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Themen und Veranstaltungen präsentiert vom Team Arbeitsrecht von Osborne Clarke
Wir möchten Sie auf folgende Veröffentlichung unseres Teams aufmerksam machen:
• „Alles oder nichts? Im Blickpunkt: Das Tarifeinheitsgesetz - Arbeitgebern dürften
unruhige Zeiten bevorstehen“ von Dr. Anke Freckmann und Jörg Puppe,
Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 13
In dieser Ausgabe finden Sie Beiträge zu folgenden Themen:
Top Thema: Personalarbeit
Schadenersatzansprüche nach AGG auch für Scheinbewerber? ............................................. 3
Sachlicher Grund für Befristung und Vermeidung von Rechtsmissbrauch ............................... 4
Kündigungsrecht
Verdachtskündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses .................................................... 5
Betriebs- und Verfassungsrecht
Beginn der Durchführung einer Betriebsänderung .................................................................... 7
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Top Thema: Personalarbeit
Schadenersatzansprüche nach AGG auch
für Scheinbewerber?
Stellenbewerber, die aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmals bei der Stellenbewerbung benachteiligt werden, haben gem. § 15 Abs. 2 AGG einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Die Frage, ob dies auch
für einen Bewerber gilt, der sich nur beworben hat, um
später einen solchen Anspruch geltend zu machen, hat
das BAG nun zur Entscheidung dem EuGH vorgelegt (Beschluss. v. 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A).
Der Sachverhalt
Der Kläger hat im Jahr 2001 seine Ausbildung zum Volljuristen mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen.
Seitdem ist er hauptsächlich als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Er war vorübergehend leitender Angestellter
einer Rechtsschutzversicherung und nahm an einem
Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht teil. Außerdem besitzt er medizinische Grundkenntnisse aufgrund eines umfangreichen medizinrechtlichen Mandats.
Die beklagte Gesellschaft hatte als Tochterunternehmen
eines großen Versicherungskonzerns ein „TraineeProgramm 2009“ ausgeschrieben. Laut Stellenbeschreibung sollten ein nicht länger als ein Jahr zurückliegender
oder demnächst erfolgender sehr guter Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung
durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit für
die Stelle vonnöten sein. Für die Fachrichtung Jura wurde
zudem eine arbeitsrechtliche Schwerpunktsetzung oder
aber medizinische Kenntnisse erwünscht.
Seine auf diese Ausschreibung gerichtete Bewerbung des
Klägers lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger war daraufhin der Ansicht, dass sowohl sein
Alter als auch sein Geschlecht der Grund für die Ablehnung seiner Bewerbung waren. Er machte daher Entschädigungsansprüche in Höhe von EUR 14.000,00 wegen
Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7
Abs. 1 i.Vm. § 1 AGG geltend.
Ein im Anschluss von der Beklagten angebotenes Vorstellungsgespräch lehnte der Kläger ab und verfolgte stattdessen seine geltend gemachten Ansprüche weiter.
mehr sei es dem Kläger von Anfang an um einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG gegangen.
Ein solcher „Scheinbewerber“, der sich nicht mit dem Ziel
einer Einstellung um eine Stelle bewirbt, falle aber nicht
unter den Begriff des „Bewerbers“ bzw. „Beschäftigten“ im
Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Damit scheide in der
Konsequenz jedoch auch ein Entschädigungsanspruch
nach den Vorschriften des AGG aus.
Allerdings verwendet die rechtliche Grundlage auf EUEbene, wie das BAG zurecht feststellt, nicht den Begriff
des „Bewerbers“. Es müsse daher geklärt werden, ob das
Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass man eine tatsächliche Einstellung verfolge. Sollte dies nicht der Fall sein,
müsse der bisher vertretene nationale Bewerberbegriff und
ggf. der Kreis der Entschädigungsberechtigten erweitert
werden.
Für eine endgültige Klärung der Rechtsfrage hat das BAG
daher eine Auslegungsfrage an den EuGH gestellt.
Hinweise für die Praxis
Sollte der EuGH zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Bewerber eine tatsächliche Einstellung nicht anstreben muss,
hätte dies für Unternehmen weitreichende rechtliche und
schlimmstenfalls auch finanzielle Konsequenzen.
