen, im
folgenden Abschnitt steht aber die tatsächliche Marktexpansion im Vordergrund.
Das ältere Programm von beiden – das Milwaukee Parental Choice Program
(MPCP) im Bundesstaat Wisconsin – verzeichnet seit der Gründung 1990
hohe Wachstumsraten (Kava 2007). In Tabelle 14 ist die Entwicklung der
Finanzierungs- und Produktionsdimension angegeben. Einerseits wird auf
der Finanzierungsdimension der maximal abrufbare Gutscheinwert angeben, aber auch wie viel tatsächlich pro Schüler ausgegeben wurde. Andererseits werden auf der Produktionsdimension die beteiligten Schulen und die
Anzahl der geförderten Schüler seit 1991 aufgelistet.
In der Finanzierungs- und Produktionsdimension können beachtliche
Wachstumsraten festgestellt werden, wobei die Schüleranzahl am stärksten
angestiegen ist (jährlich um 26 Prozent). Diese hohen Wachstumsraten
——————
91 Die Friedman Foundation dokumentiert aktuelle Entwicklungen der School Choice
Programme (www.edchoice.org/School-Choice/School-Choice-Programs.aspx).
92 Ende der 1990er Jahre existierten 14 private Schulgutscheinsysteme gegenüber zwei
öffentlichen in amerikanischen Städten. Ebenso existieren in Maine und Vermont seit
über 100 Jahren zwei öffentliche Schulgutscheinsysteme.
93 Zum DC Opportunity Scholarship Program (DCOSP) in Washington siehe Seite 339 ff.
176
WOHLFAHRTSMÄRKTE
beruhen insbesondere auf einer regulativen Änderung im Jahre 1999 (LAG
2000), denn seit dem Schuljahr 1999/00 dürfen auch religiöse Schulen an
dem Programm teilnehmen. Das Reformjahr ist somit eine Ausnahme
einer anhaltenden Wachstumsphase nach der Gründung des Schulgutscheinprogramms, denn die Schülerzahl erhöhte sich im Reformjahr 1998
schlagartig um 400 Prozent. Seitdem dominieren konfessionelle Privatschulen das MPCP.94
Tabelle 14: Entwicklung des Milwaukee Parental Choice Program (MPCP)
Jahr
Privatschulen
Schüler
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
7
6
11
12
12
17
20
23
83
90
100
102
102
106
117
125
124
122
127
300
512
594
704
771
1.288
1.616
1.497
5.761
7.575
9.238
10.497
11.304
12.882
14.071
14.604
17.088
18.558
19.428
% aller
Schüler
0,7
1,4
11,7
Maximaler
Voucher in $
$ pro
Schülera
Gesamtausgaben
in Mio. $
2.446
2.643
2.745
2.985
3.209
3.667
4.373
4.696
4.894
5.106
5.326
5.553
5.783
5.882
5.943
6.351
6.501
6.501
6.607
2.446
2.643
2.745
2.985
3.209
3.667
4.373
4.696
4.894
5.106
5.326
5.553
5.721
5.827
5.874
6.290
6.443
6.438
6.540
0,7
1,4
1,6
2,1
2,5
4,6
7,1
7,0
28,7
39,1
49,0
59,4
65,6
76,2
87,4
93,7
110,1
119,5
127,1
Quelle: DPI (2010), eigene Berechnung.
Anmerkungen: Jahr bezieht sich auf das Frühjahrshalbjahr und das vorherige Herbsthalbjahr des
angegebenen Jahres; $ pro Schüler und Prozent aller Schüler eigene Berechnung; a) kursiv Abweichung gegenüber maximaler Fördersumme. Leere Zellen keine Daten vorhanden.
——————
94 Ebenso wurde regelmäßig die maximale Anzahl der förderfähigen Schüler erhöht. Seit
2006/07 ist die Anzahl auf 22.500 begrenzt (Kava 2007).
177
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
Die hohen Wachstumsraten deuten bisher auf keine Sättigung des Marktes
hin. Das Wachstum wurde jedoch durch die Tatsache limitiert, dass Schüler grundsätzlich nur nach einer Einkommensprüfung berechtigt sind an
dem Programm teilzunehmen (vgl. Kapitel 5.4.2). Der Kreis der Berechtigten ist somit von vornherein begrenzt, weil die Schulgutscheine nicht allen
Schülern offenstehen und somit eine natürliche Wachstumsgrenze erreicht
wäre, wenn alle berechtigten Schüler am MPCP teilnehmen würden. Für
das Schuljahr 2011 wurde beispielsweise die Einkommensgrenze angehoben, sodass eine zentrale Einschränkung für unbegrenztes Marktwachstum
aufgeweicht wurde. In den ausgewerteten Statistiken konnte diese regulative Änderung noch nicht berücksichtigt werden.
Tabelle 15: Entwicklung des Cleveland Scholarship and Tutoring Program (CSTP)
Jahr
Privatschulen
Schüler
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
58
61
61
58
53
50
49
45
45
44
44
46
45
1.994
2.914
3.674
3.404
3.797
4.523
5.281
5.887
5.710
5.813
6.116
6.272
5.590
% aller
Schüler
Maximaler
Voucher in $ a
$ pro
Schüler
Σ-Ausgaben
in Mio. $
2.451
2.827
2.896
3.045
14,2
17,3
18,2
17,0
2.000
2.500
3.000b
9,2
3.450
11,1
Quelle: (CSTP 2010).
Anmerkungen: Jahr bezieht sich auf das Frühjahrshalbjahr und das vorherige Herbsthalbjahr des
angegebenen Jahres; a) nur Änderungen werden angegeben, b) high schools erhielten 2004–2006
maximal 2.700 $. Leere Zellen keine Daten vorhanden.
Das jüngere Cleveland Scholarship and Tutoring Program (CSTP) im Bundesstaat Ohio erreicht nicht ganz das Volumen vom MPCP, ließ aber im Gegensatz zu Milwaukee von Anfang an religiöse Schulen zu. Das Gesetz für
das CSTP wurde 1995 verabschiedet und die ersten Schüler gingen im
Schuljahr 1996/97 auf private Schulen. Die folgende Tabelle 15 veran-
178
WOHLFAHRTSMÄRKTE
schaulicht die Entwicklung des Cleveland Scholarship and Tutoring
Program (CSTP) wie die vorherige Tabelle anhand derselben Indikatoren
der Finanzierungs- und Produktionsdimension.
Das CSTP 2009 war um zwei Drittel kleiner als das MPCP - gemessen
an den Schülerzahlen. Der CSTP Gutschein war rund die Hälfte des
MPCP Gutscheins wert, das heißt das Programm war weniger lukrativ für
profitorientierte Schulen. Das Programm expandierte bis zur vollen
Implementierung 2007, weil jedes Jahr eine Jahrgangsstufe hinzukam.
Allerdings sind die gesamten Förderanträge kontinuierlich zurückgegangen,
wodurch die Wachstumsraten zurückgingen (CSTP 2010). Seit der Einführung der Vouchers ist die Anzahl der teilnehmenden Schulen rückläufig. Keine der Schulen war 2009 profitorientiert, d h. der Gutscheinwert
scheint zu gering, um für gewinnorientierte Privatschulbetreiber attraktiv
zu sein. Ebenso wie in Milwaukee dominieren christliche Konfessionsschulen im CSTP. Insgesamt ist die Expansion also regulativ induziert,
wegen der schrittweisen Ausweitung auf alle Jahrgänge, und beruht nicht
auf einer gestiegenen Nachfrage (wie z.B. in Milwaukee). Trotzdem bewirkte die Marktschaffung immerhin eine Beteiligungsquote von rund 10
Prozent der Schüler, die faktisch in der amtlichen Statistik nicht berücksichtigt werden.
Im Schuljahr 2006/07 startete Ohio – der Bundesstaat von Cleveland –
ein landesweites Gutscheinsystem namens Educational Choice Scholarship
Program (EdChoice). Die Zugangsvoraussetzung weicht von dem CSTP95
dahingehend ab, dass nicht das Familieneinkommen zur Teilnahme berechtigt, sondern dass die bisherige Schule wiederholt unterdurchschnittlich bei der jährlichen landesweiten Schulevaluation abgeschnitten
hat. Im ersten Jahr (2006/07) nahmen 2.713 Schüler an dem EdChoice
Programm teil. Die Teilnahme stieg in den folgenden fünf Jahren auf
13.213 Schüler an (FEC 2011a: 50–51; 2011b). Teilnehmende Schulen
erhielten maximal 4.250/5.000 (elementary/high school) US-Dollar pro Schüler
(Enlow 2008: 28–29). Wenn abschließend die Privatschüleranteile, die
durch Schulgutscheine in Milwaukee und Cleveland/Ohio gefördert werden, mit der nationalen Statistik verglichen werden (vgl. Abbildung 10 und
Abbildung 12), wird deutlich, dass sich der starke Anstieg auf lokaler
Ebene nicht auf der nationalen Ebene widerspiegelt. Aus Cleveland ist bekannt, dass Voucher zum großen Teil einen Substitutionseffekt der Finan-
——————
95 CSTP Schüler können nicht an EdChoice teilnehmen.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
179
zierung bewirken, das heißt die Schüler besuchten vorher Privatschulen, erhalten nun aber öffentliche Zuschüsse für die zu entrichtenden Schulgebühren (Kisida u.a. 2008; Plucker u.a. 2006), daher liegt keine tatsächliche
Änderung auf der Produktionsdimension vor. Die Bildungsgutscheine werden allerdings zu einer neuen öffentlichen Finanzierungsquelle von Privatschulen und ersetzen die private Finanzierung durch die Eltern (Verstaatlichung der Finanzierung).
Dieser Exkurs ist essenziell, um die verborgene Privatisierung und
Vermarktlichung in den USA darzustellen, die aus den nationalen Aggregatdaten allein nicht ersichtlich werden. Am Beispiel der Charter School
Bewegung und anhand der Schulgutscheine kann eine Privatisierung und
Vermarktlichung der Produktion festgestellt werden, die mit einer Aufrechterhaltung (Charter Schools) oder Erhöhung (School Voucher) der
öffentlichen Finanzierung einhergeht. Die jeweiligen Förderprogramme
übernehmen im Regelfall alle Schulgebühren der privaten Anbieter, womit
den (berechtigten) Individuen der freie Zugang zu Privatschulen beziehungsweise öffentlichen Schulen mit privaten Betreibern ermöglicht wurde. Dadurch entstanden hybride Bildungsmärkte (Konsumenten-,
Voucher-, Ausschreibungsmarkt), in dem Schüler frei zwischen Schulen
wählen können und die Schulen miteinander konkurrieren.
Wahlfreiheit – Konfessionsschulen als Alternativen
In diesem Abschnitt wird die Ausweitung der Wahlfreiheit in der Schulbildung aufgezeigt und diskutiert, wie sich die Nutzer tatsächlich als Konsumenten verhalten. Wenn die vormaligen Wohlfahrtsklienten zusehends
als Konsumenten agieren, entspricht das einer Ausweitung der Marktmechanismen. Dabei geht es um die Wahlfreiheit der primären Nutzer und
Entscheider. Im Schulkontext sind die Nutzerrollen auf mehreren Schultern verteilt. Schüler sind die primären Bildungsnutzer in der Primar- und
Sekundarstufe. Im Vergleich zu anderen Wohlfahrtsnutzern (z.B. Rentenversicherten) treffen aber meist Eltern die Wahlentscheidungen über die
geeignete Schule stellvertretend für ihre Kinder, zumindest bis zu einem
bestimmten Alter (vgl. »proxy consumer«, Lubienski 2003: 421). Diese
Trennung von primären Konsumenten (Schülern) und sekundären Entscheidern (Eltern) hat großen Einfluss auf die Konsumentenrolle im
Schulbereich (Köppe 2012).
180
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Diskussion der Wahlfreiheit wird anhand von drei Hauptfragen erörtert: Welche Wahloptionen ermöglichen die neuen Bildungsmärkte? Wie
häufig werden Wahlentscheidungen getroffen (Wahlverhalten)? Und wer
macht von diesen Wahlmöglichkeiten Gebrauch? Die erste Fragestellung
eruiert vor allem das Marktvolumen, wohingegen die zwei folgenden Fragen auf die Wirkungen der Märkte abstellen. Letztere werden nur kursorisch angerissen, um zu verdeutlichen, wie unterschiedliche Grade der
Wahlfreiheit auf Wohlfahrtsnutzer wirken.
Sowohl zu den Wahloptionen als auch zum Wahlverhalten fehlen weitgehend quantitativ-vergleichende Datensätze und Analysen.96 Im konkreten Bezug auf die Fallstudien sind jedoch detailliertere Aussagen zu den
vorhandenen Wahloptionen und deren Wandel möglich. In den folgenden
drei Abschnitten wird jedes Land ausführlicher diskutiert; zuerst werden
jeweils die Wahloptionen dargestellt und im zweiten Teil das tatsächliche
Wahlverhalten erläutert.
Deutschland
Die regulativen Vorgaben zur Wahlfreiheit sind relativ restriktiv und limitieren deshalb auch die angebotenen Wahloptionen (s. Kapitel 5), dennoch
existieren Wahloptionen und die Eltern und Schüler verhalten sich als
Konsumenten, indem sie zwischen Schulen wechseln.
1. Wahloptionen. Die Wahloptionen wurden zwar laut OECD (2010) regulativ ausgeweitet, allerdings manifestiert sich das kaum substanziell in vielseitigen Angeboten. Mit den meisten Bildungsinnovationen wurde vor
1985 experimentiert und neue pädagogische Ansätze hielten langsam Einzug in die Schulprofile öffentlicher und privater Schulen (u.a. Gesamtschulen, Reformpädagogik, etc.). Eine der wenigen neuen Optionen im
öffentlichen Schulwesen war bilingualer Unterricht (OECD 2010:
Appendix 3). Der Privatschulmarkt wurde wie bereits gesagt von Kon-
——————
96 Die OECD (2010) hat 2009 erstmals erhoben welche Wahloptionen in Bildungssystemen bestehen. Darin heißt es, »opportunities for school choice have expanded in
the last 25 years« (OECD 2010: 419). Die erhobenen Daten sind aber äußerst unreliabel,
weil sie auf einer retrospektiven qualitativen Umfrage unter Bildungsministerien basieren. Anschließend wurden die Antworten quantifiziert, wobei einige Aussagen als eine
Expansion der Wahloptionen interpretiert wurden, die nicht unbedingt vergleichbar
sind. Zum Schulwahlverhalten dominieren Fallstudien (inter alia Ball 1993; Hoxby 2003;
Merrifield 2008; Plank/Sykes 2003).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
181
fessionsschulen dominiert, deren pädagogisches Konzept insbesondere auf
traditionellen Werten und klassischer Didaktik beruht. Reformpädagogische Konzepte werden sowohl in öffentlichen als auch in privaten Schulen angeboten (z.B. Montessori, Freinet). Der größte unabhängige Anbieter
sind die freien Waldorfschulen, die in den 2000er Jahren rund 0,8 Prozent
der gesamten Schüleranzahl unterrichteten und rund 12 Prozent aller
Privatschüler (BdFWS 2011; Destatis 2008a; Institut für Bildungsökonomie
2012). Ausdrücklich ist häuslicher Unterricht in Deutschland verboten
(Spiegler 2008), sodass Privatschulen die einzige Alternative gegenüber
öffentlichen Schulen darstellen. In Deutschland existieren pädagogische
und weltanschauliche Schulalternativen, welche seit 1990 auch absolut
gewachsen sind, allerdings sind in den letzten 25 Jahren kaum innovative
Schulkonzepte hinzugekommen.
2. Wahlverhalten. Trotz der staatlichen Akkreditierung sind für Deutschland
keine administrativen Daten zu ausgeführten Schulwechseln zwischen
öffentlichen und privaten Schulen verfügbar. Vereinzelte Studien haben
das Wahlverhalten der Eltern und Schüler in Deutschland untersucht, die
im Folgenden kurz wiedergeben werden.
Die regulativen Vorgaben schränken die Wahlfreiheit insgesamt ein (s.
Kapitel 5), aber trotz dieser Einschränkungen verhalten sich rund ein Viertel der Eltern und Schüler als Konsumenten (Köppe 2012). Eltern nutzen
offizielle (Anträge) und inoffizielle (Scheinadressen) Wege, um ihre Kinder
an einer anderen Grundschule einzuschreiben als die offiziell zugewiesene
(Noreisch 2007a; 2007b: 79–80; Riedel u.a. 2010: 102). Ebenso umgehen
Eltern die Lehrerempfehlung zur weiterführenden Schule (Ditton/
Krüsken 2009; Jonkmann u.a. 2010). Die zitierten Studien dokumentieren,
dass sich zwischen 12 und 35 Prozent der Eltern als Konsumenten verhalten, indem ihre Kinder eine andere als die zugewiesene öffentliche Schule
besuchen. Zu den Eltern, die ihre Wahloptionen im öffentlichen System
nutzen, kommen die rund sieben Prozent der Schüler an Privatschulen.
Dieses Wahlverhalten ist nicht gleichmäßig in der Bevölkerung verteilt,
denn insbesondere Eltern aus höheren sozialen Schichten und ohne Migrationshintergrund nutzen die Wahlfreiheit für ihre Kinder (Gresch u.a.
2010; Jonkmann u.a. 2010; Kristen 2008; Lohmann u.a. 2009; Noreisch
2007b; Riedel u.a. 2010). Im Kontext der Privatschulwahl ist noch zu ergänzen, dass Eltern als Koproduzenten erheblich mehr freiwillige Arbeit an
Privatschulen als an öffentlichen Schulen leisten (Köppe 2012). Tenden-
182
WOHLFAHRTSMÄRKTE
ziell führt das beobachtete Wahlverhalten zu einer sozialen Segregation der
Schülerschaft und kann in Ungleichheiten der Bildungschancen und leistungen resultieren.
Schweden
Das 1992 eingeführte Gutscheinsystem hat in Schweden Wahlfreiheiten
eröffnet und vergrößert (Miron 1994). Seitdem sind die Wahloptionen
zwischen öffentlichen und privaten Schulen gestiegen und auch das Wahlverhalten der Schüler hat sich verändert.
1. Wahloptionen. Insgesamt sind die verfügbaren Wahloptionen im gesamten
Bildungssystem angestiegen. Sowohl die öffentlichen als auch die privaten
Schulen sind pluraler geworden. Die vorhandenen Wahloptionen in Bezug
auf Privatschulen (fristående skolor) im Rahmen des Gutscheinsystems zeigen
große Veränderungen in Bezug auf die geografische Verteilung und die
angebotenen Schulprofile.
Insbesondere in urbanen Zentren sind viele freie Schulen gegründet
worden, jedoch existieren kaum neue Wahloptionen in ländlichen Gegenden. In städtischen Siedlungsgebieten können die neuen Wahloptionen gut
verglichen werden und ohne lange Transportwege ausgeschöpft werden
(Skolverket 2005).
In Bezug auf die Schulprofile war der Privatschulmarkt vor der Einführung des Gutscheinsystems 1981 zu rund gleichen Teilen zwischen Waldorfschulen (28 %), Konfessionsschulen (26 %) und Schulen für Sprachminderheiten (23 %) aufgeteilt.97 Nach der Einführung der Schulgutscheine waren drei Wellen des Wachstums der freien Schulen festzustellen
(Eiken 2009: 6): Während der ersten Welle (rund 1992–1998) wurden vor
allem Konfessionsschulen und Reformpädagogische Schule (Waldorf,
Montessori) gegründet. Die zweite Welle (1998–2003) war von engagierten
Eltern und Kooperativen geprägt, die einzelne Schulen gründeten. Die
dritte Welle (2004–heute) ist zusehends von profitorientierten Schulketten
geprägt, die mehrere Schulen nach einem einheitlichen pädagogischen
Konzept betreiben (2004 rund 70 Prozent Marktanteil). Obwohl Konfessionsschulen, reformpädagogische Schulen und Elternkooperativen große
Marktanteile verloren haben, sind sie absolut nicht weniger geworden
——————
97 eigene Berechnung (SOU 1981:34: 23).
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
183
(eigene Berechnungen, Miron 1993: 39; Skolverket 2005: 26; Skolverket
2009: 104, 199). Die Wahloptionen sind insgesamt aufgrund dieser
Schulanbieter vielseitiger geworden (pädagogisch, konfessionell, ethnisch),
allerdings dominieren seit Mitte der 2000er Jahre Schulketten mit weniger
Pluralität.
Der Wettbewerb mit freien Schulen ging außerdem nicht spurlos an
den kommunalen Schulen vorbei. Die private Konkurrenz hat auch deren
Schulentwicklung positiv beeinflusst und zu mehr Vielfalt geführt
(Skolverket 2005: 44). Einige Kommunen gründeten kommunala friskolor
(kommunale freie Schulen), die eine größere Autonomie haben als die
traditionellen kommunalen Schulen und von der Organisation privaten
freien Schulen gleichen. Vor allem in Kommunen mit vielen freien Schulen
reagierten die Schulverwaltungen auf die gestiegene Konkurrenz und boten
eine größere Vielfalt an (Skolverket 2003: 75, 96).
2. Wahlverhalten. Das Wahlverhalten der Schüler wird nicht administrativ
dokumentiert, weshalb sich die folgenden Aussagen auf verschiedene Umfragen stützen.
Eine Umfrage unter Kommunen zeigt, dass 2003 die meisten Wechsel
von einer kommunalen zu einer freien Schule vor dem Eintritt in die erste
Klasse und nach der neunten Klasse zum Übergang ins Gymnasium stattfanden (Skolverket 2005: 38). Die Wechsel zu einer freien Schule werden
also überwiegend dann vorgenommen, wenn ein Schulwechsel ohnehin
ansteht. Dies kann als Hinweis auf die emotionalen Transaktionskosten
eines Schulwechsels gewertet werden.
Rund acht Prozent der Kommunen – vor allem städtische Kommunen
mit vielen freien Schulen – gaben jährliche Wechselquoten von über zehn
Prozent an. Trotz dieser Wechselquoten ist festzuhalten, dass Wechsel
zwischen kommunalen Schulen (40 %) etwas häufiger stattfanden als
Wechsel von kommunalen zu freien Schulen (37 %). Dennoch entschieden
sich Schüler sehr selten wieder an eine öffentliche Schule zurückzukehren
(Skolverket 2005: 38). Weitere Studien deuten darauf hin, dass das Wahlverhalten auch mit dem lokalen Angebot zusammenhängt: Je mehr Privatschulen sich in der Nähe befinden, desto mehr wird vom Wahlrecht Gebrauch gemacht (Skolverket 2003). Unabhängig von der gewählten
Schulform hat die Mehrheit der Gymnasialschüler ihre Schule eigenständig
ausgewählt (92 %), das heißt Eltern waren bei älteren Schülern kaum bei
184
WOHLFAHRTSMÄRKTE
der Schulauswahl beteiligt und agierten nicht als Stellvertreterkonsumenten
(Nordung 2001).
Die Einführung des Bildungsmarktes hat die Segregation der Schülerschaft insgesamt erhöht, allerdings sind die Effekte zwischen den Schulprofilen der freien Schulen sehr unterschiedlich. Beispielsweise ist der
Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund an Waldorfschulen geringer
als im Durchschnitt der Schülerpopulation, an Konfessionsschulen ist ihr
Anteil hingegen höher (Skolverket 2005: 33; 2009: 122). Weitere segregierende Effekte sind nach dem Bildungsniveau und dem Einkommen der
Eltern festzustellen (Folin 2003: 38).
Zusammenfassend wurden die Wahloptionen in Schweden insgesamt
ausgeweitet und Schüler können zwischen privaten und kommunalen
Schulen wählen. Die Optionen und das Wahlverhalten sind jedoch höchst
ungleich verteilt. Die Optionen sind erstens regional sehr unterschiedlich
verteilt. Zweitens ist die ursprüngliche pädagogische und konfessionelle
Pluralität der privaten Schulen zugunsten weniger großer Aktiengesellschaften gesunken. Und drittens erhöhte das Wahlverhalten die soziale
Segregation der Schülerschaft.
USA
In den Vereinigten Staaten von Amerika wurden die Wahlfreiheiten mit
den Charter Schools und den Schulgutscheinen erhöht. Dieser Abschnitt
stellt zuerst die Schulgutscheinsysteme (Voucher) und als zweites die
Charter Schools vor. Jedes dieser Unterkapitel diskutiert Wahloptionen
und Wahlverhalten separat.
1. Voucher. (1) Wahloptionen. Die Zulassung religiöser Schulen hat die
Wahloptionen deutlich erhöht, denn sie bieten eine Alternative zu den
säkularen öffentlichen Schulen (Kisida u.a. 2008; LAG 2000). Außerdem
sind Schulprofile mit künstlerischen Programmschwerpunkten und Nachmittagsbetreuung hinzugekommen, die äußerst populär sind (Kisida u.a.
2008: 13). Zusammenfassend haben die US Vouchersysteme Wahloptionen erhöht (weltanschauliche/künstlerische Programmschwerpunkte), die pädagogische Vielfalt hat sich hingegen nicht erhöht.
(2) Wahlverhalten. Die Evaluationen aus Milwaukee und Cleveland
legen nahe, wenn sich Schüler einmal für eine Privatschule entschieden
haben, bleiben sie im Regelfalle bei dieser. Außerdem hatten beispielsweise
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
185
60–70 Prozent der Schüler in Cleveland vorher meist schon eine Privatschule besucht. Es führen eher externe Ereignisse (wie beispielsweise Umzüge) zu einem Schulwechsel als der Wettbewerb unter den Schulen
(Kisida u.a. 2008; Plucker u.a. 2006).
Von den Wahlmöglichkeiten machen überwiegend Schüler aus der weißen Mittelschicht Gebrauch (Kisida u.a. 2008; Ladd 2002; Plucker u.a.
2006). Die Segregation der Schülerschaft trat auf, obwohl beide Programme ausdrücklich arme Familien fördern sollten und Einkommensnachweise verlangten. In diesem Kontext konnte eine Selbstselektion beobachtet werden, weil Eltern Privatschulen präferierten, deren Schülerschaft
denselben sozio-ökonomischen Hintergrund aufweist wie sie selbst.
2. Charter Schools. (1) Wahloptionen. Der Anstieg der Charter Schools zeigt,
dass die Wahloptionen innerhalb des öffentlichen Systems zugenommen
haben. Vielen Schülern eröffneten sie den Zugang zu Bildungsalternativen,
insbesondere wenn sie von Chartered Management Organizations (CMOs)
betrieben wurden, die sich auf soziale und kulturelle Besonderheiten ihrer
lokalen Schülerschaft einstellen (Gross/Pochop 2008). Charter Schools
waren bis auf einige Ausnahmen jedoch selten pädagogisch und kurrikular
innovativ. Ihr Programm basierte auf etablierten Unterrichtsmethoden, die
jedoch eine Alternative gegenüber den existierenden lokalen öffentlichen
Schulen darstellten (Lubienski 2003: 418). Beispielsweise bieten profitorientierte Bildungsanbieter (EMOs) zwar für einzelne Schulbezirke eine
pädagogische Alternative, wenden ihr Schulprogramm aber als Franchise
bundesweit an (Miron/Nelson 2002). Die hohe Marktkonzentration der
EMOs und ihr restriktiver Markenschutz verringerten ebenso Wahloptionen.
(2) Wahlverhalten. Eltern entscheiden meist, ob ihr Kind eine Charter
School besucht. Dies ist ein Beleg für die eingangs erwähnte Hypothese,
dass Eltern im Endeffekt stellvertretend für ihre Kinder die Schulwahl als
»proxy consumer« treffen (Lubienski 2003: 421).
Charter Schools scheinen insbesondere Schüler anzuziehen, die bereits
Privatschulen besucht haben (Miron/Nelson 2002: 85). Die öffentlichen
Charter Schools sind somit eine direkte Konkurrenz zu Privatschulen und
bewirken, dass einige Eltern wieder eine öffentliche Schule präferieren.
Eltern, die sich für EMOs entschieden, gaben eher ideologische Gründe
für die Schulwahl an. Eltern erwiesen sich dabei als sehr konservative Kon-
186
WOHLFAHRTSMÄRKTE
sumenten, die insbesondere etablierte und erprobte Schulkonzepte bevorzugten (Lubienski 2003).
Verschiedene soziodemografische Merkmale beeinflussen die CharterSchool-Wahl. Die Belege zu den Effekten der Charter Schools auf Schüler
aus kulturellen Minderheiten oder ärmeren Haushalten sind jedoch widersprüchlich (Gross/Pochop 2008: 10; Miron/Nelson 2002).
Insgesamt stehen in den USA viele Wahloptionen zur Verfügung. Charter
Schools sind weit verbreitet im Gegensatz zu School Vouchers, weshalb
Charter Schools in der Fläche mehr Wahlfreiheit eröffnen (Kane/
Lauricella 2001). Jenseits der Charter Schools und School Voucher können
Schüler erstens gegen Gebühr Privatschulen besuchen und zweitens zu
Hause unterrichtet werden (sogenanntes Homeschooling). Der Anteil der
schulpflichtigen Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, ist in den letzten Jahren stark gestiegen (Princiotta/Bielick 2006). Ähnlich wie im Privatschulbereich, der von konfessionellen Einrichtungen dominiert wird, liegen
ebenfalls überwiegend religiöse Motive zugrunde, wenn Eltern ihre Kinder
zu Hause unterrichten (FEC 2011a; Lubienski 2003). Das Wahlverhalten
wurde maßgeblich von verschiedenen sozioökonomischen Faktoren beeinflusst. Viele Studien konnten belegen, dass die Wahloptionen stärker von
der weißen Mittelschicht genutzt wurden und somit zu einer Segregation
der Schülerschaft beitragen.
Mehr Wahlfreiheit und Segregation
Die Wahlfreiheit wurde in allen untersuchten Ländern ausgeweitet. Insbesondere die Wahloptionen haben sich für Schüler und Eltern erhöht. Die
höheren Wahloptionen auf der nationalen oder regionalen (bundesstaatlichen) Ebene führen aber nicht in jedem Fall zu mehr Wahloptionen in
der Kommune. Vor Ort haben sich die Wahloptionen nur in bestimmten
Gegenden erhöht, meist in städtischen Gebieten wo die Wege kurz genug
sind, um ohne hohe Transaktionskosten eine andere Schule zu besuchen.
Das Wahlverhalten im Optionsraum zwischen privaten und öffentlichen Schulen offenbart ebenso soziale Ungleichheiten. Familien aus höheren sozialen Schichten machen stärker von ihren Wahlrechten Gebrauch
und ermöglichen ihren Kindern den Zugang zu Privatschulen beziehungsweise entscheiden sich bewusst für eine gute öffentliche Schule. Insgesamt
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
187
haben die höheren Wahloptionen und das sozial determinierte Wahlverhalten die Segregation der Schülerschaft erhöht.
4.2.3 Zusammenfassung – Subventionierte Privatschulen
Die Ergebnisse der Bildungsmärkte können wie folgt zusammengefasst
werden.
Erstens steigt der Grad der Vermarktlichung und Privatisierung vom
primären zum tertiären Bildungsbereich. Folglich werden, im Vergleich zu
Primar- und Sekundarschulen, die meisten privaten Bildungsinstitutionen
und höchsten privaten Aufwendungen im universitären Bildungsbereich
nachgewiesen.
Zweitens variiert der Privatisierungsgrad der Bildung je nach Messniveau und Bildungssektor und entzieht sich einer allgemeingültigen Einordnung in Länderfamilien. Weder die gesamtwirtschaftliche Relevanz der
Bildung, die finanzielle Aufgabenverteilung noch die institutionelle Aufgabenverteilung stehen in einem signifikanten Zusammenhang, was den
Schluss nahelegt, dass die politische Regulierung im jeweiligen Staat maßgeblichen Einfluss auf das Marktvolumen besitzt.
Drittens wird der Primar- und Sekundarbereich immer noch überwiegend öffentlich finanziert; wenn eine Vermarktlichung stattfindet, ist sie
nur in der Produktions- und Wahlfreiheitsdimension festzustellen.
Dadurch sind je nach Fall Voucher- (Deutschland, Schweden, USA), Ausschreibungs- (z.T. Charter Schools) oder Konsumentenmärkte (Magnet
Schools, z.T. Charter Schools) entstanden (vgl. Abbildung 1).
Viertens zeigen die drei Länderstudien, dass der Grad der Privatisierung
von politischen Veränderungen beeinflusst wird. In Schweden hat die
Gründung eines Vouchersystems zu einem rasanten Anstieg des Marktvolumens geführt, insbesondere im Gymnasialbereich. In Deutschland, wo
keine großen regulativen Veränderungen stattgefunden haben, ist eher eine
schleichende Privatisierung zu beobachten. In den USA ist vor allem auf
gliedstaatlicher und kommunaler Ebene ein Vermarktlichung zu beobachten (Schulgutscheine/Charter Schools), ohne dass dies in der amtlichen
Statistik adäquat erhoben wurde.
Fünftens hat sich die Wahlfreiheit erhöht. Schülern stehen mehr
Wahloptionen zur Verfügung, doch das Wahlverhalten führt zu Segregation, weil nicht alle Schüler in gleichem Maße von ihren Wahloptionen
Gebrauch machen.
188
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Trotz der beträchtlichen Wachstumsraten bleiben die Bildungsmärkte
für Privatschulen in den drei untersuchten Ländern noch marginal und
ergänzen eher das öffentliche Bildungswesen und sind bisweilen keine
ernst zu nehmende Konkurrenz. Eine Ausnahme sind lediglich die privaten Gymnasien in Schweden, die zunehmend die öffentlichen Schulen
verdrängen. Allerdings sind die privaten Gymnasien vollständig öffentlich
finanziert und somit abhängig von staatlicher Regulierung.
4.3
Wachstum des Marktvolumens ohne Rückzug des
Staates – Eine Zusammenfassung
Das Kapitel begann mit der Frage, ob Wohlfahrtsmärkte im Renten- und
Bildungsbereich gewachsen sind. Anhand der Dimensionen Finanzierung,
Produktion und Wahlfreiheit konnte gezeigt werden, dass im internationalen Vergleich und in den drei detailliert untersuchten Ländern Wohlfahrtsmärkte gewachsen sind. Wohlfahrtsmärkte haben an Relevanz zugenommen und auch zu einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Staat und
Markt geführt (Zusammenfassung der Ergebnisse in Tabelle 16).
In der Produktionsdimension konnte neben dem Anstieg von privaten
Anbietern wie Privatschulen, Versicherungskonzernen und Banken auch
festgestellt werden, dass nach der Markteinführung zunehmend profitorientierte Konzerne gemeinnützige Unternehmen langfristig verdrängen
(vor allem im Bildungssektor).
Bei der Finanzierungsdimension kann dieser Trend zu mehr Marktmechanismen nur für den Rentenmarkt bestätigt werden, denn im Bildungsbereich besteht weiterhin eine hohe staatliche Finanzierungsverantwortung, weil die Privatschulen größtenteils staatlich subventioniert
und reguliert werden. Die erste Hauptannahme wachsender Wohlfahrtsmärkte konnte in allen drei Ländern bestätigt werden. Ein Ende des
Wachstums ist im Großen und Ganzen nicht zu erwarten.
Die Dimension Wahlfreiheit zeigte eine Ausweitung der Wahloptionen.
Sowohl im Renten- als auch im Bildungsmarkt zeigt das Wahlverhalten
ineffiziente, ungerechte und segregierende Auswirkungen. Wechsel- und
Kündigungsquoten sowie steigende Pro-Kopf-Kosten legen den Schluss
nahe, dass die Entscheidungen der Wohlfahrtsnutzer nicht immer zu opti-
189
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
malen und effizienten Ergebnissen führen. Außerdem zeigen beide Märkte
segregierende Effekte in Bezug auf zentrale sozioökonomische Merkmale.
Tabelle 16: Zusammenfassung des Wandels
Rente
Finanzierung
Produktion
Wahlfreiheit
Bildung
Finanzierung
Produktion
Wahlfreiheit
Deutschland
Schweden
USA
höherer freiwilliger
privater Beitrag,
leicht steigender
Pflichtbeitrag,
keine Kürzung des
staatlichen Zuschusses, geringere
Arbeitgeberfinanzierung
geringer Anteil
privat Versicherter,
aber Wachstum
höherer privater
Beitragsanteil,
sinkender Gesamtbeitrag, geringere
Arbeitgeberfinanzierung
sehr viele Anbieter
und Produkte
Wahlpflicht, viele
Anbieter
stabiler staatlicher
Pflichtbeitrag, sinkende durchschnittl. private
Beiträge, privater
Maximalbeitrag gestiegen, geringere
Arbeitgeberfinanzierung
hohes Niveau
privat Versicherter,
stetiges Wachstum
über langen Zeitraum
mehr Wahloptionen bei
Betriebsrenten
hohe öffentliche
Zuschüsse, leichtes
Wachstum der
öffentlichen Zuschüsse
geringes Marktvolumen, geringes
Wachstum
öffentlich, keine
Veränderung
Wahloptionen
stark eingeschränkt, zunehmende Konsumentenrolle
hoher Anstieg der
Wahloptionen und
Wechselquoten
Quelle: eigene Darstellung
hohes Wachstum
und hohe Versicherungsquote der
privaten Vorsorge
hohes Wachstum
und zum Teil sehr
hoher Marktanteil
von Privatschulen
geringe öffentliche
Zuschüsse, Anteil
der privaten Finanzierung angestiegen
stabiler Privatschulmarkt auf
hohem Niveau,
hohes Wachstum
bei Charter
Schools
viele Wahloptionen und
leichter Anstieg
der Wechselquoten
190
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Trotz des allgemeinen Trends zu mehr Wohlfahrtsmärkten zeigen die Analysen interessante Unterschiede zwischen den Ländern und Politikfeldern
und werfen einige Fragen auf.
Erstens offenbarte der Vergleich, dass Schwedens Wohlfahrtssystem
wider Erwarten stark vermarktlicht ist. Sowohl der Renten- als auch der
Bildungsmarkt wiesen in den letzten beiden Dekaden so hohe Wachstumsraten auf, dass Schweden stärker vermarktlicht ist als Deutschland. Warum
konnte das Marktvolumen in einem sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat
so stark ansteigen? Welche politischen Kräfte haben diese Marktexpansion
durchgesetzt oder haben diese Märkte eine Besonderheit inne, die weiterhin zum sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime passt?
Zweitens konnte für die Rentenmärkte ein größeres Marktvolumen
festgestellt werden. Die investierten Summen sind gesamtgesellschaftlich
größer und die Versicherungsunternehmen agieren global und profitorientiert. Im direkten Vergleich scheinen Rentenmärkte weitaus größere Gewinne zu versprechen und sind auch im Bewusstsein der Bevölkerungen
als Märkte verankert. Die ersten Privatschulen wurden zwar weit vor den
ersten Versicherungskonzernen gegründet, allerdings operieren sie nicht
unbedingt als profitorientierte Unternehmen, häufig sind sie sogar gemeinnützig. Trotz dieser Unterschiede zeigte die Analyse auch, dass vermehrt
profitorientierte Schulketten auf den Bildungsmärkten aktiv sind, die
mehrere Schulen unter einem Firmennamen betreiben.
Außerdem zeigte die Analyse des Marktvolumens, dass sehr unterschiedliche Wohlfahrtsmarkttypen in den Renten- und Bildungsmärkten
entstanden sind (vgl. Abbildung 1). Die Rentenmärkte wurden meist in
allen drei Dimensionen vermarktlicht, was einem regulierten Wohlfahrtsmarkt entspricht. Lediglich die schwedische Prämienrente fällt in die Kategorie obligatorischer Wohlfahrtsmarkt. Die Bildungsmärkte weisen üblicherweise weiterhin eine hohe staatliche Finanzierung und zum Teil
Produktion auf, sodass sie hybride Formen zwischen Konsumenten-,
Voucher- und Ausschreibungsmarkt bilden. Die schwedischen und deutschen Bildungsmärkte entsprechen am ehesten einem Vouchermarkt. Im
US-amerikanischen Fall sind Mischformen von allen drei genannten
Markttypen zu finden.
Drittens kann trotz der wachsenden Marktanteile privater Anbieter und
der größeren Belastungen für private Finanzierungsquellen kein Rückzug
des Staates festgestellt werden. Sowohl öffentliche und private Finanzierung als auch öffentliche und private Produktion ergänzen einander.
EXPANSION DES MARKTVOLUMENS
191
Beispielsweise sind im Bildungsbereich sowohl öffentliche als auch private
Schulen ausgebaut worden (Schweden, USA). Rentenmärkte sind gewachsen, ohne dass die Finanzierung der öffentlichen Renten im selben Maße
zurückgefahren wurde (USA, Deutschland). In Schweden wurde zwar der
Beitragssatz reduziert, zukünftige Belastungen werden aber aus den hohen
staatlichen Rentenrücklagen finanziert. Eine staatliche Finanzierungsverantwortung wurde also in beiden Märkten beibehalten.
Die Analyse des Marktvolumens konnte keinen Substitutionseffekt
feststellen, das heißt die staatlichen Renten und Schulen wurden nicht von
den privaten verdrängt. Eine Substitution wäre festzustellen, wenn die
Finanzierungsverantwortung des öffentlichen Rentensystems radikal reduziert und die private Finanzierung die öffentliche ersetzten würde. Eine
Reduzierung der Leistungen könnte auch als Substitution gelten, weil sie
neue private Bedarfe erzeugt, um die öffentliche Leistungslücke zu schließen. Kürzungen können allerdings ebenso dazu dienen das öffentliche
System zu erhalten, um sie für den demografischen Wandel zu stabilisieren
(z.B. Erhöhung des Rentenalters). Einzig der negative Zusammenhang von
Steuererleichterungen für Renten und öffentlichen Rentenausgaben zeigte
einen Substitutionseffekt. Entweder liegt die staatliche Finanzierungspriorität auf öffentlichen oder privaten Rentenversicherungen. Historisch ist
dieser Effekt aber nicht als Substitution entstanden, sondern als Kumulation. Da die öffentliche Rentenversicherung in den USA keine ausreichende Sicherung im Alter garantieren konnte, wurden private Rentenversicherungen steuerlich gefördert. Sie ergänzen die geringe öffentliche
Vorsorge.
Insgesamt ist der Staat in allen Märkten weiterhin als Regulierer wichtig
und häufig auch in seiner Finanzierungsverantwortung. Die Produktion der
Wohlfahrtsleistung wird von privaten Anbietern erbracht, jedoch ohne
dass sie vermögen den Staat komplett zu verdrängen. Der demokratische
Wohlfahrtsstaat und die Politik bewahren also Einfluss auf die Märkte,
allerdings bleibt zu hinterfragen, wie schwer der Machtverlust der politischen Akteure wiegt.
Aus diesen Ergebnissen leiten sich folgende Fragen ab: Warum haben
einige Märkte eine größere Dynamik entwickelt als andere? Welche historischen Vorbilder wurden bei der Schaffung der Wohlfahrtsmärkte verwendet? Welche Interessengruppen profitieren von den Märkten? Welche
politischen Akteure haben die unterschiedlichen Wohlfahrtsmarktreformen
durchgesetzt? Worin unterscheidet sich die Regulierung der Märkte? Wie
192
WOHLFAHRTSMÄRKTE
sind die Märkte reguliert, um sozialpolitische Ziele wie Effizienz, Fairness
oder Gleichheit zu erreichen?
Die Hauptfrage dieses Kapitels war, wie stark Marktmechanismen eingeführt wurden. Obwohl die Marktmechanismen zugenommen haben, sind
sie in keinem Land zur dominierenden Form der Sozialpolitik geworden.
Der zweite Teil der Arbeit wird nun die regulativen Unterschiede untersuchen und erklären, wie es zum Anstieg kam und sich verschiedene
regulative Traditionen ausbilden konnten. Folglich stehen zwei Fragen im
Vordergrund: Wie werden die Wohlfahrtsmärkte reguliert und welche
politischen und institutionellen Faktoren haben dazu beigetragen?
5 Regulierung der Wohlfahrtsmärkte
»Initial regulatory institutions shape the development of new markets
because they produce cultural templates that affect how to organize.«
(Fligstein 1996: 661)
Im vorherigen Kapitel wurde der gemeinsame Trend zu Wohlfahrtsmärkten in Deutschland, Schweden und den USA untersucht. Darauf aufbauend werden in diesem Kapitel die institutionellen Unterschiede und
Reformen analysiert, die dieses Wachstum zum Teil ausgelöst haben. Auf
den folgenden Seiten steht der qualitative institutionelle Vergleich von
Wohlfahrtsmärkten im Vordergrund. Ebenso stehen die politischen Akteure, die die Institutionen der Wohlfahrtsmärkte geformt haben, und die
Frage, welche Ziele sie dabei verfolgten, im Fokus der Analyse.
Das Hauptargument dieses Kapitels ist, dass die neuen Wohlfahrtsmärkte überwiegend in das existierende nationale Wohlfahrtsregime eingebettet werden und dieselben institutionellen Eigenschaften übernehmen.
Die nationalen Wohlfahrtsregime geben die Richtung des Wandels vor,
was an einer Übertragung der institutionellen Eigenschaften auf die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte deutlich wird. Allerdings determinieren die
Wohlfahrtsregime nicht den Wandel, denn politische Akteure können die
Pfadrichtung zum Teil verändern. Die Fallstudien zeigen aber, dass die
dominanten Akteure, das heißt Parteien, Verbände oder Unternehmen,
vornehmlich die positiven Feedback-Effekte der Institutionen verstärken,
anstatt zu verringern. Die Akteure wollen insgesamt ihre politische und
wirtschaftliche dominante Stellung verteidigen und auf die Wohlfahrtsmärkte übertragen, weshalb sie eine Regulierung der Märkte anstreben, die
ihre Macht konserviert. Durch dieses Streben ihre Marktmacht zu erhalten,
wird die Pfadabhängigkeit der Institutionen verstärkt, denn die Akteure
haben ein originäres Interesse die Eigenschaften des Wohlfahrtsregimes,
von denen sie bisher profitierten, auf die Wohlfahrtsmärkte zu übertragen.
Diesen Prozess der strukturellen Einbettung werde ich kurz an einem
Beispiel erläutern. Im sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime Schwedens
wurde, wie die Fallstudie detaillierter ausführen wird, Anfang der 1990er
Jahre von der bürgerlichen Regierung ein Bildungsmarkt eingeführt. Viele
194
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Eigenschaften des sozialdemokratischen Bildungsregimes wurden bei der
Gründung des Bildungsmarktes übernommen (u.a. staatliche Verwaltung,
Leistungsstruktur), allerdings wurden segregierende Schulgebühren weiterhin erlaubt, was im Kern dem sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime
widersprach. Im Anschluss an diese wegweisende Reform betteten insbesondere die Sozialdemokraten den neuen Bildungsmarkt immer stärker in
das sozialdemokratische Regime ein, indem sie die Schulgebühren abschafften. Seitdem sind die Privatschulen ausschließlich steuerfinanziert
und ein universeller Zugang für alle Schüler wird ermöglicht. Faktisch
bestehen kaum noch Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten
Schulen, weil sie die gleichen öffentlichen Zuschüsse erhalten. Der Bildungsmarkt wurde vollständig in das existierende Bildungsregime eingebettet, verändert hat sich lediglich die Zulassung privater Anbieter und die
Tatsache, dass mehr Wahloptionen zur Verfügung stehen. Das Beispiel
verdeutlicht auch, dass sowohl linke als auch bürgerliche Parteien die
Marktregulierung nach ihren Präferenzen beeinflussen. Wenn auch Sozialdemokraten überwiegend skeptisch gegenüber Märkten sind, so versuchen
sie, die Wohlfahrtsmärkte nach sozialdemokratischen Prinzipien zu regulieren. Neben den politischen Parteien sind die dominanten Anbieter benachbarter Märkte machtvolle Akteure, die tendenziell den Status quo
bevorzugen, weil sie der aktuellen Marktregulierung ihre herausgehobene
Marktmacht verdanken und sie auf Marktgründungen und -liberalisierungen übertragen beziehungsweise beibehalten wollen. Beispielsweise plädierte der schwedische Privatschulverband nach der Marktgründung Anfang der 1990er Jahre vehement für eine Beibehaltung der ursprünglichen
Regulierung, weil jegliche Änderungen als Gefahr für das Geschäftsmodell
der existierenden Privatschulen betrachtet wurden. In diesem Fall versucht
ein dominanter Marktakteur (existierende Privatschulen), die bisherige
Machtbasis gegenüber möglichen neuen Privatschulmodellen zu verteidigen.
Dieses Beispiel illustriert, dass die existierenden wohlfahrtsstaatlichen
Institutionen den Spielraum bei der Marktschaffung begrenzen, sodass
überwiegend die Eigenschaften des jeweiligen Wohlfahrtsregimes in die
Regulierung der Wohlfahrtsmärkte übernommen werden. Die politischen
Akteure und dominanten Marktanbieter verstärken den Effekt der Pfadabhängigkeit, weil sie ihre Macht auf die Wohlfahrtsmärkte ausbauen wollen.
Folglich verteidigen dominante Akteure jeglicher Couleur, das heißt Parteien, Gewerkschaften, Unternehmen und Verbände, nach der Markt-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
195
gründung die aktuelle Marktregulierung, weil jede Veränderung der Regulierung einen Machtverlust bedeuten könnte.
Innovationen und Pfadbrüche sind in diesem Kontext selten und beschränkten sich überwiegend auf die Einführung von Wahlfreiheit, allerdings wird auch diese in das existierende nationale Wohlfahrtsregime eingebettet. Neue Akteure streben hingegen eine Änderung der Marktregulierung an, um mehr politischen Einfluss auf die Marktregulierung zu erreichen und höhere Marktanteile zu erzielen. Innovationen sind vor allem
dann erfolgreich, wenn sie inkrementell erfolgen und erst über längere
Zeiträume die dominante Institution verdrängen. Außerdem sind Innovationen einfacher durchzusetzen, wenn politische Institutionen Reformgegnern wenig Vetomacht einräumen (Zentralstaat, keine Referenden,
schwaches Verfassungsgericht).
Diese Pfadabhängigkeit trifft auf einige Fälle stärker zu (u.a. Schweden,
deutsche Privatschulen) als auf andere (u.a. deutsche Riester-Rente). Dennoch kann in allen Fällen die Übernahme von bestehenden institutionellen
Eigenschaften nachgewiesen werden. Das Eingangsbeispiel des schwedischen Bildungsmarktes zeigt aber auch, dass die Angleichung an das existierende Wohlfahrtsregime nicht linear verlaufen muss. Zum Zeitpunkt der
Marktgründung können einige Eigenschaften eingeführt werden, die im
Widerspruch zum existierenden Wohlfahrtsregime stehen. Dies ist beispielsweise der Fall bei der deutschen Riester-Rente, die mehrere Abweichungen zum bisherigen Wohlfahrtsregime aufweist. Für derartige
Pfadabweichungen bedürfen vor allem die Akteurskonstellationen einer
genaueren Untersuchung.
In den folgenden Fallstudien wird dieser politische Prozess der
Markteinbettung und Regulierung ausführlich untersucht. Zunächst wird
der analytische Rahmen von fünf Regulierungsdimensionen vorgestellt.
Die Regulierungsdimensionen (Zulassungsvoraussetzungen, Leistungsstruktur, Finanzierungsmechanismus, Verwaltung und Wahlfreiheit) dienen
als Gradmesser, inwiefern die institutionelle Einbettung der Wohlfahrtsmärkte stattgefunden hat. Mit dem analytischen Rahmen können Gemeinsamkeiten zwischen den Wohlfahrtsmärkten und den benachbarten Institutionen herausgearbeitet werden.
In den darauffolgenden drei Länderkapiteln wird der analytische Rahmen angewendet, um den institutionellen Wandel zu Wohlfahrtsmärkten
zu untersuchen. Die Fallstudien in den Länderkapiteln sind jeweils in drei
Teile gegliedert. In den ersten beiden Unterkapiteln erfolgt die Analyse der
196
WOHLFAHRTSMÄRKTE
zwei Politikfelder »Rente« und »Bildung« anhand der vorgestellten Regulierungsdimensionen. Die Analysen beginnen jeweils mit einer Beschreibung
der Renten- und Bildungsinstitutionen Anfang der 1990er Jahre. Anschließend wird untersucht, welche Marktreformen bis 2010 eingeführt wurden.
Dabei werden ebenfalls die Akteurs- und Machtkonstellationen berücksichtigt. Einige Fallstudien berücksichtigen außerdem den Zeitraum vor 1990,
wenn die Wohlfahrtsmarktgründung bereits vorher erfolgte.98 Jedes Länderkapitel schließt mit einer Zusammenfassung und einem Vergleich beider Politikfelder.
5.1
Analytischer Rahmen99
Wie im vorherigen Kapitel dargelegt – und entgegen Esping-Andersens
(1990) Wohlfahrtsregimetypologie – existieren Wohlfahrtsmärkte in der
einen oder anderen Form in allen Wohlfahrtsregimen. Das Marktvolumen
scheint nicht mehr hinreichend Unterschiede zwischen Wohlfahrtsregimen
zu erklären. Die Fragen lauten vielmehr, unter welchen institutionellen
Rahmenbedingungen diese Wohlfahrtsmärkte entstanden sind, worin sich
die Marktregulation unterscheidet und wie sich dadurch die Wohlfahrtsregime verändert haben. Dazu bedarf es klarer Vergleichskriterien, damit
die Institutionen der Wohlfahrtsregime mit den Institutionen der neuen
Wohlfahrtsmärkte verglichen werden können. Im Folgenden werden fünf
Regulierungsdimensionen (Zulassungsvoraussetzungen, Leistungsstruktur,
Finanzierungsmechanismus, Verwaltung und Wahlfreiheit) definiert, anhand derer die aktuellen Marktinstitutionen analysiert werden können. Die
Eigenschaften der Renten- und Bildungssysteme Anfang der 1990er Jahre
dienen hier als Vergleichsfolie, um zu verstehen, ob und wie diese Eigenschaften auf Wohlfahrtsmärkte übertragen wurden. Wenn überwiegend
dieselben institutionellen Eigenschaften in den Wohlfahrtsmärkten wie in
den Renten- und Bildungssystemen Anfang der 1990er Jahre nachgewiesen
werden können, wurden sie hochgradig eingebettet und eine Kontinuität
der Wohlfahrtsregime wäre zu konstatieren. Der institutionelle Wandel
würde nicht über die Einführung von Marktmechanismen hinausgehen,
——————
98 Das trifft für die deutschen und schwedischen Bildungskapitel zu und den USamerikanischen Rentenmarkt.
99 Weniger methodisch interessierte Leser mögen diesen Abschnitt überspringen.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
197
was üblicherweise eine Ausweitung an Wahlfreiheit bedeutet. Diese Wohlfahrtsmärkte würden hauptsächlich die institutionellen Eigenschaften der
Vorläuferinstitutionen beibehalten (vgl. Fligstein 1996: 661).
Damit diese Formen der institutionellen Einbettung untersucht werden
können, werden im Folgenden fünf Regulierungsdimensionen vorgestellt,
anhand derer die institutionellen Eigenschaften verglichen werden. Dabei
beziehe ich mich auf den Ansatz von Palier (2001) zur Messung von institutionellem Wandel. Gegenüber den in Kapitel 1 und 3 diskutierten Ansätze zur Messung und Strukturierung der Marktregulierung kann Paliers
Ansatz auf zwei disparate Politikfelder wie Rente und Bildung angewendet
werden. Außerdem ermöglicht Paliers Analyseraster sowohl marktförmige
als auch staatliche Wohlfahrtsinstitutionen mit einigen Modifikationen zu
vergleichen. Palier misst die institutionellen Charakteristika von Wohlfahrtsstaaten anhand von vier Regulierungsdimensionen: 1. Zugangsvoraussetzungen, 2. Leistungsstruktur, 3. Finanzierungsmechanismus und
4. Verwaltung (Palier 2001: 111–113). Um sowohl die Spezifika von Wohlfahrtsstaaten als auch die von Wohlfahrtsmärkten umfassend erheben zu
können, werde ich Paliers Ansatz leicht anpassen und ergänzen. Erstens
werden zwei zusätzliche Unterkategorien in die Dimensionen aufgenommen: Die Dimension Leistungsstruktur wird um den Aspekt Leistungsgarantien ergänzt und die Dimension Finanzierungsmechanismus wird um
den Aspekt Risikoadjustierung erweitert. Zweitens wird die Kategorie
Wahlfreiheit als fünfte Dimension hinzugefügt, weil sie in Bezug auf
Marktmechanismen besonders relevant ist (vgl. Kapitel 2 und 4). Dennoch
können Wahloptionen in hochgradig hierarchisch organisierten Sozialprogrammen existieren, sodass die Wahlfreiheitsdimension auch auf staatliche
Sozialprogramme angewendet wird. Anhand dieser fünf Vergleichsdimensionen können sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der
Regulierung von Wohlfahrtsmärkten und Wohlfahrtsstaaten herausgearbeitet werden.
Im Folgenden werden die fünf Regulierungsdimensionen ausführlich
vorgestellt und diskutiert, wie damit die Marktregulierung strukturiert erhoben wird:
1. Zugangsvoraussetzungen. Der rechtliche Zugang zu Leistungen kann von
verschiedenen Parametern abhängen wie zum Beispiel Staatsbürgerschaft,
198
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Bewohnerstatus100, Profession und Berufsgruppe, Bedürftigkeit, Beschäftigungsverhältnis, Beitragszahlungen oder ein privates Vertragsverhältnis.
Die Zugangsvoraussetzungen sind zentral, um zu untersuchen, welche
Bevölkerungsgruppen an einem sozialpolitischen Programm Interesse
haben und wie stark die politische Unterstützung für ein Sozialprogramm
ist. Zugangsvoraussetzungen können entweder universell, fragmentiert
oder individuell sein. Ein universeller Zugang zum Wohlfahrtsmarkt ist
beispielsweise gegeben, wenn jeder Staatsbürger oder Bewohner eines
Landes Zugang zu Sozialleistungen hat. Ein fragmentierter Zugang, der
nach Berufsgruppen differenziert, führt zu branchenspezifischen Ungleichheiten, innerhalb der Branche besteht aber überwiegend ein gleicher
Zugang zu staatlichen und privaten Leistungen. Ein vollständig individualisierter Zugang besteht beispielsweise, wenn eine Bedarfsprüfung stattfindet. In diesem Fall haben nur die Schwächsten der Bevölkerung Zugang
zum System (Korpi/Palme 1998). Eine institutionelle Einbettung liegt
demnach vor, wenn beispielsweise die Statusdifferenzen des öffentlichen
Systems auf die Wohlfahrtsmärkte übertragen werden.
2. Leistungsstruktur. Sozialleistungen können entweder als Dienst- und Sachleistungen angeboten (in-kind) oder als Geldtransfers verteilt werden (incash). Die Leistungshöhe hängt meist von den Zugangsregelungen ab und
kann sich nach Bedarf, Einkommen oder nach bereits gezahlten Beiträgen
richten. Eine einheitliche Leistungshöhe ist auch möglich (flat-rate). Soziale
Dienstleistungen werden überwiegend entweder nach individuellem Bedarf
oder einheitlich festgesetzt, die Geldtransfers sind hingegen häufig abhängig von Einkommen und Beiträgen.
Innerhalb der Wohlfahrtsmärkte ist, anders als bei den Wohlfahrtsstaaten, nicht notwendig gesichert, ob Leistungsgarantien bestehen. Nach
Palier ist bei wohlfahrtsstaatlichen Leistungen davon auszugehen, dass eine
bestimmte Leistungshöhe rechtlich definiert und auch garantiert ist. Beispielsweise garantiert die Rentenformel einer öffentlichen Rentenversicherung, welche Rentenleistungen unter welchen Bedingungen ausgezahlt
werden. Der Rechtsanspruch kann allerdings politisch geändert werden,
wodurch die Leistungsstruktur öffentlicher Sozialprogramme nicht grundsätzlich vor Wandel geschützt ist.
——————
100 Bewohnerstatus bezieht sich auf die sozialen Rechte als Einwohner eines Landes
(denizenship), ohne Staatsbürger (citizenship) zu sein (Brubaker 1989).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
199
Wenn Sozialleistungen in Wohlfahrtsmärkten von privaten Anbietern
bereitgestellt werden, kann der Staat nicht direkt die Leistungsstruktur
beeinflussen. Beispielsweise können private Rentenversicherungen unterschiedliche Vertragskonditionen haben, ebenso kann die Rentenhöhe in
hohem Maße von Kapitalmärkten abhängen. Die Leistungsstruktur von
Produkten, die auf Wohlfahrtsmärkten angeboten werden, kann allerdings
Leistungsgarantien enthalten (z.B. garantierte Verzinsung der Rentenrücklagen). Diese Leistungsgarantien werden in die Untersuchung der Leistungsstruktur einbezogen, wenn sie vorhanden sind.
3. Finanzierungsmechanismus. Sozialleistungen werden aus Steuern, einkommensbezogenen Beiträgen oder aus individuellen Beiträgen finanziert
(Palier 2001). Der Finanzierungsmechanismus bestimmt, wer an der Finanzierung der Sozialleistungen beteiligt ist und wie stark die Sozialleistungen
von vorher geleisteten Beiträgen abhängig sind. Von dem Finanzierungsmechanismus hängt auch die Legitimation der jeweiligen Sozialprogramme
ab.
Die beitragsabhängigen Systeme haben eine hohe Legitimation, weil die
Leistungsempfänger vorher Beiträge entrichtet haben. Je stärker die zu
erwartende Leistungshöhe und -qualität von vorher geleisteten Beitragszahlungen abhängt, desto höher ist die Legitimierung des Sozialprogramms
(Rothstein 1998). Allerdings sind mithilfe von Steuererleichterungen und
Zuschüssen auch Kombinationen aus Beitrags- und Steuerfinanzierung
möglich. Diese genauen Unterschiede des Finanzierungsmechanismus sind
Gegenstand dieser Dimension.
Als weiterer Aspekt der Finanzierungsdimension ist die Risikoadjustierung im Finanzierungsviereck von Beitragszahler, Kostenträger, Leistungserbringer und Nutzer (Leistungsbezieher) zu bedenken (vgl. Bäcker
u.a. 2010: Bd. 2, 560). Öffentliche Sozialversicherungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Beiträge aller Versicherten die Leistungen der wenigen Leistungsempfänger finanzieren. Das Risiko wird kollektiviert (Risikopooling, Barr 2004). Palier (2001) berücksichtigt in der Finanzierungsdimension jedoch nicht, dass sich Wohlfahrtsmärkte tendenziell durch
individualisierte Beiträge und Leistungen auszeichnen. Bei privaten Versicherungen reflektieren die entrichteten Beiträge das individuelle Risiko, ob
der Versicherungsfall eintritt und wie lange Leistungen gewährt werden
müssen; im Kontext sozialer Dienstleistungen können individuelle Dienstleistungspakete zusammengestellt werden, für die insbesondere Personen
200
WOHLFAHRTSMÄRKTE
mit mehr Bedürfnissen (z.B. dauerhafte Pflege) mehr bezahlen müssen.
Diese sogenannten risikoadjustierten Beiträge und Leistungen variieren erheblich und sind abhängig von den individuellen Risiken und Bedürfnissen
der einzelnen Person. Eine derartige Individualisierung des sozialen Risikos
hat wiederum unterschiedliche Folgen, abhängig davon, wo im Finanzierungsviereck die Risikoadjustierung stattfindet und ob der Wohlfahrtsmarkt öffentlich refinanziert wird (z.B. Voucher-/Ausschreibungsmarkt).
Im ersten Fall sozialer Dienstleistungen können die Kostenträger die
Kostenerstattung für Leistungserbringer nach den Bedürfnissen der Nutzer
variieren. Beispielsweise kann eine risikoadjustierte Kostenerstattung für
Schulen bedeuten, dass für Schüler aus bildungsfernen Familien höhere
Pro-Kopf-Kosten erstattet werden, wodurch der höhere pädagogische
Förderbedarf finanziell aufgefangen wird und kein Anreiz mehr besteht
diese Schüler gezielt auszuschließen (sogenanntes cream-skimming, Barr
2001). Eine Risikoadjustierung der Pro-Kopf-Kosten würde folglich die
Inklusion erhöhen und eine progressive Umverteilungswirkung entfalten.
Im zweiten Fall von Versicherungen haben risikoadjustierte Beiträge
von Beitragszahlern an die Kostenträger (Versicherungen) eine entgegengesetzte Wirkung. Wenn also individuelle risikoadjustierte Beiträge von den
Beitragszahlern verlangt werden, müssen die Beitragszahler mit höherem
Risiko höhere Versicherungsbeiträge für die gleiche Leistung entrichten.
Risikoadjustierte Beiträge haben in diesem Kontext also eine regressive
Umverteilungswirkung. Dabei gilt zu bedenken, dass auch öffentliche
Sozialversicherungen auch regressive Wirkungen entfalten können
(Ståhlberg 1990).
In Ergänzung zu Palier (2001) wird die Risikoadjustierung zu einer
zentralen Stellschraube für die Regulierung von staatlichen und marktförmigen Sozialprogrammen. Es wäre zu erwarten, dass zwischen den
Wohlfahrtsregimen Unterschiede in der Risikoadjustierung der Beiträge
und Kostenerstattung bestehen, die deshalb zusätzlich untersucht werden.
Palier (2001) betont auch, dass die Beiträge sozialpolitischer Programme häufig sowohl von Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern entrichtet werden. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen einzahlen, spricht man von paritätischer Finanzierung. Diese analytische
Unterscheidung, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen, ist insbesondere von politisch-symbolischem Wert, um die Finanzierungsverantwortung der Arbeitgeber zu betonen (s.a. Kapitel 4.1). Diesem Aspekt der
Finanzierung wird deshalb hier analytisch Rechnung getragen, um die sym-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
201
bolische Einbettung der Wohlfahrtsmärkte zu analysieren. Allerdings ist zu
bedenken, dass die Arbeitgeberbeiträge faktisch in die Bruttolohnsumme
eingerechnet werden und deshalb als private Arbeitnehmerbeiträge zu
betrachten sind (Glennerster 2009).101 Für die Umverteilungswirkung ist
die analytische Differenzierung zwischen öffentlicher (Steuern, Zuschüsse
etc.) und privater (Beiträge, Gebühren etc.) Finanzierungsquelle wichtiger
als die Differenzierung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen.
4. Verwaltung. Die Verwaltung der sozialen Sicherungssysteme kann von
staatlichen Behörden, in Selbstverwaltung, in Sozialpartnerschaft (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) oder von privaten Akteuren erfolgen.102 Je nach Verwaltungsaufgabe der Akteure werden sie bei Reformen
als legitime politische Akteure eingebunden. Daraus leitet sich ab, ob sie
Reformerfolge für sich verbuchen können oder ob ihnen eher eine
»Schuld« zugewiesen werden kann, wenn die Reformen scheitern (creditclaiming vs. blame avoidance). Sind viele Akteure beteiligt, verschwimmt die
politische Verantwortung und es kann kein einzelner Akteur zur Verantwortung gezogen werden beziehungsweise kein Akteur der Adressat von
politischem Widerstand sein (Palier 2001: 112; Pierson 1994).
In den Wohlfahrtsmärkten können die privaten Unternehmen das primäre Produkt anbieten, dennoch kann ein Teil der Verwaltung, beispielsweise die Verwaltung der individuellen Rentenkonten, weiterhin von einer
staatlichen Behörde erfolgen. Eine staatliche Verwaltung ist also nicht per
se im Wohlfahrtsmarkt ausgeschlossen.
5. Wahlfreiheit. Der Grad der Wahlfreiheit kann empirisch anhand der Optionen und dem eigentlichen Wahlverhalten gemessen werden, wie in Kapitel vier geschehen. Die Marktinstitutionen geben jedoch vor, welche
Anbietertypen und Produktvarianten im Wohlfahrtsmarkt zugelassen wer-
——————
101 Selbst wenn analytisch die Arbeitgeberbeiträge auf die Bruttolohnsumme angerechnet
werden, ist zu bedenken, dass eine Änderung die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer schwächt. Wenn Wohlfahrtsmärkte ohne Arbeitgeberbeiträge eingeführt werden, vormals aber Arbeitgeberbeiträge Teil des öffentlichen Systems waren, müssen entsprechende Lohnerhöhungen erst ausgehandelt werden, um gegebenenfalls den Wegfall
der Arbeitgeberfinanzierung zu kompensieren.
102 Private Akteure, beispielsweise Versicherungsunternehmen, Privatschulen oder Industrieverbände, wurden von Palier (2001) nicht bedacht, können aber im Kontext von
Wohlfahrtsmärkten potenziell zentrale Verwaltungsaufgaben übernehmen.
202
WOHLFAHRTSMÄRKTE
den, wann Wahlen getroffen werden und wie Wechsel zwischen Anbietern
und Produkten vollzogen werden.
Die Dimension Wahlfreiheit ist nicht nur für Wohlfahrtsmärkte relevant, sondern auch in den staatlichen Wohlfahrtsprogrammen. Die Wahlfreiheit zwischen staatlichen Dienstleistungen oder zwischen Transferoptionen erhöht die Legitimation von staatlichen Wohlfahrtsprogrammen,
weil die Bürger das Gefühl haben, sie können ihre Sozialleistungen nach
ihren Präferenzen auswählen (u.a. Ball 1993). Die Forschungsergebnisse
der Verhaltensökonomie haben auch aufgezeigt, dass das Design der
Wahloptionen die sozialen Wirkungen von sozialpolitischen Programmen
und Dienstleistungen – ungeachtet der staatlichen oder marktförmigen
Güterallokation – maßgeblich beeinflusst (u.a. Thaler/Sunstein 2009;
Weber/Dawes 2005). Ob die Sozialprogramme auch die von den politischen Entscheidungsträgern intendierten Ziele erreichen, hängt vom
Design der Wahloptionen ab, die den Wohlfahrtsnutzern zur Verfügung
stehen, und davon, welche Anreizstrukturen das Handeln der Wohlfahrtsnutzer lenkt. Wie bereits in Kapitel vier gezeigt, erhöht eine Ausweitung
der Wahlfreiheit tendenziell soziale Ungleichheit, weil Bürger je nach sozialem Hintergrund ihre Wahloptionen unterschiedlich nutzen.103 Vor allem
gebildetere und einkommensstarke Haushalte profitieren von der größeren
Wahlfreiheit, sei es in privaten oder in öffentlichen Sozialprogrammen.
Folglich ist zentral für die Untersuchung, welche Ungleichheiten durch die
Wahloptionen gestärkt oder abgemildert werden.
Mit diesen fünf Regulierungsdimensionen lassen sich detailliert institutionelle Unterschiede herausarbeiten und institutioneller Wandel messen. Die
Ergänzungen zu Paliers ursprünglichen Dimensionen ermöglichen, die
Besonderheiten von Marktinstitutionen zu erfassen. Folglich kann mit
diesen Dimensionen empirisch untersucht werden, ob die bestehenden
Institutionen auf neue Märkte übertragen werden. Kurz gesagt, ob die
existierenden Eigenschaften der Institutionen als Vorbilder (templates) zur
Regulierung der neuen Märkte fungieren, wie im Eingangszitat postuliert
(vgl. Fligstein 2001).
——————
103 Zur allgemeinen Diskussion zum Verhältnis von Wahlfreiheit und Ungleichheit siehe
Greve (2009a).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
5.2
203
Deutschland – Brüche und Kontinuität
Deutschland gilt als konservativer Wohlfahrtsstaat (Palier/Martin 2008).
Ebenso fußt besonders das deutsche Bildungssystem auf einer religiösen
Prägung, was ein weiteres Merkmal konservativer Wohlfahrtsstaaten ist
(van Kersbergen 1995; van Kersbergen/Manow 2009). Die beiden deutschen Fallstudien der Renten- und Bildungsmärkte untersuchen, ob die
Merkmale des deutschen Wohlfahrtsstaates auch in den Wohlfahrtsmärkten Bestand haben. Der analytische Fokus wird auf die dominanten
politischen Akteure gelenkt und die Frage, inwieweit sie die Eigenschaften
des deutschen Wohlfahrtsstaates in die Wohlfahrtsmärkte übertragen.
Dabei wird untersucht, welche Akteure ein Interesse am Erhalt der »konservativ« geprägten sozialpolitischen Institutionen haben.
In diesem Kapitel werden der Rentenmarkt und der Bildungsmarkt jeweils einzeln analysiert. Im Rentenkapitel wird untersucht, inwieweit die
Eigenschaften der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) Anfang der
1990er Jahre in den neuen Wohlfahrtsmärkten der Riester-Rente beibehalten wurden. Die Marktschaffung des Bildungsmarktes erfolgte bereits
1948/49, weshalb der Vergleich der Regulierung über einen längeren Zeitraum erfolgt als im Rentenkapitel. Mit diesen Untersuchungen sollen einerseits die Akteure des Wandels aufgezeigt, sowie die wesentlichen institutionellen Eigenschaften herausgearbeitet werden.
