24. September 2015 Schwellenländer – Die Achillesferse der Märkte? Durch die lange Tiefzinsphase in den Industrieländern seit der Finanzkrise ist sehr viel Geld in die aufkommenden Märkte geflossen. Jüngst floss viel Geld in die umgekehrte Richtung und die Währungen der Schwellenländer werteten deutlich ab. Droht uns erneut eine Krise im Stile der Asienkrise von 1998? Wir denken nicht. Mit dem Näherrücken der US-Zinswende und aufgrund der tiefen Rohstoffpreise steigt die Nervosität bei den westlichen Anlegern. Viele fürchten, dass die Schwellenländer nicht mit steigenden US-Zinsen und gleichzeitig tiefen Rohstoffpreisen umgehen können. Erinnerungen an die Asienkrise von 1998 werden wach. Die Asienkrise 1998 Im Vorlauf zur Asienkrise herrschte in Asien ein stabiles Währungsregime. Fast jede Währung war an den USDollar und dessen Wertentwicklung gekoppelt. Die „TigerStaaten“ wie Thailand, Malaysia oder Korea versprachen hohe Wachstumsraten, aber das Kapital im Inland war knapp. Internationale Kapitalgeber waren aufgrund der relativ tiefen Zinsen in Japan und den USA zur Genüge vorhanden und investierten, zum Teil auf Pump, in die TigerStaaten. Die Banken in den Tiger-Staaten wiederum refinanzierten die langfristigen Ausleihungen im Inland mit kurzfristigen Anleihen in US-Dollar und Yen. Über mehrere Jahre ging das gut. Die Währungen blieben stabil zum USDollar und das Kapital floss von Japan und den USA fleissig nach Asien. Finanzspekulanten haben dann aber die heikle Situation insbesondere in Thailand erkannt und aktiv auf eine Währungsabwertung des Thai Bhat gewettet. Wegen der zu geringen Devisenreserven der Zentralbank hatten diese leichtes Spiel und die Zentralbank musste dem Druck nachgeben. Das Vertrauen der internationalen Investoren war weg und es kam zu massiven Kapitalabflüssen. Der Thai Bhat verlor in Folge gegenüber dem US-Dollar innert weniger Monate rund 60% an Wert. Die Währungsabwertung führte schnell zu massiven Problemen bei den thailändischen Banken und die kurzfristigen Fremdwährungsschulden konnten nicht mehr bedient werden. Andere asiatische Staaten in ähnlicher Situation gerieten in Folge auch in Zahlungsschwierigkeiten, was die Probleme verstärkte. Die Negativspirale drehte sich immer schneller. Die Asienkrise nahm ihren Lauf und endete für die betroffenen Länder in einem wirtschaftlichen Desaster. Der Effekt auf die globale Wirtschaft war aber überraschend klein. Die Einbussen der deutschen Wirtschaft durch die Asienkrise wird auf lediglich -0.25% geschätzt. Der S&P500 korrigierte aber aufgrund des massiv gesunkenen Sentiments rund 20%. Ursachen ähnlich, Ausgangslage eine andere Die heutige Entwicklung ist in einigen Punkten vergleichbar. Ähnlich wie vor 1998 hatten im Nachgang an die Finanzkrise Staaten und Unternehmen der Schwellenländer grosse Anreize, sich in US-Dollar zu verschulden. Brasilien, China oder auch Indien versprachen hohe Wachstumsraten und das Kapital floss, begünstigt durch die Tiefzinspolitik in den Industrieländern, in Strömen in die Schwellenländer. Investment Grade Emittenten aus Brasilien oder China konnten beispielweise in den USA fünfjährige Obligationen zu einem Zins von unter 3% emittieren. In heimischer Währung wäre dies kaum möglich gewesen. Dort hätte auch in guten Zeiten ein Top-Unternehmen wie der brasilianische Flugzeughersteller Embraer Zinsen von rund 11% für einen 5jährigen Bond bezahlen müssen. Gleichzeitig ist wie auch vor der Asienkrise das Kreditvolumen in vielen Schwellenländern deutlich stärker gewachsen als das Bruttoinlandprodukt. Grundsätzlich ist dies nicht per se schlecht. Wichtig ist aber, dass diese Kredite für kluge Investitionen genutzt und nicht für spekulative Zwecke eingesetzt werden. Denn dann entwickeln sich genau die gefährlichen Blasen, welche irgendwann unweigerlich platzen. Staaten haben Devisenreserven ausgebaut Quelle: Bloomberg Entscheidende Unterschiede zu 1998 Es gibt aber auch wichtige und in unseren Augen entscheidende Unterschiede zur Situation von 1998. Die wichtigsten Schwellenländer sind heute deutlich gefestigter, in mehrfacher Hinsicht. Die Zentralbanken und Aufsichtsbehörden haben aus der Vergangenheit gelernt. Praktisch alle Zentralbanken der Schwellenländer haben den Boom der letz- Kontakt: Beat Schiffhauer, Tel.: 044 214 32 55, E-Mail: [email protected] 24. September 2015 ten Jahre genutzt und massiv Devisenreserven angehäuft. Diese können sie im Notfall einsetzen, um einen Kollaps der Währung zu verhindern. Zudem existieren in allen grossen Schwellenländern funktionierende