Für den Fall, dass eine Stellenausschreibung auch nur
indirekt eine Benachteiligung wegen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung oder aber wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung nahelegt, können erfolglose Bewerber eine Entschädigung in Höhe von bis zu
drei Monatsgehältern geltend machen.
Sogenannten „AGG-Hoppern“ würde eine Erweiterung des
Bewerberbegriffs Tür und Tor öffnen. Für die Personalabteilungen würde dies viel Ärger und Mehraufwand im Recruitment-Prozess bedeuten.
Doch selbst für den Fall, dass der EuGH die bisherige, enge Auslegung des Bewerberbegriffs billigen sollte, bleibt
das Thema Stellenausschreibung hoch aktuell. Bereits
jetzt muss der Arbeitgeber einem Bewerber nachweisen,
dass dieser es nicht ernsthaft auf die ausgeschriebene
Stelle abgesehen hat, um Entschädigungsansprüche zu
vermeiden. Die Rechtsprechung legt dabei hohe Maßstäbe
an.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht und das LAG haben die Klage abgewiesen. Folge dessen war eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers beim BAG.
Das BAG vertritt nun die Ansicht, dass aufgrund der Bewerbungsgestaltung und des Klägerverhaltens im Zusammenhang mit dem Angebot eines Vorstellungsgesprächs
gar keine ernsthafte Bewerbung vorgelegen habe. Viel-
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Andreas Grillo
Rechtsanwalt
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Top Thema: Personalarbeit
Sachlicher Grund für Befristung und Vermeidung von Rechtsmissbrauch
Ein sachlicher Grund für eine Befristung liegt vor allem
dann vor, wenn der Arbeitnehmer als Vertretung für Personen im Mutterschutz, Elternzeit etc. eingestellt wird. Teil
des sachlichen Grundes ist hierbei die Prognose, dass der
Vertretungsbedarf später wieder wegfällt, so das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 29. April 2015 – 7 AZR
310/13).
weiß, wann mit der Rückkehr des zu vertretenen Arbeitnehmers zu rechnen ist. Daher besteht für die zu erfüllenden Aufgaben durch die Vertretungskraft bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages nur ein zeitlich begrenztes
Bedürfnis. Der sachliche Grund besteht folglich zum Teil
aus der Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr
des zu vertretenden Mitarbeiters. Hierbei sind insbesondere bei mehreren einzelnen aufeinanderfolgenden Verträgen die Voraussetzungen an die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzustellenden Prognosen, nicht zu erhöhen.
Der Sachverhalt
Der Kläger war 15 Jahre lang aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen als stellvertretender Leiter in der einzigen Küche des städtischen Alten- und Pflegeheims der
Beklagten beschäftigt. Der Kläger vertrat jeweils die stellvertretende Küchenleiterin, die in diesem Zeitraum aufgrund der Geburt von drei Kindern wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung, Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Elternzeit und Sonderurlaubs, ausfiel. Die Laufzeiten
der jeweiligen Arbeitsverträge entsprachen hierbei immer
dem prognostizierten Ausfall der stellvertretenden Küchenleiterin. Das letzte befristete Arbeitsverhältnis endete am
31. August 2013.
Auch darf kein Fall eines institutionellen Rechtsmissbrauchs vorliegen. Im Rahmen der Prüfung des Rechtsmissbrauchs sind die Gerichte unionsrechtlich dazu verpflichtet durch Überprüfung aller Umstände des Einzelfalls
auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Auch wenn hier eine
missbräuchliche Nutzung der Sachgrundbefristung aufgrund der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von fast
15 Jahren und der Anzahl von 10 befristeten Verträgen
indiziert ist, wird die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs jedoch durch die besonderen Umstände des Einzelfalles widerlegt. Für die Beschäftigung des Klägers bestand zu keiner Zeit ein dauerhafter Bedarf.
Der Kläger beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung beendet ist, sondern vielmehr als unbefristetes Arbeitsverhältnis hinaus
fortbesteht.
Hinweise für die Praxis
Das Urteil stellt noch einmal klar, dass die gerichtliche Befristungskontrolle neben der Überprüfung des Sachgrundes auch die unionsrechtliche Missbrauchskontrolle umfasst. Es muss ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber befristete Arbeitsverträge missbräuchlich verwendet,
indem ein Dauerbedarf gedeckt wird.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die
Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Entscheidung
Das BAG hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und soweit der Beklagten Recht gegeben.
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist gemäß § 14
Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt, wenn ein sachlicher Grund
vorliegt. Überprüft wird durch die Arbeitsgerichte immer nur
die letzte Befristung. Im vorliegenden Fall ist die Befristung
des letzten Arbeitsvertrages durch den Sachgrund der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers gemäß § 14 Abs. 1
S. 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt, so das BAG. Insbesondere
die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers für die Dauer
eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG, Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes wird durch § 21 Abs. 1
BEEG als sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1
TzBfG anerkannt.
Auch hier liegt der Grund für eine Befristung darin, dass
der Arbeitgeber bereits am Anfang der Beschäftigung
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Insbesondere bei zunehmender Anzahl von Verträgen,
kann gegenüber einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer eine missbräuchliche Befristung angenommen
werden, wenn trotz der vorhandenen Möglichkeit einer
dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen wird und bereits bei Abschluss des ersten Vertrages eine Weiterbeschäftigung
über den befristeten Vertrag hinaus geplant ist (vgl. BAG
Urteil vom 18. Juli 2012, 7 AZR 443/09)
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Viktoria Winstel
Rechtsanwältin
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Kündigungsrecht
Verdachtskündigung eines
Berufsausbildungsverhältnisses
Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund
zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der
Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht (BAG, Urteil vom 12. Februar 2015 – 6 AZR
845/13).
Der Sachverhalt
Der Kläger stand in einem Ausbildungsverhältnis zum
Bankkaufmann bei der beklagten Bank. Er war an einem
Tag damit betraut, das im Nachttresor befindliche Geld mit
einer Zählmaschine zu zählen. Nach Weiterleitung der
Gelder an die Zentralbank, stellte diese einen Kassenfehlbestand von EUR 500,00 fest. Die beklagte Bank bat den
Kläger um ein Personalgespräch. Über den geplanten Inhalt informierte sie den Kläger vorher nicht. Der genaue
Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Nach Angaben der Bank hat der Kläger von sich aus
die Höhe des Fehlbetrages genannt. Die Bank kündigte
das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos und
hilfsweise ordentlich. Der Auszubildende erhob Klage gegen die Kündigung und beantragte zugleich vor dem
Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer
ein Schlichtungsverfahren, welches ohne Einigung endete.
Die Entscheidung
Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage abgewiesen
hatten, hat auch das BAG die Wirksamkeit der Kündigung
bestätigt.
Das Gericht sieht in dem dringenden Verdacht einer
schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden
einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Zwar fordern Teile der Literatur und
Rechtsprechung eine nur ausnahmsweise Zulässigkeit
einer Verdachtskündigung im Berufsausbildungsverhältnis
bei Vorliegen einer vertieften Vertrauensbasis zwischen
den Vertragsparteien. Dies lehnt das BAG aber wegen der
Unbestimmtheit einer solchen Voraussetzung ab. Die besondere Vertrauensstellung komme bei der Prüfung der
Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses im Rahmen der Interessenabwägung zum Tragen.
Ein dringender Verdacht sei vorliegend begründet, da der
Kläger im damaligen Gespräch von sich aus die genaue
Höhe der festgestellten Kassendifferenz genannt und damit fundamentales Täterwissen preisgegeben habe. Die
Bank habe zudem alles Zumutbare zur Aufklärung des
Sachverhaltes getan, indem sie dem Kläger Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben hat. Eine vorherige Unterrich-
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tung hinsichtlich des beabsichtigten Gesprächsinhaltes sei
nicht erforderlich. Ebenso sei die beklagte Bank nicht
verpflichtet gewesen, den Auszubildenden auf die
Möglichkeit der Kontaktierung eines Rechtsanwaltes hinzuweisen.
