BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 2 B 44.14 OVG 3d A 1416/10.O In der Verwaltungsstreitsache -2- hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2014 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe: 1 Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. 2 1. Der 1959 geborene Kläger trat 1978 als Rechtspflegeranwärter in den Dienst des Beklagten. Nach Bestehen der Anwärterprüfung wurde er 1982 in den Landesdienst übernommen; seit 1998 war er als Justizamtmann bei einem Amtsgericht in Betreuungsangelegenheiten tätig. Die dienstlichen Beurteilungen des Klägers waren stets überdurchschnittlich. 3 Der Kläger bearbeitete ab den 1990iger Jahren u.a. Fälle, in denen Rechtsanwalt O. zum Berufsbetreuer bestellt worden war. Im Februar 2005 zeigte der Kläger dem Dienstherrn förmlich an, seit dem Jahr 1999 oder 2000 Pate des jüngsten Kindes des Berufsbetreuers, Rechtsanwalt O., zu sein. 4 Im Jahr 2006 leitete der Dienstherr gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren wegen mehrerer Pflichtverletzungen bei der Bearbeitung von vier umfangreichen Betreuungsverfahren ein, das 2008 in eine Disziplinarverfügung mündete, aufgrund derer seine Dienstbezüge um sieben v.H. für die Dauer von zehn Mo- -3- naten gekürzt wurden. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die klagestattgebende erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Laufzeit der Kürzung der Dienstbezüge in der Disziplinarverfügung auf vier Monate beschränkt. 5 Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei während seiner Tätigkeit als Rechtspfleger in drei bedeutenden Betreuungs- und Nachlasssachen mit namhaften Vermögenswerten seiner Kontroll- und Aufsichtspflicht gegenüber den Betreuern - den Rechtsanwälten O. und M. - in vorwerfbarer Weise nicht nachgekommen. Rechtsanwalt O. habe zwischen Februar 1995 und Dezember 2004 u.a. in 43 Fällen Gelder der Betreuten und Gelder aus Nachlasspflegschaften veruntreut und sei deswegen 2006 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Der Kläger habe bei der Aufsicht über die Betreuungs- und Nachlasstätigkeiten insbesondere von Rechtsanwalt O. ab 2002 nicht nur fehlerhaft gearbeitet, sondern schuldhaft die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz verletzt und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. 6 Im vom Kläger zu verantwortenden Betreuungsverfahren L. habe Rechtsanwalt O. u.a. das geschätzte Anfangsvermögen der Betreuten von über einer Million DM (April 1995) auf unter 100 000 € (Dezember 2004) verringert, ohne dass der drastische Vermögensabbau durch Heimkosten der Betreuten, die über zwei Renten von mtl. annähernd 2 500 DM verfügt habe, hinreichend zu erklären gewesen sei. Nach Veräußerung einer Immobilie im Juni 2003 habe der Kläger krass fehlerhaft keine mündelsichere Anlage des Geldes angeordnet und grob fehlerhaft die verspätete und zudem nicht nachvollziehbare Rechnungslegung des Betreuers "durchgewunken". Im Betreuungsverfahren B. habe der Kläger im Zeitraum von Juni 2003 bis Juni 2004 offensichtlich nicht plausible Angaben des Betreuers - Rechtsanwalt M. - krass fehlerhaft akzeptiert und einer im Juni 2004 beantragten Vermögensfreigabe von 35 000 € "zur Zahlung diverser Rechnungen" ebenso krass fehlerhaft entsprochen, obwohl ihm die Rechnungen zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen hätten. Im Betreuungsfall U. habe der -4- Kläger insbesondere im Mai 2004 auf einen ohne Belege eingereichten Antrag des Betreuers, Rechtsanwalt O., krass fehlerhaft 35 000 € freigegeben. 7 2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. 