VERWALTUNGS GERICHT BERLIN URTEIL

VG 2 K 44.14
Verkündet am 11. November 2015
als Ur1<undsbeamter der Geschäftsstelle
VERWALTUNGS GERICHT BERLIN
URTEIL
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
Klägers,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Kay Füßlein,
Scharnweberstraße 20, 10247 Berlin,
gegen
das Land Berlin, vertreten durch die
Präsidentin des Sozialgerichts Berlin,
Invalidenstraße 52, 10557 Berlin,
Beklagten,
hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2015 durch
die Präsidentin des Verwaltungsgerichts X
den Richter am Verwaltungsgericht Sc
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Ca
die ehrenamtliche Richterin
und
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 4. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2014 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zugang zu den dienstlichen Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen der Richterinnen und Richter sowie der
Geschäftstellenmitarbeiterinnenl -mitarbeiter des Sozialgerichts Berlin (Stand:
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-220. November 2013) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur
Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils vollstreckende Beteiligte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt Zugang zu der Diensttelefon- und E-Mail-Liste des Sozialgerichts
Berlin.
Mit E-Mail vom 20. November 2013 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Berlin
unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz u. a. "die Übersendung der Telefonliste mit den Durchwahlen und E-Mail-Adressen-Liste der Mitarbeiter des Sozialgerichts mit Bürgerkontakt". Dieses
lehnte die Präsidentin des So-
zialgerichts Berlin mit Bescheid vom 4. Dezember 2013 mit der Begründung ab, es
handele sich bei der Telefon- und E-Mailliste der Mitarbeiter des Gerichts um personenbezogene Daten. Den hiergegen am 18. Dezember 2013 erhobenen Widerspruch
wies die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin:-Brandenburg mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch
auf Zugang zu den Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen der am Sozialgericht
Berlin tätigen Richter scheide aus, da das Berliner Informationsfreiheitsgesetz für
Gerichte und die Behörden der Staatsanwaltschaft nur gelte, soweit sie Verwaltungsaufgaben erledigen. Die Richter seien in der Rechtsprechung tätig, ohne Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Bezogen auf die begehrten Telefonnummern und EMail-Adressen der Mitarbeiter mit Bürgerkontakt, mithin die der Geschäftsstellenmitarbeiter, gelte dies auch, da diese die Richter in ihrer Rechtssprechungstätigkeit unterstützten. Sie seien nicht als ausführender Teil der Gerichtsleitung tätig. Zudem
seien die Telefonnummern der Geschäftsstellen öffentlich zugänglich; das Telefonverzeichnis sei auf der Internetseite des Gerichts veröffentlicht.
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Am 9. September 2014 hat der Kläger Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er trägt vor: Das Sozialgericht sei auf Außenkontakte angelegt und daher auch auf eine schnelle telefonische Erreichbarkeit
angewiesen, beispielsweise bei Terminsverlegungen; für den Bürger sei es aber nur
über eine zentrale Servicenummer erreichbar. Die telefonische Kommunikation mit
dem Bürger sei Teil der behördlichen Aufgabe des Sozialgerichts; es sei Ausdruck
modernen staatlichen Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beide
Richtungen unmittelbar sicherzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Dezember 2013 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2014 zu verpflichten,
ihm Zugang zu den dienstlichen Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen der
Richterinnen und Richter sowie der Geschäftsstellenmitarbeiterinnen/ mitarbeiter des Sozialgerichts Berlin (Stand: 20. November 2013) zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages macht er geltend, das Berliner
Informationsfreiheitsgesetz sei nicht anwendbar, da die Kontaktdaten der Richter
und Geschäftsstellenmitarbeiter der Rechtsprechungstätigkeit dienten. Bei den begehrten Informationen handele es sich darüber hinaus um geschützte personenbezogene Daten. Das Informationsinteresse des Klägers überwiege nicht das schutzwürdige Interesse der betroffenen Mitarbeiter am Ausschluss des Informationszugangs . Einer Befragung der Betroffenen, ob sie einer Offenbarung ihrer personenbezogenen Daten zustimmen , bedürfe es nicht. Es liege im organisatorischen Ermessen des Hoheitsträgers, ob er dienstliche Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen
seiner Mitarbeiter öffentlich bekannt gebe. Hierbei seien neben der persönlichen Sicherheit der Mitarbeiter auch die Arbeitsfähigkeit und behördliche Interessen an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung zu berücksichtigen .
