NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE Nr. 2/2015 Wir freuen uns, Ihnen heute eine weitere Ausgabe unseres Newsletters im Jahr 2015 zu präsentieren. Sachverständigen-Informationen aktuell von Mai 2015 Befangenheit wegen eigenmächtiger Wahl des Wertermittlungsverfahrens? Die Antwort kann vorweg genommen werden: Nein, das ist kein Befangenheitsgrund. Auch, wenn der Sachverständige damit von seinem Auftrag, dem Beweisbeschluss abweicht. Fazit: Es „passiert“ nichts, wenn man seinen eigenen Sachverstand einsetzt – man muss es nur ordentlich begründen. Das kann man zumindest der Entscheidung des OLG Naumburg entnehmen. Hier hatte das Gericht dem Sachverständigen aufgegeben, einen Immobilienwert auf Grundlage des Vergleichswertverfahrens zu übermitteln. Der Sachverständige wich von dieser gerichtlichen Vorgabe ab, weil dies nach seiner Auffassung für das zu bewertende Objekt nicht zu einem tragfähigen Ergebnis geführt hätte und wählte eine alternative Bewertungsmethode. Diese gut begründete fachliche Eigeninitiative überzeugte das Gericht – es lehnte den Befangenheitsantrag ab. Folgende Gründe sind seitens des Gerichtes aufgeführt worden: …. nach § 406 Abs.1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Subjektive und unvernünftige Gedankengänge der ablehnenden Partei haben dabei außen vorzubleiben. Mehrere Tatsachen, die für sich alleine genommen eine Befangenheit (noch) nicht begründen, können in ihrer Gesamtheit aus der Sicht der ablehnenden Partei den Anschein der Parteilichkeit des Sachverständigen begründen. Soweit die Beklagten ihr Gesuch darauf stützen, dass der Sachverständige mit der Wahl des Wertermittlungsverfahren von gerichtlicher Vorgabe abgewichen sei und dies in der Beschwerdebegründung mit dem Argument vertiefen, der Sachverständige habe sich zu einer Position aufgeschwungen, die dem Richter vorbehalten sei, weil er keinesfalls ein Gutachten erstatten durfte, das vom Auftrag abweicht, vermag dies die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 2 Diese Sichtweise kann dann angebracht sein, wenn der Sachverständige ohne sachlichen Grund von der gerichtlichen Vorgabe abweicht, für seine Abweichung keine Begründung liefert oder gar sein Vorgehen nicht offenlegt. Ist der Sachverständige jedoch der Auffassung, dass eine gerichtliche Vorgabe aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles nicht zu einem tragfähigen Ergebnis führen würde, so ist es nicht zu beanstanden, wenn er statt der von den Beklagten angesonnenen Rückgabe des Gutachterauftrages eine alternative Methode wählt und dies offenlegt. Hier hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, aus welchen Gründen er das Vergleichswertverfahren nicht für ausreichend zuverlässig hält, um den Wert der Wohnung zu ermitteln. Er hat auch in seinem Gutachten das Vergleichswertverfahren durchgeführt und das Ergebnis zur Überprüfung des im Ertragswertverfahren erzielten Ergebnisses herangezogen. Dieses Vorgehen unter Offenbarung der Methodik und hilfsweise Anwendung der vom Gericht vorgegebenen Verfahrensweise ist nicht geeignet, die gegen den Sachverständigen gerichtete Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Da der Sachverständige die gerichtlich vorgegebene Methodik nicht ignoriert, sondern angewendet und unter Angaben von Gründen für nachrangig gehalten hat, hat er sich nicht an die Stelle des Gerichtes gesetzt. Vielmehr hat er dem Leser und dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, sich mit der von ihm gewählten Methodik auseinander zu setzen und im Ergebnis der Prüfung eine eigene Tatsachenfeststellung zu treffen. Bauteilöffnung – Kosten für Hilfskraft erstattungsfähig? Ist für eine ordnungsgemäße Untersuchung des Beweisgegenstandes eine zerstörende Bauteilöffnung erforderlich, stellen