8 Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - von der Beschwerde zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Dies ist in der Begründung der Beschwerde darzulegen (§ 133 Abs. 3 VwGO). Eine Klärung durch eine revisionsgerichtliche Entscheidung ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> und vom 29. Dezember 2014 - 2 B 110.13 - ZBR 2015, 170 Rn. 6). So verhält es sich hier. 9 Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfene Frage "Handelt es sich bei den Aufgaben, die ein Rechtspfleger in Betreuungsangelegenheiten und soweit diese sich auf Vermögensangelegenheiten beziehen, zu erfüllen hat, um gefahrgeneigte Tätigkeiten bzw. um gefahrenträchtige Aufgaben, die ein gesteigertes Maß an Sorgfalt erfordern, so dass bei deren Erledigung begangene grob nachlässige Fehlleistungen des Rechtspflegers, wenn und soweit sie zu Vermögensschäden führen oder führen können, Fehlentscheidungen sind, die voraussehbar zu erheblichen Nachteilen geführt haben bzw. führen können und deshalb ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG darstellen und welche Höhe muss ggfs. das Ver- -5- mögen einer Betreuten/eines Betreuten überschreiten, um dem Rechtspfleger ein gesteigertes Maß an Sorgfalt mit Blick auf eine gefahrgeneigte Tätigkeit oder eine gefahrenträchtige Aufgabenerfüllung abverlangen zu dürfen?", wirft keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Die vom Kläger gestellte Frage, soweit sie einen verallgemeinerungsfähigen Inhalt hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. 10 Nach § 47 Abs. 1 BeamtStG begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Gemäß § 34 Satz 1 und Satz 2 BeamtStG hat sich der Beamte mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen und die ihm übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Dabei ist aber auch der fähigste und zuverlässigste Beamte Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen und macht gelegentlich Fehler, die jede Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss (BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - 1 D 40.90 - DokBer B 1991, 261 Rn. 42 und Beschluss vom 9. November 2000 - 1 D 8.96 - juris Rn. 58). Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausübung des Dienstes hat deshalb regelmäßig eine im Ganzen durchschnittliche Leistung zum Gegenstand (BVerwG, Beschluss vom 9. November 2000 - 1 D 8.96 - juris Rn. 58). Dieser beamtenrechtlichen Kernpflicht genügt, wer als Beamter das ihm Mögliche und Zumutbare leistet. 11 Die Dienstleistungspflicht hat neben einer zeitlich-örtlichen eine inhaltliche Komponente. Die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, verletzt danach sowohl der Beamte, der nicht zur vorgeschriebenen Zeit an seinem Dienstort erscheint, als auch derjenige, der seine Arbeit in quantitativer oder qualitativer Hinsicht schuldhaft, gar nicht oder grob mangelhaft erfüllt. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als pflichtwidrig im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu kennzeichnen, bedarf es des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und sich als echte Schuld von bloßem Unvermögen abgrenzen lassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juli 1991 - 1 D 40.90 - DokBer B 1991, 261 Rn. 42 und vom 12. Februar 1992 - 1 D 2.91 - DokBer B 1992, 147 Rn. 39 so- -6- wie Beschluss vom 9. November 2000 - 1 D 8.96 - juris Rn. 58). Nicht schuldhafte Mangelleistungen eines Beamten begründen keine Dienstpflichtverletzung. 12 In Anwendung der vorstehenden, im Berufungsurteil zitierten Grundsätze (UA S. 37 unten/S. 38 oben) hat das Berufungsgericht die Mängel der Sachbearbeitung des Klägers im Einzelnen gewürdigt und angenommen, dass sie die - hoch anzusetzende - Grenze hin zu einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung überschreiten. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit die Grundsatzrüge die Frage einer Gefahrgeneigtheit von Rechtspflegertätigkeiten in Betreuungsangelegenheiten in Bezug auf Vermögensangelegenheiten aufwirft, ist diese nur im Einzelfall, nicht aber rechtsgrundsätzlich klärungsfähig. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht bei der Maßnahmebemessung den Umstand mildernd berücksichtigt, dass der damalige Direktor des Amtsgerichts möglicherweise Anlass hatte, das Näheverhältnis des Klägers zu Rechtsanwalt O. - auch vor der Mitteilung des Klägers über die Patenschaft für das Kind des O. - weiter aufzuklären. 13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 74 Abs. 1 LDG NRW. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (§ 75 Satz 1 LDG NRW i.V.m. Nr. 13 und 62 der Anlage zu § 75 LDG NRW). Domgörgen Dr. von der Weiden Dollinger
© Copyright 2024 ExpyDoc