Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Der Minister Seite 1 von 1 Justizministerium Nordrhein-Westfalen. 40190 Oüsseldorf Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen Dr. Ingo Wolf MdL 40221 Düsseldorf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. WAHLPERIODE VORLAGE 16/2919 - A14 nachrichtlich: 9. 2015 Aktenzeichen 4600 -111.64 bei Antwort bitte angeben Bearbeiter: Herr Or. Hermesmann Telefon: 0211 8792-202 Rechtsausschuss des Landtags - Referat I 1 40221 Düsseldorf 44. Sitzung des Rechtsausschusses des landtags Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2015 Öffentlicher Bericht der Landesregierung zu Tagesordnungspunkt 5 "Mit uSchnellverfahren" gegen Straftäter in DOsseidorf' Anlagen 60 Sehr geehrter Herr Vorsitzender l als Anlage übersende ich den öffentlichen Bericht der Landesregierung zu dem o. g. Tagesordnungspunkt in 60-facher Ausfertigung zur Weiterleitung an die Mitglieder des Rechtsausschusses. Mit freundlichen Grüßen Thomas Kutschaty Dienstgebäude und lieferanschrift: Martin-luther-Platz 40 40212 Düsseldorf Telefon: 0211 8792-0 Telefax: 0211 8792-456 [email protected] www.justiz.nrw.de Düsseldorf. den 9. Mai 2015 Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen 44. Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 13. Mai 2015 Schriftlicher Bericht zu TOP 5: "Mit "Schnellverfahren!' gegen Straftäter in Düsseldorf' - 2- Mit dem vorliegenden Bericht der Landesregierung erfolgt die in dem Anmeldungsschreiben vom 30. April 2015 erbetene Unterrichtung zum vorbezeichneten Tagesordnungspunkt. Grundlage der Darstellung sind Berichte des Leitenden Oberstaatsanwalts in Düsseldorf sowie der Generalstaatsanwältin in Köln und der Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Hamm. L Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hat unter dem 6. März 2015 berichtet, in Zusammenarbeit mit der Präsidentin des Amtsgerichts Düsseldorf, dem Polizeipräsidenten in Düsseldorf und dem Landrat des Kreises Mettmann zum 1. März 2015 ein Projekt zur Durchführung des besonders beschleunigten Verfahrens gemäß §§ 127b, 417 ff. der Strafprozessordnung (StPO) in Düsseldorf gestartet zu haben. Vom besonders beschleunigten Verfahren spricht man, wenn gegen die Beschuldigte oder den Beschuldigten die Hauptverhandlungshaft gemäß § 127b StPO angeordnet worden ist. Ein derartiger Haftbefehl darf gemäß § 127b Absatz 2 Satz 1 StPO nur ergehen, wenn die Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche ab dem Tag der Festnahme zu erwarten ist. Demgegenüber sollen bei nnormalen" be~chleu nigten Verfahren zwischen dem Eingang des Antrags der Staatsanwaltschaft beim Gericht und dem Beginn der Hauptverhandlung nicht mehr als sechs Wochen liegen (§ 418 Absatz 1 Satz 2 StPO). In dem Düsserdorfer Projekt wurden aufbauend auf Beratungen einer Arbeitsgruppe, an der Vertreter aller beteiligten Behörden mitgewirkt hatten, die nachstehenden Arbeitsabläufe und Strukturen geschaffen: 1. Für die Bearbeitung der besonders beschleunigten Verfahren ist bei der Staatsanwaltschaft eine neue Service-Einheit (Abteilun'g 99) eingerichtet worden. 2. Zuständige Ansprechpartnerin bzw. Ansprechpartner in Vorgängen, bei denen die Polizei anregt, einen Antrag auf Anordnung der Hauptverhandlungshaft nach § 127b StPO und Durchführung des besonders beschleunigten Verfahrens bei dem Amtsgericht Düsseldorf zu stellen, ist die Vorführstaatsanwältin/der Vorführstaatsanwalt. Diese(r) trifft die Entscheidung, ob der polizeilichen Anregung gefolgt werden solf. -33. Bejahendenfalls veranlasst er/sie die Erfassung des pOlizeilichen Vorgangs als JsSache in Abteilung 99 sowie die Anlegung einer Zweitakte und einer Handakte. Die AntragsteUung an das Amtsgericht - Ermittfungsrichter - erfolgt sodann unter dem vergebenen Js-Aktenzeichen. 