HVB Trends & Märkte Spezial 24. September 2015 „Liquidität ist als Parkposition derzeit weitgehend zinsbefreit und wird es wohl auch noch recht lange bleiben.“ Oliver Postler, Chief Investment Officer Privatkunden Bank und Leiter der Vermögensverwaltung der UniCredit Bank AG erklärt im Interview, worauf es in der aktuellen Marktsituation bei der Geldanlage ankommt und warum ein möglicher Zinsanstieg voraussichtlich noch etwas länger auf sich warten lassen wird. HERR POSTLER, WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER ZINS-SOMMER? Oliver Postler: Nicht nur kalendarisch stehen uns jetzt erst einmal Herbst und Winter bevor. Liquidität ist als Parkposition derzeit weitgehend zinsbefreit und wird es wohl auch noch recht lange bleiben. Die Notenbanken versuchen, hohe Staatsschulden, niedriges Wachstum und die geringe Inflation zu bekämpfen. Die Mittel der Notenbanken sind niedrige Zinsen und eine Ausweitung der Geldmenge. Daneben ist die Kraft der Rhetorik nicht zu unterschätzen. Mario Draghi, der Chef der EZB, hat schon öfter mit seinen Reden die Märkte in die gewünschte Richtung bewegt. Die niedrigen Zinsen sollen Konsumenten und Unternehmen dazu animieren, Geld auszugeben und zu investieren. Das soll das Wachstum an- Werbemitteilung kurbeln und die Inflation wieder in die gewünschte Richtung von rund zwei Prozent bewegen. Allerdings zieht die Investitionsnachfrage nur langsam an. Das Wachstum in der Eurozone belebt sich zwar, bleibt aber moderat. Der Haupttreiber für das Wachstum ist derzeit der Konsum. Die Wachstumsschwäche ist strukturell und nicht temporär. Dementsprechend dürften die Zinsen noch recht lange auf einem niedrigen Niveau verharren. Selbst bei einem erwarteten langsamen Anstieg der Renditen bei langlaufenden deutschen Staatsanleihen dürften wir noch recht lange weit vom historischen Schnitt von rund 6 % entfernt bleiben. THEMA NIEDRIGZINSEN - DA GIBT ES DOCH GAR KEINE RENDITE, ODER? Oliver Postler: Das kommt darauf an. Das Anlageverhalten der deutschen Haushalte ist in der Breite sehr konservativ. Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland liegt bei über 5.200 Mrd. Euro. Davon sind rund 85 % in Zinsanlagen investiert und damit weitgehend ohne Ertrag. Positive Renditen im Anleihebereich sind unter der Berücksichtigung von Kosten, Inflation und Steuern in weiten Teilen derzeit nicht zu erzielen. Im Anleihesegment bietet sich aus unserer Sicht daher ein Mix aus Staatsanleihen, Pfandbriefen und Unternehmensanleihen mit überschaubaren Restlaufzeiten an. Als Anleger muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass Renditen bei Anleihen einen Spiegel des Risikos darstellen. Daher sollte man sich auf keinen Fall von vermeintlich hohen Renditen blenden lassen. Im Normalfall stecken hohe Risiken dahinter, die manchmal erst auf den zweiten Blick erkennbar sind. Doch auch das Niedrigzinsumfeld kann Chancen für Anleger bieten. Die Beimischung von soliden Unternehmensbeteiligungen, sprich Aktien, wird wohl notwendig sein, um über die nächsten Jahre die Chance zu haben, Vermögen real zu erhalten und möglichst zu steigern. SOLLTE ICH JETZT ALLES AUF AKTIEN SETZEN? Oliver Postler: Das wäre sicher nicht die passende Antwort für alle Anleger. Erst einmal ist es notwendig, sich über seine individuellen Anlageziele klar zu werden. Unterschiedliche Anlegeziele wie liquide Reserve, Ausbildung der Kinder oder beispielsweise die Altersvorsorge erfordern unterschiedliche Anlagekonzepte. Generell sollten Anleger gerade für langfristige Sparziele wie die Altersvorsorge möglichst frühzeitig mit Sparplänen in Aktien anfangen. Zum einen diszipliniert der regelmäßige Kauf und zum anderen lässt sich so der Cost-Average-Effekt ausnutzen, d.h. bei der stetigen Investition der gleichen Summe bekommt man aufgrund der Kursschwankungen mal mehr und mal weniger Anteile. Dies führt dann zu günstigeren Durchschnittspreisen. Allerdings sollte man auch hier auf eine ausgewogene Streuung über Fonds oder börsengehandelter Fonds (ETF) achten. Aber ja: Aktien haben Schwankungen und Verlustrisiken. Schwankungen gehören zu Aktien wie die Kuh zur Milch. Das Eine gibt es nicht ohne das Andere. Wichtig ist vor allem sich klar zu machen, dass Schwankungen auch Kaufgelegenheiten darstellen können. Wer im Vergleich zu seiner angestrebten Zielquote in Aktien noch deutlich unterinvestiert ist, dem bieten sich hier auch Einstiegsmöglichkeiten. Nicht jede Konsolidierung ist eine Krise oder Trendwende. Analog dem Sparplangedanken von oben, würde sich das Investieren auch in Etappen anbieten. SCHWANKUNGEN GIBT ES JA DERZEIT GENUG, SOLL ICH JETZT EINSTEIGEN? Oliver Postler: In Summe sollte in den kommenden Wochen mit einer erhöhten Schwankungsbreite (Volatilität) gerechnet werden. Technisch bewegen sich die globalen Kapitalmärkte nach dem Abverkauf seitwärts. Die Erholungsphase scheint beendet, aber die Bodenbildungsphase hält noch an. Nach dem Bruch wichtiger Unterstützungsmarken im August haben sich hier neue Bandbreiten gebildet. Diese liegen für den amerikanischen S&P bei 1.820-2040, im deutschen Aktienindex DAX bei 9.300-11.000 und für den japanischen Nikkei bei 17.500-18.500. 2 | Trends & Märkte Spezial Wichtige Unterstützungsmarken sind gerissen Bitte beachten Sie, dass Vergangenheitswerte kein verlässlicher Indikator für eine zukünftige Wertentwicklung sind. Der Index kann nicht erworben werden und beinhaltet daher keine Kosten. Quelle UniCredit Bank, Thomson Reuters Datastream: Stand: 24.09.2015 Die Bewertungsniveaus haben sich verbessert. So ist der deutsche Aktienindex DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate von 11,7 keineswegs mehr hoch bewertet. Damit befindet er sich aktuell ungefähr in der Mitte der Bewertungsbandbreite der letzten fünf Jahre. Der Vergleichswert für den amerikanischen Markt beim S&P500 liegt bei 15,6. Mögliche Kursrücksetzer in Richtung der Lows aus August sehen wir eher als Kaufgelegenheiten. Anleger die noch nicht entsprechend Ihrer Zielquote investiert sind, könnten sukzessive Positionen kaufen. Solange die erwartete Konjunkturerholung sich in den Frühindikatoren und Gewinnschätzungen niederschlägt, könnte es sicher eher um die Korrektur in einem Aufwärtstrend handeln. Vergleichbares haben wir auch schon im Jahr 2011 erlebt. Wir bevorzugen weiter Europa vor USA und Japan. Steigende Beschäftigung bei niedriger Inflation und positive Wechselmechanismen in der Eurozone stimmen uns zuversichtlich. Die Schwellenländer sind für uns derzeit weniger interessant. Insbesondere die Rohstoffexporteure und stark in ausländischer Währung verschuldete Staaten dürften noch Schwierigkeiten haben. Rohstoffe, insbesondere Öl, dürften durch die gut gefüllte Angebotsseite weiter unter Preisdruck stehen. Auf der Branchenseite sehen wir einen Mix aus Defensive und Sturm als interessant an. Defensive Branchen sind dabei nah am Konsum wie Gesundheitswesen. Nahrungsmittel, Haushaltsgüter und Einzelhandel. Im Sturm sehen wir eher die zyklischen Sektoren wie Chemie, Industriegüter & Dienstleistungen, Vorsicht walten lassen sollte man weiterhin bei Öl & Gas, Grundstoffen und im Automobilsektor. Investitionen in solide Unternehmen, die auch bei niedrigem Wachstum und höheren Inflationsraten nachhaltig Gewinne erzielen, sind in einer finanziellen Repression interessant. Angesichts wieder moderater Bewertungen und niedriger oder sogar negativer realer Anleiherenditen dürften Dividenden auch weiterhin eine wichtige Renditequelle sein. WO BEKOMME ICH DIE BESTE RENDITE? Oliver Postler: Die aufkommenden Gegenwinde für risikoreichere Anlageklassen sind nun verstärkt in den Blickpunkt der Märkte gerückt. Mit temporären Rücksetzern bzw. einer erhöhten Schwankungsintensität ist nach wie vor zu rechnen. Solange sich aber die wirtschaftlichen Perspektiven nicht nachhaltig verschlechtern, dürfte es sich trotz Kurskorrektur nicht um den Anfang einer Baisse handeln. In einem möglicherweise gewittrigen Börsenherbst gilt es jedoch umso mehr, sich warm einzupacken und auf vielschichtige