5.2.1 Rentenmarkt: Das Erbe Bismarcks in der Riester-Rente
In der rentenpolitischen Literatur wird häufig der umfassende Wandel des
Rentensystems seit der Einführung der Riester-Rente im Jahr 2001 hervorgehoben. Die Riester-Rente sei eine Abkehr von den bisherigen konservativen Regimeeigenschaften der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)
(Hinrichs 2004; Kangas u.a. 2006; Schmähl 2003a).104 Diese Beobachtung
ist insofern richtig, als die Einführung von Märkten an sich und die Abkehr
von der paritätischen Finanzierung als Parameter verwendet werden. Der
Vergleich der Regulierungsdimensionen wird aber zeigen, dass einerseits
Eigenschaften der GRV auf die neue Riester-Rente übertragen wurden und
——————
104 Die Gesetzliche Rentenversicherung heißt seit 2005 Deutsche Rentenversicherung, in
der Analyse wird jedoch einheitlich der Begriff Gesetzliche Rentenversicherung verwendet,
um die institutionelle Kontinuität herauszustellen.
204
WOHLFAHRTSMÄRKTE
andererseits existierende private Rentenversicherungen als Vorbilder für
die Riester-Rente dienten. Maßgeblich für die Übertragung der Eigenschaften der existierenden Institutionen waren unter anderem die Gewerkschaften und die Verbände der Versicherungswirtschaft. Gerade die Gewerkschaften traten als Bewahrer des Status quo auf, weil sie ihre Machtstellung im Rentensystem verteidigten und befürchteten, in den neuen
Wohlfahrtsmärkten sonst ihre Mitbestimmungs- und Einflussmöglichkeiten zu verlieren. Sowohl die Gewerkschaften als auch die Verbände der
Versicherungswirtschaft agierten somit als dominante Akteure und argumentierten mit Nachdruck für eine Übertragung der existierenden institutionellen Eigenschaften auf die Regulierung der Riester-Rente. Allerdings
trug vor allem die Versicherungswirtschaft zu einer Liberalisierung und
Abkehr von traditionell Bismarck’schen Eigenschaften bei. Trotz dieser
Adaption fußen die regimefremden Eigenschaften der Riester-Rente auf
vorherigen Institutionen.
Im Folgenden werden zunächst die Eigenschaften der GRV Anfang
der 1990er Jahre beschrieben. Abschließend werden die institutionelle
Einbettung der Riester-Rente und die Rolle der beteiligten Akteure diskutiert.
Die Gesetzliche Rentenversicherung vor der Reform
Anstatt hier die lange Geschichte der GRV zu wiederholen, werde ich
mich auf den Zustand des Rentensystems Anfang der 1990er Jahre konzentrieren.105 Das System der Alterssicherung aus den 1990er Jahren wurde
am Abend des Mauerfalls verabschiedet und 1992 implementiert. Dies war
die letzte größere Änderung vor 2001 und bestand hauptsächlich aus einer
einheitlichen Kodifikation und kleineren Sachreformen (Ruland 2007). Die
Regimeeigenschaften des deutschen Rentensystems Mitte der 1990er Jahre
werden mithilfe der fünf Regulierungsdimensionen folgendermaßen zusammengefasst (vgl. Tabelle 17).
——————
105 Ausführliche und detaillierte Informationen zur Geschichte der GRV vor 1990 sind in
der angegebenen Literatur zu finden (Berner 2009; Hegelich 2006; Hinrichs 2000a;
Klenk 2008: 25–121; Lühning 2006; Manow 2000; Nullmeier/Rüb 1993; Schmähl
2003b; 2007; Schulze/Jochem 2007; Stahl 2003).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
205
Tabelle 17: DEUTSCHLAND RENTE – Regulierung der deutschen RiesterRente im Vergleich zur Gesetzlichen Rentenversicherung Anfang der 1990er Jahre
Typ
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
Gesetzliche Rentenversicherung
(Anfang 1990er)
beruflicher Status,
Bedarfsprüfung
Beitragsbezug
Steuerzuschüsse für Parafiskus, Rentenauszahlung
überwiegend steuerfrei,
Umlagefinanzierung
paritätische Sozialbeiträge
Verwaltung
Selbstverwaltung
(Parastaatlichkeit)
Wahlfreiheit
gering, obligatorisch für die
meisten Berufsgruppen,
einige freiwillige Option
deutsche Riester-Rente (Ende
2000er)
beruflicher Status,
Bedarfsprüfung
Beitragsbezug,
Beitragssicherung
nominale Zuschüsse,
Beiträge steuerfrei*,
Kapitaldeckung
Arbeitnehmerbeiträge
(Arbeitgeberzuschuss bAV)
Selbstverwaltung (ZfA),
plus Staat (BaFin) und
Markt
freiwillig (Opt-In)
Quelle: eigene Darstellung, Abweichung gegenüber dem öffentlichen System kursiv, ein Sternchen
(*) deutet auf eine zeitgleiche Änderung im öffentlichen System hin
1. Zugangsvoraussetzungen. Anfang der 1990er Jahre war die GRV obligatorisch für alle Arbeiter und Angestellten. Allerdings waren mehrere Berufsgruppen in Sondersystemen versichert. Beamte erhielten eine staatliche
Pension; Selbstständige versicherten sich privat, meistens über steuerbegünstigte Lebensversicherungen oder berufsständische Versorgungswerke
(z.B. Ärzte, Anwälte, Landwirte, Künstler etc.). Diese Statussegregation ist
typisch für konservative Wohlfahrtsregime (Palier/Martin 2007). In der
folgenden Analyse dient die GRV für Arbeiter und Angestellte als Vergleichsfolie für die Riester-Rente, weil sie 2002 für über 90 Prozent der
Bevölkerung im Rentenalter die Haupteinkommensquelle war (Heien u.a.
2007: 38).106
——————
106 Obwohl noch die rechtliche Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten bestand,
existierten seit 1957 faktisch keine beitrags- oder leistungsrechtlichen Unterschiede in
der GRV (Stahl 2003).
206
WOHLFAHRTSMÄRKTE
2. Leistungsstruktur. Die Rentenhöhe war von vorherigen Beitragszahlungen
abhängig. Im Alter von 65 Jahren erhielt jeder Versicherte eine Rente entsprechend der im Laufe des Berufslebens erworbenen Rentenpunkte.107
Die spätere Rente sollte rund 70 Prozent des Nettolohns ersetzen und stieg
ebenfalls mit der Nettolohnentwicklung an.108 Eine Grundrente existierte
nicht. Rentner ohne ausreichende Rentenleistungen aus der GRV erhielten
lediglich bedarfsgeprüfte Leistungen der Sozialhilfe.
3. Finanzierungsmechanismus. Ursprünglich wurde die GRV mit Kapitaldeckung finanziert (Heiss 2003), 1957 wurde aber auf das Umlageprinzip
umgestellt.109 Die Finanzierungsquellen der Rentenversicherung setzten
sich zu rund zwei Dritteln aus Sozialbeiträgen und zu einem Drittel aus
Steuern zusammen. Die Sozialbeiträge wurden zu gleichen Teilen von
Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt (paritätische Beitragsfinanzierung). Die GRV erhielt einen steuerfinanzierten Zuschuss aus dem
Bundeshaushalt zur Finanzierung beitragsfreier Leistungen (s. Fußnote
107). Die Sozialversicherungsbeiträge mussten versteuert werden, allerdings waren die Rentenleistungen weitgehend steuerfrei (BMGS 2003).
4. Verwaltung. Die GRV war seit ihrer Gründung eine selbstverwaltete
Organisation (Klenk 2008; Klenk u.a. 2009). In Sozialwahlen entsendeten
Arbeitnehmer und -geber ihre Repräsentanten in die Verwaltungsgremien
der Rentenversicherung (Braun u.a. 2009). Aufgrund der präzisen gesetzlichen Vorgaben, bestand nur geringer Handlungsspielraum bei der Selbstverwaltung. Allerdings konnten personelle und organisatorische Fragen
autonom von der GRV entschieden werden (vgl. Klenk 2008).
5. Wahlfreiheit. Pflichtversicherte hatten im Rahmen der GRV keine
Wahloptionen. Die Rentenbeiträge wurden allerdings nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze110 erhoben, sodass Versicherte mit überdurchschnittlichem Einkommen die Beiträge, die über der Beitragsbemessungsgrenze
lagen, in andere Altersvorsorgeprodukte (z.B. Lebensversicherungen) in-
——————
107 Beitragsfreie Zeiten weichten das Beitragsprinzip zum Teil auf, z.B. Kindererziehung,
Ausbildung (Schmeisser/Bischoff 2003).
108 1957–1992 Bruttolohnanpassung.
109 Lediglich eine äußerst geringe Schwankungsreserve von 0,2 bis 2 Monatsausgaben blieb
als Kapitaldeckung erhalten.
110 Die Summe belief sich auf etwa das Doppelte des Durchschnittsgehalts (Köppe 2007:
175).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
207
vestieren konnten. Einige Gruppen von Selbstständigen konnten freiwillig
Beiträge in die GRV einzahlen. Ebenso existierten freiwillige Zusatzversicherungen wie Betriebsrenten oder Lebensversicherungen, diese richten
sich jedoch vornehmlich an Besserverdienende (Berner 2009).
Abgesehen von der eher geringen Wahlfreiheit wies die GRV Anfang der
1990er Jahre alle typischen Merkmale einer Sozialversicherung in einem
konservativen Wohlfahrtsregime auf und dient somit als Vergleichsfolie für
den neuen Wohlfahrtsmarkt der Riester-Rente.
Die institutionellen Vorbilder der Riester-Rente
Eingangs ein kurzer Überblick über die Gründungsphase der RiesterRente: Im Jahr 2001 wurde ein Rentenreformpaket unter der Federführung
des Bundesarbeitsministers Walter Riester verabschiedet und in wesentlichen Teilen im Januar 2002 in Kraft gesetzt. Mit diesem Reformpaket
wurde das gesamte Rentensystem grundlegend reformiert. In der GRV für
die Angestellten und Arbeiter wurden massive Kosteneinsparungen vorgenommen, die unter anderem zur Folge hatten, dass die zu erwartende
Lohnersatzrate zukünftig sinken wird (Blank 2011b: 76; Ruland 2007).111
Zeitgleich dazu wurden die Grundsicherung für Ältere und die RiesterFörderung implementiert.112
Die neue Riester-Förderung wurde schrittweise zwischen 2002 und
2008 implementiert. Seit 2008 können die Arbeitnehmer auf freiwilliger
Basis einen Riester-Vertrag abschließen. Entgegen dem häufig in der Literatur vertretenen Standpunkt eines umfassenden Wandels (Hinrichs 2004;
Kangas u.a. 2006; Schmähl 2003a), besitzt die Riester-Rente erstaunlicherweise nach wie vor Eigenschaften des deutschen Rentenversicherungssystems. In Tabelle 17 sind in einer Gegenüberstellung der GRV und
der Riester-Rente die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgelistet, die
Abweichungen sind kursiv hervorgehoben. Die folgenden Abschnitte legen
——————
111 Die Kosteneinsparungen wurden vor allem durch verschiedene Veränderungen der
Indexierung und Rentenberechnung zwischen 2001 und 2004 erreicht. Mit dem Altersvermögensgesetz wurde von der Nettolohnentwicklung auf die Bruttolohnentwicklung
umgestellt (AVmG 2001) und mit dem Alterseinkünftegesetz wurde der Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt (AltEinkG 2004).
112 Die Grundsicherung für Ältere fällt unter die Regelung des Sozialhilfegesetzes und wird
seit 2003 allen Rentnern ab 65 ausgezahlt, deren Renteneinkünfte unter dem Sozialhilfeniveau liegen (GSiG 2001; Hinrichs 2001; Steffen 2008).
208
WOHLFAHRTSMÄRKTE
die Positionen der politischen Akteure dar und welchen Einfluss sie auf die
Regulierung der Riester-Rente hatten und inwiefern der neu entstandene
Wohlfahrtsmarkt vom konservativen Wohlfahrtsregime abweicht.
Der Einfluss der politischen Akteure und Marktanbieter
Die entscheidende politische Phase für das institutionelle Design der
Riester-Rente war die parlamentarische Diskussion zwischen 1999 und
2001. In dieser Gründungsphase, welche von großen Konflikten zwischen
den politischen Akteuren geprägt war, wurden die Grundsteine für die
institutionellen Eigenschaften der Riester-Reform gelegt. Die Korrekturen
und Ergänzungen nach 2001 wurden jedoch jeweils im politischen Konsens verabschiedet und waren politisch nicht sonderlich umkämpft.113
Neben den politischen Parteien werden auch die Positionen und der Einfluss der Gewerkschaften und der Finanzbranche herausgearbeitet. Die
Analyse wird zeigen, dass vor allem die Versicherungswirtschaft eine herausgehobene Machtstellung in der privaten Altersvorsorge innehatte und
mit Erfolg anfangs auch bewahren konnte.
Alle Reformanstrengungen unter der konservativ-liberalen KohlRegierung sollten das Sozialversicherungssystem bewahren. Zwar wurden
immer wieder Reformvorschläge unterbreitet, die entweder eine Mindestsicherung oder eine dritte private Säule vorschlugen, allerdings wurde keiner dieser Vorschläge von der konservativen Regierung aufgenommen.
Norbert Blüm, der damals zuständige Minister für Arbeit und Sozialordnung von 1982–1998, verteidigte vehement die Gesetzliche Rentenversicherung und versuchte mit seinem letzten Reformpaket von 1997 noch
das Sozialversicherungssystem als alleinige Säule zu erhalten, indem er
Änderungen ausschließlich innerhalb des Versicherungssystems vorschlug.
Zusätzlich zur CDU-Regierung unterstützte die Selbstverwaltung das EinSäulen-Modell, unter anderem weil linke und gewerkschaftliche Kräfte in
den Verwaltungsgremien an der öffentlichen Rentenversicherung festhielten (Anderson/Meyer 2003: 34). Alle Rentenreformen bis Anfang der
1990er Jahre waren von einem allgemeinen Konsens zwischen den politischen Akteuren geprägt (u.a. Nullmeier/Rüb 1993).
Die ursprüngliche Reformidee Walter Riesters sah eine betriebliche
Pflichtversicherung im Rahmen von sogenannten Tariffonds vor. Ihm
——————
113 Ich beziehe mich hier auf die Teile der Riester-Rente. Andere Aspekte wie die Rente mit
67 sind trotz der Verabschiedung weiterhin politisch umkämpft.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
209
schwebte also eher eine obligatorische Betriebsrente vor als eine freiwillige
individuelle Rentenversicherung mit vielen Marktmechanismen (Riester
2004). Ein derartiges Obligatorium hätte das Rentensystem sozialdemokratischer, im Sinne des sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes, erscheinen lassen und einen Pfadbruch mit dem konservativen Rentensystem
bedeutet. Anderson und Meyer (2003) stellen die Vermutung auf, dass die
rot-grüne Koalition drei Aspekte hätte sozialdemokratischer gestalten können (vgl. Anderson/Meyer 2003: 36–37). Erstens hätte die Riester-Rente
als eine Pflichtversicherung eingeführt werden können. Dies hätte zu
einem universelleren Zugang geführt und ein obligatorischer Wohlfahrtsmarkt wäre entstanden. Als dieser Weg politisch nicht mehr durchzusetzen
war, hätten zweitens höhere Steuererleichterungen für Besserverdiener
vermieden werden sollen. Sozialdemokratischer wären höhere Zulagen für
alle Versicherten gewesen, insbesondere weil davon diejenigen am meisten
profitiert hätten, die am stärksten von den Rentenkürzungen betroffen
wären. Drittens hätte eine richtige Mindestrente eingeführt werden sollen.
Da diese originär sozialdemokratischen Elemente nicht implementiert
wurden, wirft das die Frage auf, warum die Riester-Rente mehr liberale und
konservative Regulierungseigenschaften aufweist als sozialdemokratische,
obwohl die Sozialdemokraten zusammen mit den Grünen die Regierung
stellten. Im folgenden Abschnitt wird aufgezeigt, welche Positionen die
SPD tatsächlich vertrat und wie die Regulierungseigenschaften festgelegt
wurden.
Parteipolitische Positionen der Grünen und der Unionsparteien
Mit Ausnahme der PDS hatte sich bei den im Bundestag vertretenen Parteien bereits die Sichtweise durchgesetzt, dass eine private Ergänzung zur
GRV notwendig war (Wehlau 2009: 113). Ob eine private Altersvorsorge
eingeführt werden sollte, stand also nicht zur Disposition. Parteipolitisch
war jedoch umstritten, wie sie implementiert werden sollte, das heißt die
Regulierung des Wohlfahrtsmarktes bildete den parteipolitischen Kern der
Auseinandersetzung.
Durch eine Öffnung des rentenpolitischen Expertennetzwerks wurde
die SPD in die Lage versetzt weitreichende Reformen durchzusetzen. Das
starre rentenpolitische Policy-Netzwerk bestand vor der Gründungsphase
aus starken Fürsprechern für die Sozialversicherung (Nullmeier/Rüb
1993). Ende der 1990er Jahre wurde das Netzwerk durchlässiger und alte
210
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Akteure wurden durch neue aus ihren Ämtern gedrängt (Berner 2009), was
Raum für innovative und pfadabweichende Ideen wie die Einführung einer
marktförmigen Zusatzrente eröffnete (Wehlau 2009: 157).
Da insbesondere Befürworter des Sozialversicherungsmodells das
Policy-Netzwerk verlassen hatten, wurde die Idee einer privaten Rentenversicherung unter den Experten salonfähig. Allerdings nutzte die SPD
diese Offenheit gegenüber neuen Ideen nur, um generell eine private
Altersvorsorge einzuführen. Die sozialdemokratischen Ideen zur Regulierung der privaten Altersvorsorge wie die obligatorischen Tariffonds scheiterten jedoch frühzeitig nach harscher Kritik am Obligatorium (Riester
2004: 128–134). Als sich ein Scheitern der sozialdemokratischen Regulierungsmerkmale abzeichnete, signalisierten Riester und die SPD, dass sie zu
großen Zugeständnissen bereit waren, hatte allerdings weiter keine konkreten Vorstellungen, wie eine private Altersvorsorge gestaltet werden
sollte (Wehlau 2009: 137).
Obwohl dem linken Lager zuzurechnen, waren die Grünen, der kleine
Koalitionspartner der Sozialdemokraten, wenig an einer sozialdemokratischen Regulierung der privaten und betrieblichen Vorsorge interessiert. Die Hauptforderung der Grünen im Bundestagswahlkampf war die
Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im globalen Wettbewerb zu erhalten
(Schmidt 2003; Seeleib-Kaiser 2002b). Die neuen Einnahmen der
Ökosteuer sollten als Steuerzuschuss für die Sozialversicherungen verwendet werden (Bündnis 90/Die Grünen 1998). Die GRV sollte nach wie vor
die wichtigste Säule zur Lebensstandardsicherung im Alter sein, ohne dass
jedoch die Sozialversicherungsbeiträge angehoben werden sollten. Aufgrund dieses Dogmas wurde im Koalitionsvertrag eine Stärkung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge vereinbart (SPD/Die Grünen
1998).
Die Grünen haben mit ihrer Politik der Beitragsstabilität nicht nur die
Einführung der Riester-Rente an sich befördert, sondern indirekt auch
bewirkt, dass die Riester-Rente freiwillig abgeschlossen wird. Denn eine
zusätzliche obligatorische private Altersvorsorge hätte das Dogma der
Beitragsstabilität in Frage gestellt. Die Freiwilligkeit der Riester-Rente führte somit zu einem liberalen Element innerhalb des konservativen Wohlfahrtsregimes. Insgesamt war aber der politische Einfluss der Grünen auf
die konkrete Ausgestaltung der Riester-Rente eher gering.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
211
Die bürgerlichen Parteien hatten aufgrund ihrer Oppositionsrolle insgesamt einen geringen Einfluss auf die Regulierung der Riester-Rente. Die
Union begrüßte grundsätzlich einen Ausbau der privaten Vorsorge, was
einen Bruch mit der Rentenpolitik der Ära Kohl bedeutete. Ihr Hauptkritikpunkt war eine zu starke Kürzung der Witwenrente, weil es ihrem
konservativen Familienbild widersprach.
Die parteipolitischen Präferenzen der CDU und der Grünen beeinflussten zum Teil die Regulierung der Riester-Rente, insgesamt kann aber
mit den parteipolitischen Differenzen nicht die konkrete institutionelle
Ausgestaltung der Riester-Rente erklärt werden.
Erheblichen Einfluss auf die Regulierung der Riester-Rente hatten letztendlich die Gewerkschaften und die Versicherungswirtschaft, weil sie bereits machtvolle Akteure in ihren jeweiligen rentenpolitischen Bereichen
waren. Die Gewerkschaften gestalteten die GRV und Betriebsrenten mit,
wohingegen die Versicherungswirtschaft in der privaten Altersvorsorge,
vor allem für Selbstständige, bereits aktiv war. Die folgenden zwei Abschnitte zeigen, dass die Gewerkschaften ihre politische Mitbestimmung in
der GRV verteidigten, wenn auch nicht mit dem gewünschten Erfolg. Die
Versicherungswirtschaft erwirkte hingegen erfolgreich eine Orientierung
der Riester-Rente an den bereits üblichen Lebensversicherungen. Zusammengenommen verhinderten beide Akteure eine stärkere sozialdemokratische Regulierung der Riester-Rente und die Versicherungswirtschaft
ergänzte sogar mehrere liberale Elemente. Auf die Diskussion des politischen Einflusses der Gewerkschaften folgt die Analyse der Lobbyarbeit
der Versicherungswirtschaft.
Gewerkschaften
Der größte Widerstand gegen die private Vorsorge, und das Obligatorium
im Speziellen, kam anfangs von den Gewerkschaften. Obwohl sie ideologisch links einzuordnen waren und enge Verbindungen zu den Sozialdemokraten hatten, war ihr Hauptinteresse, den Status quo der GRV zu
bewahren. Zu Beginn der rentenpolitischen Reformüberlegungen hofften
sie noch, das umlagefinanzierte System erhalten zu können und lehnten die
Idee von obligatorischen Tariffonds ab (Riester 2004). Walter Riesters
Konzept der Tariffonds beinhaltete zwar eine Rentenkürzung im Sozialversicherungssystem, hätte aber die Macht der Gewerkschaften gestärkt
212
WOHLFAHRTSMÄRKTE
und gleichzeitig Marktmechanismen begrenzt, weil die zusätzliche Altersvorsorge im betrieblichen Umfeld eingebunden gewesen wäre. Noch bevor
überhaupt ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden konnte, lehnten die
Gewerkschaften jegliche Kürzungen ab. Die Gewerkschaften wähnten die
SPD in diesem Aspekt auf ihrer Seite, weil sie gemeinsam gegen Rentenkürzungen in den Wahlkampf gezogen waren. Allerdings hatten SPD und
Grüne auch die Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge im Wahlkampf
versprochen und konnten dieses Ziel nur mit einer Leistungskürzung der
GRV erreichen, denn der Steuerzuschuss aus den zusätzlichen Einnahmen
der Ökosteuer war insgesamt zu gering, um die steigenden Kosten zu decken.
Den Gewerkschaften unterlief damit ein strategischer Fehler, denn
Walter Riester suchte daraufhin nach anderen Möglichkeiten, um eine
private Altersvorsorge als Kompensation für die Kürzungen der GRV
einzuführen (Riester 2004). Als sich herauskristallisierte, dass die rot-grüne
Koalition eine freiwillige private Altersvorsorge einführen würde, versuchten die Gewerkschaften möglichst viele Eigenschaften des existierenden
Rentensystems zu erhalten, um ihre rentenpolitische Machtstellung zu
erhalten.114 Erstens fürchteten die Gewerkschaften nun einen totalen
rentenpolitischen Machtverlust, denn die ersten Vorschläge sahen nur
private Rentenversicherungsanbieter vor. Die Gewerkschaften hätten ihren
Einfluss über den neuen marktförmigen aber relevanten Teil des Rentensystems verloren, den sie in der selbstverwalteten GRV noch besaßen. Sie
konnten ihren rentenpolitischen Einfluss nur wahren, wenn Betriebsrenten
in irgendeiner Form mit in die Riester-Förderung einbezogen wurden.
Zweitens kämpften sie für die Beibehaltung der paritätischen Finanzierung.
Die Gewerkschaften argumentierten, dass die ausschließlich private Altersvorsorge die paritätische Finanzierung aushöhlen und die Belastung der
Arbeitnehmer einseitig erhöhen würde (vgl. Reformprozess in Hegelich
2006; Wiß 2011).
Insgesamt zeigt der gewerkschaftliche Widerstand, dass sie bestrebt waren ihren rentenpolitischen Einfluss zu bewahren, was sie nur erreichen
konnten, wenn ebenfalls die betriebliche Säule zusammen mit der rein
privaten Säule ausgebaut wurde (Hegelich 2006: 201–204; Trampusch
2004; 2006). Schlussendlich konnten die Gewerkschaften zum Teil ihre
Machtstellung im neu geregelten Rentensystem bewahren. Mit der auf die
——————
114 »German union influence was conservative in terms of reform content« (Anderson/
Meyer 2003: 48).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
213
gewerkschaftliche Intervention zurückgehende Förderung der Betriebsrenten verlagerte sich ihr rentenpolitischer Einfluss auf Tarifverhandlungen
mit den Arbeitgebern über die Konditionen der Entgeltumwandlung. Sie
waren auch weiterhin in der Selbstverwaltung der GRV und ZfA vertreten
(s. Tabelle 17), der faktische politische Einfluss besteht jedoch eher in
informellen Netzwerken und Informationsaustausch als in direkten Einflusskanälen auf die Politikgestaltung (Wiß 2011). Ihre inhaltliche Kernforderung nach Beibehaltung der Sozialversicherung als alleinige Altersvorsorge konnten sie hingegen nicht erreichen.
Zusammengenommen hatten die Gewerkschaften nur einen geringen
Einfluss auf die Regulierung der Riester-Rente (Hegelich 2006: 212). Zunächst besaßen sie keine formale Blockademacht (formeller Vetospieler),
sondern konnten nur durch öffentliche Proteste oder informelle Kanäle
auf eine Verhinderung der Reform drängen (vgl. ideelle Vetospieler bei
Tsebelis 2002). Der rentenpolitische Machtverlust lag auch darin begründet, dass ihnen ein strategischer Fehler unterlief, als sie die Idee der Tariffonds von vornherein ablehnten. Sie handelten inhaltlich im Sinne aller
Beschäftigten (Schutz des Sicherungsniveaus der GRV), anstatt strategisch
ihre Machtposition auf die Tariffonds auszudehnen.
Anschließend konnten sie nur noch Schadensbegrenzung betreiben und
zumindest ihre Marktmacht durch die Einbeziehung der Betriebsrenten in
die Riester-Förderung erhalten. Damit haben sich die Gewerkschaften
letztendlich wie Marktakteure verhalten, weil Marktakteure danach streben,
ihre Marktmacht auf andere Felder auszuweiten und die Regulierung nach
ihren Vorteilen mitzugestalten (Fligstein 2001). Die Gewerkschaften konnten nach Ablehnung der Tariffonds nur noch mit dieser letzten Strategie
ihre rentenpolitische Macht erhalten, wenn nicht sogar ausbauen. Die Erfolge einiger tarifpolitischer Versorgungswerke wie der MetallRente zeigen
(Burger/Clark 2011), dass die IG Metall ihre neu gewonnene tarifpolitische
Macht einsetzt, um die zusätzliche Altersvorsorge auszubauen (Wiß 2011:
267). Kurz gesagt, die Gewerkschaften verhinderten durch strategische
Fehleinschätzungen eine Sozialdemokratisierung der Riester-Rente und
setzten letztlich nur durch, dass ihre rentenpolitische Macht auch im Rahmen der neuen Riester-Förderung bewahrt blieb.
214
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Versicherungswirtschaft115
Indes übte die Finanzbranche und insbesondere die Versicherungswirtschaft in der Reformphase 1999–2001 großen Einfluss auf die Standardisierung der Förderbedingungen aus. Grundsätzlich begrüßte die Finanzbranche die Einführung einer privaten Altersvorsorge und die Kürzung
beziehungsweise die Begrenzung der öffentlichen Sozialsysteme, obwohl
die Versicherungswirtschaft und die Bankenbranche unterschiedliche Interessen in Bezug auf die konkrete regulative Ausgestaltung der privaten
Altersvorsorge verfolgten (Wehlau 2009).
In Bezug auf die regulative Ausgestaltung war die Versicherungswirtschaft relativ erfolgreich, weil sie frühzeitig ein eigenes Reformkonzept
in die Diskussion einbrachte und ihre Vorschläge mit einer sozialpolitischen Argumentation untermauerte. Das Konzept der Versicherungswirtschaft enthielt gleich mehrere Vorschläge, die in die Gesetzgebung einflossen, womit wichtige Marktanteile im Riester-Rentenmarkt erzielt wurden.
Die Versicherungsbranche argumentierte mit Nachdruck gegen eine Einbeziehung der Selbstständigen und Beamten in die GRV, wie ursprünglich
im Koalitionsvertrag vereinbart (SPD/Die Grünen 1998; Wehlau 2009:
165). Hauptgrund für die Missbilligung einer Universalisierung der GRV
war aber die befürchtete Erosion des existierenden Altersvorsorgemarktes.
Wenn vor allem für die Selbstständigen ein Eintritt in die GRV obligatorisch geworden wäre, bestand die Gefahr, dass ein Großteil des lukrativen
Lebens- und Rentenversicherungsgeschäftes weggebrochen wäre. Im Vergleich zu den Arbeitnehmern und Beamten, die lediglich zusätzlich vorsorgen, umfasst das Geschäft mit den Selbstständigen erheblich höhere Anlagesummen, weil es häufig die alleinige Vorsorgeform ist, was dieses
Geschäft besonders attraktiv macht.
Diese grundlegende Position konnte erfolgreich kommuniziert und
durchgesetzt werden, die Statussegregation blieb zumindest für die Selbstständigen erhalten und das Altersvorsorgegeschäft der Selbstständigen
konnte fortgeführt werden. Allerdings wurde die private Riester-Rente auf
die Beamten ausgedehnt, was einer partiellen Universalisierung gleichkommt. Der Zugang zur Riester-Rente weist somit weiterhin traditionelle
Eigenschaften des konservativen Wohlfahrtsregimes auf, als auch einen
——————
115 Die Ausführungen diese Abschnitts stützen sich überwiegend auf die exzellente Studie
von Wehlau (2009) zu der Lobbytätigkeit und den Einflusskanälen der Versicherungsund Bankenwirtschaft während der Gründungsphase.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
215
Trend zu einer sozialdemokratischen Universalisierung des Zugangs (s.
Tabelle 17).
Umgekehrt verlief die Argumentation der Versicherungswirtschaft in
Bezug auf die private Altersvorsorge für die Versicherten der GRV. Eine
Kürzung der durchschnittlichen Lohnersatzrate und gleichzeitige Einführung einer privaten Vorsorge versprach eine Ausweitung des Geschäfts auf
einen neuen Kundenkreis. Sogleich wurde aber von ihnen die Idee der
Tariffonds abgelehnt, weil die Versicherungswirtschaft befürchtete, bei
einer betrieblichen Altersvorsorge nicht als Anbieter beteiligt zu sein. Der
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (DRV) stellte
deshalb ein privates Altersvorsorgekonzept vor, das den bereits angebotenen Lebensversicherungen stark ähnelte, um einen entsprechenden
Marktvorteil bei der Marktgründung zu erreichen. Folgende zentrale Regulierungseigenschaften wurden vorgeschlagen, die in leicht veränderter
Form Eingang in die Regulierung der Riester-Rente fanden (GDV 2000: 9):
– freiwillige Versicherung
– finanzielle Förderung als Kombination aus nominalen Zuschüssen und
Steuererleichterungen
– Beitragshöhe von rund drei Prozent
– Auszahlung als Leibrente mit der Option einer Einmalzahlung von 25
Prozent des Rentenkapitals
– Garantie der Rentenauszahlung in Höhe der geleisteten Beiträge in
Anlehnung an die Renditegarantie von Lebensversicherungen (Beitragsgarantie).
Wenn auch die vorgeschlagenen Punkte nicht eins zu eins übernommen
wurden, weist die Riester-Rente fast übereinstimmende Produktstandards
auf. Besonders zentral für die Versicherungsbranche war die Einführung
einer Leibrente mit Beitragsgarantie, weil die Lebensversicherer große
Erfahrung mit der Risikokalkulation besaßen. Die Beitragshöhe wurde
letztlich auf vier Prozent und eine optionale Einmalzahlung auf 30 Prozent
begrenzt.
Die Bankenindustrie verfolgte jedoch andere Interessen als die Versicherungswirtschaft. Die Banken wurden erst Ende der 1990er Jahre im
Altersvorsorgemarkt mit privaten Rentenfonds aktiv und waren damit
216
WOHLFAHRTSMÄRKTE
relativ neue Marktakteure.116 Im Vergleich zu den Rentenversicherungen
wurden fondsbasierte Rentenrücklagen üblicherweise als Einmalzahlung
ausgezahlt und Ertragsgarantien wurden nicht gewährt. Die Interessenverbände der Banken- und Investmentbranche stellten im Vergleich zum
GDV kein fertiges Konzept vor und konnte daher lediglich auf die Vorschläge der Versicherungswirtschaft reagieren.
Sie forderten eine steuerliche Gleichbehandlung von Rentenversicherungen und Rentenfonds und äußerten Bedenken gegenüber einer Beitragsgarantie. Da Banken kaum Expertise mit der Risikokalkulation von
Annuitäten und Renditegarantien hatten, sahen sie sich benachteiligt bei
einer zu starken Produktregulierung und Orientierung an Versicherungsprodukten. In ihrer Lobbyarbeit konnten die Verbände der Banken- und
Investmentbranche lediglich erwirken, dass Rentenfonds überhaupt zugelassen wurden. Sie agierten somit weniger als Bewahrer der rentenpolitischen Institutionen, sondern führten regulative Innovationen in das
bisherige Rentensystem ein. Obgleich in Deutschland Ende der 1990er
Jahre Rentenfonds und Aktienhandel im Allgemeinen noch relativ neue
Phänomene für die breite Bevölkerung waren, konnten die Verbände der
Banken- und Investmentbranche ihre Produkte auf einem neuen Wohlfahrtsmarkt zumindest etablieren (Wehlau 2009).
Indessen konnte die Einführung der Beitragsgarantie nicht verhindert
werden. Mit der Implementierung der Null-Zins-Garantie waren die Banken und Investmentfondsverwalter gezwungen, Sicherheiten in die angebotenen Rentenfonds einzubauen, wenn sie am neuen Wohlfahrtsmarkt
Altersvorsorgeprodukte anbieten wollten. Banken und Fondsverwalter
mussten folglich erst Altersvorsorgeprodukte entwickeln, die die Zertifizierungskriterien (wie z.B. Beitragsgarantie und Leibrente) erfüllten. Entsprechend konnte die Bankenwirtschaft dieses Marktsegment anfangs nicht
konkurrenzfähig bedienen und erzielte in den ersten Jahren nur geringe
Marktanteile. Erst seit 2006 konnten Anlagen von Banken und Investmentfonds einen Marktanteil von rund 20 Prozent mit Riester-Produkten
erreichen (BMAS 2009a). Die Banken hatten offensichtlich Schwierigkeiten
im Rahmen der ihnen unvertrauten Regulierung adäquate Produkte anzubieten.
——————
116 Erst 1998 wurden aktienbasierte Anlageformen vom Gesetzgeber als eine Form der
Altersvorsorge im Rahmen des Dritten Finanzmarktförderungsgesetztes anerkannt
(Drittes Finanzmarktförderungsgesetz 1998).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
217
Im Endeffekt konnte die Finanzbranche, und vor allem die Versicherungsbranche, ihre politischen Einflusskanäle effektiv nutzen und ihre
Kernposition hinsichtlich einer freiwilligen privaten Zusatzvorsorge für die
Versicherten der GRV positiv beeinflussen. Die Versicherungswirtschaft
erwirkte eine Orientierung der Riester-Rente nach dem Konzept einer
Rentenversicherung und verschaffte sich damit gegenüber der Bankenwirtschaft einen Wettbewerbsvorteil. Trotz dieses Erfolgs der Versicherungsbranche konnten Banken aber nicht komplett von dem Wettbewerb ausgeschlossen werden, denn Rentenfonds wurden ebenfalls zugelassen, wenn
sie die Beitragsgarantie erfüllten. Die Versicherungsbranche profitierte
auch unmittelbar nach der Marktgründung von der vorteilhaften Regulierung und dominierte anfangs den neuen Wohlfahrtsmarkt.
Schlussfolgerungen zu den politischen Akteuren
Die Gewerkschaften und die Finanzbranche waren etablierte Akteure in
ihren jeweiligen Marktnischen. Die Gewerkschaften besaßen durch die
Selbstverwaltungsgremien der GRV rentenpolitischen Einfluss und nutzten ihre tarifpolitische Macht bei den Betriebsrenten aus; die Banken und
Versicherungskonzerne agierten hingegen im Feld der zusätzlichen Altersvorsorge, insbesondere für Selbstständige.
Erstaunlicherweise waren sowohl Gewerkschaften als auch die Finanzbranche der Idee der obligatorischen Tariffonds kritisch gegenüber eingestellt, obwohl davon beide hätten profitieren können. Auf der einen Seite
sahen die Gewerkschaften den vorgeschlagenen Reformpfad vor allem als
Leistungskürzung für ihre Klientel, was sozialpolitisch als zutreffend einzuschätzen ist. Allerdings verloren sie die Chance, eine herausragende
Machtposition im Rahmen der Tariffonds einzunehmen. Die Grundidee
von Walter Riester war keineswegs ausgearbeitet, aber die betriebliche
Einbindung der zusätzlichen Altersvorsorge hätte den Gewerkschaften
eine machtvollere Marktposition ermöglicht. Auf der anderen Seite erkannte die Finanzbranche nicht die Möglichkeiten einer obligatorischen zusätzlichen Altersvorsorge. Selbst wenn die Tariffonds primär eher einer Betriebsrente geglichen hätten,117 bestand die Möglichkeit, dass ein sekundärer Wohlfahrtsmarkt für die Rentenrücklagen entstanden wäre. Üblicherweise werden die betrieblichen Rentenbeiträge in den Kapitalmarkt inves-
——————
117 Über die genauen Marktmechanismen kann nur spekuliert werden, weil nie ein Gesetzentwurf eingebracht wurde.
218
WOHLFAHRTSMÄRKTE
tiert und Versicherungen mit der Verwaltung der Rentenkonten beauftragt.
Folglich hätte die Finanzbranche von obligatorischen Betriebsrenten stärker profitieren können, weil alle Bürger eine Versicherung hätten abschließen müssen (vgl. Marktvolumen der obligatorischen Renten in Schweden
4.1.2). Keiner der Akteure erkannte die Potenziale einer unbekannten
Regulierung von Betriebsrenten sondern sie präferierten den Status quo
(Gewerkschaften) beziehungsweise die Übertragung der bekannten Marktregulierung auf den neuen Markt (Finanzbranche).
Der dominanteste Marktanbieter, in diesem Falle die Versicherungsbranche, war insgesamt am erfolgreichsten, eine politische Mehrheit für
ihre Präferenzen der Marktregulierung zu finden. Nichtsdestotrotz konnten sich die bisher weniger erfolgreichen und aktiven Akteure im Bereich
der zusätzlichen Altersvorsorge (Banken, Gewerkschaften) auch auf dem
neuen Wohlfahrtsmarkt etablieren. In der politischen Gründungsphase
konnten sie zumindest einen grundsätzlichen Marktzugang erwirken. Im
Laufe der Marktetablierung konnten sie dann zunehmend ihre Marktanteile
erhöhen, trotz der ursprünglich von ihnen abgelehnten Marktregulierung
(u.a. Beitragsgarantie).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Reformverlauf komplex war und keinem einfachen, parteipolitischen Rechts-Links-Schema
folgte, wie der geringe Einfluss der bürgerlichen Parteien zeigt. Die beteiligten politischen Akteure und Interessenverbände hatten unterschiedlichen Einfluss, einerseits die Marktgründung anzustoßen und andererseits
die Marktregulierung zu gestalten.
Der Anstoß zur Marktgründung kam nicht aus dem bürgerlichen Lager,
obwohl Privatisierung und Vermarktlichung zu den parteipolitischen
Kernpräferenzen gehören. Die Initiative der Sozialdemokraten einen
Wohlfahrtsmarkt einzuführen, deutet auf eine Nixon-goes-to-China Logik hin
(vgl. Kapitel 3.3 Green-Pedersen 2003; Kitschelt 2001; Ross 2000: 158).
Nur die Sozialdemokraten konnten Reformvorschläge unterbreiten, die
den konservativen Sozialstaat liberalisieren sollten, weil sie den Reformdruck glaubwürdiger kommunizieren konnten als die bürgerlichen Parteien
(CDU/CSU/FDP).
Bei der Ausgestaltung der Regulierung waren zwar parteipolitische Präferenzen erkennbar, allerdings scheiterte Riester mit seiner Idee, die
Marktmechanismen durch das Obligatorium und Betriebsrenten zu begrenzen (vgl. Anderson/Meyer 2003). Vielmehr scheiterten die sozialdemokratischen Regulierungsvorschläge an der Kritik der Gewerkschaften,
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
219
der Finanzbranche und des bürgerlichen Lagers. Diese Akteure strebten
nach einer Bewahrung der institutionellen Merkmale in dem neuen Rentenmarkt. Die Versicherungsbranche war am erfolgreichsten, die bestehende
Regulierung der privaten Rentenversicherungen für Selbstständige auf den
neuen Rentenmarkt für Angestellte, Arbeiter und Beamte zu übertragen
(Wehlau 2009). Damit haben die Akteure benachbarte Institutionen (GRV,
Lebensversicherungen) als Vorbilder für die Regulierung des neuen Rentenmarktes (Riester-Rente) verwendet. Der machtvollste und dominanteste
Akteur (Versicherungswirtschaft) konnte dabei die meisten der präferierten
Markteigenschaften durchsetzen.
Vorbilder und Innovationen zwischen Universalisierung und Liberalisierung
Die institutionellen Vorbilder der Riester-Rente sind sowohl in der GRV
als auch in den existierenden privaten Rentenversicherungen zu finden.
Benachbarte Institutionen dienten somit zwar als Vorbilder für die neuen
Wohlfahrtsmärkte, allerdings wurden durch die Referenzen zu den existierenden privaten Altersvorsorgesystemen der Selbstständigen liberale Eigenschaften im deutschen Wohlfahrtsregime gestärkt. Die liberalen Elemente im deutschen Wohlfahrtsregime galten bis dato nur für einen
kleinen Teil der Bevölkerung, wurden aber auf alle Beschäftigten ausgedehnt (layering). Bei genauer Betrachtung wurden aber konservative Eigenschaften bewahrt, aber auch sozialdemokratische und liberale Elemente
sind hinzugekommen. Im Folgenden werden die strukturellen Vorbilder
und Innovationen des neuen Wohlfahrtsmarktes anhand der fünf Regulierungsdimensionen dargestellt (Überblick in Tabelle 17).
1. Zugangsvoraussetzungen. Die im Rentensystem auftretenden Statusdifferenzen
blieben zum Teil bestehen, denn Riester-Verträge können nur von Arbeitern, Angestellten und Beamten abgeschlossen werden. Die Ausweitung
auf Beamte ist neu und führte zu einer Universalisierung gegenüber der
Gesetzlichen Rentenversicherung. Die Inklusion dieser Statusgruppe liegt
darin begründet, dass auch die Beamtenpensionen gekürzt wurden. Ausgeschlossen sind weiterhin die Selbstständigen, für die jedoch im Jahre 2005
eigens die Rürup-Förderung eingeführt wurde.118
——————
118 Die Rürup-Förderung oder auch Basis-Rente basiert im Wesentlichen auf der Regulierung der Riester-Rente. Da Selbstständige nicht in die GRV einzahlen, muss die private
220
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Außerdem besteht seitdem ein Rechtsanspruch für den Abschluss einer
Betriebsrente (die sogenannte Entgeltumwandlung119), die zudem steuerlich gefördert wird. Obwohl ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung
besteht, gelten unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen: Zunächst besteht für Beamte kein Rechtsanspruch, was die berufsständischen Statusunterschiede zumindest bei dieser Förderung beibehält. Überdies steht es
den Betrieben zu einem gewissen Grad frei, wie sie die Entgeltumwandlung umsetzen, sodass erhebliche Unterschiede zwischen den Betrieben
existieren (Berner 2008; Blank 2012).
2. Leistungsstruktur. Grundsätzlich besteht ein Beitragsbezug der Leistungen,
wie bei der GRV. Wie auch Leistungen der GRV werden Auszahlungen
der Riester-Rente voll auf die Grundsicherung im Alter angerechnet. Die
Bedarfsprüfung der Grundsicherung hat also den Effekt, dass Geringverdiener kaum einen Anreiz zum Abschluss eines Riester-Vertrags haben. Da
ihre geringe Riester-Rente voll auf die Grundsicherung angerechnet wird,
werden sie unter Umständen netto die gleiche Rente erhalten wie Personen
ohne Riester-Rente. Außerdem ist die Dynamisierung der Riester-Rente
typischerweise eine Option und nicht automatisch wie bei der GRV.
3. Finanzierungsmechanismus. Finanziert wird die Riester-Rente über einen
Beitrag von mindestens vier Prozent des Bruttolohns der Arbeitnehmer,
der öffentlich mit nominalen Zuschüssen und Steuererleichterungen subventioniert wird.120 Das Finanzamt wählt je nach Einkommen die günstigste Fördervariante aus. Die nominalen Zuschüsse121 sind insbesondere
für niedrige Einkommensschichten attraktiv. Für die mittleren und höheren Einkommensschichten sind die gewährten Steuererleichterungen122
attraktiver. Die nominalen Zuschüsse und Steuererleichterungen sind
finanzielle Anreize, damit die Beschäftigten einen Riester-Vertrag abschlie-
——————
Vorsorge die komplette Altersvorsorge abdecken, weshalb in die Rürup-Rente pro Jahr
bis zu 20.000 Euro investiert werden können (AltEinkG 2004; BMAS 2008b).
119 Teilweise auch Eichel-Förderung genannt.
120 Obwohl mehr als der Mindestbeitrag von 4 % und über die steuerliche Förderung
hinaus investiert werden kann, leisten wenige Beschäftigte höhere Beiträge (Wilke 2012).
121 Ab 2008 gelten folgende Sätze: 154,- €/Jahr Grundzulage und 300,- €/Jahr Kinderzulage, Mindesteigenbeitrag 60,- €/Jahr.
122 2.100 €/Jahr (AltEinkG 2004; AVmG 2001).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
221
ßen, und fungieren als ein funktionales Äquivalent für die Steuerzuschüsse
in die GRV.123
Als weitere Nähe zu den existierenden Regelungen der GRV ist die Beitragsbemessungsgrenze zu nennen. Die Pflichtbeiträge der GRV werden
nur bis zu der Beitragsbemessungsgrenze erhoben, die jährlich der durchschnittlichen Einkommensentwicklung angepasst wird. Die maximale
Steuererleichterung der Riester-Rente orientiert sich an dieser Grenze,
allerdings ist der Referenzpunkt der maximalen Fördersumme die Beitragsbemessungsgrenze von 2001. Da die steuerliche Förderung nicht indexiert
ist, vergrößerte sich der Abstand zur Beitragsbemessungsgrenze seitdem,
wodurch die Riester-Rente für überdurchschnittliche Einkommen zunehmend unattraktiver wird.124
Mit den finanziellen Anreizen zur privaten Vorsorge wurde zusätzlich
die von der Versicherungsindustrie vorgeschlagene Beitragssicherung implementiert, die sicherstellt, dass die steuerlich geförderten Beiträge der Versicherten in sichere Anlage investiert werden und die Versicherten somit
vor massiven Verlusten geschützt sind. Diese Garantie verringert insgesamt die potenziellen Renditeaussichten, weil die Anbieter gehalten sind,
keine zu hohen Risiken mit entsprechend höheren Renditeerwartungen
einzugehen.
Bei der Zusammensetzung der Beiträge ist eine Abkehr von der paritätischen Finanzierung zu beobachten, denn die Beiträge für die Riester-Rente
werden ausschließlich von den Arbeitnehmern entrichtet.125
4. Verwaltung. Die Administration der Riester-Rentenkonten erfolgt in
Deutschland nur noch zu einem geringen Teil in Selbstverwaltung. Die
——————
123 Gegen die Äquivalenz der steuerlichen Förderung kann argumentiert werden, dass sie
unterschiedlich begründet werden. Die Riester-Förderung ist ein Anreiz zum Abschluss
einer freiwilligen Rentenversicherung und der Bundeszuschuss zur GRV dient der
Finanzierung versicherungsfremder Leistungen (BMGS 2003: 71). Doch auch die
Kinderzuschüsse der Riester-Förderung enthalten Umverteilungsmechanismen wie beim
Bundeszuschuss. Außerdem ist der Bundeszuschuss nicht versicherungsmathematisch
berechnet, sondern ein pauschaler Beitrag.
124 Von rund 1.500 Euro auf 14.700 Euro pro Jahr (2002–2012), eigene Berechnung (DRV
2012).
125 Einige Betriebe zahlen bei der Entgeltumwandlung zusätzliche Arbeitgeberbeiträge
(Berner 2008), diese sind aber Ergebnis von Tarifverhandlungen und nicht Teil der gesetzlichen Regulierung. Die Höhe der Arbeitgeberbeiträge variiert erheblich zwischen
den Betrieben und viele Betriebe beteiligen sich überhaupt nicht finanziell an der Entgeltumwandlung (Burger 2012).
222
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) schüttet die Zulagen aus
und ist der selbstverwalteten GRV angegliedert.126 Dieser Teil der Selbstverwaltung blieb zwar erhalten, wurde jedoch deutlich geschwächt zugunsten staatlicher und privater Verwaltung.
Die eigentliche Produktgestaltung der Riester-Verträge und die Verwaltung der Anlagekonten obliegen den privaten Anbietern. Sie haben erheblichen Spielraum, wie die Rentenrücklagen gebildet werden und welche
Leistungskonditionen sie anbieten. Den privaten Anbietern kommt somit
die Hauptverwaltung der Riester-Renten zu. Die Anbieter sind profitorientierte Unternehmen (vor allem Versicherungen, Banken) im Gegensatz zu
anderen Bereichen der deutschen Sozialpolitik, wo typischerweise gemeinnützige oder öffentlich-rechtliche Träger dominieren (z.B. GRV, gesetzliche Krankenkassen und soziale Dienste).
Staatlicherseits bekam die Selbstverwaltung auch Konkurrenz, da die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als neuer staatlicher Akteur für die Produktzertifizierung zuständig ist und zusätzlich die
Steuererleichterungen vom Finanzministerium gewährt werden (AltZertG
2001).
5. Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit wurde in der Riester-Förderung erwartungsgemäß ausgeweitet, gleichzeitig wurden jedoch Regulierungseigenschaften implementiert, die mit konservativen Wohlfahrtsregimen
assoziiert werden können. Das liberale Hauptmerkmal ist die Freiwilligkeit
(Opt-in). Zusätzlich bestehen verschiedene Wahlmöglichkeiten bei der
Vertragsgestaltung (z.B. 30%ige Einmalzahlung als Opt-within oder eine
breite Produktpalette). Dennoch ist die Wahlfreiheit an einigen Stellen
eingeschränkt: Beispielsweise muss immer eine Leibrente127 aus dem Kapital resultieren, damit das Anlagekapital nicht zweckentfremdet werden
kann. Ebenso schränken die grundsätzlichen Förderbedingungen, wie der
Mindestbeitragssatz, die Wahlfreiheit ein. Außerdem werden die Verwal-
——————
126 Die GRV informiert auch über die Funktionsweise der Riester-Rente, diese Informationen erklären jedoch nur die grundsätzlichen Förderbedingungen und geben keine
Auskunft über die Produkte und Anbieter auf dem Markt (www.deutscherentenversicherung.de).
127 Eine regelmäßige Rentenzahlung, typischerweise monatlich. Mögliche Rentenrücklagen
fallen dem Risikopool zu, wenn Versicherte frühzeitig versterben. Im Gegensatz dazu
ermöglicht eine Kapitalrente die Auszahlung des gesamten Kapitals oder die Auszahlung
in unregelmäßigen Abständen. Die Rentenrücklagen fallen im Todesfall typischerweise
der Erbengemeinschaft zu.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
223
tungsgebühren am Anfang fällig, ebenso wie Gebühren für Vertragswechsel und Kündigungen. Die Gebührenregelungen schränken vor allem
die Wechselfreiheit ein. Insgesamt wurde die moderate Wahlfreiheit der
Riester-Rente dabei an existierende freiwillige Zusatzversicherungen wie
Lebensversicherungen angelehnt. Die Einschränkung der Wahlfreiheit
erfolgte, um die sozialpolitische Zielsetzung der Alterssicherung zu erreichen.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung der Riester-Rente
wurden einige kleinere Änderungen vorgenommen:128 Einige Änderungen
haben den Sozialversicherungscharakter der Riester-Rente gestärkt
(Unisex-Tarife) und somit das Risikopooling erhöht. Die umverteilende
Wirkung wurde durch eine höhere Kinderzulage gestärkt. Die Statusdifferenzen wurden durch die Rürup-Rente noch verstärkt, anstatt sie zu
verringern: die Selbstständigen wurden bisher nicht in den existierenden
Wohlfahrtsmarkt integriert. Die Wahlfreiheit wurde auch mit dem Rentensparen für Wohneigentum erhöht, weil nun auch Bausparkassen die
Riester-Produkte anbieten können und Wohneigentum als eine Möglichkeit der Rentenvorsorge anerkannt wird (EigRentG 2008). Diese Produktzersplitterung erhöht aber auch die Segregation, wenn auch nicht nach
Berufsstatus, weil nicht nur unterschiedliche Verträge abgeschlossen werden, sondern auch unterschiedliche Förderinstrumente genutzt werden.
Fazit zur Einbettung der Riester-Rente
Alles in allem wurden zentrale Regulierungseigenschaften implementiert,
deren Vorbilder nicht von der staatlichen GRV kamen, sondern in Anlehnung an die existierenden Lebensversicherungen gestaltet wurden.
Dadurch wurden aber Eigenschaften eines liberalen Wohlfahrtsregimes
gestärkt, die in Deutschland bis dato nur für eine kleine Bevölkerungs-
——————
128 Die wichtigsten Änderungen 2002–2008 (BMAS 2008a; 2008b): Die Reduzierung der
staatlichen Nettorenten durch den Nachhaltigkeitsfaktor (RV-Nachhaltigkeitsgesetz
2004); Einführung der Rürup-Rente, Einführung von Unisex-Tarifen, Vereinfachung
der Zertifizierungskriterien, sowie die Einführung einer nachgelagerten Besteuerung
(AltEinkG 2004), Arbeiter- und Angestelltenversicherung wurden organisatorisch zusammengeführt (2005), das Regelrentenalter wurde auf 67 Jahre erhöht (RVAltersgrenzenanpassungsgesetz 2007), die Kinderzulage auf 300 Euro erhöht (Gesetz
zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge 2007) und Sparen für das Wohneigentum
in die Förderung aufgenommen (EigRentG 2008).
224
WOHLFAHRTSMÄRKTE
gruppe galten. Einige Autoren haben dies als paradigmatischen Wandel
beschrieben (Hinrichs 2004; Kangas u.a. 2006; Schmähl 2003a). Diese
Argumentation stützt sich auf die Annahme, dass Märkte an sich systemfremd sind und nicht zum konservativen Wohlfahrtsregime zugerechnet
werden können. Lamping und Rüb (2004) halten in Bezug auf das gesamte
Rentensystem dagegen, dass mehrere Regimeeigenschaften kombiniert
werden und die konservativen Eigenschaften der GRV insgesamt weiterhin
charakteristisch für das deutsche Rentensystem sind. Die Grundsicherung
im Alter enthält Elemente eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates,
die GRV bewahrt allein durch ihre relative Dominanz ein starkes konservatives Element und mit der Riester-Rente wurden originär liberale Regimeeigenschaften gestärkt. Das deutsche Rentensystem sei deshalb auf dem
Pfad zu einem »uncertain something else« (Lamping/Rüb 2004).
Bei genauer Betrachtung der Riester-Rente ist auch hier ein Verschwimmen der Regimeeigenschaften festzustellen, die sich aus unterschiedlichen Vorgängerinstitutionen speisen. Es scheint angebrachter, von
einer Rekalibrierung Bismarck’scher Sozialpolitik zu sprechen (vgl. Pierson
2001). Das institutionelle Design der Riester-Rente enthält Eigenschaften,
die charakteristisch für konservative Wohlfahrtsstaaten sind wie Statusdifferenzierung, partielle Selbstverwaltung mit moderaten Wahlmöglichkeiten, Beitragsfinanzierung und Bedarfsprüfung (vgl. Tabelle 17). Dennoch sind auch Innovationen festzustellen, die jedoch nicht das
konservative Wohlfahrtsregime in Frage stellen. Vielmehr sind Innovationen Ausdruck von Anpassung und Rekalibrierung des Wohlfahrtsmarktes an das existierende Wohlfahrtsregime. Beispielsweise wird die
Riester-Rente stark bezuschusst ähnlich wie die staatliche GRV, wenn auch
mit anderen Mitteln (Kinderfreibeträge, Steuererleichterungen)
Auch die Selbstverwaltung konnte als Strukturmerkmal erhalten werden, hat aber massiv Konkurrenz von staatlicher und privater Seite bekommen. Ersteres wird eher mit dem sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime assoziiert, wohingegen letzteres für ein liberales Wohlfahrtsregime
steht. Außerdem ist die Riester-Rente ausschließlich arbeitnehmerfinanziert. Dies ist ein starkes liberales Element, allerdings ist der Effekt
der paritätischen Finanzierung, wie bereits erläutert (S. 105), theoretisch
umstritten und nicht unbedingt eine zentrale Eigenschaft zur Unterscheidung von Wohlfahrtsregimen. Ebenso ist fraglich, ob die Kapitaldeckung der Riester-Rente als neues Element nun originär dem liberalen
oder sozialdemokratischen Wohlfahrtsmodell zugeordnet wird, denn es
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
225
können Beispiele für Kapitaldeckung in beiden Regimen festgestellt werden (s. Kapitel 4).
Im Falle der Riester-Rente liegt also der Schluss nahe, dass nur eine
partielle Einbettung in das existierende Wohlfahrtsregime erfolgte, obwohl
existierende Institutionen wie Lebensversicherungen als Vorbilder dienten.
Einige Regulierungselemente deuten neben den konservativen Charakteristika auf Eigenschaften liberaler und sozialdemokratischer Wohlfahrtsregime hin. Immer wieder aufflammende politische Diskussionen beispielsweise in Bezug auf private Pflichtversicherungen für Selbstständige
oder die Einführung einer robusten Grundsicherung (FAZ 2012; SZ 2012)
deuten auf ungelöste politische Konflikte hin. Die Einbettung öffentlicher
und privater Rentenversicherungen scheint in Deutschland noch nicht
abgeschlossen. Mit der Implementierung der Riester-Rente sind institutionelle Disparitäten entstanden, die zu einer kontinuierlichen politischen
Auseinandersetzung führen. Die politische Klasse sucht offensichtlich
noch nach Lösungen, wie öffentliche und private Rentenversicherung
aufeinander abgestimmt werden können. Dies kann nicht nur weitere Reformen der Riester-Rente nach sich ziehen, um sie stärker der GRV beziehungsweise dem konservativen Regime anzupassen, sondern die GRV
kann weiter reformiert werden, damit sie besser zur Riester-Rente passt.
Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass die kleinere Institution (RiesterRente) stärker in das Umfeld der größeren Institution (GRV) eingebettet
wird. Die Richtung des Wandels und der Einbettung wird maßgeblich von
den politischen Akteuren bestimmt werden.
Insbesondere die neuen Akteure im Politikfeld Rente bewirken Innovationen, trotz eines institutionellen Erbes. Zwei neue Akteure sind hier
besonders hervorzuheben. Erstens hat das Finanzministerium erhebliche
Verwaltungsaufgaben übertragen bekommen und konnte somit den politischen Einfluss auf ein sozialpolitisches Feld ausweiten. Zweitens ist der
Einfluss der Bank- und Investmentwirtschaft einerseits und der Gewerkschaften andererseits hervorzuheben, die sich – in Konkurrenz zur bisher
dominierenden Versicherungswirtschaft im Rentenversicherungsgeschäft –
durchsetzen konnten, sodass nun auch Rentenfonds und Betriebsrenten als
Riester-Produkte angeboten werden. Damit erlangte ein neuer Anbieterkreis Zugang zum Rentenversicherungsmarkt, der vorher nicht auf diesen
Märkten agierte beziehungsweise bis dato nicht erfolgreich Produkte für
dieses Marktsegment anbieten konnte. Die Marktschaffung bewirkte also
226
WOHLFAHRTSMÄRKTE
auch den Zugang neuer Akteure zum Markt, die ihre Interessen schon bei
der Politikformulierung einbringen konnten.129
In der Analyse wurde vor allem deutlich, dass dominante Akteure ihre
Marktmacht nutzen, um die Regulierung neuer Märkte zu beeinflussen. Die
starken Akteure konnten ihre politischen Einflusskanäle besser nutzen und
erreichten eine Regulierung, die ihren Alterssicherungsprodukten eine
bessere Ausgangsposition auf dem Markt eröffnete.
Zusammenfassend offenbarte die Analyse der Riester-Reformen, dass sich
zwar auf institutionelle Vorbilder (GRV, Lebensversicherungen) bezogen
wurde, eine Einbettung in das konservativ geprägte Wohlfahrtsregime fand
jedoch nur unvollständig statt und ist von institutionellen Disparitäten
begleitet. Neben konservativen Eigenschaften der GRV wurden auch Elemente liberaler und sozialdemokratischer Wohlfahrtsregime implementiert,
die zu Spannungen führen und sich in kontinuierlichen politischen Diskussionen um die Riester-Rente niederschlagen.
Komplexe Akteurskonstellationen trugen zur unvollständigen Einbettung der Riester-Rente in das konservative Wohlfahrtsregime bei. Der
Anstoß zur Einführung der Riester-Rente kam von der rot-grünen Koalition, verbunden mit dem wahrgenommenen Druck die Sozialversicherungsbeiträge stabil zu halten. Nur die rot-grüne Regierung konnte
die Notwendigkeit der Reform glaubhaft kommunizieren und schließlich
mit Erfolg durchsetzen.
Bei der konkreten Ausgestaltung der Regulierung erwies sich besonders
die Sozialdemokratie als äußerst flexibel, sodass dominante Akteure im
Feld der zusätzlichen Altersvorsorge, allen voran die Versicherungswirtschaft, die Regulierung maßgeblich beeinflussen konnten. Aber selbst
diese dominanten Akteure bedienten sich bei bereits bestehenden Institutionen und übertrugen sie auf die zu gründende private Altersvorsorge. Die
schließlich implementierten Regelungen der Riester-Rente sind eine Kombination aus Eigenschaften der GRV und der zusätzlichen Lebensversicherung. Neben der dominanten Versicherungswirtschaft konnten auch
Banken und Gewerkschaften einen Marktzugang sichern, wenn auch weniger die konkrete Regulierung beeinflussen.
——————
129 Verbraucherpolitische Akteure sind auch neue Akteure auf dem Rentenmarkt, sie waren
aber bei der Politikformulierung kaum beteiligt (Blank 2008).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
227
5.2.2 Bildungsmarkt: Die religiösen Ursprünge der Privatschulfinanzierung
Dieses Kapitel zeigt zunächst die historischen Wurzeln des deutschen
Bildungssystems und die Eigenschaften des öffentlichen Schulwesens in
den fünf Regulierungsdimensionen auf. Anschließend werden die Akteurskonstellationen untersucht, die den deutschen Privatschulmarkt geschaffen
haben. Darauf folgend wird die Regulierung der Privatschulen umrissen
und gezeigt, wie die Regulierung des Privatschulmarktes das öffentliche
Schulsystem widerspiegelt.
Die folgende Analyse der Akteurskonstellationen zum Zeitpunkt der
Marktschaffung legt dar, dass bereits bei der Formulierung des Grundgesetzes bürgerliche Kräfte und die christlichen Kirchen ihre Vormachtstellung im Bildungsmarkt erfolgreich institutionalisieren konnten. Die
Kirchen erwirkten eine Regulierung des Bildungsmarktes, die ihren konfessionellen Privatschulen in die Hand spielte. Diese herausgehobene Machtstellung konnten die konfessionellen Privatschulen seit dem Bestehen der
Bundesrepublik behaupten, weil ihr herausgehobener Status im Grundgesetz stärker geschützt war als durch die einfache Gesetzgebung. Zwar
führte die Zuständigkeit der Länder in Bildungsfragen zu einem sehr fragmentierten Bildungssystem, was die Regulierung sowohl der öffentlichen
als auch der privaten Schulen betrifft, dennoch ist das Grundgesetz zentral
für die Regulierung der Privatschulen. Ich werde mich deshalb weitestgehend auf bundesweite Regulierungen konzentrieren und auf föderale
Unterschiede nur eingehen, wenn sie für die analytischen Dimensionen
relevant sind.
Die Eigenschaften des öffentlichen Bildungssystems
Zum Beginn des Zweiten Weltkrieges waren öffentliche Schulen zumindest unter den Volksschulen der Regelfall. Im Gymnasialbereich existierten
noch bis zum Zweiten Weltkrieg viele Privatschulen und selbst die meisten
öffentlichen Sekundarschulen verlangten teilweise noch bis ins Jahr 1962
Schulgeld (Riphahn 2004: 4). Seit dem Zweiten Weltkrieg dominierten aber
insgesamt öffentliche Schulen das Schulwesen und der Anteil der privaten
Schulen stieg nur allmählich an (vgl. Abbildung 11). Aufgrund der Bildungshoheit der Bundesländer bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede
im Aufbau des Schulsystems, in Bezug auf die hier relevanten Regulierungsdimensionen betrifft die Fragmentierung des Schulsystems vor
228
WOHLFAHRTSMÄRKTE
allem die (2) Leistungsstruktur und (5) Wahlfreiheit. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die allgemein gültige Regulierung des öffentlichen Schulwesens der 1990er Jahre; auf die Unterschiede wird nur eingegangen, wenn sie relevant für die Untersuchung sind:
1. Zugang. Grundsätzlich besteht in Deutschland eine Schulpflicht bis zum
18. Lebensjahr. Die ersten vier Jahre werden die Schüler gemeinsam in
einer Grundschule unterrichtet.130 Anschließend werden die Schüler je
nach Leistung auf drei Schulformen aufgeteilt (Hauptschulen, Realschulen,
Gymnasien; Döbert 2007). Formal besteht ein gleicher Zugang zu allen
drei Schulformen, die Separierung nach Leistung determiniert jedoch sehr
früh die spätere Bildungskarriere (Maaz u.a. 2010).
Eine Segregation nach konfessioneller Zugehörigkeit existierte noch in
den öffentlichen Schulen der Weimarer Republik (96 % öffentliche
Konfessionsschulen in den 1920er Jahren; Herbst 2006: 84; WRV 1919:
Art. 146). In dieser Zeit bestand zumindest aus weltanschaulichen Gründen nur ein geringer Anreiz eine Privatschule zu besuchen, weil das öffentliche Bildungswesen eine konfessionelle Wahloption eröffnete. Öffentliche
Konfessionsschulen waren zwar seit 1949 nicht mehr durch das Grundgesetz geschützt, aber sie bestanden noch bis Ende der 1960er Jahre in
vielen Bundesländern aufgrund eines Bestandschutzes fort. Nur in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen existieren weiterhin öffentliche Konfessionsschulen (Riedel u.a. 2010), das heißt die religiöse Segmentierung
wurde in den öffentlichen Schulen überwiegend abgeschafft.
2. Leistungsstruktur. Die Leistungsstruktur unterscheidet sich innerhalb eines
Bundeslandes nicht, dafür bestehen Unterschiede in der Schulausstattung
zwischen den Bundesländern.131 Auf Bundesebene werden zwar gemeinsame Entscheidungen von der Kultusministerkonferenz132 (KMK) getroffen und einige grundlegende Bildungsstandards koordiniert. Beispielsweise
sind alle Abschlüsse bundesweit anerkannt, selbst wenn zum Teil erhebliche Unterschiede in der Ausstattung und Kurrikulum bestehen. Im Rah-
——————
130 In Berlin, Brandenburg und teilweise in Bremen bis zur sechsten Klasse.
131 Das betrifft die räumliche Ausstattung, die von den Kommunen finanziert wird, und die
Pro-Kopf-Ausgaben für Unterricht (Brückner/Böhm-Kasper 2010).
132 Der vollständige offizielle Name lautet Ständige Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
229
men des schon skizzierten dreigliedrigen Schulsystems erhalten die Schüler
sehr unterschiedliche Unterrichtsleistungen je nach Schulform.
3. Finanzierungsmechanismus und 4. Verwaltung. Die öffentlichen Schulen werden aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Die Bundesländer haben das
Hoheitsrecht in Bildungsfragen, deshalb obliegt ihnen die Schulgesetzgebung als auch Betrieb und Verwaltung der öffentlichen Schulen. Sie
finanzieren die Schulen aus ihren Steuermitteln, wodurch die Schulausstattung auch von der Haushaltslage des jeweiligen Bundeslandes abhängt
(Brückner/Böhm-Kasper 2010; Döbert 2007).133
5. Wahlfreiheit. Bei der Wahlfreiheit zwischen öffentlichen Schulen besteht
ein Flickenteppich an Regelungen. Beim Eintritt in die Grundschule existiert meist keine Wahlfreiheit, die Schüler werden meist Schulbezirken
(sogenannte Schulsprengel) zugeordnet. Im Einzelfall kann auf Antrag eine
andere Schule gewählt werden, diese Anträge werden meist sehr restriktiv
gehandhabt. In einigen Bundesländern wurden die Schulsprengel kürzlich
abgeschafft (z.B. Nordrhein-Westfalen seit 2008) oder die Einzugsbereiche
der Schulbezirke umfassen mehrere Grundschulen wie in Hamburg (NRW
2006; Wendt 2008), sodass neue Wahloptionen zwischen öffentlichen
Grundschulen entstanden (vgl. Noreisch 2007a; 2007b).
Die Schulwahl nach der Grundschule wird maßgeblich vom dreigliedrigen Schulsystem beeinflusst und »refers to a selection process rather than
true choice, an Auswahl rather than a Wahl« (Herbst 2006: 135,
Hervorhebungen original). Die Entscheidung der angemessenen Schulstufe
beim Übergang zur Sekundarstufe erfolgt im Regelfall in einem mehrstufigen Prozess, an dem Schüler, Lehrer und Eltern gleichermaßen beteiligt sind. Wie Abbildung 13 zu entnehmen ist, sind die Entscheidungsstrukturen zwischen den Bundesländern höchst unterschiedlich. In der
Hälfte der Bundesländer haben die Lehrer das letzte Wort und ihre Empfehlung ist bindend (hellgrau in Abbildung, KMK 2010). Eltern können
Einspruchsverfahren einleiten, doch die professionelle Entscheidung der
Lehrer wird meist durch zusätzliche Tests und Prüfungen verifiziert (u.a.
——————
133 Die Personalbedarfe werden überwiegend zentral von den Schulbehörden ermittelt und
die Schulen erhalten entsprechende Mittelzuweisungen. Eine Pro-Kopf-Zuweisung besteht nicht (nachfrageorientierte Finanzierung), obwohl einige Bundesländer mit Personalbudgets experimentieren. Budgetautonomie haben die öffentlichen Schulen meist nur
über Sachmittel.
230
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Füssel u.a. 2010; Weiss/Steinert 1996). In der anderen Hälfte der Bundesländer können die Eltern die Lehrerempfehlung übergehen (dunkelgrau in
Abbildung 13).
Abbildung 13: Entscheidungsmacht der Eltern und Lehrer beim Übergang in die
Sekundarstufe (2008)
Quelle: eigene Darstellung.
Sobald die Schulform der Sekundarschule feststeht, können Eltern und
Schüler frei aus dem öffentlichen Angebot der Schulform auswählen. Es
bestehen bis auf einige Ausnahmen keine Einzugsgebiete für die Wahl der
Sekundarschule, die Leistungsfähigkeit bestimmt jedoch maßgeblich welche Schulform überhaupt in Frage kommt.
