Gutachten Mietpreisbremse

empirica
Forschung und Beratung
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Az.: 38-446/498
Endbericht
Auftraggeber:
Sächsisches Staatsministerium des Innern
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Harald Simons, Lukas Weiden
Projektnummer:
2015057
Datum:
November 2015
empirica ag
Kurfürstendamm 234
10719 Berlin
Tel. (030) 88 47 95-0
Fax. (030) 88 47 95-17
[email protected]
Büro:
Berlin
Zweigniederlassung Bonn
Kaiserstr. 29
53113 Bonn
Tel. (0228) 91 48 9-0
Fax (0228) 21 74 10
www.empirica-institut.de
[email protected]
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
i
INHALTSVERZEICHNIS
1.
Kurzfassung...................................................................................................................................... 1
2.
Vorbemerkung ................................................................................................................................. 2
3.
Vorgehensweise ............................................................................................................................... 2
4.
Identifizierung angespannter Wohnungsmärkte in Sachsen ..................................................... 4
4.1
4.2
4.3
Vorauswahl ........................................................................................................................................... 4
4.1.1
Bevölkerungsentwicklung und Neubau ..................................................................................... 4
4.1.2
Ergebnis........................................................................................................................................ 9
Vertiefte Prüfung ................................................................................................................................ 10
4.2.1
Leerstand und Nachfrage .......................................................................................................... 10
4.2.2
Miethöhe und -entwicklung ...................................................................................................... 16
4.2.3
Mietbelastung ............................................................................................................................ 21
Untersuchung unterhalb der Gemeindeebene ................................................................................. 25
5.
Ergebnisse und Prognose ............................................................................................................. 28
6.
Anhang ............................................................................................................................................ 30
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
1.
1
Kurzfassung
Durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz ist die Möglichkeit geschaffen worden, die
zulässige Miethöhe zu Mietbeginn (Mietpreisbremse) in Gebieten zu begrenzen, die
von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmt wurden (§ 556d
BGB). Das vorliegende Gutachten dient der Identifizierung von angespannten Wohnungsmärkten im Freistaat Sachsen. Die in § 556d BGB genannten Kriterien zur
Identifizierung eines angespannten Wohnungsmarktes werden diskutiert um daraus
handhabbare Kriterien zu entwickeln. Die Vorgehensweise ist zweistufig.
Im ersten Schritt erfolgt eine Vorauswahl aus den 430 Gemeinden im Freistaat
(Stichtag 1.1.2015). Die Vorauswahl ist angelehnt an das Kriterium „… die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“. In 41 der 430 Gemeinden im Freistaat Sachsen ist die Zahl
der Einwohner zwischen 2011 und 2014 angestiegen. In 21 dieser wachsenden
Städte und Gemeinden ist im gleichen Zeitraum jedoch ausreichend neuer Wohnraum entstanden. In 20 Städten und Gemeinden war dies jedoch nicht der Fall. Hier
betrug das Bevölkerungswachstum mehr als 1,8 zusätzliche Einwohner je zusätzlicher Wohneinheit. Diese 20 Gemeinden werden der vertieften Prüfung unterzogen.
Die vertiefte Prüfung erfolgt mithilfe der weiteren Kriterien, soweit diese zielführend angewendet werden können. Die Stadt Dresden erfüllt dabei als einzige Gemeinde in der Vorauswahl das Kriterium „geringer Leerstand bei großer Nachfrage“.
Für einen angespannten Wohnungsmarkt müsste aber zusätzlich die durchschnittliche Mietbelastung des Einkommens deutlich überdurchschnittlich sein. Dies ist in
Dresden nicht der Fall. Vielmehr liegt die durchschnittliche Mietbelastung für die
Anmietung der ortsüblichen Durchschnittswohnung sogar unter dem bundesdeutschen Durchschnitt.
Das Ergebnis der Untersuchung ist eindeutig. In keiner sächsischen Gemeinde ist der
Wohnungsmarkt angespannt und es ist auch in den nächsten Jahren nicht damit zu
rechnen, dass die Voraussetzungen zur Einführung einer Mietpreisbremse erfüllt
wären.
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Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
2.
2
Vorbemerkung
Das Sächsische Staatsministerium des Innern hat empirica mit einem „Gutachten
Mietpreisbremse Sachsen“ beauftragt. Hintergrund ist die im Rahmen des Mietrechtsnovellierungsgesetz neugeschaffene Möglichkeit die zulässige Miethöhe zu
Mietbeginn (Mietpreisbremse) in Gebieten zu begrenzen, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmt wurden (§ 556d BGB).
Voraussetzung für die Anwendung der Mietpreisbremse ist der Nachweis, dass der
Wohnungsmarkt in den zu bestimmenden Gebieten angespannt ist. Zur Definition
von angespannten Wohnungsmärkten in § 556d BGB hat der Gesetzgeber zunächst
auf die bereits aus §558 Abs. 3 (Kappungsgrenze) bekannte Formulierung „…wenn
die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen […] zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“ zurückgegriffen. Dann allerdings konkretisiert er weiter und führt vier mögliche Indikatoren an, die zur Prüfung herangezogen werden können.
Demzufolge können Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten insbesondere
vorliegen, wenn
1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten
Durchschnitt deutlich übersteigt,
3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Diese vier Kriterien – auch da sie nicht verpflichtend sind – eröffnen allerdings dem
Verordnungsgeber einen sehr weiten Interpretationsspielraum. Da die vom Gesetzgeber genannten möglichen Indikatoren neu sind, kann die Interpretation sich noch
nicht auf einschlägige Gerichtsurteile und eine Diskussionshistorie stützen.
3.
Vorgehensweise
Die Identifizierung angespannter Wohnungsmärkte im Freistaat Sachsen orientiert
sich an den vier in § 556d BGB genannten Kriterien und erfolgt auf Ebene der Gemeinden. Aufgrund der hohen Zahl an Gemeinden1 wird hierzu eine zweistufige
Herangehensweise angewendet. Auf der ersten Stufe wird eine Vorauswahl vorgenommen und begründet. Auf der zweiten Stufe werden diese Gemeinden einer vertieften Prüfung unterzogen.
Bei kleinen Gemeinden kann die Gemeindeebene allerdings zu klein sein, einmal
aufgrund der Datenverfügbarkeit. Zum Zweiten aber ist – selbst wenn alle Kriterien
in einer kleinen Gemeinde auf einen angespannten Markt hindeuten – die Bestäti-
1
Der Freistaat Sachsen umfasst zum Gebietsstand 1.1.2015 430 Gemeinden. Dies sind sowohl die Großstädte
Dresden und Leipzig mit mehr als 500.000 Einwohnern als auch viele kleinere Gemeinden. Ein gutes Dutzend
hat weniger als 1.000 Einwohner.
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Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
3
gung eines angespannten Wohnungsmarktes dann nicht zulässig, wenn in den
Nachbargemeinden der Wohnungsmarkt nicht angespannt ist.2
Die Schwierigkeit der Vorauswahl besteht darin, ein Kriterium zu entwickeln, dass
verhindert, dass möglicherweise einzelne Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten fälschlicherweise bereits in der Vorauswahl ausgesondert werden.
Gleichzeitig müssen aber dafür verlässliche Daten auch verfügbar sein.
Ein naheliegendes Vorauswahlkriterium wäre ein Kriterium, dass die durchschnittliche Miete verwendet (Höhe oder Entwicklung). Dies aber kann in kleinen Gemeinden mit geringem Mietwohnungsbestand wie z.B. im Bautzener Land zu erratischen
Ergebnissen führen, wenn in einem bestimmten Zeitraum nur sehr wenige Angebote
vorliegen – nicht, weil die Stichprobe zu klein wäre, sondern, weil schlicht kaum
Mietwohnungen angeboten werden. Bei unplausiblen Ergebnissen (z.B. besonders
hohe Mieten oder Mietsteigerungen) müssten diese daher ausgeschlossen werden.
Dies würde uns zu Recht dem Vorwurf aussetzen, dass wir immer dann unserem
eigenen Kriterium nicht vertrauen, wenn die Mieten hoch sind. Aus diesem Grunde
wurde die Miete auf Gemeindeebene nicht zur Vorauswahl herangezogen.
Die Vorauswahl stützt vielmehr auf Kriterien von Angebot und Nachfrage, die auf
amtlichen Zahlen beruhen. Dies sind zum einen die Einwohnerentwicklung (Anstieg
der Zahl der Einwohner durch Zuwanderung als Voraussetzung für einen angespannten Wohnungsmarkt) und zum anderen die Zahl der Baufertigstellungen. Dies
korrespondiert zum dritten Kriterium, das im neuen § 558 Abs. 3 BGB vorgeschlagen wird („… die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“). Wir gehen davon aus, dass der
Gesetzgeber hiermit dem Gedanken folgt, dass eine wachsende Bevölkerung zusätzlichen Wohnraum benötigt und ein angespannter Wohnungsmarkt dann vermieden
werden kann, wenn dem Anstieg der Wohnungsnachfrage ein entsprechender Anstieg des Wohnungsangebotes gegenübersteht.
In der vertieften Prüfung werden dann weitere Kriterien bzw. Indikatoren diskutiert
und herangezogen. Dies sind der Wohnungsleerstand („…geringer Leerstand bei
großer Nachfrage besteht“), die Miethöhe und –entwicklung („Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt“) sowie die Mietbelastung („die
durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt
deutlich übersteigt“). Die geforderte besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung wird in einen einheitlichen 20 %-Grenzwert übersetzt, d.h. die jeweiligen Indikatoren müssen stets mindestens 20 % über dem jeweiligen Vergleichswert liegen,
um eine besondere Gefährdung zu vermuten (Ausnahme Leerstand).
2
Die Berechnungen und die Identifizierung von angespannten Wohnungsmärkten erfolgen auf der regionalen
Ebene der Gemeinden im Freistaat Sachsen. Der Gesetzgeber bezieht sich auf Gemeinden oder sogar Gemeindeteile. Dies ist aber nach unserer Auffassung wenig zielführend. Eine besondere Gefährdung der Versorgung der
Bevölkerung mit Wohnraum kann nach unserer Auffassung nicht in einer Gemeinde vorliegen, wenn möglicherweise nur wenige Minuten entfernt Gemeinden mit ungefährdeter Versorgung existieren. Gleichermaßen
kann der Wohnungsmarkt innerhalb einer Gemeinde nicht auf der einen Straße angespannt und auf der anderen Straßenseite nicht. In Kap. 4.3 erfolgt nichtsdestotrotz für die Stadt Dresden eine Analyse auf Ebene der
Stadträume.
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4
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
4.