sich für den Sachverständigen einige Fragen. In vielen Fällen sieht sich der Sachverständige dem Problem gegenüber, ob er selbst die Bauteilöffnung zusammen mit Hilfskräften vornimmt oder ob er diese Aufgabe über das Gericht der beweisbelastenden Partei auferlegen lässt. Übernimmt er selbst mit von ihm beauftragten Hilfskräften die Öffnungsarbeiten, sollte es an sich selbstverständlich sein, dass er die Kosten für die Hilfskräfte nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erstattet bekommt. Man ist aber auch als Spezialist für das JVEG immer wieder erstaunt, was sich Anweisungsbeamte ausdenken, um dem Sachverständigen berechtigte Ansprüche zu versagen. So wurden einem Sachverständigen, der für die Bauteilöffnung eine Hilfskraft eingesetzt hatte, die Kosten für diese Hilfskraft mit der Begründung gestrichen, die Hilfskraftarbeiten seien nicht erforderlich gewesen, weil die Bauteilöffnung Sache der beweisbelastenden Partei und nicht Aufgabe des Sachverständigen gewesen sei. Mit Recht hat das OLG Hameln mit Beschluss vom 02.12.2011 entschieden, dass dem Sachverständigen die Kosten für seine Hilfskraft auch in diesem Falle erstattet werden müssen. Befangenheit kann durch Entschuldigung beseitigt werden Ablehnungsanträge wegen Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen sind im gerichtlichen Alltag an der Tagesordnung. Teils sind sie berechtigt, teils sind die dazu vorgetragenen Gründe gesucht oder künstlich geschaffen, um einen unliebsamen Sachverständigen aus dem Prozess „herauszuschießen“. Dass die Gerichte sich bei Befangenheitsgründen leicht machen, wie vielfach behauptet, in dem sie auch bei „unseriösen“ Ablehnungsgründen den Anträgen stattgeben, kann man nun wirklich nicht feststellen. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 3 Aber auch den Sachverständigen kann man nicht in jedem Falle einen Vorwurf machen, wenn ihnen das „juristische“ Gefühl dafür fehlt, dass ein bestimmter Sachverhalt ein Befangenheitsgrund darstellen könnte. In dem vom LG Marburg zu entscheidenden Fall hatte ein Medizinprofessor seiner Stellungnahme zum Befangenheitsgesucht folgendes ausgeführt: „Ich kann gerne vor Gericht mein Gutachten erläutern, muss aber jetzt schon sagen, dass ich einfach keinen Fehler in Bezug auf den Arbeitsprozess in der Klinik und Praxis beginnend von der Identifikation über die Diagnostik bis zur Operation und postoperativen Behandlung sehen kann.“ In diesem Satz sah der Klägervertreter einen Befangenheitsgrund, den er wie folgt formulierte: „Damit stellt der Gutachter fest, dass, egal was kommt und welche Fragen ihm gestellt werden, er in jedem Fall an seinem Ergebnis festhalten will und nicht bereit ist, darüber zu diskutieren. Das ist der klassische Fall der Voreingenommenheit.“ In einem weiteren Schreiben entschuldigte sich dann der Sachverständige. Er habe das nicht so gemeint, sondern wollte nur auf seinen damaligen Kenntnisstand abstellen. Selbstverständlich sei er bereit, in der terminierten Anhörung weitere Fragen zu beantworten und nach fachlicher Prüfung und neuen Fakten seine Meinung erforderlichenfalls zu ändern. Das Gericht lehnte aufgrund dieser Entschuldigung das Ablehnungsgesuch ab. Damit habe der Sachverständige den zunächst entstandenen Eindruck der Besorgnis der Befangenheit ausgeräumt. Der Sachverständige habe durch seine Klarstellung und Distanzierung nachgewiesen, dass er zur Selbstkontrolle bereit und fähig ist. Der Klägervertreter hatte seinen Befangenheitsantrag zusätzlich damit begründet, dass der Sachverständige in einem Diakoniekrankenhaus tätig sei und alle Diakoniekrankenhäuser in einem Verband organisiert seien. Mithin ergebe sich auch darauf ein Befangenheitsgrund, weil man einem Verbandsmitglied nicht voreingenommen gegenüber stehe könne. Das Gericht lehnte auch diese Begründung mit folgender Begründung ab: „Aus einer derartigen gemeinsamen Mitgliedschaft in einem Dachverband kann eine Partei bei vernünftiger Betrachtung jedoch nicht schließen, dass der Sachverständige zu ihren Ungunsten voreingenommen ist. Nicht jeder geschäftliche oder persönliche Kontakt zu einer Partei lässt befürchten, dass ein Sachverständiger einen gerichtlichen Gutachtenauftrag nicht mehr objektiv und unvoreingenommen bearbeitet.