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-4Auf gerichtliche Nachfrage hat die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin mitgeteilt,
dass es sich bei der sog. Telefonliste um eine Excel-Tabelle handele , die elektronisch in dem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reservierten Teil des internen Netzes hinterlegt sei. Die für den internen E-Mail -Verkehr erforderlichen E-MailAdressen der Beschäftigten seien in dem Programm Microsoft Outlook unter der
Schaltfläche "Adressbuch" hinterlegt. Es handele sich um eine Datenbank auf dem
LDAP-Server des Sozialgerichts Berlin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte
und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen . Die betreffenden
Akten haben vorgelegen und ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. ,
I. Sie ist als Verpflichtungsklage zulässig. Zwar hat der Kläger die Klagefrist versäumt, ihm ist aber Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren.
Denn er war im Hinblick auf seine Mittellosigkeit gehindert im Sinne des § 60 Abs. 1
VwGO, die Klage innerhalb der Monatsfrist des § 74 VwGO zu erheben . Der Wiedereinsetzungsantrag ist fristgemäß gestellt worden. Der Kläger hat gemäß § 60 Abs. 2
Satz 1, 1. Halbsatz, Satz 3 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des das
Hindernis beseitigenden Prozesskostenhilfebeschlusses der Kammer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Klage erhoben.
11. Die Klage ist aber nur teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten
einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Zugang zu den dienstlichen
Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen der Richterinnen und Richter sowie der
Geschäftsstellenmitarbeiterinnen/ -mitarbeiter des Sozialgerichts Berlin in der
Fassung, die dort zum Zeitpunkt der Stellung des Informationsantrags - am 20. November 2013 - vorhanden waren . Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Ob der Kläger Zugang zu den genannten Durchwahlnummern und E-Mail-Adressen erhält,
hängt allein vom Ergebnis einer vom Beklagten noch durchzuführenden Beteiligung
der vom Informationsantrag des Klägers erfassten Mitarbeiter des Beklagten ab. Soweit ein solches Beteiligungsverfahren bisher unterblieben ist, ist der Bescheid des
Beklagten vom 4. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
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-517. März 2014 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113
Abs . 5 Satz 1 VwGO); mangels Spruchreife kann das Gericht nach § 113 Abs . 5 Satz
2 VwGO allerdings nur die Verpflichtung des Beklagten aussprechen , den Antrag
des Klägers auf Gewährung von Informationszugang unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Grundlage des Neubescheidungsanspruchs des Klägers ist § 3 Abs. 1 IFG Bin. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG
Bin genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder
Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Zu den öffentlichen Stellen des § 2 Abs. 1 IFG Bin zählen auch die Gerichte, wobei nach § 2
Abs . 1 Satz 2 IFG Bin für die Gerichte dieses Gesetz nur gilt, soweit sie Verwaltungsaufgaben erledigen .
1. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 IFG Bin liegen vor. Der Kläger gehört als
natürliche Person zum anspruchsberechtigten Personenkreis . Das Sozialgericht Berlin ist bezogen auf die in Listen enthaltenen Durchwahlnummern und E-MailAdressen seiner Mitarbeiter eine nach § 2 Abs. 1 IFG Bin informationspflichtige öffentliche Stelle. Die begehrten Informationen untertallen den Verwaltungsaufgaben
des Gerichts, denn die Listen werden von der Gerichtsverwaltung bere itgestellt und
gepflegt. Ebenso wie die Bereitstellung der Telefonanlage und -apparate stellt das
Führen einer Telefon- und E-Mailliste eine Aufgabe der Gerichtsverwaltung dar. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Informationsbegehren auch nicht deshalb der Rechtsprechung zuzuordnen, weil der Kläger sich mit den begehrten Informationen eine weitere unmittelbare Kommunikationsmöglichkeit in den von ihm oder
Dritten geführten Rechtsstreitigkeiten verschaffen will. Denn maßgeblich ist nach § 2
Abs. 1 Satz 2 IFG Bin, ob das Gericht mit den begehrten Informationen Verwaltungsaufgaben erledigt, was objektiv zu bestimmen ist, nicht aber, zu welchem
Zweck der Kläger die Informationen zu verwenden beabsichtigt. Dies würde zu zufälligen Ergebnissen führen, je nach dem, ob ein Kläger einen Verwendungszweck angibt oder nicht (ausdrücklich offengelassen zum IFG NRW : OVG Münster, Urteil vom
6 . Mai 2015 - OVG 8 A 1943.13 - juris Rn. 42 ff.).
Bei den Listen handelt es sich auch um Akten im Sinne des § 3 Abs. 2 IFG Bin. Akten im Sinne dieses Gesetzes sind unter anderem alle schriftlich oder elektronisch
festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstigen Aufzeichnungen, soweit sie
amtlichen Zwecken dienen. Der Begriff der Akte ist danach umfassend zu verstehen;
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-6erfasst sind neben den Informationen, die die materielle Verwaltungstätigkeit betreffen , auch die Informationen, die der organisatorischen Verwaltungstätigkeit der öffentlichen Stelle zuzuordnen sind. Nur eine solche Auslegung wird dem in § 1 IFG
Bin normierten Zweck des Gesetzes, ein umfassendes Informationsrecht gegenüber
öffentliche Stellen zu schaffen, gerecht (vgl. für den Geschäftsverteilungsplan der
Senatsverwaltung für Justiz: Urteil der Kammer vom 3. Mai 2006 - VG 2 A 136.05 UA S. 4; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2011 - OVG 12 B 69.07 UA S. 9; beschränkt auf materielle Verwaltungstätigkeit OVG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 14. Dezember 2006 - OVG 7 B 9.05 -). Die vom Kläger begehrten Listen
sind vom Begriff der Akten erfasst, weil sie die (interne) Erreichbarkeit der "Mitarbeiter" des Sozialgerichts Berlin sicherstellen sollen und damit Teil der verwaltungsinternen Organisation sind.
Die Listen existieren beim Beklagten auch in der vom Kläger begehrten Form. Die
Telefonliste ist beim Beklagten als Excel-Tabelle vorhanden. Soweit in ihr weitere
Daten enthalten sind, können diese durch bloße Herausnahme/ Schwärzung der
nicht vom Informationsbegehren erfassten Informationen (Arbeitsgebiet und Zimmernummer) getrennt werden . Die E-Mail-Adressen liegen beim Beklagten im Programm
Microsoft Outlook auf einem LDAP-Server vor. Die E-Mail-Adressen können vom mit
Zugangsrechten ausgestatteten Systemadministrator exportiert und ausgedruckt
werden. Da der Kläger mit der Klage nur den Zugang zu den Listen mit dem Stand
20. November 2013 erreichen kann, obliegt es dem Beklagten , diese entsprechend
zu rekonstruieren.
