beigelegten Interview Interview mit Frau Pia Ogris, Schülerin

Interview mit Frau Pia Ogris, Schülerin der zweiten Klasse an der HAK 1 International, durchgeführt von ihrem Schulkollegen Fabian Seiser, der durch das Projekt „Schüler machen Zeitung“ Freude am Reporterdasein gefunden hat und in seiner Freizeit am 25.07.2015 zum Rahmenthema Auslandssemester in Argentinien erneut in diese Rolle geschlüpft ist. Fabian Seiser, Schülerreporter (S): Guten Tag, Frau Ogris! Pia Ogris, Auslandsstudentin (O): Schönen Guten Abend! S: Haben Sie sich wieder eingelebt in Österreich? O: Ja, wir haben jetzt Sommer und da ist es dementsprechend leichter sich einzuleben, zumal es in Argentinien derzeit Winter ist. Ich wurde zuhause herzlich von der Hitzewelle empfangen. S: Haben Sie den Jetlag gespürt? O: Ja, es sind doch 5 Stunden Zeitunterschied und ich habe nicht einschlafen können, weil es für mich ja eigentlich noch Mittag war, wenn dort alle schlafen gehen. Und dasselbe Problem hatte ich beim Aufstehen: Ich kam nicht aus dem Bett! Sie müssen wissen, wenn es bei uns 12:00 Uhr Mittag ist, ist es dort 7:00 Uhr in der Früh. S: Was hat Ihnen am besten gefallen? O: Argentinien ist ein Land mit einer irrsinnigen Bandbreite von Hitze im Norden bis zur südlichsten Stadt der Welt, namens Ushuaia ist alles dabei. Was mir am meisten gefallen hat, sind die Menschen dort, weil sie einfach total extrovertiert sind und auf einen zugehen, ganz anders als bei uns. S: Wie haben Sie sich dort eingelebt? O: Zu Beginn war es für mich sehr schwierig, weil ich mir bis zur zweiten Klasse HAK im Freigegenstand nur spanische Grundkenntnisse aneignen konnte. Ich wurde aber total offen empfangen, was daran liegt, dass die Menschen dort sehr warmherzig sind. Da ich während meines Auslandsemesters mit zwölf Personen in einer Großfamilie zusammen gelebt habe, konnte ich bereits innerhalb kürzester Zeit schon sehr gut Spanisch sprechen. S: War es ein großer Kulturschock für Sie? O: Ja, das kann man sich gar nicht vorstellen, wie anders die Verhältnisse in Argentinien sind. Im Sommer zum Beispiel gab es kein warmes Wasser und im Winter gab es auch nur begrenztes Warmwasser, weil der Boiler rasch leer wird, wenn sich, wie in meinem Fall, zwölf Personen ein Badezimmer teilen. S: Können die Winter kalt sein? O: Kalt nicht, aber doch sehr frisch! Die Temperatur kann bis auf 2° sinken. Bei uns in Österreich wirkt sich das ja nicht besonders aus, aber in Argentinien ist die Infrastruktur eine ganz andere. Meine Schule zum Beispiel hatte keine Aula. Ein offener Innenhof fungierte als Aula und die Klassenzimmer waren um diesen Hof lokalisiert. Außerdem ist der Umgang mit Schülern ein ganz anderer, als wir es in Österreich gewohnt sind. Beispielsweise blieben die Heizkörper kalt, weil nicht alle die Monatsmiete bezahlt hatten. Bei uns ist diese Vorgangsweise nicht denkbar. S: Wenn wir schon bei Ihrem Schulleben sind, wie war das für Sie? O: Es ist schon grundsätzlich ganz anders, denn das Schulsystem ist strikt in private und öffentliche Schulen eingeteilt. S: Waren Sie an einer öffentlichen oder an einer privaten Schule? O: Es ist fast unmöglich, in Argentinien eine öffentliche Schule zu besuchen, da man dort nichts lernt und außerdem ist es auch gefährlich. Waffen sind dort keine Seltenheit. Jeder, der etwas erreichen möchte, geht in eine private Schule, auch wenn diese nicht billig sind. Meine Schule kostete 100 Euro im Monat, wobei dies noch sehr günstig ist. Aber in Relation ist das sehr viel Geld, meine dortige Gastschwester verdiente vergleichsweise 250 Euro im Monat als staatliche Kindergärtnerin. Mit dem Geld wird es dann am Monatsende schon knapp. S: Anderes Thema: Essen, speziell Fleisch? O: Ja, wir aßen sehr viel Fleisch, weil es das Billigste vom Billigen dort ist. Ein Kilo Huhn kostete beispielsweise nur 2 Euro dort. Es wird sehr viel Rindfleisch, speziell Asado gegessen. S: Eigentlich ein einfaches Leben? O: Ja, ich lebte in einer eigentlich armen Familie. Das Leben dort ist sehr stark in zwei Klassen geteilt. Die Reichen haben u.a. auch eigene Wohnviertel. S: Wie merkt man das dann auf der offenen Straße? O: Man sieht die Oberschicht ja gar nicht, vielleicht einmal im Shoppingcenter, aber