Das öffentliche Bildungssystem ist nicht deckungsgleich mit dem konservativen Wohlfahrtsregime und weist einige Unterschiede im Vergleich
zum öffentlichen Rentensystem auf, dennoch sind viele Überschneidungen
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
231
festzustellen (vgl. Schmid u.a. 2011). Das deutsche Schulsystem weist eine
für konservative Wohlfahrtsregime typische hohe Segregation auf. Der
Zugang zu den Schulformen ist leistungsabhängig und führt zu einer starken Selektion nach sozialer Herkunft (Maaz u.a. 2010). Die föderale Fragmentierung führt zu einem Flickenteppich an Regulierungen. Beispielsweise ermöglichen liberalere Bundesländer Eltern und Schülern eine
hohe Wahlfreiheit, wohingegen restriktivere Bundesländer die Wahlfreiheit
stark einschränken. Die Leistungsstruktur ist zwar einheitlich in Bezug auf
die gegenseitige Anerkennung der Schulabschlüsse und einige Bildungsstandards, dennoch bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Schulformen in Bezug auf Ausstattung und Unterrichtsangebot sowie territoriale
Unterschiede zwischen den Bundesländern.
Tabelle 18: DEUTSCHLAND BILDUNG – Regulierung der deutschen Privatschulen im Vergleich zum öffentlichen Schulsystem Anfang der 1990er Jahre
Typ
Zugang
Leistungsstruktur
öffentliche Schulen
Schulbezirk, Schülerleistung, zum Teil
Konfession (fragmentiert)
leistungsabhängig
Finanzierung
steuerfinanziert
keine Gebühren
Verwaltung
staatliche Aufsicht
(Bundesländer)
gering, Schülerleistung
grenzt Wahlfreiheit ein,
Schulbezirke
Wahlfreiheit
Privatschulen
Schülerleistung, Konfession,
finanzielle Ressourcen
(fragmentiert)
leistungsabhängig,
Gebührenabhängig
Zuschüsse (fragmentiert)
individuelle Gebühren
(fragmentiert)
staatliche Aufsicht
(Bundesländer)
freiwillig (Opt-In),
Schülerleistung grenzt
Wahlfreiheit ein
Quelle: eigene Darstellung, Abweichung gegenüber dem öffentlichen System kursiv
Die ausschließliche Steuerfinanzierung und die staatliche Verwaltung sind
üblich im deutschen Bildungswesen, sind aber atypisch für konservative
Wohlfahrtsregime im Allgemeinen und für deutsche Sozialprogramme im
Speziellen (s. Übersicht der Eigenschaften in Tabelle 18). Wenn die Privatschulen in das existierende Schulwesen eingebettet werden, ist davon auszugehen, dass die Eigenschaften der öffentlichen Schulen auf die Privatschulen übertragen werden, ungeachtet der Eigenschaften des gesamten
Wohlfahrtsregimes. In diesem Fall würden die staatliche Verwaltung und
232
WOHLFAHRTSMÄRKTE
der hohe Anteil der Steuerfinanzierung auf die Privatschulen übertragen,
das heißt regulative Merkmale aus anderen Sozialprogrammen werden
nicht als Vorbilder für den Bildungsbereich verwendet, weil sie nicht als
benachbarte Institutionen gelten. Eine wichtige Frage ist deshalb, wie diese
Eigenschaften der Finanzierung und Verwaltung die Regulierung der Privatschulen beeinflussten.
Der lange Schatten des Grundgesetzes auf die Regulierung der Privatschulen
Das deutsche Grundgesetz definiert nur für wenige Politikfelder, wie sie
konkret zu regeln sind. Bemerkenswert ist hingegen der Grundrechtsartikel
sieben zu den Rechten und Pflichten der Privatschulen, worin sehr ausführlich der staatliche Schutz der Privatschulen und die Kriterien zur Anerkennung einer Privatschule ausformuliert sind. Im Folgenden werde ich
zeigen, welche Auswirkungen Artikel sieben insbesondere auf die Entwicklung der Finanzierung der Privatschulen in den 1980er Jahren hatte. Mein
Argument ist, dass die Garantie der Privatschulen im Grundgesetz ursprünglich vornehmlich konfessionellen Schulen galt. Befördert durch
generöse Landeszuschüsse waren die konfessionellen Privatschulen nach
dem Zweiten Weltkrieg finanziell erheblich besser ausgestattet als die säkularen Privatschulen. Erst ein Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1987
trug maßgeblich zur Marktliberalisierung der Privatschulfinanzierung bei
(BVerfGE 1987). Das Bundesverfassungsgericht forderte eine Gleichbehandlung säkularer und konfessioneller Privatschulen. Im Zuge der vom
Bundesverfassungsgericht erzwungenen Gleichbehandlung erhielten die
säkularen Privatschulen fortan höhere Zuschüsse, die ursprünglich ausschließlich für die konfessionellen Privatschulen vorgesehen waren. Somit
entstand in allen Bundesländern ein hochsubventionierter Bildungsmarkt
für überwiegend gemeinnützige Privatschulen, ungeachtet ihrer weltanschaulichen Ausrichtung.
Der Anstoß für die Marktliberalisierung kam in den 1980er Jahren nicht
von der Politik, sondern durch die Klage eines benachteiligten Marktakteurs (säkularer Privatschulträger) und eine richterliche Neuauslegung
der existierenden Gesetze (conversion). Die politischen Ursprünge dieses
Bildungsmarktes sind allerdings im Verfassungskonvent zu suchen. Im
Folgenden werden deshalb die Positionen von parteipolitischen und konfessionellen Akteuren während der Gründung der Bundesrepublik
Deutschland untersucht. Ein besonderes Augenmerk wird auf die FDP
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
233
und die christlichen Kirchen gelegt, die sich während der Ausformulierung
des Grundgesetzes als Fürsprecher der Privatschulen hervorgetan haben.
Die Motive der FDP und der Kirchen als Wegbereiter der
Privatschulregulierung
Artikel sieben des Grundgesetzes weist viele Ähnlichkeiten zu den Artikeln
144 bis 149 der Weimarer Reichsverfassung auf, beispielsweise wurde das
Sondierungsverbot wortwörtlich aus der Weimarer Verfassung übernommen. Im Grundgesetz heißt es, dass Schulgebühren zu keiner »Sonderung
der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern« führen darf (GG
Art. 7 (4)), was der Schulgelderhebung sehr enge Grenzen setzt.
In der Weimarer Nationalversammlung wurde 1919 auch die staatliche
Finanzhilfe für Privatschulen diskutiert und von der bürgerlichen Deutschen Zentrumspartei propagiert. Das Zentrum wollte insbesondere konfessionelle Privatschulen mit öffentlichen Mitteln unterstützen. Das Zentrum, die SPD und die Deutsche Demokratische Partei einigten sich
schließlich auf Artikel 147 der Weimarer Verfassung, der lediglich die Zulassungskriterien für Privatschulen darlegt, unter der Bedingung, dass ein
Reichsgesetz die finanzielle Unterstützung von Privatschulen regelt. Allerdings ist ein solches Gesetz nie verabschiedet worden (BVerfGE 1987: 58).
Dieser politische Konflikt über die Finanzierung der Privatschulen
brach schließlich während der demokratischen Neugründung der Bundesrepublik im Jahre 1948 wieder auf.134 Im Parlamentarischen Rat, dem verfassungsgebenden Gremium der Bundesrepublik Deutschland, wollte die
nationalkonservative Deutsche Partei (DP) eine Pflicht des Staates zur
Finanzierungshilfe von Privatschulen durchsetzen. Die DP schlug im Endeffekt ein Gutscheinsystem vor, dass hundert Prozent der Kosten übernommen hätte. Dieser Vorschlag wurde von den Vertretern der SPD, der
KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und der FDP scharf kritisiert, weil die Privatschulen das öffentliche Schulwesen unterlaufen hätten.
Folglich wurde der Antrag der DP komplett abgelehnt.
Wenig später reichte die FDP aber einen Antrag ein, der die Existenz
von Privatschulen garantierte, ohne den Zusatz der staatlichen Bezu-
——————
134 Konfessions- und Privatschulen wurden erst relativ spät im Parlamentarischen Rat
behandelt. Die entscheidenden Diskussionen sind in den Akten und Protokollen des
Parlamentarischen Rates zu finden (Bundestag/Bundesarchiv 1981; 1993a: 258; 1993b:
811, 817, 824, 909).
234
WOHLFAHRTSMÄRKTE
schussung.135 Das Hauptanliegen der FDP lag darin, die Pluralität des
Schulwesens zu garantieren und ein Staatsmonopol zu verhindern. Die
Unionsparteien stellten zusammen mit den Kirchen die erzieherische
Autonomie der Eltern in den Vordergrund, um somit die freie Schulwahl
von Konfessionsschulen zu ermöglichen. Die Kirchen (offizielle Vertreter
und engagierte Laien) reichten zwischen Herbst 1948 und Frühjahr 1949
über eintausend Eingaben zur Sicherung des Elternrechts bei der Schulwahl ein. Dies erhöhte den öffentlichen Druck auf den Parlamentarischen
Rat zusätzlich, in diesem Punkt Zugeständnisse an die Kirchen zu machen
und die konfessionellen Privatschulen zu schützen. Die bürgerlichkonservativen Parteien unterstützten schließlich den FDP-Vorschlag, weil
er die Selbstbestimmung und das Elternrecht der freien Schulwahl stärkte.
Private Konfessionsschulen wurden somit als eine Alternative zur säkularen Gemeinschaftsschule im öffentlichen Bildungssystem verankert. Die
politische Intention der Privatschulgarantie war, Konfessionsschulen als
hybride Organisationsform zwischen öffentlichen und privaten Schulen zu
erhalten. Der FDP-Vorschlag fand schließlich fast ohne Änderung auch
bei den anderen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates Zustimmung und
ging als Artikel sieben Absatz vier in das Grundgesetz ein.
Die Ausgestaltung der Finanzhilfe sollten jeweils die Bundesländer regeln. Es gewährten schließlich alle Bundesländer Finanzhilfen und etablierten somit ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Konfessionsschulen. Öffentliche Konfessionsschulen wurden vollständig aus
Steuermitteln finanziert, wohingegen private Konfessionsschulen Zuschüsse vom Land erhielten und die restlichen Kosten durch Quersubventionen (z.B. mietfreie Gemeinderäumlichkeiten) oder Schulgelder gedeckt
wurden. Es ist anzumerken, dass auch die öffentlichen Sekundarschulen zu
dieser Zeit Schulgeld erhoben, sodass in diesem Aspekt kein Unterschied
zwischen den öffentlichen Sekundarschulen und privaten Konfessionsschulen bestand.
Das Bundesverfassungsgericht und die Marktöffnung für säkulare
Privatschulen
In der Gründungsphase der Bundesrepublik waren die konfessionellen
Privatschulen in einigen Bundesländern die einzigen Schulen vor Ort und
——————
135 Theodor Heuss (FDP) formulierte den Gesetzentwurf und trat in den folgenden Sitzungen als vehementer Unterstützer der Privatschulen auf.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
235
erhielten entsprechend hohe öffentliche Zuschüsse, weil sie zentrale staatliche Aufgaben übernahmen. Zwei Entwicklungen im öffentlichen Schulwesen marginalisierten jedoch die privaten Konfessionsschulen. Erstens
wurden die öffentlichen Konfessionsschulen in den meisten Bundesländern bis Ende der 1960er Jahre in öffentliche Gemeinschaftsschulen
umgewandelt. Damit wurden die privaten Konfessionsschulen die einzige
weltanschauliche Alternative zum säkularen öffentlichen Schulwesen.
Zweitens gingen die öffentlichen (Sekundar-)Schulen dazu über keine
Schulgebühren mehr zu erheben, wodurch die privaten Konfessionsschulen aus finanzieller Sicht für viele Eltern unattraktiver wurden. Beide
Entwicklungen marginalisierten die konfessionellen Privatschulen. Die
konfessionellen Privatschulen glichen somit in ihrer Bedeutung immer
mehr säkularen Privatschulen, erhielten aber weiterhin höhere Zuschüsse
als ihre säkularen Schwestern.
Diese Ungleichbehandlung der konfessionellen und säkularen Privatschulen wurde in den 1970er Jahren zunehmend in Frage gestellt. Erst die
Klage eines benachteiligten Marktakteurs setzte eine Welle der Marktliberalisierung in Gang. Ein säkularer Privatschulträger aus Hamburg klagte
gegen die Ungleichbehandlung und der Fall landete letztendlich beim
Bundesverfassungsgericht. Ende der 1970er Jahre erhielten säkulare Privatschulen in Hamburg nur 25 Prozent der durchschnittlichen Schülerkosten
von öffentlichen Schulen als Zuschuss, wohingegen die konfessionellen
Schulen 77 bis 82 Prozent erhielten. Diese Bevorzugung konfessioneller
Schulen war typisch für die Privatschulfinanzierung der Länder bis Ende
der 1980er Jahre. Das Bundesverfassungsgericht urteilte aber 1987, dass die
Ungleichbehandlung säkularer und konfessioneller Schulen dem religiösen
Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes (GG Art. 3 Abs. 3) widerspreche und deshalb die Finanzhilfe aller Privatschulen angeglichen werden
müsse. Das Bundesverfassungsgericht stellte dazu fest, dass der Staat keine
Finanzierungspflicht der Privatschulen habe, allerdings müssten alle Privatschulen gleich behandelt werden (BVerfGE 1987: 67).
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil mussten viele Bundesländer
ihre Finanzhilfe für Privatschulen reformieren. Wenn säkulare Privatschulen nicht bereits gleich behandelt wurden, wurden die Zuschüsse auf
das Niveau der konfessionellen Privatschulen angehoben. Der politische
Preis den konfessionellen Schulen die Zuschüsse zu kürzen wäre zu hoch
gewesen. Es wurde ein Aufstand der christlichen Kirchen befürchtet, denn
bereits während der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ver-
236
WOHLFAHRTSMÄRKTE
suchten sie, ihre angestammte Position im Bildungsmarkt zu verteidigen,
wenn auch erfolglos. Die etablierten und dominierenden Marktakteure
(private Konfessionsschulen) konnten zumindest erreichen, dass ihre herausgehobene Stellung und Finanzierungsgrundlage nicht angetastet wurde.
Politisch konfliktfreier war die Gleichstellung säkularer Privatschulen mit
konfessionellen. Damit wurde ein einheitlicher Bildungsmarkt für gemeinnützige private Schulbetreiber geschaffen. Alle Privatschulen hatten von
nun an die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Die privaten Konfessionsschulen konnten zwar die Marktliberalisierung nicht verhindern, aber immerhin erreichen, dass ihre Finanzierungsgrundlage unangetastet blieb. Sie
mussten fortan mit neuen säkularen Wettbewerbern konkurrieren, durch
den langfristig mit einer Verringerung ihres Marktanteils gerechnet werden
musste. Solange sie aber die Schülerzahlen konstant halten konnten, hatte
sie keine Einnahmeverluste zu befürchten. Diese Strategie gab ihnen auch
im Nachhinein Recht, denn sie konnten ihre dominante Marktmacht auch
nach der Marktliberalisierung behaupten (vgl. Kapitel 4.2.2).
Diese Marktliberalisierung wurde nicht aufgrund eines politischen Programms oder einer sozialen Bewegung erzwungen, sondern aufgrund von
institutionellen Regeln, die vom Bundesverfassungsgericht neu ausgelegt
wurden. Der deutsche Bildungsmarkt hat zwar christlich-konservative und
liberale Wurzeln, die eigentliche Marktliberalisierung in den 1980er Jahren
erfolgte aber aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung von Marktteilnehmern und einer Neuauslegung der existierenden Regeln des Bundesverfassungsgerichts (conversion). Diese Marktliberalisierung resultierte jedoch
nicht in einer unmittelbaren Erhöhung des Marktvolumens, denn die
Wachstumsraten der Privatschulen und Privatschüler sind nach der Liberalisierung durch das Bundesverfassungsgericht nicht höher als davor (vgl.
Abbildung 12). Die Marktliberalisierung führte auch nicht zu einer umfassenden Säkularisierung des Bildungsmarktes, denn der Anteil der
konfessionellen Privatschulen ist weiterhin hoch.136
Seit der Liberalisierung des Marktes in den 1980er Jahren erfolgten
keine weiteren grundlegenden Änderungen der Marktregulierung (die
ohnehin kaum seit der Gründung der Bundesrepublik angetastet wurde)
und wurde nach der Wiedervereinigung auch auf die neuen Bundesländer
übertragen. Der folgende Abschnitt widmet sich nun der aktuellen politischen Auseinandersetzung um Privatschulen, die allerdings bisher zu
——————
136 Konfessionelle Privatschulen dominieren mit einem Marktanteil von 66 % weiterhin den
Bildungsmarkt (2004/05).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
237
keinem regulativen Wandel geführt hat. Bemerkenswert sind aber die veränderten politischen Koalitionen, denn mittlerweile finden sich sowohl im
linken als auch im bürgerlichen Lager Befürworter der Privatschulen.
Aktuelle politische Positionen
Am offensten fordert in den letzten fünf Jahren die FDP eine Ausweitung
der finanziellen Förderung von Privatschulen. Ihr schwebt ein Finanzierungsmodell ähnlich dem Vorschlag der DP von 1949 vor. Ein allgemeines
Gutscheinsystem soll eingeführt werden, welches den Wettbewerb unter
den Schulen erhöhen solle. Privatschulen sollen denselben öffentlichen
Zuschuss pro Schüler erhalten wie öffentliche Schulen, sodass beide Schularten in einen gleichberechtigten und fairen Wettbewerb treten. Diese
Position ist jedoch nicht weit oben auf der parteipolitischen Agenda und
wird eher in opportun erscheinenden Situationen vorgebracht (FDP 2009:
44; SZ 2009).
Neuerdings werden aber auch ähnliche Forderungen aus dem linksliberalen Milieu laut. So fordern die Grünen mehr Autonomie der öffentlichen Schulen und sind auch Privatschulen unter bestimmten Umständen
nicht abgeneigt (Füller 2011). Die Grünen adressieren somit eine bildungsbewusste Wählerschicht, die mit dem öffentlichen Schulangebot unzufrieden ist, aber keine elitären Privatschulen präferiert. Mit dem Autonomiebegriff besetzen die Grünen eine linksliberale Position und betonen
weniger den Wettbewerb, sondern eher die Förderung unabhängiger und
reformpädagogischer Schulkonzepte (vgl. u.a. Illich 1971). Da diese Konzepte bisher im öffentlichen Bildungssystem nicht ausreichend berücksichtigt wurden, wären Privatschulen eine Alternative, um grüne Bildungsideen durchzusetzen.
Als neuer Akteur tritt der Paritätische Wohlfahrtsverband (Der Paritätische) auf und fordert aus seiner humanitären Haltung heraus ebenfalls
mehr Bildungsgleichheit (Der Paritätische Hessen 2009). Die öffentlichen
Schulen sind nach Auffassung des Paritätischen zu selektiv und schüren
soziale Ungleichheit, anstatt sie zu bekämpfen. Deshalb initiierte der Paritätische private Gesamtschulen, die eine bessere Integration aller Leistungsniveaus und soziale Bildungsmobilität erreichen sollen. Auch in diesem Privatschulkonzept steht nicht der Wettbewerb im Vordergrund,
sondern eine alternative Pädagogik zum öffentlichen Schulwesen wird
angestrebt. Außerdem positioniert sich Der Paritätische als potenzieller
238
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Schulträger, denn als Betreiber von Kindergärten ist er bereits in einem
benachbarten Bildungsmarkt aktiv.
Die Reform der Privatschulfinanzierung in den 1980er Jahren hat zumindest eine institutionelle Grundlage für die politischen (FDP, Grüne)
und unternehmerischen (Der Paritätische) Akteure gelegt, um mit einer
kleinen Änderung eine weitere Marktliberalisierung zu bewirken. Ein
Wohlfahrtsmarkt für Privatschulen existiert bereits, wenn auch Marktmechanismen nur in begrenztem Umfang wirken. Die Finanzhilfen werden
bereits für Privatschulen gewährt und lediglich kleine Änderungen, wie
beispielsweise die Zulassung profitorientierter Privatschulen oder eine
Erhöhung der Zuschüsse, können zu einer massiven Ausweitung der
Marktmechanismen führen. Ebenso würde die konsequente Umstellung
auf eine nachfrageorientierte Bildungsfinanzierung der öffentlichen Schulen, das heißt Pro-Kopf-Beiträge, die Vergleichbarkeit zwischen öffentlichen und privaten Schulen erhöhen (vgl. Brückner/Böhm-Kasper 2010;
KMK 2009). Wenn beispielsweise – wie von der FDP vorgeschlagen – die
Privatschulen für jeden Schüler dieselben Kosten erstattet bekommen
würden wie an öffentlichen Schulen, dann würden die privaten Schulen in
direkten Wettbewerb mit den öffentlichen Schulen treten. Die Schulgebühren könnten wegfallen, womit für viele Eltern die zentrale finanzielle
Hürde der Privatschulen verschwunden wäre. Ein weiterer strategischer
Vorteil ist die föderale Fragmentierung. So kann eine Reform der Privatschulfinanzierung auf Landesebene als ein Bildungsexperiment eingeführt
werden, ohne gleich für die gesamte Bundesrepublik zu gelten.
Bis Ende 2010 hatte nur die FDP eine Reform der Privatschulfinanzierung explizit auf ihrer politischen Agenda, weshalb eine Einführung derartiger Bildungsgutscheine realpolitisch kein Thema war.137 Die
neuen linksliberalen Befürworter von Privatschulen (Grüne, Der Paritätische) könnten jedoch neue parteiübergreifende Koalitionen für mehr
Marktmechanismen und Privatschulen im deutschen Bildungssystem bilden. Die CDU ist in ihrem Bundestagswahlprogramm von 2009 auf diesen
Aspekt nicht eingegangen, das Wahlprogramm 2013 enthält lediglich politische Allgemeinplätze wie eine grundsätzliche »Unterstützung dieser Schulen« (CDU 2013: 22). Dennoch wäre die CDU gegebenenfalls einer Ausweitung des Bildungsmarktes nicht abgeneigt, denn im Grundsatzprogramm werden Privatschulen als »unverzichtbarer Bestandteil« des
——————
137 Explizit im Grundsatzprogramm 1997 und Wahlprogramm 2009 (FDP 1997; 2009),
abgeschwächter im Grundsatzprogramm 2012 und Wahlprogramm 2013 (FDP 2013).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
239
Bildungswesens bezeichnet (CDU 2007: 34). Die Unionsparteien treten
gegenwärtig zwar nicht aktiv für eine Ausweitung der Privatschulen ein,
würden dieser aber zustimmen, wenn das der Preis für eine Koalition auf
Länderebene wäre. Und wie bereits erläutert, die institutionellen Hürden
sind nicht sehr hoch. Kleine Änderungen könnten fast unbemerkt durchgesetzt werden, die über längere Zeiträume einen massiven Anstieg der
Privatschulen bewirken würden. Viele Privatschulen sind derzeit überlaufen und müssen Aufnahmeanträge ablehnen, weil die Nachfrage nach
alternativer Bildung (bzw. gutem Schulumfeld) sehr hoch ist, wie auch
Abbildung 12 zeigte. Hier zeichnet sich ein institutioneller Drift ab (vgl.
Streeck/Thelen 2005b): die Regulierung des Privatschulmarktes geht zurück auf die 1980er Jahre, ohne jedoch auf die steigende Nachfrage und
das veränderte Umfeld angepasst worden zu sein. Neue Akteure politisieren diese Diskrepanz aus alten Institutionen und neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen, allerdings ohne bisher eine Reform zu bewirken.
Die Regulierung der deutschen Privatschulen
Nachdem die politischen Positionen zur Regulierung der Privatschulen seit
1948 dargelegt wurden, fasst dieser Abschnitt die Regulierungseigenschaften Ende der 2000er Jahre zusammen. Ziel ist es, die institutionellen
Vorbilder aufzuzeigen und zu überprüfen, inwiefern der Privatschulmarkt
in das Bildungssystem und Wohlfahrtsregime eingebettet wurde. Wie
schon im vorherigen Abschnitt deutlich wurde, wird die Privatschulgesetzgebung maßgeblich vom Grundgesetz determiniert und wurde seit dem
Bestehen der Bundesrepublik kaum verändert. Außerdem gelten zentrale
Regulierungseigenschaften der öffentlichen Schulen auch für die Privatschulen. Obwohl diese Eigenschaften nicht in allen Aspekten mit dem
idealisierten konservativen Wohlfahrtsregime übereinstimmen, sind zumindest die Privatschulen in das deutsche Bildungssystem eingebettet.
Das Grundgesetz legt in Artikel sieben sehr genau den Spielraum für
Privatschulen in der Bundesrepublik fest (GG 2009 [1949]). Die gliedstaatliche Auslegung dieses gesetzlichen Spielraums führte ebenso wie bei den
öffentlichen Schulen zu regulativen Unterschieden zwischen den Bundesländern (eine aktuelle Übersicht kann bei der KMK abgerufen werden; u.a.
2006). Grundsätzlich gelten in den Bundesländern dieselben Regeln für die
Privatschulen wie auch für die öffentlichen Schulen in Bezug auf die Schulformen und die Kriterien zum Erreichen eines Abschlusses (beispielsweise
240
WOHLFAHRTSMÄRKTE
sind private Grundschulen nur in Berlin sechsjährig, weil auch dort die
öffentlichen Grundschulen sechsjährig sind).
1. Zugang. Der Zugang zu den Privatschulen wird ebenso wie an den öffentlichen Schulen vom gegliederten Schulsystem beeinflusst, zusätzlich wird
die Segregation jedoch durch den Finanzierungsmechanismus und die
Auswahlkriterien der konfessionellen Privatschulen verschärft. Der Zugang
zu einer weiterführenden privaten Sekundarschule wird wie bei den öffentlichen Schulen von der Schülerleistung bestimmt und hat dieselbe selektive
Wirkung. Privatschulen können aber von den leistungsbezogenen Auswahlkriterien abweichen (s. Wahlfreiheit), wodurch unter Umständen die
strengeren Auswahlkriterien der öffentlichen Schulen umgangen werden
können. Einige konfessionelle Schulen nehmen nur Schüler mit der entsprechenden Glaubenszugehörigkeit auf, wobei die meisten nur die Teilnahme am Religionsunterricht verlangen (Kristen 2008; Riedel u.a. 2010).
Wie im Abschnitt Finanzierungsmechanismus ausführlicher erläutert wird, soll
durch die Regulierung der Schulgebühren ein gleicher Zugang für alle
Schüler ermöglicht werden. Allerdings können schon relativ geringe symbolische Schulgebühren Eltern mit sehr geringem Einkommen davon abhalten, ihr Kind auf eine Privatschule zu schicken.
Der Zugang zu Privatschulen spiegelt somit die Leistungssegregation
der öffentlichen Schulen wider. Zusätzlich wird eine Segregation nach
Weltanschauung und finanziellen Ressourcen grundsätzlich möglich, auch
wenn ein derartiger selektiver Zugang zu Privatschulen nicht explizit gefördert wird. Damit orientiert sich der Zugang größtenteils an den öffentlichen Schulen, enthält aber zusätzliche segregierende Hürden, wie sie
typischerweise im deutschen konservativen Wohlfahrtsstaat bestehen.
2. Leistungsstruktur. Die Leistungsstruktur der Privatschulen entspricht im
Großen und Ganzen der an öffentlichen Schulen, denn die Lehrziele dürfen »nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen« (GG Art. 7
Abs. 4). Beispielsweise müssen Privatschulen dasselbe Kurrikulum unterrichten wie öffentliche Schulen. Privatschulen bieten aber häufig anderen
pädagogischen und weltanschaulichen Unterricht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben an.138 Trotz der Ähnlichkeit der Leistungsstruktur in
einem Bundesland bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bun-
——————
138 Für Grundschulen ist ein besonderes pädagogisches Profil sogar Zulassungsvoraussetzung (BVerfGE 1992; GG 2009 [1949]: Art. 7 Abs. 5).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
241
desländern, wodurch Privatschulen genauso fragmentierte Lehrpläne und
Schulformen aufweisen wie öffentliche Schulen.
3. Finanzierung. Die Finanzierung der Privatschulen ist im Grundgesetz
nicht eindeutig geregelt, wurde aber durch diverse Bundesverfassungsgerichtsurteile maßgeblich beeinflusst (BVerfGE 1969; 1987; 1992). Dennoch bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern
(KMK 2006; 2009). Die verschiedenen öffentlichen Finanzierungssysteme
ersetzen je nach Berechnungsgrundlage, Schulform und Bundesland zwischen 50 und 137 Prozent der durchschnittlichen Schülerkosten an öffentlichen Schulen (Eisinger u.a. 2010; Klein 2007: 46). In allen Bundesländern
erhalten die Privatschulen Zuschüsse pro Schüler, das heißt die Finanzhilfen funktionieren wie Schulgutscheine (Pro-Kopf-Finanzierung). Die
Berechnung orientiert sich entweder an den tatsächlich anfallenden Kosten
pro Schüler oder an einem Prozentsatz der durchschnittlichen öffentlichen
Kosten.139
Meistens erheben die Privatschulen zusätzliche Schulgebühren. Dem
setzt das Grundgesetz aber enge Grenzen, denn »eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern« darf nicht gefördert werden
(GG Art. 7 Abs. 4). Das Bundesverfassungsgericht erlaubt auf Basis des
Sondierungsverbotes praktisch zwei Formen der Gebührengestaltung (vgl.
BVerfGE 1987):
Erstens können Privatschulen eine einheitliche aber sehr geringe Schulgebühr erheben, die keine Sondierung nach den Besitzverhältnissen bewirkt. Derzeit gilt eine Schulgebühr von rund 100 Euro pro Monat als
Obergrenze für diesen Finanzierungstyp. Meistens haben konfessionelle
Schulen diese Form der Gebührenordnung und nehmen eher symbolische
Beiträge. Die konfessionellen Schulen werden häufig von ihren Kirchen
quersubventioniert und können deshalb auf hohe Schulgebühren verzichten.
Zweitens können höhere Schulgebühren verlangt werden, wenn das
Einkommen der Eltern bei den Gebühren berücksichtigt wird. Reiche
——————
139 Für Schüler mit besonderem Betreuungsaufwand aufgrund von Behinderungen erhalten
Privatschulen häufig höhere Raten. In einigen Ländern erhalten die Privatschulen auch
zusätzliche Baukostenzuschüsse. Privatschulen müssen grundsätzlich staatlich akkreditiert sein und können nach einer Wartezeit von zwei bis vier Jahren die Zuschüsse beantragen. Einige Bundesländer erstatten die Kosten aus der Wartezeit rückwirkend (z.B.
Bremen).
242
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Eltern würden dann höhere Gebühren bezahlen als Eltern mit geringem
Einkommen.140 Nur in einem Bundesland (Rheinland-Pfalz) sind Schulgebühren verboten, wenn die Privatschulen öffentliche Zuschüsse erhalten
(PrivSchG Rheinland-Pfalz vom 08.01.2012, § 28).
Außerdem sind die Schulgebühren steuerlich absetzbar. Somit werden
nicht nur die Bildungsdienstleistungen mit Steuergeldern bezuschusst (inkind), sondern auch Quasi-Transferleistungen zum Erwerb der Dienstleistung geleistet (in-cash). Eltern können dreißig Prozent der Gebühren
absetzen bis zu einem Limit von 5.000 € (AP 2008b), allerdings benötigen
die wenigsten Eltern den vollen Beitrag (vgl. Kapitel 4.2.2).
Als letzter relevanter Aspekt der Finanzierung ist die Zulassung von
profitorientierten Schulen zu erwähnen. In dreizehn Bundesländern sind
nur gemeinnützige Schulen zugelassen, damit wird jegliche Gewinnorientierung der Privatschulen verhindert. Die drei Ausnahmen sind Berlin,
Hamburg und Schleswig-Holstein.141 Faktisch können aber nur in Berlin
Gewinne erzielt werden.
——————
140 Internate können diese Regelungen teilweise umgehen, indem sie höhere Kosten für
Unterkunft und zusätzliche Lehrangebote veranschlagen und dieser Teil der Gebühren
die eigentlichen Unterrichtskosten quersubventioniert.
141 In Hamburg und Schleswig-Holstein dürfen zwar nichtgemeinnützige Unternehmen
Privatschulen betreiben, dennoch können sie keine Gewinne erzielen (HmbSffG und
SchulG von SH). Die Zuschüsse decken bis zu 85 % des Bedarfs der Privatschule, d.h.
es muss ein Eigenanteil von 15 % durch Einnahmen aus Schulgebühren und Spenden
geleistet werden. Der Zuschuss (Höchstsatz 80 % der Kosten öffentlicher Schulen) wird
gekürzt, wenn die Einnahmen den Bedarf decken können. Im Endeffekt kann aufgrund
dieser Regelung kein Gewinn erzielt werden. Die einzelne Privatschule als Betrieb kann
aber nicht wie in einer Kapitalgesellschaft einen Gewinn als Dividende auszahlen. Ein
Schlupfloch wäre lediglich darin zu sehen, dass Lizenzgebühren an einen profitorientierten Mutterkonzern abgeführt werden müssen. Derzeit umgehen nur die Phorms
Schulen in Deutschland die Gewinnorientierung auf diese Weise (www.phorms.de) und
führen Lizenzgebühren an die Phorms Education SE ab.
Anders verhält es sich in Berlin (Brandenburg hatte bis zum 8. Januar eine ähnliche Regelung wie Berlin, der mögliche Einnahmenüberschuss betrug war mit 35 % jedoch
geringfügig höher (Änderung des § 124 im BbgSchulG)). In Berlin werden 93 % der
Personalkosten öffentlicher Schulen als Zuschüsse gezahlt, unabhängig von der gewerblichen Organisationsform der anerkannten Privatschule (SchulG Berlin vom 26.01.2004,
§ 101). Nicht gemeinnützige Privatschulen können Mehreinnahmen von bis zu 125 %
der Personalkosten öffentlicher Schulen erzielen. Wenn die Einnahmen diese Höchstgrenze überschreiten, wird der Zuschuss gekürzt. In dem Zuschuss sind keine Kosten
für Sach- und Betriebskosten enthalten. Die Mehreinnahmen sind also nicht als Gewinn
zu betrachten, sondern werden zum Teil zur Deckung der Betriebskosten benötigt.
Dennoch ermöglicht dieser Spielraum die legale Abschöpfung von Unter-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
243
In Deutschland besteht somit eine fragmentierte und gemischte Finanzierung der Privatschulen. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen
den Bundesländern und sowohl öffentliche Quellen (Bund, Länder, Gemeinden) als auch Privathaushalte tragen zur Finanzierung bei. Die Steuerzuschüsse sind weiterhin erheblich, sodass Schulgebühren nur einen kleinen Anteil an der Privatschulfinanzierung ausmachen (vgl. Kapitel 4.2.2).
4. Verwaltung. Das Grundgesetz regelt sehr präzise die Verwaltung und
Zulassung der Privatschulen. Im ersten Absatz von Artikel sieben heißt es:
»Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.« Im vierten
Absatz heißt es weiter, Privatschulen »bedürfen der Genehmigung des
Staates und unterstehen den Landesgesetzen«. Die gliedstaatlichen Schulbehörden entscheiden somit über die Zulassung der Privatschulen und
richten sich vornehmlich nach den Zulassungskriterien, die im Grundgesetz darlegt sind, die Länder können diese aber weiter konkretisieren und
verschärfen. Zulassungskriterien im GG umfassen unter anderem das bereits erwähnte Sondierungsverbot als auch gleiche Qualifikationsstandards
der Lehrkräfte wie an öffentlichen Schulen.
Wie die öffentlichen Schulen obliegen Privatschulen der staatlichen
Aufsicht. Entgegen dem konservativen Wohlfahrtsregime besteht also
keine Selbstverwaltung der Privatschulen, beispielsweise in Form von privaten Akkreditierungsbüros oder ähnlichen Einrichtungen. Insgesamt
besteht also eine starke öffentliche Kontrolle der Privatschulen durch
staatliche Behörden, jedoch wird der eigentliche Unterricht eigenständig
von den Privatschulen durchgeführt.
5. Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit ist zwar ebenfalls föderal fragmentiert, die
Unterschiede sind jedoch gering. Privatschulen ermöglichen eine zusätzliche Wahlfreiheit der Eltern und Schüler hinsichtlich zweier Aspekte.142
Erstens können Eltern die Schulbezirke der Grundschulen umgehen, indem sie ihre Kinder auf eine Privatschule schicken (vgl. Noreisch 2007a;
2007b).
——————
nehmensgewinnen aus den gewährten Zuschüssen, wenn die Gesamtbetriebskosten
unter der 125-Prozent-Grenze liegen, aber Einnahmen in der Höhe von der 125Prozent-Grenze erzielt wurden.
142 Häuslicher Unterricht ist in Deutschland ausdrücklich als private Alternative verboten
(OECD 2010: 423; Spiegler 2008).
244
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Zweitens können private Sekundarschulen gewählt werden, um die
Lehrerempfehlung zu umgehen (vgl. Abbildung 13). Zwar sind generell die
Auswahloptionen bundesweit aufgrund der Leistungsdifferenzierung in der
Sekundarschule eingeschränkt, weil wie bereits oben erläutert der Zugang
zu den Schulformen der Sekundarstufe leistungsabhängig ist. Entscheidend
für die Anerkennung einer Privatschule ist die Leistung der Schüler am
Ende der Schullaufbahn, aber nicht das Aufnahmeverfahren. Zum Beispiel
können Privatschulen zusätzliche Auswahlkriterien festlegen, wenn sie
mehr Anmeldungen als Plätze haben oder eine elitäre Schülerschaft anstreben. Oder aber sie legen geringe Auswahlkriterien fest und ermöglichen
Schülern die Lehrerempfehlung beim Übergang auf die Sekundarstufe zu
umgehen. Beispielsweise können somit Schüler ohne eine Gymnasialempfehlung ein privates Gymnasium besuchen, wenn sie die gelockerten
Aufnahmekriterien erfüllen (vgl. BVerfGE 1969). Eltern können somit die
Entscheidungsmacht der Lehrer umgehen (vgl. Abbildung 13). Zusätzlich
können Eltern eine Privatschule wählen, um ihre Kinder bei einer im Bundesland nicht vorgesehene öffentliche Schulform einzuschreiben.143
Die Entscheidung eine Privatschule zu besuchen ist freiwillig und lässt
sich am besten als Opt-in beschreiben. Eltern beziehungsweise Schüler
müssen eine aktive Wahl für die Privatschule treffen, ansonsten besteht
Schulpflicht an einer öffentlichen Schule. Die Wahloptionen sind also
insgesamt größer als zwischen öffentliche Schulen, aber die faktischen
Unterschiede hängen vom jeweiligen Bundesland ab. Beispielsweise wurden in Hamburg die Einzugsbereiche der Schulbezirke unlängst gelockert
und die Lehrerempfehlungen sind nicht bindend, weshalb Privatschulen
kaum zusätzliche Wahloptionen eröffnen. In Bundesländern mit geringeren Wahloptionen zwischen öffentlichen Schulen bieten Privatschulen
hingegen weit mehr Wahloptionen.
Die Regulierung des deutschen Bildungsmarktes ist in Tabelle 18 zusammengefasst. Für eine Einbettung der Privatschulen in das existierende
öffentliche Schulwesen sprechen vor allem die starken regulativen Vorgaben des Grundgesetzes. Im Endeffekt entsprechen deshalb die Regulierungsdimensionen der Privatschulen im Großen und Ganzen den Eigenschaften der öffentlichen Schulen: segregierende Zugangsvoraussetzungen,
——————
143 Beispielsweise hätten Eltern in Bayern die Möglichkeit ihr Kind auf eine private Gesamtschule, die in Bayern als öffentliche Schulform bis auf zwei Schulversuche nicht vorgesehen sind, zu schicken.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
245
fragmentierte Leistungsstruktur, Dominanz der Steuerfinanzierung, staatliche Aufsichtsbehörde und moderate Wahlfreiheit.
Eine bemerkenswerte Abweichung ist allerdings beim Finanzierungsmechanismus festzustellen, trotz des Sondierungsverbots. Da öffentliche
Schulen kostenfrei sind, Privatschulen aber Schulgebühren erheben, besteht für einkommensschwache Familien eine erhebliche Hürde, ihren
Kindern den Besuch einer Privatschule zu ermöglichen. Selbst wenn die
erhobenen Gebühren neben der Steuerfinanzierung nur einen kleinen Teil
ausmachen, erschweren die Schulgebühren den Zugang zu Privatschulen.
Ebenso können Privatschulen bei entsprechenden Einnahmen zusätzliche
Leistungen anbieten, die Schülern an öffentlichen Schulen vorenthalten
bleiben. Vor allem Internate und internationale Privatschulen können andere Leistungen als öffentliche Schulen anbieten. Schließlich ist noch hervorzuheben, dass private Beiträge, und dazu gehören Schulgebühren, ein
typisches Element eines konservativen Wohlfahrtsregimes sind. Außerdem
ist die Bevorzugung konfessioneller Anbieter typisch für konservative
Wohlfahrtsstaaten. Zwar wurde der finanzielle Vorteil der Privatschulen
Ende der 1980er Jahre abgeschafft, allerdings profitieren die privaten Konfessionsschulen weiterhin von ihrer Vormachtstellung. Als gemeinnützige
Organisationen besitzen sie gemeinhin hohes Ansehen und müssen keine
profitorientierten säkularen Konkurrenten fürchten.
Starke Kirchen und das Bundesverfassungsgericht als Akteure des deutschen
Bildungsmarkt
Der deutsche Privatschulmarkt zeigt deutliche Pfadabhängigkeiten auf und
wurde so stark institutionalisiert, dass die Privatschulen im Grundgesetz
geschützt sind. Einige Regulierungselemente des Privatschulwesens gehen
bis auf die Weimarer Verfassung zurück. Die hauptsächliche Kodifizierung
erfolgte aber im Parlamentarischen Rat unter starkem Einfluss der Kirchen
und der FDP. Sie zielten darauf ab, konfessionelle Schulen im öffentlichen
und privaten Bildungswesen zu erhalten. Damit sind die politischen Wurzeln des Bildungsmarktes christlich-liberal geprägt.
Die Kernmerkmale des deutschen Bildungsmarktes sind die statusdifferenzierenden Zugangsvoraussetzungen (Leistung, Religion, Einkommen), eine fragmentierte Leistungsstruktur, begrenzte Wahlfreiheit
und eine Mischfinanzierung aus staatlichen Zuschüssen und privaten Beiträgen. Diese Eigenschaften gehen zum Teil bis auf die Weimarer Republik
246
WOHLFAHRTSMÄRKTE
zurück und bauen auf den Vorgängerinstitutionen auf. Zudem weist der
Privatschulmarkt Eigenschaften auf, die für konservative Wohlfahrtsregime typisch sind. Beispielsweise ähnelt die Erhebung von Schulgebühren anderen zusätzlichen Eigenbeiträgen wie Krankenhausgeld, individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Pflegegebühren im deutschen
Sozialstaat und anderen konservativ geprägten Wohlfahrtsstaaten (vgl. u.a.
Bode 2008; Ewert 2013).
Der Bildungsmarkt war, wie bereits erwähnt, von außerordentlicher
Kontinuität geprägt. Nach der Marktgründung in den 1950er Jahren erfolgte eine einzige Marktliberalisierung Ende der 1980er Jahre, als das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung konfessioneller und säkularer Privatschulen gleichstellte. Die Judikative trug somit zentral zur Marktliberalisierung bei, gänzlich ohne politische Initiative der Legislativen. Dieser institutionelle Wandel ist als eine conversion einzustufen (vgl. Streeck/Thelen
2005b). Demnach erfolgte eine Uminterpretation der Zielsetzung der
Privatschulfinanzierung, ohne die Kerninstitution – in diesem Fall das
Grundgesetz – zu ändern. Lediglich die Landesgesetze mussten an die neue
Rechtslage angepasst werden. Abgesehen von der beobachteten schleichenden Privatisierung (Anstieg der Privatschulen und -schüler, s. Abbildung
12) ist kein fundamentaler institutioneller Wandel festzustellen, was die
Hypothese der conversion bis Mitte der 1990er Jahre bestätigt.
Trotz der hohen institutionellen Kontinuität und Bewahrung des deutschen Schulsystems wenden sich zunehmend einige Individuen von den
öffentlichen Schulen ab und nutzen den privaten Bildungsmarkt, obwohl
die direkten Anreizstrukturen nicht verändert wurden. Damit werden die
existierenden Institutionen untergraben und seit den 1990er Jahren deutet
sich ein institutioneller Drift an. Warum diese Abwanderung in Privatschulen erfolgt ist umstritten,144 der verstärkte politische Diskurs über die
Regulierung des Bildungsmarktes seit Ende der 2000er Jahre deutet jedoch
auf eine Politisierung dieses Drifts hin. Neue bildungspolitische Akteure wie
die Grünen und der Paritätische Wohlfahrtsverband präferieren Privatschulen unter bestimmten institutionellen Voraussetzungen. Sie scheinen,
——————
144 Herbst (2006: 134) diskutiert unter anderem verschiedene Gründe, kann sie aber kaum
empirisch belegen. Einige Hinweise für individuelle Beweggründe für die Wahl einer
Privatschule können Analysen des SOEP (Lohmann u.a. 2009) und der PISA Studie
(Köppe 2012) aufzeigen. Von beiden Studien können nur Lohmann u.a. (2009) den
Trend zu Privatschulen anhand soziodemografischer Merkmale in einer Längsschnittstudie (1995–2007) erklären.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
247
genauso wie die FDP, einen latenten Unmut über das öffentliche Bildungssystem politisch aufzugreifen und thematisch zu besetzen. Bislang ist aber
eine hohe institutionelle Kontinuität festzustellen und kein unmittelbarer
institutioneller Wandel deutet sich an, geschweige denn ein tiefgreifender
Regimewandel.
5.2.3 Fazit – Rekalibrierung deutscher Sozialpolitik?
Politikfeldübergreifend kann die Hauptvermutung bestätigt werden, dass
elementare Eigenschaften der existierenden Renten- und Bildungsinstitutionen auf die neugegründeten Wohlfahrtsmärkte übertragen wurden.
Überwiegend wurden die deutschen Renten- und Bildungsmärkte in das
existierende Wohlfahrtsregime eingebettet, im Rentenmarkt sind aber auch
Innovationen und Brüche zu beobachten, die zu institutionellen Disparitäten führen.
In beiden Politikfeldern bestehen Statusdifferenzen zwischen verschiedenen sozialen Gruppen (Berufsstatus, Schülerleistung), die deutschen
Wohlfahrtsmärkte führen somit fragmentierte Sozialleistungen fort. Insbesondere einige Altersvorsorgewege stehen nur bestimmten Berufsgruppen
offen (z.B. Rürup-Rente). Im Bildungsmarkt ist neben der Leistungsseparierung die konfessionelle und territoriale Fragmentierung hervorzuheben, wodurch ein Flickenteppich an Zugangsvoraussetzungen existiert.
Ebenso sind die Renten- und Bildungsmärkte weiterhin von öffentlichen Mitteln abhängig. Gleichzeitig bewahrt der Gesetzgeber sowohl
regulativ als auch monetär Einfluss auf die Wohlfahrtsmärkte. Trotz der
öffentlichen Zuschüsse besteht vor allem im Rentenmarkt ein starker Beitragsbezug fort. Die möglichen sozialen Leistungen, die auf dem Rentenmarkt erworben werden, hängen, wie im konservativen Wohlfahrtsregime
üblich, von den zuvor entrichteten Beiträgen ab.
Schließlich spiegelt die Regulierung der Wahlfreiheit typische Eigenschaften existierender Wahloptionen im konservativen deutschen Wohlfahrtsstaat wider. Die Wahlfreiheit wurde sowohl im Renten- als auch im
Bildungsmarkt ausgeweitet. Die Marktteilnahme ist freiwillig (Opt-in),
gleichzeitig werden die Optionen aber durch die Lizenzierung der Anbieter
und Produkte limitiert. Es wurden nur geringe Verbraucherrechte und
Unterstützungssysteme für eine optimale Wahlentscheidung der Nutzer
implementiert, was typisch für einen konservativen Wohlfahrtsstaat wie
Deutschland ist.
248
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Wohlgemerkt sind auch untypische institutionelle Merkmale eingeführt
worden. An dieser Stelle gilt es zu unterscheiden zwischen besonderen
institutionellen Voraussetzungen des jeweiligen Politikfeldes und allgemeinen Trends im Rahmen des konservativen Wohlfahrtsregimes. Ersteres
bezieht sich vor allem auf das Bildungssystem, das nicht Bestandteil der
ursprünglichen Wohlfahrtsregimetypologie war (vgl. Esping-Andersen
1990):
Die institutionellen Voraussetzungen im deutschen Bildungssystem
widersprachen in einigen Regulierungsdimensionen den Eigenschaften
konservativer Wohlfahrtsregime. Im Bildungsmarkt konnten nur die Eigenschaften in den Wohlfahrtsmarkt übernommen werden, die im öffentlichen Bildungssystem bereits existierten. Drei Eigenschaften waren davon
betroffen: die öffentliche Verwaltung, private Schulgebühren und die territoriale Fragmentierung.
Die staatliche Schulaufsicht ist im Grundgesetz fest verankert und wurde nicht mit der Marktliberalisierung angetastet. Die privaten Schulgebühren werden nicht von Arbeitgebern in den allgemeinbildenden Schulen
paritätisch mitfinanziert, weil im Vergleich zur Sozialversicherung kein
Beschäftigungsverhältnis besteht. Die Schulgebühren im Bildungsmarkt
beinhalten aber an sich ein Element konservativer Wohlfahrtsregime, das
im öffentlichen Schulwesen nicht zur Regulierungseigenschaft zählt: private Sozialbeiträge oder Gebühren. Die Erhebung von Schulgebühren
rückt den Bildungsmarkt näher an das konservative Wohlfahrtsregime als
die ausschließliche Steuerfinanzierung der öffentlichen Schulen.
Die föderale Fragmentierung des Bildungssystems ist ebenso Bestandteil der verfassungsrechtlichen föderalen Aufgabenverteilung, wodurch
eine zusätzliche Ebene der sozialen Ungleichheit hinzukommt, die in den
deutschen Sozialversicherungen nicht zu finden ist. Diese föderale Fragmentierung führt zu einem ungleichen Zugang zu sozialen Leistungen, der
für das konservative Regime typisch ist; wenn auch die Segregation im
deutschen Wohlfahrtsstaat traditionell eher auf den Berufsstatus und ähnliche soziale Unterschiede zurückzuführen ist, anstatt auf territoriale Unterschiede. Insgesamt wurden auf den Bildungsmarkt die speziellen institutionellen Eigenschaften des öffentlichen Systems übertragen und die
Abweichungen zum konservativen Wohlfahrtsregime blieben bestehen.
Institutionelle Innovationen und Rekalibrierungen können insbesondere bei der privaten Altersvorsorge beobachtet werden. Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) war nicht das alleinige institutionelle
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
249
Vorbild, wodurch liberale und sozialdemokratische Regimeeigenschaften
im neugegründeten Rentenmarkt gestärkt wurden.
Erstens erfolgte die Abkehr von der paritätischen Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberfinanzierung. Wie bereits erläutert, ist dies eine Änderung gegenüber der bestehenden GRV. Es ist aber fraglich, wie gravierend diese
Abkehr für die elementaren Eigenschaften des konservativen Regimes ist.
Die paritätische Finanzierung erhöht zwar die Legitimation der Beitragszahlungen, der Netto-Effekt auf die Höhe der Beitragszahlung im Vergleich zum Brutto-Lohn ist freilich umstritten. Außerdem findet man die
paritätische Finanzierung auch in liberalen Rentensystemen (USA, Großbritannien), zum Teil auch bei Betriebsrenten, jedoch nicht bei individuellen privaten Renten. Die paritätische Finanzierung scheint insgesamt ein
ungeeigneter Indikator für Regimeunterschiede, dennoch ist es eine substanzielle Abweichung von der Vorgängerinstitution.
Zweitens wurde die Selbstverwaltung der Riester-Rente mit einer staatlichen Aufsichtsbehörde und der privaten Kontenverwaltung ergänzt. Die
Selbstverwaltung blieb in Teilen erhalten, die hauptsächliche Administration obliegt aber den Versicherungen. Im Gegenzug werden die privaten
Marktanbieter stärker staatlich kontrolliert (BaFin).
Drittens konnte auch eine leichte Tendenz zur Universalisierung der
Riester-Rente festgestellt werden, was sie in diesem Aspekt näher an das
sozialdemokratische Wohlfahrtsmodell rückte. Zusammengenommen
treten in der Riester-Rente institutionelle Disparitäten zutage, die zu kontinuierlichen politischen Spannungen und Auseinandersetzungen führen.
Die Einbettung der Riester-Rente scheint nicht abgeschlossen und bedarf
weiterer Reformen, damit öffentliche und private Institutionen im Einklang sind.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Vorlagen zur Regulierung der deutschen Wohlfahrtsmärkte in benachbarten Institutionen im
jeweiligen Politikfeld zu finden sind. Im Schulbereich existierte der Bildungsmarkt bereits seit der Gründung der Bundesrepublik. Dieser Wohlfahrtsmarkt wurde inkrementell für mehr private Anbieter geöffnet. Im
Vergleich dazu wurde der Wohlfahrtsmarkt für die Riester-Rente völlig neu
gegründet und bediente sich von Regulierungselementen der existierenden
öffentlichen und privaten Institutionen wie der GRV und den Lebensversicherungen.
250
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Trotz der Übernahme von existierenden Regulierungseigenschaften haben zentrale Akteure die Regulierung der Märkte nach ihren Vorstellungen
zum Teil beeinflussen und Innovationen einführen können.
Die Parteien haben unterschiedliche Präferenzen bei der Einführung
und der Regulierung der Wohlfahrtsmärkte, also ob sie eingeführt werden
sollen und wie sie eingebettet werden sollen. Die parteipolitischen Präferenzen für die Einführung von Märkten scheinen in Deutschland nicht in
ein Rechts-Links-Schema zu passen, vor allem weil keine säkularkonservative Partei Märkte, Privatisierungen und Wahlfreiheit offensiv
propagiert. Wie zu erwarten sind in keinem der untersuchten Fälle die
Unionsparteien als vehemente Unterstützer für mehr Marktmechanismen
oder private Anbieter aufgetreten, teilweise lehnten die Unionsparteien die
Einführung von Wohlfahrtsmärkten ab, wie die Verteidigung des Sozialversicherungsprinzips unter der Kohl-Regierung verdeutlichte. Die treibenden politischen Parteien für eine Wohlfahrtsmarktgründung waren die
Sozialdemokraten (Rente) und die Liberalen (Bildung). Sowohl die linken
(Sozialdemokraten, Grüne) als auch die bürgerlichen (FDP, Union) Parteien unterstützten die Einführung von Wohlfahrtsmärkten, wenn sie vermuteten, mit den Märkten ihre Parteiziele besser erreichen zu können. Die
Linke votierte in den Bundesländern in denen sie Regierungsverantwortung hatte, noch nicht für eine Liberalisierung von Privatschulmärkten
und bleibt somit die einzige etablierte Partei mit Regierungsverantwortung,
die keiner Wohlfahrtsmarktreform zustimmte.
Die Parteiendifferenzen werden bei der Regulierung der Wohlfahrtsmärkte viel deutlicher als bei der Einführung. Beispielsweise versuchen
christlich-konservative Parteien Wohlfahrtsmärkte einzuführen, die Merkmale des konservativen Wohlfahrtsregimes aufweisen: Obwohl die CDU
nicht für eine Ausweitung von Wohlfahrtsmärkten eintrat, strebte sie eine
Einbettung der Märkte in das konservative Wohlfahrtsregime an. Sobald
die Markteinführung unausweichlich erschien, plädierte sie für die Implementierung konservativer regulativer Merkmale. Beispielsweise unterstützte
die CDU explizit die Freiwilligkeit der Riester-Rente und den Schutz konfessioneller Privatschulen. Die Analyse der anderen parteipolitischen Präferenzen offenbarte, dass Liberale, Sozialdemokraten und Grüne jeweils sehr
unterschiedliche Wohlfahrtsmärkte befürworteten und versuchten, die
Märkte entsprechend zu regulieren. Die linken Parteien unterstützten beispielsweise universelle Wohlfahrtsmärkte ohne Eintrittsbarrieren und möglichst mit hoher öffentlicher Finanzierung. Die Parteien versuchten, die
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
251
Märkte ideologisch zu prägen und zu gestalten. Während die christlichkonservative CDU als Bewahrerin des konservativen Wohlfahrtsregimes
auftrat, versuchten die anderen Parteien, Regulierungselemente in die
Märkte zu implementieren, die eher ihren Präferenzen entsprechen.
Die Institutionen zeigen aber ein hohes Beharrungsvermögen und können nur in einzelnen Aspekten modernisiert werden. Trotz dieser Parteidifferenzen wurden überwiegend grundlegende Elemente des konservativen Regimes in die neuen Wohlfahrtsmärkte überführt. Entgegen
Gingrich (2011), die den Parteien einen großen Einfluss auf die Regulierung zuschreibt, scheinen auch die existierenden wohlfahrtsstaatlichen
Institutionen die Regulierung der Märkte stark zu beeinflussen.
Neben den parteipolitischen Akteuren sind zwei weitere Akteursgruppen hervorzuheben, die den Wandel maßgeblich bestimmt haben: die
dominierenden Marktanbieter zum Zeitpunkt der Marktgründung/-liberalisierung und das Bundesverfassungsgericht. Beide Akteursgruppen trugen
maßgeblich zur Kontinuität und institutionellen Einbettung der Wohlfahrtsmärkte bei. Entgegen den politischen Parteien waren sie auf eine
Übernahme bestehender institutioneller Rahmenbedingungen bedacht.
Die dominierenden Marktanbieter konnten in beiden Fällen politische
Unterstützung für eine Marktregulierung finden, die ihnen einen Marktvorteil einbringen würde (Fligstein 2001). Bei der Gründung des Rentenmarktes konnte die deutsche Versicherungswirtschaft erwirken, dass die
Riester-Rente besonders vorteilhaft für sie ausgestaltet wurde und auf bestehenden Rentenversicherungen basierte. Die Gewerkschaften konnten
erreichen, dass die Betriebsrenten steuerlich förderfähig sind und sie somit
ihren Einfluss im reformierten Rentensystem erhalten konnten. Das gleiche Muster ist im Bildungsmarkt festzustellen. Die konfessionellen Privatschulen konnten ihre dominante Stellung mithilfe der christlichen Kirchen
zunächst bei der Formulierung des Grundgesetzes verteidigen und später
bei der Marktliberalisierung für säkulare Privatschulen ihre hohen öffentlichen Zuschüsse bewahren. In diesem Kontext erscheint der politische
Einfluss der dominanten Marktakteure stärker zu sein als die eigentliche
ideologische Präferenz der regierenden Parteien. Die dominanten Marktakteure konnten geschickt ihre Marktmacht in politische Macht ummünzen. Sie haben nicht immer eine Verbesserung der Marktregulierung in
ihrem Sinne erzielt. Dennoch konnten beispielsweise die privaten Konfessionsschulen wiederholt erreichen, dass sie nach den Marktreformen wenigstens nicht benachteiligt waren. Neue Marktakteure (Banken, säkulare
252
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Privatschulen) werden als potenzielle Wettbewerber möglichst schon bei
der Marktschaffung aus dem Markt gedrängt, indem ihnen die Marktzulassung verwehrt beziehungsweise erschwert wird. Durch diese Strategie
verstärken die dominierenden Marktakteure die konservierende Wirkung
von Institutionen.
Der letzte zu erwähnende Akteur ist das starke Bundesverfassungsgericht als Wahrer des Grundgesetzes. Obwohl nur im Bildungsmarkt
relevant, erwies sich das Bundesverfassungsgericht als der wichtigste Akteur, der sowohl Kontinuität als auch Wandel (conversion) bewirkte. Insbesondere das Urteil zur Gleichbehandlung konfessioneller und säkularer
Privatschulen hatte wesentlichen Anteil an der Marktliberalisierung. Dieses
richtungsweisende Urteil bewirkte einen technokratischen Wandel, denn in
der politischen Arena wurde die Reform der Privatschulfinanzierung nicht
als Marktliberalisierung wahrgenommen.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
5.3
253
Schweden – Die Neuerfindung des schwedischen
Modells
»Reinventing the Swedish Modell«
(Anders Borg 2008, schwedischer Finanzminister 2006–2014)
Für einen sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat wie Schweden gilt, laut
Esping-Andersen (1990) noch mehr als für Deutschland, dass marktförmige Sozialprogramme völlig untypisch sind. Diese Beobachtung trifft
zwar auf die schwedische Sozialpolitik in den 1980er Jahren zu, seit den
1990er Jahren ist aber das Marktvolumen der Wohlfahrtsmärkte extrem
angestiegen (vgl. Kapitel 4). In diesem Kapitel wird nun anhand der fünf
Regulierungsdimensionen untersucht, wie die neuen Märkte in das bestehende sozialdemokratische Wohlfahrtsregime eingebettet wurden.
Im Wesentlichen zeigt die empirische Analyse, dass eine Übertragung
typischer sozialdemokratischer Eigenschaften wie Universalismus und
staatliche Verwaltung auf die neuen Wohlfahrtsmärkte erfolgte. Allerdings
wurde das schwedische Modell an einigen Stellen neu erfunden und modernisiert, wie es das Eingangszitat von Anders Borg (2008) prägnant auf
den Punkt bringt. Zentral für diesen Wandel waren Veränderungen der
ideologischen Präferenzen der politischen Akteure. Sie erzielten einen
neuen sozialdemokratischen Konsens, der Märkte im schwedischen Wohlfahrtsregime akzeptiert, wenn sie bestimmte regulative Voraussetzungen
wie universeller Zugang erfüllen. Obwohl bürgerliche Koalitionen die
Initiative zur Einführung der Wohlfahrtsmärkte ergriffen und wichtige
Reformschritte einleiteten, konnten die Sozialdemokraten die Regulierung
der Märkte nach ihren parteipolitischen Präferenzen beeinflussen. Die
Sozialdemokraten öffneten sich programmatisch gegenüber Märkten, favorisierten aber eine Regulierung, die ihren parteipolitischen Präferenzen
näher lag.145
In dem Kapitel wird der Begriff »schwedisches Modell« verwendet,
wenn spezifische Eigenschaften des schwedischen Wohlfahrtsregimes
gemeint sind. Mit dem Begriff sind aber nicht nur sozialpolitische Institutionen gemeint, sondern auch ökonomische Rahmenbedingungen, poli-
——————
145 Gingrich (2011) kommt zu ähnlichen Ergebnissen der Marktreformen in den Politikfeldern Gesundheit, Pflege und Bildung.
254
WOHLFAHRTSMÄRKTE
tische Traditionen und soziale Lebenslagen, die im Zusammenspiel typischerweise als schwedisches Sozialmodell charakterisiert werden.146
Das Kapitel ist folgendermaßen strukturiert: Zuerst wird die Einführung der sogenannten Prämienrente untersucht, womit ein obligatorischer
Rentenmarkt in Schweden gegründet wurde. Anschließend wird die Marktliberalisierung für Privatschulen analysiert, die in Schweden als freie Schulen (fristående skolor) bezeichnet werden. In beiden Fallstudien dienen die
bestehenden renten- und bildungspolitischen Institutionen vor 1990 als
Vergleichsfolie. Allerdings wird bei der Analyse des Bildungsmarktes auch
auf Reformen in den 1970er Jahren verwiesen, weil mehrere inkrementelle
Reformen maßgeblich die Marktliberalisierung vorbereiteten. Die Ergebnisse werden am Ende des Kapitels politikfeldübergreifend diskutiert.
5.3.1 Rentenmarkt: Universelle Prämienrente und sozialdemokratischer
Konsens
»Das Verteilungssystem [war] das Kind der Sozialdemokraten […] und
die Prämienrente war das Kind der Bürgerlichen«
(Anna Hedborg – Sozialdemokratin und Generaldirektorin
der Sozialversicherungsbehörde, 1996–2004).
In den 1990er Jahren wurde das schwedische Rentensystem reformiert und
eine zusätzliche private und obligatorische Rentenversicherung, die sogenannte Prämienrente (premiepension), wurde eingeführt. Wie auch in
Deutschland wurde argumentiert, dass die Einführung der privaten Rentenversicherung ein Bruch mit dem sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime bedeute (Belfrage/Ryner 2009; Mahon 2007). In diesem Kapitel
werde ich aber anhand der fünf Regulierungsdimensionen darlegen, dass
der sozialdemokratische Pfad mit der Gründung des Rentenmarktes nicht
verlassen wurde. Wesentliche Eigenschaften des schwedischen Rentensystems wurden bewahrt und die Prämienrente wurde in das modernisierte
Rentensystem integriert. Ausschlaggebend für die Einbettung der neu ge-
——————
146 Häufig wird auch der Begriff »nordisches Modell« verwendet, um die Sozialsysteme der
skandinavischen Staaten zu beschreiben (Hilson 2008; Kuhnle 2009). Auch dieser Begriff geht über das Wohlfahrtsregime hinaus und schließt den ökonomischen und politischen Kontext ein (Bergqvist/Lindbom 2003; Christiansen u.a. 2006; Erikson u.a.
1987; Greve 2007; Kangas/Palme 2005; Kautto u.a. 2001; Kautto u.a. 1999;
Kildal/Kuhnle 2005; Sipilä u.a. 2009).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
255
gründeten Prämienrente war ein sozialdemokratischer Wertekanon der
Entscheidungsträger. Basierend auf geteilten Werten wie Universalismus
der Sozialsysteme konnte ein parteiübergreifender Konsens erzielt werden,
der die Haupteigenschaften des schwedischen Modells bewahrte (vgl.
Argumentation bei Green-Pedersen/Lindbom 2006; Kvist/Greve 2011).
Bevor die Reform ausführlich erläutert wird, folgt zunächst eine Analyse des öffentlichen Rentensystems mithilfe der fünf Regulierungsdimensionen vor der Einführung des Rentenmarktes, inklusive eines kurzen
historischen Überblicks. Anschließend werden die Einbettung des Rentenmarktes und das institutionelle Erbe der öffentlichen Rentenversicherung
herausgearbeitet. Im letzten Abschnitt werden die Positionen parteipolitischer und weiterer zentraler Akteure analysiert und aufgezeigt, wie sie die
Regulierung der privaten Prämienrente beeinflusst haben.
Die historischen Wurzeln des schwedischen Rentensystems vor 1990
Das öffentliche Rentensystem wurde 1914 gegründet, allerdings hatte es zu
diesem Zeitpunkt noch nicht die spätere sozialdemokratische Ausprägung.
Allerdings fallen in diese Zeit auch die Gründungen einer freiwilligen Zusatzversicherung (Frivillig Pensionsförsäkring) und der ersten Betriebsrenten,
die auch noch Anfang der 1990er Jahre Bestand hatten (Jönsson Lundmark
1976; Sjöblom 2008). Das Anfang der 1990er Jahre gültige öffentliche
Rentensystem wurde 1960 nach erbittertem politischen Kampf in Kraft
gesetzt (Heese 2003; Loxbo 2007; Petersen/Åmark 2006; SOU 1990:76:
47–50) und kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
1. Zugangsvoraussetzungen. Das öffentliche Rentensystem Schwedens bestand
aus zwei Säulen, die einen universellen Zugang zu Rentenleistungen garantierten. Die Basisrente (volkpension) garantierte eine Altersrente über dem
Sozialhilfeniveau für alle Bürger Schwedens. Eine zusätzliche einkommensbezogene Rentenversicherung (ATP) garantierte den Lebensstandard und war obligatorisch für alle Einkommensbezieher.
2. Leistungsstruktur. Die Leistungen richteten sich nach dem vorherigen
Einkommen als Leistungszusage. Die eigentliche Rentenhöhe des ATPSystems wurde durch die 15/30-Regel bestimmt: Es musste 30 Versicherungsjahre in die Rente einbezahlt werden, um Anrecht auf eine volle Rente zu erhalten. Die besten 15 Jahre bestimmten schließlich die Rentenhöhe.
256
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die maximale Rente lag jedoch nur knapp über dem Durchschnittseinkommen (rund 1,12faches Durchschnittseinkommen, Köppe 2007: 175).147
Tabelle 19: SCHWEDEN RENTE – Prämienrente
Typ
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
Rentensystem Anfang 1990er
universell
Grundleistung & einkommensbezogene Sozialversicherung,
hohe Sicherheitsgarantien
Steuern
Verwaltung
Arbeitgeberbeiträge
Staat
Wahlfreiheit
gering, obligatorisch
Prämienrente (2012)
universell, Rentenprüfung
Beitragsbezug*, risikoadjustierter Standardfonds
Beiträge steuerfrei,
Zuschüsse für Kindererziehungszeiten*
paritätisch (60/40)
Staat (Pensionsmyndigheten/PPM)
Obligatorium, Standardfonds, institutionalisierter
Markt mit vielen
Produkten, Optional:
Hinterbliebenenschutz,
Rentensplitting
Quelle: eigene Darstellung, Unterschiede kursiv, * keine Regimeänderung wenn korrespondierende
Säule berücksichtigt wird.
3. Finanzierungsmechanismus. Die Basisrente war steuerfinanziert und das
ATP-System wurde ausschließlich über Arbeitgeberbeiträge finanziert.
Grundsätzlich war das ATP-System ein umlagefinanziertes Rentensystem.
Dennoch existierten erhebliche öffentliche Rücklagen, womit die ATPRente Elemente von privaten Rentenversicherungen enthielt (vgl. Kapitel
4.2).
4. Verwaltung. Beide Säulen der Rentenversicherung wurden von der staatlichen Rentenversicherungsbehörde (RFV – Riksförsäkringsverket) verwaltet.
5. Wahlfreiheit. Die Versicherten hatten keine Wahlmöglichkeiten, sondern
alle Erwerbstätigen waren Versicherte beider Rentenversicherungen. Ledig-
——————
147 Die Lohnersatzrate lag für durchschnittliche Einkommen bei 60–65 %.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
257
lich die relativ geringe Beitragsbemessungsgrenze eröffnete die Möglichkeit, bereits bei leicht überdurchschnittlichem Einkommen zusätzlich in
eine private Altersvorsorge zu investieren.
Zwei Besonderheiten werden bei dieser Charakterisierung des schwedischen Rentensystems häufig übersehen. Erstens waren Betriebsrenten
historisch integraler Bestandteil des schwedischen Rentensystems, insbesondere für Beschäftigte mit überdurchschnittlichem Einkommen. Die
ATP-Rente hatte eine relativ geringe Beitragsbemessungsgrenze und Versicherte mit überdurchschnittlichem Einkommen waren durch Betriebsrenten abgesichert (Sjögren Lindquist/Wadensjö 2006; 2007). Rund 90
Prozent der Beschäftigten hatten Zugang zu den quasi-obligatorischen
Betriebsrenten, die bis zur Rentenreform der 1990er Jahre eine Leistungszusage garantierten.
Zweitens existierte von 1914 bis 1980 eine staatlich organisierte, private
und freiwillige Zusatzversicherung (frivillig pensionsförsäkring), die kaum im
politischen und akademischen Diskurs zur Rentenreform der 1990er Jahre
Beachtung fand. Diese freiwillige Rente enthielt jedoch einige Regulierungseigenschaften, die in den 1990er Jahren wieder aufgegriffen wurden.148 Die wichtigste Eigenschaft war die staatliche Verwaltung der Rentenrücklagen. Das Reichsversicherungsamt verwaltete die individuellen
Rentenkonten und investierte die Beiträge in staatliche Rentenfonds. Die
Fonds waren kapitalgedeckt und die Leistungen wurden nach dem Lebenseinkommensprinzip berechnet. Allerdings bestand keine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Fonds. Ebenso waren die Beiträge steuerfrei, gleichwohl konnten maximal 1000 SEK pro Jahr eingezahlt werden (1936),
wodurch der zusätzliche Rentenmarkt begrenzt war. Seit der Einführung
der ATP-Rente und dem Ausbau der Betriebsrenten gingen die freiwilligen
Versicherten in den 1970er Jahren stark zurück. Die freiwillige Zusatzrente
war ein Relikt aus der Gründungsphase des Rentensystems und schließlich
ein Fremdkörper im sozialdemokratisierten System. Die sinkende Nachfrage besiegelt schließlich das Ende der Zusatzrente, sodass die freiwillige
Zusatzrente im Jahr 1980 keine neuen Versicherten mehr aufnahm.149
——————
148 Ausführlichere regulative Übersicht (Granqvist 1961; SFS 1962:521: 563–566; SOU
1990:76).
149 Die letzte Schätzung von 2009 ergab einen Versichertenbestand von 8.939, wovon
bereits 4.839 ihre Rente bezogen (PM 2011: 75).
258
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Anfang der 1990er Jahre waren die Kerneigenschaften des schwedischen Rentensystems Universalismus, kombinierte Steuer- und Beitragsfinanzierung, staatliche Verwaltung und geringe Wahlfreiheiten (vgl. Zusammenfassung in Tabelle 19). Inwiefern konnten diese Eigenschaften im
neuen Rentensystem erhalten werden? Oder waren einige alte Institutionen
wie die freiwillige Zusatzrente sogar Vorbild für die Regulierung des neuen
Rentenmarktes? Der folgende Abschnitt wird ausführlich die institutionellen Eigenschaften des neuen Rentensystems beschreiben und inwiefern der
neue private Rentenmarkt in dieses Wohlfahrtsregime institutionell eingebettet wurde. Diese Veränderungen werden mit den Veränderungen des
bestehenden Versicherungssystems verglichen, um Innovation und Pfadabhängigkeiten aufzuzeigen.
Die universelle Prämienrente und die Einbettung des schwedischen Rentenmarktes
Die Eckpunkte der Rentenreform wurden 1994 beschlossen und in detaillierter Form 1998 verabschiedet. Die vollständige Implementierung erfolgte in mehreren Schritten zwischen 1995 und 2001. Zunächst wurde das
alte öffentliche Rentensystem, bestehend aus der Basisrente (volkpension)
und der einkommensabhängigen ATP-Rente, durch die neue Garantierente
(garantiepension) und Einkommensrente (inkomstpension) ersetzt. Die neue
Garantierente stärkte einerseits die sozialen Rechte, weil sie erhöht wurde
und nunmehr allen Bewohnern Schwedens zustand.150 Andererseits steigt
die Grundrente aufgrund einer veränderten Indexierung nicht mehr so
stark.151 Mit der neuen Einkommensrente wurde die 15/30-Regel des
ATP-Systems durch das Lebenseinkommensprinzip ersetzt. Fortan wurden
alle Beitragsjahre in die Berechnung der Rentenhöhe einbezogen. Diese
Teile der Reform zielten überwiegend auf eine Kostenreduzierung ab, ohne
jedoch den sozialdemokratischen Charakter des Rentensystems im Kern zu
verändern (zu den Reformdetails und den genauen Übergangsregeln siehe
u. a. Köhler 1999; 2004; 2007; Köppe 2007; Loxbo 2007; Palme 2001;
——————
150 Die volle Garantierente wird nach dem 65. Lebensjahr ausgezahlt und beträgt seitdem
2,13 Preisgrundbeträge (vorher 0,96) für Alleinstehende. In Schweden basiert die Höhe
fast aller Sozialleistungen auf Preisgrundbeträgen als Berechnungsgrundlage.
151 Umstellung von Lohn- auf Preisindexierung.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
259
2003; Palme u.a. 2003; Scherman 2004; Settergren 2003; SOU 1994:20;
Sundén 2000; 2005; 2006; Turner 2004).152
Zusätzlich wurde gleichzeitig eine kapitalgedeckte private Rentenversicherung, die sogenannte Prämienrente (premiepension), implementiert, die
nun in das reformierte öffentliche Rentensystem integriert werden musste.
Dadurch ergeben sich zwei Vergleichsebenen, um die Einbettung zu evaluieren: Erstens wird die Markteinbettung mit dem alten öffentlichen System
verglichen und zweitens wird überprüft, welche Eigenschaften das reformierte öffentliche Rentensystem gegenüber der Prämienrente aufweist.
Das Hauptaugenmerk liegt auf dem zeitlichen Vergleich, das heißt vor und
nach der Reform. In den folgenden Abschnitten werden zuerst die Unterschiede des öffentlichen Systems, die auch die Prämienrente betreffen, analysiert, um anschließend die Einbettung der Prämienrente in das Rentensystem zu untersuchen.
Änderungen des gesamten Rentensystems
Der erste Teil betrifft vor allem die zwei Regulierungsdimensionen Zugangsvoraussetzungen und Finanzierungsmechanismus: Das gesamte Rentensystem ist
weiterhin universell. Alle Einwohner haben nach 40 Jahren Wohnsitz in
Schweden Anrecht auf die Garantierente, die weiterhin steuerfinanziert ist.
Ebenso zahlen alle Erwerbstätigen 17,21 Prozent ihres Bruttoeinkommens
in die einkommensbezogene Säule ein (Einkommens- und Prämienrente).153 Die obligatorischen Beiträge sind insgesamt gesunken, sodass die zusätzliche Prämienrente keine Mehrbelastung bedeutet (vgl. Tabelle 5).
Die ausschließliche Arbeitgeberfinanzierung der Beiträge wurde abgeschafft, denn auch die Arbeitnehmer bezahlen nun einen Teil der Beiträge.
Die Arbeitgeber entrichten aber weiterhin einen geringfügig höheren An-
——————
152 Ein weiteres wichtiges Reformelement war die sogenannte automatische Bremse
(brömsen). Das Rentenniveau sinkt demnach automatisch, wenn sich ökonomische und
demografische Eckdaten schlechter entwickeln als erwartet (Palme 2003; Scherman
2004). Obwohl die Bremse politisch als unangreifbar gilt, verabschiedete die Reinfeldt
Koalition eine Steuersenkung für Rentner, sodass sie netto von einer automatischen
Rentenminderung nicht betroffen waren (Skatteutskottets betänkande 2009/10:SkU24).
Ebenso wurde die Regelaltersgrenze flexibilisiert. Das Regelrentenalter wurde von 65 auf
67 angehoben, allerdings kann die Rente voll oder in Teilen schon ab dem 61. Lebensjahr mit Abschlägen in Anspruch genommen werden. Ein späterer Renteneintritt erhöht
hingegen die Rentenleistungen (Köppe 2007: 174; Kruse 2003). Im Jahr 2011 wurde eine
weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze diskutiert (Dir. 2011:34).
153 vgl. Fußnote 50.
260
WOHLFAHRTSMÄRKTE
teil als die Arbeitnehmer (~60 % des Gesamtbeitrags, vgl. Tabelle 6).154
Wie bereits erläutert, hat dieser Wandel insbesondere politisch-symbolische
Bedeutung.
Der fortbestehende Universalismus und die veränderte Finanzierung
betreffen das gesamte Rentensystem, das heißt sowohl den privaten
(Prämienrente) als auch den öffentlichen (Garantierente, Einkommensrente) Teil des Rentensystems. Die ergänzende Prämienrente wurde, wie
eingangs erwähnt, häufig als Pfadbruch bezeichnet, weil eine private Rentenversicherung grundsätzlich nicht zum schwedischen Modell passe
(Belfrage/Ryner 2009; Mahon 2007). Die Prämienrente wurde aber in
diesen beiden Regulierungsdimensionen vollständig in die Institution eingebettet und es besteht kein Unterschied zum reformierten öffentlichen
Rentensystem (Green-Pedersen/Lindbom 2006).
Im Vergleich zum alten Rentensystem wurde der universelle Zugang
beibehalten. Auch die Kapitaldeckung ist keine institutionelle Neuerung.
Ebenso wurden Kapitalrücklagen im Wert von rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Einkommensrente gebildet (vgl. Abbildung 6).
Schließlich ist die Prämienrente nur ein ergänzender Wohlfahrtsmarkt
(layering), denn lediglich rund 13,5 Prozent der gesamten Beiträge fließen in
das neue System.
Ausschließliche Regulierung der Prämienrente
Einige weitere Eigenschaften des neuen Marktes sprechen für eine Integration der Prämienrente in das sozialdemokratische Wohlfahrtsregime
Schwedens. Die folgenden Eigenschaften beziehen sich ausschließlich auf
die Prämienrente und weisen dennoch eine Einbettung in das Rentensystem auf:
2. Leistungsstruktur. Für eine Einbettung der Prämienrente spricht der Beitragsbezug. Wie auch bei der ATP-Rente sind die Leistungen der Prämienrente von den geleisteten Beiträgen abhängig. Allerdings bedeutet die Abkehr von der Leistungszusage (DB) zur Beitragsorientierung (DC), dass die
——————
154 Bei Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze verschiebt sich der Anteil weiter zu
Ungunsten der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerbeiträge sind mit der Grenze gedeckelt,
für die Arbeitgeberbeiträge gilt diese Bemessungsgrenze nicht, weshalb der Arbeitgeberanteil bei Einkommen über 383.250 SEK (~40.000 €) pro Jahr (2010) mehr als 60 % beträgt.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
261
Versicherten nicht mehr direkt von ihren Beiträgen auf die Rentenhöhe
schließen können. Die tatsächliche Rentenhöhe hängt maßgeblich von der
Kursentwicklung und den getroffenen Anlageentscheidungen ab. Wohlgemerkt betrifft dieser Wandel zur Beitragsorientierung sowohl die Einkommens- als auch die Prämienrente. Das bedeutet, der Wandel betrifft das
gesamte Rentensystem und nicht nur die marktförmige Prämienrente.155
3. Finanzierungsmechanismus. Wie schon in Tabelle 5 dargelegt, werden 2,3
Prozent des Bruttoeinkommens in die Prämienrente investiert (siehe auch
Fußnote 50). Die Beiträge sind steuerfrei, ebenso wie die Beiträge zur Einkommensrente (14,9 Prozent). Als weitere Kosten sind die Verwaltungsgebühren für die Rentenfonds und die Prämienrentenbehörde (PPM
– Pensionsmyndighet, s. Verwaltung) zu nennen. Da die Prämienrente obligatorisch ist, bestehen keine steuerlichen Anreize.
4. Verwaltung. Wie auch die Einkommensrente wird die Prämienrente staatlich verwaltet. Im Jahre 2002 wurde mit der Prämienrentenbehörde (PPM)
eine neue regierungsunabhängige – aber staatliche – Behörde gegründet,
deren Aufgabe darin bestand, die Anbieter und Produkte zu zertifizieren,
die Anlagekonten zu verwalten, die Beiträge bei den Anbietern zentral
anzulegen sowie die Bürger bei ihrer Anlagestrategie zu beraten. Im Jahr
2010 wurde die PPM mit der allgemeinen Rentenversicherung zu einer
Rentenbehörde (Pensionsmyndighet) zusammengefasst, die seitdem für alle
Belange des allgemeinen Rentensystems zuständig ist (Prop. 2008/09:202).
Die Fondsabteilung (Fondenheten) der Rentenbehörde ist nunmehr für die
Aufgaben zuständig, die vorher ausschließlich von der PPM ausgeführt
wurden.156 Die Marktmechanismen wurden von der Zusammenlegung der
beiden Behörden nicht tangiert, für die Versicherten besteht aber der Vor-
——————
155 Bei der Rentenhöhe ist auch anzumerken, dass die Einkommens- und Prämienrente
zusammen auf die Grundrente angerechnet werden (Sundén 2000: 11). Das Berechnungsverfahren folgt dem Prinzip der »Rentenprüfung«, denn andere Einkommensquellen
(Betriebsrenten etc.) werden bei der Ermittlung der Grundrente nicht berücksichtigt.
Diese Integration der Rentenprüfung ist ein weiteres Indiz für die Einbettung der Prämienrente.
156 Von den rund 250 Mitarbeitern (Stand 2003, PPM 2003: 8) sind die meisten in die neue
Rentenbehörde übernommen worden und alle unterstützenden Dienstleistungen (Internetauftritt, Informationsmaterial, Presseabteilung etc.) sind in der neuen Behörde aufgegangen. Die konkrete Verwaltung der Prämienrente ist lediglich als eigenständige Abteilung von 20 Mitarbeitern (2011) erhalten geblieben. Quelle: Persönliche Kommunikation
mit der Rentenbehörde.
262
WOHLFAHRTSMÄRKTE
teil, nur einen Ansprechpartner für alle Fragen zur Altersvorsorge zu
haben. Insgesamt entspricht dieses Modell der staatlichen Kontenverwaltung und Beratung der eingangs erwähnten freiwilligen Zusatzversicherung von 1914.
Die zentrale staatliche Verwaltung hat einen positiven Nebeneffekt für
die Versicherten, denn die Verwaltungsgebühren der PPM sind extrem
niedrig (0,3–0,5 %) im Vergleich zu anderen privaten Rentenversicherungen, weil die Fondseinlagen kollektiv anstatt individuell verwaltet werden (Prop. 1999/2000:46).
5. Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit wurde mit der Prämienrente zwar erhöht,
blieb aber auch begrenzt, weil die private Versicherung obligatorisch ist.
Die Ausweitung der Wahloptionen bestand hauptsächlich darin, dass Banken und Versicherungen Altersrenten anbieten, die nach individuellen
Risikopräferenzen ausgewählt werden können (Opt-within). Die Wahlfreiheit der Rentenfonds wurde 2001 eingeführt und 2010 grundlegend reformiert, weshalb zuerst das ursprüngliche und anschließend das reformierte
System der internen Wahlfreiheit erläutert wird.
Wahlfreiheit 2001–2009:
Zwischen 2001 und 2009 konnten die Versicherten frei wählen, in welchen
der zugelassenen Fonds sie ihre Beiträge investierten. Die Wechsel zwischen den Fonds waren individuell betrachtet kostenfrei, weil die Wechselgebühren in einer globalen Verwaltungsgebühr von der PPM mit anderen
Verwaltungskosten zusammengefasst wurden, die vom Versichertenkollektiv getragen wurde. Die Versicherten, die viele Wechsel durchführten, bezahlten genauso viel wie die Versicherten, die keine Wechsel
vornahmen. Die kostenlosen Wechsel des Portfolios ermöglichten eine
hohe Wahlfreiheit und die Korrektur von Fehlentscheidungen ohne finanzielle Transaktionskosten.157 Maximal konnten 5 Fonds im persönlichen
Portfolio gehalten werden (Palme 2003: 156).158 Insgesamt bestand eine
breite Angebotspalette von verschiedenen Anbietern und Produkten.159
——————
157 Informationskosten und ähnliche indirekte Transaktionskosten fielen trotzdem an.
158 Diese Maximalregelung gilt über 2010 hinaus.
159 Jeder Fondsmanager durfte maximal 25 Rentenfonds registrieren. Konsortialanbieter,
d.h. ein Zusammenschluss von Fondsmanagern (förvaltargrupp), durften maximal 50
Fonds registrieren (Prop. 2009/10:44: 27, SOU 2005:87: 171).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
263
Für jene, die von ihrer Wahloption in der Prämienrente keinen Gebrauch machten, existierte bis Ende 2009 der staatliche Prämiensparfonds
(Premiesparfonden). Vom staatlichen Sjunde AP-fonden (AP7) wurde der Prämiensparfonds verwaltet.160 Wer sich jedoch einmal aktiv für einen privaten Fonds entschied, konnte nicht mehr in den öffentlichen Prämiensparfonds zurückkehren. Alle neuen Sparer erhielten anfangs von der PPM
einen Brief, der zu einer aktiven Entscheidung und Anlagestrategie ermunterte, sprich sie sollten den Prämiensparfonds verlassen.161 Der Prämiensparfonds war eher konservativ zusammengestellt und schnitt insbesondere in Krisenphasen relativ erfolgreich ab.
Die zweite staatlich verwaltete Alternative war der Prämienwahlfonds
(Premievalfonden). Der Prämienwahlfonds war ein Mix aus festverzinslichen
Fonds und Aktienfonds. AP7 bot somit eine Anlage mit mittlerem Risiko
an und richtete sich mit dem Prämienwahlfonds an durchschnittliche Anleger. Das staatliche Siegel suggerierte aber fälschlicherweise eine sichere
Anlage, denn der hohe Aktienanteil barg ein höheres Risiko, als es beispielsweise für ältere Versicherte empfehlenswert gewesen wäre.
Zusätzlich zur freien Fondswahl wurden verschiedene Leistungsoptionen eingeführt, wie eine Teilrente (25/50/75/100 Prozent), flexibles
Rentenalter ab 61 Jahren, Hinterbliebenenschutz und Rentensplitting, die
letzten beiden Optionen sind nur in der Prämienrente möglich (Köhler
1999; Palmer 2000). Die Wahloptionen wurden also behutsam erweitert,
die Versicherungspflicht wurde aber nicht angetastet und für alle die nicht
von ihren Wahlfreiheiten Gebrauch machten, existierte ein staatlicher
Fonds.
Wie schon in Kapitel 4.1.2 (S. 142 ff.) diskutiert, verblieben viele Versicherte in dem staatlichen Prämiensparfonds ohne eine aktive Wahl zu
treffen (u.a. Sundén 2005). Obwohl der staatliche Prämiensparfonds für
——————
160 Obwohl der Sjunde AP-fonden ein staatlich verwalteter Fond war (und ist), vergab er
Teilaufträge an schwedische Privatbanken, um die Investitionen aktiv zu managen und
zu verwalten, d.h. private Subunternehmer sind an dem öffentlichen Fonds beteiligt
(http://www.ap7.se/sv/hur-vi-arbetar/Aktieplaceringar/Intern-och-extern-aktieforvalt
ning).
161 Bis 2006 wurden alle neuen Sparer, d.h. überwiegend Berufsanfänger mit geringem
Anlagekapital angeschrieben. Im Jahr 2007 änderte die PPM ihre Kommunikationsstrategie und ermunterte nur diejenigen Sparer, die größere Summen im Prämiensparfonds hatten und längere Zeit im System waren. Die Strategie war zumindest dahingehend erfolgreich, dass die Anzahl derer, die den Prämiensparfonds verließen, von
10.000 auf über 90.000 zwischen 2001 und 2007 anstieg. Dennoch verblieb die überwiegende Mehrheit der Sparer im Prämiensparfonds (Prop. 2009/10:44: 30).
264
WOHLFAHRTSMÄRKTE
den Durchschnitt der Versicherten eine gute Wahl war, verloren andere
Versicherte viel Geld, weil die Risikostruktur des staatlichen Fonds nicht
ihren Bedürfnissen entsprach. Beispielsweise hielten ältere Versicherte kurz
vor dem Renteneintritt ein relativ risikoreiches Portfolio, obwohl konservative Anlagen wie festverzinsliche Papiere und Staatsanleihen in dieser
Lebensphase zu präferieren sind. Umgekehrt wurde nicht berücksichtigt,
dass jüngere Versicherte in riskantere Anlagen investieren können, weil sie
mögliche Kurseinbrüche über einen langfristigen Investitionszeitraum im
Portfolio ausgleichen können (Legros 2006; Sjögren Lindquist/Wadensjö
2011).
Wahlfreiheit seit 2010:
Aufgrund dieses Anlegerverhaltens und unter Einbeziehung von Forschungsergebnissen und Experten der Psychologie und Verhaltensökonomie wurde der Prämiensparfonds 2010 grundlegend reformiert
(Prop. 2009/10:44: 37; SOU 2005:87). Die Änderungen traten im Januar
und Mai 2010 in Kraft.
Erstens werden seit Januar 2010 für jeden Wechsel des Anlagekontos
Gebühren erhoben. Die Wahlfreiheit wurde damit eingeschränkt. Hauptgrund für diese Einschränkung war das ungleiche Wechselverhalten der
Versicherten. Wie in Kapitel 4.1.2 (S. 142 ff.) erläutert, wechselte nur ein
kleiner Teil der Versicherten regelmäßig und häufig das Portfolio. Eine
kleine Minderheit profitierte deshalb von dieser Reglung auf Kosten der
Mehrheit der Versicherten. Das politische Ziel war hier mehr Gerechtigkeit
zu schaffen, indem die Versicherten die Wechselkosten tragen, die sie verursachen und die Vorteile des Wechsels nutzen.
Zweitens können die Fondsmanager weniger Rentenfonds anbieten.162
Diese Regelung wird zwar eine drastische Ausweitung des Angebots verhindern, dennoch besteht weiterhin Wachstumspotenzial, weil die derzeit
rund 80 Anbieter die theoretisch maximale Anzahl von 2000 Fonds noch
nicht ausgeschöpft haben (vgl. Tabelle 8).
Drittens wurden der globale Prämiensparfonds und der Prämienwahlfonds im Mai 2010 abgeschafft. Der Sjunde AP-fonden (AP7) legte sechs
neue Fonds auf, die stärker das Alter und die Risikopräferenzen der Versicherten berücksichtigen. Im Endeffekt wurden zwei grundverschiedene
——————
162 Die maximale Anzahl der Fonds pro Fondsmanager wurde einheitlich auf 25 beschränkt. Wenn Fondsmanager sich als Konsortialanbieter zusammenschließen, wird der
Fonds der Konsortialanbieter seit 2010 mitgezählt (Prop. 2009/10:44: 27).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
265
Fonds aufgelegt (Aktien- und Rentenfonds) und die anderen vier angebotenen Produkte kombinieren die beiden Fonds in Anteilen (Offensiv, Balanserad, Försiktig, Såfa).163 Die Versicherten können den Mix aus Aktien- und
Rentenfonds aber auch selbstständig bestimmen und andere Prozentanteile
auswählen.
Der Standardfonds für alle Versicherten, die keine Wahlentscheidung
treffen, ist seit Mai 2010 der staatliche Lebenszyklusfonds Såfa (Statens årskullsförvaltningsalternativ). Die Risikostruktur wird automatisch dem Alter der
Versicherten angepasst, sodass sich die Versicherten vertrauensvoll auf
dem Sofa zurücklehnen können, wie das Akronym nahelegt.164 Der Standardfonds steht im Gegensatz zum alten Prämiensparfonds auch denjenigen offen, die sich zu einem früheren Zeitpunkt aktiv für andere Fonds
entschieden hatten. Es besteht also nun die Möglichkeit, nach einer Phase
des aktiven individuellen Portfoliomanagements wieder in einen staatlich
gemanagten Fonds zurückzukehren.
Der neue Standardfonds und die anderen fünf angebotenen staatlichen
Fonds berücksichtigen das bisher beobachtete Wahlverhalten der schwedischen Versicherten besser. Die sechs neuen staatlichen Alternativen bieten
sehr einfache und übersichtlichere Anlageoptionen an, die nach Risikostruktur gestaffelt sind. Wenn keine Wahlentscheidung erfolgt, wird das
Portfolio automatisch dem Alter der Versicherten angepasst. Die Entscheidung das Portfolio aktiv zu managen ist nicht endgültig, sondern kann
auch wieder rückgängig gemacht werden. Auf diese Weise wird dem Bedürfnis nach Sicherheit und Wahlfreiheit auf unterschiedliche Weise entsprochen: Einerseits wurde die Wahlfreiheit eingeschränkt, weil ein
Fondswechsel teurer geworden ist. Seit 2010 fallen Gebühren für jeden
——————
163 Der Aktienfonds (AP7 Aktiefond) hat ein hohes Risiko, verlangt relativ hohe Gebühren
(0,15 %), erhöht aber die Chance hoher Renditen. Der zweite Fonds ist ein Rentenfonds
(AP7 Räntefonds) aus festverzinslichen Papieren (schwedische Staatsanleihen, Obligationen), der eine hohe Sicherheit, geringe Gebühren (0,09 %), jedoch geringere Renditen
verspricht. Drei zusätzliche Fonds kombinieren den Aktien- und Rentenfonds zu verschiedenen Anteilen und ermöglichen somit zwischen individuellen Risikopräferenzen
auszuwählen. Der »offensive« Fonds enthält 75 % vom Aktienfonds (AP7 Offensiv), der
»gemischte« Fonds enthält 50 % vom Aktienfonds (AP7 Balanserad) und der »vorsichtige« Fonds enthält 33 % vom Aktienfonds (AP7 Försiktig). Die Differenz zu hundert
Prozent wird jeweils in den Rentenfonds angelegt.
164 Bis zum Alter von 55 Jahren wird das gesamte Kapital in den Aktienfonds investiert.
Danach werden jährlich drei Prozent des Kapitals in den Rentenfonds umgeschichtet,
bis zum Alter von 75 Jahren, wenn 67 % des Kapitals im Rentenfonds und 33 % im Aktienfonds investiert sind (entspricht dem Försiktig-Fonds).
266
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Wechsel im Portfolio an. Diese Transaktionskosten könnten Versicherte
davon abhalten, ihr Portfolio regelmäßig anzupassen. Anderseits wurde die
Wahlfreiheit in Bezug auf die staatlich gemanagten Fonds erhöht. Es besteht die Möglichkeit wieder in den staatlichen Standardfonds zurückzukehren und die höhere Transparenz der staatlichen Fonds erhöht ebenfalls die Wahlfreiheit.
Was bedeuten diese ganzen Optionen und Änderungen für die Wahlfreiheit insgesamt? Alles in allem wurde die Wahlfreiheit der Prämienrente
in das sozialdemokratische Rentensystem eingebettet, weil eine Versicherungspflicht besteht und alle Versicherten der Einkommensrente auch eine
Prämienrente erwerben. Gleichzeitig wurde die Wahlfreiheit innerhalb der
Prämienrente mit der Gründung des Wohlfahrtsmarktes ausgeweitet (Optwithin), denn es bestehen viele Wahloptionen zwischen den einzelnen
Fonds. Zusätzlich wurde aber ein staatlicher Standardfonds eingerichtet,
der diejenigen aufnimmt, die keine Wahlentscheidung treffen. Mit der
jüngsten Reform wurde der staatliche Einfluss auf die Wahlfreiheit erhöht,
indem einfache Produkte angeboten werden, die individuelle Entscheidungen über das Portfolio abnehmen. Der »sozialdemokratische Paternalismus« setzt auf Pflichtversicherungen, Standardoptionen und Wahloptionen werden nur innerhalb des Wohlfahrtsmarktes unter staatlicher
Kontrolle (Standardfonds, Verwaltung, Informationen) ermöglicht (vgl.
Kapitel 3.3).
Pfadabhängigkeit und Neuerfindung?
In der Literatur wurde meist der institutionelle Wandel durch die Reform
betont (Anderson/Meyer 2003; Belfrage/Ryner 2009; Mahon 2007;
Schludi 2005), insbesondere die Ergänzung der Umlagefinanzierung durch
das kapitalgedeckte Element der Prämienrente wurde dabei hervorgehoben
(Myles/Pierson 2001). Allerdings wird hier übersehen, dass auch im öffentlichen umlagefinanzierten Rentensystem Rücklagen gebildet wurden. Zentraler für die Marktschaffung ist die Einführung von privaten Anbietern
und Wettbewerb zwischen ihnen. Die Regulierung des Marktes folgt jedoch in den grundlegenden Eigenschaften dem öffentlichen Rentensystem
(vgl. ähnliches Argument bei Green-Pedersen/Lindbom 2006), wie die
folgenden Ausführungen unterstreichen.
Wie das Eingangszitat von Anders Borg suggeriert, ist die Rentenreform und Marktgründung in den 1990er Jahren eine »Neuerfindung des
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
267
schwedischen Modells«, weil Modernisierungen behutsam und inkrementell vorgenommen wurden und weil die wesentlichen Eigenschaften der
alten Institution (Universalismus, staatliche Verwaltung, Obligatorium) im
gesamten reformierten Rentensystem beibehalten wurden. Ebenso teilen
die Prämienrente und die Einkommensrente Regulierungsmerkmale wie
Rentenprüfung, Einkommensbezug und Versicherungspflicht. Laut Anna
Hedborg (AH 192) zeige das neue Rentensystem
»auch den sozialdemokratischen Sieg im Herzen der Gegner. Es ist ein allgemeines
[universelles] System, das gleichzeitig einkommensbezogen und umverteilend
ist«.165
Die Prämienrente ist somit vollständig in das schwedische Rentensystem
integriert.
Man kann im Fall der Prämienrente nur bedingt von einer Anlagerung
an die bestehenden Institution sprechen (layering nach Streeck/Thelen
2005b). Die Einbettung der Prämienrente in das reformierte Rentensystem
erfolgte aus einem Guss, sodass man nicht direkt von einer autonomen
Institution sprechen kann, die eine eigene Wachstumsdynamik entfalten
kann. Der finanzielle Rahmen der Prämienrente ist klar begrenzt und entgegen der Annahme, dass viele Versicherte in private Fonds investieren
würden, haben sehr viele den staatlichen Fonds gewählt. Die Eigenständigkeit der Prämienrente hat zu keinem unintendierten Wachstum geführt. In
der jüngsten Reform wurde die organisatorische Autonomie sogar verringert, denn die Prämienrentenbehörde hat ihre Eigenständigkeit eingebüßt
und ist nur noch eine Unterabteilung der allgemeinen Rentenbehörde.
Zwar wurde das gesamte Rentensystem reformiert und mit der Prämienrente wurden Marktmechanismen implementiert, die Grundeigenschaften
blieben allerdings in den untersuchten Regulierungsdimensionen erhalten.
Die erhöhte Wahlfreiheit ist in diesem Kontext eine Innovation, die
insbesondere in der Mittelschicht die Legitimation des schwedischen Modells erhöhte. Aber auch die neuen Wahloptionen wurden in das Rentensystem integriert und sind in diesem Sinne typisch für ein sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime, in dem Gleichheit und Universalismus
zentrale Ziele der Sozialpolitik sind. Ersten ist die private Vorsorge obligatorisch, wie auch die Einkommensrente (Universalismus). Zweitens wur-
——————
165 Wörtliche Zitate aus schwedischen Interviews und Publikation wurden in dieser Arbeit
vom Autor übersetzt. Auf englische Übersetzungen wurde verzichtet, um möglichst den
original Wortlaut zu erhalten.
268
WOHLFAHRTSMÄRKTE
den mehrere Unterstützungssysteme für die Versicherten eingebaut, die bei
der Wahlentscheidung helfen (Gleichheit). Die Rentenbehörde informiert
die Versicherten umfassend über die verfügbaren Rentenfonds und der
Staat bietet selbst Rentenfonds an, die zumindest das Anlagerisiko verringern.
Die Gründung des Wohlfahrtsmarktes für private Rentenfonds erfolgte
also im engen institutionellen Rahmen des existierenden Systems. Welche
Machtkonstellation hat diese starke Einbettung begünstigt? Welche Akteure hatten ein starkes Interesse diese Einbettung in das Rentensystem zu
forcieren? Der folgende Abschnitt wird insbesondere auf die weitreichende
Wirkung der Rentenarbeitsgruppe (pensionsarbetsgrupp) eingehen, die in veränderten parteipolitischen Konstellationen den Reformprozess maßgeblich
beeinflusste.
Einbettung im Konsens hinter verschlossenen Türen
Wie eingangs erläutert, wurde die Rentenreform in zwei Schritten in den
1990er Jahren ausgearbeitet und verabschiedet. Bisherige Analysen haben
insbesondere die Macht der Gewerkschaften (Anderson/Meyer 2003) und
der Spitzenbeamten (Marier 2005) in dem Reformprozess betont. Die
folgende Analyse wird aufzeigen, dass die Reform maßgeblich durch einen
parteipolitischen Konsens möglich wurde (Green-Pedersen/Lindbom
2006; Lindbom 2001). Im Prozess der Konsensfindung wurde der politische Spielraum kleiner, weil alle Parteien der Reform zustimmen mussten,
weshalb die Märkte nach dem Vorbild der existierenden Renteninstitutionen und den Merkmalen des sozialdemokratischen Regimes eingebettet
wurden.
Als die bürgerliche Koalition, bestehend aus Konservativen (Moderaterna, M), Zentrumspartei (Centerpartiet, C), Christdemokraten (Kristdemokratiska Samhällspartiet, KD) und Liberalen (Folkpartiet liberalerna, FP), 1991
an die Macht kam, waren sozialpolitische Reformen weit oben auf der
Agenda. Ein Hauptanliegen der bürgerlichen Regierung war die Kürzung
von Sozialleistungen und die Privatisierung staatlicher Institutionen.
Bevor die bürgerliche Regierung an die Macht kam, herrschte bereits
ein breiter Konsens über die Notwendigkeit zur Reform, weil die langfristige Finanzierung des ATP-Systems nicht garantiert war. Die Wirtschaftskrise zwischen 1990 und 1993 erhöhte den Reformdruck auf die
Sozialsysteme und vor allem auf das umlagefinanzierte Rentensystem.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
269
Obwohl hohe Rentenrücklagen in dem öffentlichen ATP Rentenfonds
waren, geriet die Rentenversicherung in finanzielle Schwierigkeiten aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der hohen
Arbeitslosigkeit. Diese ökonomischen Bedingungen unterstrichen die Position des bürgerlichen Lagers, eine Privatisierung des Rentensystems durchzusetzen und einen Wohlfahrtsmarkt für Rentenfonds einzuführen, versprechen kapitalgedeckte Rentenversicherungen doch eine Entlastung
öffentlicher Haushalte. Die endgültige Verabschiedung der Reformgesetze
dauerte aber bis 1998/2000, als die Sozialdemokraten an der Macht waren
und der Staatshaushalt Überschüsse produzierte. Ausschlaggebend für die
endgültige Verabschiedung der Rentenreform war also nicht das wirtschaftliche Umfeld, obwohl sowohl die ersten Reformentwürfe von der
Wirtschaftskrise beeinflusst waren als auch die Notwendigkeit zur Reform
durch die Finanzierungsengpässe offenbar wurde. Im Folgenden werde ich
jedoch zeigen, welche politischen Konstellationen die institutionelle Einbettung der Prämienrente begünstigt haben.
Die Rentenkommissionen und die Erzielung des Grundkonsens
Die zentrale politische Institution zur Erzielung des Konsenses war die
Rentenarbeitsgruppe (Pensionsarbetsgruppen – PAG). Sie wurde 1991 von Bo
Könberg (BK), dem zuständigen liberalen Sozialversicherungsminister,
eingesetzt. Tabelle 20 gibt einen Überblick über alle Kommissionsmitglieder sowie der Nachfolgekommission.166
Größere Reformvorhaben werden typischerweise in Schweden von Regierungskommissionen, sogenannten öffentlichen Untersuchungen (SOU –
Statens öffentliga utredningar), vorbereitet (Jahn 2003). Aufgrund der Erfahrungen mit dem gescheiterten Rentenauschuss167 war Könberg daran
gelegen, eine möglichst kleine Gruppe von Politikern zu formen, mit denen sowohl offene Diskussionen geführt werden können als auch poli-
——————
166 Zusätzlich gibt die Tabelle an, mit welchen Kommissionsmitgliedern Interviews geführt
wurden. Die Interviews bilden neben offiziellen Dokumenten im Weiteren die Grundlage für die Analyse der politischen Einbettung der Prämienrente (Gläser/Laudel 2004;
Legard u.a. 2003).
167 Könberg war von 1984–1990 Mitglied des Rentenausschusses, der ebenfalls Vorschläge
zur Reform des Rentensystems erarbeiten sollte. Die Kommission scheiterte u.a., weil
die vielen Mitglieder (Abgeordnete, Gewerkschaften, Industrie, Rentnerverband etc.)
überwiegend Partikularinteressen vertraten und sich nicht auf eine Position einigen
konnten (SOU 1990:76).
270
WOHLFAHRTSMÄRKTE
tische Verhandlungen möglich wären, um eine weitreichende Reform zu
erzielen (BK 31–33). Könberg versuchte mit der kleinen Kommission
»so viel Vertrauen wie möglich zueinander aufzubauen, um neue Ideen einzubringen,
als auch um bereit zu sein sich zurückzunehmen, wenn jemand gute Argumente
dagegen hatte« (BK 56, Hervorhebungen Autor).
Mit dieser Rentenkommission wurde der Entscheidungsprozess von Beginn an so gestaltet, dass eine Konsensfindung über ideologische Grenzen
hinweg wahrscheinlicher wurde als auch innovative und »neue Ideen« in
die Diskussion eingebracht werden konnten.
Tabelle 20: Interviewte Abgeordnete und Mitgliedschaft in Rentenkommissionen
(1991–2006)
Abgeordnete
Partei
Könberg, Bo
Wiklund, Pontus
Westerholm, Barbro
Gennser, Margit
Pettersson, Åke
Hedborg, Anna
Thalén, Ingela
Hoffman, Ulla
Klingvall, Maj-Inger
Björnemalm, Maud
Kjörnsberg, Arne
Svensson, Hans
fp
kd
fp
m
c
s
s
v
s
s
s
s
PAG
(1991–1994)
X
X
X
X
X
X
X
X (93–94)
GG
(1994–2006)
X
X
X
X (–96)
X (–96/99–)
X (96–99)
X
X
X (96–99)
Interviews
KL SK
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Quelle: eigene Zusammenstellung (Loxbo 2007; Marier 2008: 109).
Anmerkungen: in kursiv zentrale Akteure, v: Vänsterpartiet (Linkspartei), s: Socialdemokratiska
Arbetarpartiet (Sozialdemokraten), c: Centrumspartiet (bäuerliche Zentrumspartei), m: Moderaterna (Säkular-Konservative), kd: Kristdemokraterna (Christdemokraten), fp: Folkets Partiet
(Liberale Volkspartei), nd: Ny Demokrati (Rechtspopulisten)
PAG: Rentenarbeitsgruppe, Pensionsarbetsgruppen (1991–1994), GG: Durchführungsgruppe, Genomförandegruppen (1994–2006); Nicht interviewt wurden folgende Mitglieder der PAG (Per Börjesson, v; Leif Bergdahl, nd) und GG (Rose-Marie Frebran, kd). Könberg und Wiklund waren auch
Mitglieder im Rentenausschuss, Pensionsberedningens betänkande (1984–1990).
Die letzten beiden Spalten geben an von wem die Interviews durchgeführt wurden: KL = Karl
Loxbo, SK = Stephan Köppe. An dieser Stelle herzlichen Dank an Karl Loxbo, der seine Interviews für die Sekundäranalyse zur Verfügung gestellt hat.
Die Hauptforderung der Liberalen und Konservativen war die Einführung
einer kapitalgedeckten privaten Rentenversicherung, ebenso forderten sie
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
271
die Umstellung von der 15/30-Regel zum Lebenseinkommensprinzip. In
den folgenden Verhandlungen und Diskussionen waren diese beiden Reformelemente parteipolitisch und ideologisch am meisten umkämpft, dennoch konnte frühzeitig eine Einigung mit den Sozialdemokraten erzielt
werden, beide Änderungen einzuführen. Bereits im Sommer 1992 wurde
ein Eckpunktepapier von der PAG verabschiedet, das die große Linie der
Reform vorzeichnete (Ds 1992:89). Zum Jahreswechsel 1993/94 wurde
eine detailliertere Einigung über das Lebenseinkommensprinzip erzielt und
der Beitrag für die Prämienrente auf zwei Prozent festgelegt. Konkretere
Eckpfeiler der Prämienrente waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, aber die Einführung eines fondsbasierten privaten Systems war
bereits Konsens. Andere Prinzipien wie Universalismus, Obligatorium und
Beitragsfinanzierung waren von Anfang Konsens und nicht Teil der Verhandlungen in der Kommission. Damit waren sowohl die Markteinführung
der Prämienrente als auch die Reformrichtung der einkommensbezogenen
ATP-Rente umstritten, aber nicht die zentralen Eigenschaften des sozialdemokratischen Regimes wie Universalismus und Obligatorium. Könberg
schildert diesen Konsens folgendermaßen:
»Bei der Konzipierung der schwedischen Rentenreform war das Ziel, ein Pflichtsystem zu behalten, das allen älteren Menschen einen guten Lebensstandard bietet«
(Könberg 1998: 224).
Nachdem dieser Grundkonsens erzielt war, lag den zentralen Verhandlungsführern zwischen bürgerlichem Lager und Sozialdemokraten, Bo
Könberg und Anna Hedborg, daran die Grundprinzipien möglichst schnell
zu implementieren, um das Thema aus dem bevorstehenden Wahlkampf
im Herbst 1994 zu halten (SOU 1994:20), sodass das Gesetz bereits im
Sommer mit einer breiten Mehrheit verabschiedet wurde.168
Mit der Teilimplementierung 1995 wurden insbesondere die Finanzierung und die Leistungsberechnung verändert. Seit 1995 wurden zwei
Prozent der Beiträge in einen staatlichen Kapitalfonds einbezahlt und die
Rente wurde seitdem nach dem Lebenseinkommensprinzip berechnet.
Trotz dieser grundlegenden Entscheidung für eine private Komponente im
Rentensystem war die institutionelle Ausgestaltung der Prämienrente noch
nicht endgültig beschlossen. Die Rentenarbeitsgruppe wurde als Durchführungsgruppe mit einer fast identischen Mitgliederkonstellation weitergeführt, um zu betonen, dass der Grundkonsens nicht mehr angetastet wird
——————
168 Zustimmung im Reichstag 85 %.
272
WOHLFAHRTSMÄRKTE
und lediglich die konkrete Implementierung der Reform ausgehandelt
werden müsse (vgl. Größere Reformvorhaben werden typischerweise in
Schweden von Regierungskommissionen, sogenannten öffentlichen
Untersuchungen (SOU – Statens öffentliga utredningar), vorbereitet (Jahn
2003). Aufgrund der Erfahrungen mit dem gescheiterten Rentenauschuss
war Könberg daran gelegen, eine möglichst kleine Gruppe von Politikern
zu formen, mit denen sowohl offene Diskussionen geführt werden können
als auch politische Verhandlungen möglich wären, um eine weitreichende
Reform zu erzielen (BK 31–33). Könberg versuchte mit der kleinen
Kommission
»so viel Vertrauen wie möglich zueinander aufzubauen, um neue Ideen einzubringen,
als auch um bereit zu sein sich zurückzunehmen, wenn jemand gute Argumente
dagegen hatte« (BK 56, Hervorhebungen Autor).
Mit dieser Rentenkommission wurde der Entscheidungsprozess von Beginn an so gestaltet, dass eine Konsensfindung über ideologische Grenzen
hinweg wahrscheinlicher wurde als auch innovative und »neue Ideen« in
die Diskussion eingebracht werden konnten.
). Damit war das bürgerliche Lager die treibende Kraft hinter der
Einführung des Rentenmarktes, die institutionelle Einbettung war zu
diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht erfolgt. Lediglich sozialdemokratische
Grundpfeiler wie eine obligatorische Versicherung waren allgemeiner
Konsens.
Kritik von Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Spitzenbeamten
Erst nach der Reichstagswahl 1994 regte sich langsam Widerstand im linken Lager der sozialdemokratischen Parteibasis und in den Gewerkschaften. Die sozialdemokratischen Verhandlungsführer waren sehr skeptisch bezüglich der Einführung von Wahlfreiheit und der daraus resultierenden Ungleichheit. Sie setzten sich vehement für den Sjunde AP-fonden
ein, um allen Versicherten eine Alternative zu individuellen Rentenfonds
zu bieten (BK 88).
Der Hauptkonflikt entwickelte sich aber erneut an dem Lebenseinkommensprinzip. Die linke Parteibasis und insbesondere Mitglieder des
feministischen Flügels kritisierten die Abkehr von der 15/30-Regel. Von
der alten Regel profitierten vor allem gutverdienende Frauen, die spät ins
Berufsleben eingestiegen und aufgrund von Kinderbetreuung eine längere
Unterbrechung ihrer Versicherungsbeiträge aufwiesen, um später eine
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
273
hohe Rente basierend auf ihren besten 15 Jahren zu erhalten (Ståhlberg
1995a; 1995b; Ståhlberg u.a. 2006). Aus diesem Grund lehnte auch der
Dachverband der Angestellten Gewerkschaften (Tjänstemannens Centralorganisation – TCO) die Abschaffung der 15/30-Regel ab. Der anfängliche
Widerstand der sehr einflussreichen Arbeitergewerkschaft (Landsorganisationen i Sverige – LO) konnte jedoch gebrochen werden, indem in langen
Diskussionen aufgezeigt wurde, dass vor allem weibliche gering qualifizierte Angestellte, die überwiegend Mitglieder der LO waren, von der Reform profitieren würden (Anderson/Meyer 2003). Da die LO großen politischen Einfluss auf die schwedischen Sozialdemokraten hatte, war somit
zumindest ein innerparteilicher Kritiker in den Konsens eingebunden.
Zwischen 1996 und 1997 stand der Kompromiss mit den Sozialdemokraten dennoch auf der Kippe, weil die Parteibasis gegen den von der PAG
erzielten Grundkonsens von 1992/94 rebellierte. Erst ein vehementes
Eintreten von Ingela Thalén und Hans Svensson (beide Kommissionsmitglieder der GG) auf dem sozialdemokratischen Parteitag 1997 ermöglichte
die Fortsetzung der Verhandlungen unter der Auflage die Arbeitgeberfinanzierung im Reformpaket zu stärken (Loxbo 2007).
Ebenso gelang es, einen möglichen internen Widerstand der bestehenden Alterssicherungsinstitutionen durch eine personelle Neubesetzung zu
umgehen. Karl Gustaf Scherman war von 1981 bis 1996 Direktor des
Reichsversicherungsamtes (Riksförsäkringsverket, seit 2005 Försäkringskassan)
und ihm folgte Anna Hedborg, als einflussreiches Mitglied aus der Rentenarbeitsgruppe.169 Der Personalwechsel an der Spitze des Reichsversicherungsamtes war vermutlich ein entscheidendes Puzzleteil für die Durchsetzung der Rentenreform. Erstens büßte ein interner Kritiker (Scherman
2000; 2003; 2004; 2006) und potenziell starker Vetospieler eine machtvolle
Position ein (KGS 19). Zweitens eröffneten sich der zentralen sozialdemokratischen Reformgruppe um Hedborg neue direkte und informelle Informationskanäle durch die Leitung des Reichsversicherungsamts.
Beitragshöhe und Arbeitgeberanteil der Prämienrente
In den letzten Verhandlungsmarathon Ende 1997 gingen Hedborg (AH)
und Thalén mit dem Auftrag der Parteibasis, den Finanzierungsmodus neu
——————
169 Mit KG Scherman (KGS) wurde auch ein Experteninterview geführt und ausgewertet.
Zur Rolle der schwedischen Bürokratie während des Reformprozesses und von
Scherman im Besonderen siehe auch Marier (2005).
274
WOHLFAHRTSMÄRKTE
zu verhandeln. Das Hauptanliegen der beiden sozialdemokratischen Verhandlungsführerinnen war, an dem »Grundsatz eines großen öffentlichen
Rentensystems« festzuhalten (AH 36), das heißt eine Pflichtversicherung
für alle Schweden zu erhalten, die Garantierente zu erhöhen und den Anteil der Prämienrente möglichst gering zu halten.
Sie konnten aber nicht beides erreichen, weil es dem Grundkompromiss von 1994 widersprach. Wie das Eingangszitat von Kapitel 5.3.1
verdeutlicht, war den bürgerlichen Parteien die Prämienrente am wichtigsten. Unter allen Umständen sollte eine private Rentenversicherung eingeführt werden, die konkrete Ausgestaltung der Prämienrente war dem bürgerlichen Lager zweitrangig. Die Prämienrente war deshalb der Preis, den
die Sozialdemokraten zahlen mussten, um ihre Forderung nach einer robusten Garantierente und einer Dominanz des Umlagesystems durchzusetzen.
Ein letzter Konfliktpunkt war schließlich die Arbeitgeberfinanzierung.
Sowohl Könberg als auch Hedborg bewerten die Diskussion um die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge als symbolische Grundsatzfrage, die
in der sozialen Wirkung irrelevant sei. Die sozialdemokratische Parteibasis
kritisierte jedoch scharf diesen Wechsel von der Arbeitgeberfinanzierung
zur paritätischen Finanzierung. Dies widersprach allerdings den Reformprinzipien von 1994. Das bürgerliche Lager witterte deshalb die Chance,
ein größeres Gewicht der Prämienrente einzufordern. Dem ursprünglichen
Vorschlag von zwei Prozent waren harte Verhandlungen vorangegangen.
Nur der Widerstand der Sozialdemokraten verhinderte 1994 einen größeren Anteil der Prämienrente. Da die Sozialdemokraten den Aspekt der
Arbeitnehmerfinanzierung nun neu verhandeln wollten, konnten die bürgerlichen Parteien bei der Prämienrente Zugeständnisse von den Sozialdemokraten abtrotzen. Das Ergebnis der Verhandlungen war schließlich,
dass die Sozialdemokraten einen größeren Arbeitgeberanteil (~60 %)
durchsetzen konnten und im Gegenzug einer Erhöhung des Beitragsanteils
der Prämienrente von 2 auf 2,5 Prozent zustimmten (Loxbo 2007: 103).170
Die sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder setzen diese symbolische Politik nur wegen des Drucks der Parteibasis um. Aufgrund der
symbolträchtigen Arbeitgeberbeiträge wurde ein etwas größerer Wohlfahrtsmarkt eingeführt als im ursprünglichen Kompromiss von 1994 ver-
——————
170 Der Anteil der Prämienrente an den Gesamtbeiträgen stieg dadurch von 10,8 % auf
13,5. Der Bruttoanteil stieg damit von rund 1,9 % auf 2,3 % von insgesamt 17,91 % Beitragsanteil (vgl. Fußnote 50).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
275
einbart. In diesem Punkt stand die symbolische Parteipolitik über einer
rationalen Eindämmung des Wohlfahrtsmarktes. Oder anders ausgedrückt:
Die sozialdemokratische Präferenz für ein stärkeres öffentliches umlagefinanziertes Rentensystem wurde für einen eher symbolischen Finanzierungsmechanismus preisgegeben.
Staatliche Verwaltung und Wahlfreiheit der Prämienrente
Obwohl der ursprüngliche Kompromiss von 1994 bereits die Prämienrente
enthielt, waren viele Details der Regulierung der Prämienrente noch nicht
ausgearbeitet, insbesondere die Verwaltung und Wahloptionen der Prämiensparkonten. Die Durchführungsgruppe beauftragte Lennart Låftman mit
der Ausarbeitung eines Entwurfs. Zwischen Dezember 1994 und Juni 1996
erarbeitete Lennart Låftman relativ autonom einen Entwurf, der eine minimale staatliche Beteiligung bei der Verwaltung der Prämienrentenfonds
vorsah (SOU 1996:83). Die Beiträge sollten direkt an die Fondsverwalter
überwiesen werden, folglich waren keine staatliche Verwaltungsbehörde
oder kein staatlicher Standardfonds in seinem Vorschlag vorgesehen. Die
Ansparphase war in dem Vorschlag als individuelle Sparanlage gedacht,
ohne Versicherungsfunktion. Das angesparte Kapital wäre bei einem Ableben vor dem Rentenbezug deshalb nicht in den Versicherungspool zurückgeflossen. Hans Svensson (HS) beschreibt die Ausarbeitung der Prämienrente folgendermaßen:
»So that [Låftman] proposal […] was just taken away. Then we had a long
discussion in this five party group and decided to - once again - see if it was
possible to develop another type of system. Then we appointed Mr. Hans
Jacobsson as investigator of that, and Mr. Låftman has worked with himself, with a
secretariat, without nearly any contact with the ministries or the politicians. Mr.
Jacobsson was working very close with my group so we had meetings almost every
week or every fortnight. Discussions how to create it and then when he came back
with his proposals, we put it out the way we were doing in Sweden, with everyone
having opinions about it. And then taking that with us into the forthcoming bill.«
(HS 41).
Im neuerlichen Kommissionsauftrag zur Regulierung der Prämienrente
wurde diesmal ausdrücklich eine regelmäßige Konsultation und intensive
Zusammenarbeit mit der GG erwünscht (Dir. 1997:46). Ebenso wurden in
dem Dokument konkrete Ideen formuliert, die später Eingang in die Regulierung der Prämienrente fanden. Im Kommissionsauftrag kommt bei-
276
WOHLFAHRTSMÄRKTE
spielsweise eine Präferenz für eine staatliche Behörde zum Ausdruck, eine
privatwirtschaftliche Gesellschaft (bolag) wurde jedoch noch nicht verworfen, falls sich eine staatliche Behörde als ungeeignet herausstellen sollte
(Dir. 1997:46: Kapitel 5.1). Ebenso wurde festgelegt, dass die Versicherten
die Verwaltungskosten (Versicherung, Fonds, Wechsel) begleichen sollten.
Die Kommission sollte Vorschläge unterbreiten, wie die Versicherten informiert werden sollen (Informationen über Anlagekapital und Fondswahl)
und ob eine Zinsgarantie sinnvoll sei (vgl. deutsche Riester-Rente Kapitel
5.2.1). Schließlich stand auch schon fest, dass ein staatlicher Fonds für
diejenigen gegründet werden sollte, die keinen individuellen Fonds wählen.
Als Ende 1997 die letzten Verhandlungen innerhalb der Durchführungsgruppe begannen, waren also schon einige Grundeigenschaften
der Prämienrente einvernehmlich entschieden. Die Prämienrente sollte
obligatorisch sein, eine zentrale Verwaltung sollte geschaffen werden, die
Verwaltung der Konten sollte durch Gebühren finanziert werden und die
Versicherten sollten eine Wahlfreiheit zwischen den Fonds während der
gesamten Ansparphase und gegebenenfalls darüber hinaus haben.
Dem Kommissionsauftrag kann man eine allgemeine Präferenz der
Durchführungsgruppe für eine staatliche Behörde entnehmen, zumindest
bestand ein Konsens über die Gründung einer unabhängigen Behörde –
staatlich oder privat. In den Dokumenten und Interviews wurden zumindest keine nennenswerten Auseinandersetzungen über diese Frage erwähnt.
Der Hauptkonfliktpunkt war neben dem endgültigen Beitragssatz (s.o.)
die Wahlfreiheit der Versicherten. Die Sozialdemokraten setzten durch,
dass der staatliche Sjunde AP-Fonden gegründet wurde, wie Hedborg betont:
»Wenn man die Bürger dazu zwingt, Geld in Kapital- und Aktienfonds anzulegen,
kann man nicht riskieren, dass die Bürger nicht die Chance haben das Beste zu
bekommen, was man als Staat bewerkstelligen kann. Wenn man sie zum Sparen
zwingt, dann muss man nach bestem Vermögen eine Nichtwahlalternative
[schaffen]« (AH 125).
Als Gegenleistung für den staatlichen AP-Fonds setzte das bürgerliche
Lager weitreichende Wahlfreiheiten bei der Auswahl der privaten Rentenfonds durch. Die Fondswechsel wurden sehr einfach gestaltet. Die Lizenzierungskriterien schränken die Angebotspalette kaum ein, weil beispielsweise auf einen Garantiezins oder andere limitierende Kriterien verzichtet
wurde. Lediglich die Anzahl der Fonds pro Anbieter wurde eher pragmatisch als ideologisch eingeschränkt (HS 96: »Swedbank called us and said
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
277
›Hi, we’d like to offer 800 funds‹, for only one player. We realized we
needed to create ceilings in the system.«). Die Sozialdemokraten setzten im
Endeffekt das Obligatorium und den staatlichen AP-Fonds durch, wohingegen das bürgerliche Lager sein Ziel von individuellen Rentenfonds ohne
große Lizenzierungsbeschränkungen erreichte.
Fazit Prämienrente
Wenn der politische Prozess insgesamt betrachtet wird, ist hervorzuheben,
dass die Reform hinter verschlossenen Türen von dem kleinen Kreis in
den Rentenkommissionen geschmiedet wurde. Sie beruht auf einem parteiübergreifenden Konsens, dessen Akteure das schwedische Rentensystem
und damit auch die sozialdemokratischen Merkmale des Wohlfahrtsregimes langfristig erhalten wollten. Grundprinzipien des neuen Wohlfahrtsmarktes wie die Versicherungspflicht und Beitragsfinanzierung waren
allgemeiner Konsens und nicht Teil der parteipolitischen Auseinandersetzung. Umkämpft waren der Grad der Wahlfreiheit und die Finanzierung
(gesamter Beitragsanteil und der Arbeitgeberanteil). Die sozialdemokratische Handschrift ist selbst bei diesen Konfliktpunkten zu erkennen. Ein
staatlicher Fonds wurde eingeführt, um für die »Nichtwähler« eine
angemessene alternative Anlageform zu bieten. Mit der jüngsten Reform
wurden die staatlichen Fonds sogar gestärkt und damit auch der sozialdemokratische Charakter der Prämienrente. Auch bei der letzten Reform
verständigten sich die Parteien des ursprünglichen Kompromisses auf eine
weitere einvernehmliche Zusammenarbeit und setzten 2008 eine Fortsetzungskommission ein, die über die Weiterentwicklung des Rentensystems berät (Pensionsgruppen, vgl. Tabelle 20).171
Obwohl der Beitragssatz schließlich im Vergleich zum ursprünglichen
Vorschlag etwas höher ausfiel, ist der Anteil mit 13,5 Prozent der Gesamtbeiträge vergleichsweise gering (vgl. Tabelle 5). Auch die symbolische Arbeitgeberfinanzierung ist weiterhin höher als in Deutschland und den USA.
Insgesamt konnten also Eigenschaften des sozialdemokratischen Wohl-
——————
171 Die Kommission firmiert überwiegend als Rentengruppe (Pensionsgruppen), wird aber
auch als Kontrollgruppe (Kontrollgruppen) bezeichnet (http://www.regeringen.se/sb/d/
14903). Sie setzte sich aus folgenden Abgeordneten zusammen (Stand Oktober 2014):
Ulf Kristersson (m, 10–), Christina Pehrsson (m, –10), Mats Nilsson (m, –10), Lars-Arne
Staxäng (m, 10–), Solveig Zander (c), Lars Gustafsson (kd), Tobias Krantz (fp, 07–09),
Ulf Nilsson (fp, 09–), Thomas Eneroth (s, 07–08, 10–), Veronica Palm (s, 08–10), Kurt
Kvarnström (s).
278
WOHLFAHRTSMÄRKTE
fahrtsregimes auf die Prämienrente übertragen werden, weil ein parteiübergreifender Konsens dazu beigetragen hat, dieses System zu modernisieren, ohne die Grundeigenschaften der schwedischen Sozialpolitik
anzutasten. Die Prämienrente wurde eng in das existierende Rentensystem
eingebettet und die starke Regulierung der Beitragshöhe verhindert ein
unintendiertes Wachstum des Wohlfahrtsmarktes gegenüber dem öffentlichen Rentensystem.
5.3.2 Bildungsmarkt: Freie Schulen – Vereinheitlichung,
Dezentralisierung und Privatisierung
»The big reform was made in 1993. Everything that has happened afterwards have
been small alterations of the system, even when the social democrats came back«
(Per Unckel, PU 25).
»Even if the ideological battle in educational policies still is fierce, the
concept of choice, the existence of independent schools and their right to
public means is today accepted by practically all political parties in Sweden«
(Odd Eiken, 2009: 1).
Seit dem Ende der 1970er Jahre entwickelte sich in mehreren kleinen Reformschritten ein universeller Bildungsmarkt in Schweden, der seit 2002
jedem Schüler den Besuch von lizenzierten Privatschulen kostenlos ermöglicht. Die Reformen erfolgten inkrementell, weshalb in diesem Kapitel die
drei Reformphasen 1979–1991, 1991–1994 und 1994–2002 einzeln behandelt werden. Die Marktschaffung 1991–1994 wird in diesem Zusammenhang ausführlicher behandelt, weil 1992 die Privatschulen für alle Schüler
zugänglich wurden, indem einheitliche Schulgutscheine eingeführt wurden.
Die vorhergehenden Reformschritte (1979–1991) haben die Marktschaffung (1992) substanziell vorbereitet und die folgende Phase (1994–2002)
hat den Bildungsmarkt stabilisiert.172
Das erste Unterkapitel legt zunächst die Entstehung des öffentlichen
Bildungswesens bis Anfang der 1980er Jahre dar. Anschließend werden die
drei Reformschritte der Privatschulfinanzierung anhand der fünf Regulie-
——————
172 Die Analyse der Marktschaffung greift überwiegend auf Interviewmaterial mit politischen Akteuren zurück (Gläser/Laudel 2004), wohingegen die Analyse der restlichen
Reformphasen auf einem Quellenstudium und Sekundärliteratur basiert.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
279
rungsdimensionen vorgestellt. In den jeweiligen Unterkapiteln werden auch
die politischen Rahmenbedingungen für die Reform ausführlich behandelt.
Das Hauptargument ist, wie auch im vorherigen Kapitel, dass die Sozialdemokraten maßgeblich zur Einbettung in das sozialdemokratische Regime
beitrugen, allerdings waren sie nicht die Initiatoren für den Bildungsmarkt.
Bürgerliche Parteien waren die Hauptantriebskräfte hinter der Marktschaffung 1991–1994 und kreierten ursprünglich einen liberaleren Bildungsmarkt. Den Sozialdemokraten fiel in der folgenden Reformphase die Rolle
zu, an zentralen Stellschrauben zu drehen und den Bildungsmarkt stärker
in das existierende Bildungssystem einzubetten. Beispielsweise bereiteten
die Sozialdemokraten den Weg für einen universellen Zugang zu öffentlichen und privaten Schulen. Im Fazit wird dann die Einführung des Bildungsmarktes zusammengefasst.
Das öffentliche Schulsystem unter sozialdemokratischer Hegemonie
Im schwedischen Schulsystem existierten bis Anfang der 1990er Jahre
kaum private Anbieter (vgl. Tabelle 10) und auch die freie Schulwahl war
bis dato nicht Bestandteil des Schulsystems. Wie auch in Deutschland
entwickelte sich das öffentliche Schulwesen im 19. Jahrhundert und verdrängte zu der Zeit private Schulen beziehungsweise die Unterrichtung zu
Hause (Richardson 2004). Die Ursprünge des schwedischen Schulsystems
ähneln zum Teil der kontinental-europäischen Entstehungsgeschichte mit
privaten Grundschulen für die Eliten und Schulgebühren für die Sekundarschulen.
In den 1950/60er Jahren erfolgte jedoch eine Sozialdemokratisierung
des schwedischen Schulsystems. Mit der Einführung der Einheitsschule
entwickelte sich ein Schulwesen, das mit der kontinentaleuropäischen Tradition brach. Die Reformanstrengungen folgten dem Ideal einer Erziehung
zu verantwortungsvollen Staatsbürgern in einer gleichen und demokratischen Gesellschaft. Die Reform bewirkte aber auch eine Dominanz des
Staates im Schulsystem. Seitdem waren endgültig die Lehrinhalte, die
Schulfinanzierung, die Verwaltung und die Lehrtätigkeit entweder in zentralstaatlicher oder kommunaler Hand. Den meisten Privatschulen wurde
die Geschäftsgrundlage entzogen und nur einige wenige etablierte Internate und städtische Gymnasien überstanden die sozialdemokratischen
Reformen (Miron 1994: 7).
280
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Anders als in Kontinentaleuropa wurde Bildungspolitik in den nordischen Wohlfahrtsstaaten integraler Bestandteil der Sozialpolitik
(Heidenheimer 1981; Kangas/Palme 2005: 159). Entsprechend wäre zu
erwarten, dass das schwedische Bildungswesen viele Eigenschaften des
sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes aufweist. Und tatsächlich enthielt
das schwedische Schulwesen in den Regulierungsdimensionen Anfang der
1980er Jahre Merkmale eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes
(Eurydice 2003; Richardson 2004; Werler/Claesson 2007):
1. Zugangsvoraussetzungen. Der Zugang zu der einheitlichen Grundschule war
universell. Es fand keine Segregation nach Leistung oder Herkunft statt.
Im Sekundarbereich II, den sogenannten Gymnasien, wurde zwar nach
Leistung differenziert, dies erfolgte jedoch innerhalb einer Institution.
2. Leistungsstruktur. Die Leistungsstruktur der öffentlichen Schulen war
relativ umfassend. Der Unterricht fand ganztags statt, wodurch keine zusätzliche Nachmittagsbetreuung erforderlich war. Alle Schüler erhielten
kostenfrei zusätzliche Leistungen, die über den Unterricht hinausgingen
wie Mittagessen, Schultransport und Unterrichtsmaterialien. Zusätzliche
pädagogische Leistungen (Nachhilfe etc.) wurden von privaten Anbietern
angeboten, waren aber unüblich.
3. Finanzierungsmechanismus. Die Schulfinanzierung erfolgte aus allgemeinen
Steuermitteln des Staatshaushaltes.
4. Verwaltung. Ebenso waren die Verwaltung und der Betrieb der öffentlichen Schulen streng hierarchisch organisiert. Die Zentralregierung erließ
Schulgesetze und Richtlinien, die durch die zentrale Schulbehörde (Skolöverstyrelsen, SÖ) umgesetzt wurden. Der Staat war auch offizieller Arbeitgeber der Lehrer. Die zentrale Schulbehörde erteilte detaillierte pädagogische (Kurrikulum) und finanzielle (Schulbudgets) Vorgaben. Die
Kommunen, die eigentlichen Betreiber der Schulen, setzten die Vorgaben
lediglich um und hatten kaum Handlungsautonomie.
5. Wahlfreiheit. Eine Wahlfreiheit existierte im Grundschulbereich praktisch
nicht, weil die Schuleinzugsbereiche determinierten, welche Schule für die
Schüler einer Wohngegend zuständig war. Bei den Gymnasien hatten die
Schüler etwas mehr Wahlfreiheit, praktisch konnte jedoch nur zwischen
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
281
den öffentlichen Gymnasien derselben Gemeinde gewählt werden, mit
geringen inhaltlichen und pädagogischen Unterschieden zwischen den
Schulen.
Tabelle 21: SCHWEDEN BILDUNG – Die Regulierung der öffentlichen Schulen
Ende der 1980er Jahre und der Privatschulen 2002
Typ
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
öffentliche Schulen (Ende 80er)
universell
Grundbildung (inklusive
Schulmahlzeiten, Förderunterricht)
Steuern
Verwaltung
Staat (Skolverket)
Wahlfreiheit
gering, Wahl zwischen
öffentlichen Schulen,
Privatschulen als Opt-in
Privatschulen (fristående skolor)
universell
Grundbildung (inklusive
Schulmahlzeiten, etc.), evtl.
bes. pädagogisches Profil
Steuern, zusätzliche Gebühren verboten
Staat (Skolverket) und
Kommunen
sehr hoch (Opt-within), Wahl
zwischen öffentlichen und
privaten Schulen, große Auswahl, keine Beschränkungen
Quelle: eigene Darstellung, Unterschiede kursiv.
In diesem regulativen Rahmen wurden kaum noch Privatschulen betrieben
und ein Bildungsmarkt existierte praktisch nicht (vgl. Kapitel 4.2). Die
Finanzierung und Zulassung der Privatschulen variierte je nach Schule und
wurde durch das Privatschulgesetz geregelt (SFS 1966:115). Die Finanzhilfen reichten von über Jahrzehnte gewachsenen staatlichen Zuschüssen
pro Schule bis zu überhaupt keiner öffentlichen Förderung, obwohl die
Schulen ein ähnliches Konzept und eine vergleichbare Struktur aufwiesen
(Miron 1993; SOU 1981:34).173
Ausgehend von diesen Eigenschaften des schwedischen Bildungssystems Ende der 1970er Jahre werden die folgenden Abschnitte aufzeigen,
wie schrittweise ein universeller Bildungsmarkt in Schweden eingeführt
——————
173 Von rund 35 Privatschulen erhielten neun zentralstaatliche Finanzhilfe, andere erhielten
kommunale Finanzhilfen (teilweise in Sachleistungen). Zwei estnische Schulen wurden
beispielsweise aus humanitären Gründen unterstützt. Die älteste Waldorfschule wurde
finanziell unterstützt, um die pädagogische Vielfalt zu fördern und mit Unterrichtsmethoden zu experimentieren. Später gegründete Waldorfschulen (9) erhielten aber keine Finanzhilfe. Dasselbe Durcheinander aus Finanzhilfen fand sich bei internationalen
und konfessionellen Schulen wieder.
282
WOHLFAHRTSMÄRKTE
wurde. Dem gingen Veränderungen der separaten Regulierung öffentlicher
und privater Schulen voraus, das heißt in den mehr oder weniger getrennten Schulgesetzen für beide Schulformen, bis schließlich die Regulierung
(und insbesondere die Finanzierung) öffentlicher und privater Schulen
vereinheitlicht wurde und seitdem praktisch keine separate Gesetzgebung
mehr existiert.
Vorbereitung der Marktliberalisierung in den 1980er Jahren
Die Vorbereitung auf die Marktliberalisierung des Bildungsmarktes Anfang
der 1990er Jahre begann rund zehn Jahre zuvor. Das erste Reformpaket
reformierte vor allem die Finanzierungsgrundlage der privaten Schulen und
das zweite Reformpaket dezentralisierte das öffentliche Schulwesen. Beide
Reformen erleichterten die Marktliberalisierung 1991, weil die kleinen inkrementellen Reformen grundlegende Institutionen zur Einführung eines
Bildungsmarktes implementierten.
Vereinheitlichung der staatlichen Finanzhilfe und ein neuer Begriff
(1979–1987)
In der ersten Reformphase wurden zwei Grundvoraussetzungen für eine
Marktschaffung erreicht. Erstens wurde diskursiv ein neuer Begriff für
Privatschulen eingeführt und zweitens wurde die fragmentierte staatliche
Finanzhilfe für Privatschulen weitestgehend vereinheitlicht.
Sowohl bürgerliche als auch sozialdemokratische Regierungen führten
die Reformen durch, die Hauptinitiative ging jedoch von den bürgerlichen
Regierungen 1979–1982 aus.174 Die Pläne der bürgerlichen Regierungen
zur Vereinheitlichung der Finanzhilfe für Privatschulen wurde kurz vor der
Abwahl der bürgerlichen Regierung im Herbst 1982 umgesetzt (Prop.
1982/83:1; SFS 1983:97; SOU 1981:34).
1. Positive Begriffsbesetzung. Mit dieser Reform wurde der erste Grundstein
zur Schaffung des Wohlfahrtsmarktes gelegt, dieser war allerdings weniger
institutioneller oder finanzieller Natur, sondern diskursiver. Bis Ende der
1970er Jahre wurden verschiedene Begriffe zur Bezeichnung privater Schu-
——————
174 Fälldin I (1976–78, Mehrheitsregierung aus c, m, fp), Ullsten (1978–79, Minderheitsregierung fp), Fälldin II (1979–81, Mehrheitsregierung aus c, m, fp), Fälldin III (1981–
82, c, fp).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
283
len verwendet, die mehr oder weniger normativ aufgeladen waren.175 Die
Reformkommission führte den ihrer Argumentation nach wertneutralen
Begriff fristående skolor ein, um sich explizit von alten Vorstellungen abzugrenzen (SOU 1981:34). Wörtlich übersetzt würde es »freistehende« Schule
bedeuten. Andere mögliche Übersetzungen wären aber auch »freie« oder
»unabhängige« Schule, die meines Erachtens entgegen der Kommissionsauffassung eine positive Konnotation hervorrufen, ohne gleich mit konservativen oder neoliberalen Werten in Verbindung gebracht zu werden.
Dieser Begriff wurde fortan einheitlich in den Gesetzestexten und Statistiken verwendet (Prop. 1982/83:1; SFS 1983:97; Skolverket 2009), womit
eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz von Privatschulen allein durch
eine neuartige Begriffsbesetzung erreicht wurde. Seit der Einführung des
Begriffs fristående skolor wird im allgemeinen Sprachgebrauch dennoch häufig die kürzere Variante friskolor verwendet.176 Insbesondere friskolor ist
positiver besetzt und kann als »freie Schulen« übersetzt werden. Die
kürzere Variante ruft nicht nur positive Assoziationen hervor, sondern
kann auch besser als Schlagwort und politischer Kampfbegriff verwendet
werden. Die positive und eingängige Begriffsbesetzung hat somit das diskursive Feld für die Einführung eines Wohlfahrtsmarktes bereitet.
2. Vereinheitlichung der Privatschulfinanzierung. Als zweiter inkrementeller Reformschritt wurden die institutionellen und finanziellen Rahmenbedingungen für die existierenden (und potenziell auch neuen) privaten Grundund Sekundarschulen vereinheitlicht. Von der bürgerlichen Regierung
wurde zunächst die Privatschulfinanzierung der Grundschulen vereinheitlicht (1983) und dieser Weg wurde von der folgenden sozialdemokratischen Regierung für die Gymnasien fortgesetzt (Prop. 1983/84:118,
Februar 1984).177
——————
175 Die eher bürokratische und altertümliche Bezeichnung skolor med enskilda huvudman
(Schulen in besonderer Trägerschaft) wurde am häufigsten verwendet. Üblich waren
aber auch Begriffe wie privatskola (Privatschule), enskild skola (hier im Sinne von individueller/besonderer Schule), friskola (freie Schule).
176 Eine Suche im Online Archiv der Qualitätszeitung Dagens Nyheter ergab, dass der
Begriff friskola mehr als doppelt so häufig verwendet wurde wie fristående skolor. Das entspricht rund 56 Artikeln mehr pro Jahr, die den Begriff friskolor enthalten. Der Untersuchungszeitraum der Suchanfrage umfasste 2002–2011 und wurde am 21.03.2012
durchgeführt. Doppelte Artikel wurden nicht heraussortiert.