Identifizierung angespannter Wohnungsmärkte in Sachsen
4.1
Vorauswahl
4.1.1 Bevölkerungsentwicklung und Neubau
Zur Entwicklung des möglichen Indikators „ausreichend Neubau für Bevölkerungswachstum“ wird zunächst die Entwicklung der Zahl der Einwohner laut Bevölkerungsfortschreibung seit den Erhebungen des Zensus 2011 bis zum aktuellen Datenrand der Bevölkerungsfortschreibung (31.12.2014) herangezogen.3 Dieser Zeitraum
von rund 3 ½ Jahren ist einerseits lang genug, dass einmalige Sonderentwicklungen
in einzelnen Gemeinden in einzelnen Jahren nicht zu stark auf das Ergebnis durchschlagen. Andererseits auch nicht zu lang. Bei einem zu langem Betrachtungszeitraum könnten bereits abgeschlossenen Entwicklungen, insbesondere eine längst
vollzogene Trendumkehr, nicht erkannt werden und so zu falschen Schlussfolgerungen führen. Zudem ist der Zeitraum seit dem Zensus nicht von den Korrekturen
durch den Zensus betroffen.
Laut Bevölkerungsfortschreibung war die Entwicklung der Zahl der Einwohner in
Sachsen insgesamt von 4.056.799 am Zensusstichtag (09.05.2011) auf 4.055.274
Einwohner zum 31.12.2014 nur noch leicht rückläufig (-0,04 %). Die Entwicklungen
innerhalb des Freistaates gehen jedoch deutlich auseinander. Gerade einmal 41 der
430 Gemeinden sind zwischen dem 09.05.2011 und dem 31.12.2014 gewachsen.4 Zu
diesen zählen die drei kreisfreien Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz sowie die
Stadt Freiberg und weitere Kommunen vor allem im Umland der Städte Leipzig und
Dresden (hellgrün bis blau markiert in Karte 1). Weite Teile des Landes verlieren
derweil weiterhin sowohl durch eine negative natürliche Bevölkerungsbilanz als
auch durch Abwanderung. Hier kann das Vorhandensein angespannter Wohnungsmärkte also – insbesondere auch angesichts der hier schon seit Jahren negativen
Bevölkerungsentwicklung – ausgeschlossen werden.
3
4
Nicht berücksichtigt wird damit die Entwicklung der Einwohner mit Zweitwohnsitz (sowie nicht gemeldete
Einwohner). Allerdings ist zum einen die Zahl der gemeldeten Zweitwohnsitzeinwohner stark abhängig vom
Vorhandensein einer Zweitwohnsitzsteuer und zudem ist eine Berücksichtigung der Zweitwohnsitzbevölkerung nicht flächendeckend in Deutschland möglich. Nach unserem Kenntnisstand wurde nach dem 1.1.2011
(also noch vor dem Zensusstichtag) in keiner Kommune in Sachsen eine Zweitwohnsitzsteuer neu eingeführt.
Dabei wurden die Korrekturen der Zensusergebnisse für vier Gemeinden im Freistaat Sachsen, welche in der
Bevölkerungsfortschreibung erst im Jahr 2013 wirksam wurden, berücksichtigt. Darunter auch die Gemeinde
Börnichen im Erzgebirgskreis, welche ohne die Korrektur irrtümlicherweise ein Wachstum aufweisen würde.
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Karte 1:
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Einwohnerentwicklung in Sachsen 09.05.2011 bis 31.12.2014
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
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Zuwanderung bzw. Bevölkerungswachstum alleine ist jedoch noch kein ausreichender Indikator, der auf einen angespannten Wohnungsmarkt hinweist. So ist im
§ 556d BGB dem Wachstum der Bevölkerung der Zusatz „ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“ beigefügt.
Die Ausweitung des Wohnungsangebotes wird über die Zahl aller neu entstandenen
Wohnungen (Neubau in Wohn- und Nichtwohngebäuden, neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden) abzüglich der genehmigten Wohnungsabrisse abgebildet. Unberücksichtigt müssen ungenehmigte Wohnungsabgänge durch Abriss, Umnutzung
und Zusammenlegung sowie Wohnungszugänge durch Wohnungsteilungen bleiben,
da hierfür keine Datenquelle verfügbar ist. Ebenso wird nicht unterschieden, ob es
sich bei den neu entstandenen Wohnungen um Mietwohnungen oder Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser handelt, da zum einen die Art der möglicherweise geplanten Nutzung (Vermietung oder Selbstnutzung) nicht von der Rechtsform der Wohnung präjudiziert wird und zum anderen auch eine selbst genutzte
neue Wohnung oder ein Einfamilienhaus das Angebot ausweitet. Zudem suchen
nicht alle zugewanderten Haushalte eine Wohnung zur Miete.
Im Freistaat Sachsen wurden in den Jahren 2011 bis 2014 abzüglich der genehmigten Abrisse netto 23.580 Wohneinheiten fertiggestellt. Dies entspricht 5.895 Baufertigstellungen pro Jahr. Demgegenüber steht eine Abnahme der Bevölkerung im Frei-
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6
staat um insgesamt -1.525 bzw. -416 Einwohner jährlich zwischen dem 09.05.2011
und dem 31.12.2014.5
In den 41 wachsenden Gemeinden sind in den Jahren 2011 bis 2014 15.051 Wohnungen netto entstanden. Dies waren mit knapp 2,2 Wohneinheiten je 1.000 Einwohner p.a. erwartungsgemäß deutlich mehr als in den Gemeinden mit einer negativen Bevölkerungsentwicklung. Hier wurden nur 8.529 Wohnungen oder 0,9 Wohnungen je 1.000 Einwohner p.a. fertiggestellt. In insgesamt sieben Gemeinden überwog in den Jahren 2011 bis 2014 sogar der Abriss den Neubau. Darunter u.a. die
Städte Görlitz und Heidenau (Karte 2).
Von den 15.051 neuen Wohnungen in wachsenden Gemeinden entstanden rund
zwei Drittel in den Städten Leipzig (knapp 4.500 Wohnungen, dies entspricht rd. 2,2
Fertigstellungen je 1.000 Einwohner) und Dresden (rd. 5.800 bzw. 2,8).
Karte 2:
Baufertigstellungen in Sachsen 2011 bis 2014
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
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Der Fragestellung folgend, ob in den wachsenden Gemeinden ausreichend neuer
Wohnraum geschaffen wurde, wird die Zahl der fertiggestellten Wohnungen dem
Bevölkerungswachstum gegenübergestellt.6 Gemeinden mit sinkender Einwohnerzahl bleiben hierbei naturgemäß unberücksichtigt. Da nicht einzelne Einwohner,
sondern Haushalte als Nachfrager am Wohnungsmarkt auftreten, ist nicht eine neue
Wohnung je zusätzlichem Einwohner anzusetzen, sondern, abhängig von der durchschnittlichen Haushaltsgröße, weniger. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in
5
6
Bei der Berechnung des durchschnittlichen jährlichen Wachstums wurde berücksichtigt, dass es sich um einen
Zeitraum von rund drei Jahren und sieben Monaten handelt.
Von Haushaltsverkleinerungen aufgrund von Sterbefällen und Trennungen wird hier abstrahiert.
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Sachsen beträgt zwei Personen je Haushalt. In den wachsenden Städten ist sie jedoch kleiner, daher wird entsprechend ein niedrigerer Schwellenwert von 1,8 zugrunde gelegt. Dies entspricht der Haushaltsgröße in Leipzig und Chemnitz, während damit für Dresden die für das Bevölkerungswachstum notwendige Ausweitung
des Wohnungsbestandes angesichts einer Haushaltsgröße von 1,9 leicht überschätzt
wird.7
In 21 der 41 wachsenden Gemeinden wurde demnach das Wohnungsangebot hinreichend ausgeweitet, sie werden daher nicht der vertieften Prüfung unterzogen.
In insgesamt 20 der 41 wachsenden Städten und Gemeinden überstieg hingegen das
Bevölkerungswachstum den Schwellenwert von 1,8 zusätzlichen Einwohnern je
zusätzlicher Wohnung. Hierzu zählen unter anderem die drei kreisfreien Städte in
Sachsen (vgl. Karte 3). Auch die Stadt Heidenau ist Teil der Vorauswahl, da rechnerisch das Wohnungsangebot trotz Bevölkerungswachstums im Saldo sank.
Karte 3:
Bevölkerungsentwicklung und Baufertigstellungen in
wachsenden Gememeinden in Sachsen 2011 bis 2014
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
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In Suburbanisierungsgemeinden ist typsicherweise die Kausalität umgekehrt. Der
Zuzug der Einwohner erfolgt dort in der Regel nach der Fertigstellung. Dies gilt insbesondere beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in den meisten Gemeinden der Suburbanisierungsgebiete von
Dresden und Leipzig in den Jahren 2011 bis 2014 sogar mehr Wohnungen gebaut
7
Insbesondere in den Suburbanisierungsgemeinden (mit durchschnittlich größeren Haushalten) könnten auch
Schwellenwerte von 2 oder darüber angesetzt werden (je nach gemeindespezifischer durchschnittlicher Haushaltsgröße). Der Einfachheit halber wird jedoch ein einheitlicher Schwellenwert verwendet, welcher sich am
Wert der geringsten Haushaltsgröße in Sachsen (also 1,8 Personen je Haushalt) orientiert.
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wurden als zusätzliche Einwohner hinzukamen. Der Schwellenwert von 1,8 zusätzlichen Einwohnern je zusätzlicher Wohneinheit wird also bei weitem nicht erreicht.
In Tabelle 1 sind die Kennziffern zu den 20 Gemeinden, welche das Kriterium der
Vorauswahl erfüllen, nochmals zusammengefasst. Tabelle 5 im Anhang enthält
nachrichtlich die Ergebnisse für die weiteren 21 wachsenden Gemeinden.
Tabelle 1:
Bevölkerungsentwicklung und Baufertigstellungen in
wachsenden Gememeinden in Sachsen 2011 bis 2014
Bevölkerungsentwicklung
09.05.2011 bis 31.12.2014
Wülknitz
Leipzig, Stadt
Schneeberg, Stadt
Taucha, Stadt
Freital, Stadt
Freiberg, Stadt
Dresden, Stadt
Rötha, Stadt
Chemnitz, Stadt
Schkeuditz, Stadt
Dohna, Stadt
Meißen, Stadt
Kreischa
Thiendorf
Königsbrück, Stadt
Pirna, Stadt
Radeberg, Stadt
Markkleeberg, Stadt
Weinböhla
Heidenau, Stadt
Sachsen
Deutschland
Veränderung des
Wohnungsbestands
2011-2014
zusätzliche
Einwohner je
zusätzlicher
Wohneinheit p.a.
