Aktuelle Entwicklungen UWG-Reform 2015 Wichtige Änderungen im Überblick RAin Dr. Anna Müller, Köln ¢ Hintergrund Nachdem die Europäische Kommission moniert hatte, dass Deutschland die RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbraucher (UGPRL) durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008 nicht hinreichend umgesetzt habe, legte die Bundesregierung im April 2015 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vor. Mit dem Gesetzesentwurf sollten klarstellende Anpassungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgenommen und die in der UGP-RL enthaltenen Regelungen für den Anwender bereits aus dem Wortlaut des UWG ersichtlich werden. Am 5.11.2015 hat der Deutsche Bundestag die Gesetzesänderungen beschlossen. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wurde am 9.12.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 10.12.2015 in Kraft getreten. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die zentralen Änderungen. ¢ Unlauterkeit legal definiert § 3 UWG wurde vollständig neu gefasst. Die bisherige Regelung wurde durch eine Klausel ersetzt, die nur noch die Rechtsfolge der Unzulässigkeit benennt: Seite 2 · Ausgabe Januar 2016 „Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig“. An diese Rechtsfolgenregelung knüpfen alle weiteren Unlauterkeitstatbestände an. § 3 Abs. 2 UWG normiert die Definition der Unlauterkeit hinsichtlich geschäftlicher Handlungen. Dabei wurde die Generalklausel aus der UGP-RL übernommen, die allein den Verbraucherschutz umfasst: „Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.“ Entsprechend der Vorgabe in Art. 2 Buchst. E UGP-RL findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG nunmehr eine Definition der „wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“. Wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers bedeutet danach „die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Hierdurch sind unwesentliche UWGVerstöße ausgenommen, die sich bei Verbrauchern faktisch nicht auswirken. Eine Generalklausel für den Mitbewerberschutz im B2B-Bereich wurde dage- gen nicht eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung soll § 3 Abs. 1 UWG jedoch wie bisher als Auffangtatbestand für solche geschäftliche Handlungen fungieren, die von den nachfolgenden Bestimmungen nicht erfasst werden, aber einen vergleichbaren Unlauterkeitsgehalt aufweisen. Demnach können Handlungen gegenüber sonstigen Marktteilnehmern § 3 Abs. 1 UWG unterfallen. In einer neuen Nummer 9 wurde in § 2 Abs. 1 UWG die Definition der „geschäftlichen Entscheidung“ eingefügt. Hierunter fällt nach der Neufassung „jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden.“ Der Begriff „fachliche Sorgfalt“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG a.F.) wurde durch den Begriff „unternehmerische Sorgfalt“ ersetzt und in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG definiert. Der in der UGP-RL genannte Begriff der „beruflichen Sorgfalt“ wurde hingegen nicht verwendet. ¢ § 3a UWG Rechtsbruchtatbestand Der bisherige Rechtsbruchtatbestand (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) wird nunmehr in einem neu eingefügten § 3a UWG normiert. Dagegen wurden die Tatbestände des bisherigen § 4 UWG deutlich gekürzt. § 4 UWG n.F. erfasst nur noch Fälle des Mitbewerberschutzes (§ 4 Nr. 7–10 UWG a.F.). Die verbraucherbezogenen Tatbestände des § 4 Nr. 1–6 UWG a.F. wurden teilweise in anderen Paragrafen geregelt und teilweise aufgehoben. Insbesondere wurde die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG a.F. („Koppelungsverbot“) gestrichen und damit das Verbot der Koppelung von Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit dem Warenabsatz aufgehoben. ¢ Verbot aggressiver Geschäftspraktiken Der neu eingefügte § 4a UWG regelt den Tatbestand „Aggressive geschäftliche Handlungen“, der nicht auf Verbraucher beschränkt ist, sondern auch unlauteres Verhalten im B2B-Bereich erfasst. Das Verbot aggressiver Geschäftshandlungen, also solcher Handlungen, die „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet [sind], die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen,“ gilt somit auch unter Mitbewerbern. Inhaltlich erfasst die Regelung die bisher in § 4 Nr. 1, 2 UWG geregelten Tatbestände, ist jedoch detaillierter gefasst. Insbesondere wurde das Ausnutzen von Marktmacht als aggressive Geschäftspraktik normiert. In § 4a Abs. 1 S. 3 UWG heißt es: „Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilneh- mer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.“ In § 5 UWG (Irreführende geschäftliche Handlungen) wird nunmehr deutlich gemacht, dass die jeweilige irreführende Handlung geeignet sein muss, die Entscheidungsfreiheit des Adressaten zu beeinträchtigen. ¢ Informationspflichten § 5a UWG wurde in Abs. 2 für Verbraucher stärker an die Terminologie der UGP-RL angepasst und durch weitere Merkmale ergänzt, die der Werbende im Blick haben sollte: „Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, 1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und 2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gilt auch 1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen, 2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise, 3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.“ Folgende Absätze 5 und 6 wurden angefügt: „(5) Bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, sind zu berücksichtigen: 1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie 2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das Kommunikationsmittel nach Nummer 1 zur Verfügung zu stellen. (6) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Fazit Die Gesetzesänderung führt sowohl zu Änderungen in der Paragraphenfolge als auch zu Änderungen des Wortlauts einzelner Vorschriften. Eine wesentliche Änderung der materiellen Rechtslage dürfte demgegenüber nicht zu erwarten sein. Sowohl die Gesetzesbegründung als auch die Wettbewerbszentrale weisen zutreffend darauf hin, dass die nationalen Gerichte bislang bereits eine richtlinienkonforme Auslegung des UWG nach den Vorgaben der UGP-RL vorgenommen haben. Quelle BGBl. 2015 Teil I, Nr. 49, 2158 Ausgabe Januar 2016 · Seite 3
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