“ Achtung bei Überschreitung des Beweisbeschlusses! Es muss immer wieder davor gewarnt werden, die im Beweisbeschluss gestellten Fragen „sinnvoll“ auszulegen oder den Beweisbeschluss zu überschreiten. Beides ist zwar verständlich, dass Sachverständige aus fachlicher Motivation heraus gerne „der Sache auf den Grund gehen“. Das kann aber schnell dazu führen, dass sich der Sachverständige nicht auf dem Grund, sondern im Untergrund wieder findet; nämlich im Untergrund der Befangenheit mit der Folge der Versagung der Vergütung. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 4 Die Hintergründe, warum nicht mehr beantwortet werden soll als gefragt ist, sind nachvollziehbar. Im Zivilprozess gilt der sogenannte „Beibringungsgrundsatz“, es wird also nur das zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht, was die streitenden Parteien von sich aus vorbringen. Nimmt der Sachverständige also z.B. mehr Mängel in seine Begutachtung auf, als von der Partei selbst vorgebracht, „munitioniert“ er diese mit weiterem Sachvortrag. Das diese Unterstützung bei der anderen Partei nicht gut ankommt, ist klar – denn für diese entsteht der Eindruck, der Sachverständige unterstütze einseitig die Rechtsposition der anderen Partei. Der weiterhin gültige Rat heißt daher: Sachverständige sollten sich immer genau an den Beweisbeschluss halten und nicht eigenmächtig die Fragen interpretieren oder gar erweitern. Wann eine unzulässige Überschreitung vorliegt, ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen. In nachfolgendem dargestellten Fall hatte der (medizinische) Sachverständige „Glück“. Das Gericht (Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen vom 11.08.2014) gab dem Ablehnungsantrag nicht statt, da es sich in diesem Fall zwar um eine weite, aber noch zulässige Interpretation der Fragestellung des Beweisbeschlusses handelte. Die Gründe des Gerichtes waren wie folgt: Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 17.07.2014 gegen den ihm am 08.07.2014 zugestellten Beschluss des Landgerichts vom 24.06.2014 ist zulässig (§ 46 Abs. 2 ZPO), insbesondere rechtzeitig erhoben worden. Sie ist indessen nicht begründet. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit dann erfolgen kann, wenn vom Standpunkt einer Partei objektiv und vernünftig betrachtet Gründe vorliegen, die Misstrauen an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen vermögen. Ein solcher Fall kann, wie der Kläger zutreffend geltend macht, dann vorliegen, wenn der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag selbständig überschreitet und – insbesondere zu Lasten einer Partei – zur Aussage gelangt, nach denen das Gericht nicht gefragt hat. Ob ein solches Verhalten einen Ablehnungsantrag zu rechtfertigen vermag, lässt sich allerdings nicht pauschal beantworten, sondern hängt ab von allen Umständen des Einzelfalles (BGH, Beschluss vom 11.04.2013). Für den vorliegenden Fall hat das Landgericht dies zutreffend verneint. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Sachverständige unter Berücksichtigung der Beweisfrage im Beweisbeschluss des Landgerichtes vom 21.01.2013, auf deren Überschreitung der Kläger sein Ablehnungsgesuch stützt, seinen gerichtlichen Gutachtenauftrag überhaupt verlassen hat oder ob nicht viel mehr der Kläger diesen zu eng interpretiert. Die Fragestellung im besagten Beweisbeschluss zielt darauf ab, ob „im Hause der Beklagten in den Krankenakten…. unter medizinischen Gesichtspunkten eine umfassende Aufklärung …. hinreichend dokumentiert“ wurde. Diese Fragestellung bezieht sich nach ihrem Wortlaut in der Tat zunächst darauf, ob die über die Aufklärung des Patienten erstellten Dokumente nach ihrem Wortlaut und Inhalt alles das vollständig wiedergeben, worüber der Patient informiert werden musste, d.h., ob sie dies vollen Inhalts „dokumentieren“ im eigentlichen Sinne des Wortes, d.h. den Vorgang vollumfänglich beurkunden oder protokollieren. So hat der Sachverständige die Frage auch zunächst zutreffend verstanden und sie angesichts des Umstandes, dass die entsprechenden Unterlagen den genauen Inhalt der durchgeführten Aufklärung nur allgemein wiedergeben, zutreffend verneint. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 5 Eine umfassende Aufklärung in diesem Sinne ist nicht „dokumentiert“, d.h. in einem Dokument vollständig und abschließend niedergelegt worden. Durchaus noch mit der Fragestellung des Gerichts vereinbar, hat sich der Sachverständige sodann darüber hinaus mit der Frage befasst, ob sich nicht aus der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles, d.h. den vorliegenden Dokumenten insgesamt in Verbindung mit dem kinderepileptologischen Standard zur Information des Patienten bzw. seiner Angehörigen eine umfassende Aufklärung „dokumentieren“ im Sinne von „belegen“ oder „nachweisen“ lässt. Dies hat der Sachverständige angenommen und als glaubhaft bezeichnet. Mag er sich damit auch im Grenzbereich zwischen medizinischer Fragestellung und rechtlicher und tatsächlicher Würdigung des Sachverhaltes bewegen, mag man seine Einschätzung insoweit teilen oder nicht – er hält sich damit jedenfalls im Bereich dessen, was man als Fragestellung des Gerichts im Sinne der Formulierung des Beweisbeschlusses – auch – verstehen kann. Dass er diesen in dem vorgenannten Sinne interpretiert und die Fragestellung im vorgenannten Sinne verstanden hat, ergibt sich eindeutig aus seiner Stellungnahme vom 08.04.2014 und führte ihn dazu, dass er die erste – so verstandene – Frage verneint, die zweite hingegen bejaht hat. Dies ist alles nicht zu beanstanden. Ein Grund für die Annahme, der Sachverständige sei nicht hinreichend objektiv, ergibt sich nach dem aus seiner ausgesprochenen differenzierten Herangehensweise jedenfalls nicht. Die Entscheidung über die Kosten erfolgte aus § 97 ZPO. Erheblichkeit bei Verhältnis zum Streitgegenstand und Überschreitung des Kostenvorschusses Nach § 8a Abs. 3 und 4 JVEG kann die Vergütung des Sachverständigen in zwei Fällen gekürzt werden: § 8a Abs. 3 JVEG Die Vergütung steht erheblich außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes. § 8a Abs. 4 JVEG Der angeforderte Auslagenvorschuss Sachverständige weist nicht darauf hin. wird erheblich überschritten und der Wegen des sehr lehrreichen Falles, der sich u.a. auch mit der vom Sachverständigen eingesetzten Stundenzahl auseinandersetzt, wird nachstehend die Begründung eines Gerichtsurteils im Wortlaut wiedergegeben: I. Der Sachverständige ist durch Beweisbeschluss des Senats vom 05.06.2013 mit der Erstellung eines schriftlichen Unfallrekonstruktionsergänzungsgutachtens beauftragt worden. Der Auslagenvorschuss hierfür ist auf 1.000,00 EUR festgesetzt worden. Der Sachverständige hat sodann ein Gutachten vom 13.11.2013 erstellt und hierfür eine Vergütung in Höhe von 1.300,00 EUR abgerechnet und erhalten. Die Beklagtenvertreter haben den Beweisbeschluss als nicht abgearbeitet angesehen. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 6 Der Sachverständige hat daher einen Nachtrag vom 11.02.2014 erstellt und darin ausgeführt, dass sein Gutachten vom 13.11.2013 die Fragen aus dem Beweisbeschluss vollständig beantwortet habe. Für den Nachtrag hat er mit einer Liquidation vom 11.02.2013, auf die Bezug genommen wird, 530,00 EUR abgerechnet. Die Kostenbeamtin hat mit Schreiben vom 13.03.2014 eine Bezahlung abgelehnt, da sie den Beweisbeschluss – nach Anhörung des erkennenden Richters – als erst durch den Nachtrag vom 11.02.2014 abgearbeitet angesehen hat und der Sachverständige den Auslagenvorschuss trotz Hinweises nicht als zu niedrig beanstandet habe. Der Sachverständige hat Vergütungsfestsetzung beantragt. Die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, ist gehört worden und hat sich dem Antrag angeschlossen. II. Die Anträge des Sachverständigen vom 20.03.2014 und der Bezirksrevisorin vom 15.04.2014 auf Vergütungsfestsetzung sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2, 2 Nr. 1 JVEG zulässig. Danach sind sowohl der Sachverständige, als auch die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin, antragsberechtigt. Die Anträge sind nicht an eine Frist gebunden. Maßgebend ist nur, dass der Sachverständige seine Honorarabrechnung binnen drei Monaten nach Vorlage seines Gutachtens vom 11.02.2014 eingereicht hat (§ 2 Abs. 1 JVEG). Dies war hier der Fall. 1. Die Vergütung aus der Liquidation des Sachverständigen vom 11.02.2014 ist nicht wegen Verstoßes gegen § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO zu kürzen. Nach dieser Vorschrift trifft den Sachverständige eine Pflicht zum rechtzeitigen Hinweis, wenn voraussichtlich Kosten für die Begutachtung entstehen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Im vorliegenden Falle stehen die geltend gemachten Gutachterkosten, deren Entstehung der Sachverständige voraussehen konnte, nicht außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die voraussichtlichen Gutachterkosten mehr als die Hälfte des Streitwertes erreichen würden. Daran fehlt es hier. Denn der Streitwert beträgt 5.000,00 EUR, die Gutachterkosten erreichen nur 36,5 % dieses Streitwertes. Zwar übersteigen die Gutachterkosten den angeforderten Auslagenvorschuss von 1.000,00 EUR erheblich. Die Erheblichkeitsgrenze wird im Allgemeinen bei 20 – 25 % angenommen und ist hier weit überschritten. Der Sachverständige hat den Anfall der Mehrkosten auch nicht angekündigt. Eine Kürzung seiner Vergütung scheidet gleichwohl aus. Denn eine solche ist nur möglich, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände anzunehmen ist, dass bei rechtzeitiger Anzeige der Mehrkosten der Gutachtensauftrag eingeschränkt oder beendet worden wäre. Das ist im vorliegenden Falle nicht anzunehmen. Hierbei kommt es darauf an, ob und inwieweit das Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreites erforderlich war und ob der Kläger bei rechtzeitiger Mitteilung von Mehrkosten die Klage oder die Berufung zurückgenommen hätte. Das Gutachten des Sachverständigen war im vollen Umfange für die Entscheidung des Rechtsstreites erforderlich. Es enthält keine überflüssigen weitschweifigen Ausführungen. Der Kläger hätte die Klage im Falle rechtzeitiger Mitteilung der Mehrkosten nicht zurückgenommen. Vielmehr hat er nachhaltig an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten. Auch eine Einschränkung des Gutachtensauftrages kam nicht in Betracht, vielmehr beschränkte sich dieser von NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 7 vornherein auf die wesentlichen und für die Entscheidung notwendigen Beweistatsachen. Eine Minderung der Vergütung wegen Mängel der Begutachtung (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 JVEG) scheidet aus. Zwar hatte der Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten vom 13.11.2013 den Beweisbeschluss teilweise noch nicht vollständig abgearbeitet. Vielmehr dies erst