Head of Research Uwe Burkert Chefvolkswirt + 49 / (0) 7 11/ 1 27–7 34 62 [email protected] Autoren LBBW Research Blickpunkt Iran: Was kommt nach dem Ende der Sanktionen? Landesbank Baden-Württemberg Seite 1 © Landesbank Baden-Württemberg Dr. Katja Müller Senior Economist + 49 / (0) 7 11/ 1 27–42106 [email protected] Frank Klumpp, CFA Senior Energy Analyst + 49 / (0) 7 11/ 1 27–75894 [email protected] Auf einen Blick: Ende der Sanktionen bietet Chancen für ausländische Investoren im Iran. Die Wirtschaft Irans wurde durch die im Zuge des Atomstreits verhängten Sanktionen sowohl im internationalen Handel als auch bei den Investitionen ausgebremst. Die mögliche baldige Beendigung der Sanktionen dürfte der Wirtschaft im Iran einen kräftigen Schub verleihen. Der internationale Bankenverband IIF geht von bis zu 6% Wirtschaftswachstum 2016/17 aus, westliche Diplomaten erwarten laut „Wall Street Journal“ 7% bis 8%. Eine nachhaltige Erhöhung der Ölproduktion sowie weitere realwirtschaftliche Auswirkungen dürften aber erst nach und nach sichtbar werden. Für ausländische Firmen bieten sich durch den Investitionsstau im Iran vielfältige Möglichkeiten. Vor allem die notwendige Modernisierung der Ölindustrie dürfte dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau Chancen eröffnen. Bereits 2014 entfiel mehr als ein Viertel der deutschen Ausfuhrgüter in den Iran auf Maschinen. Daneben sind auch der Automobilbau, die chemische Industrie oder der Ausbau erneuerbarer Energien zu nennen. Die deutschen Exporte in den Iran dürften deutlich ansteigen: Der BDI geht mittelfristig von einer Steigerung von zuletzt 2,3 Mrd. Euro im Jahr 2014 auf 10 Mrd. Euro aus, der DIHK rechnet mit einem Anstieg auf rund 5 Mrd. Euro innerhalb von zwei Jahren. Allerdings dürften Probleme im Finanzsystem, politische Instabilität, Inflation, eine ineffiziente öffentliche Verwaltung, eine unzureichende Infrastruktur sowie Korruption auch nach Ende der Sanktionen das Investitionsklima belasten. Seite 2 © Landesbank Baden-Württemberg Islamische Republik Iran: Überblick. Einwohner: 78 Mio. Fläche: 1,6 Mio. km2 BIP (2014): 407 Mrd. US-Dollar BIP pro Kopf (2014): 5165 US-Dollar Offizielle Landessprache: Persisch 99 Prozent der Einwohner sind Muslime, davon ca. 90 Prozent Schiiten und 10 Prozent Sunniten. Die großen Rating-Agenturen Fitch, S&P und Moody‘s bewerten die Islamische Republik Iran derzeit nicht. Quellen: forbes.com, Auswärtiges Amt, LBBW Research Seite 3 © Landesbank Baden-Württemberg Einleitung. Politische Situation Die Islamische Republik Iran ist sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Seit der islamischen Revolution 1979 bezeichnet sich der Iran als „Islamische Republik“. Das mächtige Staatsoberhaupt ist ein durch den Expertenrat (vom Volk gewählt) berufener schiitischer Geistlicher (derzeit Ayatollah Chamenei). Der Präsident und gleichzeitig Regierungschef wird alle vier Jahre vom Volk gewählt. Eine Wiederwahl ist nur ein Mal möglich. Hassan Rohani ist seit dem 3. August 2013 Präsident. Seit der Wahl des moderaten Klerikers entspannten sich die Beziehungen zu Deutschland wieder etwas. Unter seinem Vorgänger Ahmadinedschad verurteilte die Bundesregierung die radikale anti-israelische Rhetorik sowie die sich weiter verschlechternde Menschenrechtssituation. Der Iran ist Mitglied der OPEC sowie der Economic Cooperation Organisation (regionaler Wirtschaftsverbund west- und mittelasiatischer Staaten). Quelle: Auswärtiges Amt, LBBW Research Seite 4 © Landesbank Baden-Württemberg Einleitung. Wirtschaft/Außenhandel Geschätzt bis zu 80 Prozent der Wirtschaft des Iran werden vom Staat bzw. religiösen Stiftungen kontrolliert. Die iranische Regierung beabsichtigt aber, den privaten Anteil deutlich zu erhöhen. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind die Öl- und Gasindustrie, petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Metallindustrie und die Kfz-Industrie. Die Verabschiedung eines Investitionsschutzgesetzes und die Implementierung einer Steuerreform haben die rechtlichen Bedingungen für ausländische Investoren in den letzten Jahren etwas verbessert. Die im Zuge des Atomstreits verhängten Sanktionen belasten die Wirtschaft deutlich. Auf den Öl- und Gassektor entfielen 2014 mehr als 50% der Exporterlöse Irans. Im Zuge der Sanktionen importiert die EU seit Juli 2012 kein iranisches Erdöl mehr. Dagegen sind die Erdöl-Exporte nach Asien seit Ende 2013 um 20% gestiegen. Darüber hinaus exportiert der Iran landwirtschaftliche und traditionelle Güter (Teppiche, Früchte, Pistazien) sowie Industrieprodukte (Kfz- und Kfz-Teile, Stahl, petrochemische Produkte). 2011 wurde der Nationale Entwicklungsfonds (NDF) geschaffen. Darin fließt ein bestimmter Anteil der ExportEinnahmen aus Öl und Gas, um Ölpreisfluktuationen abfangen zu können und Budgetdefizite auszugleichen. Der Fonds wurde allerdings in den letzten Jahren immer wieder zweckentfremdet. Quelle: Auswärtiges Amt, LBBW Research Seite 5 © Landesbank Baden-Württemberg Die Wirtschaft Irans unter dem Einfluss der Sanktionen Seite 6 © Landesbank Baden-Württemberg Der Atomstreit mit dem Iran mündete in harten Sanktionen. Der Weg zu harten Sanktionen gegenüber dem Iran Seit 2002 bestanden massive Zweifel am friedlichen Charakter des iranischen Nuklearprogramms. Da die damaligen Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und der Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien keinen maßgeblichen Durchbruch brachten, schaltete die IAEO im Februar 2006 den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein. Der Sicherheitsrat beschloss mehrfach völkerrechtlich verbindliche Sanktionen. Mit Resolution 1929 aus dem Jahr 2010 wurden die seit Ende 2006 bestehenden Sanktionen weiter verschärft. Daraus resultierten Einschränkungen beim Handel mit dem Iran, im Versicherungs-, Finanz- und Verkehrssektor, bei den Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sowie neue Visumssperren und die Einfrierung von Konten der Revolutionsgarden. Ebenso wurden Auslandskonten von am Atomprogramm Beteiligten eingefroren. Zudem wurde ein weitreichendes Waffenembargo verhängt. Quelle: Auswärtiges Amt, LBBW Research Seite 7 © Landesbank Baden-Württemberg Rezession bereits überwunden. Reales BIP-Wachstum (Y-Y %), Jahresdaten Nach der Verschärfung der Sanktionen im Jahr 2010 brach die iranische Wirtschaft 2012 und 2013 ein. Im vergangenen Jahr nahm das BIP bereits wieder um knapp 3% zu. Auch durch die Sanktionen war die Wirtschaft Irans gezwungen, sich über die Öl- und Gasindustrie hinaus zu diversifizieren. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 8 © Landesbank Baden-Württemberg Diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Anteil am BIP in %, 2011/12 Die iranische Wirtschaft ist diversifizierter als diejenige vieler anderer Ölexporteure. Die Öl- und Gasförderung wird unter der Rubrik „Mining and quarrying“ erfasst, die für sich genommen (also ohne produzierende Industrie) einen Anteil von nur 6,3% am BIP einnimmt. Quelle: Statistical Centre of Iran Seite 9 © Landesbank Baden-Württemberg Iranische Exporte nach China massiv gesteigert. Iranische Warenexporte nach Zielländern in Mio. US-Dollar 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 90 92 China 94 Indien 96 98 Türkei 00 02 Japan 04 06 