DAS MENSCHENBILD IN DER PLASTIK Altsteinzeit Die Plastik ist wahrscheinlich die älteste Form der Kunstäußerung. Aus der Altsteinzeit sind kleine Frauenfiguren aus Knochen, Elfenbein, Ton und Sandstein erhalten. Überbetonte Becken und Brüste weisen sie als Fruchtbarkeitsidole (Götzenbilder) aus - die wurden wahrscheinlich für Fruchtbarkeitszauber verwendet . Für die eiszeitliche Jägerhorde waren gebärtüchtige Frauen sowie das Jagdglück (Tierbilder) überlebensnotwendig. Venus von Willendorf ca. 40 000 v. Chr. 11 cm, Sandstein Gesicht und Arme fehlen, eine strenge Frisur umhüllt den Kopf; die Wölbungen sind vom Tastsinn geprägt, so dass das Desinteresse an Proportion und Haltung verständlich wird. Frauenstatuetten wurden bis in die Jungsteinzeit geschaffen. Aus der Menschenmutter der Jäger wird die viel stärker abstrahierte Erdenmutter der Bauernkulturen. Sie ist zugleich Todesgöttin- sie schenkt das Leben und nimmt es wieder. Diese Doppelfunktion ist in vielen Religionen der Hochkulturen zu finden Sumer: INANNA Ägypten: SACHMET Hinduismus: PARVATI-KALI Die ägyptische Plastik Als König MENES Ober - und Unterägypten um 3000 v. Chr. vereinigte, hatte das Land bereits eine lange kulturelle Entwicklung hinter sich. Handwerk und Kunst waren hoch entwickelt und blieben nun nahezu 3000 Jahre unverändert. Die Hauptwerke ägyptischer Kunst entstanden im Alten Reich (3000 -2100 v. Chr.), das sich auf echte Gläubigkeit berufen kann. Was folgt ist Tradition, aus der ab und zu ein Meisterwerk erwächst. Die Ägypter hofften auf ein Leben nach dem Tod unter der Voraussetzung, dass das Ka (Seele) eine Wohnung erhielt- entweder im konservierten Leichnam (Mumie) und oder im steinernen Abbild des Verstorbenen. Pharaonen statteten ihre Grabmäler (Pyramiden) mit Reliefs und Fresken aus, auf denen Handwerker, Schreiber, Musiker, Tänzerinnen etc. ihnen in der Ewigkeit dienen konnten: Die Magie ist wieder Motiv der Bildkunst. KÖNIG CHEPHREN auf dem Raubkatzenthron (4. Dyn., um 2500 v. Chr., Diorit, h 1,68m) Der Herrscher ist geschmückt mit den Insignien des Königs: Kopftuch, Bart und Schurz. Die Faust umfasst die „Schleife der Wiedergeburt“(Hieroglyphe), die linke Hand greift nach den Opfergaben. Hinter dem Kopf hockt der Falkengott Horus, als dessen Verkörperung der Pharao gilt: Chephren hat seine ewige Herrschaft als Gott angetreten. MYKERINOS und seine Frau CHAMERERNEBTI 4.Dyn., Schiefer, h 1.42 m Mann und Frau sind gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Die zarte Umarmung deutet an, dass die Liebe über den Tod hinaus andauert. Die strenge Vorderansicht, der fast geometrischen Aufbau, die rechten Winkel und das unechte Schrittmotiv geben den Figuren eine gewisse Starre aber auch große Feierlichkeit Symbolisiert ist der Durchgang vom Diesseits ins Jenseits. Die griechische Plastik: A) ARCHAISCHER STIL (700 - 480 v. Chr.) griech. „ARCHE“= Anfang Um 700 entstanden die ersten Großplastiken. Ihnen ging eine lange Zeit bildloser geometrischer Kunst und später geometrisch geformte Kleinplastiken voraus. Im Mittelpunkt der archaischen Skulptur steht das Bild des Menschen. Von der ägyptischen Plastik beeinflusst, wird aber nicht Macht und Ewigkeit des göttlichen Königtums dargestellt, sondern der sterbliche Mensch in seiner irdischen Schönheit und Vollkommenheit. Im nackten Kuros versucht die griechische Plastik ihr Menschenbild zu entwickeln. JÜNGLING VON TENEA 6.Jh. Marmor, h 1,53m Von den Ägyptern übernommen werden die rechten Winkel der Körperachsen sowie die strenge Symmetrie des Körpers. Dessen Proportionen richten sich aber nach einem idealen harmonischen Maßverhältnis. Im archaischen Lächeln wird der düstere Ernst des ägyptischen Gottmenschen überwunden. B) STRENGER STIL (ca. 500 - 450 v. Chr.) Er löst den bewegungsarmen Stil der Archaik ab. Die Gesichter haben ihr Lächeln verloren, die Muskeln beginnen sich abzuzeichnen. Körperbewegungen treten aus ihrer Verhaltenheit. WAGENLENKER VON Delphi 470 v. Chr. h 1,80m Bronze, ziselierte Haare , Wimpern; die Augen aus eingelegten Halbedelsteinen - sehr lebendige Wirkung. POSEIDON um 455 v. Chr., Bronze, h 2,09 m, Spannweite 2,10 m C) KLASSISCHER STIL (450 - 330 v. Chr.) Die klassische Plastik wird frei in der Bewegung, ohne diese Freiheit im Übermaß zu nutzen. Ein statisches Spiel lässt an ein allseitiges Hinauswendenkönnen glauben. POLYKLET schuf in seiner Plastik DORYPHOROS (=Speerträger 440 v. Chr. Marmorkopie eines Bronzeoriginals, h 2,12m) den KANON für den Aufbau des klassischen Kuros : Wie im griechischen Tempel ist auch der menschliche Körper einem strengen harmonischen Maßverhältnis unterworfen. Harmonie