Dear Investor - Solidinvest AG

Dear Investor
Eine Publikation der Solidinvest AG
Wirtschaftsentwicklungen, Wertschriftenmärkte und Anlageszenarien
Januar 2016
Rückblick
Im Finanzjahr 2015 bestimmten starke Kursschwankungen die Tagesordnung. Fast jeder Monat brachte
Überraschungen. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurs zum Franken, mehrere „Flash Crashs“ (Kurse brechen innerhalb von Minuten heftig ein und erholen sich genauso schnell wieder) an den Bondmärkten, die
Banken- und Finanzkrise in Griechenland, eine Achterbahnfahrt der Chinesischen Börsen, Terroranschläge
und zum Jahresende der langerwartete historische Zinsschritt in den USA – dies alles führte zu einer hohen
Volatilität.
Schweizer Investoren, die auf hiesige Aktien gesetzt hatten, mussten zum ersten Mal seit drei Jahren mit Verlusten schliessen. Der Swiss Market Index (SMI) verlor 1.8%, wobei die Bandbreite von +28.3% (Swiss Re)
bis -25.1% (Transocean) reichte. Der breiter gefasste Swiss Performance Index (SPI) erreichte hingegen ein
leichtes Plus von 2.7%.
Für international diversifizierte Anleger war entscheidend, in welchen Regionen investiert wurde. So beendete der Dow Jones Index das Jahr mit einem Minus von 2.2%, der Dax dagegen mit einem Plus von 9.5%, der
breit gefasste Euro-Stoxx 50 mit +3.8% und der Nikkei-Index mit einem Plus von 9.1%. Währungsbereinigt
in Schweizer Franken war aber auch an den internationalen Märkten praktisch nichts zu verdienen.
Dear Investor Januar 2016
Chart SMI, 05.01.2015 - 30.12.2015
Die grössten Enttäuschungen resp. Verluste waren in den Rohstoffen zu verzeichnen, allen voran das Rohöl
(-34.9%). Auch der Goldpreis konnte sich der Korrektur nicht entziehen und verlor 10.6%.
Chart Brent Oil pro Barrel in USD, 02.01.2014 - 30.12.2015
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Aktuelles
Die Welt ist im Wandel. Die Veränderungen reichen von den Wachstumstreibern in den Schwellenländern insbesondere China - bis zu den politischen Strukturen in Europa und der Zukunft der globalen geldpolitischen Interventionen. In einer solchen Welt sind noch mehr Überraschungen zu erwarten.
Deutschland hat bereits signalisiert, dass sich die Kosten für die Unterbringung, Ausbildung und Integration
von Flüchtlingen massiv erhöhen werden und dass diese Ausgaben nicht durch Einsparungen in anderen Bereichen, sondern durch höhere Steuern oder weitere Schulden finanziert werden müssen. Italien fordert ebenfalls mehr fiskalische Flexibilität, um seine eigene Flüchtlingsproblematik zu bewältigen. Der französische
Präsident François Hollande hat durchblicken lassen, dass eine substanzielle fiskalische Lockerung erforderlich sein werde, um die Sicherheitskosten nach den schrecklichen Anschlägen in Paris tragen zu können. Zusammengefasst bedeuten diese Aussagen eines: Die Staaten werden deshalb die Steuern erhöhen und sich
noch weiter verschulden.
Zudem hat die Konjunktur im vierten Quartal an Dynamik verloren. Rückläufige Umsätze und Gewinne sowie erhöhte Bewertungen scheinen das Aufwärtspotenzial an den Aktienmärkten zu begrenzen. Die Finanzmärkte waren geprägt durch das billige Geld. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der meisten Börsenplätze ist über
den historischen Durchschnittswert gestiegen, wenn auch nicht dramatisch. Immer öfter stellt sich aber die
Frage, inwiefern die geldpolitischen Programme überhaupt nachhaltig sind und ob die Zentralbanken den
Märkten noch positive Impulse vermitteln können. Die Ausgangslage scheint eindeutig: Ohne eine deutliche
Verbesserung der Konjunktur und der Gewinnentwicklung ist ein weiterer nachhaltiger Anstieg der Aktienmärkte kaum möglich.
Ausblick
Den Jahresauftakt an den Finanzmärkten haben sich viele Anleger wohl anders vorgestellt. Zum Teil heftige
Tagesverluste verunsichern die Anleger. Schwache Konjunkturdaten aus den USA und China lassen nichts
Gutes erahnen. Schienen Aktien bis vor kurzem noch die bevorzugte Anlageklasse der meisten Experten zu
sein, wurde das Übergewicht mittlerweile reduziert. Gerade umgekehrt verhält es sich bei den liquiden Mitteln und den festverzinslichen Wertpapieren. Galten Cash und Anleihen wegen der niedrigen bis negativen
Verzinsung lange als unattraktiv, sind hohe Cashquoten für Zukäufe bei weiteren Korrekturen wieder gefragt.