Einwohner
Einwohner
p.a.
Wohneinheiten
Wohneinheiten p.a.
55
41.500
297
704
1.159
1.004
23.954
146
3.268
228
154
218
134
69
54
317
203
438
200
15
11.318
81
192
316
274
6.533
40
891
62
42
59
37
19
15
86
55
119
55
5
4.480
43
122
250
236
5.777
44
1.007
91
71
108
70
37
30
184
119
258
118
1,3
1.120,0
10,8
30,5
62,5
59,0
1.444,3
11,0
251,8
22,8
17,8
27,0
17,5
9,3
7,5
46,0
29,8
64,5
29,5
12,00
10,11
7,53
6,30
5,06
4,64
4,52
3,62
3,54
2,73
2,37
2,20
2,09
2,03
1,96
1,88
1,86
1,85
1,85
304
83
-60
-15,0
-5,53
-1.525
977.842
-416
266.684
16.390
843.718
4.097,5
210.929,5
1,26
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
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Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
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4.1.2 Ergebnis
In 389 der 430 Gemeinden im Freistaat Sachsen sank die Zahl der Einwohner. In
diesen kann eine Anspannung der Wohnungsmärkte ausgeschlossen werden. In
weiteren 21 wachsenden Gemeinden wuchs der Wohnungsbestand hinreichend
stark. Für das Einwohnerwachstum wurde also genügend „erforderlicher Wohnraum“ geschaffen.
In den verbleibenden 20 Städten und Gemeinden war dies nicht der Fall. Diese Gemeinden werden der vertieften Prüfung unterzogen. Dies sind: Die Stadt Dresden
mit sechs Kommunen im Umland; Leipzig mit vier weiteren Umlandkommunen sowie die Städte Chemnitz, Freiberg und Meißen. Zudem die Stadt Schneeberg im
Landkreis Zwickau, die Gemeinden Thiendorf, Weinböhla und Wülknitz im Landkreis Meißen sowie die Stadt Königsbrück im Landkreis Bautzen.8
Karte 4:
Vorauswahl
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
8
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Das die Gemeinden Wülknitz (+55 Einwohner) und die Stadt Schneeberg (+297) in der Vorauswahl sind, ist
überraschend. Wülknitz ist umgeben von schrumpfenden Gemeinden, bspw. Großenhain (-450), Groditz
(-480), Zeithain (-302) und der nah gelegenen Stadt Riesa (-1.528 Einwohner). Wülknitz hat weniger als 2.000
Einwohner und gerade einmal 260 Wohnungen in MFH. Ähnliches gilt für die Stadt Schneeberg Die Nachbargemeinden Bad Schlema und Zschorlau verlieren beide jeweils rd. -180, die Nachbarstadt Aue sogar -364 Einwohner. Thiendorf (+69), Königsbrück (+54) und Weinböhla (+200) sind dem Suburbanisierungsraum Dresden zuzurechnen.
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Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
4.2
Vertiefte Prüfung
Die vertiefte Prüfung erfolgt für die 20 Städte und Gemeinden der Vorauswahl.
4.2.1 Leerstand und Nachfrage
Als weiteren möglichen Indikator für einen angespannten Wohnungsmarkt benennt
der Gesetzgeber in § 556d BGB „einen geringen Leerstand bei hoher Nachfrage“.
Zunächst ist festzulegen, auf welche Wohnungen der Wohnungsleerstand bzw. die
Leerstandsquote zu bemessen ist. Da die Mietpreisbremse sich naturgemäß auf
Mietwohnungen bezieht, wäre hier eine Leerstandsquote der Mietwohnungen angemessen. Diese kann aber schon definitorisch nicht existieren, da der Typ der zukünftigen Bewohner (Miete oder Selbstnutzer) naturgemäß bei einer leer stehenden
Wohnung unbekannt sein muss. Die manchmal geäußerte Vermutung, dass die
Rechtsform (Teileigentum nach WEG oder nicht) Aufschluss auf den geplanten zukünftigen Nutzertyp hätte, ist falsch. Eigentumswohnungen können und werden
ebenso selbst genutzt wie vermietet.
Für zielführend halten wir hingegen den Gebäudetypus heranzuziehen und die Leerstandsquote für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (MFH) zu verwenden. Zwar
ließe sich argumentieren, dass auch Einfamilienhäuser vermietet werden können,
allerdings wird der weit überwiegende Teil der Einfamilienhäuser selbst genutzt. Da
die Fluktuation meist in selbst genutzten Einfamilienhäusern niedriger ist als in
Mietwohnungsbeständen, müsste bei einer Einbeziehung der Einfamilienhäuser
allerdings die notwendige Fluktuationsreserve niedriger angesetzt werden. Dies
hieße aber, dass angesichts der sehr deutlichen Unterschiede in der Zusammensetzung des Wohnungsbestandes (Einfamilienhaus vs. Geschosswohnungen) innerhalb
des Freistaates der notwendige Fluktuationsleerstand individuell für jeden Kreis
bzw. jede Gemeinde ermittelt werden müsste. Daher wird hier darauf verzichtet.
Der Gesetzgeber spricht von einem geringen Leerstand als möglichem Indikator und
bezieht sich damit mutmaßlich auf die Fluktuationsreserve an leer stehenden Wohnungen, die für die Funktionsfähigkeit eines Wohnungsmarktes notwendig ist. Die
Höhe der notwendigen Fluktuationsreserve wird allgemein mit 2 % bis höchstens
3 % angegeben. Ein niedrigerer Leerstand deutet dann auf einen angespannten
Wohnungsmarkt hin.
Mit dem Zensus 2011 liegen amtliche Zahlen zum Wohnungsleerstand in Deutschland vor. Diese Datenquelle ist einerseits hervorragend, da sie auf einer Vollerhebung beruht, andererseits aber wurden dort sämtliche Wohnungen bzw. Wohngebäude, die unbewohnt waren, als leer stehend gezählt. Dies schließt auch nicht bewohnbare Wohnungen wie beispielsweise Gebäude mit erheblichem Instandhaltungsstau bis hin zu Ruinen mit ein. Da der Anteil der bewohnbaren Wohnungen an
allen leer stehenden Wohnungen unbekannt ist und zudem eine Definition von „bewohnbar“ erfordern würde, schlagen wir einen erhöhten Mindestwert von 4 %
Leerstand vor. Dies wäre vielleicht in Städten mit hoher Nachfrage und hohen Mie-
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11
ten etwas üppig, da hier auch von einer hohen Investitionsneigung und entsprechend geringem Anteil unbewohnbarer Wohnungen auszugehen wäre.
Angesichts der dynamischen Entwicklung z.B. in Dresden, sind die Leerstandszahlen
des Zensus 2011 vom Stichtag 9. Mai 2011 zwischenzeitlich nicht mehr aktuell genug. In Ermangelung einer flächendeckenden amtlichen Datengrundlage9 erfolgt
daher eine Fortschreibung der amtlichen Zensusergebnisse. Die Fortschreibung
erfolgt mit dem CBRE-empirica-Leerstandsindex zumindest auf das Jahresende
2013.10 Der CBRE-empirica-Leerstandsindex gibt die Leerstandsquote von marktaktiven Geschosswohnungen zum Jahresende an und unterscheidet sich damit in seiner Grundgesamtheit vom Leerstand laut Zensus.11 Zudem liegt der Leerstandsindex
nur auf Kreisebene vor. Die im Folgenden verwendete Schätzung der Leerstandsquote aller Geschosswohnungen wurde durch die Fortschreibung der Leerstandsquote auf Ebene der Gemeinden laut Zensus 2011 mit der Veränderungsrate des
CBRE-empirica-Leerstandsindex zwischen Mitte 2011 (Mittelwert Jahresende 2010
und 2011) und Jahresende 2013 auf Kreisebene ermittelt, d.h. das Niveau stützt sich
weiterhin auf die Vollerhebung des Zensus. Diese Vorgehensweise halten wir trotz
des Wechsels der Grundgesamtheit noch für angemessen. Mögliche Fortschreibungsfehler werden sich aber über die Zeit kumulieren, sodass dieser Ansatz in fünf
oder mehr Jahren fehleranfälliger sein wird. Hier sollte der Gesetzgeber geeignete
Maßnahmen ergreifen, die Datengrundlage dauerhaft sicherzustellen.
9
10
11
Nur für die Städte Dresden und Leipzig liegen aktuelle kommunale Daten zum Wohnungsleerstand bis zum
Jahr 2014 vor. Die kommunale Statistikstelle bzw. das Amt für Statistik und Wahlen führen hier Leerstandsschätzungen durch. Die Ergebnisse werden weiter unten berücksichtigt.
Die Aktualisierung des CBRE-empirica-Leerstandsindex für das Jahr 2014 erfolgt erst zum Jahresende 2015.
Zur Methodik des CBRE-empirica-Leerstandsindex vgl. Exkurs.
Der marktaktive Leerstand umfasst leer stehende Wohnungen, die unmittelbar disponibel sind, sowie leer
stehende Wohnungen, die aufgrund von Mängeln derzeit nicht zur Vermietung anstehen, aber ggf. mittelfristig
aktivierbar wären (<6 Monate).
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12
Exkurs: CBRE-empirica-Leerstandsindex 2009-2013
Basis der Berechnungen sind Bewirtschaftungsdaten von CBRE (für ca. 800.000
Wohneinheiten). CBRE bewertet vor allem die großen Bestandshalter. Diese haben
in ihrem Portfolio tendenziell eher durchschnittliche bis unterdurchschnittliche
Qualitäten und weisen dementsprechend auch eher höhere Leerstände als der Gesamtmarkt auf. Außerdem ist die CBRE-Stichprobe nicht groß genug, um regional
flächendeckende Aussagen treffen zu können.
Deswegen werden die Ergebnisse aus den CBRE-Daten angereichert mit geschätzten
marktaktiven Leerständen. Basis dieser Schätzungen sind Regressionsergebnisse
zum Zusammenhang zwischen totalem und marktaktivem Leerstand auf Basis historischer Zeitreihen (Mikrozensus-Leerstände, empirica-Leerstandsindex und verschiedene weitere regionale Wohnungsmarktinformationen aus den Jahren 20052009). Bei großen Varianzen zwischen CBRE-Quoten, geschätzten Quoten und historischen Zeitreihen des empirica-Leerstandsindex (2005-2009) fließt zudem das
Expertenwissen von CBRE und empirica in die Schätzwerte des marktaktiven Leerstands mit ein.
Karte 5:
Marktaktiver Leerstand in Sachsen 2013
Quelle: CBRE-empirica-Leerstandsindex
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13
Die Erhebungen des Zensus 2011 haben die zum Teil erheblichen Wohnungsleerstände in Sachsen verdeutlicht, so standen in 45 Gemeinden mehr als 20 % der
Wohnungen in MFH leer. Die Ergebnisse der Fortschreibung der Zensusergebnisse
bis Ende 2013 zeigt Karte 6.
Karte 6:
Fortschreibung des Leerstands nach Zensus 2011 in Sachsen
bis Ende 2013
Quelle: Zensus 2011, CBRE-empirica-Leerstandsindex, eigene Berechnungen
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Dresden ist demnach die einzige Gemeinde bzw. Stadt in Sachsen mit einem
Mietwohnungsmarkt, in der der fortgeschriebene MFH-Leerstand knapp unter dem
Schwellenwert von 4 % liegt. Die Fortschreibung der Ergebnisse des Zensus 2011
anhand der Entwicklung des CBRE-empirica-Leerstandsindex ergibt für die Stadt
Dresden eine geschätzte Abnahme des Leerstands in MFH von 5,3 % im Mai 2011
auf 3,8 % Ende 2013.
Die Schätzungen der kommunalen Statistikstelle Dresden liegen hingegen deutlich
über diesen Werten. Demzufolge betrug der Leerstand in MFH in Dresden Ende
2011 9 % (alle Wohnungen 8,4 %) und Ende 2014 immer noch 7,3 % (insgesamt
6,8 %). Im Wohnungsmarktbericht der Landeshauptstadt Dresden 2014 wird, mit
Bezug auf den Leerstand im Jahr 2013 von 7,6 % insgesamt bzw. 8,1 % in MFH, der
„marktrelevante Wohnungsüberhang“ (Leerstand abzüglich unbewohnbarer Wohnungen) auf 8.500 Wohneinheiten beziffert und „für den gesamten Markt noch von
einem „mäßigen“ Überangebot gesprochen…“. Würden die Werte der Stadt Dresden
zugrunde gelegt, würde an dieser Stelle bereits ein angespannter Wohnungsmarkt in
Dresden verneint werden müssen.
empirica
14
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Tabelle 2:
Wohnungsleerstand in Sachsen und Deutschland 2011-2014
Leerstand in MFH
Zensus 2011
marktaktiver Leerstand CBREempirica-Leerstandsindex
in
im
Mitte 2011
Gemeinde Landkreis
2013
Fortschreibung
Leerstand MFH
Verände- bis Ende 2013
rung
Dresden, Stadt
Weinböhla
Radeberg, Stadt
Markkleeberg, Stadt
Freiberg, Stadt
Freital, Stadt
Thiendorf
Leipzig, Stadt
Heidenau, Stadt
Pirna, Stadt
Dohna, Stadt
Kreischa
Königsbrück, Stadt
Chemnitz, Stadt
Meißen, Stadt
Rötha, Stadt
Schkeuditz, Stadt
Schneeberg, Stadt
Taucha, Stadt
Wülknitz
5,3%
4,9%
7,9%
7,0%
8,4%
9,5%
9,9%
13,2%
10,2%
12,1%
12,8%
13,4%
14,3%
15,4%
15,3%
15,6%
16,2%
17,0%
17,2%
33,8%
5,3%
11,8%
9,4%
13,1%
13,3%
11,2%
11,8%
13,2%
11,2%
11,2%
11,2%
11,2%
9,4%
15,4%
11,8%
13,1%
13,4%
12,7%
13,4%
11,8%
3,1%
6,6%
7,2%
6,5%
7,8%
4,7%
6,6%
9,6%
4,6%
4,7%
4,7%
4,7%
7,2%
10,4%
6,6%
6,5%
9,8%
5,9%
9,8%
6,6%
2,2%
6,4%
6,7%
6,8%
7,9%
4,5%
6,4%
7,1%
4,5%
4,5%
4,5%
4,5%
6,7%
9,5%
6,4%
6,8%
10,2%
5,9%
10,2%
6,4%
-28,0%
-2,3%
-6,5%
5,2%
1,8%
-4,8%
-2,3%
-25,8%
-3,2%
-4,8%
-4,8%
-4,8%
-6,5%
-8,8%
-2,3%
5,2%
3,8%
0,6%
3,8%
-2,3%
3,8%
4,8%
7,4%
7,4%
8,6%
9,1%
9,7%
9,8%
9,9%
11,6%
12,2%
12,8%
13,3%
14,0%
15,0%
16,4%
16,9%
17,1%
17,8%
33,1%
Sachsen
Deutschland
12,2%
5,3%
12,2%
5,3%
7,3%
3,4%
6,8%
3,1%
-6,6%
-6,2%
11,4%
5,0%
Quelle: Zensus 2011, Statistisches
Leerstandsindex, eigene Berechnungen
Landesamt
des
Freistaates
Sachsen,
CBRE-empiricaempirica
In der Stadt Leipzig ist der Leerstand hingegen immer noch erheblich. Zum
Zensusstichtag betrug er 13,2 % der Wohnungen in MFH. Der marktaktive
Leerstand weist aber auch hier eine deutliche Dynamik auf (-25,8 %), sodass sich in
der Fortschreibung bis Ende 2013 ein MFH-Leerstand von 9,8 % ergibt. Auch die
kommunalen Schätzungen der Stadt Leipzig zeigen einen deutlichen Rückgang des
Leerstandes (alle Wohnungen). Demanch hat sich der Leerstand dort seit dem
Zensus 2011 bis Ende 2014 fast halbiert. Das Amt für Statistik und Wahlen geht
Ende 2014 noch von einem Leerstand von 6 % aus, was weiterhin einer Zahl von
rund 21.400 leer stehenden Wohnungen entspricht. Der Leerstand liegt in Leipzig
also sowohl in der Forschreibung mit dem CBRE-empirica-Leerstandsindex bis Ende
2013 als auch in den kommunalen Schätzungen Ende 2014 noch deutlich über dem
Schwellenwert von 4 %.
In der Gemeinde Weinböhla liegt der (fortgeschriebene) MFH-Leerstand mit 4,8 %
noch über dem Schwellenwert von 4 %. Angesichts des starken Leerstandsabbaus in
den Städten Dresden und Leipzig kann aber argumentiert werden, dass die
Leerstandsentwicklung in den umliegenden Landkreisen nicht gleichförmig erfolgt,
sondern in den an die Städte angrenzenden Gemeinden mit einem stärkeren
Rückgang zu rechnen ist, als in den weiter entfernt liegenden Gemeinden im
gleichen Landkreis. So ist beispielsweise der marktaktive Leerstand in der Stadt
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
15
Dresden von 3,1 % Mitte 2011 auf 2,2 % im Jahr 2013 gesunken (-28 %). Im
Landkreis Meißen hat sich der Leerstand derweil nur kaum verändert (von 6,6 %
auf 6,4 %). Im Landkreis Leipzig ist der Leerstand im Gegensatz zur Stadt Leipzig
sogar leicht gestiegen. In direkt an die Städte Dresden und Leipzig angrenzenden
Kommunen ist daher davon auszugehen, dass der Leerstand hier – entgegen des
Trends im Durchschnitt des Landkreises – ähnlich wie in den beiden Städten
ebenfalls gesunken ist. Leider liegen aber keine aktuelleren Leerstandsdaten für
diese Gemeinden vor, sodass eine verlässliche Fortschreibung nicht möglich ist.
Werden daher hilfsweise die Leerstandsquoten des Zensus 2011 in den Gemeinden
im Dresdener bzw. Leipziger Umland mit der Entwicklung in der Stadt Dresden
(-28,0 %) bzw. Leipzig (-25,8 %) fortgeschrieben, so würde der Leerstand in
Weinböhla bei 3,5 % liegen und damit weniger als der Schwellenwert von 4 %. Eine
solche Schätzung kann zwar nur als eine Untergrenze bewertet werden. Sie zeigt
aber zum einen, dass verlässliche, amtliche Datengrundlagen vonnöten sind. Zum
Zweiten aber sollte Weinböhla bei den anderen Indikatoren besonders beachtet
werden. In den weiteren Umlandstädten und -gemeinden liegt der Leerstand auch
bei dieser Abschätzung einer Untergrenze weiterhin deutlich über dem Schwellenwert.
Für sich genommen reicht allerdings ein Leerstand von unter 4 % in Dresden und
möglicherweise in Weinböhla noch nicht aus, um einen angespannten Wohnungsmarkt zu diagnostizieren. Der Gesetzgeber hat in § 556d BGB nicht nur einen geringen Leerstand als Kriterium vorgeschlagen, sondern einschränkend einen „geringen
Leerstand bei hoher Nachfrage“. Die Formulierung „hohe Nachfrage“ ist dabei aber
wenig hilfreich, da in großen Städten die Wohnungsnachfrage – wie auch das Angebot an Wohnungen - stets höher sein wird als in kleinen Städten.12 Es ist zu vermuten, dass hier der Gesetzgeber eher umgangssprachlich formuliert hat und deutlich
machen wollte, dass ein niedriger Leerstand für sich genommen noch keinen angespannten Wohnungsmarkt sicher identifiziert. Dem ist zuzustimmen, da ein niedriger Leerstand auch auf einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt hindeuten könnte.
Abgesehen von Dresden und möglicherweise Weinböhla liegt der aktuelle Wohnungsleerstand in weiteren 15 Gemeinden unterhalb von 4 %, die aber nicht das
Vorauswahlkriterium erfüllten. Auch in diesen Gemeinden kann daher nicht von
einem angespannten Wohnungsmarkt ausgegangen werden, da ein niedriger Leerstand alleine nicht ausreichend ist. Zudem handelt es sich um sieben sehr kleine
Gemeinden fast ohne jeglichen MFH-Bestand sowie acht weitere kleine Gemeinden
mit weniger als 6.000 Einwohnern und sehr geringem MFH-Bestand. In diesen Gemeinden kann daher nicht einmal vom Vorhandensein eines Mietwohnungsmarktes
gesprochen werden, hier wird die Wohnraumversorgung über selbstgenutzte Einfamilienhäuser sichergestellt.
12
Ohnehin kann die Nachfrage nach Wohnungen in einer Stadt niemals genau beziffert werden, da Nachfrage
immer größer als die Zahl der Einwohner oder der Haushalte sein wird. Nicht erfasst wird und nicht erfasst
werden kann die unbefriedigte Nachfrage, d.h. die Personen oder Haushalte, die eine Wohnung suchen, aber
dort derzeit nicht über eine verfügen. Gerade diese unbefriedigte aber nicht beobachtbare Nachfrage muss die
Kernzielgruppe der Wohnungspolitik sein.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
16
4.2.2 Miethöhe und -entwicklung
Als weiteres mögliches Kriterium für einen angespannten Wohnungsmarkt schlägt
der Gesetzgeber einen deutlich überdurchschnittlichen Mietpreisanstieg vor.