in der Haltung entsteht, weil Bewegung durch Gegenbewegung ausgeglichen wird. Der Körper ruht in entspannter Haltung auf Stand - und Spielbein KONTRAPOST - die Körperachsen in der Hüfte werden schräg. Eine Verschiebung des Oberkörpers PONDERATION stellt das Gleichgewicht wieder her. Polyklets Speerträger ist kein Porträt sondern das Idealbild des griechischen Menschen. Neben Polyklet schuf PHIDIAS die wichtigsten klassischen Statuen: Zeus in Olympia, Athena Promachos Erz - vergoldet, Athena im Parthenon - nicht erhalten, D) HELLENISMUS (330 - 30 v. Chr.) APOLLON SAUROKTONOS von PRAXITELES; Marmorkopie nach dem Original um 350 v. Chr., Gesamthöhe 1,67 m, Körpergröße 1,53m, vom Palatin in Rom - jetzt in den Vatikan. Museen. Der verfeinerte Lebensstil jener Zeit findet seinen Ausdruck in der Kunst, der Wandel des Idealbildes des griech. Menschen wird sichtbar: Der Gott ist in knabenhafter, fast weiblicher Gestalt dargestellt. Weiche ineinanderfließende Formen treten anstelle einer klaren Tektonik. Wichtig wird das Spiel des Lichtes auf einer unruhigen Oberfläche und damit verbunden eine Neigung zur Stofflichkeit (Weichheit von Fleisch) - das ergibt einen sehr lebendigen Eindruck. „Malerische Plastik“. Im Hellenismus wendet sich die Figur dem Raum zu und ist damit aus dem Gleichgewicht. Die elegante Haltung des eidechsenneckende Gottes bedarf nicht nur optisch sondern auch technisch einer Stütze. Je später die Zeit, umso dramatischer und umso leidenschaftlich theatralischer wird die Bewegung in den Raum. NIKE VON SAMOTHRAKE, h 2,45 m; 190 v. Chr., Marmor, Rhodos- heute: Paris Louvre. LAOKOONGRUPPE von AGESANDROS, ATHANADOROS, POLYDOROS h 2,42m, 40 v. Chr., Rom Vatikan (1547 im goldenen Haus Neros gefunden). Die Körperachsen streben auseinander, die plastischen Formen verschlingen sich zu einem Knäuel. Renaissance italien.“ rinascimento“= Wiedergeburt der Antike (um 1500 n. Chr.) DAVID (1501- 04) von MICHELANGELO: 5,14m hoch, ursprünglich aufgestellt auf der Piazza Signoria (Rathausplatz), heute in der Galleria dell´ Academia in Florenz. Zum ersten Mal gelang hier einem Bildhauer die perfekte Nachahmung antiker Kolossalstatuen, und das aus einem verschlagenen Marmorblock. Die Statue entstand noch im Auftrag der Republik Florenz und hat programmatischpolitischen Charakter. „Ira“= Zorn, „vita“= Kraft waren Kennzeichen des Bürgers, der sich als Krieger versteht, als deren Personifikation der David gelten kann. In der Jünglingsgestalt wird die gebändigte, gesammelte Kraft im Augenblick vor der Tat sichtbar. 1515/16 entstand für das Grabmal von Papst Julius II die Statue des Moses. In der Gestalt des MOSES sprengt Michelangelo die Gesetze von Schönheit und Harmonie der Renaissance. Die athletische Gestalt sitzt in einer Nische, die ihm zu eng wird. Im Gegensatz zur symmetrischen, sachlichen Nische steht der raumgreifende asymmetrische Körper, von einer Erregung erfüllt, die dem Ideal klassischer Gelassenheit wiederstrebt. Trotz sitzender Haltung vermittelt er Aktion. Jede kraftvolle Bewegung wird aber wieder zum Körper zurückgeführt: Moses ist einerseits Kämpfer, der einen Auftrag hat, andererseits ist er Suchender und Zweifler! War die Arbeit des griechischen Bildhauers auf das rein Körperhafte gerichtet, so war die Skulptur Michelangelos auf Raumdurchstellung orientiert: Tiefenraum wird durch hintereinanderliegende Flächenschichten gegeben. So wie Michelangelo das Entstehen einer Skulptur als schichtenweises Herausheben aus dem Block ansieht, so staffelt er den Raum. Unterschenkel und Knie durchstoßen den „Rahmen“ der Kleidung und bilden die vorderste Raumschicht. Der Kopf gehört zur Raumschicht der Arme etc. Die Bewegung, die die Figur durchströmt und in den Raum schraubt, das Zusammenspiel von Körper und Gewand, Wechsel von Wölbung und schattiger Höhlung und die Licht- und Schattenkontraste weisen Michelangelo als Vater des Barocks aus. 19. Jahrhundert AUGUSTE RODIN (1840 - 1917) DAS EHERNE ZEITALTER (1876/77), Bronze Höhepunkt illusionistischer Darstellung Rodin gestaltet die Plastik meisterhaft von ihrer Oberflächenwirkung aus - malerische Licht u. Schatteneffekte (hellenistisches Vorbild), ordnet sie aber durch Maß und Proportion. Die Statue ist eine Verbeugung vor der als Ideal angesehenen griech. Antike. 20. Jahrhundert Henry MOORE (1898 - 1968) König und Königin, Bronze 1952, 1,70 m hoch; Krieger mit Schild, Bronze 1953 Moore strebt volle dreidimensionale Form an, Vitalität und Kraft des Ausdrucks und Wahrhaftigkeit dem Material gegenüber. Vorbild sind Formen der Natur, altamerikanische Plastik
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