08 Südkorea 10 12 14 Deutschland Quelle: Bloomberg, LBBW Research Seite 10 © Landesbank Baden-Württemberg Für die iranische Wirtschaft war Japan bis zu Beginn des Jahres 2008 das Hauptexportland und wurde seitdem von China abgelöst. Seit einer ersten Lockerung der Sanktionen 2013 stiegen die ErdölExporte nach Asien um 20%. So haben sich die gesamten Warenexporte nach China innerhalb der letzten 10 Jahre nahezu verfünffacht. Der markante Einbruch 2009 ist u.a. den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 und den anschließenden Unruhen im Land geschuldet. Exporte nach Deutschland finden in einem bisher kaum nennenswerten Volumen statt (USD 372 Mio.). Iranische Importe: China profitiert von den Sanktionen. Iranische Warenimporte nach Herkunftsländern in Mio. USD 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 90 92 V.A.E. 94 China 96 98 Indien 00 02 04 Südkorea 06 08 Türkei 10 12 14 Deutschland Quelle: Bloomberg, LBBW Research Seite 11 © Landesbank Baden-Württemberg Die meisten Importe stammen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es ist anzunehmen, dass viele Waren nach den Sanktionen über diese Staaten als Drehscheibe in den Iran importiert wurden und es somit zu massiven Steigerungen kam. Noch markanter fällt der Anstieg der Importe aus China aus, diese haben sich alleine in den letzten 5 Jahren verfünffacht. Auch hier konnte China in die durch die Sanktionen entstandene Lücke stoßen. Deutschland liegt auf Platz 6. Auffallend hierbei ist, dass auf Sicht von 10 Jahren nur ein moderater Rückgang zu verzeichnen war. Inflation nach wie vor hoch. Veränderungsrate der Konsumentenpreise zum Vorjahresmonat in %, Monatsdaten Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 12 © Landesbank Baden-Württemberg Im Dezember 2010 wurde ein Gesetz zum Subventionsabbau im Iran beschlossen. Durch diese Reform kam es zu deutlichen Preissteigerungen, insbesondere bei Energieträgern. Um die negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung abzufedern, wurde sogar eine monatliche Direktzahlung an jeden Iraner von ca. 15 US-Dollar eingeführt. Inzwischen ist die Inflationsrate wieder deutlich niedriger, mit zuletzt 16% aber nach wie vor hoch. Junge Bevölkerung bietet Potenzial für Wirtschaftswachstum. Bevölkerung in Mio., Jahresdaten Der Iran hat derzeit ca. 78 Mio. Einwohner und somit fast so viele wie Deutschland. Die schnell wachsende Bevölkerung verspricht viel Potenzial: Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt. Die Erwerbsquote beträgt nach Angaben des Iranischen Statistikamtes nur magere 37%. Allerdings fallen in die Statistik bereits Personen ab 10 Jahren, anstatt wie international üblich 15 Jahren. Angesichts der jungen Bevölkerung könnte dies zur Verzerrung der Statistik führen. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 13 © Landesbank Baden-Württemberg Hohe Jugendarbeitslosigkeit. Arbeitslosenquote in %, Jahresdaten Die Arbeitslosigkeit ist zwar in den letzten Jahren deutlich gesunken, ist aber nach wie vor hoch. Die Jugendarbeitslosigkeit (15 bis 24 Jahre) liegt bei knapp 26% auf hohem Niveau. Die Bevölkerung ist vergleichsweise gut ausgebildet. Die Analphabetenquote liegt dennoch bei ca. 15% (Quelle: CIA Factbook). Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 14 © Landesbank Baden-Württemberg Haushaltsdefizit überschaubar. Haushaltssaldo in % des BIP, Jahresdaten Momentan erzielt der iranische Staat ein Haushaltsdefizit. Mit zuletzt 1,4% im Jahr 2014 ist dieses aber überschaubar. Dafür dürfte vor allem der Rückgang der Öleinnahmen durch die Sanktionen verantwortlich sein. Zuletzt dürfte der Ölpreisrückgang noch zusätzlich auf die Ölerlöse gedrückt haben. Vor der Verschärfung der Sanktionen im Jahr 2010 schrieb der iranische Staatshaushalt jahrelang Überschüsse. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 15 © Landesbank Baden-Württemberg Iran ist Netto-Gläubiger. Nettostaatsverschuldung in % des BIP, Jahresdaten Der Iran wies 2014 eine Nettostaatsverschuldung von -1,1% des BIP aus. Die Forderungen des Iran übersteigen also dessen Verbindlichkeiten, die Islamische Republik befindet sich somit in einer Netto-Gläubigerposition. Nur wenige Staaten weltweit weisen eine negative Staatsverschuldung auf, darunter vorwiegend Ölexporteure wie Norwegen oder Saudi-Arabien. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 16 © Landesbank Baden-Württemberg Leistungsbilanzüberschuss bereits seit Ende der 90er Jahre. Leistungsbilanzsaldo in % des BIP und Ölpreis Der Iran schreibt bereits seit Ende der 90er Jahre durchgängig Leistungsbilanzüberschüsse. Auch hierbei dürften die Ölexporte und der Ölpreis eine entscheidende Rolle spielen. Der durch die Sanktionen bedingte Rückgang der Importe mag hier aber ebenfalls zu den Überschüssen beigetragen haben. So besteht die Möglichkeit, dass durch Nachholeffekte nach einem Ende der Sanktionen der Leistungsbilanzsaldo zeitweise wieder negativ wird. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 17 © Landesbank Baden-Württemberg Was kommt nach dem möglichen Ende der Sanktionen? Seite 18 © Landesbank Baden-Württemberg Historische Einigung im Atomstreit mit Iran. Wesentliche Eckpunkte des Joint Comprehensive Plan of Action (“Wiener Abkommen”) vom 14.07.2015 Das Abkommen der Sechsergruppe (USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien, Deutschland) mit Iran soll den Bau von Atomwaffen durch den Iran verhindern: Die Anzahl der Gaszentrifugen zur Urananreicherung wird um zwei Drittel reduziert. Bereits angereichertes Material wird verdünnt oder ins Ausland transportiert. Der Schwerwasserreaktor Arak wird umgebaut, so dass die Produktion von Plutonium nicht mehr möglich ist. Strenges Kontrollregime durch die Internationale Atomenergiebehörde. Alle verdächtigen Orte dürfen inspiziert werden. Der Iran hat bis 15. Dezember Zeit, die Vereinbarungen zu erfüllen. Nach Bestätigung durch die IAEO, dass der Iran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, können die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden (voraussichtlich Anfang 2016). Das Waffenembargo bleibt noch fünf Jahre, das Embargo für ballistische Raketen noch acht Jahre in Kraft. Die Regelungen gelten zehn Jahre. In dieser Zeit darf die Anreicherungstechnologie nur sehr eingeschränkt weiterentwickelt werden. Quelle: Bloomberg, Moody‘s, LBBW Research Seite 19 © Landesbank Baden-Württemberg Aufhebung der Sanktionen steht vor der Tür. Nachholbedarf zum Nachbarland Irak. Ölproduktion Iran und Irak (in Tsd. Barrel pro Tag) 5000 5000 4500 4500 4000 4000 3500 3500 3000 3000 2500 2500 2000 2000 Ölproduktion Irak (in Tsd. Barrel pro Tag) Ölproduktion Iran (in Tsd. Barrel pro Tag, rechte Skala) Quelle: Bloomberg, LBBW Research Seite 20 © Landesbank Baden-Württemberg Der Iran selbst möchte die Ölausfuhren um 1 Mio. Barrel pro Tag erhöhen, was aufgrund der langen „Auszeit“ der Anlagen schwierig werden dürfte. Bis Ende 2016 ist ein Plus von 700.000 bpd wahrscheinlich. Es könnten zunächst Lagerbestände in Höhe von ca. 30 Mio. Barrel kurzfristig auf den Markt gebracht werden. Für eine nachhaltige Steigerung der täglichen Produktionsmenge im ölreichen Land (in puncto Vorkommen Rang vier weltweit) sind weitere Investitionen nötig. Das Nachbarland Irak hat in den letzten Jahren