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§§ 136 / 136a StPO - Überblick / Seite 1
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§ 136a StPO / § 136 StPO /
heiml. Tonbandaufnahmen / Tagebuchaufzeichnungen
I. Allgemeine Aspekte:
Zwei Fragen sind strikt zu trennen:
- Vorgehen der Strafverfolgungsorgane verfahrensfehlerhaft?
- sind die anlässlich des fehlerhaften Vorgehens gewonnen Erkenntnisse für das weitere Verfahren gesperrt oder können
diese dennoch verwertet werden?
Die Verwertbarkeit bei Verstößen ist nur fragmentarisch geregelt, vgl. § 136a III 2 StPO. Besteht keine Regelung, so ist die
Verwertbarkeit über eine Interessenabwägung zwischen dem
Interesse des Einzelnen, sich nicht selbst belasten zu müssen
und den Interessen des Staates an einer effektiven Strafverfolgung zu bestimmen.
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Adressaten der §§ 136, 136a StPO
gelten für Vernehmung durch Richter; gem. § 163a III 2 StPO
sind §§ 136 und 136a StPO des weiteren bei Vernehmungen
durch die Staatsanwaltschaft anzuwenden, gem. § 163a
IV 2 StPO - mit Ausnahme des § 136 I 1 StPO - auch bei polizeilichen Vernehmungen
auch Sachverständige sind an § 136a StPO gebunden - „Gehilfen des Richters“ ist keine weitergehende Vernehmungsmethode erlaubt als dem Richter selbst (M-G § 136a/2)
bzgl. § 136a StPO beachten, dass die mit der Strafverfolgung
beauftragten Staatsorgane die verbotenen Vernehmungsmethoden selbstverständlich auch nicht gezielt durch andere
anwenden lassen dürfen
bei sonstigen Privatpersonen dagegen Verwertungsverbot
nur bei krassem Verstoß gg. die Menschenwürde (z.B. Folter
oder Einkerkerung des Beschuldigten, M-G § 136a/3)
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durch §§ 136, 136a StPO geschützte Personen
- schützen Beschuldigten
- § 136a StPO gem. §§ 69 III und 72 StPO auch bei richterlicher Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen entsprechend anzuwenden, über § 163a V StPO bei polizeilicher
Vernehmung, über § 161a I 2 StPO auch bei staatsanwaltschaftlicher Vernehmung
Feststellung, ob ein Verstoß gg. die §§ 136, 136a StPO vorliegt kann im Freibeweisverfahren vorgenommen werden;
der Grundsatz in dubio pro reo findet keine Anwendung (MG § 136/23; § 136a/32)
II. Probleme bei § 136a StPO
nicht abschließend; es darf kein Mittel angewandt werden,
durch das die Willensentschließung und -betätigung des Beschuldigten beeinträchtigt wird
Lügendetektor-Einsatz mit § 136a StPO vereinbar; vermittelt
lediglich unbewusste Reaktionen des Betroffenen, die nicht
auf seiner freien Willensentschließung beruhen; nach neuester BGH-Rechtsprechung Einsatz jedenfalls zulässig, wenn
der Betroffene zustimmt - dann unter Gesichtspunkt des
§ 136a StPO sowie auch im Lichte Art. 1 I GG (Menschenwürde) nicht zu beanstanden ⇒ Lügendetektor aber ungeeignetes Beweismittel, § 244 III 2, 4.Alt StPO! (vgl. BGH NJW
1999, 657 ff., 662 f.; Life & Law 1999, 237 ff.; M-G § 136a/24)
Täuschung: Eng auszulegen; bewusstes Vorspiegeln oder
Entstellen von Tatsachen; nicht aber bereits der Gebrauch
bloßer kriminalistischer List, d.h. Fangfragen, bzw. doppeldeutige Erklärungen sind zulässig, aber kein Recht für aktive
Lügen zum Zweck der Irreführung Beispiel: Behauptung „Die
Beweislage sei erdrückend“ oder „der andere Beteiligte sei
bereits verhaftet“ (M-G § 136a/15)
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Drohung: Warnungen, Hinweise oder Belehrungen stellen
keine Drohung dar (M-G § 136a/21)
Zwang: § 136a I 2 StPO stellt klar, dass der in den §§ 51, 70,
oder 112 ff. StPO zugelassene Zwang nur für die dort vorgesehenen Zwecke angewandt werden darf (M-G § 136a/20)
- insbesondere darf Untersuchungshaft nicht dazu missbraucht werden, das Aussageverhalten des Beschuldigten zu
beeinflussen - denn Zweck der Untersuchungshaft ist ausschließlich, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen; unzulässig ist daher, den Beschuldigten mit einem anderen Untersuchungshäftling in eine Zelle einzusperren, der in aushorchen soll (M-G § 136a/2)
- selbstbelastende Angaben des Beschuldigten gegenüber
sonstigen Mitgefangenen in der Untersuchungshaft sind aber
auch dann nicht ohne weiteres verwertbar, wenn dieser nicht
von der Polizei als Lockspitzel eingesetzt wurde; vielmehr
kann der Einsatz „verbotener Vernehmungsmethoden“ die in
§ 136a StPO nicht abschließend aufgezählt werden (z.B.
auch eine Verabreichung von Rauschmitteln), den Strafverfolgungsbehörden zugerechnet werden, wenn diese nicht der
ihnen aus dem Gewahrsamsverhältnis der Untersuchungshaft
erwachsenden Schutzpflicht gegenüber dem Untersuchungshäftling nachkommen („Wahrsagerin-Fall“, BGH NJW 1998,
3506 ff.; Life & Law 1999, 40 ff.)
Fortwirkung: Verstoß gg. § 136a StPO wirkt grundsätzlich
nicht fort, Ausnahme wenn die erste Aussage mittels einer
Drohung oder durch Quälerei erzielt wurde (M-G § 136a/30);
dies hat nichts mit der Frage der Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbotes zu tun. Vgl. hierzu aktuell LG Frankfurt,
StV 2003, 325/327 = Hemmer/Wüst Life & Law 2003, 573 ff.:
Wird dem Beschuldigten bei einer polizeilichen Vernehmung
Folter angedroht, sind die nachfolgenden Vernehmungen unverwertbar, wenn der Beschuldigte nicht ausdrücklich auf die
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Unverwertbarkeit seiner früheren Angaben hingewiesen
wird (qualifizierte Belehrung).
Fernwirkung: wird von der Rechtsprechung abgelehnt (M-G
§ 136a/31) Argumente des BGH:
Strafverfahren kann nicht beim kleinsten Verstoß lahmgelegt werden
Strafverfolgungsbehörden hätten bei rechtmäßigem Vorgehen ggf. dasselbe Beweismittel erlangt
Disziplinierung der Behörden ist in BRD nicht notwendig
III. Probleme bei § 136 StPO
Vernehmung des Beschuldigten
Vernehmung (= von Staatsorganen in einer Vernehmungssituation herbeigeführte Aussage, vgl. M-G § 136a/4) setzt voraus,
dass die Verhörperson dem Vernommenen in amtlicher Eigenschaft gegenübersteht (s.u. Bsp. „Hörfalle“); nur dann besteht
die Möglichkeit, dass Aussage allein deshalb erfolgt, weil man
glaubt, gegenüber der Amtsautorität zur Aussage verpflichtet zu
sein ⇒ Dies soll durch Belehrung gerade verhindert werden
Beschuldigteneigenschaft (+) bei Willensakt der Strafverfolgungsbehörde, der zum Ausdruck bringt, gg. den Betroffenen
ein Strafverfahren als Beschuldigten zu führen und wenn gg.
den Betroffenen ein hinreichend konkreter Anfangsverdacht besteht (M-G Einl. RN 76 ff.)
Belehrung über die Aussagefreiheit
Grundsatz: Beweisverwertungsverbot (+):
• Belehrung erforderlich, da es Beschuldigtem freisteht, sich zu
der Beschuldigung zu äußern, oder nicht zur Sache auszusagen; wenn nicht geschehen besteht Beweisverwertungsverbot, da Interesse des Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen, regelmäßig das Strafverfolgungsinteresse
überwiegt (M-G § 136/20)
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• wenn Beschuldigter aufgrund eines psychischen Defekts die Belehrung nicht verstehen konnte, ist vernünftigerweise ebenfalls ein Verwertungsverbot zu bejahen (M-G
§ 136/20)
Ausnahmen: Beweisverwertungsverbot (-):
• wenn Beschuldigter seine Rechte bei der Vernehmung bereits
kannte
• wenn sich nicht klären lässt, ob Belehrung erfolgte oder nicht
• wenn verteidigter Angeklagter den Verstoß nicht bis zum in
§ 257 StPO genannten Zeitpunkt gerügt hat, oder gar einer
Verwertung ausdrücklich zugestimmt hat;
• wenn nicht verteidigter Angeklagter auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen wurde, davon aber keinen Gebrauch
macht
Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation
• Beschuldigter nicht nur über Recht auf Verteidigerkonsultation
zu belehren, sondern es ist ihm auch die Möglichkeit zu geben,
sich mit einem solchen in Verbindung zu setzen (M-G § 136/10)
• Belehrung über das Recht zur Verteidigerkonsultation hat kein
geringeres Gewicht als der Hinweis auf das Schweigerecht.
Zwischen beiden Rechten des Beschuldigten besteht vielmehr
ein enger Zusammenhang. Sie sind als gleichwertig einzustufen. Die Verteidigerkonsultation dient dazu, den Beschuldigten
zu beraten, ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht
BGH lässt jedoch weitgehend offen, inwieweit dem Beschuldigten
bei der Suche nach einem Verteidiger geholfen werden muss
- BGH (Life & Law 8/2002, 547 ff. = StV 2002, 117 ff.) kein Beweisverwertungsverbot wenn dem Beschuldigten das Recht
zur Verteidigerkonsultation aktuell bekannt war
- BGH (NStZ 2002, 380 ff./ Besprechung von Roxin in JZ 2002,
897 ff.) gebietet die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf
Verteidigerkonsultation nicht, den Beschuldigten, der keinen
Wunsch auf Hinzuziehung eines Verteidigers äußert, auf einen
vorhandenen anwaltlichen Notdienst hinzuweisen
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- aber Beweisverwertungsverbot, wenn ausländischem
Beschuldigten nur das Branchenbuch überlassen und die Telefonnummer des Notdienstes nicht mitgeteilt wird (BGH NStZ
1996, 291)
IV. Die Hörfalle
= Ausspionieren des Beschuldigten durch den bestellten Anruf
eines Bekannten des Beschuldigten, während von Strafverfolgungsbehörden an Zweitapparat mitgehört wird (BGHSt 42,
139; M-G § 136a/4a):
- Verstoß gg. § 136 StPO (-); Telefonat keine Vernehmung, da
nicht in amtlicher Eigenschaft gegenüber getreten wird
- entsprechende Anwendung § 136 StPO (-); Vorschrift soll nur
vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht gegenüber
staatlichen Einrichtungen schützen („Autorität der Uniform“)
- Verstoß gg. § 136a StPO (-), da keine verbotene Täuschung. ⇒
Dieses Vorgehen ist als zulässige Form der kriminalistischen
List zu betrachten
- Äußerung freiwillig, damit auch nemo-tenetur-Grundsatz nicht
verletzt
- Verstoß gg. Art. 10 GG (-); da dieses Grundrecht am Endapparat endet
- Verstoß gg. das informationelle Selbstbestimmungsrecht, Art.
2 I GG (-), da jeder damit rechnen muss, dass sein Telefonat
mittels eines Zweitgerätes mitgehört wird
- Grundsatz der offenen Ermittlung in der StPO nicht vorgesehen
aber:
Hörfalle nur zulässig, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt und der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre!
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V. Heimliche Tonbandaufnahmen durch Private
Beispielsfall
A und Z haben ein Telefongespräch geführt, bei dem A erzählte, einen Dritten zu einer Brandstiftung angestiftet zu haben. Z
hat dieses Telefongespräch heimlich mitgeschnitten, um A eventuell später zu erpressen. Kann die Tonbandaufnahme in
der Hauptverhandlung wegen der Anstiftung verwertet werden?1
Tonbandaufnahme als Augenscheinsobjekt; aber besteht Beweisverwertungsverbot in Bezug auf Inhalt?
Verstoß gegen 100b StPO (-), da Adressat nur die Strafverfolgungsbehörden
Verstoß gegen § 201 StGB (+), wenn keine Rechtfertigung
durch besondere Umstände, dann entscheidende Frage:
Können Beweismittel, die durch Private deliktisch erlangt
wurden, im Prozess verwertet werden ?
keine Verwertung, wenn Beweismittel durch schwere Menschenrechtsverletzungen gewonnen wurde; im konkreten Fall
besteht ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht Art. 1, 2 I GG.
Rechtmäßigkeit der Verwertung hängt von der Intensität des
Eingriffs einerseits und der Bedeutung des Strafverfahrens andererseits ab.
VI. Tagebuchaufzeichnungen
Differenzieren:
- Intimsphäre (innere Gefühle, Gedanken)
unverwertbar
- Sozialbereich betroffen (Geschäftsgespräche)
verwertbar
- Privatsphäre betroffen (private Gespräche etc.)
verwertbar bei schweren Straftaten (Abwägung)
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Vgl. zu diesem Fall Murmann/ Grassmann, die strafprozessuale Zusatzfrage im ersten juristischen
Staatsexamen, Beilage zu Jus Heft 3 / 2001.
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