GANYMED GOES EUROPE Nach dem großen Erfolg von GANYMED BOARDING im Kunsthistorischen Museum Wien im Jahr 2009/2010 initiiert WENN ES SOWEIT IST unter der Leitung von Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf das EU-Projekt GANYMED GOES EUROPE mit den Partnerländern Polen, Ungarn und Österreich. WENN ES SOWEIT IST lädt internationale AutorInnen ein, Texte über ausgesuchte Meisterwerke des Muzeum Narodowe (Nationalmuseum) in Wroclaw/Breslau, des Szépmüvészeti Múzeum (Museum der Schönen Künste) in Budapest und des Kunsthistorischen Museum in Wien zu schreiben, um neue Sichtweisen auf Alte Meister zu eröffnen. Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf inszenieren diese Texte mit SchauspielerInnen und erwecken dadurch Bild und Betrachtung zum Leben. Die BesucherInnen werden beim Rundgang durch die Museen in ein theatrales Zwischenreich gezogen und entscheiden selbst, wie lang sie auf der einen oder anderen Bühne verweilen. An jedem der Abende werden alle Stücke zeitgleich und mehrmals hintereinander aufgeführt. GANYMED GOES EUROPE ist durch Mittel der Europäischen Union, des bmukk und der Stadt Wien gefördert. PROJEKTTEAM Produktion: Peter Wolf Regie: Jacqueline Kornmüller Regieassistenz: Mirela Balciak (Polen), Panni Neder (Ungarn) Fotos: Helmut Wimmer Kostüm: Heide Kastler Projektleitung: Katharina Boesch & Alexandra Feichtner, section.a Grafik: Larissa Czerny WENN ES SOWEIT IST nennt sich das Ensemble um die Theater- und Filmregisseurin Jacqueline Kornmüller und den Schauspieler und Regisseur Peter Wolf. Assoziativ entwickelt WENN ES SOWEIT IST ein performatives Spiel durch Zeit und Raum, zitiert große Texte und transferiert sie in ein anderes Licht. Der andere Ort, der Unort, wird zur Bühne, der Text zum Leben erweckt. Philosophisches und gesellschaftspolitisches Material sind Wegbegleiter, ebenso wie das alltägliche Leben mit seinen individuellen Besonderheiten. Von einer unstillbaren Neugier getrieben, sucht und finden Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf Orte, die beredt von der Vergangenheit und der Zukunft erzählen und die Gegenwart deuten. Die Begegnung und die Arbeit mit anderen Suchenden bleibt existentieller Bestandteil ihrer Arbeit. www.wennessoweitist.com BETEILIGTE AUTORINNEN WROCLAW / BRESLAU 1 Marek Bieńczyk schreibt über Die schlafende Familie von Raimund Kanelba 2 Thomas Glavinic schreibt über Eve von Lucas Cranach 3 Agnieszka Drotkiewiz schreibt über Die Allegorie auf den Geschmackssinn von Johann Glöckler 4 Elfriede Jelinek schreibt über Die Infantinnen von Diego Velazquez 5 Martin Pollack schreibt über eine Wolkenstudie von Friedrich Philipp Reinhold 6 Małgorzata Sikorska-Miszczuk schreibt über Tryptyk Świętych Dziewic eines anonymen Meisters 7 Mariusz Wilk schreibt über Der Gnadenstuhl von der Werkstatt des Meisters von Maria Himmelfahrt BETEILIGTE SchauspielerInnen WROCLAW / BRESLAU Anka Graczyk, Adam Graczyk, Hanna Konarowska, Marta Malikowska, Sophie Prusa, Jerzy Senator, Paulina Skłodowska Vorstellungen In Wroclaw/Breslau 24. Mai 2013 (Premiere) 31. Mai 2013 7., 14., 21. und 28. Juni 2013 5. Juli 2013 www.mnwr.art.pl Sophie Prusa spielt „Komm, oh komm lieber Tod. Hilf, mich von mir zu trennen“, ein Text von Małgorzata Sikorska-Miszczuk,, geschrieben zu „Tryptyk Świętych Dziewic“ von einem anonymen Meister Beteiligte autorinnen BUDAPEST 1 Marek Bieńczyk schreibt über Schlafendes Mädchen eines unbekannten römischen Künstlers 2 György Dragomán schreibt über Herkules wirft den Faun aus Omphales Bett von Tintoretto 3 Noemi Sceczi schreibt über St. Bartolomew von Matteo di Giovanni 4 Laszlo Darvasi schreibt über Mädchen mit dem Wasserkrug von Francesco de Goya 5 Krisztina Tóth schreibt über Der Maler mit seiner Familie von Johann Kupetzky 6 Edina Szvoren schreibt über Im Boot von Leo Putz 7 Krisztián Grecsó schreibt über Der