4. Die Erstakte wird - entsprechend dem Ablauf bei Vorführungen in Haftsachen - durch die Polizei dem Amtsgericht - Ermittlungsrichter - Düsseldorf zugeleitet. 5. Das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - übermittelt die Ergebnisse der Vorführungen, also das Protokoll der Verkündung, den Haftbefehl gemäß § 127b StPO und das Aufnahmeersuchen oder eine ablehnende bzw.abweichende Entscheidung, unverzüglich per Telefax der Abteilung 99 der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, wo diese Fax-Unterlagen der Zweitakte nachgeheftet werden. 6. Das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - Düsseldorf leitet die Erstakte nach Verkündung der Hauptverhandlungshaft unmittelbar der für das besonders beschleunigte Verfahren geschäftsplanmäßig zuständigen Abteilung des Amtsgerichts Düsseldorf zu. Geschäftsplanmäßig sind dort seit dem 1. März 2015 zwei Strafrichterinnen im Rahmen des Turnussystems im Wechsel zuständig. Nach Eintragung teilt die zuständige Abteilung des Amtsgerichts telefonisch oder per Telefax der Abteilung 99 der Staatsanwaltschaft das gerichtliche Aktenzeichen mit. 7. Bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sind eine Amtsanwältin und ein Amtsanwalt (sowie eine Amtsanwältin und ein Amtsanwalt als feste Vertreter) geschäftsplanmäßig zuständig für die anhand der Zweitakte vorzunehmende abschließende Sachbearbeitung und AntragsteIlung auf Aburteilung im besonders beschreunigten Verfahren an das Amtsgericht Düsseldorf. -Dabei ist ihnen gemäß Nummer 23 der Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaft (OrgStA) auch die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren übertragen, die nicht in den Zuständigkeitskatalog der Nummer 19 OrgStA C,Zuständigkeit der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte in Strafsachen") fallen; ausgenommen sind Verfahren gegen Heranwachsende sowie wegen politischer Strafsachen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die Abschlussverfügung und die Antragsschrift werden dem Amtsgericht Düsseldorf per Telefax übermittelt. Überstücke der AbschJussverfügung und der Antragsschrift werden zur Handakte genommen. -4- 8. Nach Eingang der Antragsschrift teilt das Amtsgericht Düsseldorf der Abteilung 99 der Staatsanwaltschaft per Telefax den Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren mit. Die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in diesen Verfahren soll - im Rahmen des Möglichen - jeweils die sachbearbeitende Person des Amtsanwaltsdienstes wahrnehmen. Die Sitzungsvertreterin/der Sitzungsvertreter bringt die Originale der Abschlussverfügung und der Antragsschrift auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren zur Hauptverhandlung mit und übergibt sie dem Gericht zwecks Ergänzung der Erstakte. Binnen einer Woche nach der vorläufigen Festnahme ergeht ein Urteil oder eine sonstige verfahrensbeendende Entscheidung. 9. Bei der Staatsanwaltschaft ist ein Abteilungsleiter mit der Projektkoordinierung, den Aufgaben des Abteilungsleiters und des Vollstreckungsdezernenten fOr besonders beschleunigte Verfahren betraut. Auch für die Rechtspfleger-Aufgaben, die Gruppenleitung, die Wahrnehmung der Aufgaben der Service-Einheit einschließlich der Kostenberechnung und der Normierung sind feste Zuständigkeiten begründet worden} die im Geschäftsverteilungsplan ausgewiesen werden. 11. Zu den bislang im Rahmen des Projekts durchgeführten Verfahren hat der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf Folgendes berichtet: Am 4. Mai 2015 waren 33 Verfahren in der neu geschaffenen Abteilung 99 erfasst. Tatvorwürfe sind in sämtlichen Verfahren Verstöße gegen § 242 Strafgesetzbuch (StGB), teilweise in besonders schwerem Fall im Sinne von § 243 StGB. In 28 dieser Verfahren sind insgesamt 30 Personen verurteilt worden, davon 21 Personen zu Geldstrafen zwischen 40 und 90 Tagessätzen und neun Personen zu Freiheitsstrafen zwischen drei und sieben