Vorlesung 13 Die Frequenzkennlinien / Frequenzgang Frequenzkennlinien geben das Antwortverhalten eines linearen Systems auf eine harmonische (sinusförmige) Anregung in Verstärkung (Amplitude) und Phasenverschiebung (Phase) an. Beispiel in Winfact: PT1-System Sprungantwort Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 1 Vorlesung 13 Eingangssignal und Ausgangssignal unterscheiden sich voneinander abhängig von der Schwingungsfrequenz. 1 1/sec 5 1/sec 20 1/sec Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 2 Vorlesung 13 Eingangssignal ∧ X e (t ) = X e sin(ωt ) und Ausgangssignal ∧ X a (t ) = X a (ω ) sin(ωt + α (ω )) unterscheiden sich voneinander durch Amplitude und Phasenverschiebung. π/2 π 3π/2 2π Einschwingphase Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl Messphase 3 Vorlesung 13 Messung von Amplitudenverhältnis und Phasenverschiebung. A(ω ) = α (ω ) ∧ Xe ∧ Xa ∧ Xe ∧ Xa α Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 4 Vorlesung 13 Amplitudenverhältnis Phasenverschiebung ∧ A= Xa ∧ =1 ω= 1 1/sec α =-3° Xe Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 5 Vorlesung 13 Amplitudenverhältnis Phasenverschiebung ∧ A= Xa ∧ =0.9 ω= 5 1/sec α =-25° Xe Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 6 Vorlesung 13 Amplitudenverhältnis Phasenverschiebung ∧ A= Xa ∧ =0.4 ω= 20 1/sec α =-66° Xe Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 7 Vorlesung 13 Ergebnis aus der Frequenzgangmessung: System ∧ ∧ X e (t ) = X e sin(ωt ) X a (t ) = X a (ω ) sin(ωt + α (ω )) Tabelle Kreisfrequenz Amplitudenverhältnis A Phasenverschiebung α 1 1/s 5 1/s 20 1/s ... 1 0.9 0.4 -3° -25° -63 Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 8 Vorlesung 13 Die grafische Darstellung der Frequenzgangmessung erfolgt im Bode-Diagramm über der Kreisfrequenz ω: ∧ der Amplitudenwert A= Xa ∧ die Phasenverschiebung α Xe wird logarithmisch in Dezibel aufgetragen, d.h. wird in Grad aufgetragen. G / dB = 20 log10 A Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl ∠G / o = α 9 Vorlesung 13 Messwerte werden über der Kreisfrequenz aufgetragen X X X Messwerte des Amplitudenverlauf X X Messwerte des Phasenverlauf X Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 10 Vorlesung 13 Und zu einer Linie interpoliert X X X Messwerte des Amplitudenverlauf X X Messwerte des Phasenverlauf X Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 11 Vorlesung 13 Zusammenhang zwischen Übertragungsfunktion und Frequenzgang Wird in der Übertragungsfunktion G(s) die komplexe Variable S durch die Harmonische Variable iω ersetzt, so ergibt sich der Frequenzgang F(iω) rein rechnerisch, d.h. das Bode-Diagramm des Systems kann auch rechnerisch aus der Übertragungsfunktion bestimmt werden! Der Frequenzgang F(iω) läßt sich zerlegen in Realteil und Imaginärteil F(iω)= Re (F(iω) + i * Im (F(iω)) und mit den Beziehungen für Amplitude A = F (iω ) = Re 2 ( F (iω )) + Im 2 ( F (iω )) und Phase α (ω ) = ∠F (iω ) = arctan Im( F (iω )) Re( F (iω )) für das Bodediagramm errechnen. Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 12 Vorlesung 13 1 G (s ) = 1+ T * S Beispiel für PT1-Übertragungsfunktion F (iω ) = F (iω ) = (1 − T * iω ) 1 = 1 + T * iω (1 + T * iω ) * (1 − T * iω ) 1 1 + T 2 *ω 2 Re(F (iω )) = −i* T *ω 1 + T 2 *ω 2 1 1 + T 2 *ω 2 Im(F (iω )) = − T *ω 1 + T 2 *ω 2 A = F (iω ) = Re 2 ( F (iω )) + Im 2 ( F (iω )) = α (ω ) = ∠F (iω ) = arctan 1 1 + ω 2T 2 Im( F (iω )) = arctan(−ωT ) Re( F (iω )) Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 13 Vorlesung 13 Der Amplitudengang der Frequenzkennlinien kann dann asymptotisch konstruiert werden, indem die Verstärkung in Dezibel und die Eckfrequenz mit ωE=1/T eingetragen wird und die Steigungen ein Vielfaches von +-20dB/ ω-Dekade konstruiert wird. Beispiel: 0.5 Gs = PT1 () 1 + 0.1sec * S Steigung - 20dB/Dek ωE=1/T=10 1/s Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 14 Vorlesung 13 Der Phasengang der Frequenzkennlinien kann asymptotisch konstruiert werden, indem eine Dekade vor/hinter der Eckfrequenz mit ωE=1/T ein Knick mit der Steigungen ein Vielfaches von +-45°/ ω-Dekade konstruiert wird. Beispiel: PT1 0.5 G (s ) = 1 + 0.1sec * S Steigung - -45°/Dek ωE=1/T=10 1/s Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 15 Vorlesung 13 Vergleich angenähert, berechnet und gemessen PT1-Frequenzgang X X X Messwerte des Amplitudenverlauf X X Messwerte des Phasenverlauf ωE=1/T=10 1/s X Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 16 Vorlesung 13 Übersicht Regelkreisglieder PT1 Kp G ( S ) = Kp ( Steigung - 20dB/Dek 1 ) 1 + TS ωE=1/T Steigung - -45°/Dek ωE=1/T Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 17 Vorlesung 13 Übersicht Regelkreisglieder PT2 Steigung - 40dB/Dek Kp G (S ) = Kp 1 + 2 DT S + T 2 S 2 ωE=1/T Steigung - -90°/Dek ωE=1/T Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 18 Vorlesung 13 Übersicht Regelkreisglieder I Steigung - 20dB/Dek G (S ) = KI S ωE=Ki Steigung 0°/Dek Constant -90° Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 19 Vorlesung 13 Übersicht Regelkreisglieder D Steigung + 20dB/Dek GStrecke ( S ) = TD S ωE=1/TD Steigung 0°/Dek Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl Constant 90° 20 Vorlesung 13 Übersicht Regelkreisglieder PD1 Kp ωE=1/T Steigung + 20dB/Dek GStrecke ( S ) = Kp (1 + TS ) Steigung 45°/Dek Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 21 Vorlesung 13 Anmerkungen: • Amplituden- und Phasenverläufe können wegen des logarithmischen Massstab im Bodediagramm addiert werden, so dass eine Konstruktion von Hand möglich ist. • Für Glieder 1. Ordnung zeigt der tatsächliche Amplitudengang an der Stelle 1/T (Eckfrequenz) eine Abweichung von 3 dB. • Für Glieder 2. Ordnung zeigt der tatsächliche Amplitudengang an der Stelle 1/T (Eckfrequenz) eine von der Dämpfung D abhängige Abweichung (s. Literatur). • Bei kleiner Dämpfung (D<1) kommt es beim PT2-Glied dort zur sog. Resonanzüberhöhung, d.h. bei Anregung mít der Eckfrequenz tritt Resonanz auf. Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 22 Vorlesung 13 Stabilität nach dem Nyquist-Kriterium im Bode-Diagramm Wenn ein nicht rückgekoppeltes Regelsystem bei einer bestimmten Anregungsfrequenz die Verstärkung 1.0, aber eine Phasenverschiebung von -180 Grad aufweist, so könnte sich im Falle der Rückkopplung eine ebensolche Sinusfrequenz selbständig aufrechterhalten, es wäre instabil. •Der Punkt mit der Amplitude 1 und Phasenverschiebung -180 lässt sich im Bodediagramm gut ermitteln. Er stellt den Grenzwert des stabilen Betriebs eines Regelkreises dar. •Im Fall kleinerer Amplitudenwerte bei einer Phasenverschiebung von -180 ist Stabilität gegeben. Bei größeren Amplitudenwerten herrscht Instabilität. Der Frequenzwert gibt lediglich die Frequenz der instabilen Schwingung ωkritisch an. Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 23 Vorlesung 13 Zustand der stabilen Dauerschwingung im Regelkreis Xd U X WINFACT Startauslenkung Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 24 Vorlesung 13 Wieso schwingt das? Blick auf A(ω) und α (ω) der Strecke: bei ωkrit ist A=0.2 =-12.7dB und α= -180° Dummerweise hat der Regler eine Verstärkung von 5.0, so dass die Gesamtverstärkung 1.0 ist. Und die -180° verschobene Sinuswelle wird in der Rückführung wieder umgedreht! =>selbstaufrechterhaltene Dauerschwingung WINFACT Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 25 Vorlesung 13 Frequenzgang der Strecke: -12,6dB -180° -12,6dB => Kps=10-0,63=0.23 Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 26 Vorlesung 13 Man definiert die Durchtrittskreisfrequenz ωD als die Frequenz, bei der der offene Kreis genau die Verstärkung 1.0 hat; nach Nyquist muss hier die Phasennacheilung kleiner als –180 Grad sein für Stabilität. A(ω) 0 Durchtrittskreisfrequenz ϖD Verstärkung 1.0 stabil, wenn α< -180Grad -180 α (ω) Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 27 Vorlesung 13 Den Abstand der Phasennacheilung bei ωD von -180° nennt man Phasenreserve A(ω) Verstärkung 1.0 Phasenreserve PhasenαR reserve αR α (ω) Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 28 Vorlesung 13 Reglerentwurfskriterien im Frequenzgang: •Meist wird eine Phasenreserve von αR=60° gefordert, was einem geringen Überschwingen in der Zeitantwort entspricht. Die Dämpfung zwischen D=0.4 – 0.7 entspricht einem Überschwingen von 5% - 25% und zeigt im Frequenzgang eine Phasenreserve von 44° - 60°. •Im Bereich um die Durchtrittskreisfrequenz sollte der Amplitudengang wie ein Integralglied um -20db/Dek fallen. •Die Durchtrittskreisfrequenz ϖD kann durch Anheben und Absenken des Amplitudengang beeinflußt werden und bestimmt die Eigenschwingungsfrequenz des späteren Regelkreises. Die Übergangszeit Tg der Regelkreissprungantwort hängt näherungsweise reziprok mit der Durchtrittskreisfrequenz zusammen: Tg ~ 1.4/ϖD Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 29 Vorlesung 13 Reglerentwurf im Frequenzgang, Beispiel: Aufgabenstellung: Gegeben ist eine Regelstrecke aus drei PT1-Gliedern mit der Zeitkonstante 0.2 sec und der Verstärkung 1.3. Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 30 Vorlesung 13 Reglerentwurf im Frequenzgang, Beispiel: Aufgabenstellung: Gegeben ist eine Regelstrecke aus drei PT1-Gliedern mit der Zeitkonstante 0.2 sec und der Verstärkung 1.3. Sie soll mit einem PID-Regler geregelt werden, wobei eine Phasenreserve von αR=60° bei einer Durchtrittskreisfrequenz von ϖD=5 1/s gefordert wird. αR ωD Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 31 Vorlesung 13 Reglerentwurf im Frequenzgang, Beispiel: Aufgabenstellung: Suchen Sie die passende Einstellung für die Reglerparameter Kpr, Tn und Tv, wobei die Verzögerung des D-Anteil bei 0.1 Tv liegen soll! Einstellung? Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 32 Vorlesung 13 Beispiel: Vorgehensweise • 1 Struktur zur Messung des Frequenzgang aufbauen Rückkopplung rauslassen • Regler auf P-Stellen mit KPR=1, • im FRQ-Messblock die Streckenordnung einstellen, Frequenzgang plotten • 2 bei ϖD=5 1/s die Phasenreserve αR messen • 3 im PID-Regler I-Anteil einschalten, TN so einstellen, dass Beule aus dem Amplitudenverlauf und im Bereich ωD der Verlauf -20dB fällt (FRQ) • 4 im PID Regler TV einstellen, Faustregel: TV~1/ωD und Tverz~0.1*TV Werte variieren, bis αR annähernd passt (immer wieder FRQ messen) • 5 Abschliessend Kpso einstellen, dass bei ωD der Amplitudenwert = 