Schweiz 10 NZZ am Sonntag 6. März 2016 KEYSTONE Jürg Christa Röthlisberger Markwalder Jürg Röthlisberger, BodyMass-Experte, wägt neu ab. Der Chef des Bundesamtes für Strassen will bei der Bestimmung des Gewichts von Wohnmobilen künftig mit 85 Kilogramm pro Person und Platz rechnen statt wie bisher mit 75 – er macht die Campingfreunde also amtlich schwerer. Deren Verband hat denn auch postwendend protestiert: Mit dieser Abwägung trage der Bund nun viel zu dick auf. Röthlisbergers Replik: Die Regel komme aus der EU. Und diese ist nun halt ein Schwergewicht. Christa Markwalder, Aufgeweckte, optimiert die WorkLife-Balance. Mit dem Ratsbüro beantragt die Nationalratspräsidentin, aus Rücksicht auf Fahrpläne und elterliche Aufgaben künftig mit den Morgensitzungen eine Viertelstunde später um 8.15 Uhr zu starten. Dafür wäre der Mittag kürzer, und die Nachmittage wären länger. So weit, so gut, finden wir. Nur an die Weissweinfraktion denkt offenbar wieder niemand. Hannes Germann, Vielseitiger, war Mitinitiant der Durchsetzungsinitiative. Nach verlorener Schlacht sagte der SVPStänderat diese Woche nun, das Nein des Volkes sei ein reifer Entscheid gewesen. Vielleicht sollte auch er bisweilen etwas reiflicher überlegen. GAËTAN BALLY / KEYSTONE Dunkelhäutige Classe politique gehen rechtlich gegen Polizei vor Personenkontrollen in Zürich seien oft rassistisch motiviert Weil sie immer wieder in Polizeikontrollen geraten, wehrt sich eine Gruppe von Dunkelhäutigen. Sie gehen juristisch gegen die Stadtpolizei Zürich vor. Katharina Bracher Die Mitglieder der Gruppe kennen sich noch nicht lange. Doch eines ist ihnen gemeinsam: Man sieht auf den ersten Blick, dass ihre Wurzeln nicht bis zum Rütlischwur zurückreichen. Diese Tatsache werde von der Polizei ausgenutzt, indem sie gezielt Dunkelhäutige kontrollieren würden, lautet der Vorwurf der Gruppe. Auf Englisch heisst der Vorgang «Racial Profiling». Darunter versteht man, dass Personen nur aufgrund ihrer Hautfarbe ins Visier der Staatsgewalt geraten. «Unsere Anwältin hat ein verwaltungsrechtliches Verfahren gegen die Stadtpolizei Zürich eingeleitet», sagt ein Mitglied der Gruppe, der 41-jährige Islamwissenschafter Mohamed Wa Baile. Abgeklärt werden müsse insbesondere die Verletzung des völker- und verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbotes. Man wolle mit dem Verfahren erreichen, dass die Polizei Racial Profiling mit allen Mitteln bekämpfe. Wa Baile, der aus Kenya stammt, kennt das Thema aus Erfahrung. «Seit ich von meinem Wohnort Bern nach Zürich pendle, werde ich mindestens einmal monatlich von der Polizei angehalten», sagt Wa Baile, der an der ETH arbeitet. Lange habe er dafür Verständnis gehabt. Aber schliesslich sei ihm der Kragen geplatzt. Mitten im Pendlerstrom am Hauptbahnhof Zürich sei er im Februar 2015 von drei Polizisten angehalten worden. Weil Wa Baile sich nicht ausweisen wollte, durchsuchten sie ihn. Dabei fanden sie seine AHV-Karte mit Personalien. Sie liessen ihn gehen. Später erhielt Wa Baile einen Strafbefehl wegen Nichtbefolgens von polizeilichen Anordnungen. Dessen Anfechtung ist bis heute vor Gericht hängig. Doch Wa Baile will sich nicht damit begnügen. Ein gutes Dutzend Betroffener unterstützt das angestrebte Verwaltungsverfahren organisatorisch oder finanziell. Unter ihnen Mess Barry, parteiloser Stadtrat in Bern, der aus Guinea stammt. «Ich konnte meinen eigenen Fall aus Kostengründen nicht weiterziehen», sagt Barry, der gegen die Polizei vorgehen wollte, weil er aufgrund seiner Hautfarbe gewaltsam kontrolliert worden sei: «Der Polizist wurde freigesprochen. Später wurde er suspendiert, weil er einen Jugendlichen verprügelt hatte.» Auch Frauen gehören zur Gruppe. Die 23-jährige Tabea Rai ist die Tochter eines Inders und einer Schweizerin. Als sie vor zwei Jahren mitten im AusgangsGetümmel am Hauptbahnhof von Polizisten zum wiederholten Mal gestoppt wurde, sei sie ausgeflippt. «Ich zog den Rucksack und meine Jacke aus und übergab ihnen mein Portemonnaie», erzählt Schikane oder gerechtfertigte Kontrolle? Ein Polizist erfasst Fingerabdrücke. (Zürich, 30. Mai 2008) Mohamed Wa Baile Der Schweizer