Zunächst ist festzulegen, welche Mietendefinition hier geeignet zugrunde gelegt
werden sollte. Da sich die Mietpreisbremse auf die Nettokaltmiete ohne Nebenkosten bezieht und nur diese begrenzt wird, wird auch hier auf die Kaltmiete Bezug
genommen. Zudem werden durch die Mietpreisbremse nur Neuvertragsmieten begrenzt. Diese sind ohnehin besser geeignet die aktuelle Marktlage und -entwicklung
zu beurteilen als Bestandsmieten, d.h. Mieten aus bestehenden Mietverträgen, die in
der Vergangenheit abgeschlossen wurden und somit vergangene Marktverhältnisse
widerspiegeln. Außerdem ist die Datenlage für Neuvertragsmieten deutlich besser.
Zwar sind die tatsächlich zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarten Mieten
grundsätzlich nur den Beteiligten bekannt. Verfügbar sind allerdings die Angaben
aus veröffentlichten Wohnungsanzeigen, die in der empirica-Preisdatenbank gesammelt vorliegen (vgl. Exkurs) und auch für andere Zwecke Verwendung finden
(z.B. Bestimmung der Angemessenheitskriterien für die Übernahme der Kosten der
Unterkunft).
Zur Aggregierung der Mietpreisverteilung auf einen Wert wird hier auf den einfachen Median Bezug genommen, der im Gegensatz zum Mittelwert nur geringfügig
durch einzelne Ausreißer verzerrt wird13. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und
Interpretierbarkeit wurde auf die Verwendung ebenfalls vorliegender hedonischer
Mietpreise verzichtet, auch wenn dadurch Veränderungen in der Angebotsstruktur
reine Scheinveränderungen anzeigen können.
Der bundesweite Median und der Median für den Freistaat Sachsen wurden – zum
Ausgleich von möglicherweise regional unterschiedlichen Erfassungsquoten – über
eine haushaltsgewichtete Aggregation der Kreisergebnisse gebildet.
Die Mietpreise werden für den aktuellen Datenrand und für den Zeitvergleich der
Entwicklung für einen früheren Zeitpunkt ausgewertet. Die Auswertung erfolgt auf
der Ebene der Gemeinden. Da viele Gemeinden in Sachsen jedoch zum einen sehr
klein und zum anderen sehr ländlich und vom Ein-und Zweifamilienhausbestand
geprägt sind, d.h. dass kaum Mietwohnungen vorhanden sind, wird als aktueller
Datenrand das erste Halbjahr 2015 und das Kalenderjahr 2014 zusammengefasst
und als zweiter Zeitraum die Kalenderjahre 2012 und 2013. Zwar werden üblicherweise Wachstumsraten auf Jahresbasis gerechnet, allerdings können aufgrund unterschiedlicher Zusammensetzung der angebotenen Wohnungen gerade auf kleiner
13
Der Median ist ein statistisches Maß zur Bestimmung eines Mittelwerts: Er stellt den mittleren Wert aller
Beobachtungen dar. Er liegt per Definition immer so, dass genau eine Hälfte aller Beobachtungen darüber und
eine Hälfte darunter liegt.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
17
Gemeindeebene Jahresergebnisse leicht erratisch schwanken, sodass hier zusammengefasste Jahre bzw. Quartale zugrunde gelegt werden.14
Exkurs: empirica-Preisdatenbank
Die empirica-Preisdatenbank enthält Kaufpreise und Mieten öffentlich inserierter
Wohnungen. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Analyse von Immobilienanzeigen, die allerdings nicht per Hand, sondern automatisiert durchgeführt wird: Die
Daten stammen aus einschlägigen Immobilienportalen und Online-Seiten von
Printmedien, über die Wohnungs- und Gewerbeimmobilien zum Kauf oder zur Miete
angeboten werden. Es fließen also nicht nur Immobilienangebote von einer bestimmten Internetplattform, sondern von mehreren ein, und zudem auch noch Angebote aus diversen lokalen, regionalen und überregionalen Zeitungen in Deutschland. Bereits seit 2004 werden die Immobilienangebote täglich deutschlandweit
online eingelesen und professionell aufbereitet, seit 2012 durch die Tochterfirma
empirica-systeme. Im Laufe der Jahre ist so eine der größten Sammlungen von Immobilieninseraten in Deutschland entstanden. Ein Qualitätsmerkmal der Datenbank
ist die professionelle Dopplerbereinigung: Ziel der Bereinigung ist, Immobilienanzeigen, die in verschiedenen Medien gleichzeitig (Querschnitt) und/oder über einen
längeren Zeitraum (Längsschnitt) angeboten werden, nur einmal, und zwar nur zu
dem im jeweils betrachteten Zeitraum zuletzt genannten Preis, in die Datenbank
aufzunehmen. Hintergrund ist, dass Mietwohnungsangebote meist solange inseriert
werden, bis sich ein Mieter gefunden hat, so dass für die Miete in der zuletzt erschienenen Wohnungsanzeige vermutlich ein Mieter gefunden wurde. In diesen Fällen handelt es sich bei der Miete, die in der empirica-Preisdatenbank enthalten ist,
nicht nur um eine theoretische Angebotsmiete (die der Vermieter gerne erzielen
würde), sondern um die tatsächliche Neuvertragsmiete (die ein Mieter bereit war zu
zahlen), also um eine Marktmiete, wie sie aus dem Zusammenspiel von Angebot und
Nachfrage zustande kam.
Die empirica-Preisdatenbank fand bereits bei der Erstellung des „Mietgutachtens“
im Jahr 2014 Verwendung und hat sich dort als verlässlich erwiesen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die korrekte Zuordnung aller Annoncen auf die korrekte Gemeinde/Ortschaft – eine der Schwachpunkte des IDN Datensatzes und Ursache dafür, dass empirica seit dem Jahr 2012 eine eigene Erhebung durchführt.
14
In 262 der 430 Gemeinden in Sachsen beträgt der Wohnungsbestand in MFH weniger als 1.000 Wohnungen, in
179 Gemeinden sogar nur bis zu 500 Wohnungen. Bezogen auf den Gesamtwohnungsbestand ist gerade in einem Drittel der Gemeinden der MFH-Anteil größer als 50 %. Dies gilt auch für die zwei Gemeinden in der Vorauswahl (Wülknitz mit 260 Wohnungen in MFH – dies entspricht 30 % und Thiendorf mit 185 Wohnungen in
MFH – 18 %). Um auch für diese Gemeinden Aussagen treffen zu können, wurden analog zum „Mietgutachten
Sachsen“ die 59 SAB-Wohnungsmarktregionen ausgewertet (vgl. Anhang).
empirica
18
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Der Median der Neuvertragsmieten (nettokalt), d.h. der Mieten, die bei einer Neuanmietung auf dem freien Wohnungsmarkt gefordert wurden, betrug in Sachsen im
Zeitraum 1.1.2014 bis 30.06.2015 5,23 €/m². Die mittlere Miethöhe lag im Freistaat
damit weiterhin deutlich unter dem bundesweiten Wert von 6,85 €/m².15
Die Unterschiede innerhalb des Freistaats sind erheblich. Die Stadt Radebeul ist die
einzige Gemeinde in Sachsen, in der das mittlere Mietniveau mit 7,00 €/m² höher ist
als im Bundesdurchschnitt. In der Stadt Dresden liegt es mit 6,79 €/m² hingegen
leicht darunter. Deutlich geringer ist die mittlere Neuvertragsmiete hingegen in den
Städten Leipzig (5,49 €/m²) oder Chemnitz (5,00 €/m²). Das Mietniveau fällt – insbesondere ausgehend vom Großraum Dresden – in die peripher gelegenen Regionen
hin ab (Karte 7). Am geringsten ist es im Osten und Südwesten des Freistaates. In
der Stadt Plauen beträgt es zum Beispiel gerade einmal rd. 4,20 €/m² und in Zittau
4,35 €/m².
Karte 7:
Neuvertragsmieten in Sachsen, 2014 – 1. Halbjahr 2015
Anmerkung: Darstellung nur bei mindestens 30 Fällen. Darstellung auf Ebene der SABWohnungsmarktregionen vgl. Karte 11 im Anhang.
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
empirica
Der Anstieg der Neuvertragsmieten zwischen 2012/13 und 2014/15 war in Sachsen
im Landesdurchschnitt mit +3,5 % im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt
von +5,4 % unterdurchschnittlich. In den ländlich geprägten Teilen des Freistaats
15
Der Abstand zum Bundesdurchschnitt hat sich im Vergleich zum „Mietgutachten Sachsen“ sogar vergrößert. In
der Auswertung der ersten drei Quartale 2013 lag die Medianmiete in Deutschland 23 % über dem sächsischen
Mittel, nun sind es 31 %.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
19
sind die Mieten in weiten Teilen zuletzt unverändert geblieben oder sogar von niedrigem Niveau aus nochmals (leicht) gesunken.
Karte 8:
Prozentuale Veränderung der mittleren Neuvertragsmieten in
Sachsen, 2012 bis 2015
Anmerkung: Darstellung nur bei mindestens 30 Fällen. Darstellung auf Ebene der SABWohnungsmarktregionen vgl. Karte 12 im Anhang.
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
empirica
In der folgenden Tabelle sind die relevanten Mietpreisdaten für die 20 Gemeinden
der Vorauswahl zusammengefasst. Neben dem Mietniveau 2013/14 und der relativen Veränderung seit 2012/13 wird auch die absolute Veränderung dargestellt.
Wird als „deutlich stärkerer Anstieg“ eine Wachstumsrate von mehr als 120 % des
bundesweiten Mittels definiert (Wachstumsindex), so fallen in der Betrachtung des
relativen Anstiegs des Mietniveaus die Städte Dresden und Leipzig in diese Kategorie.
Der Gesetzgeber hat zwar einen „deutlich überdurchschnittlichen Mietpreisanstieg“
als mögliches Kriterium formuliert. Dies aber ist für sich genommen wenig zielführend. Gerade aufgrund des in Sachsen vielerorts geringen Ausgangsniveaus führen
auch geringere absolute Anstiege zu überdurchschnittlichen Anstiegen. Der Anstieg,
beispielweise in der südwestlich von Chemnitz gelegenen Stadt Zwönitz, von
4,59 €/m² auf 4,98 €/m² ist mit +39 Cent/m² nur etwas höher als im Bundesdurchschnitt (+35 Cent/m²). Aufgrund des geringen Ausgangsniveaus ist der Anstieg mit
+8,5 % jedoch deutlich überdurchschnittlich. Ähnlich verhält es sich mit dem Anstieg in der Stadt Leipzig. Auch hier ist das Mietniveau von 2012/13 bis 2014/15 um
durchschnittliche +39 Cent/m² aber überdurchschnittliche +7,6 % gestiegen.
empirica
20
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Im Ergebnis ist das vom Gesetzgeber genannte Kriterium eines überdurchschnittlichen Mietpreisanstiegs für sich genommen kein geeignetes Kriterium zur Identifizierung eines angespannten Wohnungsmarktes, da die Ausgangsbasis dabei vernachlässigt wird. Dies gilt auch, da ansonsten auf tatsächlich angespannten Wohnungsmärkten mit (sehr) hohem Mietniveau aber geringen Steigerungsraten fälschlicherweise nicht als angespannt identifiziert werden würden.
Tabelle 3:
Nettokaltmieten in Sachsen und Deutschland 2012-2015 mit
Niveau- und Wachstumsindex
Neuvertragsmieten (nettokalt)
Median (Euro/m²)
Dresden, Stadt
Weinböhla
Markkleeberg, Stadt
Taucha, Stadt
Radeberg, Stadt
Freiberg, Stadt
Dohna, Stadt
Heidenau, Stadt
Leipzig, Stadt
Pirna, Stadt
Freital, Stadt
Königsbrück, Stadt
Chemnitz, Stadt
Meißen, Stadt
Schkeuditz, Stadt
Rötha, Stadt
Schneeberg, Stadt
Kreischa*
Wülknitz**
Thiendorf**
Sachsen
Deutschland
Entwicklung 2012 bis 2015
2012/2013
2014/1.Hj.
2015
Niveau-Index
D=100
2014/1.Hj. 2015
in %
in %
WachstumsIndex D=100
in Euro/m²
in Euro/m²
WachstumsIndex D=100
6,35
5,92
5,68
5,26
5,43
5,49
5,39
5,18
5,10
5,20
5,01
4,98
4,90
4,92
4,95
4,27
4,50
(6,83)
4,88
4,88
6,79
6,14
5,96
5,53
5,51
5,50
5,50
5,50
5,49
5,40
5,31
5,08
5,00
5,00
5,00
4,53
4,50
(6,14)
5,00
4,82
99
90
87
81
80
80
80
80
80
79
78
74
73
73
73
66
66
(90)
73
70
+6,9%
+3,7%
+4,9%
+5,1%
+1,5%
+0,2%
+2,0%
+6,2%
+7,6%
+3,8%
+6,0%
+2,0%
+2,0%
+1,6%
+1,0%
+6,1%
+0,0%
(-10,1%)
+2,5%
-1,2%
127
68
91
94
27
3
38
114
141
71
110
37
38
30
19
112
0
(-186)
45
-23
+0,44
+0,22
+0,28
+0,27
+0,08
+0,01
+0,11
+0,32
+0,39
+0,20
+0,30
+0,10
+0,10
+0,08
+0,05
+0,26
+0,00
(-0,69)
+0,12
-0,06
125
62
79
76
23
3
31
91
110
57
85
28
28
23
14
74
0
(-195)
34
-17
5,05
6,49
5,23
6,85
76
100
+3,5%
+5,4%
65
100
+0,18
+0,35
50
100
* Werte stark verzerrt durch Luxusprojekt
** Für die Gemeinden Wülknitz und Thiendorf können auf Grund der geringen Fallzahl (<30) keine
Angaben gemacht werden – anstelle dessen werden die Ergebnisse für die SAB-Wohnungsmarktregion
ausgewiesen
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
empirica
Zwar mögen steigende Mieten in den entsprechenden Gemeinden und Städten eine
lebhafte Diskussion auslösen und möglicherweise auch Verhaltensänderungen in
der Wohnungswahl nach sich ziehen. Gleichwohl sind steigende Mieten für sich genommen kein geeigneter Indikator für einen angespannten Wohnungsmarkt, sondern bestenfalls für einen sich anspannenden Wohnungsmarkt. Der Begriff des „angespannten Wohnungsmarktes“ beschreibt einen Zustand und nicht eine Entwicklung und kann daher nicht durch einen dynamischen Indikator beschrieben werden,
sondern nur durch einen Niveauindikator.
Dies legt nahe, die Miethöhe selbst und nicht ihre Entwicklung als Indikator heranzuziehen. Würde auch hier ein Übersteigen des bundesdeutschen Mittelwertes um
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
21
20 % als „deutlich“ erhöht gewertet, so würde dies für keine einzige Gemeinde im
Freistaat Sachsen gelten. In der teuersten Stadt in Sachsen, in Radebeul (nicht in der
Vorauswahl), liegt das Mietniveau mit 7,00 Euro/m² gerade einmal 2 % über dem
Bundesdurchschnitt.
Gegen die Verwendung des Indikators „überdurchschnittliche Miethöhe“ aber
spricht, dass damit praktisch ausschließlich in größeren Städten und verstädterten
Räumen ein angespannter Wohnungsmarkt existieren könnte, da allein schon aufgrund höherer Bauland- und damit Baukosten zwischen größeren Städten und ländlichen Regionen stets ein Mietpreisgefälle existieren muss.
Gegen die Verwendung der einfachen Miethöhe bzw. seiner Abweichung vom Bundesdurchschnitt spricht außerdem, dass höhere Mieten für sich genommen noch
nicht unangemessen sein müssen, wenn den hohen Mieten auch hohe Einkommen
gegenüberstehen. Wohnraum bzw. Mieten sind ein lokales Gut und Preise für lokale
Güter richten sich stets am lokalen Einkommen bzw. Lohnsatz aus (vgl. die Literatur
um die Balassa-Samuelson-Bedingung16 bzw. zu Kaufkraftparitäten).
4.2.3 Mietbelastung
Möglicherweise hat der Gesetzgeber den Zusammenhang zwischen Einkommen und
Preisen vor Augen gehabt, als er als weiteres mögliches Kriterium eine überdurchschnittliche Mietbelastung der Haushalte aufführte.
Auch dieses Kriterium bedarf der Konkretisierung. Nach unserer Auffassung ist die
Mietbelastung zu berechnen, die sich bei der Neuanmietung einer Wohnung heute
ergeben würde. Wie bereits argumentiert, ist die Neuvertragsmiete (Angebotsmiete)
entscheidend zur Beurteilung der aktuellen Anspannung des Wohnungsmarktes und
nicht die Bestandsmiete, die die vergangenen Marktsituationen wiedergibt. Als
Miethöhe zur Berechnung der Mietbelastung werden also wieder die Angebotsmieten aus der empirica-Preisdatenbank für das 1. Halbjahr 2015 und das Jahr 2014
verwendet. Die Mietbelastung allerdings bezieht sich auf die Wohnungsmiete insgesamt und nicht auf die Miete pro Quadratmeter. Die Wohnungsmiete insgesamt wird
berechnet, indem die Medianmiete je Quadratmeter mit der Mediangröße der angebotenen Wohnungen multipliziert wird, jeweils auf Gemeindeebene. Damit werden
unterschiedliche durchschnittliche Wohnungsgrößen zwischen den Gemeinden zugelassen. Zwar ließe sich hier argumentieren, dass dann eine regional hohe Mietbelastung auch dadurch entstehen kann, da die Wohnflächen dort besonders groß
sind. Dies aber halten wir für gerechtfertigt, da die Nachfrager nun einmal auf das
regional unterschiedliche verfügbare Wohnungsangebot zurückgreifen müssen. Die
Bezugnahme auf die durchschnittliche Wohnung und das durchschnittliche Einkommen ist zudem angemessen, da die Lage auf dem Wohnungsmarkt untersucht
16
BALASSA, Bela (1964): The Purchasing Power Parity Doctrine: A Reappraisal. In: Journal of Political Economy, Vol.
72, No 6: S. 584-596.
SAMUELSON, Paul A. (1964): Theoretical Notes on Trade Problems. In: Review of Economics and Statistics, Vol. 46,
No. 2: S. 145-54.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
22
werden soll und nicht etwa die Belastung besonderer Bevölkerungsgruppen (z.B.
Einkommensarme). Dies entspricht auch der Rechtsprechung (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss des 2. Senats vom 04.02.1975 – 2 BvL 5/74).
Diese „Gesamtmiete“ (nettokalt) wird anschließend in Bezug zum Einkommen gesetzt. Im Gesetz wird dabei explizit auf die Einkommen der Haushalte verwiesen.
Das lokale Haushaltseinkommen ist als mittleres verfügbares Einkommen der privaten Haushalte aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder (VGRdL)
verfügbar und beschreibt das Einkommen als Summe aller Einkommensarten (Löhne, Vermögenseinkommen, staatliche Transfers) abzgl. direkter Steuern und Abgaben. Der aktuelle Datenrand auf Kreisebene ist das Jahr 2012. Diese Daten werden
anhand der bereits veröffentlichten Länderergebnisse auf das Jahr 2014 fortgeschrieben. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte wird je Einwohner
und nicht je Haushalt berechnet, sodass die Mietbelastung zunächst in der nicht interpretierbaren Einheit „Miete pro Einkommen pro Person“ ausgewiesen wird. Da
aber das letztendliche Kriterium die Abweichung der Mietbelastungsquote vom
bundesdeutschen Mittelwert ist, spielt dies keine Rolle.
Da keine amtlichen Daten zum Einkommen auf Gemeindeebene vorhanden sind,
werden die Kreisergebnisse17 zum Einkommen anhand der Lohn- und Einkommenssteuerstatistik auf die Ebene der Gemeinden heruntergebrochen. Diese weist die zu
versteuernden Einkünfte der Steuerpflichtigen auf Gemeindeebene aus. Die Einkommenssteuerstatistik wird zwar nur alle drei Jahre und mit erheblichem Zeitverzug erstellt (seit November 2014 ist sie für das Veranlagungsjahr 2010 verfügbar),
ein Vergleich der Einkommensrelationen zwischen den Gemeinden in den Jahren
2007 und 2010 zeigt jedoch, dass sich diese kaum verändert haben.18 Es ist also davon auszugehen, dass sie sich auch seit dem Jahr 2010 nicht gravierend verschoben
haben. Die verfügbaren Einkommen auf Gemeindeebene ergeben sich dann aus den
Kreisergebnissen und Auf- bzw. Abschlägen entsprechend der Abweichung des
durchschnittlichen Gesamtbetrags der Einkünfte abzgl. Einkommenssteuer (Euro je
Steuerpflichtigen) in den Gemeinden vom jeweiligen Durchschnitt im Landkreis.