einen beachtlichen Vorsprung aufgebaut. Umfangreiche Gasvorkommen Irans werden bisher vor allem für den Eigenverbrauch ausgebeutet. Gasproduktion und –verbrauch Iran (in mtoe p.a.) Quelle: BP Statistical Review of World Energy 2014, LBBW Research Seite 21 © Landesbank Baden-Württemberg In den Diskussionen über Iran-Sanktionen stehen die Rohölthemen im Vordergrund, obwohl das Land hier „nur“ den vierten Rang in puncto Reserven belegt. Laut BP verfügt der Iran mit einem Anteil von 18,2 % über die größten Gas-reserven weltweit. Zwar hat das Land seine Förderung seit den 90er Jahren vervielfacht, dies jedoch vor allem, um den wachsenden heimischen Bedarf zu decken. Die Lockerung der Sanktionen eröffnet nun Möglichkeiten, künftig auch den Export zu bedienen, vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung von Gas im globalen Energiemix und der Suche nach Alternativen zur Abhängigkeit Europas von Russland. History Repeats Itself? Aufhebung der Sanktionen gegen Irak in den 90er Jahren. Ölproduktion Irak und Brent Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 22 © Landesbank Baden-Württemberg Das absehbare Ende des Sanktionsregimes gegen Iran zeigt Parallelen zur Lage im Irak in den 90er Jahren. Seinerzeit sorgte die Erleichterung der gegenüber Irak verhängten Sanktionen für einen deutlichen Anstieg der dortigen Ölproduktion. 1995 wurde das Oil-for-Food Programm beschlossen, das Irak trotz der nach der Kuwait-Invasion 1990 von der UNO verordneten Wirtschaftssanktionen ermöglichen sollte, auf dem Weltmarkt Öl gegen Lebensmittel und Medikamente zu tauschen. So konnte Irak im Dezember 1996 seine Exporte wieder aufnehmen. Die Produktionssteigerungen Irans dürften ab 2016 jedoch deutlich geringer ausfallen (vgl. auch S. 19). Ölpreis fällt bereits im Vorfeld des Wiener Abkommens. Ölpreis im Juli (in USD/Barrel Brent) Der Deal wurde weitgehend erwartet, weil bereits im April ein VorAbkommen beschlossen wurde. Die unmittelbare Reaktion des Ölpreises hielt sich daher in Grenzen. Zwar kamen Brent und WTI unmittelbar nach Bekanntwerden der Einigung noch einmal unter Druck, erholten sich jedoch im Tagesverlauf im Stile von "Sell the rumour, buy the fact". Die Einigung am 02.04.2015 erfolgte damals recht überraschend, weshalb wir die Prognosen (Ende 2015 und Mitte 2016) anschließend auch um 5 USD auf aktuell 60 bzw. 65 USD/ Barrel Brent gesenkt hatten. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 23 © Landesbank Baden-Württemberg Brent: OPEC-Strategie geht auf. Amerikanische Ölförderung auf dem Rückzug. Iran-Öl kommt zurück. Ölpreis (in USD/Barrel) Pro & Contra Preisanstieg Brent + Der Preisverfall lässt zyklische Kräfte Preis aktuell Brent (in USD/Barrel) 53,93 Ø 2014 99,20 Historie 31.12.2014 Ø H1 2015 55,84 58,51 Sep 2015 60 Prognose Dez 2015 60 Jun 2016 65 Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 24 © Landesbank Baden-Württemberg wirken. Allmählich muss unrentables Angebot vom Markt genommen werden, und geringere Anreize zum Energiesparen regen Nachfrage an. Die Ölindustrie reagierte mit deutlich reduzierten Investitionsplänen. + Geopolitische Themen bleiben auf der Agenda und können für Angebotsstörungen sorgen. - Die OPEC, allen voran Saudi-Arabien, setzt ihren expansiven Kurs fort und bestätigte im Juni-Meeting ihre Fördermenge. - Iran drängt nach der anstehenden Einigung im Atomstreit zurück an die Märkte. - Spekulative Marktteilnehmer sind derzeit gezwungen, Positionen abzubauen. Offizieller Wechselkurs und Schwarzmarktkurs dürften sich annähern. Iranische Rial je US-Dollar mit IIF-Prognose Aktuell unterscheidet sich der offizielle Wechselkurs deutlich