kenyanischer Herkunft will, dass Racial Profiling bei der Polizei von oberster Stelle bekämpft wird. sie. Rai fragte auf Berndeutsch, warum ausgerechnet sie und niemand sonst kontrolliert würde. «Dass ich ihnen eine Szene gemacht habe, war den Polizisten unangenehm.» Sie liessen Rai ohne weitere Kontrollen ziehen. Der Gruppe gehe es nicht darum, das Verhalten einzelner Polizisten anzuprangern, präzisiert Wa Baile. Vielmehr wolle man erreichen, dass das Problem auf höchster Ebene anerkannt werde. Warnung vor der Gruppenpraxis Eigentlich stellt die Gruppenpraxis den Idealtyp der ärztlichen Versorgung dar. Nicht mehr ein Einzelkämpfer kümmert sich dort um die Patienten, der die ganze Praxis selber finanzieren und betreiben und dafür rund um die Uhr erreichbar sein muss. Stattdessen teilt man sich Investitionen und berufliche Belastung, so dass Ärzte auch Teilzeit arbeiten können und die Patienten trotzdem optimal versorgt werden, je nach Gruppenpraxis auch gleich von Hausärzten und Spezialisten unter demselben Dach. Doch nun zeigt sich: Dieses Modell ist zwar in vieler Hinsicht sinnvoll, es ist aber auch überaus teuer. «Wir mussten feststellen, dass auch die Gruppenpraxen ein starker Kostentreiber sind», sagt Verena Nold, Direktorin des Kassenverbandes Santésuisse. Alarmiert wurde Nold, als sie sich die Entwicklung der Gesundheitskosten im letzten Jahr anschaute: Um 5,9 Prozent haben die Kosten da allein bei den Ärzten zugenommen, viel stärker als etwa im Spital oder bei den Medikamenten und auch deutlich mehr als im Durchschnitt von 3,6 Prozent. Santésuisse schaute dar- CHRISTIAN BEUTLER / KEYSTONE Gruppenpraxen gelten gemeinhin als Muster für eine moderne medizinische Versorgung. Doch nun warnen die Krankenkassen, sie seien überdurchschnittlich teuer. Daniel Friedli Gross und teuer: Blick in eine Gruppenpraxis in Zürich. auf die Zahlen genauer an und kam zum Schluss: Dieses starke Plus erklärt sich auch mit dem Trend zur Gruppenpraxis. In der Tat zeigen die Daten, dass die Behandlungskosten pro Patient in den Gemeinschaftspraxen deutlich höher sind als bei Einzelpraxen. Am höchsten sind sie dort, wo nicht nur Hausärzte, sondern gleich auch noch Spezialisten anderer Fachrichtungen im selben Haus tätig sind. Und weil sich die Zahl dieser Praxen in den letzten Jahren stark erhöht hat, sind auch die Kosten gestiegen: bei allen Gruppenpraxen zusammen allein zwischen 2014 und 2015 um satte 22,8 Prozent. Für Nold liegt die Interpretation dieser Zahlen auf der Hand: Gruppenpraxen tendieren dazu, ihre Kosten zu optimieren. Das vorhandene Personal und die medizinische Infrastruktur werden gewinnbringend eingesetzt, was mitunter dazu führt, dass mehr Leistungen verrechnet werden. «Und die Gewinne gehen dann an die Investoren und kommen nicht den Prämienzahlern zugute», sagt sie. In dieses Bild passt, dass die Sparte mehrere grosse Player angezogen hat, von der Migros über die private Hirslanden-Gruppe bis zur Beteiligungsgesellschaft Aevis. «Gruppenpraxen sind zu einem Tummelfeld für Investoren geworden», sagt Heinrich Zürcher von der Hausärzteorganisation Argomed. Andere Experten schätzen, dass auch in den kommenden Jahren noch mehrere hundert Millionen Franken in ambulante Gruppenpraxen investiert werden. Immerhin, so rechnet Felix Huber, Gründer des Netzwerks Medix und Pionier in Sachen Gruppenpraxis, vor, könne man darin bei guter Arbeit Umsatzrenditen von 5 bis 10 Prozent erzielen. Auch Huber sieht daher eine gewisse Gefahr, dass das rasche Wachstum bei den Gruppenpraxen zu noch höheren Gesundheitskosten führen wird. Er relativiert diese Sorge aber. Zum einen sei der Markt mittlerweile übersättigt. Neue Investoren würden es schwer haben, auch weil man kaum mehr gute Ärzte finde. Zum anderen ist Huber überzeugt, dass Gruppenpraxen einen Beitrag zur Kostensenkung leisten können – zumindest dann, wenn sie mit den Krankenkassen Verträge eingehen und darin selber Verantwortung für ein vereinbartes Budget übernehmen Darauf möchte sich der Kassenverband Santésuisse nicht verlassen. Er fordert, dass Ärzte nicht mehr alle Leistungen einzeln und weitgehend nach eigenem Gutdünken abrechnen dürfen. Stattdessen solle man, wie in den Spitälern schon geschehen, zu Pauschaltarifen übergehen. Ein Arzt bekäme dann für die Behandlung eines Leidens nur noch einen vordefinierten Betrag, ganz gleich, wie viel Zeit und Mittel er dafür aufwendet. Genau das versucht Claudia Kaufmann, Ombudsfrau der Stadt Zürich, seit Jahren zu erreichen. Sie wird beigezogen, wenn Personen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit kontrolliert wurden und sich dadurch schikaniert fühlen. «Was wir mitbekommen, ist sicherlich nur die Spitze des Eisbergs», sagt die Juristin. Halbjährlich moderiert sie einen runden Tisch, an dem sich die Polizei und Nichtregierungsorganisationen austauschen. Dort könne zwar gegenseitig Wissen und Sensibilität geschärft werden, sagt Kaufmann. Die konsequente Umsetzung müsse aber polizeiintern erfolgen. «Das gesamte Korps hat an den angestrebten Haltungs- und Handlungsveränderungen tabufrei zu arbeiten», sagt Kaufmann. «Die Stadtpolizei ist seit Jahren immer wieder mit dem Thema konfrontiert», sagt Mathias Ninck, Sprecher des Polizeivorstehers Richard Wolff (AL). Neben dem runden Tisch sei das Thema auch in der Ausbildung ein wichtiger Punkt. «Polizisten werden geschult, ein Auge für verdächtiges Verhalten zu entwickeln.» Darauf müsse eine Personenkontrolle abstellen und nie auf die Hautfarbe. Die Stapo ruft nun ein Projekt ins Leben, um den Vorwurf des Racial Profiling abzuklären. «Vorerst soll von Aussenstehenden erhoben werden, wie die Stadtpolizei Personenkontrollen durchführt», erklärt Ninck. Geplant sei auch ein Vergleich mit anderen Polizeikorps. So wolle man die Vorwürfe zuerst einordnen und dann allenfalls über Massnahmen entscheiden. Auslöser des Projekts ist auch der schlagzeilenträchtige Vorfall vom letzten Sommer, als der damalige FCZ-Stürmer Yassine Chikhaoui von Polizisten mitten auf der Zürcher Bahnhofstrasse überwältigt wurde, obwohl nichts gegen den Tunesier vorlag. Blocher erhält vom Staat 133 000 Franken Der Kanton Zürich zahlt Christoph Blocher wegen des eingestellten Strafverfahrens gegen ihn Schadenersatz und Genugtuung. Lukas Häuptli In der Affäre um den ehemaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand, der am 9. Januar 2012 wegen umstrittener Devisengeschäfte zurücktrat, war es ein letzter Paukenschlag: Am 19. März 2012 eröffnete die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Alt-Bundesrat Christoph Blocher ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Bankgeheimnisverletzung. Einen Tag später führten die Ermittler sowohl in seiner Villa in Herrliberg als auch in seinen Büros in Männedorf Hausdurchsuchungen durch. Die Eröffnung des Verfahrens gegen den SVPNationalrat ging durch die Medien, und der damalige Zürcher Oberstaatsanwalt Andreas Brunner sagte vor laufender Kamera, man habe bei den Durchsuchungen «potenziell beweisrelevantes Material» gefunden. Wie die Geschichte gezeigt hat: Die Vorwürfe gegen Blocher erwiesen sich als haltlos. Am 7. Dezember 2015 stellte die Zürcher Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn wieder ein. Was bis jetzt nicht bekannt war: Wegen des Verfahrens zahlt die Zürcher Staatsanwaltschaft Christoph Blocher Schadenersatz und Genugtuung in der Höhe von rund 133 000 Franken. 500 Franken sind Genugtuungszahlungen, der Rest Entschädigungen für Blochers Anwaltskosten. Dieser hatte einen Stundenansatz von knapp 280 Franken verrechnet, wie aus der Einstellungsverfügung hervorgeht. Blocher hatte gar Entschädigungen in der Höhe von 216 000 Franken verlangt. Der Staatsan- Christoph Blocher 216 000 Franken hat der ehemalige National- und Bundesrat vom Staat für seine Anwaltskosten gefordert. walt, der das Verfahren einstellte, wies allerdings zahlreiche Forderungen ab, etwa für die Medienarbeit des Anwalts. Der ehemalige Bankmitarbeiter, der die Devisengeschäfte Hildebrands öffentlich gemacht hatte und der mit Blocher in Kontakt gestanden war, ist in der Zwischenzeit wegen Bankgeheimnisverletzung angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten; der Prozess findet am 30. März statt.
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