sonst nicht. S: Wie war das Leben in Cordoba für Sie? O: Cordoba ist eine sehr schöne Stadt. Ich war jedoch etwas außerhalb untergebracht und kam genau in der Regenzeit an, wo es zahlreiche Überschwemmungen gab. Das Traurige ist, dass die Regierung keinerlei Hilfestellung anbietet, es sind vielmehr die Bewohner, speziell die Jugendlichen, die aufräumen. Das hat mich sehr beeindruckt. S: Und vom Militär kommt auch keine Unterstützung? O: Auch nicht, wegen der Militärdiktaturen hat das Militär auch keinen guten Ruf. Primär waren es die Bewohner selbst, die sich gegenseitig halfen. S: Der Zusammenhalt in der Bevölkerung ist Ihrer Meinung nach höher? O: Ja, das merkt man schon deutlich. Ich wurde auch nach kurzer Zeit schon von jedem gegrüßt, und man redet auch viel mehr miteinander. Auch Händler, die mich nur einmal sahen, fragten mich, wie es mir geht. Die Bevölkerung ist einfach unglaublich warmherzig. S: Thema Bevölkerung, speziell Männer. Typisch Macho oder nicht? O: Ja, das Rollenbild ist komplett anders als bei uns, man merkt das schon deutlich. Keiner der Männer würde freiwillig etwas kochen oder den Boden wischen und geschäftliche Angelegenheiten, wie Versicherungen, ist ausschließlich Männersache! S: Waren Sie auch in Buenos Aires? O: Ja, Buenos Aires ist eine Millionenstadt mit einer besseren Infrastruktur als bei uns. Es werden dort auch moderne Hochhäuser gebaut, und an deren Rückseite findet man dann Elendsviertel. S: Sie haben also schon viel gesehen. Soweit ich informiert bin, hat Ihre Organisation auch Ausflüge angeboten. Wo waren Sie überall? O: Ja, ich war einerseits mit der Organisation AFS unterwegs und hatte andererseits auch viele Möglichkeiten, mich alleine zu bewegen. Ich war bei den größten Wasserfällen der Welt, den Wasserfällen von Iguazu. Diese Wassermassen zu beobachten, war für mich unbeschreiblich schön! Ich war auch noch in der südlichsten Stadt der Welt, in Ushuaia. Das Land bietet einfach so vieles zu entdecken, alleine meine Provinz Cordoba ist flächenmäßig größer als Österreich. S: Wo waren Sie sonst noch? O: Ich war auch noch oft im Norden Argentiniens und man merkt deutlich, dass dieser viel ärmer ist, als der reichere Süden. Im Norden gehen die Leute mangels Kleidung auch in Lumpen auf die Straße. S: Das heißt, im eigenen Land gibt es auch einen Kulturschock von Industrienation zum Entwicklungsland? O: Ja, es gibt überall die Zwei‐Klassen‐Gesellschaft, auch in den einzelnen Regionen spiegelt sich diese wider. S: Sie sind also sehr viel gereist, aber wie hat Ihre Schule das aufgenommen? O: Die Schule ist dort sehr streng, viel strenger als bei uns. Wir hatten auch einen Fahnenapell am Morgen. Ferner darf man im gesamten Schuljahr maximal 15 Fehltage aufweisen, wenn man mehr hat, muss man eine Gebühr zahle, um wieder in die Schule gehen zu dürfen. Dabei ist es völlig egal, ob man im Krankenhaus liegt oder aus anderen Gründen vom Unterricht fernbleibt! S: Unvorstellbar. Und wie sind Sie benotet worden? O: Ich wurde ganz regulär benotet und dementsprechend sind auch meine Noten ausgefallen. Es gibt dort Noten von 1 bis 10 wobei 1 die schlechteste Beurteilung darstellt. Ab der Note 6 ist man positiv, wobei es auch Kommazahlen bei den Noten gibt. Wesentlich ist jedoch, dass nur der Notenschnitt zählt und nicht die einzelnen Noten als solche. S: Waren Sie positiv? O: Im ersten Trimester war ich in einem wirtschaftlichen Fach negativ. Oh, und von Religion konnte man sich nicht abmelden. An dieser Stelle möchte ich Herrn Prof. Certov freundlich grüßen. Zusammenfassend hatte ich zwar nicht die besten Noten, aber zum Durchkommen hat es gereicht. S: Wie haben sich Ihre Mitschüler Ihnen gegenüber als Deutschsprachige verhalten? O: Generell halten die Argentinier die Deutschen für sehr aggressiv. S: Eine letzte Frage. Wie hat es bei Ihnen mit Heimweh ausgesehen? O: Ja, vor allem am Anfang war es schwierig für mich, aber mit der Zeit legte sich das. Mittlerweile vermisse ich sogar meine Gastfamilie. Ich will auf jeden Fall wieder einmal zurück. Meine Klassenvorständin, Frau Prof. Schuschu wird sich freuen, wenn ich dieses Interview mit dem Gruß „Buenos dias, Argentina“ – einem Liedtitel von Udo Jürgens abschließe.