Im Durchschnitt liegt das verfügbare Einkommen je Einwohner in Sachsen in der
Fortschreibung bis 2014 bei 18.755 €. Dies entspricht einem Indexwert von 87 (Index Deutschland=100). Die Einkommen liegen in Sachsen demnach 13 % unter dem
Bundesdurchschnitt. Karte 9 zeigt das Ergebnis für die 430 Gemeinden in Sachsen.
Insbesondere in den Suburbanisierungsgebieten der Städte Dresden und Leipzig
sind die Einkommen überdurchschnittlich hoch. Am höchsten sind sie in Kreischa,
Machern, Markkleeberg und Moritzburg. In den peripheren Regionen des Freistaats
sind die Einkommen hingegen unterdurchschnittlich.
17
18
Vgl. Karte 14 im Anhang.
Einen zeitlichen Vergleich der Abweichung der Gemeinden vom jeweiligen Landkreisdurchschnitt im Freistaat
Sachsen zeigt Abbildung 1 im Anhang.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Karte 9:
23
Verfügbares Einkommen je Einwohner in Sachsen,
Fortschreibung 2014 – Index Deutschland=100
Quelle: VGRdL, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
empirica
Die Mietbelastung wird schließlich durch die Division der „Gesamtmiete“ (nettokalt)
durch das verfügbare Einkommen gebildet, wobei die Miete durch die Multiplikation
mit 12 auf eine Jahresmiete umgerechnet wurde, und schließlich mit der analog berechneten bundesdeutschen Mietbelastungsquote ins Verhältnis gesetzt wird.
Das Ergebnis lässt sich wie folgt interpretieren: Die Mietbelastung des durchschnittlichen Haushalts (mit lokal durchschnittlicher Haushaltsgröße und lokal durchschnittlicher Wohnungsgröße und lokal durchschnittlichem Einkommen) ist um x %
höher/niedriger durch die Nettokaltmiete belastet als der durchschnittliche Haushalt in Deutschland insgesamt.
Der Schwellenwert für die geforderte überdurchschnittliche Belastung der Einkommen wird wiederum bei 20 % angesetzt (also z.B. statt 20 % eine Mietbelastungsquote von 24 %). Die Städte und Gemeinden in Sachsen sind jedoch alle weit von
einem solchen Wert entfernt. Am höchsten ist die Mietbelastung der Einkommen in
der Stadt Dresden. Hier liegt sie mit einem Indexwert von 95 jedoch trotzdem sogar
leicht unter dem Bundesdurchschnitt (vgl. letzte Spalte in Tabelle 4). Dies deckt sich
auch mit den Angaben im Wohnungsmarktbericht der Landeshauptstadt Dresden
2014. Demzufolge betrug die Wohnkostenbelastung der Mieter in Dresden im Jahr
2012 30 % und lag 2014 dann „etwa im Bereich des deutschen Mittelwerts von 33
Prozent“.
empirica
24
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
An zweiter Stelle folgt bei den Gemeinden der Vorauswahl die Stadt Heidenau mit
einem Indexwert von 87, also einer um 13 % geringeren Mietbelastung als im Vergleich zum bundesweiten Wert. Dies entspricht auch ungefähr der Mietbelastung in
der vom Mietniveau her teuersten Stadt in Sachsen, Radebeul (Indexwert von 86),
wo die Mieten, gleichzeitig aber auch die Einkommen höher sind. Genauso hoch ist
die Einkommensbelastung in der Stadt Leipzig, wo zwar die Einkommen, aber auch
die Mieten niedriger als in Radebeul sind.19 In der Gemeinde Weinböhla mit einem
möglicherweise geringen Leerstand ist die Mietbelastung bei nur gut Zweidrittel des
Bundesdurchschnitts gering.
Tabelle 4:
Verfügbares Einkommnen und Mietbelastung in Sachsen und
Deutschland 2014/2015
Index D=100
Verfügb. EK der
privaten Haushalte je
Einwohner
Jahresmiete
(nettokalt) für
Durchschnittswohnung vor Ort
Mietbelastung der
Einkommen je
Einwohner
Dresden, Stadt
Heidenau, Stadt
Leipzig, Stadt
Thiendorf*
Meißen, Stadt
Freiberg, Stadt
Pirna, Stadt
Wülknitz*
Schneeberg, Stadt
Königsbrück, Stadt
Radeberg, Stadt
Weinböhla
Dohna, Stadt
Chemnitz, Stadt
Freital, Stadt
Markkleeberg, Stadt
Taucha, Stadt
Schkeuditz, Stadt
Rötha, Stadt
Kreischa
86
78
82
82
80
92
85
84
85
89
100
103
102
91
94
118
105
96
97
124
82
68
70
66
64
72
67
64
64
63
69
71
68
61
63
77
68
62
58
73
95
87
86
81
79
78
78
76
75
71
69
68
67
67
67
65
65
64
60
59
Sachsen
Deutschland
87
100
66
100
75
100
* Mietdaten für die SAB-Wohnungsmarktregion.
Quelle: VGRdL, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme), eigene Berechnungen
empirica
19
Die Gesamtmietbelastung betrug in Leipzig laut „Monitoringbericht Wohnen“ im Jahr 2013 35 % (basierend auf
der kommunalen Bürgerumfrage). Die Mietbelastung ist in Leipzig damit in den letzten Jahren stabil (im Jahr
2008 betrug sie mit 33 % nur unwesentlich weniger). Gestiegene Mieten werden also durch steigende Einkommen kompensiert.
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
4.3
25
Untersuchung unterhalb der Gemeindeebene
Der Gesetzgeber bezieht sich in § 556d BGB bei dem Begriff „angespannter Wohnungsmarkt“ nicht nur auf Gemeinden, sondern auch auf Teile von Gemeinden.
Fragwürdig ist dabei jedoch, ob überhaupt ein angespannter Wohnungsmarkt in
Teilen einer Stadt existieren kann, während in anderen Teilen der Wohnungsmarkt
nicht angespannt ist. Eine solche Sichtweise berücksichtigt nicht die möglichen
Ausweichreaktionen der wohnungsnachfragenden Haushalte.20 Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn die Haushalte ohnehin auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind und daher ohnehin umziehen wollen – und nur auf diese bezieht sich die
Mietpreisbremse.
Auftragsgemäß untersuchen wir dennoch diese Fragestellung für die beiden großen
kreisfreien Städte Dresden und Leipzig weiter. Für die anderen 428 Gemeinden in
Sachsen wäre dies schon aufgrund ihrer Größe unergiebig.21 Hinzu kommt, dass
Daten zur Berechnung von Indikatoren unterhalb der Ebene der Gemeinden kaum
verfügbar sind.
Für die Städte Dresden und Leipzig liegen Informationen zu den Wohnungsleerständen für die Ortsteile aus den kommunalen Schätzungen vor. Die innerstädtischen Unterschiede der Leerstände sind in beiden Städten erheblich. In Dresden
betrug der MFH-Leerstand Ende 2014 gemäß kommunaler Schätzungen 7,3 %. In elf
der 61 Stadteile war der Lerstand mit über 15 % doppelt so hoch. Im innerstädtischen Bereich und südlich hiervon war der Leerstand hingegen deutlich
geringer. In fünf Ortseilen betrug er weniger als 4 %. Ähnliche Unterschiede ergeben
sich für die Stadt Leipzig. Dort weist die kommunale Schätzung Ende 2013
insgesamt einen Wohnungsleerstand von 6 % aus. Südlich des Stadtbezirks Mitte
und im Stadtbezirk Süd beträgt der Leerstand unter 3 %, während in anderen
Ortsteilen der Stadt noch eine erhebliche Anzahl an Wohnungen leer standen.
Ebenso unterscheiden sich die Neuvertragsmieten (Median – nettokalt) innerhalb
der beiden Städte. In Dresden (im Mittel der Gesamtstadt 6,79 €/m²) reicht das
Mietniveau von 5,60 €/m² im Postleitzahlenbezirk 01169 (dieser liegt im westlichen
Teil der Stadt und umfasst vor allem den Stadtteil Gobitz) bis 7,98 €/m² im PLZBezirk 01326 (dieser PLZ-Bezirk liegt rechts der Elbe und umfasst unter anderem
die Ortsteile Loschwitz und Wachwitz). In Leipzig (im Mittel 5,49 €/m²) besteht ein
Gefälle des Mietniveaus ausgehend vom Stadtzentrum mit rd. 7,00 €/m² bis
4,70 €/m² und weniger im Stadtbezirk West und im östlich der Stadt gelegenen PLZBezirk 04329 (Paunsdorf und Heiterblick). Diese Unterschiede innerhalb der beiden
Städte sind zum einen bedingt durch die unterschiedlichen Qualitäten der innerstädtischen Wohnungsbestände und zum anderen spiegeln sie u.a. die kleinräumige Attraktivität der Lagen wider.
20
21
In Städten wie Dresden, Leipzig oder sogar im deutlich größeren Berlin gelten beispielsweise Mietobergrenzen
für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung von Bedarfsgemeinschaften nach SGB II und XII einheitlich für das
jeweilige gesamte Stadtgebiet.
Bereits die Auswertungen im Rahmen des „Mietgutachten Sachsen“ haben gezeigt, dass die Unterschiede des
Mietniveaus innerhalb der kreisfreien Stadt Chemnitz und auch in Zwickau, der größten kreisangehörigen
Stadt, im Vergleich zu den Städten Dresden und Leipzig nur geringfügig sind.
empirica
26
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Karte 10:
Neuvertragsmieten in Dresden und Leipzig (PLZ-Gebiete),
2014 – 1. Halbjahr 2015
Dresden (Ø 6,79 Euro/m²)
Leipzig (Ø 5,49 Euro/m²)
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
empirica
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
27
Den unterschiedlichen Miethöhen stehen gleichzeitig unterschiedlich hohe Einkommen gegenüber. Unterhalb der Gemeindeebene liegen hierzu keine amtlichen
Daten vor. In Dresden und Leipzig werden jedoch regelmäßig kommunale Bürgerbefragungen durchgeführt, wobei unter anderem auch die Einkommen abgefragt werden. Die Ergebnisse zu den Nettoeinkommen weichen dabei deutlich von den oben
zur Berechnung der Mietbelastung verwendeten verfügbaren Einkommen gemäß
der VGRdL ab und sind somit nur bedingt vergleichbar.22 Die innerstädtischen
Strukturen der Nettoeinkommen lassen sich jedoch anhand der Abweichung vom
jeweils gesamtstädtischen Mittel auf die verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen gemäß
VGRdL übertragen.