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In den USA geht eine lange Nullzinsphase ohne nennenswerte Inflation ihrem Ende entgegen und die Wahl
des neuen Präsidenten steht an. China entwickelt sich von einer produktionslastigen zu einer konsumorientierten Wirtschaft und von einem staatlich gelenkten zu einem freien Markt.
Was kann anlagepolitisch vom Jahr 2016 erwartet werden? Wer im neuen Jahr auf eine baldige und deutliche
Besserung hofft, dürfte enttäuscht werden. Nach wie vor treffen in vielen Märkten stattliche Bewertungen auf
eine schleppende Konjunktur. Die wirtschaftlichen Grundlagen sind in manchen Ländern und Regionen immer noch wackelig. Am Ende der Skala befinden sich einige der grossen Schwellenländer, deren Konjunkturaussichten sich düster präsentieren. Insgesamt darf im 2016 mit einem wiederum schwierigen Aktienjahr
gerechnet werden, bei dem per Saldo nur bescheidene Indexzuwächse zu erwarten sind. Die Volatilität dürfte
hoch bleiben oder gar noch zunehmen und Korrekturen in der Grössenordnung von 10% und mehr sind nicht
auszuschliessen.
Die Hoffnung, dass die Zentralbanken bei jeder Korrektur als Retter auftreten, nimmt ab. In Zeiten wie diesen, in denen wenig Vertrauen in die Zukunft und deshalb kaum Wachstum absehbar ist, kann eine Notenbank höchstens den Status Quo erhalten. Die wichtigste Aufgabe einer Zentralbank wäre eigentlich, das
Preisniveau in der Balance zu halten und die Geldwertstabilität sicherzustellen. Diesen Instituten zusätzliche
Ziele und Aufgaben in Bezug auf Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum, Fremdwährungskurse oder Zusammenarbeit des EUR-Währungsraums aufzuzwingen, ist unseres Erachtens mehr als fraglich. Im vergangenen Jahr wurde in der Schweiz ersichtlich, was passiert, wenn die Zentralbank zugeben muss, dass ihre
bisherige Politik nicht nachhaltig ist.
Wie sollen sich Anleger positionieren? Die Probleme sind bekannt. Keine oder negative Zinsen auf dem
Bankkonto, kaum oder negative Renditen auf Obligationen, eher teure Aktienmärkte - immerhin erhält man
noch eine Dividende. Alternative Strategien scheinen zwar attraktiv, sind aber teilweise illiquide oder bringen bedeutende Risiken mit sich. Wie schon mehrmals im Dear Investor erwähnt, sollen die Anleger ihrem
Risikoprofil treu bleiben. Innerhalb dieser Risikobereitschaft sind Aktien bei einem langfristigen Anlagehorizont immer noch unsere bevorzugte Anlage.
Das wichtigste Kriterium für die Aktienauswahl ist nach wie vor eine gute und sichere Dividendenrendite.
Viele Aktien von erstklassigen Gesellschaften in defensiven, relativ wenig konjunkturabhängigen Branchen
mit stabilen Erträgen erfüllen diese Voraussetzung. Auch wenn kaum mehr grosse Kursgewinne erwartet
werden können, dürfte der Investor dank der regelmässigen hohen Dividenden eine ansprechende Performance erreichen.
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Anlagestrategie
Die Kunst beim Aufbau eines robusten Portfolios besteht darin, vermeidbare Überraschungen einzukalkulieren und vor allem der strategischen Vermögensallokation und dem Risikomanagement Beachtung zu schenken. Unsere Haltung zu den Aktienmärkten ist gedämpft und leicht pessimistisch. Die Kursschwankungen
können im ersten Halbjahr noch weiter zunehmen. In solchen Phasen ist Mut gefragt und grössere Korrekturen sind für Käufe zu nutzen. Kunden, die ihre Aktienquote bereits ausgeschöpft haben, raten wir bei grösserer Volatilität die Nerven nicht zu verlieren und die Schwankungen auszusitzen. Das Niedrigzinsumfeld ist
die grösste Herausforderung für Anleger mit Referenzwährung in Schweizer Franken. Es ist noch zu früh, um
in langfristige Obligationen zu investieren. Deshalb raten wir, grössere Liquidität zu halten und bei Gelegenheit gute Unternehmensanleihen zu kaufen. Aus Sicht der Vermögensallokation bevorzugen wir globale Aktien gegenüber globalen Anleihen.
Fremdwährungen
Wird die amerikanische Zentralbank im Verlaufe des Jahres 2016 die Zinsen weiter erhöhen - was in der aktuellen Wirtschafts- und Börsenlage nicht sicher ist - dürfte der US-Dollar weiter Stärke zeigen, könnte sich
aber dem Ende des Aufwärtstrends nähern. Für den Euro rechnen wir unterdessen kurzfristig mit Schwäche,
da die EZB ihre lockere Geldpolitik ausweitet. An den Rohstoffwährungen wie dem Australischen Dollar,
der Norwegischen Krone und dem Neuseeland Dollar halten wir fest und erwarten, dass sich diese Währungen im 2016 stabilisieren und sich leicht erholen werden.