177 Die folgende Analyse stützt sich auf die Gesetzesvorlagen und Kommissionsvorschläge
der Grundschulen (Prop. 1982/83:1; SOU 1981:34) und Gymnasien (Prop.
1983/84:118; SOU 1983:1).
284
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die 1983/84 implementierten Regeln zur staatlichen Finanzbeihilfe
(statsbidrag) ähnelten stark den aktuellen deutschen Regeln (vgl. Kapitel
5.2.2). Privatschulen wurden nur zugelassen wenn eine pädagogische Ergänzung zu den staatlichen Schulen nachgewiesen wurde, sodass auch Konfessionsschulen ein besonderes pädagogisches Profil vorweisen mussten.
Die Zulassungsregelungen für private Gymnasien wurden etwas liberaler
gestaltet.
Schulgebühren durften ähnlich wie in Deutschland keine segregierende
Wirkung haben (vgl. Kapitel 5.2.2). Die schwedische Formel lautete jedoch, dass die Schulgebühren »angemessen« sein mussten, um eine staatliche Finanzhilfe zu erhalten.178 Dies wurde mit dem Ziel verbunden, dass
die Privatschulen mehr als bisher Schüler aus allen sozialen Schichten aufnehmen sollten. Die Privatschulen mussten deshalb irgendeine Form von
Gebührenermäßigung oder -befreiung einführen, die die Einkommensund Besitzverhältnisse der Eltern berücksichtigt, zusätzliche Kriterien
konnten allerdings aufgestellt werden (beispielsweise Wohnortnähe o.ä.,
Prop. 1982/83:1: 97). Bemerkenswerterweise war ein Unternehmensgewinn nicht ausdrücklich verboten, solange die Gewinne »angemessen«
waren.
Die wichtigste Neuerung zur Vorbereitung einer Marktliberalisierung
war, dass die Finanzbeihilfe pro Schüler gewährt wurde, was vorher nicht
der Fall war. Dieser Betrag ersetzte rund 50 Prozent der tatsächlichen Gesamtausgaben pro Schüler.179 Mit der Umstellung auf die Pro-KopfFinanzierung wurden Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen
Privatschultypen abgeschafft und ein direkter Vergleich der Kosten an
öffentlichen Schulen wurde möglich.
Bei den privaten Gymnasien kam hinzu, dass eine Obergrenze implementiert wurde. Diese Regelung limitierte ein ungeregeltes Marktwachstum
und verhinderte auch eine Konkurrenz untereinander, weil die verfügbaren
Plätze zwischen den Schulen zentral zugeteilt wurden.
——————
178 Im Unterschied zu Deutschland konnten schwedische Privatschulen »unangemessene«
Schulgebühren verlangen und wurden trotzdem zugelassen, gleichwohl ohne die staatliche Finanzhilfe zu erhalten.
179 Der Grundbetrag (förstärkningsresurs belopp) richtete sich nach den durchschnittlichen
Bruttopersonalausgaben öffentlicher Schulen. Für existierende Privatschulen mit bislang
höheren Beihilfen wurde ein Bestandsschutz gewährt, bis die neue Finanzhilfe das Niveau der alten Förderung erreichte. Für neue Privatschulen galt eine Wartezeit von drei
Jahren.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
285
Außerdem wurde weiterhin von einem Primat der staatlichen Schulbildung ausgegangen: »Die Gesellschaft hat die übergreifende Verantwortung für den Schulbesuch und die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen« (Prop. 1982/83:1: 14). Im Gesetzentwurf wurde deshalb explizit
darauf hingewiesen, dass aus den Regelungen kein Recht auf staatliche
Finanzhilfe abgeleitet werden kann (Prop. 1982/83:1: 33).
Akteure der Vereinheitlichung
Der politische Prozess in der ersten Reformphase war von einem allgemeinen Konsens und technokratischer Reformtätigkeit geprägt. Die Vorschläge der SEH-Kommission wurden in beiden Reformpaketen fast wortwörtlich übernommen. Beide Male wurden die Reformpakete von einer
Minderheitsregierung verabschiedet, die Vorschläge konnten also nur mithilfe der Oppositionsparteien durchgesetzt werden. Unter diesen politischen Umständen wird auch die Fortführung des eingeschlagenen Reformweges unter den Sozialdemokraten verständlich. Die Sozialdemokraten setzten die eingeleiteten Reformen der privaten Grundschulen bei
den privaten Gymnasien fort, weil sie bei dem ersten Reformpaket bereits
eingebunden worden waren. Sie konnten aber einer unkontrollierten
Marktausweitung einen Riegel vorschieben, indem sie Obergrenzen festlegten.
Dezentralisierung (1987–1991)
Die Dezentralisierung tangierte Privatschulen nur am Rande, sie veränderte
aber das Schulsystem so weit, dass die Einführung von Schulwahlmöglichkeiten und eine Privatisierung des Schulbetriebs mit geringerem
Reformaufwand möglich wurden (Naumann/Crouch 2009; Prop.
1989/90:41; Prop. 1990/91:18: 164–168; Richardson 2004: 146–168; SOU
1988:20).
Die Schulen waren nicht die einzigen sozialen Dienstleistungen, die zu
dieser Zeit dezentralisiert und den Kommunen übertragen wurden (u.a.
Pflegedienste; Blomqvist 2004). In Bezug auf den Schulbetrieb erhielten
Kommunen mit dem Schuljahr 1990/91 die vollständige Autonomie im
Rahmen des Kurrikulums.180 Die Kommunen bekamen seitdem pro Schü-
——————
180 Viele Kommunen richteten daraufhin eigene Bildungsreferate ein. Die bisher vom Staat
angestellten Lehrer wurden Angestellte der Kommunen. Auch die Autonomie jeder ein-
286
WOHLFAHRTSMÄRKTE
ler einen Pauschalbetrag von der Zentralregierung überwiesen und entschieden fortan selbst, wie sie die Mittel verwendeten und mit kommunalen Mitteln ergänzen konnten (Prop. 1989/90:41).181
In diesem Zuge änderten sich auch die Aufgaben der zentralen Schulbehörde (SÖ). Die alte Behörde wurde in Skolverket (Schulamt) umbenannt
und hatte fortan nur noch Steuerungs- und Überwachungsaufgaben
(Andersson/Nilsson 2000; Daun/Siminou 2005; Prop. 1990/91:18).182
Diese Dezentralisierung der Schulverwaltung und des Schulbetriebs
tangierte die Privatschulen zumindest peripher, weil die Berechnungsgrundlage der zentralstaatlichen Pauschalbeiträge für die Privatschulen
wegfiel. Im Zuge der Anpassung des Berechnungsverfahrens wurden die
staatlichen Zuschüsse für die Privatschulen beachtlich erhöht, was die
sozialdemokratische Regierung im Rahmen der einfachen Haushaltsgesetzgebung implementierte (Prop. 1990/91:100).183 Die Ad-hoc-Anpassung der
Privatschulfinanzierung an die dezentralisierte öffentliche Schulverwaltung
hatte somit indirekt einen positiven Effekt für Privatschulen: Die Privatschulen erhielten erheblich mehr Geld pro Schüler. Ebenso bestand nun
eine einheitliche Berechnungsgrundlage für die Finanzierung öffentlicher
und privater Schulen, obgleich noch Unterschiede in der Höhe der ProKopf-Zuschüsse erhalten blieben. Neben der Anpassung der staatlichen
Zuschüsse wurden die Voraussetzungen zum Erhalt der Finanzhilfe leicht
gelockert, womit die Gründung von privaten Grundschulen erleichtert
wurde.184
——————
zelnen Schule wurde gestärkt, indem die Schulleitung ihr Budget eigenständig verwalten
und eigene Prioritäten setzten konnte.
181 Der staatliche Beitrag pro Schüler deckte rund 50 % der Kosten der kommunalen
Schulen.
182 Das Skolverket formulierte weiterhin die Bildungsziele und -standards jedoch weniger
detailliert und behielt die Zuständigkeit für die praktische Aus- und Fortbildung der
Lehrer. Die Leistungen der Schüler wurden von nun an jährlich vom Skolverket evaluiert.
Unzureichend abschneidende Schulen werden anschließend stärker kontrolliert, dafür
bietet das Skolverket aber auch zusätzliche Unterstützung für diese Schulen an.
183 Für die Grundschulen wurde der Betrag pro Schüler um rund 40 % und für Gymnasien
um rund 24 % erhöht. Wenn man die durchschnittlichen kommunalen Kosten pro
Schüler aus dem Jahr 1992 als Vergleichsgröße heranzieht (47.800/57.000 SEK), ersetzte
der erhöhte staatliche Zuschuss 1991 rund 27/58 % der öffentlichen Kosten für Grund/Gymnasialschüler (eigene Berechnung).
184 Die Wartezeit von drei Jahren wurde abgeschafft.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
287
Akteure der Dezentralisierung
Die Dezentralisierung öffentlicher Dienstleistungen war nicht nur eine
Agenda der Sozialdemokraten, sondern wurde auch von den bürgerlichen
Parteien unterstützt. Das politische Ziel der Dezentralisierung war es, mehr
Bürgernähe zu erreichen und Bürokratie abzubauen, ohne Märkte einzuführen. Diese Reformstrategie war breiter Konsens unter den Parteien,
weshalb die Dezentralisierung parteipolitisch nicht sonderlich umkämpft
war. Diese Reformen stellten nicht die öffentliche Finanzierung oder Bereitstellung der sozialen Dienstleistungen in Frage. Die öffentlichen Schulen sollten weiterhin aus öffentlichen Mitteln finanziert werden und der
bisherige öffentliche Betreiber (Staat) wurde durch einen anderen öffentlichen Betreiber (Kommune) ersetzt. Die Sozialdemokraten ergriffen in
diesem Punkt die Initiative, weil sie erhofften somit ihr parteipolitisches
Kernziel einer starken öffentlichen Hand zu verfolgen (Daun 2003;
Lundahl 2002; Naumann/Crouch 2009).
Fazit – Marktvoraussetzungen und -grenzen
Am Ende dieser Reformen waren drei Grundvoraussetzungen für Wohlfahrtsmärkte erfüllt. Erstens existierte ein positiv besetzter Begriff für die
Privatschulen. Zweitens wurde die staatliche Finanzhilfe der Privatschulen
vereinheitlicht, sodass eine zentrale Steuerung der Zuschüsse erfolgen
konnte. Durch die Umstellung auf eine Pro-Kopf-Allokation der Mittel
haben alle Schulen theoretisch die gleichen Voraussetzungen und können
um Schüler konkurrieren. Und drittens wurden die Verwaltung und der
Betrieb der öffentlichen Schulen dezentralisiert, das heißt für die Regulierungsbehörde und Kommunen waren die öffentlichen Schulen autonome
Einheiten wie Privatschulen. Die Hauptaufgabe des verbliebenen staatlichen Schulamtes war die Steuerung und Evaluierung autonomer Schulen.
Ein einheitlicher und expandierender Bildungsmarkt wurde nur noch
durch drei institutionelle Stellschrauben verhindert. Erstens waren die gewährten Zuschüsse noch so gering, dass sich viele Eltern die zusätzlichen
Schulgebühren nicht leisten konnten, insbesondere im Vergleich zu den
kostenlosen öffentlichen Schulen und auch trotz sozial abgestufter Gebührenordnungen. Zweitens wurde die Finanzhilfe der Gymnasien gedeckelt
und verhinderte eine ungebremste Expansion. Außerdem bestand keine
Konkurrenz zwischen den Schulen, weil die Verteilung der Plätze von der
Schulbehörde festgesetzt wurde. Drittens war die Lizenzierung der Privat-
288
WOHLFAHRTSMÄRKTE
schulen restriktiv und Finanzhilfen wurden nur gewährt, wenn sie eine
Ergänzung zu den öffentlichen Schulen anboten. Diese letzten institutionellen Hürden zur Entfaltung von Marktkräften wurden in der Marktliberalisierungsphase zwischen 1991 und 1994 abgeschafft, wie der folgende Abschnitt darlegt.
Tabelle 22: Experteninterviews zum schwedischen Bildungsmarkt
Kürzel
AHU
Name
Anders
Hultin
Datum
18.10. 2010
OE
Odd
Eiken
Per
Unckel
Sven-Åke
Johansson
10.10. 2010
PU
SAJ
18.08. 2008
19.10. 2010
Position
PA der Bildungsministerin Beatrice Ask
(1991–1994), Gründer/Vorsitzender des
schwedischen Privatschulverbandes (Friskolornas Riksförbund, 1995–1999), seit 1999
verschied. Positionen in Privatschulen (u.a.
Kunskapsskolan 1999–2010).
Staatssekretär im Schulministerium (1991–
1994), im Vorstand Kunskapsskolan (2007–)
Bildungsminister (1991–1994), Mitbegründer der Kunskapsskolan 1999
Kommissionsvorsitzender der SOU
1992:38
Quelle: eigene Darstellung.
Marktliberalisierung (1991–1994)
Die Reformphase von 1991 bis 1994 ist im Vergleich zu den vorherigen
Reformphasen die zentrale Phase der Marktliberalisierung. Die Reformschritte in den 1980er Jahren bereiteten unbewusst die Einführung des
Bildungsmarktes vor, sodass die bürgerliche Regierung relativ wenig ändern musste, um ihr Wahlziel nach mehr Schulwahlmöglichkeiten und
privater Konkurrenz im öffentlichen Schulsystem zu erreichen. Da die
wichtige Marktschaffung in diese Reformphase fällt, wird die Regulierung
und politische Machtkonstellation ausführlicher dargestellt als bisher. Neben offiziellen Dokumenten fließen in diesen Abschnitt vor allem die Experteninterviews aus Tabelle 22 in die Analyse ein.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
289
Einheitliches Finanzierungssystem als sozialdemokratischer
Kommissionsauftrag
Die Ad-hoc-Anpassung der staatlichen Finanzhilfe im Zuge der Dezentralisierung wurde als eine provisorische Regelung implementiert und eine
grundlegende Überarbeitung wurde für die folgende Legislaturperiode
geplant. Kurz vor der Reichstagswahl im Oktober 1991 setzte Göran
Persson als zuständiger sozialdemokratischer Schulminister eine Kommission zur Unterbreitung von Vorschlägen zur Reform der staatlichen
Finanzhilfe für Grundschulen ein.
Der Auftrag der Kommission benennt sehr deutlich die Angleichung
der Finanzhilfe der Privatschulen an die Finanzierung der kommunalen
Schulen und eine allgemeine Gleichbehandlung der öffentlichen und privaten Schulen. Folgende zentrale Ziele wurden benannt (SOU 1992:38,
Hervorhebungen und Übersetzung Autor):
»Das Niveau der staatlichen Finanzhilfe für diese [privaten] Schulen soll weitaus
vergleichbarer sein mit der staatlichen finanziellen Unterstützung.« (145)
»Die Kommunen sollen die verfügbaren Ressourcen im Schulwesen sowohl an die
kommunalen als auch an die privaten Schulen innerhalb der Gemeindegrenzen auf
die gleiche Art und Weise verteilen, wie sie es auch machen würden, wenn alle Schulen in kommunaler Hand wären.«
»In dem Fall, dass Schulgebühren an einer Privatschule erhoben werden, müssen
sie angemessen sein. […] [Schulgebühren sollen] keine maßgebliche Finanzierungsquelle werden, ohne Gefahr zu laufen, dass sie sich lediglich zu einem segregierenden
Faktor entwickeln, der Schüler mit zahlungsschwachen Eltern ausschließt« (146).
Die Zitate belegen, dass die Sozialdemokraten eine stärkere Angleichung
der Finanzierung der kommunalen-öffentlichen und privaten Schulen erreichen wollten. Die Verteilung der Mittel sollte nach den gleichen Regeln
erfolgen, was zumindest auch einen stärkeren Wettbewerb zwischen beiden
Schulformen nahelegt. Gleichzeitig deuten die beiden letzten Zitate darauf
hin, dass die Sozialdemokraten ein universelles Schulsystem erhalten wollten, das allen Schülern den gleichen Zugang zu kommunalen und privaten
Schulen ermöglicht. Segregierende Effekte aufgrund von Schulgebühren
sollten verhindert werden.
290
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Marktliberalisierung durch die Konservativen
Nach der Reichstagswahl übernahm eine bürgerliche Koalition die Regierungsgeschäfte und Beatrice Ask (Konservative Partei) wurde zur Schulministerin ernannt. Sie fungierte somit als neue Vorsitzende der Kommission zur Ausarbeitung eines einheitlichen Finanzierungssystems. Die
Reformkommission blieb zwar formal bestehen, aber die zentralen Entscheidungen über die Prinzipien der Reform wurden im kleinen Kreis des
Schulministeriums gefällt, wie Per Unckel, der damalige Bildungsminister,
konstatiert:185
»We were a fairly small group that decided on the principles. You should
remember when we got into power in 1991 we had, just like the present
government by the way,186 a fairly detailed education and science agenda, that was
well worked out before we entered into the government. And that reform agenda
was passed through« (PU 39).
Die Stoßrichtung der Reform war von Beginn an klar. Die Wahlfreiheit
sollte im Schulsystem erhöht werden und die Schüler und Eltern sollten
eine Auswahl insbesondere zwischen den Lerninhalten und -methoden besitzen. Unter der Federführung von Beatrice Ask und ihrem Staatssekretär
Odd Eiken, der die Details ausarbeitete und mit den Interessengruppen
verhandelte (PU 41), wurde parallel zur Kommissionsarbeit bereits an
einem Gesetzentwurf gearbeitet (Prop. 1991/92:95).187 Dieser erste Gesetzentwurf wurde sogar einen Monat vor dem Abschlussbericht der Kommission im April 1992 in den Reichstag eingebracht und am 9. Juni 1992
verabschiedet. Das ist sehr ungewöhnlich, weil die Ergebnisse der öffentlichen Kommissionen normalerweise abgewartet werden, um einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Die Konservativen hatten aber ihre Reformagenda bereits ausgearbeitet und wollten sie möglichst schnell implementieren. Sie entmachteten praktisch die von den Sozialdemokraten eingesetzte Kommission.
Dieser erste Teil des Reformpakets enthielt bereits die Hauptreformelemente. Ab dem Schuljahr 1992/93 sollten die Privatschulen von den
Kommunen mindestens 85 Prozent des staatlichen Beitrags pro Schüler
erhalten, was auch dementsprechend implementiert wurde. Laut Gesetz-
——————
185 Das Schulministerium von Beatrice Ask war dem Bildungsministerium untergeordnet.
186 die Regierung Reinfeldt.
187 Eine weitere wichtige Person des internen Kreises war Anders Hultin, weitere Details zu
seiner Rolle siehe unten und Tabelle 22.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
291
entwurf wurde das Schulamt angewiesen, liberalere Zulassungsregeln zu
praktizieren; genaue Details enthielt der Gesetzentwurf jedoch nicht.
Ebenso fehlte eine genaue Regelung der staatlichen Finanzhilfe. Beispielsweise wurde darauf verwiesen, dass die höhere Finanzhilfe zu einer Minderung der Schulgebühren führen müsse. Ein genaues Gutachten in dieser
Frage sollte aber von der im Oktober 1991 eingesetzten Kommission vorgestellt werden und schließlich ein Jahr später in einem weiteren Gesetz
konkretisiert werden (Prop. 1991/92:95: 16). Als Prinzip wurde jedoch
darauf verwiesen, dass eine mögliche Schulgebühr nicht ökonomisch und
sozial segregieren sollte.
Ein Jahr später wurde die umfassende Regulierung des Bildungsmarktes
festgelegt. Das erfolgte weiterhin unter der Federführung der Konservativen (Moderaterna), denn die bereits genannten zentralen Regierungsposten
waren alle von Parteimitgliedern der Konservativen besetzt. »It was very
much a common project [of the coalition parties] but it was a project that
was very much at the same time driven by the moderate party« (PU 45).
Während die mitte-rechts-orientierte Zentrumspartei eher skeptisch gegenüber Privatschulen war, unterstützten die Christdemokraten und Liberalen
vehement die Einführung von Schulgutscheinen. Die Christdemokraten
drückten in den internen Verhandlungen durch, dass die Privatschulen 85
Prozent des kommunalen Beitrags erhielten, wohingegen die Konservativen eher dem Kommissionsvorschlag von 75 Prozent gefolgt wären. Die
Christdemokraten gingen 1964 unter anderem aus einer Bewegung für
mehr Religionsunterricht an Gymnasien hervor und waren deshalb von
Anfang an Befürworter konfessioneller Privatschulen. Angesichts dieses
Hintergrunds waren sie innerhalb der Koalition die stärksten Verfechter
einer generösen finanziellen Unterstützung privater und insbesondere
konfessioneller Schulen (OE 31).
Wie Tabelle 10 zu entnehmen ist, existierten Anfang der 1990er Jahre
weniger als 80 private Grundschulen in Schweden. Sie waren zu dieser Zeit
nicht politisch als Verband organisiert, unter anderem weil die Privatschulen sehr heterogene Interessen verfolgten (Profilschulen, Konfessionsschulen, Internate). Dennoch bestanden vereinzelt Kontakte von engagierten Schulrektoren zu wichtigen Vertretern der Christdemokraten, der
Liberalen und vereinzelt zu Mitgliedern der Konservativen. Insgesamt war
ihr Einfluss auf die Regulierung eher gering, weil sie keine konsistente und
machtvolle Lobbytätigkeit leisteten (OE 33).
292
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Die Oppositionsparteien waren gegen den Vorschlag, wobei die Linkspartei die Reform prinzipiell ablehnte. Die Sozialdemokraten waren zwar
für eine Reform der Privatschulfinanzierung, ihnen schwebte allerdings
eine andere Regulierung vor. Beispielsweise wollten sie strengere Zulassungsregeln in Bezug auf mögliche Schulprofile und engere Grenzen für
Schulgebühren. Im Gegensatz zur Regierung unterstützten sie das Kommissionsgutachten (SOU 1992:38), das für eine geringere öffentliche
Finanzhilfe plädierte (75 % der kommunalen Durchschnittskosten).
Auch die Gewerkschaften lehnten die Reform ab, waren aber gespalten.
Der Lehrerverband (Lärarförbundet – LF) vertrat den Großteil der Lehrer
in den Grundschulen und lehnte die komplette Reformrichtung ab. Der
Reichsverband der Lehrer (Lärarnas Riksförbundet – LR) vertrat hingegen
überwiegend Lehrer an Gymnasien. Der LR war konservativer geprägt und
hatte vor der Zentralisierung und Verstaatlichung des Schulwesens in den
1950er Jahren jene Lehrer vertreten, die zwar an öffentlichen Gymnasien
unterrichteten, deren Schüler aber zuvor private Grundschulen besucht
hatten. Der LR war zumindest den Reformvorschlägen gegenüber offener
und weniger negativ eingestellt (OE 39).
Der größte Widerstand kam von den Kommunen. Sie wollten mehr
Einfluss auf die Zulassung der Privatschulen bekommen und ein Vetorecht
erhalten. Sie fürchteten die Konkurrenz der Privatschulen und wollten sie
auf lokaler Ebene verhindern können. Die Reformgruppe um Beatrice Ask
und Odd Eiken setzte jedoch durch, dass die Zulassung der Privatschulen
ausschließlich durch das zentrale Schulamt erfolgte (OE 41–43). Sie setzte
sich über die Kritik der Kommunen hinweg, weil sie befürchteten, dass ein
generelles kommunales Vetorecht jegliche Gründung von Privatschulen
verhindern könnte. Die Kommunen agierten wie dominierende Marktanbieter, die ihren Marktanteil verteidigten und bewahren wollten (Fligstein
2001), bevor der eigentliche Markt gegründet wurde. Allerdings konnten
die Kommunen ihre Anbietermacht nicht in politische Macht ummünzen,
weil sie unter anderem formal keine politische Vetomacht hatten.
Trotz dieses Widerstandes mehrerer Interessengruppen wurde die Reform am 7. Juni 1993 vom Reichstag verabschiedet, weil keiner der Akteure rechtlich ein Veto gegen die Entscheidung einlegen konnte (OE 59,
Prop. 1992/93:230; Riksdag 1992). Außerdem nutze keiner der Reformgegner informelle Vetooptionen wie breitangelegte Medienkampagnen, um die Reform zu verhindern oder die Markregulierung zu
beeinflussen.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
293
Die ursprüngliche Regulierung des Bildungsmarktes 1992
Im Folgenden werden die fünf Regulierungsdimensionen auf die 1992
implementierten Regeln angewendet, um einerseits die Marktliberalisierung
zu verdeutlichen und andererseits einen Zwischenschritt zur Universalisierung und derzeitigen Regulierung des Wohlfahrtsmarktes aufzuzeigen. Diese Regeln bezogen sich überwiegend – aber nicht ausschließlich
– auf die privaten Grundschulen.188 Mit der Auflistung der Markteigenschaften werden auch die Entstehung und das institutionelle Erbe des
schwedischen Bildungsmarktes herausgearbeitet:189
1. Zugangsvoraussetzungen. Der Zugang zu den privaten Grundschulen sollte
von Beginn an »offen für alle« sein (Prop. 1991/92:95: 11). Diskriminierende oder segregierende Zugangskriterien sind bis auf einige Ausnahmen verboten. Im Gesetzentwurf von 1992 wird der Gesetzentwurf
von 1982 über eine halbe Seite zitiert, um auf dieses Erbe zu verweisen.
Die einzigen Auswahlkriterien waren das Anmeldedatum und einige soziale
Gründe.190 Schulgebühren durften erhoben werden, wenn sie angemessen
waren (Details s. Finanzierung).
2. Leistungsstruktur. Die Leistungsstruktur orientierte sich an den öffentlichen Schulen. Die akkreditierten Privatschulen mussten sich an den allgemeinen Lernzielen des Lehrplans orientieren und Werte unterrichten, die
im Einklang mit der Verfassung waren. Im Vergleich zu den öffentlichen
Schulen waren die Privatschulen davon befreit, Schultransport, muttersprachlichen Unterricht und eine medizinische Grundversorgung anzubieten. Sonderbedarfe von psychisch oder physisch beeinträchtigen Schülern
mussten ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Die Grundversorgung an
——————
188 Die meisten Regeln galten auch für private Gymnasien ab 1993/96. Der Hauptunterschied bestand in der staatlichen Finanzhilfe. Es gab einen garantierten national einheitlichen Betrag je Ausbildungsprogramm, Kommunen konnten davon aber abweichen
(SFS 1993:884; SFS 1996:1206).
189 Die Ausführungen der Regulierung beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf
eine detaillierte Analyse des Gesetzestextes (Prop. 1992/93:230).
190 Beispielsweise durften Schüler bevorzugt aufgenommen werden, wenn bereits ein
Familienmitglied (Bruder/Schwester) die Privatschule besuchte. Ebenso durften Schüler
mit besonderem Betreuungsbedarf bevorzugt aufgenommen werden, wenn die Schule
auf diese besonderen sozialen Bedarfe spezialisiert war (z.B. Internate, Blindenschulen
etc.). Leistungsorientierte Aufnahmekriterien mussten vom Schulamt einzeln genehmigt
werden und spielten praktisch keine Rolle.
294
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Bildungsinhalten musste somit von den Privatschulen erbracht werden, sie
waren jedoch nicht verpflichtet, die Sonderbedarfe einzelner Schüler zu
berücksichtigen oder gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen.
3. Finanzierungsmechanismus. Die Finanzierung der öffentlichen und privaten
Grundschulen wurde auf ein gemeinsames Fundament gestellt. Die einheitliche Finanzierung sollte eine gleichwertige Konkurrenz zwischen öffentlichen und privaten Schulen ermöglichen. Die privaten Grundschulen
erhielten eine garantierte öffentliche Finanzhilfe von mindestens 85 Prozent des durchschnittlichen Beitrags der örtlichen Kommune. Die öffentliche Finanzhilfe konnte also, trotz der einheitlichen Regelung zwischen
den Kommunen, variieren. Erstens wendeten die Kommunen unterschiedliche Beträge pro Schüler auf, wodurch der gesetzlich garantierte Zuschuss
grundsätzlich zwischen den Kommunen divergierte. Zweitens konnte eine
Kommune entscheiden, mehr als 85 Prozent des durchschnittlichen Beitrags zu bezahlen. Die Kommunen besaßen somit den politischen Spielraum, Privatschulen über den gesetzlich garantierten Zuschuss hinaus mit
öffentlichen Mitteln zu fördern.191
Die Regierung prognostizierte, dass eine 85-prozentige Finanzhilfe ungefähr die Kosten von 90 Prozent der Schulen abdecken würde. Damit die
geschätzten 10 Prozent der Privatschulen mit höheren Ausgaben ihren
zusätzlichen Finanzierungsbedarf decken konnten, wurde allen Privatschulen ermöglicht, Schulgeld zu erheben. Den Schulgebühren wurden
aber enge Grenzen gesetzt. Sie mussten »angemessen« sein und durften
nicht nach den Einkommensverhältnissen der Eltern segregieren. Ebenso
durften sie nur erhoben werden, wenn die Ausgaben nicht durch die staatliche Finanzhilfe gedeckt waren.
4. Verwaltung. Die Verwaltung der Privatschulen oblag weiterhin dem zentralen und staatlichen Skolverket. Das Skolverket prüfte die Zulassung der
Privatschulen und konnte die Zulassung auch wieder entziehen. Ebenso
gab das Skolverket die Lehrpläne heraus und führte die nationalen Abschlussprüfungen durch. Das Skolverket wurde somit die oberste Regulierungsbehörde des Bildungsmarktes und lizenzierte, kontrollierte und sanktionierte die Privatschulen. Die Kommunen bekamen ebenso einige
durchführende Verwaltungsaufgaben übertragen, wie die Auszahlung der
——————
191 Die Finanzhilfe folgte den Schülern auch erstmals über die Gemeindegrenzen hinweg,
unabhängig vom Schultyp.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
295
Finanzhilfe und die laufende Kontrolle des Schulbetriebs. Ein größerer
regulativer Einfluss der Kommunen wurde verhindert, weil sie als Betreiber der öffentlichen Schulen direkte Konkurrenten der Privatschulen wurden. In der Reformgruppe wurde auch die Alternative einer unabhängigen
staatlichen Behörde diskutiert. Da das Skolverket aber bereits 1991 aufgrund des Dezentralisierungsprozesses nur noch die Aufgaben einer
öffentlichen Regulierungsbehörde hatte, wurde dieses integrierte Modell
präferiert.192 Alles in allem wurde auf eine existierende Institution zurückgegriffen.
5. Wahlfreiheit. Schließlich wurde die Wahlfreiheit für Schüler und Eltern
massiv durch den Wegfall der Zugangshürden (Schulgeld, kommunale
Schuleinzugsbereiche) und der neuen Anbieterkonkurrenz ausgeweitet.
Diese Erhöhung der Wahlfreiheit zeigte sich auch in den Titeln der Gesetzentwürfe. Der erste Gesetzentwurf von 1992 hieß noch »Wahlfreiheit
und Privatschulen«, was auf zwei unterschiedliche Themen hindeutet
(Prop. 1991/92:95). Der detailliertere Gesetzentwurf ein Jahr später hieß
»Wahlfreiheit in der Schule« (Prop. 1992/93:230), das heißt die Grenze
zwischen öffentlichen und privaten Schulen wurde verwischt. Die Erhöhung der Wahlfreiheit wurde als das zentrale Thema herausgestellt und
suggerierte, dass Privatschulen nur einen Teil davon ausmachen würden.
Man könnte jedoch einwenden, dass der neue Titel eine Privatisierung der
öffentlichen Bildung maskieren und die Langzeitfolgen der Marktliberalisierung verdecken sollte.
Zum Teil stimmt der diskursive Fokus auf die generelle Ausweitung der
Wahlfreiheit, denn die Reform erhöhte die Wahlfreiheit sowohl zwischen
öffentlichen Schulen als auch zwischen öffentlichen und privaten Schulen.
Zunächst konnten die Schüler erstmals über die lokalen Einzugsbereiche
und kommunalen Grenzen hinweg eine öffentliche Schule auswählen, weil
die Finanzhilfe den Schülern folgte. Zudem erhielten kommunale Schulen
auch die Möglichkeit, Schulprofile zu entwickeln und somit eine öffentliche Alternative gegenüber dem öffentlichen Mainstream zu etablieren. In
diesem Sinne wurde die Wahlfreiheit insgesamt erhöht, das heißt die Wahlfreiheit zwischen öffentlichen Schulen (Opt-within) und die Wahlfreiheit
zwischen öffentlichen und privaten Schulen (im strengen Sinne Opt-out).
——————
192 Eine Privatisierung des Zulassungsverfahrens in Form von privaten Akkreditierungsbüros (wie bei BA/MA-Studiengängen) wurde nie diskutiert (OE 74–76).
296
WOHLFAHRTSMÄRKTE
In Bezug auf die Privatschulen wurde mit den gelockerten Zulassungsregeln vor allem die potenzielle Variation zwischen den Privatschulen erhöht, folglich wurden die Wahloptionen ausgeweitet. Beispielsweise war es
fortan für konfessionelle Schulen einfacher eine Zulassung zu bekommen,
weil sie keine besonderen pädagogischen Methoden mehr vorweisen mussten (vgl. Prop. 1992/93:230).
Wie bereits anhand der Zugangskriterien erläutert, erfolgte die eigentliche Auswahl nach dem Prinzip Opt-within. Demzufolge konnten die
Schüler frei zwischen kommunalen und privaten Schulen wählen. Die
Privatschulen waren nicht mehr Ergänzungsschulen außerhalb des öffentlichen Bildungssystems, sondern integraler Bestandteil des Bildungssystems. Da rund 90 Prozent der Privatschulen keine Schulgebühren verlangten, fiel die ökonomische Hürde für die meisten Privatschulen weg.
Der institutionelle und ökonomische Rahmen ermöglichte seitdem eine
sehr hohe Wahlfreiheit.
Fazit – Marktliberalisierung
Nach zehn Jahren inkrementeller und vorbereitender Reformen wurde in
Schweden 1992 der Bildungsmarkt so stark reformiert, dass es einer Neugründung gleichkommt. Trotz aller Vermarktlichung und konservativer
Reformagenda, wie oben skizziert, behielt der Bildungsmarkt sozialdemokratische Eigenschaften. Zentrale Eigenschaften des schwedischen Schulwesens blieben in dem liberalisierten Bildungsmarkt erhalten: Der Zugang
zu den Privatschulen wurde zusammen mit der Finanzierungsstruktur so
gestaltet, dass die Privatschulen fast allen Schülern offen stehen (Universalismus). Ebenso verblieb die Regulierung in öffentlicher Verwaltung. Eine
Abweichung von diesen Grundprinzipien stand nie zur Debatte. Die Reform wäre nicht erfolgreich gewesen, wenn die Schulen nicht offen für alle
gewesen wären oder eine private Agentur die Akkreditierung übernommen
hätte. Die »Gleichwertigkeit« der kommunalen und privaten Schulen in
Bezug auf Zulassungskriterien und Finanzierung war allgemeiner Konsens.
Die Reform wurde sogar von einem sozialdemokratischen Minister angestoßen (s. Kommissionsauftrag). Im weiteren Verlauf der Reform setzte
die konservative Regierung eine höhere staatliche Finanzhilfe durch als den
Sozialdemokraten vorschwebte. Auch die weitgehende Liberalisierung und
Öffnung des Marktes für verschiedene Schulformen (z.B. Konfessionsschulen) geht auf die Konservativen und Christdemokraten zurück. Die
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
297
grundsätzliche Möglichkeit Schulgebühren zu erheben, ist ebenso ein konservatives wie ein liberales Regulierungselement, das, trotz aller Auflagen
bei der Gebührengestaltung, potentiell segregierende Effekte auf die Schülerschaft hatte.
Die weitgehende öffentliche Finanzierung, der grundsätzliche Zugang
für alle Schüler und die staatliche Aufsicht waren aber sozialdemokratische
Grundpfeiler, die Bestand hatten. Insgesamt erfolgte somit eine sozialdemokratische Einbettung des Marktes, allerdings enthielt die Regulierung
auch liberale und konservative Elemente, die eine inkrementelle Abkehr
von dem bisherigen Schulsystem darstellen.
Universalisierung und Stabilisierung des Marktes (1994–2002)
Wie schon in Kapitel 4 erläutert, erfreuten sich die Privatschulen einer
hohen Popularität und es kam zu vielen Schulneugründungen nach 1992.
Dieser Erfolg überraschte selbst die an der Reform Beteiligten (Eiken
2009). Die Sozialdemokraten konnten das System der Wahlfreiheit nicht
mehr abschaffen, weil es äußerst populär in der Bevölkerung war, dennoch
implementierten die Sozialdemokraten wichtige Änderungen, die liberale
und konservative Regulierungseigenschaften verringerten und das Bildungswesen sozialdemokratischer in das Wohlfahrtsregime einbetteten.
Nach der Initialzündung der konservativen Regierung wurde das Schulgesetz unter der sozialdemokratischen Regierung immer wieder verändert
und angepasst (SFS 1994:39; SFS 1996:564; SFS 1996:1206; SFS 1999:322).
Hauptsächlich betrafen die Änderungen unmittelbar nach der Regierungsübernahme nur die Höhe des Staatszuschusses, die anderen Prinzipien der
Marktregulierung galten als Konsens. Zunächst kürzten die Sozialdemokraten den maximal erhältlichen Zuschuss von 85 auf 75 Prozent
(implementiert zum Schuljahr 1995/96 Prop. 1994/95:157). Ziel dieser
ersten Reform war es, eine Überkompensation der Privatschulen zu vermeiden, weshalb die staatliche Finanzhilfe auf das von den Sozialdemokraten bereits 1992 präferierte Niveau gekürzt wurde. Diese politische
Entscheidung verringerte zwar die Ressourcen der Privatschulen, ermöglichte aber immer noch eine hohe Wahlfreiheit, denn weiterhin konnten
rund 78 Prozent der privaten Schulen ohne zusätzliche Schulgebühren
operieren.
Das Thema war damit aber nicht vom Tisch, denn ein fortdauernder
Diskussionspunkt war die »Gleichbehandlung« und »Gleichwertigkeit« von
298
WOHLFAHRTSMÄRKTE
privaten und öffentlichen Schulen. Dieser Aspekt berührte vor allem den
Zugang zu den privaten Schulen. Das parteiübergreifende Ziel war, die
Offenheit für alle Schüler zu garantieren (s. Eingangszitat). Beispielsweise
waren auch die Grünen für die Beibehaltung der Wahlfreiheit, weil sie
erhofften, die Pluralität zu erhöhen und alternative pädagogische Konzepte
zu stärken (PU: 45).
Universelle Schulgutscheine
Die Sozialdemokraten strebten jedoch nicht nur eine Offenheit für alle,
sondern auch eine Gleichwertigkeit an. Sie wollten erreichen, dass kein
Schüler benachteiligt sei, weil die Schule finanziell schlechter ausgestattet
wäre. Dies konnte nur erreicht werden, wenn die Privatschulen den gleichen öffentlichen Zuschuss erhalten würden. Eine Erhöhung des
Zuschusses eröffnete den Sozialdemokraten im gleichen Atemzug eine
stärkere Einhaltung des nationalen Kurrikulums und höhere Leistungsstandards (Schulmahlzeiten, Schultransport, Schulkrankenschwester, Integration benachteiligter Schüler) zu fordern (vgl. Interview AHU und Parlamentsprotokolle: Riksdag 1996).
Im Rahmen dieser Diskussionen wurde 1997 die Finanzhilfe der privaten Grundschulen universalisiert, um jedem Schüler den Zugang zu einer
Privatschule zu ermöglichen (Prop. 1995/96:200). Die privaten Grundschulen erhielten fortan von der Heimatkommune des Schülers den Betrag
nach denselben Prinzipien zugeteilt wie die kommunalen Grundschulen.
Dafür durften die Privatschulen aber keine Schulgebühren mehr erheben,
die bisher einen gleichwertigen Zugang verhinderten. Im Endeffekt wurde
damit ein 100-prozentiger Schulgutschein eingeführt. Das heißt aber nicht,
dass alle Privatschulen eine national einheitliche Finanzhilfe pro Schüler erhielten. Erstens blieben die kommunalen Niveauunterschiede bestehen.
Zweitens gewährten die meisten Kommunen einen Grundbetrag pro Schüler, der durch Zusatzbeiträge für besondere Bedürfnisse der Schüler aufgestockt werden konnte (muttersprachlicher Unterricht, sozialer Hintergrund, Förderunterricht; s. Skolverket 2006). Im Endeffekt folgte der
Schulgutschein fortan den Schülern und entsprach dem jeweiligen Förderbedarf des Schülers (vgl. Risikoadjustierung der Finanzierungsdimension
Kapitel 5.1). Da die privaten Grundschulen mit den öffentlichen gleichgestellt wurden, mussten sie nun auch gleichwertige Leistungen dafür an-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
299
bieten. Sie wurden dazu verpflichtet kostenlose Schulmahlzeiten, muttersprachlichen Unterricht und so weiter anzubieten.
Dieses Gesetz wurde von der Minderheitsregierung der Sozialdemokraten mit der Zustimmung der Zentrumspartei, den Linken und den Grünen durchgesetzt. Obwohl die bürgerlichen Oppositionsparteien gegen den
Gesetzentwurf stimmten, waren sie für eine grundsätzliche Gleichbehandlung beider (Grund-)Schultypen (vgl. Parlamentsprotokolle:
Riksdag 1996).
Erstarkte Privatschulen?
Diesmal waren die Privatschulen zwar stärkere politische Akteure und
ermöglichten zum Teil diesen parteiübergreifenden Kompromiss, dennoch
konnten sie ihre Kernforderung nicht durchsetzen. Anders Hultin, der als
Redenschreiber der Bildungsministerin Beatrice Ask zum zentralen Kern
der Reformgruppe gehörte, gründete nach dem Regierungsverlust den
nationalen Privatschulverband (Friskolornas Riksförbundet – FR).193 Damit
hatten die Privatschulen erstmals eine nationale Interessenvertretung und
mit Anders Hultin einen zentralen Architekten des Wohlfahrtsmarktes als
ihren Geschäftsführer. Die Privatschulen konnten ihren politischen Einfluss stärken, weil sie ihre Lobbyarbeit mit der Gründung des Privatschulverbandes professionalisierten. Außerdem wurde der Privatschulverband
durch das schnelle Wachstum der Privatschulen in kurzer Zeit ein wichtiger bildungspolitischer Akteur. Das Hauptziel des Privatschulverbandes
war die Aufrechterhaltung des Status quo (Interview AHU). Der Verband
lehnte zunächst die Erhöhung des staatlichen Zuschusses ab, denn die
Privatschulen fürchteten, mit den neuen regulativen Auflagen ihre gerade
erst gewonnene Freiheit schon wieder zu verlieren. Die intensive Lobbyarbeit trug zumindest insoweit Früchte, als die neuen fristående skolor über
Parteigrenzen hinweg anerkannt wurden. Keine der Parteien forderte eine
Reduzierung der Finanzhilfe unter 75 Prozent.
Allerdings bemerkte Anders Hultin, dass die Kernforderung nach der
Bewahrung des Status quo nicht erreicht werden konnte. Daraufhin veränderte er die Strategie des Privatschulverbandes und stellte den ersten politischen Kontakt zwischen Bildungspolitikern der Sozialdemokraten und
Zentrumspartei her. Beide Parteien setzten schließlich die Erhöhung des
——————
193 Die Anschubfinanzierung erfolgte vom schwedischen Arbeitgeberverband (SAF,
Svenska Arbetsgivareföreningen)
300
WOHLFAHRTSMÄRKTE
staatlichen Zuschusses durch. Im vorliegenden Interviewmaterial bleibt es
nebulös warum der Privatschulverband seine Position änderte. Ein Grund
könnte aber die potenzielle Erhöhung der Gewinnmarge für gewinnorientierte Anbieter gewesen sein, die auch erst Anfang der 2000er Jahre
massiv auf den schwedischen Bildungsmarkt drängten (vgl. Kapitel 4.2.2).
Insgesamt blieb der Einfluss des Privatschulverbandes auf die Regulierung
des Bildungsmarktes gering, die zentralen Reformen der Regulierung waren
Ausdruck parteipolitischer Differenzen.
Großer Kompromiss im linken Lager
Die Sozialdemokraten konnten den von dem bürgerlichen Lager eingeführten Bildungsmarkt »sozialdemokratisieren«. Das bedeutet, die Regulierung des Wohlfahrtsmarktes wurde universalisiert und in das sozialdemokratische Wohlfahrtsregime eingebettet.
Zum Schuljahr 2002/03 wurde der Finanzierungsmechanismus der privaten Grundschulen auf die privaten Gymnasien übertragen, seitdem dürfen auch von Gymnasien keine Schulgebühren mehr erhoben werden,
wenn sie die universellen Schulgutscheine erhalten wollen. Akkreditierte
Schulen mussten sich überdies stärker an das nationale Kurrikulum halten
als noch Anfang der 1990er Jahre (Prop. 2001/02:35; SFS 2002:395; SOU
2002:121). Aus dem Parlamentsprotokoll der öffentlichen Debatte wird
deutlich, dass auch in diesem Fall ein parteiübergreifender Kompromiss
über diese Grundprinzipien der Privatschulfinanzierung bestand. Wie auch
bei der Einführung universeller Schulgutscheine im Grundschulbereich
wurde der Kompromiss für die Gymnasien von den Sozialdemokraten,
den Linken, der Zentrumspartei und den Grünen getragen (2001/02:
UbU7; Riksdag 2002: 14 §).194
Diese Sozialdemokratisierung des Bildungsmarktes schlug sich auch in
den Marktanteilen der Bildungsanbieter wieder. Wie schon erläutert (s. S.
166 und 182), wurden anfangs viele konfessionelle Privatschulen gegründet. Die Christdemokraten erreichten somit eine ihrer Kernforderungen
nach religiöser Pluralität im Bildungssystem. Allerdings wurden in den
——————
194 Einige Parteidifferenzen werden erst im detaillierten Abstimmungsverhalten deutlich. So
votierten die Grünen zusammen mit den bürgerlichen Parteien für einen Änderungsantrag, der ein Recht auf Finanzhilfe forderte, allerdings von den Sozialdemokraten und
der Linke abgelehnt wurde. Trotzdem stützten die Grünen den Vorschlag der Sozialdemokraten.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
301
2000er Jahren immer weniger Konfessionsschulen gegründet und ihr
Marktanteil sinkt stetig (Skolverket 2005: 26). Nicht nur die Regulierung
wurde sozialdemokratischer, sondern auch die Marktanbieter wurden säkularer und einheitlicher, was zumindest eine sozialdemokratische Parteipräferenz widerspiegelt.
Fazit Bildungsmarkt
Seit 2002 ist der Bildungsmarkt vollständig in das schwedische Schulsystem
eingebettet. Die Regulierungseigenschaften des Marktes spiegeln die vorherigen Bildungsinstitutionen wider. Wie schon ausführlich in den vorherigen
Abschnitten erläutert, weist der Bildungsmarkt folgende Haupteigenschaften auf (vgl. Tabelle 19): Die Finanzierung der öffentlichen und privaten Schulen, von der Grundschule bis zur weiterführenden Sekundarschule, wird über Steuermittel finanziert. Die Schüler können frei zwischen
den Schulen wählen, dafür dürfen aber keine Schulgebühren erhoben werden. Damit besteht ein gleicher Zugang für alle Schüler. Die Pflichtleistungen der Privatschulen sind auf einem sehr hohen Niveau und gehen
über rein pädagogische Leistungen hinaus (z.B. Schulmahlzeiten). Ebenso
werden sowohl die privaten als auch die öffentlichen Schulen von einer
staatlichen Schulbehörde lizenziert, überwacht und unter Umständen sanktioniert. Am Anfang des Millenniums kann also von einem Bildungsmarkt
gesprochen werden, der in weiten Teilen Eigenschaften des sozialdemokratischen Schulsystems aufweist. Die öffentlichen Schulen konkurrieren
mittlerweile wie die privaten Schulen als autonome Einheiten mit eigenem
Schulprofil und Budget um Schüler. Damit verschwimmen zusehends die
Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Schulen, weil sie unter denselben institutionellen Rahmenbedingungen agieren.
Dieser schwedische Bildungsmarkt bildete sich über einen Zeitraum
von rund 20 Jahren aus. Die ersten zehn Jahre waren eine vorbereitende
Phase für die umfassende Marktliberalisierung 1992. Nach der Marktliberalisierung erfolgte eine kontinuierliche Einbettung des Marktes in das sozialdemokratisch geprägte Schulsystem, denn anfangs enthielt der Bildungsmarkt Eigenschaften, die in einzelnen Regulierungsdimensionen dem
inklusiven Ansatz im schwedischen Schulsystem widersprachen. Im Zeitraum 1994–2002 wurden die Marktinstitutionen jedoch so angepasst, dass
ein universeller Zugang »für alle« zum Wohlfahrtsmarkt möglich wurde.
Die Wahloptionen wurden in dieser Zeit wieder leicht eingeschränkt, in-
302
WOHLFAHRTSMÄRKTE
dem die Zulassungs- und Leistungskriterien für Privatschulen etwas verschärft wurden. Die individuelle Wahlfreiheit wurde jedoch durch die Abschaffung der Schulgebühren erhöht.
Die Initiative für mehr Wahlfreiheit und finanzielle Unterstützung der
Privatschulen ging auf das bürgerliche Lager zurück (insbesondere die
Konservativen und Christdemokraten). Die Einbettung in das schwedische
Bildungssystem erfolgte jedoch von allen Parteien, weil sie einen gemeinsamen Wertekanon teilten (z.B. universeller Zugang). Die Sozialdemokraten spielten insbesondere bei der Universalisierung der Schulgutscheine
in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine herausragende Rolle. Während
der Universalisierungsphase haben linke Koalitionen die ursprünglichen
sozialdemokratischen Elemente im schwedischen Bildungsmarkt wieder
restauriert und gestärkt. Die institutionelle Innovation beschränkte sich
deshalb auf die Wahlfreiheit, wie üblich bei der Einführung von Wohlfahrtsmärkten. Die »Neuerfindung« des schwedischen Modells im Prozess
der Marktschaffung tastete die anderen Grundprinzipien des schwedischen
Bildungssystems kaum an.
Obwohl der Wandel zum Teil inkrementell erfolgte, treffen keine der
fünf Formen des inkrementellen Wandels auf die Reformen des schwedischen Bildungsmarktes zu (vgl. Streeck/Thelen 2005b). Betrachtet man
alle Reformschritte zusammen, so war die Marktliberalisierung unter der
bürgerlichen Koalition eine einschneidende Weichenstellung (critical
juncture), die anschließend die Marktkräfte freisetzte und in der Folge nicht
mehr rückgängig gemacht werden konnte. Mit der Marktliberalisierung
wurde der gesamte Finanzierungsmechanismus auf einen Schlag so verändert, dass in kurzer Zeit viele neue Privatschulen gegründet wurden und
die neuen Wahlfreiheiten von der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt wurden. Die vorherigen inkrementellen Reformen erleichterten die Marktliberalisierung, weil zentrale administrative Strukturen bereits etabliert
waren, allerdings existierte vorher kein freier Markt, der eigenständiges
Wachstumspotenzial besaß. Nach der Marktliberalisierung war eine Rückkehr zum vorherigen System keine Option mehr. Den Sozialdemokraten
blieb nur noch die Möglichkeit, den neuen Bildungsmarkt durch weitere
inkrementelle Reformen in das sozialdemokratische Regime einzubetten.
Die Einbettung verlief so erfolgreich, dass mittlerweile kein eigenständiger
Markt mehr zu erkennen ist. Vielmehr ist der Wohlfahrtsmarkt mit dem
öffentlichen Bildungssystem verschmolzen. Private und öffentliche (kommunale) Schulen agieren in derselben (nationalen) Institution, es kam somit
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
303
zu einer Verschmelzung alter hierarchischer Institutionen mit den neuen
Marktelementen, die nicht mehr getrennt werden können.
5.3.3 Sozialdemokratische Neuerfindung des schwedischen Modells
Sowohl die Reformen im Renten- als auch im Bildungsbereich haben
grundlegende Eigenschaften des schwedischen Modells in öffentlichen und
privaten sozialpolitischen Institutionen erhalten. Auch die bürgerliche
Regierung 2006–2014 wollte das schwedische Modell nicht abschaffen,
sondern – wie das Eingangszitat dieses Kapitels zeigt – »neu erfinden«.
Anders Borg (2008) betonte vor allem den gemeinsamen Wertekanon, der
hinter den institutionellen Eigenschaften steht und von den schwedischen
Parteien geteilt wird.
Die Analyse der Einführung der Wohlfahrtsmärkte im Renten- und
Bildungsbereich zeigte, dass die Vermarktlichung zwar vom bürgerlichen
Lager forciert wurde, die Einbettung der Wohlfahrtsmärkte aber im Konsens unter Beteiligung aller Parteien erfolgte.195 Die Sozialdemokraten
konnten innerhalb dieser Konsensfindung immer wieder sozialdemokratische Merkmale in den Wohlfahrtsmärkten bewahren beziehungsweise
durchsetzen.
Die Einführung der Prämienrente war von einem großen parteiübergreifenden Konsens innerhalb der Rentenreformgruppe geprägt. Die Prämienrente wurde deshalb besonders deutlich in das schwedische Wohlfahrtsregime eingebettet. Die Einführung der Schulgutscheine erfolgte in
mehreren inkrementellen Schritten, die einzeln betrachtet keine konsistente
Einbettung in das sozialdemokratische Regime aufzeigen. Nach der Einführung der Schulgutscheine erfolgte aber eine institutionelle Einbettung
über einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Bildungsmarkt weist seitdem
wieder mehr Eigenschaften des vorherigen Bildungssystems auf und besitzt Merkmale eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes. Im Vergleich zur Rentenreform wurde kein parteiübergreifender Konsens hinter
verschlossenen Türen ausgehandelt, aber Parteien unterschiedlicher Couleur haben die institutionellen Reformen durchgeführt und den Bildungsmarkt über einen langen Zeitraum geformt. Insbesondere die endgültige
——————
195 Ausgenommen wäre hier die populistische Rechte (NyD, Ny Demokrati), die von 1991–
1994 im Reichstag vertreten war. Die national-konservativen/rechtspopulistischen
Schwedendemokraten (SD, Sverigedemokraterna) erlangten erst 2010 Reichstagsmandate und waren folglich nicht an den Reformen beteiligt.
304
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Stabilisierung des Bildungsmarktes im Jahre 2002 zeugte von einem parteiübergreifenden Konsens.
Von den fünf Regulierungsdimensionen stehen der universelle Zugang
zu den Wohlfahrtsmärkten und die staatliche Verwaltung beziehungsweise
Aufsicht als typisch für das schwedische Modell hervor. Sowohl im Renten- als auch im Bildungsmarkt wurden diese zentralen Merkmale in den
neuen Wohlfahrtsmärkten beibehalten. Im Bildungsbereich ist auch die
ausschließliche Steuerfinanzierung der Privatschulen hervorzuheben, wohingegen im Rentenbereich nur die Grundrente steuerfinanziert ist. Die
Prämienrente wird aber nach denselben Beitragsprinzipien finanziert wie
die öffentliche Einkommensrente und ist somit in die bestehenden Institutionen eingebettet.
Die Neuerfindung innerhalb des schwedischen Modells ist die Einführung und Erhöhung der Wahlfreiheit (vgl. Kvist/Greve 2011). Per Unckel
beschreibt dies als eine Liberalisierung des sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes, wendet jedoch ein, dass weiterhin alle schwedischen Bürger
in das Wohlfahrtssystem einzahlen und den gleichen Zugang zu den Sozialleistungen haben:
»Actually if you want to put a label on it, it was a truly liberal reform. […] But it
could also be called an adjustment on a Nordic welfare model to a society where
people just do not accept to be told what school their kid is going to go to, what
kindergarten they have to go to, or what home for the elderly to go to when they
get old. […] We are prepared to pay so everybody has the same right. But we want
to decide on the contents ourselves« (PU 47).
Dieses Zitat verdeutlicht die Einbettung der Wahlfreiheit im Zusammenspiel mit den anderen vier Dimensionen. Die Ausweitung von Wahlfreiheiten wurde vom bürgerlichen Lager auf die Agenda gesetzt, als institutionelle Reform initiiert und durchgesetzt. Aber seit der Einführung der
Wahloptionen begrüßt auch das linke Lager bestehend aus Sozialdemokraten, Linkspartei, Grünen und Gewerkschaften die gewonnene Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit wurde aber innerhalb der Wohlfahrtsmärkte vom
linken Lager begrenzt, vor allem durch universellen Zugang und kollektiver
Finanzierung. Womit die Märkte in das bestehende Wohlfahrtsregime
eingebettet wurden, was die segregierenden Wirkungen von Wahloptionen
zumindest eindämmte.
Die Analyse der Reform verdeutlichte insbesondere das institutionelle
Erbe, das in Form von zentralen Eigenschaften in den neuen Wohlfahrtsmärkten erhalten wurde. Parteipolitische Akteure nahmen bei dieser Ein-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
305
bettung eine zentrale Rolle ein, denn sie strebten danach, diese Eigenschaften zu erhalten.
Jenseits politischer Institutionen und parteipolitischer Akteure wurden
auch andere Einflussfaktoren diskutiert. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände (Versicherungen, Banken und Privatschulen) hatten insgesamt
betrachtet nur einen geringen Einfluss auf die beiden Marktgründungen.
Die Marktakteure konnten erst nach der Marktgründung ihre politische
Macht ausbauen (insbesondere Privatschulen), gleichwohl blieb ihr politischer Einfluss insgesamt gering. Die wirtschaftspolitische Lage Anfang
der 1990er Jahre erhöhte seinerzeit den Reformdruck, vor allem auf das
Rentensystem, dennoch zeigten die langen Reformphasen in beiden Fallstudien, dass die Reformen unabhängig von kurzfristigen nationalen und
globalen ökonomischen Rahmenbedingungen waren. Die Interviewpartner
erwähnten auch einen Wertewandel, insbesondere die Individualisierung,
innerhalb der schwedischen Gesellschaft, die in den politischen Forderungen nach mehr Wahlfreiheit Ausdruck fand. Diese generellen gesellschaftlichen Trends haben somit den Wandel begünstigt, die Bewahrung
der sozialdemokratischen Eigenschaften war aber vor allem ein parteipolitischer Prozess, der durch den institutionellen Rahmen maßgeblich bestimmt wurde. Beide Wohlfahrtsmärkte wurden in die bestehenden Institutionen durch die parteipolitischen Akteure eingebettet, die sich in ihren
Begründungen für die Reformen auf das institutionelle Erbe des schwedischen Wohlfahrtsstaates bezogen haben. Trotz dieser Pfadabhängigkeit
blieb dennoch Spielraum für Innovationen im Bereich der Wahlfreiheit, die
jedoch relativ gering geblieben sind und auch an die existierenden Institutionen angepasst wurden.
306
5.4
WOHLFAHRTSMÄRKTE
USA – Pionier und regulative Vielfalt
In Kapitel 4 wurde betont, dass die Vereinigten Staaten von Amerika als
erstes der drei Länder private Formen der Wohlfahrt einführten, dies gilt
vor allem für Bereich der Altersvorsorge. Doch diese Annahme ist nicht
ohne Weiteres auf den Bildungsbereich zu übertragen. Dieses Kapitel diskutiert deshalb, warum der Rentenmarkt frühzeitig gegründet wurde und in
der Folge von einer hohen Pfadabhängigkeit geprägt war. Im Vergleich
zum nationalen Alterssicherungsmarkt existiert ein regulativer Flickenteppich im Bildungsbereich. Obwohl die Entstehung der Wohlfahrtsmärkte
nicht unterschiedlicher sein könnte, weisen sie viele regulative Gemeinsamkeiten auf. Diese liberalen Regimeeigenschaften werden im Detail herausgearbeitet und gezeigt, welche politischen Institutionen und Akteure diese
Entwicklung begünstigt haben.
Das Hauptaugenmerk liegt darauf, wie die Wohlfahrtsmärkte in die bestehenden Institutionen eingebettet wurden. Anhand der fünf Regulierungsdimensionen wird untersucht, welche typischen Eigenschaften in die
US-amerikanischen Wohlfahrtsmärkte übernommen wurden. Die Parteien
und Marktakteure stehen im Fokus der Analyse, im politischen Kontext
der USA unterscheiden sich jedoch die Parteienlandschaft und die Interessenverbände erheblich von den europäischen Fallstudien (Lösche/von
Loeffelholz 2004). In erster Linie ist die parteipolitische Zersplitterung
durch das Zweiparteiensystem geringer als in Deutschland und Schweden,
was aber nicht bedeutet, dass der inhaltliche Graben zwischen den Demokraten auf der linken und den Republikanern auf der rechten Seite des
politischen Spektrums geringer wäre. Trotz dieser Parteidifferenzen ist der
Zwang zur Konsensbildung im politischen System der USA sehr hoch,
wenn die Präsidentschaft und die Mehrheit im Kongress auseinanderfallen
(divided government). Ebenso wird die Rolle der Verfassungsgerichte196 und
fakultativer Referenden in die Analyse einbezogen, die insbesondere für die
Bildungsmärkte relevant waren (Shell 2004).
Zuerst wird die Marktgründung im Rentenbereich anhand der fünf Regulierungsdimensionen behandelt. Anschließend werden Bildungsmärkte
untersucht, und zwar Charter Schools und Schulgutscheine separat. In einem
Fazit werden die Ergebnisse zusammengetragen.
——————
196 Gemeint sind sowohl der Oberste Gerichtshof der USA (U.S. Supreme Court) als auch
die gliedstaatliche Verfassungsgerichtsbarkeit (State Supreme Court).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
307
5.4.1 Rentenmarkt: Flexibel und übertragbar
Im Gegensatz zu anderen Staaten mit einem vergleichbaren ökonomischen
Entwicklungsniveau wurde das öffentliche Rentensystem in den USA (Old
Age Insurance oder Social Security) erst relativ spät 1935 gegründet
(Kudrle/Marmor 1981: 83; Schmidt 2005: 182).197 Zu dieser Zeit waren
bereits, im Gegensatz zu Deutschland und Schweden, Steuererleichterungen für Betriebsrenten relativ weit entwickelt und ergänzten die
öffentliche Rentenversicherung sehr früh (Hacker 2002; Klein 2003;
Swenson 2004). Im Falle der privaten Vorsorge in den USA kann also
nicht von einer Einbettung des Wohlfahrtsmarktes in ein öffentliches Rentensystem gesprochen werden, sondern von einer gegenseitigen Beeinflussung beider Rentenversicherungsformen seit dem New Deal 1935. Die
Architekten des New Deal bezogen sich explizit auf die Betriebsrenten als
Vorbilder für die institutionellen Rahmenbedingungen des öffentlichen
Rentensystems, das wiederum Vorbild für spätere Reformen der privaten
und betrieblichen Altersvorsorge wurde. Die genaue Betrachtung der historischen Entwicklung zeigt, dass zwar die betriebliche Altersvorsorge
schon frühzeitig eine wichtige Säule im Rentensystem war, diese private
Altersvorsorge betraf jedoch vornehmlich nur die Vermarktlichung und
Regulierung der Finanzierungs- und Produktionsdimension. Erst Ende der
1970er Jahre erfolgten die entscheidenden regulativen Veränderungen, die
eine größere Wahlfreiheit der Versicherten eröffneten. Diese Marktliberalisierung kreierte neue Marktstrukturen wie die Wahl der Anbieter
und Produkte. Die eigentliche Wohlfahrtsmarktliberalisierung kann somit
eher auf die Jahre 1974/78 datiert werden.
Im Folgenden wird deshalb zunächst die historische Entstehung und
gegenseitige Beeinflussung öffentlicher und privater Institutionen vor der
Marktliberalisierung nachgezeichnet. Der Fokus des Kapitels liegt auf der
eigentlichen Marktliberalisierung in den 1970er Jahren, als die institutionellen Eigenschaften des Wohlfahrtsmarktes herausgebildet wurden. Als
Vergleichsfolie zur Untersuchung der Einbettung dienen die Eigenschaften
des Rentensystems um 1972. Das abschließende Fazit fasst die Ergebnisse
zusammen und diskutiert die Rollen der politischen Akteure bei der Marktliberalisierung.
——————
197 Wohlgemerkt wurden die schwedischen Grundrente und die US-amerikanische Social
Security im selben Jahr gegründet, allerdings existierte in Schweden bereits seit 1914 ein
öffentliches Rentensystem.
308
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Der New Deal als Rahmen für das Wachstum privater Vorsorge ohne Wahlfreiheit
Bis 1935 existierte keine allgemeine öffentliche Rentenversicherung, dennoch existierten öffentliche Sicherungssysteme für einige gesellschaftliche
Gruppen wie Veteranen, Witwen und Invaliden (deserving retirees, Weir
u.a. 1988). Ebenso wurden um 1929 auf bundesstaatlicher Ebene verschiedene bedarfsgeprüfte Grundsicherungssysteme für Bürger im Rentenalter
gegründet.
Im Unterschied zur fehlenden öffentlichen Altersvorsorge existierten
bereits sehr früh diverse betriebliche Alterssicherungssysteme. Die ersten
formalen Betriebsrenten mit einklagbaren Rentenleistungen wurden 1875
gegründet und waren eine substanzielle Verbesserung gegenüber informellen Hilfeleistungen der Arbeitgeber. Diese frühe Formalisierung der
Betriebsrenten spiegelte sich auch in der staatlichen Regulierung und Unterstützung wider. Die ersten Steuererleichterungen für die betriebliche
Alterssicherung wurden gewährt, bevor ein nationales Sicherungssystem
existierte (1926; Howard 1997: 54–61; OECD 2008a: 96). Damit wurden
die Betriebsrenten als benachbarte Institution zu einem gewissen Grad
Vorbild für die öffentliche Rentenversicherung:
»During the New Deal, private pensions sponsored by employers (and often run by
insurers) were seen as an important model for federal old-age insurance, while at the
same time the glaring insufficiency of these private alternatives as providers of
security was taken as proof that a federal programme was needed« (Béland/Hacker
2004: 43, Hervorhebungen Autor).
Der institutionelle Rahmen bestand also einerseits aus einer teilweise generösen – aber sehr limitierten – privaten Altersvorsorge für gewerkschaftlich
organisierte und gutverdienende Beschäftigte und andererseits einer föderal
fragmentierten und bedarfsgeprüften Grundrente für die ärmeren Bevölkerungsschichten.
Roosevelt und die New Dealers waren durch Kontakte zur Versicherungsindustrie von der Idee einer nationalen Sozialversicherung inspiriert
(Béland/Hacker 2004: 49), allerdings sollte eine nationale Sozialversicherung die Nachteile der betrieblichen Altersvorsorge vermeiden. Die
Verabschiedung des New Deal führte ein national einheitliches öffentliches
Rentensystem ein, das als Social Security oder OAI (Old Age Insurance)
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
309
bezeichnet wird.198 Anhand der fünf Regulierungsdimensionen wies die
OAI folgende Eigenschaften auf:
Die OAI war beitragsfinanziert und bezog alle abhängig Beschäftigten
ein. Für die Mehrheit der Bevölkerung war die OAI die einzige Einkommenssicherung im Alter. Obwohl ein Einkommensbezug in der Rentenversicherung bestand, war die Leistungsstruktur auf eine Grundsicherung
ausgelegt, weil die Anrechnung von Einkommen und Beitragsjahren sehr
progressiv gestaffelt wurde.199 Die Verwaltung erfolgte zentral von der
staatlichen Rentenversicherungsbehörde (Social Security Administration –
SSA). Geplant war die Rentenversicherung als ein rein kapitalgedecktes
System und orientierte sich hier stark an den betrieblichen Vorbildern. Die
Novellierungen (Amendements) von 1939 erhöhten aber die Leistungen für
die ersten Rentenbezieher ohne äquivalente Beiträge und führten eine
anteilige Umlagefinanzierung in das Rentensystem ein.
Dieses öffentliche Rentensystem war in den 1935er Jahren noch eine
soziale Errungenschaft, dennoch wurde schnell deutlich, dass sie mit den
Erwartungen der Mittelklasse nach einkommensbezogenen Leistungen im
Ruhestand nicht mithalten konnte. Eine Ausweitung der öffentlichen Leistungen blieb aber in den folgenden Jahrzenten aus, sodass eine einkommensbezogene private Säule komplementär zur öffentlichen Rentenversicherung entstand.
Wachstum der Betriebsrenten und Stagnation der OAI 1935–1972
Die eigentliche Besonderheit des US-amerikanischen Rentenregimes wurde
die Integration der privaten Vorsorge in Form von Betriebsrenten (und
später individuellen Rentenversicherungen), die für Versicherte mit überdurchschnittlichem Einkommen viel relevanter wurden als die relativ geringen OAI-Leistungen. Die politische Auseinandersetzung drehte sich um
die Frage, ob private Renten die öffentliche Rentenversicherung ergänzen
oder direkt mit ihr konkurrieren sollten. Bereits bei den Verhandlungen
zum New Deal 1935 initiierten republikanische Abgeordnete einen Gegen-
——————
198 Seit 1956 als OASDI bezeichnet (Old Age, Survivors and Disability Insurance). Eine
föderal fragmentierte aber obligatorische öffentliche Arbeitslosenversicherung wurde
ebenfalls eingeführt.
199 Faktisch betrug die Lohnersatzrate für Geringverdiener rund 80–90 % des vorherigen
Einkommens, wohingegen Versicherte mit durchschnittlichem Einkommen eine Lohnersatzrate von rund 40 % erwarten konnten (Murswieck 2004).
310
WOHLFAHRTSMÄRKTE
entwurf zur obligatorischen OAI, der Arbeitgebern ermöglicht hätte, aus
der öffentlichen Rentenversicherung auszusteigen, wenn sie Betriebsrenten
angeboten hätten (Clark amendments, Hacker 2002: 101; Howard 1997:
117). Diese Initiative scheiterte am vehementen Widerstand der Roosevelt
Administration, dennoch blieb die Frage offen, wie OAI und Betriebsrenten integriert werden sollten.
Nach der Einführung der OAI war das Rentensystem von Stagnation
der geringen staatlichen Grundsicherung und einem Wachstum zusätzlicher Betriebsrenten geprägt. Verschiedene politische und institutionelle
Rahmenbedingungen prägten diese Entwicklung:
Bis 1942 war die übliche Praxis der Arbeitgeber die neuen OAILeistungen in die Leistungsberechnung zu »integrieren«, obwohl das nicht
vom Gesetzgeber intendiert war. Die übliche Betriebsrente wurde nach
dem Prinzip der Leistungszusage (defined benefit – DB) berechnet. Das bedeutet, den Beschäftigten wurde ein bestimmter Prozentsatz ihres Lohns
im Ruhestand garantiert. Nach der Einführung der öffentlichen Rente
(OAI) wurden bei der Leistungsberechnung der Betriebsrente einfach die
OAI-Leistungen auf die Lohnersatzrate angerechnet. Folglich erhielten
geringverdienende Beschäftigte keine Betriebsrente oder nur marginale
betriebliche Leistungen ausgezahlt, weil die öffentliche Rente bereits mehr
oder weniger der betrieblichen Lohnersatzrate entsprach. Diese Praxis
erhöhte die Unterstützung der Arbeitgeber für den New Deal, weil für sie
praktisch keine zusätzlichen Kosten anfielen. Die Integration ermöglichte es
ihnen, die Beiträge für die OAI bei den Leistungen für die Betriebsrenten
einzusparen (Hacker 2002: 86). Diese Praxis der Integration wurde 1942 im
Revenue Act formalisiert. Eine ursprünglich vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Praxis wurde somit gesetzlich anerkannt und legitimiert (vgl.
subversive conversion, Streeck/Thelen 2005b).
In den folgenden zwei Dekaden nutzten Arbeitgeber ihre Betriebsrenten, um hoch qualifizierte Angestellte an ihre Firma zu binden. Die
Betriebsrenten wurden so verändert, dass überwiegend nur Angestellte und
gutverdienende Mitarbeiter von den Betriebsrenten profitierten (Hacker
2002: 103; Hacker/Pierson 2002). Politisch wurde diese Segregation der
betrieblichen Rentenversicherungen hingenommen und nur geringfügig
regulativ gegengesteuert. Ebenso legte die Regulierung der Betriebsrenten
im Steuerrecht die institutionellen Grundlagen für eine unabhängige Gesetzgebung der privaten Rentenversicherungen. Die Regulierung der Be-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
311
triebsrenten wurde somit unabhängig vom Sozialrecht und der OAIGesetzgebung (Béland 2005b; Béland/Hacker 2004: 51).
