Grußwort von Jörg Litwinschuh, Geschäftsführender

Grußwort von Jörg Litwinschuh,
Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld,
anlässlich des
Neujahrsempfangs der IG CSD Stuttgart e.V.
Stuttgart, 23. Januar 2016
(Es gilt das gesprochene Wort.)
Verehrte Teilnehmende,
ich danke der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart für die Einladung zum heutigen
Neujahrsempfang und gratuliere Ihnen herzlich zum 15jährigen Vereinsjubiläum!
Vielleicht fragen sich einige von Ihnen, was die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
auf einem Empfang eines regionalen CSD zu tun hat, wo wir uns doch sonst politisch
eher zurückhalten und Neutralität walten lassen: Dies hat zwei Gründe: Zum einen
engagieren wir uns seit über einem Jahr im Südwesten Deutschlands. Dazu komme
ich gleich noch zu sprechen. Zum anderen sind wir selbstverständlich eine Stiftung,
die die Emanzipation der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender,
Transsexuellen, Intersexuellen und queeren Menschen durch Bildung und Forschung
unterstützt – und dies kann niemals unpolitisch sein. Die Antidiskriminierungsarbeit
und das Sichtbarmachen von LSBTTIQ-Lebensweisen sind häufig auch ein
Auseinandersetzen mit denjenigen Menschen, Gruppen, Ideologien und
gesellschaftlichen Strukturen, die Repression in der Vergangenheit, aber auch
aktuell, ermöglicht haben und weiter vorantreiben. Ich bin daher auch nach Stuttgart
gekommen, damit ich mich heute Vormittag dem Protest gegen die sogenannten
„besorgten Eltern“ – u.a. organisiert vom neuen Bündnis „Vielfalt für Alle“ –
anschließen konnte. Akzeptanz für LSBTTIQ-Lebensweisen wird es ohne die
rechtliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung nicht geben! Sie werden meiner
Meinung nach leider niemals völlig erreicht und müssen immer wieder neu erkämpft
werden. Daher müssen wir – gerade im Zeitalter der sozialen Netzwerke, wo sich
falsches, diffamierendes und viel irreführendes Gedankengut rasend schnell als
„Wahrheit“ verbreitet – entgegenhalten, d.h.: Sichtbar machen, Bürger_innen
sachlich und unaufgeregt informieren und sich auf gar keinen Fall von
besorgniserregenden, in Wahrheit menschenfeindlichen Gruppen, wie auch immer
sie sich selbst bezeichnen oder tarnen mögen, ängstigen oder gar in der
Antidiskriminierungsarbeit aufhalten lassen. Wir müssen uns gegen jene Kräfte
engagieren, die Ängste schüren und Hass predigen. Gegen Homo- und
Transsexuellenfeindlichkeit, gegen Sexismus und Rassismus, gegen Antisemitismus
und Islamfeindlichkeit.
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Der zweite Punkt, warum wir uns hier im schönen Südwesten Deutschlands in den
kommenden Jahren besonders engagieren werden, ist die gute Zusammenarbeit mit
dem Land Baden-Württemberg. Ich danke dem Sozialministerium und dem
Wissenschaftsministerium für die Förderung zweier verschiedener Projekte an der
Universität Stuttgart, die die Verfolgung und Unterdrückung von Menschen
verschiedener sexueller und geschlechtlicher Identität erforschen und
dokumentieren. Unsere Stiftung ist Kooperationspartnerin dieser Projekte. Endlich
wird diese Verfolgungsgeschichte aufgearbeitet. Es ist das größte Forschungs- und
Vermittlungsprojekt dieser Art in Europa. Und ich zitiere Sozialministerin Katrin
Altpeter: „Wir wollen lange tabuisiertes Unrecht sichtbar machen!“
Die Aufarbeitung und Vermittlung der Lebenswelten und der Verfolgungsgeschichten
von LSBTTIQ ist in zweierlei Hinsicht wichtig für unsere Demokratie: Zum einen
geben sie diesen Menschen ihre Lebensgeschichte und damit ihre Würde zurück –
sie zeigen der Bevölkerung die Geschichte sexueller, geschlechtlicher und damit
menschlicher Vielfalt. Zum anderen stärken sie die Emanzipation durch
Wissensvermittlung und Vernetzung.
Unsere Stiftung wird Sie tatkräftig auf diesem Weg unterstützen!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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