Aufsichtsbehörden, welche Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken. Staaten sind kaum in Fremdwährungen verschuldet Auch die Staaten haben aus den Fehlern gelernt. Viele Schwellenländerstaaten haben sich im jüngsten Kreditboom in erster Linie in lokaler Währung Kapital beschafft und sind somit wenig den Währungsturbulenzen ausgesetzt. Hier sind die asiatischen Staaten den lateinamerikanischen einen Schritt voraus. Aber auch in Lateinamerika ist die Lage mit ein paar Ausnahmen gut. Brasilien hat knapp 10%, Chile 15% und Mexiko rund 33% in Fremdwährung ausstehend. Diese Schulden können diese Länder gut bedienen, da nur wenige der Anleihen in den nächsten Jahren zur Rückzahlung fällig werden. Unternehmen staffeln die Schulden Auch die Unternehmen haben ihre Lehren gezogen. Zwar haben diese in den letzten Jahren sehr viel und umfangreich Fremdwährungsanleihen begeben. Sie haben diese aber meist gut über verschiedene Laufzeiten gestaffelt. Dies reduziert das Risiko, dass sie kurzfristig in Rückzahlungsprobleme geraten können. Banco do Brasil beispielsweise, eine der grössten staatlichen Banken Brasiliens, hat zurzeit insgesamt 22.47 Milliarden an Schulden ausstehend. 65.8% davon in US-Dollar. Dies ist durchaus beunruhigend, insbesondere wenn man bedenkt, dass die brasilianische Währung in den letzten 12 Monaten rund 40% an Wert eingebüsst hat. Die Schuldenlast, in lokaler Währung gerechnet, hat sich dadurch deutlich erhöht. In den nächsten fünf Jahren werden aber lediglich knapp fünf Milliarden der Schulden zur Rückzahlung fällig. Zudem hat Banco do Brasil fast einen Viertel aller Schulden in Form von nachrangigen Papieren begeben. Diese dienen im Bedarfsfall als Kapitalpuffer. Viele Unternehmen in anderen Schwellenländern sind ähnlich vorgegangen. Gerade die Banken wurden aufgrund regulatorischer Anforderungen unter Basel III zum Teil auch dazu gezwungen. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu 1998. Einerseits die regulatorischen Vorschriften und andererseits die Staffelung der Schulden über mehrere Jahre. Dies gibt den Unternehmen Zeit, in Krisensituation frühzeitig adäquate Gegenmassnahmen zu ergreifen. Sie können durch Sentiment getriebene Verwerfungen am Markt kaum in Zahlungsnotstand geraten. Anders 1998, als die Banken sich im Ausland vor allem sehr kurzfristig refinanziert hatten. Sowohl die Banken wie auch die fast inexistenten Aufsichtsbehörden vertrauten damals blind auf die Bindung an den US-Dollar und sahen in den kurzfristigen Fremdwährungsschulden kein Risiko. Die plötz- liche Abwertung der Währung hatte dann bei den internationalen Investoren zu einem massiven Vertrauensverlust geführt. Die Kapitalabflüsse verursachten bei den Banken innert Kürze massive Liquiditätsprobleme da sie sich kurzfristig verschuldeten, aber langfristige Kredite vergaben. Dies kann sich so in unseren Augen nicht mehr abspielen. Ausstehende Anleihen Banco do Brasil (in US-Dollar) Quelle: Bloomberg Die Schwellenländer sind in einer Krise, aber nicht am Abgrund Aufgrund der tiefen Rohstoffpreise und dem nachfolgenden Zerfall der Währungen stehen vielen Schwellenländern, insbesondere in Lateinamerika, härtere Zeiten bevor. Aber am Abgrund stehen die meisten Länder, auch aufgrund der oben erwähnten Punkte nicht. Brasilien muss sich aber aufrappeln und seine Hausaufgaben machen, sonst wird das Land nicht so schnell wieder in die Erfolgsspur finden. Hinzu kommt, dass durch den Petrobras-Skandal in Brasilien die Regierung Rousseff kaum mehr handlungsfähig ist. Brasilien und Lateinamerika insgesamt sind für die Weltwirtschaft nicht unbedeutend. Aber sie spielen als Absatzmarkt weiterhin nur eine untergeordnete Rolle und können unserer Meinung nach keine Rezession in Europa oder den USA auslösen. Disclaimer: Die Angaben dieser Empfehlung und insbesondere die Beschreibung des einzelnen Wertpapiers stellt weder eine Offerte zum Kauf des Produktes noch eine Aufforderung zu einer anderen Transaktion dar. Sämtliche dieser Empfehlung zugrunde liegenden Informationen sind sorgfältig ausgewählt und stammen aus Quellen, die vom Investment Center der St.Galler Kantonalbank grundsätzlich als verlässlich betrachtet werden. Meinungsäusserungen oder andere Darstellungen dieser Empfehlung können jederzeit und ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Es wird keine Garantie, Verantwortung oder Haftung bezüglich der Genauigkeit und Vollständigkeit der Informationen übernommen. Kontakt: Beat Schiffhauer, Tel.: 044 214 32 55, E-Mail: [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc