NBauO - BFW Landesverband Niedersachsen/Bremen eV

BFW Landesverband Niedersachen/Bremen e.V.
zum Entwurf der Änderung der
Niedersächsischen Bauordnung (NBauO)
vom 31.03.2015
Der BFW Landesverband Niedersachen/Bremen e.V. bedankt sich für die Gelegenheit zur
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung
(NBauO).
Mit den Änderungen in der Niedersächsischen Bauordnung verfolgt der Gesetzgeber
insbesondere das Ziel, die NBauO an Änderungen der Musterbauordnung anzupassen, ein Ziel
das der BFW Landesverband Niedersachsen/ Bremen e.V. im Interesse einer einheitlichen
Rechtsanwendung unterstützt. Dennoch besteht in einzelnen Punkten Nachbesserungsbedarf:
§ 2 Abs. 5 Nr. 10 NBauO-E: Sonderbauten (Nutzungseinheiten für Pflegebedürftige)
Die Klassifizierung von Nutzungseinheiten für Wohngemeinschaften pflegebedürftiger und
behinderter Menschen als Sonderbauten hat weitreichende genehmigungsrechtliche Folgen,
die aus Sicht des BFW noch einmal evaluiert werden sollten. Das Gesetzgebungsbedürfnis ist
bislang weder nachgewiesen noch ausreichend begründet. So folgt aus der Sonderbaueigenschaft für die Errichtung von Nutzungseinheiten für Wohngemeinschaften
pflegebedürftiger und behinderter Menschen sowie für die Umnutzung im Gebäudebestand
die Notwendigkeit eines Baugenehmigungsverfahrens gem. § 64 NBauO. Bei bereits
bestehenden Wohngemeinschaften, die die Voraussetzungen von § 2 Abs. 5 Nr. 10 NBauO-E
erfüllen, müsste das Baugenehmigungsverfahren nachgeholt werden. Es besteht also kein
Bestandsschutz. Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit ist die Erstellung eines
Brandschutznachweises gem. § 65 Abs. 3 Satz 2 NBauO, der bauaufsichtlich geprüft und durch
einen Prüfsachverständigen bescheinigt werden muss. Diese weitreichenden
genehmigungsrechtlichen Folgen müssen das gesetzgeberische Ziel rechtfertigen und sollten in
die Prüfung des Gesetzgebungsbedürfnisses unbedingt einbezogen werden.
Bislang nicht begründet wurde auch, ab wann und auf Grund welcher Voraussetzungen von
einer eingeschränkten Selbstrettungsfähigkeit der betroffenen Personen ausgegangen werden
muss. Eine entsprechende Legaldefinition in der NBauO oder eine Erläuterung in der
Gesetzesbegründung ist sachgerecht.
Nicht begründet und auch nicht nachgewiesen wurde bislang auch, warum Nutzungseinheiten
ab einer bestimmten Anzahl von pflegebedürftige Personen oder Menschen mit Behinderung
zu Sonderbauten klassifiziert werden. Die Abgrenzung nach reinen Personenzahlen ist nicht
nachvollziehbar. Es wird in der Begründung lediglich dargelegt, dass zum Beispiel gem. § 2 Abs.
5 Nr. 10 a NBauO ab sieben Personen ein Gefahrenpotential besteht, dass die die o.g.
genehmigungsrechtlichen Konsequenzen rechtfertigt. Bis zu sechs Personen soll nach der
Gesetzesbegründung dieses Gefahrenpotential nicht bestehen.