Lagen zu setzen, d. h. breit über alle Anlageklassen zu streuen. Um es klar zu sagen, wir rechnen nicht mit einem neuen Bärenmarkt. Für Anleger die entsprechend Ihrer Zielquote an Aktien noch 3 | Trends & Märkte Spezial nicht investiert sind, könnten sich perspektivisch erste Einstiegsgelegenheiten ergeben. Mit Blick auf 2016 bleibt unser Bild im Kern weiter konstruktiv. Unser Basisszenario ist weiter eine moderate globale Erholung der Wirtschaft gepaart mit einer expansiven Geldpolitik der Notenbanken. Das sollte auch in der kommenden Zeit besser für Aktien als für Anleihen sein. Das Niedrigstzinsversprechen der EZB drückt Anleihen in den Bereich negativer Renditen. Kupons stehen damit auf der Artenschutzliste. Mit der Rendite einer zehnjährigen deutschen Staatsanleihe dauert es aktuell rund 100 Jahre bis zur Kapitalverdoppelung – vor Kosten, Inflation und Steuern. Dazu kommen erhebliche Kursrisiken, wenn die Renditen ansteigen. Je länger die Laufzeit umso höher. Renditen bei Anleihen sind der Spiegel von Risiko. Daher sollte man sich auch nicht von vermeintlich hohen Renditen blenden lassen. Im Normalfall stecken hohe Risiken dahinter. Daher gilt auch weiterhin: Lieber langsam reich, als schleichend arm. Die Beimischung von Sachwerten wie Immobilien und Aktien sollte zu einer ausgewogenen Anlagestrategie gehören. Dividende kann ein wichtiger Beitrag zur Wertentwicklung sein. Viele Unternehmen zahlen aktuell mehr an Anteilseigner, als an Gläubiger. Dividenden können aus dieser Perspektive auch die Schwankungsrisiken bei Aktien reduzieren. Wichtig ist auch, die Risiken im Griff zu behalten. An den Kapitalmärkten wird einem Anleger grundsätzlich nichts geschenkt. Das einzige was es kostenlos gibt ist und bleibt die Diversifikation, also eine ausgewogene Streuung. HERR POSTLER, NENNEN SIE UNS DREI DINGE, DIE ICH ALS ANLEGER JETZT TUN SOLLTE Oliver Postler: Die Entwicklung einer individuellen Anlagestrategie ist ein systematischer Prozess. Es geht zunächst darum, die eigenen Anlageziele, Risikobereitschaft und Tragfähigkeit, Anlagehorizont etc. zu hinterfragen und darauf aufbauend klar die individuellen Ziele zu formulieren. In einem zweiten Schritt geht es um die konsequente strategische Ausrichtung und Aufteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen. Darauf baut dann die laufende taktische Ausgestaltung durch einzelne Investments und die laufende Überwachung und ggf. Anpassung auf. Daraus entsteht ein Regelkreislauf. Und zuletzt ist dann noch Disziplin in der Umsetzung erforderlich. Für Anleger die keine Zeit oder Lust haben, sich permanent um ihre Anlagen zu kümmern, stellen vermögensverwaltende Lösungen eine gute Alternative dar. Die Herausforderungen an den Kapitalmärkten für Anleger sind hochgradig komplex und vielfältig. Eine professionelle, am Anlegerinteresse des Kunden orientierte Beratung ist ein wichtiger und oft entscheidender Baustein für den Anlageerfolg. Das ist unser Anspruch. Mein Fazit für Anleger: Raus aus der Komfortzone, nichts tun ist keine Lösung! Sprechen Sie mit Ihrem persönlichen Berater über Ihre individuelle Anlagestrategie. 4 | Trends & Märkte Spezial IMPRESSUM Herausgeber: UniCredit Bank AG, HypoVereinsbank Private Banking Kardinal-Faulhaber-Straße 1, 80333 München Fachredaktion: Oliver Postler, Adrian Becker, Nikolaus Keis, Christina Steinhoff Erscheinungsweise: nach Bedarf abgeschlossen am 24.09.2015 DISCLAIMER Unsere Darstellungen basieren auf öffentlichen Informationen, die wir als zuverlässig erachten, für die wir aber keine Gewähr übernehmen, genauso wie wir für Vollständigkeit und Genauigkeit nicht garantieren können. Wir behalten uns vor, unsere hier geäußerte Meinung jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Die in diesem Report diskutierten Anlagemöglichkeiten könnten – je nach speziellen Anlagezielen, Zeithorizonten oder bezüglich des Gesamtkontextes der Finanzposition – für bestimmte Investoren nicht anwendbar sein. 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