Hl. Joseph mit dem Jesuskind von Francisco de Herrera 8 Virag Erdös schreibt über Zugefrorener Fluss mit Schlittschuhläufern von Hendrick Avercamp 9 Peter Esterhazy schreibt über Portrait von José Marqués de Caballero 10 Thomas Glavinic schreibt über Eva von Hans Baldung Grien 11 Thereza Mora schreibt über Portrait eines Ehepaares von Anthonis van Dyck 12 Miklós Vajda schreibt über Der Einzug der Tiere in die Arche Noah von Jan Breughel d. Ä. BETEILIGTE SchauspielerInnen BUDAPEST Bíró Kriszta, Dióssi Gábor, Fátyol Hermina, Gryllus Dorka, Hay Anna, Hegedűs D. Géza, Kulka János, Székely Rozália, Szikszai Rémusz, Takatsy Péter, Terhes Sándor, Udvaros Dorottya VORTELLUNGEN in Budapest 26. September 2013 (Premiere) 3., 17., 24., 31. Oktober 2013 7. und 21. November 2013 www.szepmuveszeti.hu Gábor Dióssi spielt „Der heilige Bertram“, ein Text von Noemi Sceczi, geschrieben zum Bild „St Bartolomew“ von Matteo Di Giovanni beteilIgte AUTORINNEN WIEN In der Auswahl der AutorInnen liegt der Fokus auf der Kombination von internationalen und nationalen AutorInnen. Einige der in Polen und Ungarn entstandenen Texte werden auch Teil der Präsentation in Wien sein. Jacqueline Kornmüller über GANYMED BOARDING „Die Ausgangsidee war der Wunsch nach einer anderen Art der Kunstvermittlung. Die Aktualität eines Bildes, die Verstörung, den Reichtum der Erzählkraft wieder spürbar und lebendig zu machen. Der Zugang zur Malerei besteht hier aus der Gedankenwelt einer Schriftstellerin oder eines Schriftstellers - nicht aus einer akademischen Perspektive, sondern aus der Reflexion eines subjektiven assoziativen Herangehens an die Bilderwelt. AutorInnen schreiben über das, was sie momentan beschäftigt und spiegeln sich in der Bildvorgabe. SchauspielerInnen übertragen diese Texte in eine Rollenvorstellung und erwecken so die entstandenen Texte zum Leben. Die Bilder werden lebendig, beginnen zu sprechen, bekommen eine Stimme. GANYMED BOARDING ist mehr als ein innovatives Vermittlungsprojekt herausragender Kunstwerke, es ist das Ergebnis der vielschichtigen Wechselwirkung von Malerei, Literatur und darstellender Kunst.” VORSTELLUNGEN in Wien 12. März 2014 (Premiere) 19. März 2014 2., 9., 23. und 30. April 2014 7., 14., 21. und 28. Mai 2014 WWW.KHM.AT leseprobe Die plötzliche Freundschaft Von Peter Esterhazy Zu Francisco de Goya „Portrait von José Antonio Marqués de Caballero“ 1. Hier, das ist mein Freund. Name unwichtig. Mein ehemaliger Freund. Diese Auszeichnung auf seiner Brust hat er von mir. Danach ist er gestorben. Das ist, kurz, die Geschichte. Ein wenig länger: 2. Es ging gut los mit uns, er war der Ältere, das blieb auch so, und wenn er noch lebte, wäre er immer noch älter, aber wie unter den gegebenen Umständen die Lage ist, ist schwer zu sagen, wie auch immer, ich denke an ihn wie an den Älteren. Er machte einst die ersten Schritte, nicht mal Schritte, Gesten, eine Geste, ein Stück Geste, aber diese bedeutete, hatte die Absicht zu bedeuten, ja, was eigentlich, dass wir von derselben Art sind, etwas in dieser Art, mehr als Waffenbrüder, weniger als Zusammengehörige. Ich umarmte ihn gerne, wenn wir uns trafen, mit Freuden, meine Zellen freuten sich, meine Zellen zog es näher an ihn heran, es tat gut, ihm ins Gesicht zu sehen, seine lachenden Augen, ein guter Mensch, das war das erste, was mir über ihn in den Sinn kam. Daran änderte sich eine ganze Weile nichts, auch nicht, als diese plötzliche Kälte in seinem Blick aufschien. Was ich nur zögernd wahrhaben wollte, die offensichtliche Tatsache, dass das Verachtung bedeutet, Überlegenheit, Überheblichkeit, Geringschätzung. Ich glaube, er hielt mich ganz einfach für einen Verräter, einen, der seine Kultur verrät, genauer gesagt, die Kultur seines Volkes und damit sein Vaterland oder seine Nation und was noch? Soviel reicht vielleicht auch. Die Freundschaft gelangte