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Soweit dort nur bis zu 6 Personen wohnen, besteht nach der Begründung des Entwurfs kein
Gefahrenpotential. Das führt unter anderem zu dem Ergebnis, dass mehrere baulich getrennte
Nutzungseinheiten in einem Gebäude, mit jeweils bis zu 6 Personen kein gesetzlich normiertes
Gefahrenpotential begründen und somit auch keine genehmigungspflichtigen Sonderbauten
sind. Nach § 2 Abs. 5 Nr. 10 b NBauO-E sollen Nutzungseinheiten zu Sonderbauten werden, die
für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind. Da hier die Sonderbaueigenschaft bereits
ab der ersten Person gilt, soll im Vergleich zu § 2 Abs. 5 Nr. 10 a NBauO-E ein besonders
erhöhtes bauordnungsrechtliches Gefahrenpotential ab der ersten Person bestehen. Gem. § 2
Abs. 5 Nr. 10 c NBauO-E sollen Nutzungseinheiten zu Sonderbauten werden, wenn dort mehr
als 12 Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung wohnen. Im Unterschied zu § 2 Abs.
5 Nr. 10 a MBO besteht im Fall von § 2 Abs. 5 10c NBauO-E für mindestens zwei
Nutzungseinheiten ein gemeinsamer Rettungsweg (Nutzungseinheit liegt am Treppenhaus). Das
heißt, der gemeinsame Rettungsweg soll die gesetzliche Differenzierung zwischen 7 und 13
Personen als Grenzwert für die Genehmigungspflichtigkeit rechtfertigen.
Es liegt auf der Hand, dass diese fast ausschließliche Differenzierung nach Personenzahlen zwar
der gesetzlichen Vereinfachung dient, jedoch nicht geeignet ist, das Verständnis der Norm zu
erleichtern. Sie wirft stattdessen neue Fragen auf, weil nicht nachvollziehbar, weshalb das
Gefahrenpotential (Brandschutz) bei Wohngemeinschaften gerade ab 7 bzw. ab 13 Personen so
stark ansteigt, dass Genehmigungspflichtigkeit besteht und erhöhte Brandschutzauflagen erfüllt
werden müssen. Dieser gesetzliche Zwang und die damit verbundene Bürokratisierung
erschwert die Gründung von Wohngemeinschaften und schlussendlich die soziale sowie
gesellschaftliche Integration behinderter und pflegebedürftiger Menschen.
Die im Entwurf genannten Personenzahlen sind auch nicht praxisgerecht. Denn aufgrund des
erhöhten Pflegebedarfs rechnen sich diese Wohnformen für externe Dienstleister erst ab einer
Personenzahl von mindestens 10 bis 12 Personen. Ein wirtschaftliches Vorgehen unterstellt,
kommt man somit zu einer fast 100 prozentigen Genehmigungspflicht für Wohngemeinschaften
pflegebedürftiger und behinderter Menschen. Die gesetzliche Differenzierung im Gesetzentwurf
geht damit ins Leere.
Änderungsbedarf besteht auch dahingehend, dass bereits bestehende Gebäude mit bereits
bestehenden Wohngemeinschaften und Neubauten gleichbehandelt werden sollen. Denn durch
die nachträgliche Genehmigungspflichtigkeit für bestehende Wohngemeinschaften, ist deren
Fortbestand gefährdet. Wohngemeinschaften könnten sich auflösen, was wiederum negative
Auswirkungen auf die soziale und gesellschaftliche Integration behinderter und
pflegebedürftiger Menschen hat. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass der durch die
NBauO normierte bürokratische und bautechnische Aufwand auch die spätere Neugründung
von zuvor aufgelösten Wohngemeinschaften behindert.
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Nach alledem wird vorgeschlagen, die für die Einstufung als Sonderbauten vorgesehenen
Personenzahlen zu evaluieren und auf mindestens 12 Personen zu erhöhen.
Des Weiteren wird vorgeschlagen, dass die Neuregelung der NBauO nur für Neubauten und für die
Neuschaffung von Wohngemeinschaften behinderter und pflegebedürftiger Menschen gilt. Bereits
bestehende Nutzungseinheiten mit bestehenden Wohngemeinschaften pflegebedürftiger und
behinderter Menschen genießen Bestandsschutz.