Bei der Anhörung im Rahmen des Personalgesprächs
handele es sich darüber hinaus nicht um eine nach § 32
Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unzulässige Datenerhebung, weil eine solche nur bei
Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen zur Aufdeckung
einer Straftat vorliegen könne. Die bloße Anhörung sei
aber keine Überwachungsmaßnahme. Der Beschäftigte
werde in offener Weise mit Verdachtsmomenten konfrontiert und erhalte die Gelegenheit zu deren Entkräftung. Er
könne sich bei der Anhörung – im Gegensatz zu einer
Überwachungsmaßnahme – entziehen, indem er eine Einlassung verweigere.
Hinweise für die Praxis
Das Urteil gibt klare Richtlinien für den Umgang mit
Verdachtskündigungen im Ausbildungsverhältnis an die
Hand:
Ein Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer kündigen, wenn
der bloße Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung vorliegt. Die notwendigen Voraussetzungen für
eine solche „Verdachtskündigung“ sind nach der ständigen
Rechtsprechung geklärt.
Neu ist allerdings, dass das BAG auch im Ausbildungsverhältnis in dem dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG sieht.
Das Gericht stellt klar, dass der Ausbilder im Rahmen
einer vorherigen Anhörung den Auszubildenden weder
über den vorherigen Gesprächsinhalt, noch auf die
Möglichkeit der Konsultation eines Rechtsanwalts hinweisen muss. Das Gericht stellt aber fest, dass im Einzelfall
bei erkennbarer Überforderung oder Verlangen nach einer
Konsultation mit einem Rechtsanwalt oder einer sonstigen
Vertrauensperson, ein Gespräch unterbrochen und vertagt
werden muss.
Für die Praxis ist weiterhin von Bedeutung, dass gemäß
§ 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG zur Beilegung von Streitigkeiten die Anrufung eines bestehenden Schlichtungsausschusses erforderlich ist.
Zudem schafft das BAG Klarheit über datenschutzrechtliche Anforderungen. Arbeitgeber laufen bei der im Rahmen einer Verdachtskündigung erforderlich werdenden
Anhörung nicht gleich Gefahr, gegen die Bestimmungen
des BDSG zu verstoßen.
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Betriebs- und Verfassungsrecht
Beginn der Durchführung einer Betriebsänderung
Eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG beginnt
erst dann, wenn unumkehrbare Maßnahmen getroffen
wurden, die zwangsläufig in die Betriebsänderung münden.
Der Sachverhalt
Die Beklagte, eine Zeitungsvertriebsgesellschaft mit 57
Arbeitnehmern, zu denen auch der Kläger gehörte, verlor
durch Kündigung vom 30. November 2011 mit Wirkung
zum 29. Februar 2012 ihren einzigen Auftraggeber. Die
Gesellschafterinnen der Beklagten beschlossen, den Geschäftsbetrieb zum Ablauf des 29. Februars einzustellen
und den Betrieb stillzulegen. Seit dem 1. März 2012 wurden die Zusteller nicht mehr beschäftigt. Die zur Erledigung der Zustellung benötigten Haustürschlüssel, Bücher
sowie Transportmittel wurden an den Auftragsnachfolger
übergeben. Die Beklagte informierte den Betriebsrat mit
Schreiben vom 12. Januar 2012 über die beabsichtigte
Betriebsstilllegung. Das Scheitern der Verhandlungen über
den Interessenausgleich wurde am 27. April 2012 festgestellt. Am 24. April 2012 schaltet die Beklagte ordnungsgemäß Massenentlassungsanzeigen und kündigte nach
ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats am 28. April
2012 ihren Arbeitnehmern zum Ablauf des 31. Juli 2012.
Der Kläger machte Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG
in Verbindung zu dem Kündigungsschutzgesetz geltend,
da die Beklagte schon vor Beginn der Verhandlungen über
Interessenausgleich unumkehrbare Maßnahmen zur
Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen hätte.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe keine unumkehrbaren Maßnahmen zur Durchführung der Betriebsstilllegung getroffen.
Die Durchführung einer Betriebsänderung beginnt nach
ständiger Rechtsprechung des BAG erst dann, wenn der
Arbeitgeber eine unumkehrbare Maßnahme ergreift und
damit vollendete Tatsachen schafft. Dies ist spätestens
dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt.