vom Schwarzmarktkurs. Bereits in den Tagen vor dem Atomabkommen wertete der Rial zum US-Dollar auf dem Schwarzmarkt laut Angaben des International Institute of Finance (IIF) um ca. 6% auf. Das IIF rechnet damit, dass der Rial auf dem Schwarzmarkt weiter aufwertet und sich so bereits zum Jahresende 2015 der offizielle Wechselkurs und der Schwarzmarktwechselkurs wieder angenähert haben werden. Quelle: IIF Seite 25 © Landesbank Baden-Württemberg Auflösung des Investitionsstaus dürfte Wachstum im Iran befeuern. Ausländische Direktinvestitionen, Nettozuflüsse in % des BIP Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 26 © Landesbank Baden-Württemberg Anfang der 2000er Jahre sorgte eine Liberalisierung der Investitionsregularien für einen deutlichen Anstieg der ausl. Direktinvestitionen (FDI). Infolge der Sanktionen sanken diese allerdings wieder deutlich. Nach Aufhebung der Sanktionen dürfte der Investitionsstau für einen erneuten Anstieg der FDI sorgen. Zudem dürften die bislang im Ausland eingefrorenen Vermögen (ca. 100 Mrd. USD) wieder zugänglich werden. Moody‘s beziffert den Investitionsrückstau bei der Ölindustrie mit 230 Mrd. USD. Das IIF rechnet nach Beendigung der Sanktionen mit einem BIP-Wachstum von bis zu 6% 2016/17. Aufhebung der Sanktionen bringt Chancen für die deutsche Wirtschaft. Iranisch-Deutscher Handel (Jahresdaten, in Mrd. Euro) Das Wiener Abkommen schürt Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der einst guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und Deutschland. Aufgrund der seit 2006 verhängten und sukzessive verschärften Sanktionen bekamen die zuvor stark gewachsenen Exporte Deutschlands in den Iran einen empfindlichen Dämpfer. Eine Verdopplung der Exporte während der kommenden Jahre erscheint durchaus plausibel, vor allem vor dem Hintergrund des Investitionsstaus in Iran. Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 27 © Landesbank Baden-Württemberg Wettbewerbsfähigkeit: „Ease of Doing Business“Index. Mittlere BIP-Prognose 5 Jahre (% p.a.) versus „Ease of Doing Business“-Index Average GDP forecast 5 years in advance by IMF (% p.a.; inverted) -4,0 Venezuela -2,0 Japan 0,0 Russia Germany Italy Brazil Croatia 2,0 France UK Romania Poland Mexico Taiwan Iran Hungary South Africa USA 4,0 Korea Czech Rep. Turkey Thailand Malaysia Indonesia 6,0 China 8,0 India 10,0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 Rank in "Ease of Doing Business Index" of World Bank Quelle: Weltbank, IWF, LBBW Research Seite 28 © Landesbank Baden-Württemberg Mit Rang 130 von insgesamt 189 Ländern schneidet der Iran beim „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank eher schlecht ab. Allerdings ergab sich in der Unterkategorie “Starting a business” eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur letzten Erhebung von Rang 70 auf Rang 62. Eine Aufhebung der Sanktionen dürfte aber vor allem hinsichtlich der Unterkategorie “Trading across borders” (Rang 148) eine deutliche Verbesserung bewirken. Die Größe der Kreise reflektiert den Anteil eines Staates am Welt-BIP (PPPBasis) und ist ebenfalls ein Anhaltspunkt für die Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen. Wettbewerbsfähigkeit: „Global Competitiveness Index“. Mittlere BIP-Prognose 5 Jahre (% p.a.) versus „Global Competitiveness Index“ Mit Rang 83 von insgesamt 144 Ländern liegt der Iran beim „Global Competitiveness Index“ des World Economic Forums (WEF) nur im schlechten Mittelfeld. Besonders problematisch werden der Zugang zu Finanzierung, politische Instabilität, Inflation, eine ineffiziente öffentliche Verwaltung, eine unzureichende Infrastruktur sowie