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Intelligente Schreibmaschine?
Material 16
Technische und rechtliche Voraussetzungen
zur Einführung der Schreibmaschine
Exakte Werke der Feinmechanik
Die industrielle Fertigung von Schreibmaschinen erwuchs aus den Erfahrungen der
Nähmaschinenproduktion und der Herstellung von Handfeuerwaffen. In den Jahren
nach 1850 wandten sich Waffenfabriken wie Remington in den USA und Colt in England der Produktion von Nähmaschinen zu ... Die Normierung der Einzelteile in der
Waffenproduktion, seit den Napoleonischen Kriegen bekannt und durch eine entwikkelte Feinmechanik und Normenlehre gefestigt, läßt eine Austauschbarkeit der einzelnen Teile zu und erleichtert nötige Reparaturen. So rühmt die "Hammond Typewriter Company" an ihrem Produkt,
daß es nur aus 350 Teilen bestehe und
somit nicht so reparaturanfällig sei.
Sollte dennoch ein Schaden auftreten,
sei die Behebung aufgrund der wenigen
Teile nicht sehr aufwendig. Eine ständig
verbesserte Präzision der Feinmechanik
und die Anfänge der Rationalisierung
des Betriebswesens bis zur späteren
Fließbandproduktion sind für die Produkte Nähmaschine und die Schreibmaschine typisch -und wir finden sie
merkwürdigerweise wieder bei der Serienfertigung von Fahrrädern.
Aber noch manches andere macht diese
verschiedenen Apparate verwandt: Sie
sind Zwitter zwischen Hausrat-und
Produktionsgeräten. Sie lösen die Handarbeit des Nähens und Schreibens
durch den geschwinden Apparat ab, das
Fahrrad verhilft zu einer erstaunlichen
Mobilität.
Museum für Verkehr und Technik: Kopisten
und Klapperschlangen. Aus der Geschichte der Schreibmaschine. Berlin o. J.
Vervielfältigung der Maschinenschrift
So lange ein Verfahren zur Vervielfältigung der Maschinenschrift nicht bekannt war,
konnte die Schreibmaschine noch nicht als komplett angesehen werden. Die Begeisterung unter den Anhängern der neuen Erfindung kannte daher keine Grenzen, als es
bekannt wurde, dass man durch Zwischenlegen von Kohlepapier bis zu 12 Kopien
gleichzeitig auf der Schreibmaschine herzustellen vermag. Diese Erweiterung des Arbeitsfeldes der Schreibmaschine hat sich als der mächtigste Hebel zu ihrer weiteren
Popularisierung erwiesen. - Als dann ein praktischer Kopf durch die Fabrikation von
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Intelligente Schreibmaschine?
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besonders präparierten Hektographenbändern (resp. Kissen) die Übertragbarkeit der
Maschinenschrift auf die Hektographenplatte verwirklichte, wähnte man das tausendjährige Reich für die Schreibmaschine gekommen, denn die Zahl der möglichen
Kopien wurde dadurch auf ca. 50 erhöht. Eine ganze Reihe von Vervielfältigungsapparaten sind dann nacheinander mit mehr oder weniger Erfolg auf den Markt gebracht
worden...
Ihren Höhepunkt erreichte die Vervielfältigung der Maschinenschrift erst mit der
Einführung von Edisons Mimeograph (1889), der vor wenig Jahren kaum bekannt,
heute bereits in mehrfach verbesserter Gestalt in über 10 000 Geschäften gebraucht,
und als eins der notwendigsten Requisiten zur Schreibmaschine angesehen wird. Der
Apparat erweist sich als eine wirkliche Arbeitserleichterung für alle, die eine grosse
Anzahl von Kopien von einem Schriftstück herzustellen haben. Bis zu 3000 Abzüge
lassen sich mittels des Mimeographen von einem Original herstellen ...
Burghagen, O.: Die Schreibmaschine. Ein praktisches Handbuch enthaltend alles Wissenswerte
für Lernende wie für praktische Maschinenschreiber. Hamburg 1898, S. 141 f.
Schreibmaschinenschrift als Urkundenschrift
Durch eingehende Versuche des Materialprüfungsamts in Gr.-Lichterfelde ist festgestellt, daß die Schreibmaschinenschrift bei der Verwendung geeigneter Farbbänder
oder Farbkissen ebenso dauerhaft und widerstandsfähig ist, wie eine mit guter Tinte
hergestellte Handschrift. Die auf Grund dieser Versuche zur Zeit als geeignet befundenen Farbbänder (Farbkissen) sind in der anliegenden Nachweisung aufgeführt ...Es
ist jedoch darauf zu halten, daß zur Herstellung wichtiger Urkunden möglichst frische Farbbänder verwendet und daß die abgenutzten Bänder bei der Herstellung
minder wichtiger Schriftstücke aufgebraucht werden.
Der Kultusminister hat bestimmt, daß die Verfügung des Justizministers auch in seinem Geschäftsbereich zur Durchführung zu bringen ist.
Wir brauchen wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, welche Erweiterung damit die Verwendung der Schreibmaschine erfährt und wie sehr daher die jüngeren
strebsamen Beamten in eigenem Interesse handeln, wenn sie sich einige Geläufigkeit
in der Handhabung der Schreibmaschine und Stenographie aneignen.
Der Deutsche Stenograph 1905, S. 156 f.
Die staatsgefährliche Schreibmaschine. Da in Rußland in letzter Zeit vielfach Proklamationen revolutionären Inhalts verbreitet worden sind, die mit Schreibmaschinen angefertigt waren, so hat der Gehülfe des russischen Ministers des Innern eine
Verfügung erlassen, wonach Schreibmaschinen nur mit polizeilicher Genehmigung
verkauft werden dürfen. Den Schreibmaschinenhändlern, die man einer strengen
Kontrolle unterworfen hat, werden für etwaige Übertretungsfälle hohe Strafen angedroht.
Deutsche Stenographen-Zeitung 1905, S. 767
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