eindeutig meinetwegen, oder, wie man hier bei uns in der Straße sagt, wegen mir nicht zur Blüte, sie scheiterte an mir, schon viel früher, schon damals, als ich ihm nicht gesagt habe, dass mir nicht gefällt, was er macht, seine Arbeit. Ich halte seine Arbeiten für hoffnungslos schlecht, unverbesserbar schlecht. Auf der einen Seite hat er diesen lachenden Blick hat, seine, um es mal so zu sagen, Normalität, seine gut proportionierte Natürlichkeit, die grundlegende Freundlichkeit seines Wesens, und auf der anderen Seite seine Möchtegern-Arbeiten, Pferdefuß-Arbeiten, so nannte ich sie, überall ragten diese moralischen, ideologischen, patriotischen Pferdefüsse hervor, es strotzte nur so vor Pferdefüßen, es entstand ein Pferdefußstau, eine regelrechte Pferdefußflut. Nach vielen Jahren sah ich ihn wieder. Ich war Vorsitzender der Kommission, die Ballmutter, wie ich mich nannte, als er jenen großen Preis bekam. Schön, da hängt es, hier prangt es, dort ist etwas quer über die Schulter gelegt. Ich hatte mit der Entscheidung nichts zu tun, auf dem Podium musste ich auch nur herumstehen. In dem Moment, als er den Preis entgegenehmen sollte, das mit vergoldeten, antiken Buchstaben geprägte Diplom, und das ewige Hollóházi-Porzellan, erbleichte er, wich schwankend zurück, ich stand ganz in seiner Nähe, hätte ich gute Reflexe gehabt, hätte ich ihn auffangen können, aber ich bemerkte nicht einmal, dass etwas Ernstes was, ich rührte mich nicht, sah verwundert zu, was er macht, als würde er scherzen, dass er quasi der Auszeichnung ausweicht, seinen Hochmut in Bescheidenheit kleidend. Ich sah lächelnd zu, wie er rücklings vom Podium fiel, er lag auf dem Boden, leblos, das Hemd auf seinem Bauch war hochgerutscht, wenn man sich das Bild anschaut, kann man sich das nur schwer vorstellen, wenn man sich das Bild anschaut, kann man sich nur schwer vorstellen, dass dieser Mensch überhaupt von einem Übel heimgesucht werden kann, wenn man sich das Bild anschaut, ist die Welt in Ordnung und uns zu Diensten, wenn man sich das Bild anschaut, denken wir nur deswegen nicht, dass wir ewig leben würden, weil wir auch noch bescheiden erscheinen möchten, ganz zu schweigen von unserem Gehorsam den göttlichen Gesetzen gegenüber. Das Hemd rutschte auf seinem Bauch hoch, weißlichgelber, aufgegangener Teig, seine Augen blieben offen stehen, aber er hatte keinen Blick, oder umgekehrt: als hätte er mich angesehen und sein Blick sagte, dass es mich nicht gibt. Hinter den Kulissen, wie ein Sack, saß er an die Wand gelehnt, jener, den ich meinen Freund nicht nennen darf. Er kam zu sich, lächelte mich an und nahm meine Hand in seine. Ich spüre, ich vereinfache zwangsläufig die Geschichte, mir geht es damit, wie den Physikern, entweder ich rede über die Elementarteilchen oder über die Karpaten. Ich kann das nicht alles in ein Bild bringen, diese Unmengen an Gemeinheit, Egoismus, Beleidigtsein, Frustrierheit, Böswilligkeit, Dummheit, und die Anständigkeit, den guten Willen, die Hilfsbereitschaft. Das heißt, das kann ich noch, aber was soll ich tun, was nur soll ich tun mit der erregten Freude, die seine Berührung in mir auslöst, dem unerwartet mich überfallenden heftigen Herzklopfen nach den langen Jahren der stillen Verachtung. Mein Name war sein letztes Wort. Ich war das Licht in der Dunkelheit. Erbärmlich, wie man es auch nimmt. Jetzt schaue ich mir sein Gesicht an. Als wir jung waren, war es schön, später wurde es gepflegt. Diese kleine verächtliche Kräuselung an seinen Lippen. Ich schaue mir sein Gesicht an und siehe meine eigene Niederlage. Elementarteilchen und Karpaten. Und die Generation der jungen Wissenschaftler sah mit verlegenem Bedauern auf Einstein, der das Universum erforschte, obwohl er es vielleicht weniger erforschte, als dass er einfach nicht von ihm lassen konnte.
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