0dB Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 33 Vorlesung 13 Beispiel: 1 Struktur zur Messung des Frequenzgang aufbauen, Rückkopplung rauslassen, Regler auf P-Stellen mit KPR=1, im FRQ-Messblock die Streckenordnung einstellen, Frequenzgang plotten WINFACT Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 34 Vorlesung 13 Beispiel: 2 bei ϖD=5 1/s die Phasenreserve αR messen Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 35 Vorlesung 13 Beispiel: 3 im PID-Regler I-Anteil einschalten, TN so einstellen, dass Beule aus dem Amplitudenverlauf und im Bereich ωD der Verlauf -20dB fällt (FRQ) Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 36 Vorlesung 13 Beispiel: 4 im PID Regler TV einstellen, Faustregel: TV~1/ωD und Tverz~0.1*TV Werte variieren, bis αR annähernd passt (immer wieder FRQ messen) Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 37 Vorlesung 13 Beispiel: 5 Abschliessend Kpso einstellen, dass bei ωD der Amplitudenwert = 0dB Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 38 Vorlesung 13 Beispiel: Ergebnis Regelkreis schliessen Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 39 Vorlesung 13 Beispiel: Ergebnis FRQ-Block auf STEP RESPONSE und simulieren Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 40 Vorlesung 13 Konstruktion von Frequenzkennlinien im Bode-Diagramm •Ausgangspunkt ist die Übertragungsfunktion •Es gibt nur wenige Konstruktionsmodule (P,PT1, PT2, PD1, PD2, I, D) •Die Übertragungsfunktion wird in die Konstruktionsmodule zerlegt; die Gesamtverstärkung wird in das P-Glied gelegt, die anderen Elemente haben die Verstärkung 1 •Im logarithmischen Massstab können die Amplitudenverläufe ebenso wie die Phasenverläufe addiert werden Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 41 Vorlesung 13 Kombination von Übertragungsfunktionselementen zum Frequenzgang 1. P-System P PT1 1 (1 + 2S )(1 + 1S + S 2 ) 1 1 = 0.5 1 + 2 S 1 + 2 * 0.5 *1S + 1S 2 =P PT 1 PT 2 G ( S ) = 0.5 ωE=1/2 ωE=1/1 PT2 P -40 PT1 -80 PT2 -120 -160 -200 bis -270° Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 42 Vorlesung 13 Kombination von Übertragungsfunktionselementen zum Frequenzgang 2. I-System PT1 P 1 G ( S ) = 0.2 (1 + 5S ) S 1 1 = 0.2 1 + 5S S =P PT 1 I I ωE=1/5 P PT1 I -40 -80 -120 -160 -200 Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 43 Vorlesung 13 Kombination von Übertragungsfunktionselementen zum Frequenzgang 3. PI-Regler 40 20 G(S ) = 2 2 = 4 =P 1 + 4S 4S PD1 0 1 S (1 + 4 S ) PD1 P I -20 I -40 ωE=1/4 80 40 PD1 0 P -40 I Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl -80 44 Vorlesung 13 D Übung: Reglerentwurf im Frequenzgang Der gegebene Frequenzgang des offenen Regelkreises soll die Phasenreserve αR =50° haben. 1. Ermitteln Sie die Durchtrittsfrequenz ϖD und die dafür notwendige Amplitudenanhebung A? 2. Rechnen Sie die Anhebung A in die Reglerverstärkung Kpr umr! 3. Wie groß ist dann die Anregelzeit des Regelkreis? Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 45 Vorlesung 13 D Übung: Frequenzgang PI/PT1-System 40 1 + 2S 0.5 G(S ) = 1 * 2S 1 + 0.3S = ( PI − Re gler ) ( PT1 − Strecke) 20 0 -20 -40 90 45 0 -45 -90 Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 46 Vorlesung 13 Ergebnis: 40 1 + 2S 0.5 * G(S ) = 1 2S 1 + 0.3S = ( PI − Re gler ) ( PT1 − Strecke) 20 0 -20 0.5 1 1 (1 + 2S ) 2 S 1 + 0.3S 1 1 = 0.25 (1 + 2 S ) S 1 + 0.3S = -40 90 45 0 -45 -90 Vorlesung Regelungstechnik Prof Pohl 47
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