In der Phase von 1935–1950 stieg die Versichertenquote für Betriebsrenten von rund 6 auf knapp 20 Prozent an. Dieser Anstieg ergab sich
daraus, dass die schon 1926 eingeführten Steuererleichterungen erst mit
der Erhöhung der Einkommenssteuer und Gewerbesteuer in den Kriegsjahren für eine breitere Masse der Arbeitnehmer und für viele Arbeitgeber
eine lukrative Steuerersparnis wurden. Vormals waren die Steuersätze so
gering, dass die Steuererleichterungen für den Großteil der Beschäftigten
und Arbeitgeber nicht ins Gewicht fielen. Das Wachstum der betriebliche
Altersvorsorge war somit ein Nebenprodukt der Steuervermeidungsstrategie von Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Howard 1997: 122).
Weitere Expansionen des öffentlichen Rentensystems wurden zu dieser
Zeit von einer Koalition aus konservativen Politikern, Arbeitgeberverbänden und Versicherungsgesellschaften verhindert, sodass die Rentenleistungen eines Beschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen in
diesem Zeitraum real gesunken sind. Ende der 1940er Jahre veränderten
die Gewerkschaften ihre sozialpolitische Strategie, weil sie mit ihren Forderungen nach einer Ausweitung der öffentlichen OAI nicht erfolgreich
waren. Sie setzten nun vermehrt auf eine Ausweitung der betrieblichen
sozialen Absicherung und fingen an, die Betriebsrenten als Teil der Tarifverhandlungen zu betrachten. Die Gewerkschaften setzten durch, dass die
Betriebsrenten für eine breitere Belegschaft zugänglich wurden. Umgekehrt
erkannten die Arbeitgeber, dass sie sich mit attraktiven Betriebsrenten die
Loyalität ihrer Belegschaft in einem Umfeld von Arbeitskräftemangel in
diesen Jahren sichern konnten (Hacker/Pierson 2002). Die Deckungsquote
stieg bis in die 1970er Jahre auf 40 Prozent und vor allem Arbeitnehmer in
großen Betrieben und mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad
profitierten von dieser Öffnung der Betriebsrenten für alle Mitarbeiter.
Obwohl die Versichertenquote für Betriebsrenten stetig anstieg, wurde
deren staatliche Regulierung nur marginal geändert. Bis Anfang der 1970er
Jahre bildete sich somit ein fragmentiertes Betriebsrentensystem heraus.
Die konkreten Leistungen und Eigenschaften der Betriebsrenten variierten
stark zwischen den Betrieben, weil die regulativen Vorgaben gering waren
und die Rechte der Versicherten in den Betrieben stark vom Verhandlungsgeschick der zuständigen Gewerkschaft abhingen. In den 1960er
Jahren gab es deshalb mehrere demokratische Gesetzesinitiativen, die
Rentenleistungen und -rechte für die Versicherten stärker festzuschreiben
312
WOHLFAHRTSMÄRKTE
und gesetzlich zu garantieren. Sie scheiterten jedoch am Widerstand republikanischer Abgeordneter, konzertierten Interventionen der Arbeitgeber
und intensiver Lobbyarbeit der Versicherungskonzerne. Diese mächtige
Koalition konnte somit eine stärkere Regulierung der Betriebsrenten verhindern (Howard 1997: 127).
Das Wachstum der Betriebsrenten seit dem New Deal bis in die 1970er
Jahre beruhte also auf einer veränderten Strategie der Gewerkschaften, der
Nachfrage nach höheren einkommensbezogenen Rentenleistungen als
auch auf lukrativeren steuerlichen Anreizen aufgrund höherer Steuersätze,
ohne jedoch die institutionelle Anreizstruktur der Betriebsrenten an sich zu
verändern. Dieser Anstieg der Betriebsrenten kann als displacement
beschrieben werden: Die schon frühzeitig implementierten Steuervergünstigungen der Betriebsrenten entwickelten sich zu einer ebenso wichtigen Altersvorsorgeinstitution wie die öffentliche OAI, obwohl dies anfangs
nicht so intendiert war. Die Betriebsrenten wurden erst als attraktive Vorsorgeform erkannt, als sich die sozialen Umstände geändert hatten (Steuersätze) und machtvolle arbeitsmarktpolitische Akteure (Arbeitgeber/Gewerkschaften) ihr Potenzial – in Ermangelung öffentlicher Alternativen –
erkannten.
In den 1950/60er Jahren wurde zwar auch die öffentliche Rentenversicherung durch direkte institutionelle Reformen ausgeweitet, allerdings
ohne das Wachstum der privaten Vorsorge zu mindern. Der Versichertenkreis wurde in diesem Zeitraum mehrmals ausgeweitet (Selbstständige,
Landwirte, einige Staatsbedienstete etc.).200 Außerdem wurde Ende 1972
mit dem Supplemental Security Income (SSI) eine bedarfsgeprüfte Grundrente auf Sozialhilfeniveau eingeführt (Howard 1997; Steensland 2006). Für
diese Beschäftigten blieb es weiterhin lukrativ zusätzlich eine betriebliche
Altersvorsorge abzuschließen, weil die Leistungen der öffentlichen Rentenversicherung nicht real angehoben wurden und ihr Einkommen ersetzt
hätten. Die öffentliche Rentenversicherung blieb trotz der moderaten Rentenerhöhungen eine Grundsicherung im Alter mit geringen Leistungen.
Zusammengenommen hatte sich bis Anfang der 1970er Jahre ein
duales System aus öffentlicher und betrieblicher Vorsorge zementiert (vgl.
Seeleib-Kaiser u.a. 2012). Allerdings waren bis dato nur sekundäre Wohl-
——————
200 Die Inklusion wurde abermals in den 1980er Jahren erhöht. Die Zugangsvoraussetzungen schlossen seitdem über 95 % der Erwerbsbevölkerung ein. Diese letzte Ausweitung des Versichertenkreises veränderte aber nicht mehr fundamental den Inklusionsgrad Ende der 1960er Jahre.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
313
fahrtsmärkte entstanden, das heißt zwischen Arbeitgebern und Versicherungskonzernen beziehungsweise Finanzmärkten (vgl. Kapitel 2; ausführlicher Berner 2009). Ein primärer Wohlfahrtsmarkt entstand nicht,
weil die primären Nutzer, das heißt die versicherten Beschäftigten, nicht
direkt am Markt agierten. Die Versicherten hatten keine Wahl zwischen
Anbietern, sondern waren an das Angebot ihres Betriebes gebunden. Erst
in der nächsten Entwicklungsphase entstand ein primärer Wohlfahrtsmarkt. Grundlage dafür waren aber die existierenden starken Betriebsrenten mit Leistungszusage.
Die Regulierung des US-amerikanischen Rentensystems bestehend aus
SSI, OAI und Betriebsrenten kann folgendermaßen Anfang der 1970er
Jahre zusammengefasst werden (vgl. erste Spalte in Tabelle 23):
1. Zugangsvoraussetzungen. Der Zugang variierte erheblich zwischen den drei
Säulen des Rentensystems. Das Supplemental Security Income (SSI) war
bedarfsgeprüft, die OAI war bis auf einige Beamte universell und der Zugang zu Betriebsrenten hing maßgeblich vom Arbeitgeber ab. Bei den
Betriebsrenten ist zu ergänzen, dass die Betriebe relativ viele Freiräume
hatten den Zugang zu gestalten und entsprechend groß waren die Unterschiede zwischen einzelnen Betrieben und Branchen.
2. Leistungsstruktur. Abgesehen von der Grundsicherung des SSI, waren die
Rentenleistungen einkommensbezogen. OAI und die Betriebsrenten mit
Leistungszusage waren ein integriertes System, dessen Rentenleistungen
miteinander verrechnet wurden. Durch die Leistungszusage der Betriebsrenten existierte eine hohe Erwartungssicherheit für die Versicherten.
3. Finanzierungsmechanismus. OAI und Betriebsrenten wurden über Beiträge
finanziert. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entrichtet, wohingegen die Beiträge zu den
Betriebsrenten üblicherweise ausschließlich von den Arbeitgebern aufgebracht wurden. Für beide Beitragsarten wurden Steuererleichterungen
gewährt (nachgelagerte Besteuerung der Rentenauszahlung).
4. Verwaltung. SSI und OAI wurden staatlich verwaltet. Die Betriebsrenten
wurden überwiegend von den Unternehmen selbst verwaltet. Versicherungsunternehmen agierten auf dem sekundären Rentenmarkt und
verwalteten die Betriebsrenten für einige Unternehmen.
314
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Tabelle 23: USA RENTE – Das Rentensystem um 1972 und die Regulierung
privater Rentenversicherungen (2000er Jahre)
Typ
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
Verwaltung
Wahlfreiheit
Rentensystem
1972
Bedarfsprüfung (SSI),
universell
(OAI), Status
(Betrieb)
Grundsicherung (SSI),
Leistungszusage (OAI,
Betrieb)
Sozialbeiträge,
Steuerfreibeträge (für
Arbeitgeber)
paritätisch
(OAI),
Arbeitgeber
(Betrieb)
Staat, Betrieb
gering (OAI,
Betrieb)
klassische
Betriebsrente
Status
(Betrieb)
401(k)
IRA
Status
(Betrieb)
individuell
Leistungszusage (DB)
Beitragsorientierung
(DC)
Beitragsorientierung
(DC)
Beiträge,
Steuererleichterungen
Beiträge,
Steuererleichterungen
Arbeitgeber
Arbeitnehmer
/ Arbeitgeber
(1/2)
Beitrage,
Steuererleichterung (für
Individuen)
Arbeitnehmer
Staat (PBGC),
Arbeitgeber
(Versicherungen)
keine,
Übertragbarkeit (vesting)
Arbeitgeber,
Versicherungen
private
Versicherungen
mittel (Optout, Opt-in,
zum Teil Optwithin), Übertragbarkeit
(vesting)
hoch (Opt-in,
Opt-within),
Übertragbarkeit
(vesting)
Quelle: eigene Darstellung, Unterschiede kursiv
5. Wahlfreiheit. Praktisch bestanden keine Wahlfreiheiten. Die OAI war eine
obligatorische Sozialversicherung und auch bei den Betriebsrenten waren
keine Wahloptionen vorhanden. Selbst bei den Betriebsrenten existierte
meist keine Ausstiegsoption, weil die Versicherten keine Beträge entrichteten und somit auch nur Nachteile von einem Ausstieg gehabt hätten.
Eine Übertragung von Rentenansprüchen war üblicherweise nicht möglich.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
315
Wie schon erläutert, baute dieses Rentensystem zwar in erheblichem Maße
auf den privaten Betriebsrenten auf, allerdings waren kaum Marktmechanismen implementiert. Zusammenfassend ist dieses Rentensystem
entstanden, weil ein Ausbau der öffentlichen Rentenversicherung nicht
stattfand. Die Parteidifferenzen verhinderten in dieser Phase vor allem
notwendige Reformen der OAI. Republikanische Abgeordnete vereitelten
regelmäßig Gesetzesinitiativen zur Erhöhung der öffentlichen Rentenversicherung mit Unterstützung von Arbeitgebern und Versicherungskonzernen. Die Mehrheit der Arbeitgeber war weiterhin daran interessiert,
die Loyalität ihrer Mitarbeiter mit Betriebsrenten sicherzustellen und die
Versicherungskonzerne verdienten kräftig an den Betriebsrenten und
fürchteten, ein generöseres öffentliches System würde ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen (Hacker/Pierson 2002). Zudem haben die Gewerkschaften mit ihrer veränderten Strategie seit den 1950er Jahren den Ausbau
der Betriebsrenten vorangetrieben (Swenson 2004).
Die Einbettung der öffentlichen und betrieblichen Rentenversicherung
erfolgte als eine gegenseitige Beeinflussung und nicht als eine Übertragung
der Eigenschaften auf eine andere Institution, vor allem weil die private
Altersvorsorge parallel zur öffentlichen Vorsorge entstand und ausgebaut
wurde. Außerdem war die Regulierung der betrieblichen Rentenversicherungen schwach und nur wenige Vorgaben regelten den sekundären
Wohlfahrtsmarkt, was zu einer großen Pluralität, aber auch geringen einklagbaren sozialen Rechten führte. Die Eigenschaften der öffentlichen und
privaten Rentenversicherung weisen zwar Ähnlichkeiten auf (Beitragsbezug, geringe Wahlfreiheit), differieren aber auch in weiten Teilen (u.a.
Universalismus vs. Status). Die beiden Rentensäulen sind komplementär
zueinander entstanden, das heißt die Betriebsrenten sollten Defizite der
öffentlichen OAI auffangen, weshalb sie anders reguliert wurden. Diese
sehr unterschiedlichen Eigenschaften bildeten im Folgenden die Grundlage
für die Ausweitung von Marktmechanismen und die Regulierung neuer
privater Rentenversicherungen.
Nationale Vereinheitlichung der Betriebsrenten durch ERISA 1974
Ende der 1960er Jahre formierte sich unter Federführung von Senator
Jacob Javits (moderater Republikaner) eine parteiübergreifende Initiative
von Parlamentariern mit dem Ziel, die sozialen Rechte der Versicherten in
Betriebsrenten zu verbessern. Die Gruppe von Demokraten und Republi-
316
WOHLFAHRTSMÄRKTE
kanern brachte 1972 einen Gesetzentwurf ein, der erfolgreich zum Employee
Retirement Income Security Act (ERISA) von 1974 führte. ERISA war das
Ergebnis eines parteiübergreifenden Kompromisses zwischen der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat und dem republikanisch kontrollierten weißen Haus unter den Präsidenten Nixon und
Ford, die Initiative ging aber ursprünglich und maßgeblich vom republikanischen Senator Javits aus (Howard 2007).
Die vorherige parlamentarische Blockade konnte aus verschiedenen
Gründen gebrochen werden. Erstens waren die Arbeitgeberverbände und
Versicherungskonzerne in einer sehr schwachen Position zu dieser Zeit,
weil sie an verschiedenen Fronten Gesetzesinitiativen zu verhindern versuchten und deshalb keine koordinierte Lobbyarbeit leisteten. Zweitens
wurde Anfang der 1970er Jahre erstmals ausführlich über die Steuerausfälle
im Rahmen der Steuererleichterungen für private und betriebliche Renten
öffentlich berichtet und die Zusammenhänge zwischen sozialer Ungleichheit und dem Steuersystem thematisiert. Zugleich wurden Finanzierungsengpässe der öffentlichen Rentenversicherung (OAI) öffentlich in den
Medien diskutiert und eine Erhöhung der Beiträge gefordert (Hacker 2002:
148–151; Howard 1997: 129).
Diese günstigen politischen Umstände erhöhten den Reformdruck und
erleichterten die Kompromissfindung im Kongress. Zwei zentrale Lösungen wurden gefunden, die eine parteiübergreifende Einigung ermöglichten.
Erstens wurde eine Machtteilung zwischen dem Finanzministerium und
dem Sozialministerium vereinbart, was vor allem die Verwaltungsdimension betraf. Das Finanzministerium bekam die Zuständigkeit für einen Teil
der Regulierung der Betriebsrenten (Übertragungsregelungen, Nichtdiskriminierung, Anlageregeln), womit das Finanzministerium die zentrale
Rolle in der Ausgestaltung der finanziellen Förderung der Betriebsrenten
behielt. Das Sozialministerium erhielt hingegen die Zuständigkeit für die
Regulierung von Berichts- und Offenlegungspflichten und die Regulierung
und Abwicklung von auslaufenden oder insolventen Betriebsrenten. Innerhalb des Sozialministeriums wurde eine neue Versicherungsbehörde zur
Abwicklung von insolventen Betriebsrenten gegründet. Die neue Pension
Benefit Guaranty Corporation (PBGC) sicherte fortan alle Betriebsrenten mit
Leistungsgarantie gegen Insolvenz ab.
Der zweite Kompromiss öffnete das Tor für einen privaten Rentenversicherungsmarkt im Rahmen der betrieblichen Vorsorge. Auf Druck der
Nixon Administration wurden individuelle Rentensparpläne für abhängig
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
317
Beschäftigte (Individual Retirement Accounts – IRA) in die ERISAGesetzgebung aufgenommen. Im Gegensatz zu den kollektiven Betriebsrenten mit Leistungszusage wurde abhängig Beschäftigten ermöglicht,
individuelle private Rentenversicherungen abzuschließen und dabei ähnliche Steuervorteile zu genießen wie bei den kollektiven Betriebsrenten.
Die IRAs sollten auch Beschäftigten ohne Zugang zu einer Betriebsrente
bei einem großen Unternehmen ermöglichen, für ihren Ruhestand privat
vorzusorgen. Mit der Ausdehnung der Steuererleichterungen sollten sie
nicht benachteiligt werden gegenüber Versicherten mit kollektiven Betriebsrenten. Erstmals wurden die Versicherten zu primären Wohlfahrtsmarktkunden, weil sie zwischen verschiedenen Versicherungsanbietern wählen konnten und nicht mehr von ihrem Arbeitgeber abhängig
waren. Diese Marktliberalisierung war somit ursprünglich als eine Ergänzung der existierenden Betriebsrenten gedacht (layering). Die institutionelle
Innovation der IRA konnte bereits auf einen hohen Grad an privater
Finanzierung und Produktion aufbauen, als auch regulative Eigenschaften
aus den benachbarten Institutionen übernehmen, wie Steuererleichterungen und die öffentlichen Regulierungsbehörden im Sozial- und Finanzministerium.
Im Endeffekt war das primäre Ziel der Reform, das duale System aus
öffentlicher Rentenversicherung und Betriebsrenten zu stärken und den
Versicherten mehr soziale Rechte in den Betriebsrenten zu garantieren.
Das Sozialversicherungsmodell galt dabei als Vorbild für die Betriebsrenten
mit Leistungszusage, indem zusätzliche Garantien und Rechte der OAI auf
die Betriebsrenten übertragen wurden. Die politische Linke erkannte, dass
eine Ausweitung der öffentlichen Rentenversicherung nicht mehrheitsfähig
war. Gewerkschaften und Demokraten hatten sich mit den Betriebsrenten
arrangiert, versuchten sie aber nach ihren Vorstellungen zu gestalten, indem die sozialen Rechte der Versicherten gestärkt wurden.
Trotz der sozialpolitischen Errungenschaften der ERISA-Gesetzgebung erzielte das linke Lager nur einen Pyrrhussieg. Die IRAs entpuppten
sich als Trojanisches Pferd, das eine Ausweitung der Marktmechanismen
im Rentensystem bewirkte, obwohl ERISA augenscheinlich die sozialen
Rechte der Versicherten zunächst erhöhte. Die IRAs waren die Initialzündung für die Entstehung eines individualisierten Wohlfahrtsmarktes und
der Beginn des Niedergangs der kollektiven Betriebsrenten mit Leistungsgarantie. In den folgenden Jahren entstand ein individueller Rentenmarkt,
der zwar mehr Wahlfreiheiten ermöglichte, jedoch auch das Risiko der
318
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Versicherten individualisierte. Der folgende Abschnitt zeichnet ausführlich
nach, welche Marktmechanismen eingeführt wurden und wie sie zur
Marktliberalisierung der bestehenden privaten Altersvorsorge führten.
Individualisierung und Vermarktlichung
Als Vorbild zur Regulierung der IRAs fungierten die Keogh-Plans201, die
schon 1962 für Selbstständige eingeführt wurden. Selbstständige waren
zwar seit 1950 in der OAI pflichtversichert, für sie waren aber klassische
Betriebsrenten nach dem Vorbild großer Unternehmen häufig nicht lukrativ. Für Selbstständige lag der Vorteil von Keogh-Plans darin, dass sie mit
geringem Verwaltungsaufwand Rücklagen für das Alter bilden konnten
und für ihre Beiträge vergleichbare steuerliche Vergünstigungen erhielten
wie abhängig Beschäftigte (IRS 2009). Die jährlichen Steuererleichterungen
waren merklich höher als für die Betriebsrenten, weil Selbstständige sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge entrichteten.
Diese Rentenbeiträge konnten in Betriebsrenten ähnliche, jedoch individuell gestaltete, Altersvorsorgepläne von Versicherungskonzernen investiert werden. Selbstständige, die einen Keogh-Plan abschlossen, agierten als
Kunden direkt mit den Versicherungskonzernen und konnten verschiedene Angebote einholen und vergleichen. Es existierte somit schon ein
bezuschusster Rentenmarkt, jedoch nur für eine begrenzte Gruppe der
Erwerbsbevölkerung.
Wie mit der Gesetzgebung intendiert, wurden IRAs zunächst auf diejenigen Beschäftigten beschränkt, die keinen Zugang zu Betriebsrenten
hatten.202 Der Rentenmarkt war somit als eine Ergänzung zu den existierenden Betriebsrenten gedacht. Allerdings wurde die Begrenzung 1981 von
der republikanischen Reagan Regierung aufgehoben und alle Beschäftigten
konnten einen IRA abschließen, entweder zusätzlich zur Betriebsrente
oder als alleinige Altersvorsorge. Sie konnten anfangs 1.000 $ pro Jahr in
einen Rentenfonds ihrer Wahl investieren.203 Diese individuellen Rentenfonds wurden direkt von Versicherungskonzernen angeboten. Somit war
——————
201 Manchmal auch Qualified Plans oder HR10 Plans genannt. Die geläufigste Bezeichnung
Keogh Plans bezieht sich auf den Abgeordneten Eugene J. Keogh, der das Gesetz ausgearbeitet hat.
202 Weitere regulative Details bei McGill u.a. (1996; 2005).
203 Seitdem wurde der jährliche Maximalbeitrag mehrfach erhöht. Seit 2008 5.000 $ für
Beschäftigte jünger als 50 Jahre und 6.000 $ für ältere Beschäftigte. Seit 2011 steigen die
jährlichen Maximalbeiträge mit der Inflation in Schritten von 500 $.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
319
der Arbeitgeber nicht mehr der Vermittler der Alterssicherung, sondern die
Versicherten wurden zu Kunden auf dem Rentenmarkt und konnten
eigenständig ein passendes Altersvorsorgeprodukt auswählen (Bryant 2008;
Friedman 2004).
Die Aufhebung der Zugangsbeschränkung 1981 eröffnete neue Wahlfreiheiten für die Beschäftigten. Sie konnten erstens grundsätzlich zwischen der Standardoption im Betrieb und einer individuellen Altersvorsorge wählen und zweitens konnten sie zwischen verschiedenen Anbietern
wählen. Dieses neue Element der Wahlfreiheit konstituierte aus einem
sekundären Rentenmarkt einen primären.
Neben den veränderten Marktbeziehungen im Rahmen der Wahlfreiheit veränderte sich auch die Finanzierungs- und Leistungsberechnung.
Im Gegensatz zu den Betriebsrenten mit Leistungszusage basierend auf
dem vorherigen Einkommen sind IRAs beitragsorientierte Rentenversicherungen (DC). Die spätere Rentenleistung hängt von den eingezahlten Beiträgen und der Kursentwicklung der Rentenrücklagen ab und unterliegt
somit erheblichen Schwankungen. Im Gegenzug entfällt aber die Integration der Rentenleistungen in die OAI. Das bedeutet, sie werden nicht auf
die OAI angerechnet und werden unabhängig von der Höhe der OAILeistungen ausgezahlt. In Bezug auf den Finanzierungsmechanismus des
Marktes (vgl. Kapitel 4.1) werden alle Beiträge ausschließlich von den Beschäftigten entrichtet. Insgesamt stieg damit der Finanzierungsanteil der
Versicherten und ihre Rentenleistungen sind häufig geringer, weil die Leistungszusage wegfällt, das Risikopooling geringer ist und höhere Verwaltungskosten anfallen.
Unterwanderung von ERISA durch 401(k)-Betriebsrenten
Die IRAs waren aber nicht die einzige Neuerung, die zu einer allgemeinen
Vermarktlichung der Altersvorsorge führte. Einige Jahre nach der Verabschiedung von ERISA wurde eine weitere Liberalisierung eingeführt, die zu
einer Umwälzung der klassischen Betriebsrenten führte.
Die Betriebsrenten mit Leistungszusage wurden aufgrund von ERISA
relativ kostspielig für die Arbeitgeber, die meist ausschließlich die Beiträge
entrichteten. Die neuen regulativen Vorgaben von ERISA erhöhten den
Verwaltungsaufwand und somit die Kosten für die Arbeitgeber. Außerdem
unterschätzten viele Betriebsrenten erheblich die steigende Lebenserwartung und überschätzten die Kursentwicklungen an den Finanz-
320
WOHLFAHRTSMÄRKTE
märkten, mit der Folge, dass nicht genügend Rücklagen gebildet wurden,
um die Rentenverpflichtungen zu bedienen. Eine stärkere finanzielle Beteiligung der Arbeitnehmer wurde somit eine willkommene Option, um die
steigenden Kosten, Unterfinanzierung und Risiken der Betriebsrenten
abzudecken (Papke 1999).
Seit Mitte der 1950er Jahre existierten bereits Steuererleichterungen für
die Beiträge von Arbeitnehmern (»cash or deferred arrangements« –
CODAs), doch für die CODAs galt seit der Einführung von ERISA ein
Moratorium, weil unklar war, wie die Arbeitnehmerbeiträge steuerlich zu
behandeln wären. Vier Jahre nach ERISA wurde schließlich eine verbindliche Formulierung gesetzlich verankert, die 1980 in Kraft trat. Der
neue Paragraf 401(k) im Steuergesetz wurde auch Namensgeber für die
neuen Rentenpläne.
Paragraf 401(k) ermöglichte die steuerfreie Investition von Arbeitgeberbeiträgen in Betriebsrenten. Die neue Formulierung wurde durch eine
technokratische Entscheidungsfindung ohne jegliche politische Auseinandersetzung implementiert und ist somit unterhalb des politischen
Radarschirms eingeführt worden. Den politischen Entscheidern waren die
damit verbundenen Optionen und Marktmechanismen der Altersvorsorge
nicht bewusst. Die parlamentarischen Experten und Bürokraten im Hintergrund gingen davon aus, dass der kollektive Charakter der bisherigen Betriebsrenten mit Leistungszusage davon nicht berührt würde, wenn auch
die Arbeitnehmer Beiträge einzahlten. Erst ein Experte für private Renten
namens Ted Benna erkannte, dass die Neuformulierung der Steuererleichterungen im Paragrafen 401(k) auch für hochgradig individualisierte
beitragsorientierte Betriebsrenten (DC) genutzt werden können. Die Idee
von Benna bestand darin, den Versicherten mehr Wahloptionen beim
Abschluss einer beitragsorientierten Betriebsrente zu bieten. Die Versicherten konnten in seinem Model zwischen verschiedenen Rentenfonds wählen, anstatt in einen kollektiven Betriebsfonds einzuzahlen. Als er seinen
Rentensparplan zertifizieren ließ, fehlten eigentlich spezifische regulative
Vorgaben, wie die beitragsorientierten Renten ausgestaltet werden sollten.
Mit der späteren regulativen Konkretisierung im Jahre 1981 entfaltete sich
eine große soziale Umwälzung der privaten Alterssicherung (Papke 1995).
Im Rahmen der Reform wurde der steuerlich absetzbare Maximalbeitrag
um ein Vielfaches höher angesetzt als bei den IRAs.
Die Einführung der 401(k)-Pläne bedeutete eine fundamentale Abkehr
von der Leistungszusage zum Beitragsprimat. Die neuen beitragsorien-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
321
tierten Betriebsrenten führten individuelle Anlagekonten ein, womit die
spätere Rente erheblich von den geleisteten Beiträgen und von der Kursentwicklung der Finanzmärkte abhing und nicht mehr vom letzten Gehalt.
Im Gegensatz zu den IRAs leisteten die Arbeitgeber weiterhin Beiträge in
die beitragsorientierten 401(k)-Renten, sie waren aber erheblich geringer als
bei den vorherigen Renten mit Leistungszusage. Die Arbeitgeberbeiträge
waren fortan von der Höhe der Arbeitnehmerbeiträge abhängig. Je mehr
die Versicherten in die Rentenfonds einzahlten, desto mehr erhielten sie als
Arbeitgeberzuschuss bis zu einer Grenze von meist 6 Prozent des Bruttolohns (vgl. Kapitel 4.1).
Im Vergleich zu den IRAs waren die Versicherten zwar an den Rentenanbieter beziehungsweise die Vertragsbedingungen gebunden, die der Arbeitgeber auswählte, dennoch wurden mit den 401(k)-Renten verschiedene
Wahlfreiheiten eingeführt, die in den 1990er Jahren weiter ausgeweitet
wurden (Papke 1999).
Erstens konnten die Versicherten viel flexibler als zuvor ihre Beitragshöhe bestimmen. Der steuerlich absetzbare Maximalbeitrag der 401(k)Renten war rund zehn Mal so hoch wie der für IRAs (2010: 49.000 $). Für
Personen mit hohem Einkommen, die hohe Rücklagen für ihre Rente
bilden wollten, wurden die 401(k)-Pläne zur besseren Option. Im Rahmen
der gesetzlichen Fördergrenzen können die Versicherten selbstständig
bestimmen, wie viel sie von ihrem Einkommen investieren wollen. Wie
schon in Kapitel 4.1.2 (S. 122) erläutert, ist ein Rentenbeitrag von sechs
Prozent des Bruttolohns am häufigsten und die meisten Beiträge bewegen
sich in der Größenordnung von drei bis fünfzehn Prozent (Munnell u.a.
2001; Papke 1995).204 Da die Rentenbeiträge freiwillig waren, wurden die
Arbeitnehmer vor die Wahl gestellt, ob sie überhaupt am Rentenmarkt
teilnehmen und wie viel sie in den Rentenmarkt investieren. Letztendlich
mussten die Arbeitnehmer antizipieren, welches Rentenniveau sie im Alter
erreichen wollen, da die spätere Rentenleistung maßgeblich von den entrichteten Beiträgen abhing.
——————
204 Anfangs galt zusätzlich zu der absoluten Beitragsgrenze auch eine prozentuale Beitragsgrenze von maximal 25 % des Bruttoeinkommens. Diese wurden aber mit dem
Economic Growth and Tax Relief Reconciliation Act of 2001 abgeschafft (McGill u.a.
2005: 293). Seitdem ist es beispielsweise möglich, bei einem Einkommen unter der Beitragsbemessungsgrenze von 49.000 $ pro Jahr (2010), dieses komplett in eine 401(k)Betriebsrente zu investieren. Empirisch konnte sogar gezeigt werden, dass einige Beschäftigte tatsächlich ihr komplettes Gehalt in die Betriebsrente investieren
(Benartzi/Thaler 2007: 86).
322
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Zweitens ermöglichten viele Versicherungsanbieter zwischen Risikograden oder einzelnen Rentenfonds zu wählen. Die Versicherten waren
zwar an einen Versicherungsanbieter gebunden, konnten aber durch ihr
Anlageverhalten und ihre Risikopräferenz an einem internen Markt teilnehmen (u.a. Vanguard 2008).
Drittens bestand die Möglichkeit das Rentenkapital als Einmalzahlung
zu erhalten. Im Regelfall fallen dann, vorausgesetzt Kriterien wie Alter
oder Invalidität sind erfüllt, 20 Prozent Einkommenssteuer an. Wie bei den
Beiträgen erhielten die Versicherten die Option, ihr Rentenkapital flexibel
nach ihren Bedürfnissen zu verwenden (McGill u.a. 1996; 2005). Beispielsweise wurden partielle Auszahlungen beliebt, um eine Restschuld der
Hypothek abzubezahlen (Apgar/Di 2006; Engelhardt 2002).
Im Zuge der Ausweitung der individuellen privaten Rentenversicherungen wurden über die folgenden Jahre verschiedene Typen von IRAs205
und 401(k)-Betriebsrenten206 eingeführt, denen unterschiedliche Steuermodelle und Beitragsbemessungsgrenzen zugrunde liegen (Bryant 2008;
IRS 2009; McGill u.a. 2005; Perun/Steuerle 2005). Durch die Einführung
der verschieden IRA- und 401(k)-Altersvorsorgetypen ist die Regulierung
generell komplexer und unübersichtlicher geworden. Die Beschäftigten
haben eine Vielzahl von Anlageoptionen und müssen, bevor sie zwischen
Anbietern wählen, herausfinden, welches Rentenmodell ihrem Lebenseinkommen den größten Steuervorteil bietet. In diese Überlegungen können
sie nur ihr gegenwärtiges Einkommen und Arbeitsverhältnis einbeziehen,
obwohl zu einem späteren Zeitpunkt und nach politischen Änderungen
vielleicht ein anderer Rentenplan vorteilhafter wäre.
Die institutionelle Einbettung der IRAs und 401(k)-Renten
Insgesamt bildete sich ein neues Rentensystem heraus, das individueller
und marktförmiger gestaltet war und die alten kollektiven Betriebsrenten
überlagerte (layering). Die Einführung verschiedener steuerlich absetzbarer
individueller Rentenversicherungen 1990–2010 wie Roth-IRAs führte den
Weg der Individualisierung und Vermarktlichung nur fort. Außerdem wei-
——————
205 Roth IRAs besteuern die Beiträge, Kapitalerträge und Auszahlung sind steuerfrei (1997),
SIMPLE IRAs für kleinere Betriebe und Selbstständige (1996), Education IRAs (1997,
Coverdell Educational Savings Accounts).
206 Roth 401(k)-Betriebsrenten besteuern die Beiträge, dafür sind die Kapitalerträge und
Auszahlungsphase steuerfrei (implementiert 2006).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
323
sen IRAs und 401(k)-Betriebsrenten Neuerungen auf, die auf eine Verstärkung der liberalen Wohlfahrtsregimeeigenschaften hindeuten, weil vor
allem die Marktmechanismen gestärkt wurden im Vergleich zu den vorherigen klassischen Betriebsrenten. Tabelle 23 verdeutlicht auch die Pluralisierung der Märkte, denn es bestehen die nun durch ERISA geschützten
alten Betriebsrenten mit Leistungszusage, 401(k)-Betriebsrenten und IRAs
zur Auswahl, die auch miteinander kombiniert werden können. Angesichts
der Komplexität dieser parallel existierenden privaten und marktförmigen
Altersvorsorgewege fassen die folgenden Absätze die erfolgte Einbettung
anhand der wichtigsten Regulierungsdimensionen kursorisch zusammen:
1. Zugangsvoraussetzungen. Die Betriebsrenten sind weiterhin an den Arbeitgeber gebunden, sodass die Segregation nach Erwerbstatus und Arbeitgeber fortbesteht. Die Pluralisierung der Förderwege, insbesondere von individuellen Rentenversicherungen wie IRAs ermöglicht aber, dass jeder
Erwerbstätige eine Form der zusätzlichen privaten Rentenversicherung
abschließen kann. Mit dem Wandel zu beitragsorientierten Betriebsrenten
sank auch die Wartezeit in einigen Unternehmen und Beschäftigte konnten
sogleich Rentenansprüche erwerben (Madrian/Shea 2001). Seit Mitte der
Neunziger ist auch ein leichter Trend zum automatisierten Beitritt festzustellen (»auto-enrolment«, Thaler/Benartzi 2004; Vanguard 2008). Im Endeffekt blieben Statusunterschiede bestehen, dennoch wurde der formale
Zugang erleichtert, weil bisher Nichtversicherte nun zumindest einen IRA
abschließen können.
2. Leistungsstruktur. Der Beitragsbezug wurde durch die Umstellung von der
Leistungszusage (DB) auf Beitragsorientierung (DC) gestärkt. Somit haben
zwar quantitativ die beitragsorientierten Renten zugenommen (vgl. Kapitel
4.1), sie basieren aber formal auf Vorgängerinstitutionen für Selbstständige,
die auch nur beitragsorientierte Rentenleistungen erhielten. Die Rentenleistungen schwanken aufgrund der Kapitaldeckung mit der Volatilität der
Finanzmärkte, was die Erwartungssicherheit zusätzlich reduziert.
3. Finanzierungsmechanismus. Grundsätzlich wurde die Beitragsfinanzierung
mit ergänzenden Steuererleichterungen beibehalten. Das Element der
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerfinanzierung wurde gestärkt, wenn auch die
alten Betriebsrenten weiterhin ausschließlich mit Arbeitgeberbeiträgen
finanziert werden. Zwar wurde keine paritätische Finanzierung wie bei der
OAI obligatorisch eingeführt, dennoch wurde die Idee der gemeinsamen
324
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Beitragsfinanzierung nun institutionell bei den 401(k)-Renten stärker verankert. Mit den IRAs wurde aber auch die reine Arbeitnehmerfinanzierung
eingeführt, die vorher nicht üblich war.
4. Verwaltung. Die Verwaltung der Rentenrücklagen oblag von Anfang an
Betrieben und Versicherungskonzernen, der Schwerpunkt verschob sich
aber seit 1980 zugunsten der Versicherungskonzerne. Die Lizenzierung der
Rentenversicherungen und die Verwaltung der Steuererleichterungen verblieben in staatlicher Hand, wobei aber das Finanzministerium gegenüber
dem Sozialministerium gestärkt wurde. Mit der ERISA-Gesetzgebung
wurden die alten Betriebsrenten mit Leistungszusage unter stärkere staatliche Kontrolle gestellt und insgesamt nahm die staatliche Regulierungstiefe
in Form detaillierter gesetzlicher Vorgaben zu.
5. Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit wurde enorm erhöht durch eine Vielzahl an
Opt-in-Varianten und die bessere Übertragbarkeit des Rentenkapitals. Die
Transaktionskosten für einen Anbieterwechsel waren seit ERISA relativ
gering und ermöglichten den Beschäftigten einfache Jobwechsel, ohne ihre
Rentenansprüche zu verlieren, einen Wechsel zu einem günstigeren Anbieter oder die Wahl eines steuerlich vorteilhafteren Rentenversicherungstyps.
Die institutionellen Eigenschaften der IRAs und 401(k)-Betriebsrenten
bauen insgesamt auf benachbarten Institutionen auf. Die Regulierung der
IRAs wurde nach dem Vorbild der Keogh-Renten formuliert und der
Boom der 401(k)-Betriebsrenten basierte auf einer steuerlichen Begünstigung aus den 1950er Jahren. Obwohl sie auf Vorgängerinstitutionen beruhten, transformierten sie den Rentenmarkt, weil die vormals begrenzten
Förderungsinstrumente für alle Erwerbstätigen geöffnet wurden und erhebliche Wahlfreiheiten eingeführt wurden. Ebenso bestehen die steuerlichen Förderungen und institutionellen Rahmenbedingungen der alten
Betriebsrenten mit Leistungszusage fort, wenn auch die Unternehmen
zusehends auf beitragsorientierte Renten umgestellt haben (Hacker 2006).
Zusammenfassend wurden die neuen marktförmigeren Rentenversicherungen ergänzend zu den bestehenden Institutionen gegründet, entfalteten
anschließend aber eine eigene, unintendierte Dynamik und verdrängten
zunehmend die alten privaten Rentenversicherungen (layering). Die neuen
primären Wohlfahrtsmärkte haben im Endeffekt die alten sekundären
Wohlfahrtsmärkte der Betriebsrenten zurückgedrängt. Private Altersvor-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
325
sorgesysteme stehen also nicht nur in Konkurrenz zu öffentlichen Rentenversicherungen, sondern es finden auch Verdrängungsprozesse zwischen
verschiedenen privaten Systemen statt (ähnliches Argument bei Béland
2007a).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Rentenmarkt in den
USA schrittweise politisch-institutionell eingebettet wurde. Zunächst entwickelte sich eine starke private Betriebsrentensäule komplementär zur
öffentlichen Rentenversicherung. Diese starke Säule der Betriebsrenten
wurde in den 1970er Jahren individualisiert und wandelte sich zu einem
Wohlfahrtsmarkt, in dem das betriebliche Element eine zunehmend untergeordnete Rolle spielte.
Fazit – Konservative Kampagnen, Kompromisse und unerwartete Folgen
Die abschließende Frage ist, wie konnte die Marktliberalisierung in den
1970er Jahren entstehen und dennoch auf existierenden Institutionen aufbauen. Wie schon erläutert, bereitete eine Koalition von Republikanern,
Arbeitgebern und Versicherungskonzernen inkrementell die institutionellen Voraussetzungen für einen Rentenmarkt vor. Sie verhinderten die
Expansion der öffentlichen Rentenversicherung, sodass durch die entstandenen privaten Betriebsrenten der Boden für eine Marktliberalisierung
bereitet wurde. Die ausschlaggebenden politischen Schritte zur Marktliberalisierung der Betriebsrenten hin zu individuellen Rentenversicherungen waren parteiübergreifende Kompromisse, die die bestehenden
öffentlichen und betrieblichen Institutionen unangetastet ließen, aber neue
Institutionen andockten. Die neuen IRAs und 401(k)-Betriebsrenten überlagerten jedoch mit der Zeit die alten betrieblichen Institutionen und ersetzten sie für die meisten neuen Versicherten (layering).
Als die IRAs und 401(k)-Betriebsrenten im Rahmen von parteiübergreifenden Kompromissen in den 1970er Jahren eingeführt wurden, erkannte kaum einer der politischen Akteure die Tragweite der sozialen Veränderung, die die neuen Steuervergünstigungen und Marktmechanismen
freisetzen würden. Die politische Initiative für die Rentenmärkte ging zwar
hauptsächlich von konservativen Akteuren aus, wie republikanischen Präsidenten (Nixon, Reagan) und Kongressabgeordneten, konservativen Arbeitgeberflügeln und dominanten Marktakteuren (Versicherungskonzernen),
dennoch war auch die demokratische Zustimmung für die Einführung der
Rentenmärkte notwendig. Die Zustimmung zur Liberalisierung der Ren-
326
WOHLFAHRTSMÄRKTE
tenmärkte in den 1970er Jahren wurde durch einen Package-Deal erreicht,
weil ERISA auch die sozialen Rechte der Versicherten innerhalb der bestehenden Institutionen stärkte. Selbst die Einführung der ergänzenden Rentenmärkte wurde mit sozialen Zielen begründet: Die IRAs sollten denjenigen, die keinen Zugang zu einer betrieblichen Vorsorge hatten, eine
individuelle Altersvorsorge ermöglichen. Die neuen Wahlfreiheiten und die
Option des Beitragsprimats im Rahmen von Kapitel 401(k) waren lediglich
als Ergänzung zum bestehenden System geplant, um eine zusätzliche Vorsorge über die Beiträge der Arbeitgeber hinaus zu ermöglichen. Die Angliederung der Rentenmärkte an das bestehende Rentensystem wurde als
eine kleine Änderung für Nichtversicherte beziehungsweise Unterversicherte bezeichnet, die keine fundamentalen Folgen für die bereits Versicherten habe. Dieser Trugschluss ermöglichte die Zustimmung der Demokraten, weil sie glaubten, die hohen sozialen Sicherheiten der Betriebsrenten mit Leistungszusage nicht anzutasten (Hacker 2002; Howard 1997;
2007).
Erst im Zuge weiterer inkrementeller Marktliberalisierungen wurden die
neuen Vorsorgewege universalisiert und für alle Beschäftigten zugänglich,
was zu deren Ausweitung in den 1980/90er Jahren beitrug. Die konservativen Akteure, allen voran die Reagan Administration, unterstützten
politisch grundsätzlich eine Ausweitung der individuellen Rentenversicherungen mit Wahlfreiheiten (Hacker 2006: 120). Unter Reagan konnten die
Marktliberalisierungen der 1970er Jahre greifen, weil die regulativen Hürden, die ein Wachstum der Rentenmärkte begrenzten, abgeschafft wurden.
Republikanische Denkfabriken sahen die Ausweitung der individuellen
Rentenversicherungen vor allem als eine langfristige Strategie, die Legitimation der öffentlichen Rentenversicherung zu untergraben. Sie hofften somit, in der Bevölkerung eine weitgehende Akzeptanz privater kapitalgedeckter Rentenversicherungen zu erreichen. Wenn glaubhaft gemacht
werden kann, so die Strategie, dass diese privaten Renten effektiver den
Lebensstandard sichern können als die öffentliche Rentenversicherung,
würde das eine Privatisierung der öffentlichen Rentenversicherung ermöglichen (Béland 2005b; 2007a). Trotz einiger Anstrengungen unter George
W. Bush die OAI zu privatisieren und Wahlfreiheiten einzuführen, scheiterten diese Versuche bisher (Béland 2007b). Umgekehrt forderten die
Demokraten nie eine Abschaffung der neu eingeführten Rentensparmodelle oder schlugen ernsthaft vor, die Steuervergünstigungen zu kürzen
(IRS 2012; Papke 1995). Dieser einmal eingeschlagene Weg konnte von
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
327
den Demokraten nicht mehr rückgängig gemacht werden, weil bereits ein
großer Anteil der Bevölkerung von den Steuererleichterungen profitierte
und eine Reduzierung der staatlichen Förderung als eine Kürzung von
sozialpolitischen Leistungen interpretiert worden wäre. Die Einführung der
IRAs und anderer individueller Altersvorsorgewege entfaltete schließlich
eine eigene Dynamik, die zu einer Überlagerung der bestehenden privaten
Altersvorsorgeinstitutionen führte (layering). Viele Arbeitgeber erkannten,
dass die Kosten und Risiken der individualisierten Renten für sie viel geringer sind als die althergebrachten Leistungszusagen. Die Beteiligung der
Arbeitnehmer an den Kosten entlastete die Arbeitgeber und das Risiko
höherer als ursprünglich prognostizierter Leistungsforderungen (demografischer Wandel, Finanzmärkte) wurde auf die Versicherungskonzerne
und Individuen übertragen.207 Wie in Kapitel 4 gezeigt, wird neuen Mitarbeitern überwiegend nur noch eine individuelle Betriebsrente angeboten.
Die alten Betriebsrenten mit Leistungszusage wurden zum großen Teil
abgewickelt und existieren nur noch für langjährige Beschäftigte und werden mit der Zeit von der Bildfläche verschwinden. Somit höhlte eine konservative Koalition aus Republikanern, Unternehmen und Versicherungskonzernen ERISA durch die Hintertür aus und schuf einen Markt, der
anfangs von keinem der Akteure, zumindest in dem Ausmaß, erwartet
wurde. Damit ist die Einbettung des Rentenmarktes in das USamerikanische Wohlfahrtsregime ein Beispiel für layering par excellence
(Hacker 2005: 68). Ebenso zeigt der Fall den machtvollen Einfluss von
konservativen Kräften bei der Gründung von Wohlfahrtsmärkten.
Aus der Entstehung und folgenden regulativen Änderungen des USamerikanischen Rentenmarktes kann geschlossen werden, dass die Vorbedingung für einen umfangreichen Rentenmarkt ein starkes betriebliches
Rentensystem ist. Ohne die Entstehung der Betriebsrenten von 1935–1974
wäre die spätere liberale Marktöffnung nicht möglich gewesen. Des Weiteren können individuelle private Rentenversicherungen lang etablierte kollektive Betriebsrenten verdrängen, wenn die regulativen und finanziellen
Anreize, insbesondere aus Anbietersicht, verändert werden. Dies geschieht
nicht per Dekret, sondern aufgrund von Marktkräften und Entscheidungen
der Anbieter und Versicherten, ein Rentenprodukt dem anderen vorzu-
——————
207 Zusätzlich profitierten Arbeitgeber internationaler börsennotierter Firmen davon, dass
die individualisierten Rentenpläne nicht mehr in ihren Rechnungsbüchern auftauchten.
Durch die veränderte Buchhaltung vergrößert sich der Wert einer Firma, was beispielsweise bei Firmenübernahmen relevant ist.
328
WOHLFAHRTSMÄRKTE
ziehen. Die inkrementellen institutionellen Pfadveränderungen wurden
maßgeblich von politischen Kampagnen und Koalitionen bestimmt. Die
treibenden Kräfte für die Einführung der Rentenmärkte in den USA waren
säkular-konservative Akteure aus Politik und Wirtschaft. Die kleinen Änderungen mit großer Wirkung ergaben sich aber vor allem aus parteiübergreifenden Kompromissen mit dem liberalen Lager der Demokraten,
die die Tragweite der inkrementellen Änderungen nicht erkannten.
Die dominanten Regulierungseigenschaften des US-amerikanischen
Rentenmarktes wurden aufgrund der kleinen Änderungen fundamental
verändert. Zwar bezogen sich die Neuerungen auf Vorläuferinstitutionen,
gesamt betrachtet wurde das Rentensystem aber stark liberalisiert. Das
öffentliche OAI hat Eigenschaften eines konservativen Rentenregimes
(vgl. Bonoli 1997), was zum Teil auch für die kollektiven Betriebsrenten
mit Leistungszusage zutrifft, wenn man an die Statussegregation, den Einkommensbezug und die Beitragszahlungen denkt. Dieses private Rentensystem hat im Zuge der Einführung von verschiedenen Marktmechanismen diesen konservativen Charakter verloren und ist liberaler
geworden. Die Risiken wurden individualisiert und die Versicherten müssen komplexe Entscheidungen über einen Großteil ihrer Altersvorsorge
selber treffen. Die These der Einbettung als das Auftreten von institutionellen Ähnlichkeiten kann deshalb hier nicht vollständig vertreten werden.
Zwar bestehen weiterhin einige Ähnlichkeiten zwischen OAI, klassischen
Betriebsrenten und den neuen IRAs und 401(k)-Renten, allerdings bestehen nun erhebliche Unterschiede bei den Dimensionen Leistungsstruktur,
Finanzierung und Wahlfreiheit. Diese Innovationen beruhen auf alten
Vorgängerinstitutionen mit geringer Relevanz, durch kleine inkrementelle
Änderungen konnten sie aber die alten Betriebsrenten verdrängen.
5.4.2 Bildungsmarkt: School Choice zwischen Konflikt und Konsens
Das US-amerikanische Schulsystem ist föderal und lokal fragmentiert, weil
sowohl die Bundesstaaten Bildungshoheit besitzen als auch die Schuldistrikte große lokale Autonomie ausüben. Aufgrund dieser lokalen und
föderalen Autonomie sind sehr unterschiedliche Bildungsmärkte in den
Bundesstaaten und Schuldistrikten entstanden. Im Vergleich zu Deutschland entwickelten sich größere regulative Unterschiede zwischen den Bundesstaaten und lokalen Schuldistrikten heraus, weshalb nicht von dem
einen US-amerikanischen Wohlfahrtsmarkt gesprochen werden kann, son-
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
329
dern von 50 einzelnen Märkten, die sogar zum Teil zwischen Schuldistrikten variieren. Wie schon in Kapitel 4 erläutert, sind zwei Marktformen dominant: Charter Schools und Schulgutscheine (school vouchers).
Charter Schools wurden in 41 Bundesstaaten eingeführt, wohingegen
Schulgutscheine nur auf lokaler und gliedstaatlicher Ebene existieren
(2010).208 In beiden Marktformen entwickelten sich beträchtliche regulative
Unterschiede heraus, weil die nationale Rahmengesetzgebung viel Gestaltungsspielraum eröffnete. Da das Ziel dieser Untersuchung ist, die Regulierung der Bildungsmärkte zu vergleichen, stehen diejenigen Bundesstaaten
im Fokus der Analyse, die tatsächlich Charter Schools und Schulgutscheine
eingeführt haben.
Wie schon in Kapitel 4 diskutiert, wurden bisher nur in Cleveland
(Ohio) und Milwaukee (Wisconsin) beide Marktformen, also sowohl
Charter Schools als auch Schulgutscheine, implementiert.209 In der folgenden Analyse wird zusätzlich Florida untersucht, weil hier ein bundesstaatliches Voucherprogramm eingeführt wurde, aber später vom Florida
Supreme Court gekippt wurde. Schließlich wird ferner Kalifornien in die
Analyse einbezogen, weil die Einführung eines Voucherprogramms dort
ebenfalls gescheitert ist, jedoch aufgrund eines Referendums.210 Somit wird
die Analyse des US-amerikanischen Bildungsmarktes anhand von zwei USBundesstaaten mit erfolgreichen und zwei mit gescheiterten Gesetzesinitiativen für Schulgutscheine durchgeführt. In allen vier Fällen Wisconsin,
Ohio, Florida und Kalifornien besteht eine Charter-School-Gesetzgebung.211 Zusätzlich werden auch nationale Datenbanken der CharterSchool-Regulierung herangezogen, weil sie aufzeigen sollen, wie repräsentativ die Fallstudien für die gesamten Vereinigten Staaten sind.
Das Kapital legt eingangs kurz die historische Entwicklung des USamerikanischen Bildungssystems dar. Im ersten Unterabschnitt wird die
Regulierung der öffentlichen Schulen und im zweiten die Regulierung der
privaten Schulen bis Ende der 1980er Jahre dargelegt. Darauf folgt zuerst
die Analyse der Regulierung von School-Voucher-Programmen. Anhand
der Vergleichsdimension werden typische Regulierungseigenschaften der
——————
208 Magnet Schools und häuslicher Unterricht eröffneten ebenfalls neue Wahloptionen, werden hier aber nicht behandelt (Jones-Sanpei 2008).
209 Zum DC Opportunity Scholarship Program (Washington DC) siehe Kapitel Schulgutscheine.
210 Kalifornien ist ein Beispiel für Bundesstaaten in denen Schulgutscheine auch in Volksentscheiden abgelehnt wurden (vgl. Tabelle 25).
211 US-Bundesstaaten ohne Charter-School-Gesetzgebung werden nicht berücksichtigt.
330
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Schulgutscheine herausgearbeitet. Die Kontrastierung erfolgreicher und
gescheiterter Programme bekommt dabei besonderes Augenmerk. Zum
Ende dieses Abschnitts wird diskutiert, welche politischen Kräfte zu der
Einbettung der Schulgutscheine in das existierende Schulsystem führten.
Der vierte Abschnitt wird die Einführung und Regulierung der Charter
Schools nach denselben Kriterien wie die Schulgutscheine untersuchen. Im
letzten Abschnitt werden die Ergebnisse zusammengefasst.
Die Herausbildung öffentlicher Schulen
Wie auch in Deutschland und Schweden entstand seit Mitte des 19. Jahrhundert ein öffentliches Schulsystem in den USA, das die Privatschulen
zusehends verdrängte.212 Basierend auf einem Urteil des Verfassungsgerichts von Massachusetts setzte sich folgende Definition öffentlicher
Schulen seit 1866 durch. Eine öffentliche Schule müsse drei Kriterien
erfüllen: (1) »under the immediate control and superintendence of agents
appointed by the voters of each town and city«, (2) »supported by general
taxation«, und (3) »open to all free of expense« (Jorgenson 1987: 7). Diese
Definition zeigt einige Besonderheiten auf, die fundamental für das USBildungssystem wurden:
Erstens besteht eine ausgeprägte Autonomie der lokalen Schuldistrikte
inklusive weitreichender Steuererhebungsrechten, erheblicher administrativer Steuerungstiefe und Festlegung der Schuleinzugsbereiche (Church
1976; Ignas 1981; Jorgenson 1987; Kaestle 1983). Die Schuldistrikte unterstanden direkter demokratischer Kontrolle. Die lokalen Leiter der Schulbezirke, die sogenannten Superintendenten, wurden direkt aus der Gemeinde gewählt und auch auf der Schulebene etablierten sich direkte
demokratische Strukturen (School Boards). Eltern und Schüler hatten somit
zwar keine Wahl zwischen Schulen, konnten die Schulpolitik allerdings
direkt vor Ort beeinflussen, indem die Schulverwaltung gewählt wurde.
Der Einfluss der Gliedstaaten und des Bundes wurde erst Mitte des 20.
Jahrhunderts größer. Mit der Einführung der Schulpflicht erlangten die
Gliedstaaten erheblichen finanziellen und regulativen Einfluss. Der gliedstaatliche Finanzierungsanteil von rund 45 Prozent seit den 1980 verdeutlicht in etwa auch den derzeitigen schulpolitischen Einfluss (NCES 2009b:
table 171).
——————
212 Im Detail siehe Busemeyer (2006a; 2007), Heidenheimer (1973; 1981), Herbst (2006).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
331
Die Bundesregierung gewann erst seit den 1960er Jahren mehr regulativen Einfluss (Church 1976: 127; Reese 2004). Das Hauptkriterium für die
Zuweisung von Bundesmitteln war der Anteil armer Kinder im Schuldistrikt und zielte darauf ab, gleiche Bildungschancen für alle zu ermöglichen. Unter dem Deckmantel der Armutsvermeidung bekam somit die
Bundesebene einen Fuß in die lokale und gliedstaatliche Bildungspolitik
(seit den 1980er Jahren rund 10 Prozent Finanzierungsanteil).213
Trotz dieses gestiegenen Einflusses der Bundesebene sind die Bundesmittel lediglich eine Ergänzung der hauptsächlich lokalen und gliedstaatlichen Finanzierung und Regulierung. Die ursprünglichen lokalen Institutionen wurden nicht angetastet, sondern lediglich um föderale Programme
ergänzt (layering), um einige Defizite der lokalen Schulfinanzierung und
-verwaltung abzumildern (Busemeyer 2006a).
Als zweite historische Besonderheit ist die Trennung von staatlichen
Zuschüssen und der Weltanschauung der Schulen zu nennen (Busemeyer
2006a; Nasaw 1979: 42).214 Das obige Gerichtsurteil bereitete im Endeffekt
den Weg für ein strikt getrenntes Bildungssystem: Öffentliche Schulen
werden demokratisch kontrolliert, auf lokaler Ebene verwaltet und aus
Steuermitteln finanziert. Private Schulen haben hingegen viele Freiheiten,
erhalten dafür aber keine öffentlichen Zuschüsse.
Drittens wurde ein wichtiger Gleichheitszusatz institutionell verankert.
Öffentliche Schulen müssten allen Schülern offen stehen. Als konkrete
Garantie wird die Gebührenfreiheit genannt, um finanzielle Benachteiligungen von Schülern aus ärmeren Familien den Zugang zu öffentlicher
Schulbildung zu ermöglichen, doch auch andere soziale Diskriminierungen
wurden damit gesetzlich ausgeschlossen (zur Rassentrennung siehe Church
1976: 148).
——————
213 Das Schlüsselgesetz war 1965 der Elementary and Secondary School Act (EASA). Die finanzielle Ungleichheit war ursprünglich ein Proxy für Rassensegregation, um verfassungskonform Rassenunterschiede zu minimieren. Darauf folgende Bundesgesetze behielten
die Zielrichtung auf finanzielle Bildungsgleichheit bei (u. a. Education for all
Handicapped Children Act (EAHCA, 1975), No Child Left Behind Act (NCBA, 2001).
214 Das Common School Movement und Progressive Movement befürchteten im 19. Jhd. einen
katholischen Einfluss auf öffentliche Schulen. Als Privatschulen in öffentliche Schulen
umgewandelt wurden, setzte diese Bürgerbewegungen das Dogma der prinzipiellen säkularen Ausrichtung öffentlicher Schulfinanzierung durch.
332
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Öffentliche Schulen in den 1980er Jahren
Um die Regulierung der öffentlichen Schulen mit den privaten zu vergleichen, werden im Folgenden die Eigenschaften der öffentlichen Schulen
anhand der fünf Regulierungsdimensionen zusammengefasst. Diese Eigenschaften bilden die Vergleichsfolie für die Einbettung der Bildungsmärkte
(u.a. Ignas 1981; Maloney/Mayer 2010):
1. Zugangsvoraussetzungen. Der Zugang zu den öffentlichen Schulen stand
jedem offen, allerdings bestanden erhebliche regionale Unterschiede. Seit
der Bürgerrechtsbewegung wurden die Antidiskriminierungsregularien
maßgeblich verbessert, allerdings wird der Schuleinzugsbereich weiterhin
durch die Schuldistrikte festgelegt (Witte 2000: 15), sodass die soziale und
ethische Zusammensetzung des Stadtteils weiterhin zu erheblichen Ungleichheiten zwischen den Schulen führt.
2. Leistungsstruktur. Abgesehen von erheblichen regionalen Unterschieden
in der Ausstattung der Schulen boten öffentliche Schulen universelle
Unterrichtsleistungen auf einem Basisniveau an (Maloney/Mayer 2010).
Neben dem Unterricht wurde im Regelfall auch der Schultransport übernommen. Erst auf der High School gab es unterschiedliche Ausbildungswege (akademisch, berufsqualifizierend), diese wurden aber innerhalb einer Schule angeboten.
3. Finanzierungsmechanismus. Die öffentlichen Schulen waren ausschließlich
steuerfinanziert, wobei der Großteil der Finanzierung von lokalen und
gliedstaatlichen Steueraufkommen abhängt.
4. Verwaltung. Im Falle der Organisation standen alle öffentlichen Schulen
unter öffentlicher – vor allem lokaler – Aufsicht und Verwaltung (Cookson
1996). Eine Besonderheit der Schulverwaltung war die gleichzeitige lokale,
gliedstaatliche und föderale Zuständigkeit.215 Zentrales Merkmal der
öffentlichen Verwaltung war die demokratische Wahl der School Boards,
womit eine sehr direkte Form der lokalen Mitbestimmung bestand und
Bürger ihre Schulpolitik unmittelbar beeinflussen konnten.
——————
215 Die föderale Aufgabenteilung entsprach somit am ehesten einem marble cake Föderalismus anstatt strikter Aufgabentrennung (layer cake) (Stewart 1982).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
333
Tabelle 24: USA Bildung – Das öffentliche und private Schulsystem Ende der 1980er
Jahre, Charter Schools und School Voucher um 2010
Typ
Zugang
öffentl. Schulen
(Ende 1980er)
universell,
Schulbezirk
Leistungsstruktur
Grundbildung
Finanzierung
Steuern
Verwaltung
Wahlfreiheit
öffentlich
(local school
board, Gliedstaat), privat
(Akkreditierung)
gering
Privatschulen
(Ende 1980er)
universell,
aber Selektion
(Religion/
Einkommen)
geringere
Standards
möglich
Indirekte
Zuschüsse
Schulgebühren
überwiegend
selbstreguliert, Aufsicht
Gliedstaaten/
Akkreditierungsbüros
hoch (Opt-in)
Charter Schools
(2010, fragm.)
universell
School Voucher
(2010, fragm.)
Bedarfsprüfung
Grundbildung
orientiert an
öffentlichen
Schulen
Steuern
Steuern
Gebühren
verboten
öffentlich
(local school
board, Gliedstaat), privat
(Akkreditierung)
hoch (Opt-in)
Gebühren
verboten
Unterricht
Privatschulen,
Voucher/
Evaluation
öffentlich
(Gliedstaat)
hoch (Opt-in),
KonfessionsSchulen zugelassen
Quelle: eigene Darstellung, Unterschiede kursiv
Eine weitere Besonderheit des US-amerikanischen Bildungssystems war die
Selbstregulierung der Schulen (Bernasconi 2004). Sechs regionale private
Akkreditierungsagenturen (regional accreditation) lizenzierten und evaluierten
regelmäßig die öffentlichen Grund- und Sekundarschulen. Es hängt von
der jeweiligen gliedstaatlichen Regulierung ab, inwieweit die Akkreditierungsagenturen für öffentliche Schulen zuständig waren. Rund die Hälfte
der Gliedstaaten betrieb öffentliche Akkreditierungsbehörden, die entweder ausschließlich oder gemeinsam mit privaten Akkreditierungsagenturen
die öffentlichen Schulen überwachten (ECS 1998). Insgesamt dominierten
lokale öffentliche Schulverwaltungen und private Regulierungsbehörden.
5. Wahlfreiheit. In den 1980er Jahren bestand praktisch keine Wahlfreiheit
im öffentlichen Schulsystem. Die Schüler konnten nicht zwischen Schul-
334
WOHLFAHRTSMÄRKTE
distrikten oder -einzugsbereichen wechseln. Die einzige Option war der
Besuch einer kostenpflichtigen Privatschule.
Diese Eigenschaften des öffentlichen Systems sind in Tabelle 24 in der
linken Spalte noch einmal zusammengefasst. Das US-amerikanische Schulsystem wies bei der Betrachtung der öffentlichen Schulen einige typische
Elemente sozialdemokratischer Bildungssysteme auf (vgl. Hega 2011), wie
zum Beispiel eine universelle Einheitsschule, Steuerfinanzierung und geringe Wahloptionen. Abweichende Eigenschaften waren jedoch die regionalen Unterschiede bei der finanziellen Ausstattung, die eine soziale Segregation nach Wohnort zementieren. Die geringen föderalen Fördermittel
konnten diese ungleiche Mittelverteilung nicht substanziell abmildern.
Das Überleben der Privatschulen im 20. Jahrhundert
Trotz des Ausbaus der öffentlichen Schulen im 19. Jahrhundert unterrichteten die Privatschulen weiterhin mit 10–15 Prozent der Schüler einen
relativ hohen Anteil der Schülerschaft (vgl. Abbildung 4.19). Zum Ende
der 1980er Jahre bestand für die Privatschulen ein festes institutionelles
Gefüge, das seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr fundamental verändert
wurde. Erst Anfang der 1990er Jahre wurden die institutionellen Weichen
neu gestellt und eine Marktschaffung vor allem auf zwei Ebenen forciert:
In vielen Bundesstaaten wurden Charter Schools gegründet, auf lokaler
Ebene wurden School Vouchers eingeführt und in einigen Schuldistrikten
entstanden auch beide Arten von Bildungsmärkten.
Regulierung der Privatschulen in den 1980er Jahren
Da sich Mitte des 19. Jahrhunderts bundesweit ein Verbot von öffentlichen Zuschüssen für konfessionelle und kostenpflichtige Privatschulen
durchsetzte, wurden die kostenfreien öffentlichen Schulen für die meisten
US-Amerikaner attraktiver. Trotz ihres relativen Bedeutungsverlusts wurde
die Regulierung der Privatschulen kaum verändert,216 sodass sich die Regulierung der Privatschulen gegen Ende der 1980er Jahre folgendermaßen
——————
216 Neben den Privatschulen wurde vor allem der häusliche Unterricht (home schooling) in den
1970/80er Jahren liberalisiert. Seitdem müssen Eltern weniger Auflagen erfüllen, wenn
sie ihre Kinder zu Hause unterrichten (Knowles u.a. 1992).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
335
gestaltete (Busemeyer 2006a; 2007; Heidenheimer 1973; 1981; Herbst
2006; James/Levin 1988):
1. Zugangsvoraussetzungen. Die staatlichen Vorgaben für die Auswahlprozeduren der Schüler waren gering und ermöglichten den Privatschulen
daher sehr selektiv ihre Schülerschaft auszusuchen (Witte 2000). Die bereits diskutierte konfessionelle Dominanz unter den Privatschulen beförderte diese mögliche Segregation der Schülerschaft (vgl. Kapitel 4.2.2, S.
184).
2. Leistungsstruktur. Insgesamt war die Regulierung der Leistungsstruktur
sehr liberal und mit wenigen Auflagen verbunden. Folglich war das Unterrichtsangebot von Privatschulen inhaltlich und weltanschaulich vielfältiger
als an öffentlichen Schulen (Herbst 2006; Pierce v. Society of Sisters 1925).
Außerdem bestanden keine Auflagen hinsichtlich zusätzlicher Leistungen
wie Schultransport oder integrativer Unterricht.
3. Finanzierungsmechanismus. Die Privatschulen wurden laut Verfassung ausschließlich über Schulgebühren finanziert. Allerdings erhielten Privatschulen Zuschüsse in Form von bundesstaatlichen Förderprogrammen,
Transportkosten, lokalen Steuerbefreiungen (property tax) sowie Zuwendungen durch steuerfreie Spenden. Cookson (1991: 187) schätzt, dass somit rund 26 Prozent der Einnahmen indirekt durch öffentliche Zuschüsse
gedeckt waren.217
4. Verwaltung. Seit 1925 haben die Gliedstaaten ausdrücklich das Recht
Privatschulen zu prüfen, zu überwachen, zu kontrollieren und einen
gleichwertigen Ausbildungsstand der Lehrer zu fordern (Pierce v. Society
of Sisters 1925). Die bereits erwähnten Akkreditierungsagenturen lizenzierten und evaluierten zusätzlich zu den Gliedstaaten die Privatschulen (ED
2000), sodass Privatschulen neben der gliedstaatlichen Aufsicht erhebliche
Autonomie besaßen und sich weitgehend selbst regulierten (Witte 2000:
14).
5. Wahlfreiheit. Privatschulen boten Eltern und Schülern eine hohe Wahlfreiheit. Angesichts der geringen regulativen Auflagen konnten die Eltern
——————
217 Zum Teil auch gliedstaatliche Steuererleichterungen für Schulgebühren (Coulsen 1999:
373; Herbst 2006: 166).
336
WOHLFAHRTSMÄRKTE
frei zwischen verschiedenen pädagogischen und weltanschaulichen Schulkonzepten wählen. Ebenso konnten die Privatschulen unabhängig von
Schulbezirken besucht werden. Eine beträchtliche Hürde stellten allerdings
die relativ hohen Schulgebühren bereits für Familien mit durchschnittlichem Einkommen dar (vgl. Kapitel 4.2.2, S. 161).
Zusammenfassend waren Privatschulen eine substanzielle Alternative gegenüber den öffentlichen Schulen. Die Privatschulen erhielten zwar (offiziell) keine öffentlichen Zuschüsse, besaßen somit aber viele Freiheiten bei
der Selektion der Schüler und ihrem pädagogischen und weltanschaulichen
Profil. Durch die breite Angebotspalette bestanden viele Wahloptionen, die
jedoch nur von finanziell bessergestellten Familien genutzt werden konnten. Dieser Bildungsmarkt bediente somit vor allem elitär und religiös motivierte Eltern.
In den 1990er Jahren wurde dieser Privatschulmarkt sowohl durch
Charter Schools als auch durch Schulgutscheine ergänzt (vgl. Kapitel 4.3.3).
Die beiden folgenden Abschnitte erläutern ausführlich die Einbettung der
Charter Schools und Schulgutscheine in das bestehende Bildungssystem.
Schulgutscheine
Die ersten öffentlichen Programme zur Förderung von Privatschulen entstanden Anfang der 1990er Jahre, in etwa zeitgleich mit dem schwedischen
Gutscheinsystem (Klitgaard 2008: 485–488). Verschiedene gliedstaatliche
Programme (z.B. in Florida (OSP – Opportunity Scholarship Program) und in
Colorado) wurden von den Verfassungsgerichten als nicht verfassungskonform eingestuft und somit zu Fall gebracht (Bush v. Holmes 2006).218
Insgesamt existieren derzeit nur drei allgemeine öffentliche Programme.
Das seit 1990 bestehende Milwaukee Parental Choice Program (MPCP) im
Bundesstaat Wisconsin ist das älteste dieser Art. Darauf folgte 1996 das
Cleveland Scholarship and Tutoring Program (CSTP) im Bundesstaat Ohio. Das
zunächst lokale CSTP wurde 2005 auf den gesamten Bundesstaat Ohio
unter dem Namen EdChoice ausgedehnt (Plucker u.a. 2006).219 Das jüngste
——————
218 Schüler konnten weiterhin eine öffentliche Schule ihrer Wahl im Rahmen des Florida
OSP aufsuchen, jedoch keine private.
219 Wobei Schüler, die bereits am finanziell generöseren CSTP teilnehmen, vom EdChoice
Programm ausgeschlossen sind, um doppelte Bezüge von Schulgutscheinen zu verhindern.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
337
DC Opportunity Scholarship Program (DCOSP) wurde 2004 in Washington
DC eingeführt. Da die Hauptstadt aber unter föderaler Verwaltung steht,
kommt ihr ein Sonderstatus im Vergleich zu den US-Bundesstaaten zu
(NSBA 2011c).220
Regulierung
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die regulativen Gemeinsamkeiten, um die typischen Merkmale der US-amerikanischen Schulgutscheine herauszustellen. Wie eingangs erläutert, fließen in die Analyse
auch Gesetzesvorlagen von schließlich nicht eingeführten oder als verfassungswidrig abgelehnten Gutscheinsystemen ein (Florida, Kalifornien),
damit die grundsätzlichen Regulierungsbesonderheiten deutlich werden.
Diese verbindenden Merkmale zeigen auf, wie die gliedstaatlichen Initiativen für Schulgutscheine auf einem gemeinsamen Fundament aufbauen.221
1. Zugangsvoraussetzungen. Die Programme MPCP, CSTP und DCOSP unterlagen jeweils einer ökonomischen Bedarfsprüfung. Nur wenn die Schüler
aus armen Familien stammten, erhielten sie die vollen Schulgutscheine.222
Die EdChoice-Förderung (und das verfassungswidrige OSP Florida) orientierte sich am pädagogischen Bedarf. Nur Schüler aus unterdurchschnittlich abschneidenden öffentlichen Schulen hatten die Option,
——————
220 In einigen Bundesstaaten wurden Schulgutscheine ausschließlich für behinderte Schüler
eingeführt, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind (NSBA 2011c). Außerdem
führten einige Bundesstaaten Steuererleichterungen für Schulgebühren ein, die hier jedoch nicht weiter untersucht werden, obwohl sie teilweise wie Gutscheine wirken können (TTC – Tuition Tax Credit, Levin/Belfield 2003: 187–188).