Anleihen / Zinsen
Nach sieben Jahren rückte die US-Notenbank endlich von ihrer Nullzinspolitik ab. Noch nie gab es in der
Geschichte der USA während einer so langen Periode dermassen tiefe Leitzinsen. Auch bei den Obligationen
achten wir auf die Schuldnerqualität. Wir bleiben bei unserer Empfehlung, nur in qualitativ gute Unternehmensanleihen zu investieren. Die Prämien für schlechtere Schuldnerqualitäten (Hochzinsanleihen) sind unseres Erachtens zu tief, als dass wir diese höheren Risiken eingehen würden. Wandelobligationen-Fonds können in diesen unsicheren Zeiten in Betracht gezogen werden.
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Aktien
Grössere Kurskorrekturen im ersten Halbjahr sind für Käufe von soliden Schweizer Aktien mit hoher Dividende und Nebenwerten auszunutzen. Wird sich die Wirtschaftslage in Europa weiterhin verbessern, sind
neben grosskapitalisierten Aktien in Europa allenfalls auch südländische Märkte in Betracht zu ziehen, wobei
wir diese Märkte primär mittels börsengehandelten Fonds auf die entsprechenden Indizes kaufen würden.
Anleger mit einer hohen Risikofähigkeit und -bereitschaft und einem langfristigen Zeithorizont können auf
Märkte setzen, die in letzter Zeit stark korrigiert haben und jetzt attraktiv bewertet sind wie zum Beispiel
Märkte in Asien, Rohstoff- und Goldminenaktien.
Rohstoffe
Nachdem die Talsohle im ersten Halbjahr 2015 erreicht schien, sind die Ölpreise im zweiten Halbjahr aufgrund der Besorgnis über das anhaltende Überangebot und die schwächere Nachfrage aus China erneut unter
Druck geraten. Die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Iran wird noch mehr Öl auf den
Markt bringen und die Kurse weiter drücken. Andererseits produzieren die amerikanischen Schieferölfirmen
beim aktuellen Ölpreis mit Verlusten und bereits wurden einige Förderanlagen geschlossen. Die Auswirkungen auf die US-Wirtschaft sind noch nicht absehbar, waren doch insbesondere diese neu geschaffenen Stellen
im Bereich der Ölförderung für die guten Arbeitsmarktdaten der letzten Jahre verantwortlich. Beim Redaktionsschluss war der Preis für Brent-Rohöl mehr als 20% niedriger als am Jahresanfang.
Wir erwarten, dass sich die Ölpreise 2016 nach dieser gewaltigen Korrektur in den nächsten Monaten stabilisieren und tendenziell wieder etwas stärker wird. Langfristig gesehen muss sich der Investor aber fragen, ob
die jahrzehntelang als sehr sicher geglaubten und dividendenstarken, riesengrossen Ölfirmen der zukünftigen
Entwicklung gewachsen sind. In der Redaktion des „Dear Investor“ sind die Meinungen zu diesem Thema
gespalten. Interessierten Lesern empfehlen wir den äusserst provokativ geschriebenen Artikel in der Finanz
& Wirtschaft vom 12. Januar 2016 mit dem Titel „Warum „Big Oil“ sich selbst liquidieren sollte“.
Zum aktuellen Zeitpunkt erwarten wir, dass die US-Notenbank die Zinssätze langsam weiter erhöhen wird.
Dies insbesondere, wenn die Inflation zügiger steigen wird als erwartet. Dies dürfte Gold im Lauf des Jahres
relativ attraktiver machen. Zusätzliche Unterstützung könnte von den Zentralbanken der Schwellenländer
kommen. Wir halten deshalb an unseren Goldpositionen fest.
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Anlagestrategie nach Währung
(Musterbeispiel, individuell pro Kunde)
1. Semester 2016
(maximale Gewichtung)
CHFAnleger
EURAnleger
USDAnleger
Liquidität
10%
10%
10%
Obligationen
40%
40%
40%
Aktien
55%
55%
55%
Immobilienfonds, Alternative Anlagen
20%
20%
20%
Rohstoffe, inkl. Edelmetalle
20%
20%
20%
40%
40%1
40%2
Anlagekategorien
Währungen
Total Fremdwährungsanteil
(über alle Asset Klassen)
1
Für EUR-Anleger bis 80% in CHF möglich
2
Inklusive Lokalwährungen (Anteil Lokalwährung bis 40% möglich)
Redaktionsschluss: 20. Januar 2016 / Die nächste Ausgabe erscheint im Juli 2016
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