2. Gründe, den vom Kläger mit der Klage begehrten Informationszugang insgesamt
zu versagen, liegen derzeit nicht vor. Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz enthält
anders als das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder beispielsweise das des
Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 6. Mai 2015,
a.a.O., juris) keinen Ausschlussgrund für Fälle, in denen das Bekanntwerden der
Information die öffentliche Sicherheit (u .a. die Funktionsfähigkeit des Gerichts) beeinträchtigen könnte. Damit kommt hier einzig § 6 IFG Bin als Ausschlussgrund in
Betracht. Ob § 6 IFG Bin dem Informationsbegehren entgegensteht, kann vom Gericht allerdings zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entschieden werden, weil die Sache noch nicht spruchreif ist. Zwar ist das Gericht bei
rechtlich gebundenen Entscheidungen - wie der vorliegenden - grundsätzlich zur
Herstellung der Spruchreife verpflichtet. Jedoch ist das Gericht hier aus materiellrechtlichen Gründen gehindert, die Spruchreife herbeizuführen . Denn § 6 IFG Bin
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setzt die vorherige Beteiligung der vom Informationsantrag des Klägers betroffenen
Mitarbeiter des Beklagten voraus, die das gerichtliche Verfahren nicht ersetzen
kann. Vom Ausgang dieses "Beteiligungsverfahrens" hängt ab, ob dem Kläger der
begehrte Informationszugang zu gewähren ist.
Nach § 6 Abs. 1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft
nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten
veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass
überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige
Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (§ 1) das
Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Die Norm enthält
zwei Varianten, in denen die Veröffentlichung personenbezogener Daten ausgeschlossen ist, einerseits dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden
sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden und andererseits der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen. Hinzu treten
muss in beiden Varianten noch, dass das Informationsinteresse (§ 1) das Interesse
an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Diese Abwägung ist in beiden Varianten vorzunehmen, wobei die Abwägung in der Regel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses ausfällt, wenn mit der Akteneinsicht oder -auskunft überwiegend Privatinteressen verfolgt werden (vgl. Urteil der Kammer vom 14. Dezember 2006 - VG 2 A
53.06 - juris).
Die streitgegenständlichen Listen des Beklagten betreffen personenbezogene Daten.
Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 4 Abs. 1
BlnDSG). Gerade solche Daten enthalten die vom Kläger begehrten Listen. In ihnen
werden die Namen von bestimmten natürlichen Personen und die ihnen zugeordneten Diensttelefonnummern aufgeführt; die E-Mail-Adressen setzen sich aus den Vorund Zunamen der Richter/Mitarbeiter zusammen.
Es bestehen nach dem Vorbringen des Klägers auch ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass er überwiegend Privatinteressen verfolgt. Der Kläger macht
geltend, dass er die unmittelbare telefonische Kommunikation des Bürgers mit dem
Sozialgericht als Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses ansieht. Der
Bürger sei für kurzfristige Kontaktaufnahmen auf die Durchwahlnummern und die EMail-Adressen angewiesen. Der Bürger könne nur über die zentrale Servicenummer
Kontakt mit dem Sozialgericht aufnehmen. Damit nimmt er kein dem Zweck des Ge-
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-8setzes entsprechendes allgemeines Informationsinteresse (vgl. § 1 IFG Bin) in Anspruch. Weder will er mithilfe der Listen die demokratische Meinungs- und Willensbildung fördern noch eine Kontro"e staatlichen Handeins ermöglichen , es geht ihm
vielmehr um seine sowie die privaten Interessen Dritter.
Ob das Informationsinteresse des Klägers das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen überwiegt, vermag die Kammer derzeit nicht zu beurteilen, da der Beklagte
die Betroffenen nicht gefragt hat. Stimmen diese einer Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten zu, überwiegt das Informationsinteresse des Klägers, mit der Folge, dass die Listen herauszugeben sind; stimmen die Betroffenen dagegen nicht zu,
überwiegt das Informationsinteresse nicht, da der Kläger kein besonderes öffentliches Interesse am Zugang zu den in Rede stehenden Informationen, sondern - wie
ausgeführt - Privatinteressen verfolgt, nämlich den erleichterten unmittelbaren Kontakt zu Richtern und Mitarbeitern des Sozialgerichts Berlin. Diesem Interesse ist nur
ein geringes Gewicht beizumessen. Das Interesse der Richter/Mitarbeiter des Beklagten am Schutz ihrer personenbezogenen Daten hat demgegenüber ein größeres
Gewicht. Es ist durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 i.V.m.