Monaten, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung. Rechtsmittel gegen diese Verurteilungen sind bisher von keiner Seite eingelegt worden. Opportunitätsentscheidungen - d. h. insbesondere etwa Verfahrenseinstellungen gemäß §§ 153, 153a StPO - sind bisher nicht ergangen. In vier Verfahren hat das Amtsgericht Düsseldorf den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gemäß § 127b StPO abgelehnt. Die Verfahren sind daraufhin zur abschließenden Bearbeitung in die allgemeinen Abteilungen der Staatsanwaltschaft abgegeben worden. In einem Verfahren hat das Amtsgericht Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit unter Hinweis auf die Unanwendbarkeit der Verordnung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen gegen Erwachsene auf Anträge gemäß § 127b StPO verneint. Ober die -5gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde hat das Landgericht Düsseldorf noch nicht entschieden. 111. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf hat in Aussicht gestellt, in Absprache mit der Präsidentin des Amtsgerichts Düsseldorf, dem Polizeipräsidenten in Düsseldorf und dem Landrat des Kreises Mettmann im· Sommer dieses Jahres eine erste vorläufige Bilanz des Projekts unter Berücksichtigung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zu ziehen und diese der Presse vorzustellen. IV. Fragen der organisatorischen Ausgestaltung des beschleunigten Verfahrens waren wiederhott Gegenstand der jährlichen Dienstbesprechung des Justizministeriums mit den Generalstaatsanwälten und den Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwälten, zuletzt im Jahr 2012. Zur Anwendung und Durchführung des beschleunigten Verfahrens bestehen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Organisationsstrukturen. Als besondere organisatorische Maßnahmen wurden beispielsweise • Regelungen der richterlichen Zuständigkeit für beschleunigte Verfahren in gerichtlichen Geschäftsverteilungsplänen getroffen • Sonderdezernate und Bereitschaftsdienste bei Staatsanwaltschaften eingerichtet, • feste Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner bei Staatsanwaltschaften benannt, • Dienstbesprechungen der Behördenleitungen von Staatsanwaltschaften mit den Dezernentinnen und Dezernenten sowie zwischen Vertretern von Staatsanwaltschaften, Gerichten und Polizei durchgeführt, • Hausverfügungen bei Staatsanwaltschaften erlassen und • Handreichungen, teilweise in Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeibehörden, erstellt, in denen behördeninterne Bearbeitungszuständigkeiten oder bestimmte Anwendungsfälle für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens festgelegt und zwischen den Staatsanwaltschaften und den örtlichen Polizeibehörden bestehende Absprachen dokumentiert sind. t - 6- V. Die Justizministerinnen und Justizminister haben auf ihrer 84. Konferenz vom 12. bis 13. Juni 2013 in Perl-Nennig auf Vorschlags Bertins die Bedeutung des beschleunigten Verfahrens im Sinne der §§ 417 ff. StPO erörtert. Sie haben den Strafrechtsausschuss gebeten, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Erfahrungen der Länder mit diesem Verfahren auswertet und gegebenenfalls Optimierungsvorschläge unterbreitet. Die Arbeitsgruppe, an der unter der Leitung Berlins die Länder Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beteiligt sind, hat nach einer um .. fassenden bundesweiten Erhebung zu den Erfahrungen mit dem beschleunigten Verfahren in den einzelnen Ländern den Entwurf eines Abschlussherichts erstellt. Dieser befindet sich derzeit in der Abstimmung und soll anschließend der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vorgelegt werden. Die Landesregierung wird die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in die weiteren Überlegungen zur Optimierung der Anwendung des beschleunigten Verfahrens einbeziehen.
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