Sicherheitslücke bei Chemikalien - Landtag Rheinland

LANDTAG RHEINLAND-PFALZ
16. Wahlp erio d e
Drucksache 16/
01. 06. 2015
5101
Kleine Anfrage
des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU)
und
Antwort
des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten
Sicherheitslücke bei Chemikalien-Verbotsverordnung
Die Kleine Anfrage 3369 vom 8. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut:
Die Bundesrepublik Deutschland ist wieder einmal einem islamistischen Terrorangriff entgangen. In der Nacht zum 30. April 2015
wurde das Ehepaar Halil und Senay D. im hessischen Oberursel festgenommen. Sie stehen im Verdacht einen Anschlag auf ein großes
Radrennen geplant zu haben. Dass ein Anschlag oder sogar mehrere Angriffe verhindert wurden, ist wohl einer Verkäuferin eines
Baumarkts zu verdanken. Als Senay D. sich nach der ungewöhnlich hohen Menge von drei Litern Wasserstoffperoxid erkundigte,
verlangte die Mitarbeiterin aus Sicherheitsgründen die Personalien. Halil D. trug sich in eine Liste ein, mit falschem Namen. Einen
Ausweis ließ sich die Verkäuferin nicht zeigen, das Paar konnte die Chemikalie mitnehmen. Die Verkäuferin hatte Zweifel, dass
Halil D. und seine Frau das Wasserstoffperoxid, wie behauptet, für die Reinigung eines Gartenteichs von Algen benötigten und informierte die Polizei.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Ist es eine zwingende Voraussetzung nach der Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung – ChemVerbotsV)
die Identität (Namen und Anschrift) des Erwerbers von Wasserstoffperoxid durch Vorlage eines behördlichen Ausweisdokuments festzustellen, oder reicht die eigene Selbstauskunft über die Identität des Erwerbs aus?
2. Für den Fall, dass die Identität durch Selbstauskunft des Erwerbers bei dem Kauf von Wasserstoffperoxid ausreicht, plant die
Landesregierung diese Sicherheitslücke im Rahmen einer Bundesratsinitiative zu schließen? Wenn nein, warum nicht?
3. Welche Behörde ist in Rheinland-Pfalz für die Einleitung und die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 7 Abs. 1, 7
Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 3, 7 Abs. 2 Nr. 4 und 7 Abs. 3 Chemikalien-Verbotsverordnung zuständig?
4. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2013 und 2014 Ordnungswidrigkeitsanzeigen gegen Verstöße nach den §§ 7 Abs. 1, 7
Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 3, 7 Abs. 2 Nr. 4 und 7 Abs. 3 Chemikalien-Verbotsverordnung erstattet?
5. Plant die Landesregierung die erforderliche Erlaubnispflicht nach § 2 Chemikalien-Verbotsverordnung im Rahmen einer Bundesratsinitiative um die Erweiterung eines einwandfreien polizeilichen Führungszeugnisses zu ergänzen? Wenn nein, warum
nicht?
Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 29. Mai 2015 wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
Im Jahre 2008 erfolgte eine Erweiterung der chemikalienrechtlichen Vorschriften in Hinblick auf Ausgangsstoffe für Explosivstoffe. Auslöser hierzu war der Fall der sogenannten Sauerland-Gruppe mit terroristischem Hintergrund im Sommer 2007. Dabei
wurden 700 Kilogramm Wasserstoffperoxid (H2O2) sichergestellt, eine Menge, die ausreicht, um etwa 500 Kilogramm Sprengstoff
herzustellen. Das Aufdecken der Terrorzelle führte in der Folge zu einem geänderten Bewusstsein gegenüber Stoffen, die geeignet
sind, Sprengstoffe herzustellen.
Die Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) regelt nun im § 3 „Informations- und Aufzeichnungspflichten bei der Abgabe an Dritte“, dass auch bei der Abgabe von neun gelisteten Ausgangsstoffen für Explosivstoffe eine Identitätsfeststellung erforderlich ist. Darunter fällt auch die in der Anfrage erwähnte Wasserstoffperoxidlösung mit einem Gehalt von mehr als 12 Massenprozent Wasserstoffperoxid.
Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. Juli 2015
b. w.
Drucksache 16/
5101
Landtag Rheinland-Pfalz – 16. Wahlperiode
Die Identität des Erwerbers oder einer zur Abholung beauftragten Person muss dabei mit Namen und Anschrift festgestellt werden. Dies hat durch die Vorlage eines amtlichen Ausweisdokuments zu erfolgen. Im Falle einer beauftragten Person muss diese die
eigene Identität nachweisen und aus der Auftragsbestätigung müssen klar die Identität des Erwerbers und der geplante Verwendungszweck hervorgehen.
Zu Frage 2:
Eine Selbstauskunft reicht nicht aus, um ordnungsgemäß giftige und sehr giftige Stoffe und Gemische sowie die explizit in § 3 Abs. 1
aufgeführten Grundstoffe für Explosivstoffe zu erwerben. Die Identitätsfeststellung muss über ein amtliches Ausweisdokument erfolgen. Die Überprüfung kann lediglich dann entfallen, wenn der Erwerber dem Abgebenden bekannt ist. Dies muss dann im Abgabebuch dokumentiert werden. Eine Sicherheitslücke ist daher in diesen Vorschriften nicht gegeben.
Zu Frage 3:
Für den Vollzug der Chemikalien-Verbotsverordnung sind in Rheinland-Pfalz die Struktur- und Genehmigungsdirektionen (jeweils
die Abteilung Gewerbeaufsicht) zuständig. Ihnen obliegt die Erteilung der Erlaubnis sowie die Entgegennahme der Anzeigen nach
§ 2 ChemVerbotsV. Im Rahmen der Überwachung der Verordnung sind diese auch für die entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren zuständig.
Zu Frage 4:
Anzeigen von Dritten betreffend der aufgeführten Ordnungswidrigkeitentatbestände sind bei den Struktur- und Genehmigungsdirektionen in den Jahren 2013 und 2014 nicht eingegangen.
Seit 2009 wird der Internethandel mit Sprengstoffgrundstoffen im Rahmen eines bundesweit abgestimmten Überwachungsprogramms kontrolliert. Den Großteil der gefundenen Sprengstoffgrundstoffe macht dabei Wasserstoffperoxid aus und die Statistik
zeigt, dass seit Beginn der Internetüberwachung ein deutlicher Rückgang der im Internet aufgefundenen Angebote an solchen Stoffen zu verzeichnen ist, die nach der ChemVerbotsV überwachungsbedürftig sind. Die Zahl der Funde von Sprengstoffgrundstoffangeboten im Internet sank von bundesweit 174 im Jahr 2009 auf 45 im Jahr 2012.
Zu Frage 5:
Voraussetzung zur Erteilung einer Erlaubnis nach § 2 Chemikalien-Verbotsverordnung ist nach § 2 Abs. 2 Ziffer 2 die Feststellung
der Zuverlässigkeit. In dieser Verordnung selbst ist der Begriff der Zuverlässigkeit nicht näher definiert. Anforderungen an die Zuverlässigkeit ergeben sich aber aus der Gefahrstoffverordnung. Dort wird beim Erteilen von Erlaubnissen und der Zulassung von
Gewerben und Personen für bestimmte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen auch die Zuverlässigkeit eingefordert. Explizit ist dies dann
in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe konkretisiert. Zum Nachweis der Zuverlässigkeit wird überprüft, ob die Person bereits
wegen einschlägiger Verstöße auffällig geworden ist; hierzu ist insbesondere ein behördliches Führungszeugnis vorzulegen. Dies
wird auch in der Praxis bei den Struktur- und Genehmigungsdirektionen für die Erlaubniserteilung gefordert.
Für Wasserstoffperoxid gelten zwar Abgabevorschriften nach der Chemikalien-Verbotsverordnung, eine Erlaubnis für den Abgebenden für diesen Gefahrstoff ist jedoch nicht erforderlich.
Ulrike Höfken
Staatsministerin