221 Die Analyse basiert auf den im Folgenden zitierten Gesetzestexten. Folgende Quellen
sind ebenfalls in die Analyse der Regulierungseigenschaften eingeflossen: Enlow (2003),
Howell/Peterson (2006: 28–38), Myers (2001), NSBA (2011c), Witte (2000).
222 Anspruchsberechtigt waren Familien mit einem Haushaltseinkommen im MSCP mit
weniger als 175 % (seit 2011 300 %), im DCOSP mit weniger als 185 % und im CSTP
mit weniger als 200 % der bundesweiten Armutsgrenze. Das MPCP übernahm dann die
Schulgebühren zu 100 % (max. 6.607 $), wohingegen im CSTP nur 90 % der Gebühren
übernommen wurden (max. 5.300 $, 9.–12. Klasse). Wenn das Haushaltseinkommen
über der Einkommensgrenze lag, wurde die Förderung im CSTP auf 75 % gekürzt
(Levin/Belfield 2003). Bis 2011 konnte das Familieneinkommen im MPCP auf bis zu
220 % der Armutsgrenze steigen, bevor der Anspruch auf einen Gutschein verwirkte.
2011 wurde diese Grenze abgeschafft (Wisconsin Legislative Data 2012).
338
WOHLFAHRTSMÄRKTE
staatlich gefördert eine Privatschule zu besuchen.223 Universelle Gutscheinsysteme ohne Förderbeschränkungen wurden bisher in fakultativen Referenden immer abgelehnt (Beales 1994; Shires u.a. 1994; Viteritti 2010).224
Die Zugangskriterien beruhten folglich auf einer ökonomischen oder
pädagogischen Bedarfsprüfung, sodass die Gutscheine nur einer ohnehin
benachteiligten Bevölkerungsgruppe zur Verfügung standen. Der Privatschulmarkt bekam somit einen dualen Charakter:225 Einerseits bezahlten
wohlhabende Eltern den vollen Preis für eine Privatschule ihrer Wahl,
andererseits erhielten finanziell oder pädagogisch benachteiligte Schüler
erhebliche Zuschüsse und konnten nun akkreditierte Privatschulen besuchen.226
2. Leistungsstruktur. Die lizenzierten Privatschulen mussten im Regelfall
lediglich das gliedstaatliche Kurrikulum erfüllen, weitere Auflagen hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen bestanden nicht.227 Ebenso mussten
die Privatschulen in jährlichen Leistungstests nachweisen, dass sich die
eingeschriebenen Schüler verbessert und regelmäßig am Unterricht teilgenommen haben. Die teilnehmenden Privatschulen hatten also im Rahmen
der Schulgutscheine zum Teil geringere Unterrichtsleistungen zu erbringen
als öffentliche Schulen, dennoch garantierten die Orientierung am gliedstaatlichen Kurrikulum und die Leistungstests einen pädagogischen
Grundstandard.
——————
223 In Florida galt eine Schule als gescheitert, wenn sie innerhalb von 4 Jahren zweimal mit
der Note »F« (Failed) benotet wurde (siehe Kapitel 1002.38 für Details, Florida State
Legislature 2006b). Außerdem wurden in Florida bedarfsgeprüfte Steuererleichterungen
für Schulgebühren gewährt, die weiterhin als verfassungskonform gelten (Florida State
Legislature 2006a).
224 Beispielsweise enthielten die geplanten Gutscheinsysteme in Kalifornien keine Förderbeschränkungen (vgl. Tabelle 25). Die kalifornischen Privatschulen hätten aber erhebliche Auflagen erfüllen müssen und wären in ihren Auswahlkriterien eingeschränkt worden (bis auf Geschlecht oder Religion der Schüler, Shires u.a. 1994: 3).
225 Die Dualismus-Hypothese geht von einer Separierung der Sozialprogramme in generöse
beitragsorientierte und stigmatisierende bedarfsgeprüfte Programme aus (Emmenegger
u.a. 2012; Seeleib-Kaiser 2002a), ohne bisher private Sozialleistungen theoretisch zu integrieren. In diesem Kontext gehe ich davon aus, dass einige Wohlfahrtsmärkte generös
ausgestaltet sind, wohingegen andere stigmatisierenden Charakter besitzen.
226 Zur Begrenzung der Förderplätze siehe Kapitel 4.2.2. Die implementierten Programme
wurden jedoch regelmäßig ausgeweitet, sodass Schüler nie abgewiesen werden mussten
(LAG 2000).
227 In Florida waren die Privatschulen verpflichtet auch den Transport und Unterrichtsmaterial zu stellen (Florida State Legislature 2006b: (6) (b)).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
339
3. Finanzierungsmechanismus. Alle Programme wurden aus dem allgemeinen
Steueraufkommen der Gliedstaaten finanziert, obwohl einige Schulgutscheine nur auf lokaler Ebene gültig waren, wie im Falle des MPCP und
CSTP. Grundsätzlich war die zusätzliche Erhebung weiterer Schulgebühren verboten, mit der Ausnahme Ohios (CSTP/EdChoice), wo der
Restbetrag in einigen Fällen durch Elternarbeit oder Sachleistungen ausgeglichen werden durfte (ORC 2012b).228
4. Verwaltung. Die Gutscheinsysteme wurden direkt von den ministeriellen
Superintendenten der Gliedstaaten verwaltet. Diese zahlten die Gutscheine
an akkreditierte Schulen aus,229 lizenzierten die Schulen und führten die
Leistungstests durch, womit die Gliedstaaten insgesamt mehr Einfluss auf
die lokale Bildungspolitik erlangten.230
An der Verwaltung waren auch private Lizenzierungsagenturen beteiligt. Beispielsweise erfolgte die pädagogische Akkreditierung der Privatschulen von privaten Akkreditierungsagenturen (ORC 2012a; 2012b;
Wisconsin Legislative Data 2012: (2) 7). Private Rechnungsprüfer überprüften die Buchhaltung der Schulen und beurteilten, ob die langfristige
Wirtschaftlichkeit des Schulbetriebs sichergestellt war (Wisconsin
Legislative Data 2012: (7)).
5. Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit war im Rahmen der Schulgutscheine sehr
hoch. Alle Programme waren freiwillig und boten Wahlmöglichkeiten
zwischen den Schulen. Die implementierten Gutscheinsysteme ermöglichten Schülern, öffentliche Schulen außerhalb des zugewiesenen
Schulbezirks oder eine Privatschule ihrer Wahl zu besuchen. Neben
verschiedenen pädagogischen Profilen waren in den implementierten Gutscheinsystemen (MPCP/CSTP/EdChoice) auch Konfessionsschulen zugelassen.231 Diese Praxis wurde vom US Supreme Court 2002 bestätigt
(Kemerer 2001; 2002; Omand 2003; Zelman v. Simmons-Harris 2002).
Allerdings profitierten durch den bedarfsgeprüften Zugang nur ärmere
Familien von den Schulgutscheinen. Die Wahloptionen waren zum Teil
——————
228 CSTP und Florida gewährten Extraleistungen für bedürftige Schüler (z.B. geistige/
körperliche Behinderungen) zur Verfügung (Florida State Legislature 2006b: (6) (d)).
229 Lediglich beim CSTP erhielten die Eltern die Schulgebühren direkt vom Ohio Superintendenten ausgezahlt (ORC 2012b: 3313.979). Damit waren die Eltern als Koproduzenten direkt an der Verwaltung beteiligt.
230 Das DCOSP ist ein Sonderfall, weil die Hauptstadt vom Bund verwaltet wird.
231 Im MPCP sind konfessionellen Privatschulen erst seit 1998 zugelassen (s. Kapitel 4.2.2).
340
WOHLFAHRTSMÄRKTE
nur auf einige urbane Schulbezirke begrenzt (MPCP). Eine weitere Hürde
waren die Förderanträge, die individuell von den Eltern gestellt werden
mussten. Die jüngsten Ausweitungen (Gutscheinhöhe MPCP, Reichweite
EdChoice) legen zwar nahe, dass die Wahlfreiheit weiter angestiegen ist,
doch blieben die zusätzlichen Wahloptionen regional und sozioökonomisch limitiert.
Kontinuität durch zusätzliche öffentliche Mittel
Die diskutierten Schulgutscheinsysteme wurden in das existierende Bildungssystem eingebettet. Diese Einbettung kann anhand von zwei Aspekten verdeutlicht werden.
Erstens sind Schulgutscheine ausdrücklich als Ergänzung zu den bereits
existierenden Privatschulen gedacht. Die bestehende Regulierung der
Privatschulen wurde nicht angetastet. Im Rahmen der Schulgutscheine
haben die Privatschulen einige zusätzliche regulative Auflagen zu erfüllen,
von denen sie ursprünglich befreit waren. Den Privatschulen steht es aber
generell frei, an den Förderprogrammen teilzunehmen.232 Die private
Akkreditierung der Privatschulen wurde auch beibehalten, was die lokale
Autonomie und Selbstregulierung unterstreicht, die auch größtenteils bei
den öffentlichen Schulen gilt.
Zweitens setzten die gliedstaatlichen Schulgutscheine die bundesstaatliche Politik der selektiven Bildungsfinanzierung fort. Die Schüler erhalten
die Gutscheine nur, wenn sie entweder eine arme Herkunft nachweisen
können oder an einer öffentlichen Schule eingeschrieben sind, die unterdurchschnittlich in verschiedenen Leistungskriterien abschneidet. Mit anderen Worten: Nur benachteiligte Schüler werden mit Schulgutscheinen
gefördert. Die Schulgutscheine sind also als sozialpolitische Intervention
intendiert, damit Schüler aus benachteiligten Schulbezirken eine private
Alternative wählen können. Gleichwohl sind die intendierten sozialpolitischen Wirkungen höchst umstritten (Ladd 2002; Neal 2002). Der Zugang
zu den Schulgutscheinen ist auch kognitiv voraussetzungsvoll, denn die
Eltern müssen Kenntnis von den Gutscheinprogrammen haben, Anträge
stellen und gegebenenfalls mit Elternarbeit zusätzliche Leistungen erbringen. Die Bedarfsprüfung der Schulgutscheine verfehlt damit das eigentliche
Ziel der Armutsvermeidung und nur die Eltern mit hohem kulturellen
——————
232 Während in Milwaukee die Anzahl der teilnehmenden Schulen anstieg, nahmen in
Cleveland kontinuierlich weniger Schulen teil (vgl. Kapitel 4.2.2.).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
341
Kapital profitieren von den Schulgutscheinen (Kisida u.a. 2008; Plucker
u.a. 2006).
Die implementierten Schulgutscheine sind also ein gliedstaatlicher Zuschuss für den Besuch einer öffentlichen oder privaten Schule außerhalb
des zugewiesenen Schulbezirks. In den Gliedstaaten wurde somit ein bereits existierender Bildungsmarkt zusätzlich öffentlich bezuschusst, ohne
explizit die finanzielle Ausstattung der öffentlichen Schulen zu erhöhen.
Diese Form des Wandels enthält somit Elemente von layering (Ergänzung
zu bestehenden Privatschulen) und drift (Vernachlässigung des öffentlichen
Schulsystems) zugunsten der finanziellen Förderung von Privatschulen.
Institutionelle Hürden für Schulgutscheine
Bei den US-amerikanischen Schulgutscheinen ist zunächst auffällig, dass
relativ wenige Programme erfolgreich implementiert wurden, obwohl es
mehrere politische Initiativen gab, derartige öffentliche Zuschüsse für
Privatschulen zu implementieren. Die Implementierung weiterer Schulgutscheinsysteme wurde durch institutionelle Hürden verhindert, die in diesem Abschnitt diskutiert werden (vgl. Klitgaard 2008; 2010). Im darauf
folgenden Abschnitt wird aufgezeigt, unter welchen Bedingungen Schulgutscheine eingeführt wurden und welche Akteurskonstellationen zu einer
erfolgreichen Marktliberalisierung beigetragen haben.
Erstens war das fragmentierte Bildungssystem der Hauptgrund, weshalb bisher keine nationalen Schulgutscheine implementiert wurden (vgl.
Mintrom 1997). Zwar konnte die George W. Bush Administration in ihrem
Zuständigkeitsbereich für Washington DC durchsetzen, dass Schulgutscheine in der Hauptstadt eingeführt wurden, der Bildungsföderalismus
verhinderte allerdings eine Ausweitung derartiger Schulgutscheine auf alle
Bundesstaaten.
Zweitens verhinderten die starken bundes- und gliedstaatlichen Verfassungsgerichte die Einführung von Schulgutscheinen. Grundkonflikt der
verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung war die öffentliche Finanzierung von konfessionellen Privatschulen, was dem Verfassungsgrundsatz
der religiösen Neutralität widerspreche. Die Rechtsprechung der letzten
zwei Dekaden war uneinheitlich und sehr umstritten.233 Diese gerichtliche
——————
233 Im Fall Zelman v. Simmons-Harris (2002) wurde beispielsweise das CSTP als verfassungskonform anerkannt, weil in Cleveland religiöse Schulen nicht einseitig bevorzugt würden
und zusätzliche säkulare Alternativen wie Charter und Magnet Schools zur Verfügung stün-
342
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Auseinandersetzung schwelt weiter, weil einerseits gliedstaatliche Verfassungen die Trennung von Staat und Kirche unterschiedlich stark betonen
und andererseits die Urteile äußerst knapp mit Ein-Stimmen-Mehrheiten
gefällt wurden. Es kommt also stark auf die Ausgestaltung der Schulgutscheine im Detail an und wie die Verfassungsrichter diese regulativen Unterschiede in Bezug auf die gliedstaatliche Verfassung interpretieren, ob die
Einführung von Schulgutscheinen aufgrund von Gerichtsentscheidungen
verhindert wird. Trotz dieser uneinheitlichen Rechtsprechung stellen die
Verfassungsgerichte weiterhin eine hohe institutionelle Hürde dar, um
erfolgreich Schulgutscheine in den US-Bundesstaaten einzuführen (vgl. u.a.
Kemerer 2001; Kemerer/Maloney 2001).
Tabelle 25: Fakultative Referenden zur Einführung von Schulgutscheinen
Bundesstaat
Maryland
Michigan
Colorado
Kalifornien
Washington
Michigan
Kalifornien
Utah
Jahr
1972
1978
1992
1993
1996
2000
2000
2007
Ergebnis (in Prozent)
Abgelehnt 55-45
Abgelehnt 74-26
Abgelehnt 67-33
Abgelehnt 70-30
Abgelehnt 64-36
Abgelehnt 69-31
Abgelehnt 71-29
Abgelehnt 62-38
Quelle: (Egan 2003: 110; NSBA 2011a).
Die dritte institutionelle Hürde zeigte sich in der Möglichkeit fakultativer
Referenden. In rund der Hälfte aller US-Bundesstaaten kann nach der
parlamentarischen Verabschiedung eines Gesetzes ein sogenanntes Popular
Referendum (oder Veto Referendum) durchgeführt werden (NCSL 2009; Piott
2003). Alle Gesetzesinitiativen für Schulgutscheine, bei denen die Gegner
von Schulgutscheinen das nötige Quorum für ein Referendum erreichten,
scheiterten in der eigentlichen Abstimmung, wie Tabelle 25 zu entnehmen
ist. Die Einführung der Gutscheine in Wisconsin (MPCP), Florida (OSP)
und Washington DC (OSP) war unter anderem deshalb erfolgreich, weil
kein Referendum in den gliedstaatlichen Verfassungen vorgesehen war.
——————
den (Kemerer 2002). Der Florida Supreme Court brachte allerdings das Florida OSP mit
der Argumentation zu Fall, dass erhebliche Ressourcen von den öffentlichen Schulen
abgezogen würden, sodass der Staat somit seine »vorrangige« Pflicht für eine »adäquate«
öffentliche Schulbildung verletze (Bush v. Holmes 2006).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
343
Lediglich in Ohio wäre ein Referendum möglich gewesen, ohne dass aber
einer der Gegner von Schulgutscheinen aktiv wurde.
Dieses Ergebnis bestätigt zumindest den hohen Status-quo-Effekt von
Referenden, der auch in anderen Bereichen der Sozialpolitik festgestellt
wurde (Wagschal/Obinger 2000). Die Wählerschaft tendiert dazu, den IstZustand gegenüber Veränderungen mit unbekanntem Ausgang zu präferieren. In Kalifornien konnten beispielsweise Gegner von Schulgutscheinen diesen Status-quo-Effekt nutzen und eine Mehrheit gegen die
Schulgutscheine mobilisieren (Shires u.a. 1994). Wagschal und Obinger
(2000) argumentieren, dass besonders häufig diejenigen sozialpolitischen
Gesetze abgelehnt werden, die mehr staatliche Finanzierungsverantwortung mit sich bringen. Allerdings unter der Annahme, dass diese auch
unter staatlicher Verwaltung stehen würden. Die mehrfache Ablehnung
von Schulgutscheinen an der Wahlurne zeigt auch, dass marktförmige
Sozialprogramme, die gegebenenfalls Einsparungen zur Folge haben, an
Referenden scheitern. Diese Beobachtung stellt zumindest die Verhinderungswirkung der Referenden in Bezug auf einen Ausbau der Staatstätigkeit in Frage und zeigt, dass auch Gesetzesinitiativen zur Reduzierung der
Staatstätigkeit im Bildungsbereich häufig scheitern.
Die Befürworter von Schulgutscheinen hatten demnach drei institutionelle Hürden zu überwinden. Im Folgenden wird nun die politische Auseinandersetzung der Verfechter und Gegner von Schulgutscheinen herausgearbeitet. In der Analyse wird ein klares Rechts-Links-Schema der
politischen Positionen deutlich.
Akteure Schulgutscheine – Ideologische Gräben
Die Initiative für die Schulgutscheine ging von konservativen Denkfabriken und religiösen Elterninitiativen aus (Apple 2006). Beispielsweise
plädierte Milton Friedman schon in den 1960er Jahren für die Einführung
von universellen Schulgutscheinen (Friedman 1962). Diese Idee wurde von
konservativen Bewegungen aufgegriffen. Bereits in den 1970er Jahren
wurde aktiv dafür geworben, allerdings war der konservative Kampagnenfokus in dieser Zeit stärker auf die Liberalisierung des Rechts auf häuslichen Unterricht gerichtet (Princiotta/Bielick 2006). Die republikanische
Partei erwähnte Schulgutscheine erstmals in ihrem Wahlprogramm zur
Präsidentschaftswahl 1984. In den Folgejahren widmeten sich immer mehr
konservative Denkfabriken und Stiftungen dem Thema (z.B. Friedman
344
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Foundation seit 1996, vgl. Apple 2006; Chubb/Moe 1990; Cookson 1994;
Lowe/Miner 1996: 78–81; Mintrom 2000; Rhodes 2011). In den Wahlprogrammen der Republikaner wurden anfangs vor allem Schulgutscheine für
ärmere Familien gefordert, wie sie später auch in Milwaukee und Cleveland
implementiert wurden. Gegen Ende der 1990er Jahre wurde stärker die
Einführung von Schulgutscheinen für Schüler an Schulen mit mangelhaften Testergebnissen präferiert (vgl. Peters/Woolley 2012). Universelle
Schulgutscheine wie in Schweden wurden von den Republikanern nicht
angestrebt. Allerdings propagierten die konservativen Wahlkämpfe in den
2000er Jahren primär die Einführung von Charter Schools, ohne explizit
Schulgutscheine zu erwähnen. Der veränderte politische Fokus des konservativen Lagers, ist vermutlich ein Grund dafür, dass in dieser Zeit weniger Initiativen für Schulgutscheine ergriffen und auch erfolgreich implementiert wurden.
Die Privatschulen verfolgten sehr unterschiedliche Interessen in Bezug
auf die Privatschulfinanzierung durch Schulgutscheine. Grundsätzlich
begrüßten sie zwar die Finanzierung von Privatschulen durch Schulgutscheine, über die Regulierung der Schulgutscheine waren die Privatschulverbände jedoch uneins. Der größte Dachverband von Privatschulen,
CAPE (Council for American Private Education), befürwortete beispielsweise Schulgutscheine, die nach den Einkommensverhältnissen der Eltern
gestaffelt sind, weitere regulative Auflagen wie standardisierte Test wurden
aber abgelehnt (CAPE 2006). Die National Association of Independent
Schools (NAIS) präferierte hingegen Steuererleichterungen für Schulgebühren, machte sich aber auch stark für bedarfsgeprüfte Schulgutscheine
als Alternative (NAIS 2011).234 Diese unterschiedlichen Präferenzen
schwächten den politischen Einfluss der Privatschulverbände. Darüber
hinaus beschränkte sich die politische Arbeit der Privatschulverbände
überwiegend auf Lobbytätigkeit. In der Öffentlichkeit traten sie eher zurückhaltend für den Ausbau von Schulgutscheinen in Erscheinung und
haben bisher keine großangelegten politischen Kampagnen initiiert oder
unterstützt. Zusammengenommen präferierten die Privatschulverbände
eine Ausweitung von Schulgutscheinen, wenn sie ihre pädagogische Unabhängigkeit nicht einschränkten. Trotz ihrer dominanten Stellung im Privat-
——————
234 Beispiele für weitere Verbände mit unterschiedlichen Positionen sind AMS (American
Montessori Society), TABS (The Association of Boarding Schools), AACS (American
Association of Christian Schools) und regionale Organisationen wie CCIS (Cleveland
Council of Independent Schools).
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
345
schulmarkt besaßen die Privatschulverbände aber kaum politischen Einfluss, unter anderem weil sie zersplittert waren und Partikularinteressen
vertraten.
Das linke Lager unterstützte grundsätzlich immer die öffentliche Schulbildung. In den Präsidentschaftswahlprogrammen lehnten die Demokraten
vehement jegliche öffentliche Finanzierung von Privatschulen ab. Seit 1992
präsentierte sich die demokratische Partei allerdings offener gegenüber
Wahlfreiheit im öffentlichen Schulsystem, solange die Inklusion aller
Schüler garantiert blieb (vgl. Wahlprogramme in Peters/Woolley 2012).
Schulgutscheine in ihrer jetzigen Form mit bedarfsgeprüftem Zugang
wurden folglich abgelehnt, aber auch die Alternative von universellen
Schulgutscheinen wurde nicht propagiert. Zusammengenommen waren die
Demokraten Gegner von Schulgutscheinen.
Weitere wichtige Opponenten gegen Initiativen für Schulgutscheine
waren Gewerkschaften und Interessenverbände der öffentlich beschäftigten Lehrer. Die Organisationen waren zwar zersplittert,235 betrieben aber
intensive und zum Teil konzertierte Lobbyarbeit, politische Kampagnen
und Öffentlichkeitsarbeit gegen Schulgutscheine. Beispielsweise finanzierte
die größte Lehrergewerkschaft NEA die Anti-Voucher-Kampagne beim
jüngsten Referendum in Utah (KSL 2007).
Diese unterschiedlichen politischen Akteure und Interessengruppen
hatten wiederum sehr unterschiedlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der
Schulgutscheine. Zentraler Konfliktpunkt war eher ob Schulgutscheine
eingeführt werden sollen, als wie die Regulierung zu gestalten sei. Zunächst
verhinderten die Gewerkschaften sehr erfolgreich Gesetzesinitiativen
durch fakultative Referenden (Egan 2003; NSBA 2011a). Diese Strategie
stand den Gewerkschaften nicht in Gliedstaaten zur Verfügung, die keine
Referenden kennen. In diesem Fall unterstützten die Gewerkschaften Klagen gegen die Gutscheinsysteme, die in vielen Fällen ebenfalls erfolgreich
waren (Bush v. Holmes 2006; Kemerer 2002). Die Gewerkschaften hatten
also keine direkte politische Macht, nutzten aber die institutionellen Blo-
——————
235 Zwei große Gewerkschaften vertreten die Interessen der Lehrer, die aber in den letzten
Jahren verstärkt kooperierten: NEA (National Education Association) und AFT
(American Federation of Teachers). Zusätzlich bestehen autonome gliedstaatliche Gewerkschaften, die aber mit den Dachgewerkschaften kooperieren. NSBA (National
School Boards Association) vertritt die Beschäftigten von öffentlichen School Boards
und war politisch sehr aktiv gegen Vouchers vorgegangen (Egan 2003; NSBA 2011a).
346
WOHLFAHRTSMÄRKTE
ckademöglichkeiten wie Referenden und Verfassungsklagen intensiv, um
die Einführung von Schulgutscheinen zu verhindern.
Die Republikaner konnten ihre Präferenz für die Schulgutscheine nur
in den US-Bundesstaaten durchsetzen, in denen sie kein Referendum zu
fürchten hatten. Alle Gutscheinsysteme wurden von republikanischen
Gouverneuren angestoßen, zum Teil aber ohne eine republikanische
Mehrheit im gliedstaatlichen Parlament.236 Republikanische Gouverneure
sind also eine notwendige Bedingung für die Einführung eines Schulgutscheinsystems. Eine republikanische Mehrheit in der gliedstaatlichen parlamentarischen Vertretung ist vorteilhaft, um weitreichendere Schulgutscheine zu implementieren, aber auch demokratische Abgeordnete können
für lokale Gutscheinprogramme gewonnen werden. Trotz der Unterstützung von konservativen Denkfabriken waren die Republikaner aber nicht
sehr erfolgreich bei der Durchsetzung von Gutscheinsystemen. Die Gegner, vor allem die Gewerkschaften, nutzten die institutionellen Hürden
effektiv, um mehrere Gesetzesinitiativen zu verhindern. Letztendlich blieben Schulgutscheine deshalb bundesweit noch ein Randphänomen.
In den erfolgreichen Fällen wurden die Schulgutscheine überwiegend
nach den Vorstellungen der Republikaner implementiert, ohne eine politische Auseinandersetzung über alternative institutionelle Eigenschaften.
Auch nach der Einführung von Schulgutscheinen gab es keine Initiativen
der Gegner, zumindest die Regulierung nach ihren Vorstellungen zu ändern.
Charter Schools
Die zweite Variante der US-amerikanischen Bildungsmärkte, die in den
1990er Jahren hohe Wachstumsraten zu verzeichnen hatten, waren Charter
Schools. Abbildung 14 ist zu entnehmen, dass die meisten Marktgründungen
in die 1990er Jahre fallen, danach ebbten die Marktgründungen deutlich ab
(1991–2010). Zehn Bundesstaaten haben bisher noch keine CharterSchool-Gesetze erlassen. Wie bereits in Kapitel 4.2.2 dargelegt, sind
Charter Schools zwar öffentliche Schulen, dennoch bestehen weitreichende
Marktmechanismen. Der Charter-School-Markt ist ein hybrider Markt mit
——————
236 In Wisconsin stimmten Demokraten für das MPCP 1990 und die Ausweitung 2011
(eigene Auswertung von: NCES 2011a; NGA 2012; U.S. Census Bureau 2009: table
416). Schulgutscheinsysteme, die im ganzen Gliedstaat gelten, wurden aber immer von
republikanischen Mehrheiten eingeführt.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
347
Eigenschaften eines Konsumenten- und Ausschreibungsmarktes (vgl.
Abbildung 1). Die Expansion der Marktmechanismen betrifft zum einen
die Wahlfreiheit der Eltern und Schüler und zum anderen private Anbieter,
die als Charter Management Organizations (CMOs) oder Education
Management Organizations (EMOs) den Schulbetrieb der Charter Schools
übernehmen. In diesem Abschnitt wird die Regulierung der Charter
Schools in den fünf Regulierungsdimensionen dargelegt und die
Besonderheiten dieses Bildungsmarktes veranschaulicht. Anschließend
erfolgt eine Analyse der politischen Kräfte, die zur Marktgründung
beigetragen haben.
Abbildung 14: Anzahl der jährlich neu verabschiedeten Charter-School-Gesetze
(1991–2010)
Quelle: eigene Zusammenstellung (NCES 2011a), inklusive District of Columbia, N = 51.
Wie bereits in Kapitel 4.2.2 gezeigt, ist die Regulierung der Charter Schools
föderal fragmentiert. In den einzelnen US-Bundesstaten sind verschiedene
Grade von Marktmechanismen implementiert. Dennoch werden im Folgenden die wichtigsten Eigenschaften zusammengefasst und die Regelungen in Wisconsin, Ohio, Florida und Kalifornien im Detail als Beispiele
herangezogen, um die konkrete Bedeutung der Regulierung zu illustrieren.
348
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Regulierung
Die Regulierung der Charter Schools ist vielfältig und weist unterschiedliche Liberalisierungsgrade auf. Die hier präsentierten Markteigenschaften
beziehen sich auf das Jahr 2010:237
1. Zugangsvoraussetzungen. Charter Schools stehen gesetzlich als säkulare
Einheitsschulen allen Schülern offen. Ebenso ist eines ihrer Grundprinzipien, keine Leistungskontrolle bei der Anmeldung durchzuführen. Eltern
müssen sich aber auf die Schulen bewerben und die Schulen können je
nach Gesetzeslage eigene Auswahlkriterien festlegen. In den vier untersuchten US-Bundesstaaten Kalifornien, Florida, Ohio und Wisconsin können die Charter Schools Schüler aus dem Einzugsgebiet bevorzugen.
Ebenso wird den Charter Schools eingeräumt, die pädagogische oder
finanzielle Bedürftigkeit zu berücksichtigen, wenn das Schulprofil explizit
auf diese Schülergruppen zugeschnitten ist.238
2. Leistungsstruktur. Eine Grundeigenschaft von Charter Schools ist das
Prinzip möglichst großer Autonomie von zentralen Vorgaben der Schulbezirke und Gliedstaaten. Gleichzeitig müssen sie deshalb mehr Rechenschaftspflichten erfüllen. Aufgrund des Prinzips »Autonomy for
Accountability« sind Charter Schools von vielen Auflagen der lokalen School
Boards und gliedstaatlichen Regeln entbunden. Aufgrund der Charter, also
dem spezifischen Schulvertrag, sind die Leistungsanforderungen, die vereinbarten Benchmarks und pädagogischen Ziele je Schule individuell ausgehandelt und festgelegt.
In den im Detail untersuchten US-Bundesstaaten genießen die Charter
Schools automatisch viele pädagogische und organisatorische Freiheiten,
unterliegen aber einer externen Aufsicht: Sie müssen von einer privaten
oder öffentlichen Lizenzierungsagentur zertifiziert sein. Außerdem führen
die Gliedstaaten üblicherweise regelmäßige pädagogische Leistungstests
durch, um zu überprüfen, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden. Wenn
Charter Schools keine Verbesserung der Schülerleistungen nachweisen
können, kann ihnen die Lizenz entzogen werden (vgl. Kane/Lauricella
2001: 5; Mintrom/Vergari 1997; Wohlstetter u.a. 2008).
——————
237 Wenn nicht anders angegeben basiert die Analyse auf einem Längs- und Querschnittsvergleich der NAPCS (National Alliance for Public Charter Schools) und ECS (Education Commission of the States) Datenbanken (ECS 2012; NAPCS 2010; 2011; 2012).
238 außer Wisconsin.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
349
3. Finanzierungsmechanismus. Charter Schools dürfen keine Schulgebühren
erheben und werden mit lokalen sowie mit gliedstaatlichen Steuermitteln
finanziert. Außerdem gewährt der Bund eine Anschubfinanzierung.239 Die
Pro-Kopf-Beiträge sind üblicherweise etwas geringer als für Schüler an
öffentlichen Schulen.240 Charter Schools können aber zusätzliche Einnahmen durch Förderanträge und Fördervereine generieren oder Ausgaben
durch Kooperationen mit privaten und öffentlichen Organisationen einsparen (Kane/Lauricella 2001; Wells/Scott 2001).241
In rund dreiviertel der Bundesstaaten sind profitorientierte Schulbetreiber zugelassen (EMOs, vgl. Kapitel 4.2.2) und so auch in den vier
untersuchten Bundesstaaten (Molnar u.a. 2009; NAPCS 2011).242 Von den
geringeren Ausgaben pro Schüler schöpfen EMOs also noch einen Gewinn ab (Wells/Scott 2001).
4. Verwaltung. Die Gliedstaaten sind die zentralen Regulierungsbehörden.
Sie legen die Regeln fest, lizenzieren die Charter Schools und überweisen
die Pro-Kopf-Beiträge. Die Leistungstests werden üblicherweise von den
gliedstaatlichen Behörden durchgeführt. Insgesamt verlagerte sich damit
die bildungspolitische Macht von den lokalen School Boards auf die Gliedstaaten. Wie auch bei den Schulgutscheinen erfolgt die pädagogische und
finanzielle Lizenzierung in der Regel von privaten Agenturen, allerdings
übernehmen zum Teil auch gliedstaatliche Behörden Lizenzierungsaufgaben (Vergari 2000).
5. Wahlfreiheit. Charter Schools sind eine Schulalternative für alle Schüler,
weil keine finanzielle Hürde den Schulbesuch limitiert. Lediglich einige
Selektionsregeln können die Wahlfreiheit einschränken. Ebenso sind Kon-
——————
239 Der Charter School Program State Educational Agencies (SEA) Grant gewährt USBundesstaaten seit 1995 Bundesmittel zur Gründung und zum Ausbau von Charter
Schools (Kane/Lauricella 2001).
240 Rund 80–90 % der durchschnittlichen Pro-Kopf-Kosten an öffentlichen Schulen. Die
geringere Kostenerstattung wird mit allgemeinen Verwaltungs- und Transportkosten begründet, die von Kommunen und Bundesstaaten für alle Schulen übernommen werden
(Kane/Lauricella 2001).
241 Durch Kooperationen mit Universitäten sparen Charter Schools beispielsweise Laborausstattungen.
242 Mit Einschränkungen in Wisconsin.
350
WOHLFAHRTSMÄRKTE
fessionsschulen nicht zugelassen, sodass weltanschauliche Präferenzen
nicht von Charter Schools bedient werden.
Die Wahlfreiheit wurde in den 1990er Jahren dahingehend limitiert,
dass häufig die Anzahl der Schulen und Schüler mit Obergrenzen begrenzt
wurde (sogenannte Caps). Die Obergrenzen wurden aber in den folgenden
Jahren regelmäßig erhöht, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, oder gänzlich abgeschafft.243 Insgesamt wurde die Wahlfreiheit mit
der Gründung von Charter Schools ausgebaut und die fortschreitende
Liberalisierung der Gesetzgebung erhöhte die Wahloptionen seit den
2000er Jahren weiter.
Einbettung von Charter Schools zwischen öffentlichen und privaten
Schulen
Die Regulierung der Charter Schools greift auf bestehende Regulierungseigenschaften zurück. Am auffälligsten ist die Fokussierung auf finanziell
und pädagogisch bedürftige Schüler, die bei Charter Schools bevorzugt
aufgenommen werden. Diese Allokation gliedstaatlicher und föderaler
Bildungsfinanzen nach Bedürftigkeit wurde bereits in den 1960er Jahren
erstmals eingeführt. Außerdem werden die Charter Schools, wie der überwiegende Anteil der Schulen, von privaten Akkreditierungsbüros lizenziert.
Innovativ ist die größere Autonomie und die Finanzierung der Charter
Schools. Die Schulen dürfen eigene Schwerpunkte ihrer pädagogischen
Arbeit setzen und erhalten eine Pro-Kopf-Pauschale.
Im Gegensatz zu den Schulgutscheinen wurde mit den Charter Schools
ein gänzlich neuer Schultyp gegründet. Die Schulgutscheine reformierten
überwiegend nur den Finanzierungsmechanismus der Privatschulen, mit
den Charter Schools entstanden neue Organisationen, die vorher so nicht
existierten. Allerdings hatten die Charter Schools in den Magnet Schools
eine bestehende Vorbildinstitution (vgl. Kapitel 4.2.2 Exkurs). Sowohl
Magnet Schools als auch Charter Schools ermöglichten Schülern, eine
alternative Schule außerhalb des Schulbezirks zu besuchen. Die limitierte
——————
243 Rund die Hälfte der US-Bundesstaaten hatte 2010 keine Obergrenzen. In den vier
untersuchten US-Bundesstaaten wird die ganze Bandbreite an Regelungen deutlich. In
Florida galt 1996 pro Schulbezirk eine Obergrenze, die zusehends aufgeweicht wurde
(1998, 2001) bis sie 2003 komplett abgeschafft wurden (vgl. Kapitel 4.2.2 Wahlfreiheit,
Finn u.a. 2000: 244; Miron/Nelson 2002: 84). In Kalifornien steigt die Obergrenze pro
Jahr um 100 Schulen. In Ohio hingegen wurde die Anzahl der Schulen pro Schulbezirk
nach einer speziellen Formel limitiert mit begrenztem Wachstum.
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
351
Autonomie und Anzahl der Charter Schools wies am Anfang noch große
Ähnlichkeit mit den Magnet Schools auf, doch in den folgenden inkrementellen Reformen erhielten die Charter Schools immer mehr Freiheiten (z.B.
Abschaffung Obergrenzen), sodass ein freier Wettbewerb zwischen
Charter Schools und anderen öffentlichen und privaten Schulen entstand.
Die ursprünglich als Ergänzung eingeführten Charter Schools entfalteten
so eine eigenständige Wachstumsdynamik, indem die anfangs implementierten Begrenzungen der Marktmechanismen aufgeweicht wurden.
Akteure Charter Schools – Geringe institutionelle Hürden und breiter
Konsens
Dieser beobachtete Wandel erklärt aber noch nicht, warum Charter
Schools stärker verbreitet sind als Schulgutscheine. Der folgende Abschnitt
erläutert, welche institutionellen Rahmenbedingungen die Einführung von
Charter Schools erleichterten und welche politischen Akteure daran beteiligt waren.
Im Vergleich zu den Schulgutscheinen fiel bei der Einführung der
Charter Schools eine institutionelle Hürde weg. Die Charter Schools sind
grundsätzlich säkulare Schulen, weshalb deren öffentliche Finanzierung
nicht im Konflikt mit der Verfassung steht. Somit entfiel das Veto per
Verfassungsklage als Option, um die Marktgründung nachträglich zu verhindern. Den Gegnern von Charter Schools stand aber weiterhin ein fakultatives Referendum zur Verfügung. Ferner verhinderte die föderale Gesetzgebung, dass bis dato in zehn US-Bundesstaaten keine Charter-SchoolGesetze erlassen wurden.
Die einflussreichen Akteure waren – wie auch bei den Schulgutscheinen
– Parteien, Gewerkschaften, Denkfabriken (Think Tanks), Stiftungen und
Interessenverbände. Erstaunlich unbeteiligt waren jedoch die Privatschulverbände. Keine der Privatschulorganisationen bezog explizit Position zu
den Charter Schools (u.a. CAPE, AACS). Zwar betonten sie weiterhin,
dass sie öffentliche Schulwahloptionen begrüßen, forderten aber direkte
finanzielle Unterstützung für die Eltern in Form von Schulgutscheinen
oder Steuererleichterungen. Zum Beispiel erwähnte der Verband der unabhängigen Schulen (NAIS) in seinem Bildungskonzept mit keiner Silbe
Charter Schools und plädierte für »mission-driven« und selektive Schulen, was
zumindest den Grundsätzen von Charter Schools widerspricht (NAIS
2011). Obwohl Charter Schools für diese Privatschulverbände direkte
352
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Konkurrenten sind,244 wurde deren Einführung und Ausbau nicht direkt
kritisiert. Lediglich der Verband der Montessori-Schulen (AMS) zeigte sich
offen für Charter Schools oder andere öffentliche Schulen, die nach den
Methoden von Montessori arbeiten wollen (AMS 2012). Die Privatschulverbände waren also politisch gespalten in Bezug auf die Einführung von
Charter Schools oder bezogen keine direkte Position zur Debatte. Insgesamt verhielten sie sich eher neutral und waren somit kein einflussreicher
Akteur bei der Einführung und Regulierung der Charter Schools.
Im Gegensatz zu den Schulgutscheinen befürwortete das rechte und
linke Lager Charter Schools, allerdings bestehen erhebliche politische Differenzen wie die Charter Schools reguliert werden sollen:
Die Charter-School-Idee stammt ursprünglich aus akademisch und reformpädagogisch orientierten Kreisen und wurde zunächst von den politisch links stehenden Gewerkschaften aufgegriffen (Budde 1988; 1996;
Kolderie 2005). Im Jahre 1988 machte vor allem Albert Shanker, der damalige Vorsitzenden der AFT (American Federation of Teachers), das Konzept der Charter Schools einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Auch
nach über 20 Jahren unterstützt die AFT weiterhin »charter schools that
embody the core values of public education« (AFT 2012). Laut AFT sollten Charter Schools die folgenden Regulierungsmerkmale aufweisen: der
öffentliche und gleiche Zugang für alle Schüler, keine Schulgebühren, keine
profitorientierten Anbieter und dieselben Bildungsstandards wie an öffentliche Schulen. Außerdem wird gefordert, dass nur qualifizierte Lehrkräfte
unterrichten dürfen und dass Beschäftigte Gewerkschaften gründen und
beitreten dürfen. Folglich vertritt die AFT ein Charter-School-Konzept,
dass einige Freiheiten im Rahmen des öffentlichen Bildungssystems erlaubt, jedoch keine Bildungsmärkte mit profitorientierten Anbietern begünstigt. Andere Lehrergewerkschaften und Interessengruppen des öffentlichen Schulwesens waren anfangs kritisch gegenüber diesen Plänen,
unterstützten in den Folgejahren aber eine ähnlich strenge Regulierung der
Charter Schools und Begrenzung von Marktkräften (vgl. u.a. Vergari
2007).245
——————
244 Denn rund 10–15 % der Schüler an Charter Schools besuchten vorher eine Privatschule
(NEA 2001).
245 Die größte Lehrergewerkschaft NEA gab 2001 ihren grundsätzlichen Widerstand gegen
Charter Schools auf, jedoch mit ähnlich strengen Auflagen wie die AFT (NEA 2011).
Der Verband der School Boards (NSBA) unterstützt dieselbe Linie, forderte aber vor allem
die Beibehaltung der lokalen School Boards. Die NSBA konnte ihre zentrale Forderung
bisher aber nicht durchsetzen, denn ein Großteil der regulativen Aufgaben ging auf die
353
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
Mehrere demokratische Abgeordnete und Senatoren hörten von der
gewerkschaftlichen Charter-School-Idee und sahen darin eine Chance, im
öffentlichen Schulsystem Wahloptionen einzuführen und gleichzeitig das
öffentliche Schulwesen gegen Schulgutscheine zu verteidigen (Hart/Burr
1996; Kolderie 2005). Trotz der Offenheit der nationalen AFT waren die
regionalen Gesetzesinitiativen der demokratischen Abgeordneten im Gewerkschaftslager zum Teil sehr umstritten und einige regionale Gewerkschaften unter dem Dach der AFT liefen Sturm gegen die Implementierung (Hart/Burr 1996).
Tabelle 26: Mehrheitsverhältnisse bei der Verabschiedung der Charter-School-Gesetze
(1991–2010)
Gouverneur
R
R
R
R
D
D
D
D
R
Total
Repräsentantenhaus
R
D
D
R
R
D
D
R
P
Senat
R
R
D
D
R
R
D
D
R
Anzahl
8
5
9
1
7
2
6
2
1
41
Quelle: eigene Zusammenstellung (NCES 2011a; NGA 2012; U.S. Census Bureau 2009: table 416).
Anmerkungen: D = Demokraten, R = Republikaner, P = Patt.
Die Demokraten konnten letztlich die Kritik der Gewerkschaften durch
Kompromisse mit den Republikanern umgehen. In den folgenden Jahren
begrüßten beide Parteien Charter Schools (Finn 2004; Hassel u.a. 2006).
Die Clinton Administration stellte auch erhebliche Bundesmittel für die
Neugründung von Charter Schools zur Verfügung, was unter anderem den
Ausbau der Charter-School-Gesetze in den 1990er Jahren beschleunigte
(ED 2012). Seit 1996 unterstützen alle Parteiprogramme der Republikaner
und Demokraten den Ausbau von Charter Schools (Peters/Woolley 2012).
Dieser parteiübergreifende Konsens wird auch an dem Abstimmungsver-
——————
Gliedstaaten über, was einem substantiellen Machtverlust der School Boards gleichkommt
(Hassel u.a. 2006; Hassel u.a. 2011; NSBA 2011b).
354
WOHLFAHRTSMÄRKTE
halten in den US-Bundesstaaten deutlich. Tabelle 26 kann entnommen
werden, dass Charter Schools in allen erdenklichen Mehrheitsverhältnissen
in Kraft gesetzt wurden. Folglich verbindet die Charter-School-Bewegung
»people who support […] a conservative, market-based agenda with people
who consider themselves to be much more liberal and opposed to
privatization« (Wells/Scott 2001: 237). Die Einführung dieser Bildungsmärkte war somit ein parteiübergreifendes Projekt.
Allerdings hatten die beiden politischen Lager unterschiedliche Vorstellungen wie die Marktmechanismen der Charter Schools reguliert werden
sollten. Die Demokraten präferierten eine strenge Regulierung und Begrenzung der Marktmechanismen. Beispielsweise forderten sie den gleichen Zugang für alle Schüler und eine Obergrenze für die erlaubten
Charter-School-Neugründungen (Hart/Burr 1996; Kolderie 2005; s.
Wahlprogramme 1990–2008 bei Peters/Woolley 2012).
Die Republikaner strebten hingegen Charter-School-Gesetze an, die
möglichst viele Marktmechanismen enthalten (s. Wahlprogramme 1990–
2008 bei Peters/Woolley 2012). Konservative Denkfabriken propagierten
eine stark liberalisierte Charter-School-Gesetzgebung, die möglichst viele
Freiheiten bietet (Enlow 2008; NAPCS 2012). Die weiteren Liberalisierungen, die der Marktgründung folgten, wurden überwiegend vom konservativen Lager auf den Weg gebracht (Hassel u.a. 2006). Für viele Republikaner waren Charter Schools ohnehin nur ein Zwischenschritt, um vor
allem Schulgutscheine flächendeckend einzuführen. Mit Unterstützung
religiöser Schulverbände (AMS 2012; CAPE 2006; NAIS 2011) und kirchlicher Elterninitiativen strebten sie, wie oben erläutert, die Implementierung von Schulgutscheinen an, die auch private Konfessionsschulen
einschließen (Apple 2006; Coulsen 1999; Reese 2004; UCLA Charter
School Study 1999).
Trotz dieser bestehenden unterschiedlichen Präferenzen in Bezug auf
die konkrete Regulierung der Charter Schools waren parteiübergreifende
Kompromisse möglich. Die Republikaner sind derzeit die treibenden Kräfte für einen weiteren Ausbau der Charter Schools, den sie sogar auf
bundesstaatlicher Ebene anstreben (House of Representatives 2011; 2014).
Der aktuelle Gesetzesvorschlag The Success and Opportunity through Quality
Charter Schools Act wurde Anfang 2014 von den Republikanern in das Repräsentantenhaus eingebracht und mit breiter republikanischer und demokratischer Mehrheit an den Senat übergeben (Stand: November 2014). In
der jetzigen Form würde das Gesetz den Markt für Charter Schools weiter
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
355
liberalisieren. Entsprechend wird diese Gesetzesinitiative von den lokalen
School Boards abgelehnt (NSBA 2014), weil das ihre Rolle als Aufsichtsinstanz beschneiden würde. Der Ausgang der Gesetzesinitiative und die genaue Regulierung sind noch offen, die Konfliktlinien über die Regulierung
treten aber offen zutage. Obwohl Interessengruppen und Marktakteure die
Marktgründung und -liberalisierung vorangetrieben haben, scheinen sie
derzeit wenig direkten Einfluss auf die konkrete Regulierung der Charter
Schools zu haben, wenn man bedenkt, wie die lokalen School Boards entmachtet werden. Parteiübergreifende Kompromisse prägen die Politikgestaltung und die Konfliktlinien verschwimmen zusehends, allerdings sind
die Republikaner weiterhin die treibende Kraft für mehr Charter Schools
und sie präferieren mehr Markmechanismen als die Demokraten.
Zusammenfassung – Konflikte und Konsens
Die US-amerikanischen Bildungsmärkte, die in den 1990er Jahren entstanden sind, ergänzen die bereits bestehenden öffentlichen und privaten Schulen. Im Falle der Schulgutscheine wurde vornehmlich der Finanzierungsmechanismus für Privatschulen verändert, sodass eher eine Marktliberalisierung stattfand (obwohl neue Institutionen gegründet wurden), ohne
einen neuen Markt mit gänzlich neuen Anbietern zu schaffen. Allerdings
wurden mit diesen Reformen die Lizenzierungskriterien für die bestehenden Privatschulen verschärft, wodurch zumindest ein neues Marktsegment entstanden ist, das nur für bestimmte Privatschulen zugänglich ist.
Mit den Charter Schools wurde ein neuer Markt gegründet, der vorher
nicht existierte. Auf diesem Markt wurden auch neue Marktakteure wie
profitorientierte (EMOs) und gemeinnützige (CMOs) Schulbetreiber aktiv,
die vorher nicht existierten.
Die zentrale Regulierungseigenschaft der Bildungsmärkte ist die bedarfsgeprüfte Zugangsvoraussetzung. Die Charter Schools und Schulgutscheine werden aus gliedstaatlichen Zuschüssen finanziert mit dem Ziel
der Armutsvermeidung. Anders ausgedrückt: Marktmechanismen werden
eingesetzt, um die Bildungsnachteile durch Armut auszugleichen. Damit
wurde ein Motiv der föderalen Bildungsfinanzierung aufgegriffen, das
ebenfalls zur Armutsvermeidung, Förderung benachteiligter Stadtteile und
Unterstützung von Schülern mit geistigen und körperlichen Behinderungen
eingesetzt wurde. Defizite der lokalen Schulfinanzierung werden mit Zuschüssen aus Bundesmitteln ausgeglichen. Die Neuerung in den 1990er
356
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Jahren war, durch Wettbewerbselemente eine Leistungssteigerung der
Schulen anzustreben und benachteiligten Schülern eine Wahloption zu
eröffnen.
Eine weitere zentrale Regulierungseigenschaft war die Übertragung der
privaten Akkreditierung auf die neuen Märkte. Die privaten Schulen wurden in den USA ohnehin von privaten Akkreditierungsbüros lizenziert,
aber auch öffentliche Schulen wurden so akkreditiert. Diese typische private Verwaltung wurde mit der Marktgründung und -liberalisierung ausgeweitet.
Mit der Reformierung des Finanzierungsmechanismus wurde zwar mit
der Bedarfsprüfung auf typische Eigenschaften der öffentlichen Bildungsfinanzierung zurückgegriffen, dennoch wurden auch Innovationen eingeführt. Gerade die Schulgutscheine stellen einen Bruch mit der vorherigen
Trennung von Staat und konfessionellen Schulen dar, weshalb gerade dieses Regulierungselement besonders umstritten war. Außerdem wurde der
gliedstaatliche und föderale Einfluss auf die Schulen durch die Marktelemente gestärkt.
Die Wahloptionen wurden insgesamt ausgeweitet, denn die Schüler
konnten nun zwischen verschiedenen Schulformen wählen, wenn auch
nicht alle Schulwahlprogramme einen universellen Zugang ermöglichen.
Die Ausweitung der Wahloptionen umfasste neben den Schulgutscheinen
und den Charter Schools auch eine Lockerung der Schuleinzugsbereiche.
Viele US-Bundesstaaten führten parallel zu den marktförmigeren Varianten
auch die Möglichkeit ein, zwischen normalen öffentlichen Schulen zu wählen oder den Schulbezirk zu wechseln (Jones-Sanpei 2008; LAG 2002;
NCES 2011b; Schneider u.a. 1997). Die Ausweitung der Wahlfreiheit ist
also ein allgemeiner Trend, der nicht unbedingt mit der Expansion anderer
Marktmechanismen einhergeht.
Die Gründung und Liberalisierung der Bildungsmärkte führte zu keinem einheitlichen Markt, sondern zu zwei höchst unterschiedlichen Markttypen (Schulgutscheine/Charter Schools) und einer Variation von Marktmechanismen zwischen den US-Bundesstaaten. Die existierenden
Institutionen waren bei allen Reformschritten zwar Vorbilder, die gliedstaatliche Pluralität verringerte jedoch nationale Gemeinsamkeiten.
Grundsätzlich erfolgte die Einbettung in einer Kombination aus layering
und drift. Die öffentlichen Schulen waren chronisch unterfinanziert und
konnten dem gestiegenen Wunsch nach Wahloptionen nicht gerecht werden, folglich stieg die Unzufriedenheit von Eltern und Schülern mit den
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
357
Leistungen der öffentlichen Schulen. Diese Vernachlässigung des öffentlichen Bildungswesens (drift) eröffnete die Möglichkeit neue Märkte anzufügen (layering). Sowohl bei den Schulgutscheinen als auch bei den Charter
Schools bewirkte die umfassende Marktgründung/-liberalisierung weitere
inkrementelle Liberalisierungen. Im Falle der Charter Schools wurden
beispielsweise allmählich Regelungen, die Marktmechanismen begrenzten,
gelockert (z.B. profitorientierte EMOs, Obergrenzen). Vergleichbare
schrittweise Liberalisierungen waren auch bei den Schulgutscheinen zu
beobachten (Zulassung konfessioneller Privatschulen). Diese fielen allerdings weniger stark aus, weil mit den Gutscheinen bereits starke Marktmechanismen implementiert waren.
Von beiden Markttypen haben vor allem Charter Schools das Potenzial,
das Bildungssystem nachhaltig zu verändern. Einerseits basiert die CharterSchool-Regulierung auf institutionellen Vorbildern wie Magnet Schools
und Bedürftigkeit, andererseits bedeutet die fortschreitende Abschaffung
der Obergrenzen, dass Charter Schools unbegrenzt wachsen können.
Durch ihren hybriden Charakter zwischen Konsumenten- und Ausschreibungsmarkt scheinen Charter Schools nicht als Fremdkörper im
Schulsystem aufgefasst zu werden. Eine Dominanz der Charter Schools
würde allerdings das Schulsystem fundamental verändern.
Bildungspolitische Akteure und institutionelle Hürden
Die flächendeckende Einführung von Wohlfahrtsmärkten im USamerikanischen Bildungswesen wurde durch drei institutionelle Hürden
erschwert: (1) Der Bildungsföderalismus verhinderte eine nationale Kampagne für Bildungsmärkte, sodass nur schrittweise auf gliedstaatlicher Ebene Marktmechanismen eingeführt werden konnten; (2) die Gegner von
Wohlfahrtsmärkten konnten mithilfe von fakultativen Referenden erfolgreich Schulgutscheine verhindern; und (3) den Gegnern blieb schließlich
die Verfassungsklage, weil die starke Trennung von Staat und Kirche eine
öffentliche Finanzierung von Privatschulen nur unter bestimmten Bedingungen erlaubte.
Trotz dieser institutionellen Hürden wurden in den 1990er Jahren
Marktmechanismen in das US-amerikanische Bildungswesen implementiert
(vgl. gegensätzliches Argument bei Klitgaard 2010). Die Analyse der bildungspolitischen Akteure offenbarte ein ausgeprägtes Links-Rechts-
358
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Schema bei den Präferenzen gegenüber Bildungsmärkten, gleichwohl waren trotz gegensätzlicher Positionen Kompromisse möglich.
Das säkular-konservative Lager präferierte primär Schulgutscheine. Die
Republikaner erfuhren dabei Unterstützung von konservativen Denkfabriken, bürgerlichen Stiftungen, vermögenden Einzelpersonen und
religiös-motivierten Interessengruppen (Apple 2006; Chubb/Moe 1990;
Coulsen 1999; Reese 2004; Rhodes 2011).
Im linken Lager stießen die Vorschläge der Konservativen zunächst auf
vehementen Widerstand. Die Demokraten lehnten Schulgutscheine grundsätzlich ab, weil sie das öffentliche Bildungswesen weiter untergraben würden. Dabei wurden sie von Gewerkschaften und Lehrerverbänden unterstützt. Dennoch konnten sich die Demokraten den Forderungen nach
mehr Wahloptionen nicht verschließen und entdeckten Charter Schools,
um Wahlfreiheit in das öffentliche Schulwesen zu integrieren, ohne ihre
Präferenz für einen universellen Zugang aufzugeben.
Die parteipolitischen Präferenzen prägten die politische Auseinandersetzung über Schulgutscheine und Charter Schools sehr unterschiedlich.
Einerseits wurden Schulgutscheine ausschließlich von den Republikanern
eingeführt, während das linke Lager versuchte, deren Einführung mit allen
Mitteln zu verhindern. Die institutionellen Hürden wie Referenden und
Verfassungsklagen waren dabei effektive Mittel, um Gesetzesinitiativen des
rechten Lagers zu verhindern. Insgesamt war diese politische Auseinandersetzung von starken Konflikten geprägt.
Demgegenüber war die Gründung von Charter Schools von einem
parteiübergreifenden Konsens geprägt. Sowohl Demokraten als auch Republikaner waren maßgeblich an der Einführung der Charter-SchoolGesetze beteiligt. Gleichwohl wurden auch hier unterschiedliche Präferenzen deutlich, denn die Republikaner streben möglichst liberale CharterSchool-Gesetze an, die viele Marktmechanismen beinhalten, wohingegen
die Demokraten die Marktmechanismen begrenzten. Folglich waren die
Republikaner die treibende Kraft hinter der Liberalisierung der CharterSchool-Gesetze in den 2000er Jahren. Die Linke, und vor allem die Gewerkschaften, konzentrierte sich auf die Verhinderung von Schulgutscheinen, sodass die Charter Schools relativ ungehindert wachsen konnten
(Hassel u.a. 2006: 7).
Fligsteins (2001) Annahme, dass dominante (Markt-)Akteure maßgeblich an der Marktgründung beteiligt sind, trifft für die US-amerikanischen
Bildungsmärkte nur bedingt zu. Abgesehen von den Gewerkschaften, die
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
359
grundsätzlich sehr kritisch gegenüber jeglicher Form von Marktmechanismen eingestellt waren (Vergari 2007), waren Privatschulverbände als
dominante Marktakteure kaum an den Reformen beteiligt. Die Gewerkschaften führten in ihren Argumenten gegen Wohlfahrtsmärkte zwar immer pädagogische und ökonomische Argumente an, lehnten sie aber auch
deshalb ab, weil sie schlechtere Arbeitsbedingungen für ihre Klientel an
öffentlichen Schulen befürchteten. Ebenso drohte ein Machtverlust, wenn
Beschäftigte an Privatschulen von einer obligatorischen Gewerkschaftsmitgliedschaft entbunden wurden. Die Gewerkschaften waren vor allem
sehr erfolgreich, die Einführung von Schulgutscheinen durch gut organisierte Kampagnen in Referenden und Verfassungsklagen zu verhindern.
Die Privatschulverbände bezogen zwar Position für Schulgutscheine,
finanzieren jedoch die Kampagnen meist nicht selbst. Konservative Denkfabriken und bürgerliche Stiftungen organisierten stellvertretend für die
Privatschulverbände Kampagnen zur Einführung von Schulgutscheinen,
sodass die Privatschulen nicht als starke politische Akteure in Erscheinung
traten.
5.4.3 Fazit – Liberale Einbettung
Die Entwicklung der Wohlfahrtsmärkte in den USA zeigte einige Besonderheiten auf, die zu einer liberalen Einbettung der Renten- und Bildungsmärkte geführt hat. Die US-amerikanischen Wohlfahrtsmärkte sind im
Vergleich zu den Ergebnissen der Länderstudien Deutschland und Schweden weniger stark reglementiert und ermöglichen ein hohes Maß an Wahlfreiheit. Die speziellen politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten
trugen zu dieser spezifischen Regulierung bei.
Die Regulierung US-amerikanischer Wohlfahrtsmärkte
Die US-amerikanischen Wohlfahrtsmärkte sind geprägt von sehr disparaten Zugangsvoraussetzungen. Einerseits bestehen Wohlfahrtsmärkte, die formal zumindest universellen Zugang ermöglichen wie IRAs oder Charter
Schools. Andererseits ist der Zugang zu anderen Märkten bedarfsgeprüft
(Schulgutscheine) oder abhängig vom Berufsstatus und Arbeitgeber (Betriebsrenten / individuelle Renten). Die Leistungsstruktur der Wohlfahrtsmärkte variiert ebenso stark. Einerseits werden nur minimale Grundleistungen regulativ vorgegeben, die zwischen den einzelnen Marktsegmenten
360
WOHLFAHRTSMÄRKTE
variieren (vor allem Bildungsmarkt). Andererseits besteht auch ein hoher
Beitragsbezug der Leistungen im Rentenmarkt und bei den normalen
Privatschulen. Der Finanzierungsmechanismus variiert stark zwischen den
Politikfeldern, aber grundsätzlich besteht eine öffentliche Bezuschussung
der Märkte fort. Im Bildungsmarkt sind öffentliche Zuschüsse für Privatschulen und quasi-private Charter Schools allerdings eine Neuerung. Eine
Besonderheit der US-amerikanischen Wohlfahrtsmärkte ist der hohe Grad
der privaten Verwaltung. Die öffentlichen Behörden haben zwar weiterhin
Lizenzierungs- und Überwachungsfunktionen, doch ein Großteil der
Verwaltungs- und Regulierungsaufgaben erfolgt von den privaten Anbietern in Selbstregulierung. Am deutlichsten wird das im Bildungsmarkt,
wo selbst die öffentlichen Schulen von privaten Akkreditierungsagenturen
begutachtet werden. Und schließlich ist die Wahlfreiheit für alle Nutzer sehr
hoch. Alle untersuchten Wohlfahrtsmärkte sind fakultativ und eröffnen
vielfältige Wahloptionen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
Für die Einbettung der Wohlfahrtsmärkte ist zunächst der Zeitpunkt
der Marktgründung entscheidend. Die Rentenmärkte sind vergleichsweise
früh entstanden und basierten auf einem ausgebauten Betriebsrentensystem, das Vorbild für die Marktliberalisierung war. Im Bildungsbereich
konnten die Privatschulen eine starke Stellung gegenüber den öffentlichen
Schulen behaupten, sodass sie als starke Vorbilder für die Marktgründung
und -liberalisierung in den 1990er Jahren gelten können. In beiden Fällen
waren somit die existierenden privaten Institutionen Vorbilder bei der
Marktgründung und -liberalisierung. Die öffentlichen Wohlfahrtsinstitutionen konnten entsprechend die Marktregulierung weniger stark prägen,
sodass Marktmechanismen einen hohen Anteil haben, wie zum Beispiel der
hohe Grad der Wahlfreiheit verdeutlicht. Neben Ähnlichkeiten zwischen
öffentlichen und privaten Institutionen, wurden mit den Märkten auch
viele Innovationen eingeführt, wodurch das US-amerikanische Wohlfahrtsregime noch liberaler wurde. Die Leistungsstruktur wurde stärker individualisiert und Wahlfreiheiten nahmen insgesamt zu, ohne zusätzliche Garantien oder Verbraucherschutzmechanismen einzuführen.
Konflikte und Kompromisse zwischen Links und Rechts
Außerdem zeigten die Fallstudien der Renten- und Bildungsmärkte, dass
dominante Akteure die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte maßgeblich
beeinflussten. Konservative politische Kräfte waren die Hauptakteure, die
REGULIERUNG DER WOHLFAHRTSMÄRKTE
361
Wohlfahrtsmärkte propagierten und die liberale Regulierung prägten. Die
republikanische Partei erhielt für diese marktliberale Agenda Unterstützung
von konservativen Denkfabriken, Stiftungen, Arbeitgeberverbänden und
religiös-motivierten Bürgerbewegungen (u.a. Apple 2006; Hacker 2002;
Hacker/Pierson 2002; Lowe/Miner 1996).
Das linke Lager, bestehend aus Demokraten und Gewerkschaften,
lehnte grundsätzlich Wohlfahrtsmärkte ab und präferierte starke öffentliche Sozialprogramme. Diese grundsätzliche Präferenz konnte jedoch
nicht beibehalten werden und das linke Lager war zu Zugeständnissen
bereit. Dabei favorisierten sie eine Limitierung der Marktmechanismen.
Beispielsweise stimmten die Demokraten für eine stärkere Regulierung der
Betriebsrenten in den 1970er Jahren, weil ein Ausbau der öffentlichen
Rentenversicherung nicht möglich erschien. In diesem Fall eröffnete die
Einführung von IRAs und anderen individuellen Rentenversicherungen
allerdings sogar eine Ausweitung von Marktmechanismen. Bei den Charter
Schools waren die Demokraten ebenfalls bereit, Marktmechanismen im
öffentlichen Bildungssystem zu etablieren, solange das Wachstum der
Charter Schools und profitorientierte Schulbetreiber limitiert wurden.
Trotz dieser Präferenz für stärker regulierte Märkte im linken Lager
konnten die Republikaner tendenziell ihre Marktagenda schrittweise durchsetzen. Wenn die Wohlfahrtsmärkte einmal implementiert waren, leiteten
die Republikaner weitere Reformschritte ein, mit denen die Marktmechanismen ausgeweitet wurden (Rente, Charter Schools). Außerdem wurde die
Marktgründung häufig durch parteiübergreifende Kompromisse verabschiedet. Die Charter Schools fanden Zustimmung in beiden politischen
Lagern, weil sie eine hybride Organisationsform zwischen Staat und Markt
bilden. Erst in den Regulierungsdetails dieser Schulform wurden die unterschiedlichen Parteipräferenzen deutlich. Die Gründung des Rentenmarktes
in den 1970er Jahren war auch von einem Kompromiss geprägt, allerdings
erkannten die Demokraten nicht sogleich das Marktpotenzial der Steuererleichterungen. Die neuen Rentenmärkte setzten Marktkräfte frei, die von
den Demokraten nicht einkalkuliert waren, als sie dem Reformpaket zustimmten.
Abgesehen von den parteipolitischen Akteuren waren die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände und die Versicherungswirtschaft dominante Akteure. Sie versuchten, Einfluss auf die Marktgründung zu nehmen
und ihre präferierte Regulierung der Wohlfahrtsmärkte zu erreichen. Bemerkenswert war hier die flexible Strategie der Gewerkschaften. Sie präfe-
362
WOHLFAHRTSMÄRKTE
rierten grundsätzlich öffentliche Sozialprogramme, waren aber für die
moderate Einführung von Wohlfahrtsmärkten, wenn damit entweder liberalere Marktformen verhindert werden konnten (Charter Schools) oder
immerhin für ihre Kernklientel verbesserte Sozialleistungen erreicht wurden (Betriebsrenten). Wie auch Parteien (vgl. Gingrich 2011) verändern die
dominanten Marktakteure ihre politische Strategie gegenüber Wohlfahrtsmärkten, wenn sie ihre Kernforderung nicht erreichen können. In
diesem Fall setzten sich die Gewerkschaften für Marktformen ein, die
zumindest ihrer Kernforderung näher standen als liberalere Alternativen
der Marktregulierung (z.B. individuelle Rentenversicherungen, Schulgutscheine).
Schließlich ist noch die besondere Rolle der institutionellen Hürden
hervorzuheben, die von den Befürwortern von Wohlfahrtsmärkten überwunden werden mussten. Vor allem im Bildungsbereich verhinderten drei
politische Institutionen (Referenden, Verfassungsgerichte, Föderalismus)
die weitreichende Implementierung von Bildungsmärkten. Die Gegner von
Schulgutscheinen nutzen erfolgreich fakultative Referenden und Verfassungsklagen, um die Einführung von Schulgutscheinsystemen zu verhindern. Diese Optionen zur Verhinderung von Gesetzesinitiativen standen
im Rentenbereich nicht zur Verfügung. Die Ergebnisse der Bildungsmärkte
zeigen, dass politische Institutionen nicht nur die Einführung von öffentlichen Sozialprogrammen in den USA verhinderten (Weir u.a. 1988), sondern auch die Implementierung von Wohlfahrtsmärkten erschwerten
(Klitgaard 2008). Obgleich politische Institutionen Marktreformen verhindern konnten, zeigten die Fallstudien der Renten- und Bildungsmärkte,
dass die dominanten Akteure diese institutionellen Hürden überwinden
konnten. Die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte wurde schließlich sowohl
von den existierenden Sozialprogrammen als auch den Präferenzen der
dominanten Akteure beeinflusst.
6 Wachstum, Varianz und Einbettung
im Vergleich
Wohlfahrtsmärkte sind, wie die empirischen Kapitel vier (Marktvolumen)
und fünf (Marktregulierung) gezeigt haben, kein singuläres Phänomen,
sondern sind in allen untersuchten Wohlfahrtsregimen zu finden. Marktförmige Sozialprogramme und soziale Dienstleistungen existierten bereits
vor der Gründung der ersten wohlfahrtsstaatlichen Institutionen, überdauerten zum Teil das »Goldene Zeitalter« der Wohlfahrtsstaaten in der Nachkriegszeit und sind in jüngster Zeit wieder wichtiger geworden.
Im Rahmen dieser Studie wurden viele komplexe Vergleichsebenen untersucht, weshalb ich den Fokus in diesem Kapitel auf drei wesentliche
Vergleichsebenen lenke: (1) den historischen Vergleich, (2) den Vergleich
zwischen Renten- und Bildungsmärkten und (3) den Ländervergleich. In
den folgenden Unterkapiteln wird jede Vergleichsebene einzeln behandelt
und die Essenz der empirischen Ergebnisse diskutiert.
Die Hauptfragen dieser Arbeit dienen als Leitfaden des Vergleichs. Dabei soll aufgezeigt werden, inwiefern die in der Einleitung formulierten
Grundannahmen zutreffen und generalisierbar sind. Die erste Kernforschungsfrage nach dem Wachstum der Wohlfahrtsmärkte betrifft hauptsächlich den historischen Vergleich und die Überlegung (Grundannahme 1),
dass Unterschiede im Marktvolumen trotz des gemeinsamen Trends erhalten bleiben. Letzteres schließt an die zweite Hauptforschungsfrage nach
den institutionellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Wohlfahrtsmärkte an und bezieht sich vornehmlich auf den Länder- und Politikfeldvergleich. Außerdem hatte ich in der Einleitung postuliert (Grundannahme
3), dass die Regulierung neuer Wohlfahrtsmärkte benachbarten Vorgängerinstitutionen gleiche und eine institutionelle Einbettung stattfinde. Bei der
gesamten Diskussion steht die Frage nach einer Generalisierung der Ergebnisse im Vordergrund und ob allgemeingültige Erklärungen für das Wachstum und die Unterschiede der Wohlfahrtsmärkte gefunden werden
können. Im Anschluss an den Vergleich werden die in der Einleitung
364
WOHLFAHRTSMÄRKTE
formulierten Grundannahmen im Lichte der vergleichenden Ergebnisse
überprüft. Die Hauptergebnisse sind in Tabelle 27 zusammengefasst.
Tabelle 27: Vergleich der Fallstudien
Rente
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
Verwaltung
Wahlfreiheit
Form des
Wandels
Markttyp
Erklärung
Deutschland
Schweden
USA
beruflicher Status
 teilweise
Universalisierung
Beitragsbezug
universell
finanzieller und
beruflicher Status
Einkommens- 
Beitragsbezug
Beiträge (Steuern)
Beitragsbezug
Beiträge und
Zuschüsse /
Steuererleichterungen
Selbstverwaltung
 privat/staatlich
freiwillig, hoch
conversion,
layering
regulierter
Wohlfahrtsmarkt
Anstoß von
Sozialdemokraten;
konservativer
Konsens / liberale
Innovationen,
Versicherungswirtschaft / Gewerkschaften prägen
Marktregulierung
Beiträge, Steuererleichterungen
staatlich
privat
obligatorisch,
gering  hoch
freiwillig, hoch
layering
conversion
obligatorischer
Wohlfahrtsmarkt
Anstoß von Konservativen; sozialdemokratischer
Konsens in Kommission prägt
Marktregulierung
regulierter
Wohlfahrtsmarkt
starkes liberales
Erbe, weil öffentliche Säule nicht
ausgebaut wurde
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
365
Tabelle 27: Fortsetzung
Deutschland
Schweden
USA
Status
universell
Grundleistung
Grundleistung
Bedarfsprüfung
(voucher), universell (Charter)
Grundleistung
Steuern,
Gebühren
staatlich
mittel
Steuern
Steuern
staatlich
gering  hoch
staatlich, privat
mittel  hoch
Form des
Wandels
Markttyp
drift
conversion,
layering, drift
Vouchermarkt
Vouchermarkt
Erklärung
Anstoß von FDP
und Kirchen;
Marktregulierung
von konfessionellen Schulen /
Gerichtsentscheidungen
Anstoß von Konservativen; sozialdemokratischer
Konsens prägt
Marktregulierung
Vouchermarkt,
Konsumenten-/
Ausschreibungsm.
