Wahlkampfschatulle im Bundesarbeitsministerium angelegt?

Brigitte Pothmer, MdB
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Arbeitsmarktpolitische Sprecherin
Dezember 2015
Wahlkampfschatulle im Bundesarbeitsministerium angelegt?
Hintergrund
Die Regierungsfraktionen haben eine Wahlkampfschatulle im Haushalt des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales geschaffen. Diese Vermutung legt ein Haushaltsbeschluss von Mitte November
zumindest nahe.
Damals wurde auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD entschieden, im Jahr 2016 sieben
Millionen Euro von den Mitteln der Jobcenter abzuzweigen und damit einen neuen Titel für
Projektförderung im Bundesarbeitsministerium zu schaffen. Mit dem offiziellen Abschluss der
Haushaltsberatungen Ende November im Deutschen Bundestag wurde der Beschluss bestätigt. Auch
2017 und 2018 sollen danach jeweils sieben Millionen Euro fließen.
Laut Beschlussvorlage sollen mit dem Geld „innovative Integrationsansätze für ausgewählte
Zielgruppen“ modellhaft erprobt werden. Eine konkrete Vorstellung davon, was mit dem Geld
passieren soll, existiert aber nicht.1 Warum trotz fehlenden Konzepts den Jobcentern Geld
abgenommen wird, offenbart die Antwort des Ministeriums auf die grüne Anfrage. Gefragt, warum
solche Projekte nicht mit der Regelförderung der Jobcenter umgesetzt werden, antwortet das
Ministerium: „Eine Projektförderung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch könnte nur über die
Jobcenter erfolgen.“ Offensichtlich will das Ministerium aber lieber Geld nach eigenem Gutdünken
verteilen als die dafür zuständigen Jobcenter entscheiden zu lassen, was innovativ und
förderungswürdig ist.
Das Zweite Sozialgesetzbuch (SGB II), auf dessen Grundlage die Jobcenter Arbeitslose unterstützen,
hat mit der sogenannten „Freien Förderung“ ein passendes Instrument für innovative Projekte parat.
Die Freie Förderung bietet den Jobcentern erhebliche Gestaltungsspielräume und „Raum für neue
Ideen“, wie es in den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit heißt.2 Ein eigener Titel für
solche Projekte beim Bundesarbeitsministerium ist also vollkommen überflüssig.
Kommentar
Geld abgezweigt ohne Idee, Plan, Konzept oder instrumentelle Lücke dahinter - das alles nährt den
Verdacht, dass hier Vorsorge für die anbrechenden Wahlkampfzeiten betrieben wird. Sieben
Millionen Euro im Jahr sind angesichts von knapp 3,8 Mrd. Euro im Etat der Jobcenter zwar eine eher
kleine Summe. Sie reicht aber aus, um öffentlichkeitswirksam mit einem Scheck winken zu können.
Union und SPD haben darüber hinaus die Möglichkeit, die Summe in den Folgejahren weiter zu
erhöhen.
Steuermittel sind kein Spielgeld für Regierungen und die sie tragenden Fraktionen. Gerade in der
Arbeitsmarktpolitik ist der zielgerichtete Einsatz der begrenzten Mittel wichtig. Zu viele Menschen
sind dauerhaft von Arbeit abgehängt oder haben große Schwierigkeiten, wieder auf dem
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Um sie unterstützen zu können, brauchen die Jobcenter jeden einzelnen
Euro. Profilierungsprojekte des Arbeitsministeriums gibt es schon genug. Das
Bundesarbeitsministerium wäre gut beraten, jeden Anschein einer inoffiziellen Wahlkampfschatulle
auszuräumen. Am besten stellt sie die sieben Millionen Euro wieder den Jobcentern zur Verfügung.
1
Auf grüne Nachfrage hin antwortete das Bundesarbeitsministerium lediglich, es würden derzeit Kriterien
entwickelt. (vgl. Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 15.12.15 auf die Schriftliche
Frage mit der Arbeitsnummer 59)
2
vgl. § 16f SGB II Freie Förderung und
https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mtay/~edisp/l6019
022dstbai408076.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI408081, Seite 6
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