im Nachtrag nachgeholt. Insoweit wird er auf die richterliche Verfügung vom 05.03.2014 Bezug genommen. Allerdings hat sich das Ergänzungsgutachten vom 13.11.2013 für eine richterliche Beurteilung des Verkehrsunfalls als ausreichend erwiesen, was sich aus der Hinweisverfügung vom 21.11.2013 ergibt. Die nicht beantworteten Fragen aus dem Beweisbeschluss erübrigten sich aus richterlicher Sicht nunmehr in Anbetracht des Ergänzungsgutachtens. Die beklagten Vertreter haben gleichwohl auf eine Ergänzung bestanden, andernfalls hätten sie eine Anhörung des Sachverständigen beantragt. Eine Anhörung hätte der Senat nicht ablehnen dürfen. Für sie wäre ebenfalls eine Vergütung angefallen. Aus diesem Grunde ist auch der Nachtrag als insgesamt vergütungsfähig anzusehen. 2. Höhe der Vergütung: a) Zeitaufwand und Stundensatz: Der Sachverständige hat insoweit 3,5 Stunden à 120,00 EUR abgerechnet, was ein Honorar von 420,00 EUR ergibt. Der abgerechnete Stundensatz von 120,00 EUR entspricht der Honorargruppe 12 nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG in Verbindung mit Nr. 37 der Anlage I zu § 9 Abs. 1 JVEG. Danach fällt eine Ursachenermittlung und Rekonstruktion bei Verkehrsunfällen in die Honorargruppe 12. Die Stundenanzahl von 3,5 ist nach Ausführungen der Bezirksrevisorin nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Ein Anlass zur Nachprüfung besteht erst dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint. Das ist hier nicht der Fall. 3,5 Stunden sind nur ein Bruchteil eines Arbeitstages. Diese sind nachvollziehbar und vom Sachverständigen nach seiner Rechnung auch aufgeschlüsselt worden. Die benötigte Zeit verteilt sich hierbei auf das Aktenstudium, Denkarbeit, Ausarbeitung, Korrektur und Fertigstellung. Bei dieser Sachlage hat der Senat keinen Zweifel, dass die berechnete Stundenanzahl zutreffend ist. b) Aufwendungen: aa) Schreibkosten: Schreibarbeiten sind nach dem Wortlaut von §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG in der Weise abzurechnen, dass pro angefangene 1.000 Anschläge (Schreibmaschinenanschläge), zu denen auch die Leertastenanschläge zählen, 0,75 EUR zu vergüten sind. Das Gutachten umfasst 3 Seiten, der Sachverständige hat fünfmal 0,75 EUR = 3,75 EUR abgerechnet. Dies ist nicht zu beanstanden. bb) Der Sachverständige hat auch die Aufwendungen für beiden Gutachtensduplikate richtig abgerechnet. Sie errechnen sich gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG wie folgt: 6 Seiten x 0,50 EUR = 3,00 EUR. NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 8 cc) Porto und Telefonkosten in Höhe von 15,00 EUR sind nach § 7 Abs. 1 JVEG zu ersetzen und dem Grunde und der Höhe nach ebenfalls nicht zu beanstanden, was auch den Standpunkt der Bezirksrevisorin entspricht. dd) Auch die Mehrwertsteuer ist zu ersetzen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG). Die Abrechnung des Sachverständigen ist daher im vollen Umfange berechtigt. Vogel zeigen – Vergütung weg Wenn die Sachverständige während eines Termins auf die Ausführungen des Klägervertreters kurz mit dem Zeigefinger an die Schläfe tippt und auf diese Weise den Vogel zeigt, kann sie wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Weil die Sachverständige die Ablehnung grob fahrlässig selbst verursacht hat, verliert sie nach dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 30.07.2014 auch ihren Vergütungsanspruch und muss die bereits ausgezahlte Vergütung wieder zurückerstatten. Die Entscheidung des OLG Stuttgart beruht zwar noch auf altem Recht; es gab da noch keinen gesetzlichen Verlusttatbestand, aber eine einheitliche Rechtsprechung. Der Sachverhalt führt aber auch nach dem seit 01.08.2013 geltenden neuen § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG zum selben Ergebnis. Die