Das BAG betont in dieser Entscheidung, dass eine solche
unumkehrbare Maßnahme noch nicht in dem Entschluss
besteht, eine Betriebsänderung vorzunehmen, bspw. den
Betrieb still zu legen. § 113 Abs. 3 BetrVG sichert kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an der unternehmerischen Entscheidung, sondern nur bei deren Umsetzung.
Die Beteiligungsrechte nach § 111 BetrVG setzen vielmehr
eine solche Entscheidung sogar voraus.
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Entsprechende endgültige, unumkehrbare Maßnahmen
habe der Arbeitgeber in diesem Fall nicht getroffen. So sei
weder in der Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten
Kündigung noch in der Massenentlassungsanzeige eine
unumkehrbare Maßnahme zu sehen. Der Arbeitgeber sei
auch nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattungen
der Massenentlassungsanzeigen nicht gezwungen, die
Kündigungen tatsächlich auszusprechen.
Auch die Einstellung der Geschäftstätigkeit stellt noch keine unumkehrbare Maßnahme dar. Es ist dem Arbeitgeber
unbenommen, den Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen.
Es sei vielmehr notwendig, dass der Arbeitgeber bereits
mit der Auflösung der betrieblichen Organisation beginnt.
Die von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen, wie
die Übergabe von Haustürschlüsseln, Büchern und Transportmittel stellten keine solche Auflösung der betrieblichen
Organisation dar, sondern folgten lediglich aus dem Verlust des Auftrags. Die genannten Betriebsmittel seien nur
für diesen Auftrag benötigt gewesen. Die Durchführung
anderer Aufträge sei durch deren Verkauf daher nicht gehindert gewesen. Das Gleiche gelte für die Kündigung von
Mietverträgen für Verteilstellen. Dies könne nur dann eine
unumkehrbare Maßnahme sein, wenn diese zwingend
notwendig für die Aufrechterhaltung des Betriebes gewesen seien. Dies sei in diesem Fall nicht zu erkennen gewesen.
Auch die Freistellung der Arbeitnehmer sei keine solche
unumkehrbare Maßnahme. Vielmehr sei es der Beklagten
möglich gewesen, die Arbeitnehmer, sofern wieder Arbeit
vorhanden gewesen wäre, bspw. durch einen neuen Auftrag, erneut zu beschäftigen. Es handelte sich gerade nicht
um eine unwiderrufliche Freistellung.
Schließlich sei auch nicht die Ausführung der vorher von
der Beklagten ausgeführten Aufträge durch eine andere
Gesellschaft als Hinweis auf die Durchführung einer Betriebsstilllegung zu sehen. Dies sei vielmehr nur auf die
Neuvergabe der bisherigen Aufträge der Beklagten durch
den Auftraggeber an eine andere Gesellschaft zurückzuführen.
Hinweise für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht hat hier erneut festgestellt, dass
dem Arbeitgeber bei der Vorbereitung einer Betriebsänderung wie bspw. einer Betriebsstilllegung gewisse Spielräume bleiben, um die Betriebsänderung vorzubereiten. Es
ist ihm unbenommen, solche Vorbereitungsmaßnahmen
durchzuführen, solange diese nicht unumkehrbar sind.
Auch rechtlich notwendige Beteiligungen Dritter, wie des
Betriebsrats oder der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige, sind noch nicht als solche unwiderruflichen Maßnahmen zu sehen.
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Eine vor Abschluss der Verhandlungen zum Interessenausgleich verbotene unwiderrufliche Maßnahme liegt erst
dann vor, wenn auch der Arbeitgeber diese Maßnahme
nicht mehr umkehren kann bzw. wenn die Auflösung der
betrieblichen Strukturen begonnen hat. Es ist einem Arbeitgeber dringend zu raten, bei geplanten Betriebsänderungen diese Grenze strikt einzuhalten, um sich nicht in die
Gefahr zu begeben, nachteilsausgleichspflichtig zu werden. Die Maßnahmen, die in Vorbereitung auf die Betriebsänderung durchgeführt werden, müssen steht darauf
überprüft werden, ob es sich hierbei um endgültige, unumkehrbare Maßnahmen handelt oder ob diese Maßnahmen
in ihrer Wirkung umgekehrt werden können, also bspw. ob
der Betrieb trotz der vorherigen Maßnahmen wieder fortgeführt werden kann.
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Michael Hoffmann
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