Laut Kommunaler Bürgerumfrage 2014 der Landeshauptstadt Dresden betrug das
Haushaltseinkommen in Dresden im Median 1.888 € (Februar 2014). Am höchsten
war es mit 2.570 € im Stadtraum 7 (Ortsamt Loschwitz und Ortschaft SchönfeldWeißig). In den Stadträumen 11 (Prohlis, Reick) und 16 (Gorbitz) lag es derweil bei
unter 1.500 €. Die durchschnittliche Haushaltsgröße ist bei diesem Vergleich jedoch
noch nicht berücksichtigt. Im Stadtraum 7 betrug diese 2,2 Personen, während die
Haushalte in den Stadträumen mit den geringsten Haushalteinkommen deutlich
kleiner waren (1,6 bzw. 1,7 Personen). Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede
lassen sich die verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen für die 17 Stadträume in Dresden
abschätzen. Diese werden benötigt, um die Mietbelastung wie auf Gemeindeebene
zu berechnen. Die Mietbelastung ergibt sich analog wie in Kapitel 4.2.3 durch Division der „Gesamtmiete“ (Nettokalt) durch das verfügbare Einkommen. Die Gesamtmiete entspricht auch hier dem Produkt des Medians der Neuvertragsmieten und
der Fläche (hier auf Ebene der 17 Stadträume).
Die Mietbelastung liegt in Dresden im gesamtstädtischen Durchschnitt leicht unter
dem Bundesdurchschnitt (Indexwert 95, vgl. Kapitel 4.2.3). Innerhalb der Stadt liegt
die Mietbelastung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bei Werten zwischen 62 in
Gorbitz23 und 109 im Stadtraum 6 (Ortsamt Klotzsche und nördl. Ortschaften). Die
Mietbelastung unterscheidet sich erwartungsgemäß also innerhalb der Stadt Dresden durchaus. Die Unterschiede sollten jedoch gerade aufgrund der Kleinräumigkeit
nicht überbewertet werden, zum einen da die Ausweichreaktionen der Haushalte
nicht angemessen berücksichtigt werden, zum anderen auch da die Belastbarkeit
der Daten zum Einkommen auf der unterstädtischen Ebene fragwürdig ist. Zur Verminderung kleinräumiger Verdrängungsprozesse aber ist die Mietpreisbremse, als
Instrument für den gesamten Mietwohnungsmarkt, ohnehin ungeeignet. Hier könnten andere Instrumente wie z.B. Milieuschutzverordnung, Zweckentfremdungsverbote oder eine Subjektförderung zielgerichteter sein.
22
23
Ein Grund hierfür liegt alleine schon darin, dass das verfügbare Einkommen sämtliche auch unregelmäßige
Einkommen wie Steuerrückerstattungen, Weihnachtsgeld, Geldgeschenke etc. umfasst, während in Befragungen in der Regel die regelmäßigen monatlichen Einkommen angegeben werden. Weitere Unterschiede könnten
durch unterschiedliche Rückläufe in den Bevölkerungsgruppen zu erklären sein.
In Gorbitz ist die mittlere Fläche der angebotenen Wohnungen mit 40 m² jedoch deutlich geringer als der
gesamtstädtische bzw. bundesweite Median (59 m² bzw. 71 m²). An zweiter Stelle folgt Stadtraum 10 (Ortsamt
Leuben) mit einer 17 % geringeren Mietbelastung als im Bundesdurchschnitt (Indexwert 83).
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
5.
28
Ergebnisse und Prognose
Das Ergebnis der Untersuchung ist eindeutig. In keiner sächsischen Gemeinde ist der
Wohnungsmarkt angespannt.
In der weit überwiegenden Zahl von Gemeinden sinkt die Zahl der Einwohner durch
Abwanderung und Geburtendefizit – weiterhin ist demografische Schrumpfung und
nicht Wachstum die typische Problemlage. In gerade einmal 41 von 430 Gemeinden
stieg die Zahl der Einwohner seit 2011, wenn auch häufig nur leicht. Dies sind die
Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz, Freiberg sowie vor allem Suburbanisierungsgemeinden um die Großstädte Leipzig und Dresden.
In 21 dieser 41 Gemeinden wurden zeitgleich hinreichend neue Wohnungen gebaut
um selbst unabhängig vom vorhandenen Wohnungsleerstand die gewachsene Einwohnerzahl ausreichend mit Wohnraum zu versorgen.
In 19 der verbleibenden 20 Gemeinden aber standen trotz (leichten) Bevölkerungswachstums aus historischen Gründen noch so viele Wohnungen leer, dass in der
Fachliteratur dies als ein Wohnungsüberhang gewertet werden würde.
Nur in einer Gemeinde – Stadt Dresden – standen nach empirica-Schätzungen weniger als 4% der Wohnungen leer, was ein Indiz für einen angespannten Wohnungsmarkt darstellen kann. Mit dem hohen Schwellenwert von 4 % – üblicherweise wird
von einer notwendigen Fluktuationsreserve von 2 % bis 3 % ausgegangen – wird
berücksichtigt, dass nicht alle Wohnungen auch kurzfristig bewohnbar sind. Ein
niedriger Leerstand ist aber nur ein notwendiges, nicht aber ein hinreichendes Indiz. Ein Leerstand von unter vier Prozent kann vielmehr auch auf einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt hindeuten.
Für einen angespannten Wohnungsmarkt müsste zusätzlich die durchschnittliche
Mietbelastung des Einkommens deutlich überdurchschnittlich sein. Dies ist in Dresden nicht der Fall. Vielmehr liegt die durchschnittliche Mietbelastung für die Anmietung der ortsüblichen Durchschnittswohnung sogar unter dem bundesdeutschen
Durchschnitt (95 %).
Damit existiert in Sachsen derzeit keine Gemeinde, deren Wohnungsmarkt angespannt wäre.
Allerdings ist angesichts des starken Zuzugs insbesondere von jungen Menschen aus
dem ländlichen Sachsen in das lebendige Dresden mit einem weiteren Anstieg der
Wohnungsnachfrage zu rechnen. Hinzu kommt die jüngst stark gestiegene Auslandszuwanderung durch Flüchtlinge und aus anderen EU-Staaten. Sofern diesem
Anstieg der Nachfrage kein entsprechender Anstieg des Wohnungsangebotes in der
Stadt Dresden oder seinem Umland durch Neubau oder durch Sanierung bislang
leerstehender Wohngebäude sowie durch Umnutzung von ehemaligen Gewerbebauten (z.B. gründerzeitliche Gewerbehöfe) gegenübersteht, könnten die Mieten und
Kaufpreise aber weiter steigen. Tatsächlich steigt das Wohnungsangebot. Wurden
Ende der 2000er Jahre jährlich nur rund 100 Wohnungen in MFH pro Jahr fertiggestellt, waren es zuletzt 900. Aber selbst unterstellt dieser Anstieg würde nicht rei-
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
29
chen, so könnten die Mieten noch deutlich weiter steigen, bevor der Wohnungsmarkt in Dresden angespannt wäre. Damit die Mietbelastung in Dresden deutlich
(>120 % des Bundesdurchschnitts) die bundesweite Mietbelastung übersteigt und
somit ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegen würde, müssten die Mieten von
heute im Durchschnitt 6,79 €/m² um weitere 1,75 €/m² oder gut 25 % auf über
8,50 €/m² steigen und die Einkommen gleichzeitig nominal stagnieren. Zum Vergleich: In den letzten knapp zwei Jahren (Mittelwert 2014/1. Hj. 2015 zu Mittelwert
2012/13) ist die Medianmiete um 0,44 €/m² bzw. 7 % gestiegen. In anderen Gemeinden des Landes müssten die Anstiege nochmals höher sein.
Damit ist in absehbarer Zukunft auch nicht davon auszugehen, dass sich ein Wohnungsmarkt in Sachsen soweit anspannt, dass die Voraussetzungen des § 556d BGB
(Mietpreisbremse) erfüllt wären. Wir empfehlen, die Mietentwicklung in Dresden
und anderen sächsischen Städten in regelmäßigen Abständen auf Sonderentwicklungen zu untersuchen.
empirica
30
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
6.
Anhang
Tabelle 5:
Bevölkerungsentwicklung und Baufertigstellungen in
wachsenden Gemeinden 2011 bis 2014 – weitere wachsende
Gemeinden in Sachsen
Bevölkerungsentwicklung
09.05.2011 bis 31.12.2014
Radebeul, Stadt
Moritzburg
Wilsdruff, Stadt
Arnsdorf
Bannewitz
Tauscha
Ottendorf-Okrilla
Zwenkau, Stadt
Borsdorf
Struppen
Markranstädt, Stadt
Tharandt, Stadt
Machern
Naunhof, Stadt
Krostitz
Rabenau, Stadt
Wachau
Großpösna
Klipphausen
Käbschütztal
Neschwitz
Veränderung des
Wohnungsbestands
2011-2014
Einwohner
Einwohner
p.a.
Wohneinheiten
Wohneinheiten p.a.
651
125
216
20
87
8
90
107
45
17
131
44
27
57
15
14
10
18
33
2
1
178
34
59
5
24
2
25
29
12
5
36
12
7
16
4
4
3
5
9
1
0
404
130
228
22
96
10
117
148
63
24
202
73
51
117
45
43
32
67
162
13
14
101,0
32,5
57,0
5,5
24,0
2,5
29,3
37,0
15,8
6,0
50,5
18,3
12,8
29,3
11,3
10,8
8,0
16,8
40,5
3,3
3,5
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
zusätzliche
Einwohner je
zusätzlicher
Wohneinheit p.a.
1,76
1,05
1,03
0,99
0,99
0,87
0,84
0,79
0,78
0,77
0,71
0,66
0,58
0,53
0,36
0,36
0,34
0,29
0,22
0,17
0,08
empirica
empirica
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Karte 11:
Neuvertragsmieten in Sachsen, 2014 – 1. Halbjahr 2015 – SABWohnungsmarktregionen
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
Karte 12:
31
empirica
Prozentuale Veränderung der mittleren Neuvertragsmieten in
Sachsen, 2012 bis 2015 – SAB-Wohnungsmarktregionen
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
empirica
empirica
32
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Karte 13:
Veränderung (absolut) der mittleren Neuvertragsmieten in
Sachsen, 2012 bis 2015
Anmerkung: Darstellung nur bei mindestens 30 Fällen.
Quelle: empirica-Preisdatenbank (Basis: empirica-systeme)
Karte 14:
empirica
Verfügbares Einkommen je Einwohner in Sachsen,
Fortschreibung 2014 - Kreise
Quelle: VGRdL, eigene Berechnungen
empirica
empirica
33
Gutachten Mietpreisbremse Sachsen
Abbildung 1:
Einkünfte abzgl. EkSt. je Steuerpflichtigen im Zeitvergleich,
2007 und 2010
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen
empirica
empirica