Gründe des Gerichts sind wie folgt: I. Durch Beschluss vom 05.11.2013 hat die 17. Zivilkammer des LG Stuttgart den Antrag des Klägers, die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet erklärt und entschieden, dass die Sachverständige für die Erstattung ihres Sachverständigengutachtens keine Vergütung erhält und bereits an sie ausbezahlte Beträge von ihr zurückzuerstatten sind. Gegen den Beschluss vom 05.11.2013 wendet sich die Sachverständige mit ihrer Beschwerde vom 19.11.2013. Das Landgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde der Sachverständigen ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. 1. Gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG neue Fassung erhält der Sachverständige seine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen. Soweit das Gericht die Leistungen berücksichtigt, gilt sie als verwertbar (§ 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG neue Fassung). Diese neuen Regelungen sind im vorliegenden Fall gemäß § 24 JVEG noch nicht anwendbar, da der Auftrag an den Sachverständigen vor dem 01.08.2013 erteilt worden ist. In der Zeit davor bestand zwar keine entsprechende gesetzliche Regelung, nach der herrschenden Rechtsprechung führte aber die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit des Gutachtens bei nach der Übernahme des Gutachtensauftrages entstandenen Ablehnungsgrundes dann zum Verlust der Vergütung kommt, wenn beim Sachverständigen Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit vorlagen. 2. Grobfahrlässiges Handeln liegt dann vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende NEWSLETTER FÜR SACHVERSTÄNDIGE – Nr. 2/2015 Seite 9 Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Im vorliegenden Falle hat das Landgericht zu Recht eine grobe Fahrlässigkeit auf Seiten der Sachverständigen bejaht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss wird Bezug genommen. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich die Sachverständige auf die Ausführung des Klägervertreters kurz mit dem Zeigefinger auf die Schläfe getippt und den Vogel gezeigt. Die Sachverständige hat durch die darin liegende Kränkung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin grobpflichtwidrig Anlass gegeben, an ihrer Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit zu zweifeln. Zu Recht hatte das Landgericht die in Rede stehende Geste als besondere schwerwiegendes außer Acht lassen der von einem Sachverständigen zu erwartenden Sorgfalt eingestuft. Es muss jedem gerichtlichen Sachverständigen unmittelbar einleuchten, dass die Grenzen dessen, was eine Partei als gerade noch angemessen hinnehmen muss, hier klar überschritten sind. Der Beschwerdevortrag der Sachverständigen rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Sachverständige versucht wie in 1. Instanz, ihr Verhalten als Reflex auf die zum xten Male vorgetragene aus ihrer Sicht unberechtigte Kritik der Klägerseite zu erklären. Dies ändert nichts an der vorstehenden Bewertung der in Rede stehenden Geste. Es besteht kein Anlass, diese im Hinblick auf einen „wiederholten“ in der Sache unhaltbaren Einwand des Klägervertreters „in einem“ milderen Licht zu sehen. Auch bei einer Einstufung als „reflexhafte“ Spontanreaktion ändert sich an der Bewertung nichts. Unerheblich ist schließlich, dass das schriftliche Gutachten zum Zeitpunkt des Vorfalles bereits erstellt war. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss der 17. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 26.11.2013 verwiesen. 3. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG. Bei Fragen zum Newsletter wenden Sie sich bitte per Email an die Handwerkskammer des Saarlandes: [email protected] oder [email protected]
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