Korruption gesehen. Die Größe der Kreise reflektiert den Anteil eines Staates am Welt-BIP (PPPBasis) und ist ebenfalls ein Anhaltspunkt für die Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen. Average GDP forecast 5 years in advance by IMF (% p.a.; inverted) -4,0 Venezuela -2,0 Russia Japan 0,0 France Croatia 2,0 UK USA Czech Rep. Korea 4,0 Brazil Italy Germany Hungary South Africa Romania Poland Iran Mexico Turkey Taiwan Thailand Malaysia Indonesia 6,0 China India 8,0 10,0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Rank in "Global Competitiveness Index" of World Economic Forum Quelle: WEF, IWF, LBBW Research Seite 29 © Landesbank Baden-Württemberg Korruption im Iran als Problem. Corruption Perceptions Index 2014 Der Iran wird im Corruption Perceptions Index auf Rang 136 von insgesamt 174 Ländern geführt. Die Korruption im Iran mindert die Standortqualität der Islamischen Republik beträchtlich, die Islamische Republik schneidet aber immerhin besser ab als direkte Nachbarn wie z.B. Irak oder Afghanistan. Quelle: Transparency International, LBBW Research Seite 30 © Landesbank Baden-Württemberg Fazit: Ende der Sanktionen bietet Chancen für ausländische Investoren. Die Wirtschaft Irans wurde durch die im Zuge des Atomstreits verhängten Sanktionen sowohl im internationalen Handel als auch bei den Investitionen ausgebremst. Die mögliche baldige Beendigung der Sanktionen dürfte der Wirtschaft im Iran einen kräftigen Schub verleihen. Jetzt muss der Iran aber tatsächlich den Forderungen des Atomkompromisses nachkommen, um die Voraussetzungen für das Ende der Sanktionen zu schaffen. Konkrete Auswirkungen könnten sich zunächst hinsichtlich der Annäherung von offiziellem Wechselkurs und Schwarzmarktkurs ergeben. Eine nachhaltige Erhöhung der Ölproduktion sowie weitere realwirtschaftliche Auswirkungen dürften aber erst nach und nach sichtbar werden. Für ausländische Firmen bieten sich durch den Investitionsstau im Iran vielfältige Möglichkeiten. Neben der Ölund Gasindustrie, die für den Maschinen- und Anlagebau von Interesse ist, sind hier auch der Automobilbau, die chemische Industrie oder der Ausbau erneuerbarer Energien zu nennen. Auch der iranische Aktienmarkt mit einer Marktkapitalisierung von ca. 100 Mrd. USD würde sich für ausländische Investoren öffnen. Verglichen mit anderen Ländern der Region verfügt der Iran bereits über recht fortschrittliche Handels- und Settlementsysteme. Allerdings dürften Probleme im Finanzsystem, politische Instabilität, Inflation, eine ineffiziente öffentliche Verwaltung, eine unzureichende Infrastruktur sowie Korruption auch nach Ende der Sanktionen das Investitionsklima belasten. Seite 31 © Landesbank Baden-Württemberg Disclaimer. Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Postfach 1253, 53002 Bonn / Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt. Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zulässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. 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Abgeschlossen: 31.07.2015 Seite 32 © Landesbank Baden-Württemberg Ansprechpartner Sales Sales Sparkassen + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 75 65 Sales Banks & Frequent Borrowers +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 56 70 Sales Asset Manager +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 53 22 Sales Institutionals +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 52 91 Sales Regionalbanken +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 2 82 22 Sales Short Term Products +49 / (0) 711/ 1 27 – 75 74 International Sales +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 