Art. 2 GG) grundrechtlich geschützt. Der Umstand, dass sie in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben tätig werden, ändert nichts daran, dass personenbezogene
Angaben wie Namen, dienstliche Telefonnummern und E-Mail-Adressen mit Klarnamen vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts erfasst werden . Wenn auch diesen Informationen bei "Amtsträgern" wegen ihres dienstlichen
Bezuges kein hoher Schutz zuzuerkennen ist, ist das Interesse nach der gesetzlichen Regelung doch oberhalb des vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IFG
Bin als in der Regel unerheblich bewerteten Geheimhaltungsinteresses von Amtsträgern, die an Verwaltungsvorgängen mitwirken, einzuordnen. Das oben dargestellte,
gering zu gewichtende private Interesse des Klägers kann sich hiergegen nicht
durchsetzen. Es tritt dahinter zurück.
Der Informationszugang ist auch nicht - ohne Beteiligung der Betroffenen - nach § 6
Abs. 1, 2. Alt. IFG Bin zu versagen. Die Fallgruppen des § 6 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt.
IFG BIn, wonach der Offenbarung personenbezogener Daten schutzwürdige Belange
der Betroffenen in der Regel nicht entgegenstehen, sind nicht einschlägig , weshalb
auch hiernach die Frage des Informationszugangs von der Zustimmung der Betroffenen abhängt.
Die hier betroffenen Richterinnen und Richter sowie Geschäftsstellenmitarbeiterin-
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-9nen und -mitarbeiter sind nicht an einem Verwaltungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren im Sinne des § 6 Abs . 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a IFG Bin beteiligt. Als
Verfahren kommt hier lediglich der Vorgang der Erstellung und Pflege der Telefonund E-Mail-Liste in Betracht, woran sie ersichtlich nicht mitgewirkt haben. Auch § 6
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IFG Bin ist nicht einschlägig. Hiernach stehen der Offenbarung
personenbezogener Daten schutzwürdige Belange der Betroffenen in der Regel nicht
entgegen, soweit sich aus einer Akte die Mitwirkung eines bestimmten Amtsträgers
oder einer bestimmten Amtsträgerin an Verwaltungsvorgängen, dessen oder deren
Name, Titel, akademischer Grad, Beruf, innerdienstliche Funktionsbezeichnung,
dienstliche Anschrift und Rufnummer ergeben. Die hier Betroffenen sind nicht Amtsträger, die an Verwaltungsvorgängen mitgewirkt haben. Nicht jeder Mitarbeiter oder
Amtsträger ist schon wegen der Eigenschaft als dort Beschäftigter auch Amtsträger
im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IFG Bin. Andernfalls wäre die Beschränkung
auf "Mitwirkung eines bestimmten Amtsträgers oder einer bestimmten Amtsträgerin
an Verwaltungsvorgängen" überflüssig.
Der Beklagte hat daher das Verwaltungsverfahren insoweit nochmals - nunmehr unter Beteiligung der Betroffenen - durchzuführen und den Akteneinsichtsantrag des
Klägers erneut zu bescheiden. Soweit die Zustimmung eines Betroffenen nicht erteilt
wird, sind die personenbezogenen Daten in der jeweiligen Liste unkenntlich zu machen oder abzutrennen (vgl. § 12 IFG Bin).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die aus dem Tenor
ersichtliche Kostenquote ergibt sich aus dem wechselseitigen Grad des Obsiegens
bzw. Unterliegens.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2
ZPO.
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung des § 2 Abs . 1
Satz 2 IFG Bin und des Aktenbegriffs sowie der Rechtsfrage zuzulassen, ob im
Rahmen des§ 6 Abs. 1, 1. Alt. IFG Bin eine Interessenabwägung vorzunehmen ist
(§ 124a Abs . 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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