Im Gespräch «Wir finanzieren keine neuen Sofas» Fintech-Unternehmer Christoph M. Mueller über sein Vorbild L ending Club und den Sprung nach Deutschland. Von Florian Schwab Herr Mueller, seit März sind Sie mit dem Finance-Start-up Creditgate 24 am Markt. Was ist die zentrale Innovation? Anders als Kreditbanken sprechen wir nicht nur Kreditnehmer, sondern auch Anleger an. Bei uns kann man ab 500 Franken in Kreditprojekte investieren. Es gibt in der Schweiz seit geraumer Zeit andere Crowdfunding-Plattformen . . . Wir haben den Markt genau studiert. Die meisten Anbieter funktionieren nach dem Ricardo-Prinzip: Der Kreditgeber kennt den Kreditnehmer und umgekehrt. Die Plattform stellt also einen persönlichen Kontakt her. Bei uns kennen die beiden anderen Parteien den Namen der jeweils anderen nicht. Sie schliessen je einen Vertrag mit uns ab, aber nicht direkt untereinander. Was ist der Vorteil davon? Diskretion. Für den Kreditnehmer ist es unerheblich, wer der Anleger ist. Aber der Geldgeber will schon wissen, wem er sein Geld anvertraut. Unser Unternehmen fungiert als Garant in beide Richtungen. Wir wenden bei der Auswahl unserer Kreditprojekte allergrösste Sorgfalt an. So verpflichten wir beispielsweise einen Grossteil der Kre ditnehmer, sich mit einer Versicherung gegen Ausfälle wegen Arbeitsunfähigkeit, Krankheit oder Tod abzusichern. Das ist aus der Optik des einzelnen Kreditnehmers nicht immer nachvollziehbar, aber «Die meisten Anbieter funktionieren nach dem Ricardo-Prinzip.» der Anleger weiss, dass die grössten biografischen Risiken ausgeschaltet sind. Zudem verteilen wir das Risiko unter den Anlegern. Nach welchen Gesichtspunkten? Wir teilen die Kreditprojekte in acht Rating-Stufen ein. A und AA stehen für das geringste Risiko, E und F für das höchste. Die obersten Klassen sind durch ein Pfand gesichert, also durch eine Immobilie oder durch Wertschriften. Der Anleger wählt auf unserer Plattform aus, in welches konkrete Kreditprojekt er investiert. Kommt es trotz allem einmal zu einem Zahlungsausfall, dann übernehmen wir das Inkasso bis hin zur Pfandverwertung. Darüber hinaus sind die Anleger innerhalb derselben RisikoWeltwoche Nr. 27.15 Bild: zVg «Zehnmal grösser»: Geschäftsführer Mueller. klasse durch eine Solidaritätsklausel mit einander verbunden. Sie tragen Ausfälle in derselben Rating-Stufe solidarisch – unabhängig davon, in welches Einzelprojekt sie investiert haben. Kann man einem neuen Anbieter überhaupt trauen? Unser 12-köpfiges Team bringt es auf gut 200 Jahre Erfahrung im Bankengeschäft. Wir sind nach den strengen Richtlinien des Selbstregulierungsvereins VQF organisiert und bemühen uns, die Anforderungen, wo immer möglich, überzuerfüllen. Dieses Thema ist für uns sehr wichtig, weil im Kreditmarkt viele schwarze Schafe unterwegs sind. Wir heben uns durch die strikte Umsetzung der Vorschriften ab. Nur so können wir – was unser langfristiges Ziel ist – auch für institutionelle Anleger zu einer attraktiven alternativen Anlageklasse werden. Unsere Zielrendite in den Top-Risikoklassen liegt bei drei Prozent, was derzeit sehr attraktiv ist. Das Geschäft hat nicht den besten Ruf. Manchmal leider zu Recht. Wir begegnen bei interessierten Anlegern häufig der Haltung: Wenn sich jemand etwas nicht leisten kann, dann soll er auch nicht dank einem Kredit über seine Verhältnisse leben. Ist das denn falsch? Nicht, wenn es darum geht, zum Beispiel neue Sofas zu finanzieren. Es gibt aber auch gute Projekte mit Investitionscharakter, wie beispielsweise Ausbildungen. Regulatorisch laufen auch diese unter dem Titel «Konsumkredit». Für Selbständige und KMU-Inhaber herrscht sogar eine Kreditklemme, weil viele Banken solche Risiken nicht verstehen oder verstehen wollen. Warum haben Sie Creditgate 24 gegründet? Der Kreditmarkt wird derzeit von den drei gros sen Kreditbanken beherrscht, die traumhafte Margen einfahren. Dass deren Zinsen trotz Nullzins-Umfeld auf dem Niveau von vor zehn Jahren verharren, zeigt, dass der Markt nicht gut funktioniert. Die Geschäftspolitik im Bankensektor hat ein Problem: Solange etwas geht, macht man es. Es gibt wenig echte und tiefgreifende Innovationen. Unsere Plattform senkt die Kosten für Kreditnehmer und bietet ansprechende Renditen für Anleger. Sie wollen nach Deutschland expandieren. Ist der Schweizer Markt zu klein? Nicht per se. Das Total ausstehender Kredite inklusive Hypotheken beträgt mehr als eine Billion Franken. Unsere Lösung kommt bei ungefähr zehn Prozent von ihnen in Frage. Aber ja, es ist ein Business, das mit der Anzahl Transaktionen steht und fällt. Unser grosses Vorbild ist der Lending Club in den USA, der pro Quartal um eine Milliarde USDollar wächst. Auch wir streben einen Automatisierungsgrad von 90 Prozent an. Die dadurch gewonnenen Kostenvorteile könnten wir auf dem deutschen Markt voll ausspielen, der zehnmal grösser ist als der schweizerische. Auch in Deutschland ist das Feld besetzt. Unser Modell mit der Risikodiversifizierung über die Risikoklassen ist im deutschsprachigen Raum wohl einmalig. Beim deutschen Marktführer, Lendico, haben Sie diese nicht. Mit der Wirkung, dass die Anleger ihre Engagements selber in viele Kleinsttranchen splitten. Das ist ineffizient und unpraktisch. Christoph M. Mueller war etliche Jahre als Bankjurist bei der ZKB und bei der Credit Suisse tätig, wo er auch Fronterfahrung im Private Banking und bei der Schaffung von Anlagevehikeln sammelte. Seit letztem Jahr ist er Founder und CEO des Finance-Start-Ups Creditgate24. 47
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