Anstoß von
Republikanern /
Kirchen, Gerichte
/ Referenden verhindern Voucher;
Charter Schools
konsensueller,
weniger institutionelle Hürden
Bildung
Zugang
Leistungsstruktur
Finanzierung
Verwaltung
Wahlfreiheit
Quelle: Eigene Darstellung
6.1
Historischer Vergleich
Die zentralen Ergebnisse des historischen Vergleichs gliedern sich in drei
Abschnitte. Zunächst wird das Wachstum der Wohlfahrtsmärkte im Zeitverlauf diskutiert, daraufhin werden die Zeitpunkte der Marktgründung
verglichen. Abschließend wird die institutionelle Einbettung über den Untersuchungszeitraum zusammengefasst (vgl. Überblick in Tabelle 27).
366
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Marktexpansion
Das Marktvolumen von Wohlfahrtsmärkten ist in den letzten zwei Dekaden angestiegen. Anhand mehrerer Datenquellen finden sich zuverlässige
Belege, dass Marktmechanismen in der Renten- und Bildungspolitik stärker
zum Tragen kommen als noch vor dem Jahr 1990. Diese Ergebnisse gehen
auch über die Hauptuntersuchungsländer hinaus, denn in der gesamten
OECD-Welt ist eine Expansion von Marktmechanismen festzustellen (vgl.
Kapitel 4). Wohlgemerkt ist sowohl in Ländern mit bereits hohem Marktvolumen als auch in Ländern, in denen obligatorische oder quasiobligatorische Wohlfahrtsmärkte entstanden sind, ein stärkerer Anstieg
von Marktmechanismen festzustellen. Ebenso betrifft das Wachstum der
Wohlfahrtsmärkte vor allem die Zunahme von privaten Anbietern und die
Ausweitung von Wahlfreiheit; die Finanzierung der Wohlfahrtsmärkte
bleibt zum Teil in öffentlicher Verantwortung.
Pioniere und Nachzügler
Die Zeitpunkte der Marktgründung und -liberalisierung konzentrieren sich
auf die Zeit nach 1990, wie auch Tabelle 2 veranschaulicht. Die USA stechen dabei als Wohlfahrtsmarktpionier hervor (vgl. auch Köppe 2008). Die
Marktliberalisierung des US-amerikanischen Rentenmarktes erfolgte bereits
in den 1970/80er Jahren und der Bildungssektor der USA wies immer ein
hohes Marktvolumen auf. Öffentliche Sozialprogramme wurden in den
USA vergleichsweise spät gegründet und blieben infolgedessen chronisch
unterfinanziert, um die gestiegene Nachfrage nach umfangreicheren Leistungen zu bedienen. Private Rentenversicherungen entstanden als ergänzende Alterssicherung, da die öffentliche Altersvorsorge unzureichend für
die gestiegenen Ansprüche der Mittelschicht war. Die Privatschulen sicherten ihren Bestand und erreichten weiterhin ein hohes Marktvolumen, weil
die öffentliche Schulfinanzierung maßgeblich von den lokalen Steuereinnahmen abhing. Schulen in benachteiligten Stadtteilen waren chronisch
unterfinanziert, sodass Eltern mit dem entsprechenden Einkommen ihre
Kinder auf bessere Privatschulen schickten.
In den 1990er Jahren setzte eine Welle von Marktneugründungen und
-liberalisierungen in allen untersuchten Ländern ein. In Bezug auf die
Gründung der Wohlfahrtsmärkte sind Deutschland und Schweden demnach Nachzügler. Gegenüber der Wohlfahrtsstaatsentwicklung ergibt sich
so eine umgekehrte Reihenfolge der Entstehung von Wohlfahrtsmärkten.
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
367
Während Deutschland ein Pionier staatlicher Sozialprogramme war und
auch in Schweden frühzeitig staatliche Sozialversicherungen entstanden,
waren die USA ein Nachzügler diesbezüglich (vgl. Alber 1987; Flora/Alber
1981; Schmidt 2005: 182). Die Wohlfahrtsmarktentwicklung erfolgte in der
umgekehrten Reihenfolge mit den USA als Wohlfahrtsmarktpionier
(Köppe 2008).
Die Auswertungen des Marktvolumens in Kapitel 4 haben diesen
Trend bestätigt. Bemerkenswert waren die zum Teil hohen Wachstumsraten der Nachzüglerländer. Vor allem das Marktvolumen in Schweden
übersteigt Ende der 2000er Jahre das Marktvolumen des Wohlfahrtsmarktpioniers USA in einigen Indikatoren.246 Diese hohen schwedischen Wachstumsraten gehen auf institutionelle Charakteristika der Wohlfahrtsmärkte
zurück. Beispielsweise bewirkte das Obligatorium der Prämienrente den
hohen Inklusionsgrad des schwedischen Rentenmarktes, der im Vergleich
zur freiwilligen deutschen Riester-Rente eine viel höhere Wachstumsrate
aufwies.
Aber nicht jede Marktliberalisierung führte zu einem erhöhten Wachstum. Obwohl die Privatschulfinanzierung in Deutschland 1987 liberalisiert
wurde, veränderten sich die Wachstumsraten gegenüber den Vorjahren
kaum. Dieser Fall verdeutlicht, dass es von der Regulierung der Märkte
abhängt, welches Wachstumspotenzial sie entfalten (vgl. Pierson 2003;
Pierson 2004). Im Fall der deutschen Privatschulen wurden zwar die
öffentlichen Zuschüsse der säkularen Privatschulen auf das Niveau der
Zuschüsse für konfessionelle Privatschulen angehoben, die finanzielle
Hürde der Schulgebühren blieb aber weiterhin bestehen und verhinderte
ein starkes Wachstum der deutschen Privatschulen in den 1990er Jahren.
Es existierten zwar schon vor der Marktgründung und -liberalisierung
private Formen der Alterssicherung und Privatschulen in den untersuchten
Ländern, diese waren gleichwohl marginalisiert und häufig nur für eine
Minderheit der Bevölkerung relevant. Derartige ergänzende Wohlfahrtsmärkte existierten immer parallel zu öffentlichen Wohlfahrtsprogrammen.
Diese Märkte wurden nicht explizit von der Politik gefördert und waren
daher ein zusätzliches Angebot zum dominierenden öffentlichen Wohlfahrtssystem.247 Die Marktmechanismen und deren Expansion in den
1990er Jahren unterscheiden sich von den vorherigen Märkten in dem
——————
246 Unter anderem wurden in Schweden 2010 mehr Privatschüler unterrichtet und der
Inklusionsgrad des Rentenmarktes ist höher.
247 Die Betriebsrenten der USA stellen hier eine Ausnahme dar.
368
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Sinne, dass die Wohlfahrtsmärkte flächendeckender und umfangreicher
implementiert wurden. Vor allem die Marktneugründungen im Bereich der
zusätzlichen privaten Rentenversicherungen richten sich nicht nur an eine
kleine besserverdienende Bevölkerungsschicht, sondern sollen ergänzend
zu öffentlichen Rentenversicherungen einen zentralen Teil der sozialen
Sicherheit bilden.
Vorbereitende Reformen und fortwährende Marktinterventionen
Im Zeitvergleich besteht die Expansion der Wohlfahrtsmärkte zum Teil
aus inkrementellen Reformen. Häufig gingen den in Tabelle 2 dargestellten
Phasen der weitreichenden Marktgründungen und -liberalisierungen
(Campbell 2004; North 1990) inkrementelle Reformen voraus oder es
folgten weitere kleinere Reformen, die die neuen Märkte in die existierenden Institutionen einbetteten (vgl. Mahoney/Thelen 2010a;
Streeck/Thelen 2005b). Selbst kleine Änderungen können also langfristig
zu einer Vermarktlichung beitragen und in späteren Jahren eine weitreichendere Marktliberalisierung erleichtern. Inkrementelle Reformen werden somit zur Voraussetzung für weitergehende Marktgründungen und
-liberalisierungen, weil sie das Feld für Wohlfahrtsmärkte bereiten. Zu
diesen vorbereitenden Reformschritten zählen unter anderem Methoden
des New Public Management, Autonomie von staatlichen Leistungserbringern und leistungsorientierte Budgetierung (Osborne/Gaebler 1997;
Schedler/Proeller 2000).
Die Wirkung inkrementeller Reformen zeigte sich besonders wirkungsvoll bei der Marktliberalisierung des schwedischen Schulwesens, als die
Autonomie der öffentlichen Schulen und die nachfrageorientierte Finanzierung (Pro-Kopf-Finanzierung) eine Übertragung dieser Mechanismen
auf die Privatschulen erleichterte. Eine ähnliche inkrementelle Entwicklung
ist beim deutschen Privatschulmarkt festzustellen, weil mittlerweile die
Hürden für eine weitergehende Vermarktlichung gering sind, sodass mit
relativ geringem Aufwand – mit entsprechendem politischen Willen und
parlamentarischen Mehrheiten – Marktmechanismen implementiert werden können (vgl. Kapitel 5.2.2).
Eine weitere Wirkung von inkrementellen Reformen ist die »Ansteckung« benachbarter Institutionen mit Marktmechanismen. Die Bevölkerung gewöhnt sich mit der Zeit an marktförmige und private Sozialleistungen, sodass später tiefgreifende Marktgründungen und Vermarkt-
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
369
lichungen erleichtert werden, da innerhalb der partiellen Wohlfahrtsmärkte
Ängste abgebaut wurden und sich ideologische Widerstände gegenüber
Märkten reduziert haben. In den USA verfolgten die Republikaner diese
Strategie im Rentenbereich, bis dato hatte allerdings die Marktliberalisierung in den 1980er Jahren noch keine Rückwirkung auf die öffentliche
Rentenversicherung verursacht.
Vielmehr kann eine derartige »Ansteckung« benachbarter Institutionen
mit Marktmechanismen nur in Schweden festgestellt werden. Die Marktliberalisierung durch die Einführung von Schulgutscheinen für Privatschulen führte zu einer Ausdehnung dieses Finanzierungsmechanismus auf
das gesamte schwedische Schulwesen (vgl. Kapitel 5.3.2). Ebenso wurden
die meisten Betriebsrenten nach der Gründung der Prämienrente nach
dem Modell dieses Rentenmarktes reformiert (Sjögren Lindquist/
Wadensjö 2006; 2007). Das schwedische Beispiel zeigt, dass nach einer umfassenden Marktgründung weitere inkrementelle Reformen folgen können
und die Marktmechanismen auf benachbarte Institutionen übertragen
werden. Diese Übertragungsmechanismen hängen jedoch von den politischen und institutionellen Rahmenbedingungen während der Marktgründungsphase ab.
Institutionelle Einbettung und Innovationen
Jenseits des beobachteten Wandels ist im Zeitverlauf eine institutionelle
Einbettung der Wohlfahrtsmärkte festzustellen. Die Wohlfahrtsmärkte
wurden in den Reformphasen in das bestehende institutionelle Arrangement eingebettet und die neuen Märkte enthalten Elemente benachbarter
Institutionen (Fligstein 1996; 2001). Die Unterschiede zwischen den Ländern und Politikfeldern bleiben weitgehend bestehen und eine konvergente
Entwicklung zu einem Wohlfahrtsmarkttyp findet nicht statt (vgl.
Holzinger u.a. 2007b; Holzinger/Knill 2005).
In den Fallstudien wurden im Großen und Ganzen institutionelle
Pfadabhängigkeiten bei der Wohlfahrtsmarktgründung und -liberalisierung
festgestellt. Die bestehenden staatlichen und marktförmigen Institutionen
dienten als Vorbilder bei der Marktgründung, wodurch die Unterschiede
zwischen den Ländern und Politikfeldern bewahrt wurden. Vor allem die
dominanten Akteure hatten ein Interesse auf vertraute Regeln zurückzugreifen, damit sie ihre bisherige Macht im benachbarten Politikfeld oder
370
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Markt auf die neuen Wohlfahrtsmärkte übertragen konnten (zu den Unterschieden im Detail siehe unten).
Allerdings konnten auch Pfadabweichungen und Innovationen festgestellt werden. Im Rahmen der deutschen Riester-Rente und der USamerikanischen Betriebsrenten wurden Marktmechanismen eingeführt, die
sich stärker an existierenden – eher marginalen – individuellen Rentenmärkten orientierten als an den dominierenden staatlichen oder betrieblichen Rentenversicherungen. Vor allem bei der deutschen Riester-Rente
und den US-amerikanischen Rentenmärkten wurden somit liberale Wohlfahrtsregimeeigenschaften gestärkt, die im Widerspruch zur dominanten
typisch konservativen öffentlichen Rentenversicherung stehen.
Allerdings enthält die Riester-Rente einige Innovationen, aufgrund derer sie stärker dem sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime zugerechnet
werden kann (vgl. Universalisierung). Bei den schwedischen Privatschulen
konnte aber auch gezeigt werden, dass derartige »Fremdkörper« im Zeitverlauf verschwinden und langfristig die deutsche Riester-Rente wieder
mehr konservative Regulierungseigenschaften aufweisen könnte. Eine
derartige Angleichung der Marktregulierung bedarf aber machtvoller politischer Intervention, die bisher in Deutschland nicht festgestellt werden
konnte. Folglich können Innovationen wie die deutsche Riester-Rente das
konservative Wohlfahrtsregime langfristig liberalisieren. Bislang kann aber
auch keine umfassende Liberalisierung konstatiert werden, weil die staatliche Deutsche Rentenversicherung weiterhin die wichtigste Altersvorsorge
für den Großteil der Bevölkerung darstellt.
Im US-amerikanischen Rentenmarkt wurden ebenfalls liberale Regimeeigenschaften gestärkt im Gegensatz zur öffentlichen Rentenversicherung,
die zum Teil eher konservative Eigenschaften aufweist als originär liberale
Regimeeigenschaften (Bonoli 1997). Aber auch die neuen Rentenmärkte im
Rahmen von IRAs und 401(k)-Betriebsrenten fußten größtenteils auf marginalen Vorgängerinstitutionen (Keogh-Pläne, CODAs), die als Vorbilder
für die neuen Rentenmärkte dienten und zusehends die alten dominanten
Institutionen verdrängten. Gerade diese Fallstudie konnte zeigen, dass
Wohlfahrtsmärkte nicht unbedingt bestehende öffentliche Sozialsysteme
bedrohen und verdrängen, sondern dass auch eine erhebliche Konkurrenz
zwischen marktförmigen Sozialprogrammen besteht. In diesem Fall wurden die klassischen Betriebsrenten mit relativ wenigen Marktmechanismen
von dynamischeren Rentenmärkten mit erheblich mehr Wahlfreiheiten
verdrängt. »Echte« Innovationen ohne institutionelle Vorbilder waren eher
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
371
selten und lediglich bei der Regulierung der Wahlfreiheit zu beobachten,
wo schlicht institutionelle Vorbilder fehlten.
Erklärungen zur Entstehung
Dieser letzte Abschnitt des historischen Vergleichs geht der Frage nach, ob
Erklärungen für die Marktexpansion sowie die Kontinuität der Regulierungseigenschaften aufgezeigt werden können. Bei der Analyse der Marktexpansion wurde kein dominanter Faktor identifiziert, der notwendigerweise zu einer Marktgründung führt. Mithilfe des empirischen Materials
wurden lediglich Rahmenbedingungen identifiziert, die eine Marktgründung begünstigen:
1. Sozio-ökonomische Rahmenbedingungen. Bedingt durch die qualitativen Methoden, die geringe Fallzahl und den Fokus auf die Akteure und Institutionen sind Schlussfolgerungen über den Einfluss sozio-ökonomischer
Faktoren nur begrenzt möglich, dennoch sind einige Beobachtungen erwähnenswert. Eine angespannte öffentliche Haushaltslage scheint eine
Rentenmarktgründung zu begünstigen. Insbesondere in Schweden und
Deutschland erhöhten akute Steuerausfälle (u.a. aufgrund von Wirtschaftskrisen und hoher Arbeitslosigkeit) als auch prognostizierte Finanzierungsengpässe (u.a. aufgrund einer alternden Bevölkerung) den Reformdruck
(vgl. u.a. Fasshauer 2005; Kruse 2005). In diesem Kontext von erhöhter
Haushaltsdisziplin wurde die Einführung von Rentenmärkten als eine Option der Kostenreduzierung betrachtet. In Schweden erfolgte die eigentliche parlamentarische Verabschiedung der Rentenmarktgründung allerdings in einer Phase ökonomischer Prosperität, sodass ungünstige sozioökonomische Rahmenbedingungen keine notwendige Bedingung für die
Gründung von Rentenmärkten sind. Auch die US-amerikanischen Rentenmärkte sind nicht aufgrund von knappen öffentlichen Kassen und resultierenden Kürzungen entstanden, sondern weil eine Ausweitung der öffentlichen Rentenversicherung ausblieb. Bei der Einführung von
Bildungsmärkten zeigten ökonomische oder demografische Rahmenbedingungen überhaupt keinen erkennbaren Einfluss. Insgesamt konnten die
Fallstudien zumindest zeigen, dass politische Akteure ungünstige wirtschaftliche Rahmendaten nutzen, um die Zustimmung für Marktreformen
glaubhaft zu kommunizieren. Als Drohkulisse können negative sozioökonomische Szenarien in Reformverhandlungen und -diskursen von
372
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Akteuren, die Wohlfahrtsmärkte präferieren, überzeugend eingesetzt werden. Das Zusammenspiel verschiedener sozio-ökonomischer Rahmenbedingungen und ihre Interdependenzen mit Akteurskonstellationen, konnte
mit den verwendeten Daten und Methoden nicht abschließend eruiert
werden.
2. Politische Institutionen. Die politischen Institutionen bilden zwar den Rahmen, in dem die Entscheidungen für Wohlfahrtsmärkte getroffen werden,
aber auch sie können die Expansion und Einführungszeitpunkte nicht
erklären. Beispielsweise wurden Wohlfahrtsmärkte in parteiübergreifenden
Kompromissen eingeführt (z.B. in konsensuellen politischen Systemen).
Wohlfahrtsmärkte wurden zum Teil aber auch mit einfachen parlamentarischen Mehrheiten implementiert. Ein weiteres Beispiel für den entgegengesetzten Einfluss politischer Institutionen sind Verfassungsgerichte. In
Deutschland beförderte das Bundesverfassungsgericht die Bildungsmarktliberalisierung, wohingegen US-amerikanische Supreme Courts in verschiedenen Urteilen die Marktexpansion eher verhinderten. Förderale politische Zuständigkeiten verhindern eher eine national einheitliche Regelung
der Wohlfahrtsmärkte als die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte an sich.
Außerdem nutzen Reformgegner fakultative Referenden erfolgreich zur
Verhinderung von Wohlfahrtsmärkten, dies bedurfte jedoch zusätzlicher
politischer Mobilisierung (vgl. Kapitel 5.2.2 und 5.4.2).
3. Parteidifferenzen. Eine Gemeinsamkeit, die alle Gründungsphasen betraf,
ist die ideologische Auseinandersetzung um die Märkte. Parteien haben
sehr unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf Märkte (Gingrich 2011;
Klitgaard 2007b). Allerdings hatte ein einfaches Rechts-Links-Schema
wenig Erklärungskraft, weil einerseits linke Parteien Wohlfahrtsmärkte
eingeführt haben und andererseits christlich-konservative Parteien zum
Teil Marktmechanismen einschränkten.
Das linke Lager ist zum Ende des 20. Jahrhunderts offener gegenüber
Wohlfahrtsmärkten geworden, obwohl es grundsätzlich öffentliche Sozialprogramme präferiert. Anscheinend hatte sich die neoliberale Marktrhetorik so weit durchgesetzt, dass selbst sozialdemokratische und linke
Parteien Märkte als eine effiziente Form der Güterallokation akzeptieren
(vgl. Béland 2007a; 2007b). Christlich-konservative Parteien sind, wie die
Parteiendifferenztheorie nahelegt (Hibbs 1977; Schmidt 1996), eher skeptisch gegenüber Märkten, präferieren aber Arrangements mit Dritte Sektor
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
373
Anbietern wie konfessionellen Privatschulen, wenn Marktmechanismen
nur begrenzt zum Tragen kommen. Insgesamt deutet der empirische Befund darauf hin, dass nicht nur liberale und säkular-konservative Parteien
an Marktgründungen beteiligt waren, sondern auch Grüne, Sozialdemokraten und Christdemokraten.
Über die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte haben die Parteien sehr
unterschiedliche Vorstellungen. Diese unterschiedlichen Präferenzen bewahrten die Unterschiede zwischen den Politikfeldern und Ländern, die in
den folgenden Abschnitten diskutiert werden. Zusammen mit den institutionellen Pfadabhängigkeiten bewirkte die parteipolitische Machtverteilung
eine jeweils spezifische Einbettung der Wohlfahrtsmärkte in das bestehende institutionelle Arrangement. Die mehrdeutigen Befunde zur Erklärung der Einführung lassen kaum Generalisierungen zu. Vielmehr sind
weitere Forschungsarbeiten nötig, um die Hauptantriebskräfte für die
Marktgründungen zu identifizieren.
6.2
Vergleich der Politikfelder
Renten- und Bildungsmärkte repräsentieren, wie in Kapitel drei herausgestellt, sehr unterschiedliche Politikfelder, wodurch insgesamt eher Differenzen als Gemeinsamkeiten deutlich werden (vgl. Tabelle 27). Den untersuchten Politikfeldern (Renten und Bildung) ist vor allem die zeitgleiche
Ausweitung der Wohlfahrtsmärkte gemein. Obwohl es sich um unterschiedliche Politikfelder handelte, konzentrieren sich die Marktgründungen
und -liberalisierungen auf die 1990er Jahre. Allerdings unterscheiden sich
die Triebfedern für die Reformen: Bei den Gründungen der Bildungsmärkte stand vor allem die Ausweitung von Wahloptionen im Vordergrund, wohingegen die Rentenmärkte häufig eher im Kontext von Sparmaßnahmen entstanden. Die Bedeutendsten Differenzen der beiden
Politikfelder sind: die Finanzierungsverantwortung, parteipolitische Präferenzen und die dominanten Akteure.
1. Finanzierungsverantwortung. Zwischen beiden Politikfeldern fällt vor allem
die ungleiche öffentliche Finanzierungsverantwortung der Renten- und
Bildungsmärkte auf. Die Rentenmärkte werden überwiegend durch private
Beiträge finanziert, wohingegen Bildungsmärkte überwiegend mit öffent-
374
WOHLFAHRTSMÄRKTE
lichen Mitteln finanziert werden. Die öffentliche Finanzierungsverantwortung blieb, trotz des Wachstums von privaten Schulanbietern
und einer Ausweitung der Wahloptionen, im Bildungsbereich bestehen.
Obwohl die Rentenmärkte eine geringere öffentliche Finanzierungsquote
aufweisen als Bildungsmärkte, bestehen parallel zu den Rentenmärkten
weiterhin öffentliche Rentenversicherungen. Diese sind aber auch überwiegend beitragsfinanziert wie die privaten Rentenversicherungen (vgl.
Abbildung 4).
Während der Druck des demografischen Wandels und der knappen
öffentlichen Haushalte die Einführung von Rentenmärkten begünstigt,
entstanden Bildungsmärkte sogar im Rahmen von steigenden öffentlichen
Bildungsausgaben. Wohlfahrtsmärkte werden also nicht nur im Kontext
von Kosteneinsparungen und einem Rückzug des Staates gegründet, sondern auch steigende öffentliche Ausgaben können Teil der Wohlfahrtsmarktgründung sein.
Die unterschiedliche Finanzierungsverantwortung der Renten- und
Bildungsmärkte schlägt sich auch in verschiedenen Wohlfahrtsmarkttypen
nieder (vgl. Abbildung 1 und Tabelle 27): Die untersuchten Rentenmärkte
lassen sich am ehesten regulierten und obligatorischen Wohlfahrtsmärkten
zurechnen, wohingegen Voucher-, Konsumenten- und Ausschreibungsmärkte im Bildungsbereich zu finden sind, mit einer Dominanz von
Vouchermärkten.
Diese Unterschiede können nicht einfach als Politikerbe der Politikfelder abgetan werden. Offensichtlich besteht ein hoher länderübergreifender politischer Konsens, dass die allgemeine Schulbildung aus
Steuermitteln finanziert werden sollte und selbstfinanzierte Privatschulen
nur eine Ergänzung zu staatlichen Schulen darstellen. Wenn Bildungsmärkte und Privatschulen gefördert werden, ermöglichen nur Voucheroder Ausschreibungsmärkte, dass Schulgebühren wegfallen können.
Voucher- und Ausschreibungsmärkte ermöglichen gegenüber regulativen
Wohlfahrtsmärkten eine viel genauere Steuerung und sozialpolitische Intervention aufgrund der verbliebenen staatlichen Finanzierung. Die unterschiedlichen Markttypen geben somit auch einen Hinweis auf die politische
Regulierung der Wohlfahrtsmärkte und welche sozialpolitische Wertschätzung diesen Märkten zugeschrieben wird.
2. Parteipräferenzen. Hervorzuheben sind auch die Unterschiede der parteipolitischen Präferenzen in Bezug auf die Renten- und Bildungspolitik, die
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
375
vor allem in Mehrparteiensystemen zum Tragen kommen (vgl. Ismayr
2003a; Lipset/Rokkan 1967), wie sie beispielsweise nur unzureichend von
Gingrich (2011) berücksichtigt wurden. In Mehrparteiensystemen sind die
ideologischen Präferenzen innerhalb des rechten und linken Lagers gegenüber Wohlfahrtsmärkten gespalten und es gibt kein eindeutiges RechtsLinks-Schema.
Christlich-konservative Parteien präferieren nicht per se eine Privatisierung der Schulbildung wie säkular-konservative oder liberale Parteien.
Das Hauptanliegen christlich-konservativer Parteien ist, vor allem Konfessionsschulen zu fördern und diese möglichst unter öffentlicher Regie zu
betreiben (vgl. u.a. van Kersbergen/Manow 2009). Wenn christlich-konservative Parteien Privatschulen fördern, dann präferieren sie gemeinnützige
Schulen. Sie lehnen also einen Bildungsmarkt ab, der von Wettbewerb
unter profitorientierten Schulanbietern geprägt ist. Im Vergleich dazu
haben christlich-konservative Parteien in der Rentenpolitik auch eine Präferenz für eine gemeinnützige Rentenverwaltung im Rahmen der Sozialversicherungen. Säkular-konservative Parteien und liberale Parteien sind hingegen meist uneingeschränkt für eine Ausweitung der Wohlfahrtsmärkte.
Auch das linke Lager ist Wohlfahrtsmärkten gegenüber ambivalent. Die
sozialistische Linke248 ist tendenziell gegen jede Art von Wohlfahrtsmärkten wohingegen Sozialdemokraten und Grüne eher zu Kompromissen bereit sind. Bemerkenswert ist hier die Position der schwedischen
und deutschen Grünen. Sie sind zwar skeptisch gegenüber Märkten, präferieren aber alternative Bildungskonzepte. Gemeinnützige Privatschulen
sind deshalb eine Möglichkeit, ihr Ziel nach alternativen Schulprofilen zu
erreichen. In der Rentenpolitik scheinen Grüne Märkten weder besonders
abgeneigt noch vehemente Fürsprecher.
In Bezug auf die Politikfelder sind die bildungspolitischen Positionen
der Parteien pluraler als in der Rentenpolitik. Christdemokratische und
grüne Parteien präferieren zwar ein plurales Bildungssystem mit Privatschulen, sie sind aber skeptisch gegenüber Wettbewerb und profitorientierten Schulanbietern im Bildungssystem. Diese parteipolitische Spaltung ist in Bezug auf Rentenmärkte geringer ausgeprägt.
3. Akteure. Neben den unterschiedlichen Parteipräferenzen sind in den
Politikfeldern auch andere Interessengruppen maßgeblich beteiligt. Ge-
——————
248 Die Linke in Deutschland, Vänsterpartiet in Schweden.
376
WOHLFAHRTSMÄRKTE
werkschaften waren in beiden Politikfeldern wichtige Akteure, mit leicht
stärkerem Fokus auf die Rentenpolitik. Außerdem wurde deutlich, dass
Gewerkschaften auch Betriebsrenten als Alternative zu öffentlichen Rentenversicherungen unterstützen, um weitreichende Marktmechanismen im
Rahmen von individuellen Rentenversicherungen zu verhindern. Im Rentenmarkt war auch die Finanzbranche stark involviert, bestehend aus Versicherungen, Banken und Investmentfonds. Im Bildungsmarkt waren wiederum die christlichen Kirchen aktiver, allerdings nicht in allen Fallstudien
mit gleicher Intensität. Die deutschen und US-amerikanischen Verfassungsgerichte waren bei der Regulierung der Privatschulen sehr aktiv, indessen hatten sie im Rentenmarkt keinen Einfluss. Erstaunlicherweise
hatten die Privatschulverbände in den Fallstudien nur einen geringen Einfluss auf die Marktliberalisierungen und die Regulierung der Bildungsmärkte. Häufiger hatten die Privatschulen in Kirchen oder konservativen
Bürgerbewegungen einflussreiche Fürsprecher für ihre Anliegen, anstatt
selbst Lobbyarbeit zu leisten. Die Fallstudien konnten aber nicht darlegen,
warum im Rentenmarkt die Anbieter so viel aktiver auf die Marktregulierung Einfluss zu nehmen versuchten als die Anbieter im Bildungsmarkt.
Eine Vermutung wäre jedoch, dass Lehrer und Schulrektoren an Privatschulen ein anderes Berufsethos vertreten als Beschäftigte in der Finanzbranche. Pädagogische Handlungsmaximen mögen dazu führen, dass weniger offen Lobbyarbeit getätigt wird. Eine allzu offene Lobbytätigkeit
könnte auch dem öffentlich erwarteten pädagogischen Ethos widersprechen und wird deshalb eher vorsichtig betrieben, um dem öffentlichen
Idealbild zu entsprechen. Diese Vermutungen müssten jedoch in einer
tiefergehenden Untersuchung zur Lobbytätigkeit und politischen Einflussnahme von Privatschulen und deren Verbänden genauer untersucht werden.
6.3
Ländervergleich
Deutliche Unterschiede konnten auch zwischen den untersuchten Ländern
nachgewiesen werden, Gemeinsamkeiten wurden hingegen kaum identifiziert. Allen untersuchten Wohlfahrtsmärkten sind – zum Teil erhebliche –
öffentliche Zuschüsse gemein, die in verschiedenen Formen vorkommen.
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
377
Beiträge in private Rentenversicherungen sind überwiegend steuerfrei und
Privatschulen erhalten direkte oder indirekte Zuschüsse.
Trotz einer beobachteten öffentlichen Finanzierungsverantwortung für
Wohlfahrtsmärkte in allen Ländern variiert das Volumen der öffentlichen
Zuschüsse erheblich. Die Marktvolumina und Regulierungsunterschiede
spiegeln unterschiedliche sozialpolitische Traditionen wider und bezeugen
eine institutionelle Einbettung, da bestehende Institutionen als Vorbilder
für die Marktregulierung dienen und somit vorherige institutionelle Unterschiede fortgeführt werden.
Varianz des Marktvolumens
Wie erwartet für ein liberales Wohlfahrtsregime konnte in den USA ein
hohes Wohlfahrtsmarktvolumen nachgewiesen werden. Basierend auf den
drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus (Esping-Andersen 1987; 1990)
wäre jedoch davon auszugehen, dass Deutschland (als konservatives Wohlfahrtsregime) ein höheres Marktvolumen als Schweden (als sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime) aufweist. Das Gegenteil konnte in der empirischen Analyse aufgezeigt werden: Schweden verzeichnete die höchsten
Wachstumsraten der untersuchten Wohlfahrtsmärkte und zum Teil auch
das höchste Marktvolumen. Entgegen der theoretischen Erwartung haben
sozialdemokratische Wohlfahrtsregime wie Schweden also substanzielle
Marktmechanismen implementiert, was sich in einem entsprechend hohen
Marktvolumen manifestiert.
Die zunehmende Relevanz der Wohlfahrtsmärkte in Schweden geht auf
ein zentrales Regulierungsdetail zurück. Während die Teilnahme an den
Renten- und Bildungsmärkten in Deutschland freiwillig ist, erreichen die
schwedischen Wohlfahrtsmärkte eine hohe Inklusion der Bevölkerung
entweder durch Zwang (obligatorische private Rente) oder durch Abschaffung von Zugangshürden (keine Schulgebühren für Privatschulen). Derartige Regulierungsunterschiede der Wohlfahrtsmärkte führen vornehmlich
zur Varianz im Marktvolumen.
Regulierungsunterschiede
Wie schon im historischen Vergleich erläutert offenbaren die Regulierungsdimensionen, dass auf die neuen Wohlfahrtsmärkte Eigenschaften aus den
benachbarten Institutionen, das heißt existierende öffentliche Sozialpro-
378
WOHLFAHRTSMÄRKTE
gramme und verwandte Gütermärkte, übertragen wurden (Fligstein 1996;
2001). Die existierenden Institutionen dienten dabei als Vorbilder für die
neuen Marktinstitutionen, sodass die Wohlfahrtsmärkte in die bestehenden
Wohlfahrtsregime eingebettet wurden. Aufgrund dieser Einbettung zeigen
die Wohlfahrtsmärkte eine Kontinuität institutioneller Eigenschaften, trotz
des beobachteten Wandels zu marktförmigen Strukturen. Selbst Innovationen, wie gestiegene Wahlfreiheiten, werden in die bestehenden Wahloptionen eingebettet und aufeinander abgestimmt. So wird auf den Wohlfahrtsmärkten die nationale und politikfeldspezifische Sozialpolitik
fortgesetzt (vgl. Tabelle 27).
Die Hauptgründe für diese institutionelle Einbettung sind selbstverstärkende positive Rückkopplungseffekte der existierenden Institutionen.
Die dominanten Akteure, unter anderem Parteien, Unternehmen, Gewerkschaften und Interessenverbände, wollen ihre Vormachtstellung von den
bestehenden Institutionen auf die neuen Märkte überführen. Somit verstärken die involvierten Akteure die positiven Feedback-Effekte der bestehenden Institutionen und die Unterschiede zwischen den Ländern bleiben
bestehen.
Trotz neuer Wohlfahrtsmärkte bleiben die nationalen Wohlfahrtsregime bestehen, wenn auch eine moderate Modernisierung und Adaption
an neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen durch die Einführung von
Marktmechanismen stattfindet. Vor allem nationale Interessenkoalitionen
tragen zu der Bewahrung typischer Wohlfahrtsregimemerkmale bei. In
Schweden bewirkte der sozialdemokratische Konsens die Einführung universeller Wohlfahrtsmärkte nach dem Vorbild des bestehenden sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes. In Deutschland setzten hingegen die
dominanten Akteure (u.a. Kirchen, CDU) durch, dass die bestehenden
Statusunterschiede auf die Renten- und Bildungsmärkte übertragen wurden. Auch in den USA traten die säkular-konservativen und liberalen Kräfte für eine Reformagenda ein, die Elemente des liberalen US-amerikanischen Wohlfahrtsregimes auf die neuen Wohlfahrtsmärkte übertrugen.249
Gleichwohl kann aufgrund der grundsätzlichen institutionellen Kontinuität nicht geschlossen werden, dass die neuen Wohlfahrtsmärkte dieselben sozialen Wirkungen haben wie die alten Institutionen. Die neuen
——————
249 Nicht in allen Fällen entsprach die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte den idealtypischen
sozialdemokratischen, konservativen oder liberalen Wohlfahrtsregimen (nach EspingAndersen 1987; 1990), in allen Ländern konnte aber eine Übertragung von zentralen
institutionellen Merkmalen auf die Wohlfahrtsmärkte festgestellt werden.
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
379
Marktmechanismen verändern das Nutzerverhalten und führen zu neuen
sozialen Ungleichheiten (vgl. Kapitel 4: Wahlfreiheit). Beispielsweise bewirken freiwillige Versicherungen eine Unterversorgung der Nichtversicherten. Die gesamtgesellschaftliche Wirkung hängt aber auch davon ab,
ob die öffentlichen Sozialprogramme gekürzt wurden.
Insgesamt wurden also die bestehenden Unterschiede fortgeführt.
Maßgeblich für die Übertragung der Regulierungseigenschaften auf die
Wohlfahrtsmärkte waren die institutionellen Rückkopplungseffekte und die
dominanten Akteursstrukturen. Folglich zeigt sich keine institutionelle
Konvergenz der Wohlfahrtsmärkte und die Unterschiede der Wohlfahrtsregime bleiben auch in marktförmigen Sozialprogrammen erhalten. Die
Wohlfahrtsmärkte sind somit eine Fortsetzung der nationalen Sozialpolitik
im neuen Gewand.
6.4
Diskussion der Grundannahmen und Fazit
Der Vergleich zwischen Gründungsphasen, Politikfeldern und Ländern
zeigte über die Fallstudien hinaus Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf,
die einige Generalisierungen ermöglichen. Anhand der in der Einleitung
postulierten Grundannahmen werden diese Generalisierungen verdeutlicht:
Erstens zeigte sich im historischen Vergleich, dass eine Marktexpansion
nicht nur in den untersuchten Fallstudien, sondern insgesamt auch in der
OECD-Welt stattgefunden hat. Die Analyse der Gründungsphasen legt
auch nahe, dass die Hauptexpansionsphase der Wohlfahrtsmärkte in den
1990er Jahren einsetzte. Genau dieser Zusammenhang wurde in Grundannahme 1 formuliert, sodass die Marktexpansion über die Fallstudien hinaus
als genereller Trend in der OECD-Welt nachzuweisen ist.
Zweitens wurde in Grundannahme 2 postuliert, dass Unterschiede im
Marktvolumen trotz des simultanen Wachstums bestehen bleiben. Auch
diese Vermutung wurde bestätigt, denn sowohl im Vergleich der Politikfelder als auch zwischen den untersuchten Ländern wurden beträchtliche
Niveauunterschiede des Marktvolumens festgestellt. Es fand also ein synchroner Entwicklungstrend zu Wohlfahrtsmärkten und marktförmigen
Sozialprogrammen seit den 1990er Jahren statt, ohne aber in einer Angleichung der Marktvolumina zu münden.
380
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Drittens hat sich auch Grundannahme 3 im Wesentlichen bestätigt:
Wohlfahrtsmärkte werden in das jeweilige Wohlfahrtsregime eingebettet.
Die bestehenden benachbarten Institutionen dienen jeweils als Vorbilder
bei der Ausformulierung der Marktregulierung. Vor allem die dominanten
Akteure verstärken diesen Einbettungsprozess, weil sie ihnen vorteilhafte
existierende Regelungen auf die neuen Wohlfahrtsmärkte übertragen wollen (Fligstein 1996; 2001). Allerdings wurden auch regulative Innovationen
beobachtet, diese sind jedoch inkrementeller Natur und erfolgten überwiegend als eine Adaption an die marktförmigen Strukturen (vgl. u.a. GreenPedersen/Lindbom 2006; Hannan/Freeman 1977). Diese Innovationen
wurden insbesondere von neuen und bisher marginalisierten Akteuren in
der Marktgründungsphase angeregt.
Konvergente Marktexpansion?
Wenn nun die Evidenzen aus den verschiedenen Vergleichsebenen zusammen betrachtet werden, stellt sich die Frage, ob die Unterschiede zwischen den Ländern im Zeitverlauf insgesamt abgenommen oder zugenommen haben. Anders ausgedrückt: Sind konvergente Entwicklungen zu
Wohlfahrtsmärkten festzustellen? Vier Arten von Konvergenzen sind in
diesem Fragenkomplex zu berücksichtigen (Heichel u.a. 2005; Holzinger
u.a. 2007b): Erstens Sigma-Konvergenz als Reduzierung der Varianz zwischen Ländern über die Zeit. Zweitens beschreibt Beta-Konvergenz das
Aufholen von Nachzüglerländern, was jedoch nicht zwingend zu einer
Reduzierung der Varianz führen muss. Drittens bezieht sich GammaKonvergenz auf eine Veränderung der Rangfolge von Ländern in einem
bestimmten Indikator, was implizit auch das Aufholen von Nachzüglerländern im Zeitverlauf beinhaltet (Holzinger u.a. 2007b: 20). Schließlich
bedeutet, viertens, Delta-Konvergenz die simultane Annäherung an einen
Idealtyp, ohne aber die Länderunterschiede zu reduzieren. Die empirischen
Vergleiche kommen hier zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen im Zeitverlauf, je nachdem ob das Marktvolumen oder die Marktregulierung analysiert werden.
Wie schon in Grundannahme 1 erwähnt ist eine allgemeine Expansion
des Marktvolumens sowohl in der OECD-Welt als auch in den untersuchten Fallstudien festzustellen. Gleichzeitig blieben aber auch erhebliche
Unterschiede im Marktvolumen zwischen den Ländern bestehen (Grundannahme 2), was für eine Delta-Konvergenz spräche – eine allgemeine Ent-
WACHSTUM, VARIANZ UND EINBETTUNG IM VERGLEICH
381
wicklung zu Wohlfahrtsmärkten. Beispielsweise sind die Beiträge und Rentenrücklagen in private Rentenfonds in fast allen Ländern gestiegen. Das
Wachstum war aber besonders stark in den Ländern, die schon hohe Rentenrücklagen gebildet hatten, was insgesamt die Varianz erhöhte. Sigmaund Beta-Konvergenz konnten eher bei den Privatschulen beobachtet
werden. Deutschland und Schweden holten im Vergleich zu den USA auf,
wodurch sich auch insgesamt die Varianz verringerte. Letztlich konnten im
Drei-Länder-Vergleich auch Hinweise für Gamma-Konvergenz gefunden
werden: Einige schwedische Indikatoren (Privatschüler, Versicherte der
Prämienrente) überflügelten die US-amerikanischen Werte (GammaKonvergenz), sodass ebenfalls erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern bestehen blieben (keine Sigma-Konvergenz). Je nach Politikfeld sind
also unterschiedliche Konvergenzen des Marktvolumens festzustellen,
wobei Aufholeffekte und gleichgerichtete Entwicklungstrends offenbar
dominieren (Beta- und Delta-Konvergenz). Tiefergehende Untersuchungen mit mehr Ländern sind in diesem Bereich zwingend nötig, um
die verschiedenen Annäherungen und Differenzen aufzeigen zu können.
Bei der Marktregulierung kann ebenfalls ein gleichgerichteter Reformtrend zu mehr Marktmechanismen, vor allem zu mehr Wahloptionen, seit
1990 festgestellt werden. Eine Ausnahme stellt der deutsche Privatschulmarkt dar: Seit Ende der 80er Jahre wurde der Bildungsmarkt nicht reformiert und der gestiegenen Nachfrage nach Privatschulplätzen angepasst.
Insgesamt wurden aber in allen untersuchten Ländern und Politikfeldern
weitreichende Marktreformen durchgeführt. Wie in Grundannahme 3 ausgeführt, wurden die neuen Wohlfahrtsmärkte überwiegend in das existierende
Wohlfahrtsregime eingebettet, wodurch substantielle qualitative Regulierungsunterschiede bestehen blieben. Bei den deutschen und USamerikanischen Rentenformen wurden zwar liberale Regulierungseigenschaften gestärkt, dennoch kann kein einheitlicher Trend zum liberalen
Marktmodell ausgemacht werden. Insgesamt spricht das für eine DeltaKonvergenz.
Im Rahmen des qualitativen Untersuchungsdesigns sind derartige
Trendbeschreibungen aber nur von begrenzter Aussagekraft. Im Falle der
Riester-Rente wurde beispielsweise die Selbstverwaltung geschwächt ohne
sie gänzlich abzuschaffen. Wann kann man also von einem gänzlich liberalen Wohlfahrtsmarkt sprechen? In der Fallstudie habe ich aufgezeigt, dass
bisher noch viele konservative Regimeeigenschaften Bestand haben, weitere Forschungsarbeiten müssten aber genauer herausarbeiten, wann die
382
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Schwelle zu einem anderen Wohlfahrtsregime überschritten ist (vgl.
threshold effects, Pierson 2003). Denkbare Indikatoren wären zum Beispiel
Änderungen in mindestens drei Regulierungsdimensionen. Zum Teil können einige Regulierungsdimensionen auch quantifiziert werden beziehungsweise in kategorialen Variablen codiert werden. Mit einer derartigen
Datengrundlage und mehreren Fällen im Zeitverlauf könnten bisher nur
qualitativ erhobene Regulierungsunterschiede stringenter auf konvergente
Entwicklungen hin untersucht werden.
In der Zusammenschau der Evidenzen wurden die Grunderwartungen
bestätigt, allerdings bedürfen die Erklärungen für die Marktexpansion und
die institutionelle Einbettung weitergehender Studien, um die Ergebnisse
in weiteren vergleichenden Länderstudien zu bestätigen. Die Analyse hat
gezeigt, wie institutionelle Merkmale und dominante Akteure die Wohlfahrtsmarktgründung und -liberalisierung in Deutschland, Schweden und
den USA maßgeblich beeinflusst haben (vgl. Mahoney/Thelen 2010b).
Dennoch können auch andere Einflussfaktoren wie sozio-ökonomische
Rahmenbedingungen oder politische Institutionen die Reformrichtung
sowie die regulativen Entwicklungspfade beeinflussen und verändern.
Trotz der Evidenzen für den maßgeblichen Einfluss von Institutionen und
Akteuren ist es Aufgabe weitergehender Forschung, das Zusammenspiel
dieser einzelnen Faktoren genauer zu untersuchen.
7 Konklusion und Ausblick
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht der Vergleich von Wohlfahrtsmärkten.
Die zentralen Erkenntnisse dieses Vergleichs wurden bereits im vorhergehenden Kapitel zusammengeführt, sodass der Zweck dieses Abschlusskapitels nun vornehmlich darin besteht, die Reichweite der theoretischen
und empirischen Ergebnisse über die untersuchten Fälle hinaus zu diskutieren und einen Ausblick auf weitere Forschungsdesiderate zu skizzieren.
Im Folgenden werden die drei zentralen Aspekte dieser Arbeit – Konzeptualisierung, Marktexpansion und Einbettung – auf ihre Reichweite hin
diskutiert und weitere Forschungslücken identifiziert.
7.1
Wohlfahrtsmarkt als flexibles Konzept
Das verwendete Konzept von Wohlfahrtsmärkten ist universell und reicht
über Renten- und Bildungsmärkte hinaus (Kapitel 2). Wohlfahrtsmärkte
wurden als politische Institutionen konzeptualisiert, in denen soziale Güter
mithilfe von Marktmechanismen produziert, verteilt und bereitgestellt werden.
Die bisherigen theoretischen Konzepte stellten sich entweder als sehr
eng definiert heraus (Nullmeier 2001) oder gingen über den Rahmen der
Sozialpolitik hinaus (Taylor-Gooby 1999). In der empirischen Forschung
werden Begriffe wie Vermarktlichung, Privatisierung und Ökonomisierung zum
Teil synonym verwendet und es ist selten eindeutig, was mit den Begriffen
Vermarktlichung, Wohlfahrtsmarkt und Marktmechanismus gemeint sei.
Der konzeptionelle Beitrag dieser Arbeit ist es, diese widerstreitenden
Definitionen von Wohlfahrtsmärkten auf ein breiteres konzeptionelles
Fundament zu stellen. Mit der hier präsentierten Definition liegt ein Konzept vor, das methodisch und theoretisch flexibel an verschiedene empi-
384
WOHLFAHRTSMÄRKTE
rische Forschungsprojekte angepasst werden kann. Die konzeptionelle
Reichweite ist theoretisch so angelegt, dass alle marktförmigen Sozialprogramme unter den Begriff Wohlfahrtsmarkt fallen. Naturgemäß franst eine
weite Wohlfahrtsmarktdefinition an den Rändern aus, bietet dafür aber
auch Anschluss an interdisziplinäre sozialpolitische Felder wie sozialer
Wohnungsbau oder Energiepolitik, ohne jedoch den sozialpolitischen
Kern zu verlassen. Wie auch in dieser Arbeit muss die weite universelle
Definition auf den konkreten Untersuchungsgegenstand heruntergebrochen werden, in diesem Fall waren es Renten- und Bildungsmärkte
mit dem Schwerpunkt auf individuelle Rentenversicherungen und Privatschulen. Gerade diese hohe Reichweite des hier verwendeten Wohlfahrtsmarktkonzepts soll weitere Studien auf ein vergleichbares Fundament stellen, sodass sie einander ergänzen und kumulativ zum Verständnis von
Wohlfahrtsmärkten beitragen.
Ebenso wurden die Marktmechanismen, die im Rahmen von Sozialpolitik zum Tragen kommen, anhand von drei Dimensionen (Finanzierung, Produktion, Wahlfreiheit) präzisiert. Damit können Unterschiede
und Gemeinsamkeiten von Wohlfahrtsmärkten genauer herausgearbeitet
werden und von benachbarten Begriffen wie Privatisierung und Ökonomisierung abgegrenzt werden.
Letztlich hat das präsentierte Wohlfahrtsmarktkonzept auch einen politischen Aspekt, der in der theoretischen Literatur bisher nicht ausreichend
Beachtung fand. Wohlfahrtsmärkte sind laut der hier verwendeten Definition keine anonymen Marktstrukturen oder soziale Arenen des Tausches,
sondern die politische Institutionalisierung von Marktmacht. Somit kommt
der politischen Dimension eine zentrale Schlüsselfunktion zu. Dieser Fokus auf die politische Dimension auf Märkte ist nicht völlig unbekannt
(Briggs 1961; Esping-Andersen 1985), jedoch wurden in diesen Diskussionen staatliche Interventionen im Rahmen der Sozialpolitik stets als
Interventionen gegen Märkte betrachtet. Das zentrale Element der hier
präsentierten Konzeption von Wohlfahrtsmärkten ist, dass Wohlfahrtsmärkte an sich politisch geformte Institution sind, über deren Ausgestaltung und Regulierung in der politischen Arena gestritten wird.
Diese Konzeptualisierung als politische Arena geht somit über den
akademischen Diskurs hinaus und unterstreicht die Relevanz für Politik
und Praxis, Märkte als sozialgeformte Institutionen zu begreifen. Die
Offenlegung und Thematisierung von Interessenkonflikten um die Marktregulierung zeigt, dass – trotz aller Privatisierung und Auslagerung der
KONKLUSION UND AUSBLICK
385
Sozialprogramme aus dem öffentlichen Raum – weiterhin ein ausgeprägtes
öffentliches Interesse an Wohlfahrtsmärkten besteht und politische Akteure Einfluss auf die Markregulierung nehmen können und auch sollten. Vor
allem das Beispiel der schwedischen Sozialdemokraten zeigt, dass sie die
Märkte zwar nicht verhindern, aber die Marktmechanismen nach ihren
Präferenzen erheblich beeinflussen konnten. Neben parteipolitischen Akteuren und Unternehmen können sich insbesondere zivilgesellschaftliche
Akteure angespornt fühlen, politisch Einfluss auf die Marktregulierung zu
nehmen. Einerseits scheinen Dritte-Sektor-Anbieter nach einer Ausweitung der Marktmechanismen häufig Marktanteile zu verlieren (u.a.
Privatschulen in Schweden). Andererseits konnten christliche Bewegungen
und Kirchen die Privatschulmärkte in den USA und Deutschland entscheidend prägen. Wohlfahrtsmärkte sind ein umkämpftes politisches Feld und
bedürfen intensiver demokratischer Auseinandersetzung, ob sie ein geeigneter Steuerungsmechanismus für die Bereitstellung und Verteilung sozialer Güter sind und wie die Marktregulierung ausgestaltet werden solle, um
die angestrebten sozialpolitischen und gesellschaftlichen Ziele zu erreichen.
7.2
Wohlfahrtsmarktexpansion trotz Vertrauenskrise
Die Evidenzen für die Marktexpansion beschränken sich nicht nur auf die
im Detail untersuchten Länder Deutschland, Schweden und die USA. Im
internationalen Vergleich von Kapitel 4 wurden Hinweise für eine generelle
Marktexpansion in der OECD-Welt gefunden. Zudem sind Anzeichen für
eine Ausweitung der Marktmechanismen in mehreren Politikfeldern zu
entdecken (vgl. Béland/Gran 2008b; Gingrich 2011; Seeleib-Kaiser 2008b).
Ungeachtet der umfassenden Dokumentation der Marktexpansion bleibt
die Forschungsfrage offen, welche sozialen und politischen Faktoren die
beobachtete Marktexpansion ausgelöst haben. Die Fallstudien deuten eher
auf mehrere Ursachen hin, die eine Expansion von Marktmechanismen
begünstigen. Die Fallstudien haben beispielsweise gezeigt, wie sowohl
rechte als auch linke Parteien Wohlfahrtsmärkte einführten. Weitergehende
Studien sind hier zwingend nötig, um vor allem die Interaktion verschiedener Einflussfaktoren genauer zu untersuchen.
Insbesondere angesichts der weltweiten Finanzkrise von 2008 blieb unbeantwortet, ob in Zukunft eine weitere Expansion der Marktmecha-
386
WOHLFAHRTSMÄRKTE
nismen in der Sozialpolitik zu erwarten ist (vgl. Castles 2010 zum Einfluss
von Krisen auf sozialpolitische Entwicklungen). In der Krisenpolitik unmittelbar nach dem Börsencrash Ende 2008 erwiesen sich die Wohlfahrtsstaaten als äußerst interventionistisch und es wurden kurzfristige Sozialprogramme aufgelegt, um die Effekte der Krise abzumildern (Clegg 2010;
Frisina Doetter/Götze 2011). In den Medien wurde bereits von einer Renaissance des Wohlfahrtsstaates gesprochen, allerdings wurden nach der
unmittelbaren Krisenbewältigung vielerorts erhebliche Kürzungen der
Sozialprogramme durchgeführt (Farnsworth/Irving 2011; Taylor-Gooby
2011), weshalb auf lange Sicht keine Expansion der Wohlfahrtsstaaten zu
erwarten ist. Ist aber ein weiteres Wachstum des Marktvolumens und sind
weitere Wohlfahrtsmarktgründungen trotz des Vertrauensverlustes in
(Finanz-) Märkte zu erwarten?
Weitere Rentenmarktgründungen sind unmittelbar nach der Finanzmarktkrise bisher nicht zu beobachten, eher Verstaatlichungen von vormals privatisierten Rentenversicherungen wie im Fall von Ungarn und
Argentinien (Orenstein 2011). Trotz Finanzmarktkrise sind die untersuchten Rentenmärkte weiter gewachsen. Dies lässt sich beispielsweise
anhand des Anstiegs der Versichertenanzahlen zeigen (vgl. Kapitel 4.2).
Auch ein Großteil der Rentenrücklagen scheint sich wieder erholt zu haben
(OECD 2011).250 Relativ neue Rentenmärkte, wie zum Beispiel in
Deutschland und Schweden, verzeichnen also weiterhin ein Wachstum des
Marktvolumens, vermutlich bis sie institutionell ausgereift sind. Weitere
Marktgründungen und -liberalisierungen sind derzeit nicht zu erkennen
oder deren Planung wurde aufgeschoben (vgl. Orenstein 2011).
Ganz anders im Bildungsmarkt. Der in Schweden eingeführte Bildungsmarkt weist kontinuierlich hohe Wachstumsraten auf und auch in Deutschland ist der Trend zu Privatschulen ungebrochen. In den USA setzen sich
weiterhin konservative Denkfabriken und Organisationen für eine Ausweitung von Bildungsgutscheinen und Charter Schools ein. In Deutschland
formiert sich eine Bewegung aus linken und bürgerlichen Strömungen für
mehr Wahlfreiheit im Bildungssystem (Köppe 2012).
Die globale Finanzmarktkrise hat also die Skepsis gegenüber Märkten
erhöht (vgl. Eurobarometer 2011), aber Wohlfahrtsmärkte nicht per se in
Misskredit gebracht. Rentenmärkte waren aufgrund der börsennotierten
Rentenfonds direkt von der Finanzmarktkrise betroffen (vgl. sekundäre
——————
250 Für eine kritischere Evaluation der Effekte der Finanzmarktkrise auf kapitalgedeckte
Rentenversicherungen siehe Ebbinghaus/Wiß (2011).
KONKLUSION UND AUSBLICK
387
Rentenmärkte bei Berner 2009). Dieser direkte Effekt verhinderte weitere
Marktliberalisierungen, als die Krisenanfälligkeit kapitalgedeckter Rentensysteme offensichtlich wurde. Die bestehenden Rentenmärkte sind aber
weiter gewachsen. Da Bildungsmärkte in keiner direkten Verbindung zu
den Finanzmärkten stehen, wurde ihre Popularität nicht von der Krise auf
den Finanzmärkten beeinflusst. Die Märkte des Bildungssektors werden im
politischen Diskurs ohnehin unter dem Deckmantel der »Wahlfreiheit«
versteckt. Selten wird offen von einem Bildungsmarkt gesprochen, die
Rede ist meist von mehr Wahloptionen für die Schüler und Eltern (vgl.
Kapitel 5).
Es ist aber weiterhin schwierig, die aktuelle Marktdynamik nach der
globalen Finanzmarktkrise valide und reliabel zu eruieren. Obwohl die
empirischen Belege für eine Marktexpansion und die Unterschiede der
Vermarktlichung zahlreicher werden, fehlen weiterhin systematische Erhebungen und Vergleiche der Marktvolumina. So offenbarte die detaillierte
Untersuchung des Wohlfahrtsmarktvolumens in den Dimensionen Finanzierung, Produktion und Wahlfreiheit, dass weiterhin großer Forschungsbedarf im systematischen Länder- und Politikfeldvergleich besteht. Mithilfe
von nationalen Datenbanken konnten in dieser Arbeit zwar einige Indikatoren verglichen werden, doch die unterschiedlichen Erhebungsmethoden
stellen ein Problem für den systematischen Vergleich dar und verringern
somit die Validität und Reliabilität der Schlussfolgerungen. Beispielsweise
fehlten reliable Daten über die erhobenen Schulgebühren von Privatschulen, sodass nur begrenzt vergleichende Aussagen über die tatsächlich
geleisteten Beiträge von Familien getroffen werden können. Die Produktionsdimension war in den untersuchten Fällen meist gut dokumentiert.
Tendenziell scheinen in jüngster Zeit mehr Indikatoren für das Marktvolumen erhoben zu werden oder der Zugang zu administrativen Daten
für Forschungszwecke wird erleichtert. Allerdings sind auch gegenteilige
Entwicklungen der Datenverfügbarkeit festzustellen251 und vor allem die
internationale Vergleichbarkeit der nationalen Erhebungen muss verbessert
werden, um stichhaltige Schlussfolgerungen aus dem Datenmaterial ziehen
zu können.
Das größte Informationsdefizit besteht im Bereich der Wahlfreiheit,
weil zentrale Erhebungen der Wahloptionen und des Nutzerverhaltens
——————
251 In Großbritannien wurden private Versicherungsprodukte mit sozialpolitischem Bezug
(Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Rente) seit 1994 jährlich repräsentativ erhoben (FRS
1979–2008). Allerdings wurde die Erhebung der Items 2004 eingestellt.
388
WOHLFAHRTSMÄRKTE
schlichtweg fehlen. Keine einzige internationale Datenbank enthält Informationen über die zur Verfügung stehenden Wahloptionen oder darüber
wie die Nutzer ihre Wahlentscheidungen treffen. Beispielsweise fehlen
Informationen wie häufig Schul- oder Versicherungswechsel stattfinden.
Folglich müssen mehr internationale Datenbanken aufgebaut werden, um
auch das tatsächliche Nutzerverhalten auf Wohlfahrtsmärkten untersuchen
zu können. Erst wenn auch dieser Aspekt der Marktmechanismen erfasst
wird, können zuverlässige Aussagen über die sozialpolitischen Wirkungen
von Wohlfahrtsmärkten und insbesondere Wahlfreiheit getroffen werden.
Die Antwort auf die Frage, ob Wohlfahrtsmärkte auch nach der globalen Finanzmarktkrise weiter expandieren, ist also auch eine Frage der verfügbaren Daten. Basierend auf den ersten Analysen nach der Finanzmarktkrise deutet vieles auf ein temporäres Innehalten weiterer Reformschritte
hin. Allerdings zeigen jüngst eingeführte Wohlfahrtsmärkte, wie die deutsche Riester-Rente oder die schwedische Prämienrente, weiteres Wachstum
des Marktvolumens auf, unabhängig von den Entwicklungen auf den
Finanzmärkten.
7.3
Einbettung und Innovation
Das zentrale Ergebnis dieser Studie ist die Betonung der institutionellen
Einbettung der Wohlfahrtsmärkte in das existierende sozialpolitische
Arrangement. Dieses Argument ist in der Literatur jedoch umstritten: Einerseits unterstützen unter anderem marktsoziologische Studien, die allgemeine Gütermärkte untersuchten, dieses Argument (Fligstein 2001) und
auch in der skandinavischen sozialpolitischen Diskussion wird dieses Argument vertreten (Green-Pedersen/Lindbom 2006; Kvist/Greve 2011).
Weitere Studien haben zwar auch den Einfluss von Institutionen und Akteuren bei der Marktgründung betont (Gingrich 2011), doch – entgegen
dem hier vertretenen Argument – den Einfluss der politischen Akteure auf
die Marktregulierung höher eingeschätzt als den der existierenden Institutionen. In der deutschen sozialpolitischen Debatte wurde hingegen der
Pfadbruch mit dem vorherigen institutionellen Arrangement betont (u.a.
Hinrichs/Kangas 2003). Auch in dieser Untersuchung wurden einige Indizien für institutionelle Innovationen und Regimewandel gefunden, in der
Gesamtschau waren die Änderungen jedoch geringer als die Übernahme
KONKLUSION UND AUSBLICK
389
von Regulierungseigenschaften benachbarter Vorgängerinstitutionen. Diese widerstreitenden Forschungsergebnisse unterstreichen, dass diese Arbeit
nur eine begrenzte Perspektive auf Wohlfahrtsmärkte und deren institutionelle Einbettung bieten kann. Weitere vergleichende Studien sind notwendig, um die komplexen institutionellen Strukturen und Akteurskonstellationen bei der Gründung, der Regulierung und den Wirkungen von Wohlfahrtsmärkten zu verstehen.
Die in dieser Studie diskutierten theoretischen Überlegungen und dargelegten empirischen Ergebnisse sind Grundlage für weitere kumulative
Arbeiten zum Themenkomplex Wohlfahrtsmarkt. Zwei konkrete Aspekte
wurden bisher nicht berücksichtigt und bedürfen meines Erachtens weiterer Forschung:
(1) Weitere qualitative Fallstudien können zwar detaillierte Einblicke in
die institutionellen und politischen Mechanismen der Einbettung liefern,
allerdings bleibt der Vergleich der institutionellen Merkmale naturgemäß
auf wenige Fälle beschränkt. Aus der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung sind jedoch umfangreiche Datenbanken bekannt, die die
sozialen Rechte und institutionellen Merkmale der öffentlichen Sozialprogramme erfassen (EC 2009; Scruggs 2004; SOFI 2008). Wie in der Einleitung erwähnt bestehen vergleichbare Zusammenstellungen für private
Rentenversicherungen (OECD 2009b), doch sind die Daten bisher noch in
keinem Format aufbereitet, dass eine multivariate Auswertung erlauben
würde. Mittlerweile gibt es erste Erhebungen der betrieblichen Altersvorsorge und Weiterbildung (Trampusch u.a. 2009). Eine systematische Erhebung der Wohlfahrtsmarktregulierung wäre eine konsequente Weiterentwicklung des hier vorgezeichneten Weges, nämlich anhand von wenigen
Regulierungsdimensionen die Eigenschaften der Wohlfahrtsmärkte zu
beschreiben, zu vergleichen und zu erklären.
(2) Weit mehr Studien als bisher sollten administrative Daten von
Wohlfahrtsmärkten analysieren. Private Anbieter von Produkten und
Dienstleistungen produzieren eine Unmenge an administrativen Daten
über Wohlfahrtsmärkte, die – entsprechende Anonymisierung vorausgesetzt – für sozialwissenschaftliche Analysen zur Verfügung gestellt werden
könnten. Beispielsweise könnten typische Vertragseigenschaften in einer
Datenbank zusammengefasst werden oder das Nutzerverhalten anhand
von Kundendaten ausgewertet werden. Einige Marktanbieter haben bereits
ihre Datenbanken ausgewählten Forschern zur Verfügung gestellt (u.a.
Burger/Clark 2011; Thaler/Benartzi 2004). Durch eine verstärkte staatliche
390
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Regulierung könnten zum Beispiel weitreichendere Informationspflichten
der privaten Anbieter eingefordert werden. Derartige Offenlegungspflichten sind nicht nur aus sozialwissenschaftlicher Sicht interessant, sondern auch aus verbraucherpolitischer Perspektive höchst relevant. Verbraucher könnten sich bei entsprechender Aufbereitung der Daten einen
besseren Marktüberblick verschaffen, sodass die Offenlegung von Vertragsinhalten auch zur Markttransparenz beitragen würde.
Trotz aller Einschränkungen und offenen Fragen ist das Hauptargument
dieser Arbeit, dass Wohlfahrtsmärkte in den letzten zwei Dekaden expandierten und institutionell in das bestehende Wohlfahrtsregime eingebettet
wurden. Die dominanten Akteure streben während der Marktschaffung
und -liberalisierung eine Erhaltung der existierenden Regulierungseigenschaften an. Die existierenden Eigenschaften der Wohlfahrtsinstitutionen
sind auch im Kontext von Wohlfahrtsmärkten äußerst resistent und können nur inkrementell von Akteuren verändert werden. Folglich weisen die
neuen Wohlfahrtsmärkte eine hohe institutionelle Einbettung auf. Gleichwohl kann nicht geschlossen werden, dass die marktförmigen Institutionen
die gleichen sozialpolitischen Effekte haben wie die alten Institutionen.
Aufgrund des politikwissenschaftlichen Fokus blieben die sozialen Wirkungen und Effekte der neuen Marktstrukturen unberücksichtigt und viele
Fragen unbeantwortet. Welche gesellschaftlichen Gruppen profitieren von
Wohlfahrtsmärkten und welche sind davon negativ betroffen? Welche
Umverteilungswirkungen haben verschiedene Marktstrukturen und inwiefern werden Ungleichheiten vom Nutzerverhalten beeinflusst? Die sozialpolitischen Wirkungen der neuen Wohlfahrtsmärkte bedürfen also weitergehender Analysen, der hier vorgelegte Vergleich leistet dazu einen Beitrag,
um die langfristigen sozialen und ökonomischen Wirkungen der länderspezifischen Wohlfahrtsmarktregulierung zu untersuchen.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wohlfahrtsmarktansätze ................................................................... 29 Tabelle 2: Zeitpunkte der Wohlfahrtsmarktgründung und zentrale
Reformen ......................................................................................................... 65 Tabelle 3: Sozialpolitische Bedeutung der sekundären Indikatoren in
Abhängigkeit von Bezugsgröße und Dimension des Marktvolumens
(Finanzierung und Produktion) ................................................................... 98 Tabelle 4: Anteil privater Rentenrücklagen am BIP (2001, 2007)
und Anteil individueller und betrieblicher Renten (2007) .....................114 Tabelle 5: Gesetzliche Beitragssätze zur öffentlichen und privaten
Altersvorsorge in Prozent des Bruttolohns, 1990–2008 .......................119 Tabelle 6: Tatsächliche Beiträge zur privaten Vorsorge, 1975–2007
(ausgewählte Jahre) ......................................................................................123 Tabelle 7: Überblick Wahloptionen ................................................................137 Tabelle 8: Öffentliche Ausgaben pro Schüler nach Schulart 1995–2005,
Deutschland ..................................................................................................158 Tabelle 9: Prozentuale Verteilung der familiären Ausgaben für
Bildungsdienstleistungen pro Jahr (2009) ................................................159 Tabelle 10: Eckdaten zu den schwedischen privaten Grundschulen
vor der Vermarktlichung (Schuljahr 1990/91 und 1991/92) ...............160 Tabelle 11: Schulgeld für private Grund- und Sekundarschulen
in Relation zum Familieneinkommen und den öffentlichen
Pro-Kopf-Ausgaben in US-Dollar (1987–2003), USA ..........................162 Tabelle 12: Charter und Magnet Schools (Anteil in Prozent aller Schulen),
1999–2007 .....................................................................................................172 Tabelle 13: Anteil der EMOs an Charter Schools, 1999–2007...................173 Tabelle 14: Entwicklung des Milwaukee Parental Choice Program
(MPCP) ..........................................................................................................176 Tabelle 15: Entwicklung des Cleveland Scholarship and Tutoring
Program (CSTP) ...........................................................................................177 Tabelle 16: Zusammenfassung des Wandels .................................................189 Tabelle 17: DEUTSCHLAND RENTE – Regulierung der deutschen
Riester-Rente im Vergleich zur Gesetzlichen Rentenversicherung
Anfang der 1990er Jahre .............................................................................205 392
WOHLFAHRTSMÄRKTE
Tabelle 18: DEUTSCHLAND BILDUNG – Regulierung der
deutschen Privatschulen im Vergleich zum öffentlichen
Schulsystem Anfang der 1990er Jahre ......................................................231 Tabelle 19: SCHWEDEN RENTE – Prämienrente....................................256 Tabelle 20: Interviewte Abgeordnete und Mitgliedschaft in
Rentenkommissionen (1991–2006)...........................................................270 Tabelle 21: SCHWEDEN BILDUNG – Die Regulierung der
öffentlichen Schulen Ende der 1980er Jahre und der
Privatschulen 2002 .......................................................................................281 Tabelle 22: Experteninterviews zum schwedischen Bildungsmarkt ..........288 Tabelle 23: USA RENTE – Das Rentensystem um 1972 und die
Regulierung privater Rentenversicherungen (2000er Jahre) .................314 Tabelle 24: USA Bildung – Das öffentliche und private Schulsystem
Ende der 1980er Jahre, Charter Schools und School Voucher
um 2010 .........................................................................................................333 Tabelle 25: Fakultative Referenden zur Einführung von
Schulgutscheinen ..........................................................................................342 Tabelle 26: Mehrheitsverhältnisse bei der Verabschiedung der
Charter-School-Gesetze (1991–2010).......................................................353 Tabelle 27: Vergleich der Fallstudien ..............................................................364 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wohlfahrtsmarkttypen ................................................................ 56 Abbildung 2: Öffentliche Rentenausgaben in Prozent des BIP, 2005 ......110 Abbildung 3: Öffentliche und private Rentenauszahlungen in
ausgewählten OECD Ländern in Prozent des BIP, 2006 .....................112 Abbildung 4: Finanzierungsquelle der privaten und öffentlichen
Beiträge, 2006................................................................................................125 Abbildung 5: Arbeitgeberbeiträge zur öffentlichen (OASDI) und
privaten Altersvorsorge in Prozent des Bruttolohns, USA
(1948–2009)...................................................................................................129 Abbildung 6: Private Rentenrücklagen in Prozent des BIP, 1985–2007 ..132 Abbildung 7: Versicherte mit der öffentlichen und privaten
Rentenversicherungen in Prozent der Bevölkerung, 1980–2008 .........134 Abbildung 8: Anzahl der lizenzierten privaten Rentenversicherungen,
2000–2009 .....................................................................................................139 Abbildung 9: Schulausgaben nach Finanzierungsquelle: Prozent der
privaten Ausgaben, Ausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts,
2005 ................................................................................................................150 Abbildung 10: Anteil der Schüler an öffentlichen und privaten Schulen,
2005 ................................................................................................................153 Abbildung 11: Anteil der Privatschulen an den gesamten Schulen
(1970–2008)...................................................................................................165 Abbildung 12: Anteil der Privatschüler an der gesamten Schülerschaft ...167 Abbildung 13: Entscheidungsmacht der Eltern und Lehrer
beim Übergang in die Sekundarstufe (2008)............................................230 Abbildung 14: Anzahl der jährlich neu verabschiedeten
Charter-School-Gesetze (1991–2010).......................................................347 Literatur
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Marius R. Busemeyer, Bernhard Ebbinghaus,
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Wohlfahrtspolitik im 21. Jahrhundert
Neue Wege der Forschung
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Michaela Willert
Regulierte Wohlfahrtsmärkte
Private Altersvorsorge in Deutschland
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2013. 458 Seiten. ISBN 978-3-593-39877-8
Hans-Jürgen Burchardt, Anne Tittor,
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Sozialpolitik in globaler Perspektive
Asien, Afrika und Lateinamerika
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