88 47 Sales Spezial- & Publikumsfonds +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 53 58 Research Sovereigns/Financial Research Head of Research Uwe Burkert Group Chief Economist + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 34 62 [email protected] Head of Sovereigns/Financial Research Dr. Thomas Meißner Managing Director + 49 / (0) 7 11/ 1 27-73574 [email protected] Sovereigns/Subsovereigns/Agencies Jan Hofmeister Group Head + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 93 92 [email protected] Dirk Chlench USA, UK, Australia, Canada + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 61 36 [email protected] Team Economics Dr. Guido Zimmermann Senior Economist + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 16 40 [email protected] Matthias Krieger Japan, South Korea, South-East Asia, South Africa, Argentina, Brazil, Venezuela + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 30 36 [email protected] Dr. Jens-Oliver Niklasch Eurozone, ECB + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 63 71 [email protected] Dr. Katja Müller Switzerland, Nordics + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 4 21 06 [email protected] Julian Trahorsch Eurozone, China + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 66 83 [email protected] Manfred Wolter Eastern Europe (ex Eurozone), Russia + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 4 28 16 [email protected] Torben Skopnik Subsovereigns, Supranationals, Agencies Germany, Netherlands, Austria, Spain + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 4 21 13 [email protected] Tobias Kelle-Chong, CFA Subsovereigns, Supranationals, Agencies France, Belgium, Nordics + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 19 70 [email protected] Bloomberg: LBBK <go> Seite 33 © Landesbank Baden-Württemberg Sales Capital Markets London +44 / (0) 20 / 78 26 – 81 75 Corporate Sales & Securitisation +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 53 00 Financials/Covered Bonds Research Alexandra Schadow, CPA Group Head Financial Institutions & Covered Bonds Netherlands, Regulation + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 89 51 [email protected] Eugen Eichwald Financial Institutions & Covered Bonds Belgium, Denmark, Finland, Norway, Sweden + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 4 92 01 [email protected] Ingo Frommen Financial Institutions Germany + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 46 48 [email protected] Corporate Capital Markets +49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 87 46 Debt Capital Markets +49 / (0) 711/ 1 27 – 7 88 25 Brigitte Martineau-Trauner Financial Institutions Austria, France, Covered Bonds France + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 41 52 [email protected] Martin Peter Financial Institutions & Covered Bonds Australia, Canada, Switzerland, USA + 49 / (0) 7 11 / 1 27 – 4 27 46 [email protected] Stefan Rösch Covered Bonds Austria, Ireland, Italy, Portugal, Spain + 49 / (0) 7 11 / 1 27 – 7 01 58 [email protected] Ralph Herre Financial Institutions Netherlands + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 64 74 [email protected] Karsten Rühlmann Financial Institutions Germany, Covered Bonds Germany, UK + 49 / (0) 7 11 / 1 27 – 7 03 18 [email protected] Anna-Joy Kühlwein Financial Institutions Ireland, Portugal, Spain, UK + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 4 21 14 [email protected] Werner Schirmer Insurance Companies, Financial Institutions Italy + 49 / (0) 7 11/ 1 27 – 7 78 89 [email protected]
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