Navigationsprobleme - Kinder

Informationsblatt der
Kinder- und Jugendland gGmbH, Großobringen
Inhalt heute
Fotos: Lothar Spendrin
News
Leise ist es im Zimmer und die
Spannung knistert in der Luft
herum. Wer wird wohl als
nächster sein Geschenk bekommen, wenn der Wichtel
seinen Kopf aus dem Sack
steckt ?
Wir wünschen all unseren Lesern einen ganzen Sack
voll kindliche weihnachtliche Vorfreude und für das
Jahr 2008 alles Gute !
Ki Ju La
Im Dorfe 52
99439 Großobringen
Tel.: 03643/48 180
Fax. 03643/48 18 27
Mail: [email protected]
www.kijula.de
Impressum
Herausgeber: Kinder-und Jugendland gGmbH
Auflage:
Redaktion:
Druck:
60 Stück
Wolfgang Schlenstedt
Realisation: wosch
Christopheruswerk Erfurt
Titelseite: Navigationsprobleme
Seite 2 + 3 Da würden wir gern ...
Seite 4
Es weihnachtet sehr
Ausgabe 4
/ 2007
Navigationsprobleme
Fünfuhrdreißig. Holger liegt in seinem Bett
und schläft tief und fest. Dieser Zustand
wird sich gleich ändern. Frau Müller, seine
Betreuerin aus der Wohngruppe, ist schon
im Anmarsch um ihn zu wecken. Der Tag
beginnt mit einer gewissen Restmüdigkeit,
gründlichen strecken, duschen und
Zähneputzen. Während des Frühstücks macht sich eine gewisse Unruhe
breit und schon hupt das Schultaxi vor der Tür. Holgers Schulalltag hat begonnen, fünf Stunden Unterricht stehen auf dem Stundenplan, danach
noch zwei Stunden Sport. Im Anschluss wieder zum Schultaxi. Das ist noch
nicht da. Nach zwanzig Minuten biegt es um die Ecke. Nach einer guten
halben Stunde Fahrzeit endlich wieder in der Wohngruppe. Auf dem Plan für
den Nachmittag stehen die Erledigung der Hausaufgaben, eine Therapiestunde beim Psychotherapeuten, anschließend der Besuch der Mutter im
Krankenhaus, die verordnete Ergotherapie und zu guter letzt, das Training im
Sportverein. Glücklicherweise ist der geplante Arzttermin heute ausgefallen.
Aber die Oma hat angerufen und bittet unbedingt noch heute um einen
Rückruf. Um 21.00 Uhr ist Holger zu nichts mehr in der Lage, wirkt abgespannt
und schweigt depressiv vor sich hin.
Jetzt wo ich den Satz „ zugegeben ich habe bei der Schilderung des Alltages etwas überzogen“ schreiben will merke ich, dass ich gar nicht übertrieben habe. Derartige Tagesabläufe sind leider keine Seltenheit.
Was muten wir damit unseren Kindern und Jugendlichen eigentlich zu?
Am Ende setzten wir uns hin und überlegen in Helferrunden, Fallberatungen
und Supervisionen, warum wir so schlecht einen Zugang zu Holger hin bekommen, warum er so schwer Vertrauen zu uns findet. Ich denke es ist an
der Zeit über unsere Hilfen nachzudenken. In Zeiten, wo Kinder mehr und
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KiJuLaNews
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mehr durch ihre Elternhäuser Vernachlässigung erfahren, sollten wir nicht
den Fehler machen, sie mit Angeboten und Therapien zuzuschütten. Man
kann auch Kinder dazu missbrauchen, seine eigene Thearpielust zu befriedigen. Ich will hier keinen professionellen Helfer unterstellen, in böser Absicht zu handeln. Leider aber entwickelt sich manches im Selbstlauf in eine
Richtung, wo die Bodenhaftung einfach auf der Strecke bleibt.
All unser Tun und Handeln ist und bleibt für mich fragwürdig, wenn nicht als
Genaralüberschrift darüber steht - wir wollen alles tun, damit Kinder kindgerecht aufwachsen, ohne wenn und aber, Jungen als Jungen und
Mädchen wie Mädchen.
Wie heißt das beim Navigationsgerät so schön, wenn man sich verfahren
hat? Wenn möglich bitte wenden!
Da würden wir gern mal gemeinsam draufschaun
Nach dem Ende der Fallschirm Ära in den Bereichen Fallbegleitung, Fallberatung und
psychologische Begleitung oder kurz gesagt
der Anwendung des sogenannten „Weimarer
Modells“ war es für uns als Träger an der Zeit,
über das wie weiter in diesen Bereichen nachzudenken. Dies wollten und konnten wir aber
nicht tun, ohne die Erfahrungen mit diesem
Modell noch einmal gründlich auszuwerten
und zu analysieren. Im Bereich der im
„Weimarer Modell“ vorgesehenen Modalitäten vor und während einer
Aufnahme kamen wir zu dem Ergebnis, die theoretischen Überlegungen
waren mehr als Ideal, im praktischen Alltag kamen sie aber meist aus
vielerlei Gründen gar nicht zum Tragen. Zweifelsfrei am besten funktionierte
der Teilbereich Fallbegleitung. Hier wurde durch Elmar Matzner eine gute,
hilfreiche und stabile Arbeit geleistet, von der unsere Gruppen sehr
profitiert haben. Weniger zufrieden waren unsere Mitarbeiter mit dem Baustein Fallberatung. Nach einer guten und konstruktiven Zeit, die geprägt
war von einer kollegialen Zusammenarbeit zwischen den Fallberatern, den
Betreuern in den Gruppen und nicht zuletzt der Geschäftsleitung, bekam
dieser Bereich eine wenig fruchtbringende Eigendynamik. Dabei blieb
von dem viel gepriesenen systemischen Arbeiten nur wenig übrig. Fall-
beratungen fanden mit einer hohen Dominanz der Fallberater statt und
waren keine wirkliche Hilfe mehr für die tägliche Arbeit an der
„Wohngruppenfront“.
Die therapeutische Arbeit mit Kindern-und Jugendlichen und besonders
die Elternarbeit fand sicher auf hohem Niveau statt, leider aber fehlte mehr
und mehr die Einbeziehung unserer Erzieher. Diese Tatsache schaffte nicht
nur eine erhebliche Unzufriedenheit auf unserer Seite, sondern machte
auch deutlich, wie sehr persönliche Überzeugungen einseitige und einsilbige Situationen schaffen, die letztlich den vielfältigen alltäglichen Anforderungen in der Jugendhilfe kontraproduktiv entgegen wirken können.
All diese Gründe haben uns dazu veranlasst, die gemachten Erfahrungen
erst einmal zu verdauen und uns auf uns selbst zu besinnen. So haben wir
uns ein Jahr zur Selbstfindung gegönnt. Ein sehr hilfreiches Jahr indem wir
deutlich herausgearbeitet haben, wo unsere Schwächen und Stärken
liegen, in welchen Bereichen wir Hilfe von außen in Anspruch nehmen
wollen und was wir auch zukünftig selber und von innen heraus tun wollen.
Fallberatungen für die Wohngruppen sollten in jedem Fall wieder von außen
angeboten werden und so baten wir Herrn Wilfer, als Geschäftsführer der
AG Fallschirm, um Unterstützung bei der Suche nach einem neuen geeigneten Menschen dieser Profession. Der Neuanfang sollte symbolischen
Charakter haben und deshalb auch mit einer neuen Person gestartet
werden. Seit dem Frühjahr 2007 heißt unsere Fallberaterin
Anke Teige. Die junge Kollegin bietet Fallberatungen für
alle Gruppen und je nach Bedarf an. Sowohl das Großobringer Mädchenhaus als auch die Weimarer WG HermannLöns-Straße haben dieses Angebot schon rege genutzt.
Auf Grund der bis zum Sommer geringen Belegung in
Vieselbach ergab sich bisher noch kein
Bedarf. Was die Wohlsborner WG betrifft
so gibt es da schon einen Bedarf,
dennoch kam das Angebot bisher aus terminlichen
Gründen leider noch nicht zum tragen. Neben der guten
Zusammenarbeit mit Frau Teige soll auch nicht unerwähnt
bleiben, dass uns der Leiter des SPZ Erfurt, Herr OA Dr.
Schulze, in diesem Jahr drei Termine zu
Verfügung stellte und in besonderen
Fällen mit seinem spezifischen Blick eines Psychotherapeuten mit Klinikerfahrung zur Verfügung stand. Dafür
dürfen wir uns an dieser Stelle einmal herzlich bedanken
und uns mit beiden Kollegen auch im neuen Jahr eine
gute, konstruktive und praxisnahe Zusammenarbeit
wünschen.