sachverständigenrecht wird neu geregelt

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Sachverständigenrecht wird neu geregelt
| In der Öffentlichkeit besteht oft die Ansicht, gerichtlich bestellte Sachverständige seien in Einzelfällen nicht unabhängig und neutral. Hierdurch wiesen gerichtliche Gutachten zum Teil nicht die erforderliche Qualität auf.
Darauf hat die Bundesregierung nun reagiert: Sie hat dem Bundestag den
Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur
weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ vorgelegt (BT-Drucksache 18/6985). Der folgende Beitrag gibt einen Überblick zu den wichtigsten Regelungen. |
1. Beteiligungsrechte stärken
Der Entwurf sieht vor, die Beteiligungsrechte der Parteien bei der Auswahl
des Sachverständigen zu stärken (§ 404 Abs. 2 ZPO-E). Er will eine möglichst
breite Entscheidungsgrundlage für das Gericht schaffen. Insofern soll
gesetzlich normiert werden, dass in der Regel Parteien bzw. Beteiligte anzuhören sind, bevor ein Sachverständiger ernannt wird. Das Anhörungsrecht,
das schon aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt, muss auch das Recht umfassen, den
Sachverständigen zu dessen Auskunftspflichten nach § 407a ZPO zu befragen
oder ihm einen Vorhalt zu machen.
Anhörungsrecht der
Parteien
◼◼Im Wortlaut: § 404 Abs. 2 ZPO-E
PDF erstellt für Gast am 22.04.2016
(2) Vor der Ernennung sollen die Parteien zur Person des Sachverständigen
gehört werden.
PRAXISHINWEIS | Vor dem Hintergrund, dass Verfahren zu beschleunigen
sind, ist ein ausgedehntes Anhörungsverfahren kontraproduktiv. Sie können es
aber prozesstaktisch auch dazu nutzen, Verfahren zu verzögern.
Verzögerungstaktik
Um Verfahren zu beschleunigen, können Parteien von sich aus Sachverständige
vorschlagen, sodass eine Anhörung entbehrlich wird, wenn Parteien und Parteivertreter sich hier einigen. Dies ist möglich, weil § 404 Abs. 2 ZPO-E als SollVorschrift ausgestaltet ist. Zu diesem Zweck sollten gerade Fachanwälte und
Gerichte über eine Liste von Sachverständigen verfügen, die sie für neutral und
fachlich geeignet halten.
Beschleunigungstaktik
2. Prüfungspflichten des Sachverständigen
Der Sachverständige muss von sich aus unverzüglich prüfen, ob Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ist das der Fall, muss er dies dem Gericht unverzüglich mitteilen. So
soll seine Neutralität gewährleistet werden (§ 407a Abs. 2 ZPO-E).
Sachverständiger
prüft auch von sich
aus, ob er neutral ist
02-2016PROZESSRECHT
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◼◼Im Wortlaut: Die Neuregelung in § 407a Abs. 2 ZPO-E
(2) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der
geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Der Sachverständige hat dem Gericht solche Gründe unverzüglich mitzuteilen.
PRAXISHINWEIS | Die Aufgabe der Praxis wird darin bestehen, den Sachverständigen zu erläutern, wann ein solches Misstrauen berechtigt sein könnte. Es
hilft den Parteien nämlich nicht, wenn der Sachverständige diese Pflicht aufgrund eines falschen Verständnisses der Norm nicht berücksichtigt und sich die
Tatsachen dann erst sehr viel später ergeben. Dann verzögert sich der Rechtsstreit nur noch weiter, was gerade (auch) vermieden werden soll. Um dem Sachverständigen als juristischem Laien Entscheidungshilfe zu geben, sollten deshalb im Gesetzgebungsverfahren Regelbeispiele anhand der bisherigen Rechtsprechung in § 407a Abs. 2 ZPO aufgenommen werden. Oder die Bevollmächtigten sollten das Gericht bitten, dem Sachverständigen Regelbeispiele im Rahmen
der nach § 407a Abs. 3 und 5 (dann 4 und 6) ZPO möglichen Anleitung des Sachverständigen zu nennen.
Entscheidungshilfe
für den Sachverständigen
3. Klare Fristen für den Sachverständigen
Um das Verfahren effektiv zu beschleunigen, muss das Gericht dem Sachverständigen eine Frist setzen, wenn es schriftliche Begutachtung anordnet, bis
wann er das Gutachten übermitteln muss. Diese Frist kann verlängert werden, wenn die Umstände des Begutachtungsverfahrens dies bedingen, der
Sachverständige etwa noch weitere Unterlagen von den Parteien benötigt und
unverzüglich anfordert oder die Frist von Anfang an unangemessen kurz war.
Missachtet der Sachverständige die Frist, soll künftig gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, das bis zu 5.000 EUR betragen kann.
PDF erstellt für Gast am 22.04.2016
◼◼Im Wortlaut: Die Neuregelung in § 411 ZPO-E
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten
zu übermitteln hat.
Soll-Vorschrift wird
zur Muss-Regelung
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger
die Frist, soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld
muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 5.000 EUR nicht übersteigen. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt
werden. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
Kann-Vorschrift wird
zur Soll-Vorschrift,
und ihr Rahmen wird
konkretisiert
PRAXISHINWEIS | Schon heute ist es möglich, Fristen zu setzen und deren
Überschreiten konkret zu sanktionieren. Im Hinblick auf die beabsichtigte Novelle
können Sie daher schon heute das Gericht zumindest darum bitten, zeitlich konsequent das sachverständige Gutachten zu begleiten.
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◼◼Im Wortlaut: Die Neuregelung in § 407a Abs. 1 ZPO-E
(1) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall,
so hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen.
Absatz 1 wird ergänzt
Die Prüfungspflichten des Sachverständigen umfassen demnach verschiedene Aspekte, die der Bevollmächtigte aufmerksam beobachten muss, wenn
der Sachverständige anlässlich seiner Beauftragung angehört wird:
So kontrollieren Sie,
ob der Sachverständige geeignet ist
CHECKLISTE 
/ Ist der Sachverständige geeignet?
„„ Welche Fachgebiete betrifft das Beweisthema, und fällt der Gutachtenauftrag wirklich in das Fachgebiet des
Sachverständigen?
Beachten Sie | Meist können Sie diese Frage im Internet recherchieren oder durch eine Frage bei der IHK oder
HwK klären. Oft genügt ein Anruf.
„„ Müssen weitere Sachverständige wegen komplexer Fragen hinzugezogen werden? Soll dies durch gesondert
vom Gericht einzuholende Einzelgutachten oder durch ein Zusammenhangsgutachten mit vom Sachverständigen einzuholendem Zusatzgutachten erfolgen?
„„ Welche Frist ist angesichts der Komplexität der Beweisfrage angemessen, und kann der Sachverständige diese
auch angesichts seiner sonstigen beruflichen Belastungen einhalten? Gibt es gleichermaßen geeignete Sachverständige, die schneller begutachten können?
Beachten Sie | Oft ist feststellbar, dass Gerichte Einheitsfristen setzen, etwa drei Monate für ein Gutachten.
Das kann in einem Fall – die Beweisfrage kann aus den Akten beantwortet werden – zu lang, in einem anderen
Fall – der Patient ist zu untersuchen, oder es muss ein Ortstermin mit vorbereitenden Arbeiten stattfinden – zu
kurz sein. Kontrollieren Sie deshalb auch auf eine angemessene Frist und bitten Sie darum, die gesetzte Frist
mitzuteilen. Andererseits muss der Sachverständige ggf. auf eine notwendige längere Bearbeitungszeit hinweisen und beantragen, die Frist zu verlängern.
„„ Sind andere Personen mit nicht nur untergeordneten Hilfsdiensten in die Begutachtung einzubeziehen, sodass
diese gegenüber dem Gericht mit Namen und Umfang ihrer Beteiligung anzugeben sind (§ 407a Abs. 2 ZPO)?
Beachten Sie | Diese schon heute bestehende Pflicht wird häufig missachtet, etwa wenn der Chefarzt den
Gutachtenauftrag erhalten hat, aber der Oberarzt den Patienten persönlich untersucht.
„„ Sind der Inhalt und Umfang der Beweisfragen hinreichend bestimmt, oder muss das Gericht darum gebeten
werden, dies zu klären (§ 407a Abs. 3 ZPO)?
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„„ Ist der angegebene Kostenvorschuss voraussichtlich auskömmlich, oder muss ein weiterer Kostenvorschuss
angefordert werden (§ 407a Abs. 3 ZPO)?
Beachten Sie | Die tatsächlichen Kosten dürfen den mitgeteilten Kostenvorschuss um nicht mehr als zehn
Prozent übersteigen.
„„ Stehen die voraussichtlichen Kosten der Begutachtung erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands (§ 407a Abs. 3 ZPO)?
„„ Bestehen Anhaltspunkte, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu
rechtfertigen, sodass sie dem Gericht unverzüglich mitgeteilt werden müssen?
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Teilt der Sachverständige Umstände nicht mit, die ein fristgerechtes Gutachten
infrage stellen, erhält er nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG eine Vergütung nur,
insoweit seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Da sich die Alternative, einen anderen schnelleren Gutachter zu bestellen, kurzfristig meist
nicht bietet, wird diese Konsequenz wohl kaum gezogen.
4. Schriftliche Ergänzung und Erläuterung
Es wird im Gesetzentwurf klargestellt: Das Gericht kann zwar auch anordnen, dass das Gutachten schriftlich zu ergänzen und erläutern ist. Dies stellt
aber reine Kosmetik dar, da eine solche Verfahrensweise schon heute praktiziert wird. Die Begutachtungspraxis wird sich dadurch nicht verbessern.
◼◼Im Wortlaut: Die Neuregelung in § 411 Abs. 3 ZPO-E
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit
er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche
Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
Vorschrift wird
ergänzt
PRAXISHINWEIS | Wird der Gutachter persönlich angehört – auch in der direkten Konfrontation mit einem oder mehreren Privatgutachtern – führt dies meist zu
einem besseren und auch schnelleren Ergebnis der Beweisaufnahme als schriftliche Ergänzungsgutachten mit Stellungnahmefristen und ergänzenden Stellungnahmen von Privatgutachtern und wieder neuen Fragen. Auf die Entscheidung, was
im konkreten Einzelfall sinnvoller ist, sollten Sie Einfluss nehmen, indem Sie in der
Stellungnahme zum Gutachten festhalten, welche Form der Erläuterung des Gutachtens aus welchen Gründen sachgerecht erscheint.
Hier sollten Sie
Einfluss nehmen
5. Qualitätsanforderungen in Kindschaftssachen
In Kindschaftssachen sollen Qualifikationsanforderungen für Sachverständige gesetzlich vorgegeben werden, um die Qualität der Gutachten zu verbessern. So soll § 163 FamFG um Berufsanforderungen ergänzt werden:
◼◼Im Wortlaut: Die Neuregelung in § 163 FamFG-E
PDF erstellt für Gast am 22.04.2016
(1) In Verfahren nach § 151 Nummer 1 bis 3 ist das Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten, der mindestens über eine psychologische,
psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll.
Parallel dazu entwickeln die Berufsverbände Mindestanforderungen an die
Qualität von Gutachten im Kindschaftsrecht. Es wäre wünschenswert, dass
dies noch im Gesetzgebungsverfahren möglichst weit gelingt, sodass viele
der Anforderungen übernommen werden können, um künftige Streitfragen
zu vermeiden. Mit einem Abschluss ist im Laufe des Jahres 2016 zu rechnen.
Gesetzgebungsverfahren wohl in 2016
beendet – Streit
nicht zu erwarten
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