§ 9 Abs. 3 NBauO-E: Kinderspielplatz ab 3 Wohnungen
Gem. § 9 Abs. 3 NBauO-E wird der Bauherr verpflichtet, bereits ab 3 Wohnungen (bisher fünf
Wohnungen) einen ausreichend großen Spielplatz für Kinder im Alter bis zu 6 Jahren zu errichten.
Wie der Gesetzgeber zur Neufestlegung dieses neuen Schwellenwertes kommt, erschließt sich
nicht und sollte daher noch einmal überprüft werden.
In Anbetracht gestiegener Baukosten durch gesetzliche Überregulierung ist Kinderfreundlichkeit
allein kein ausreichendes Argument und eher der Versuch, staatliche Aufgaben der
Daseinsvorsorge auf private Investoren zu übertragen. Aus der bloßen Anzahl von Wohnungen
lässt sich ohnehin kein zielgenauer Bedarf an Spielplätzen ableiten. Echter Bedarf besteht nur dort,
wo eine entsprechende Anzahl von Familien mit Kindern wohnen. Dies ist regional unterschiedlich
und muss im Kontext des demographischen Wandels in Niedersachsen und unter dem Stichwort
„Bezahlbares Wohnen“ sehr differenziert beantwortet werden.
§ 17 Abs. 7 NBauO-E: Ermächtigung des DIBT für die Erstellung der Bauregelliste B
Die gesetzliche Ermächtigung des DIBT gem. § 17 Abs. 7 NBauO-E, für Bauprodukte mit CEKennzeichen (gem. Bauproduktenverordnung) zusätzliche Leistungsstufen oder Leistungsklassen in
der Bauregelliste B festzulegen ist europarechtswidrig. Das Gleiche gilt für die in der NBauO bereits
vorhandenen Bauregeliste B. Denn mit dem Urteil des EuGH vom 16.10.2014 (C-100/13) ist es
Deutschland untersagt worden, zusätzliche Qualitätsanforderungen für bestimmte Bauprodukte im
Rahmen der Bauregelliste B der Landesbauordnungen zu stellen. Die gerichtliche Entscheidung
bezieht sich zwar nur auf einzelne Bauprodukte. Es besteht jedoch Einigkeit, dass sich die
Entscheidung auf alle in der Bauregelliste B geführten Bauprodukte übertragen lässt.
Das Gericht urteilte, dass in Bauregellisten der Länder enthaltende technische
Zusatzanforderungen an bereits europäisch harmonisierte Bauprodukte unzulässige
Handelshemmnisse darstellen. Da die gesetzlichen Ermächtigung des DIBT rechtswidrig ist, ist auch
die Bauregelliste B der jeweiligen Landesbauordnung rechtlich nicht mehr haltbar, so dass die
Bundesregierung nunmehr in der Pflicht ist, wesentliche Anforderungen an Bauprodukte, die den
Schutz von Leben, Gesundheit und Umwelt tangieren, auf europäischer Ebene durchzusetzen
oder/und einen Lösungsweg für eine nationale Regulierung zu finden.
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Die nationale Regulierung liegt in den Händen der Bundesländer bzw. der
Bauministerkonferenz. Die Neukonzeption sollte zum Anlass genommen werden, das System
gesetzlicher Regulierung für Bauprodukte europarechtskonform auf das erforderliche
Mindestmaß zu beschränken und soweit wie möglich auf gesonderte nationale
Zulassungsverfahren zu verzichten.
Unter Beachtung des EuGH-Urteils ist die Ermächtigung des DIBT in § 17 Abs. 7 NBauO-E und
die Bauregelliste B in der NBauO-E zu streichen. Es ist zwingend erforderlich, durch die
Bauministerkonferenz Regelungen in der Musterbauordnung zu treffen, die
europarechtskonform sind und den Bundesländern Orientierung bei der rechtssicheren
Ausgestaltung der jeweiligen Landesbauordnungen bieten.
Unter Beachtung des EuGH-Urteils ist die Ermächtigung des DIBT in § 17 Abs. 7 NBauO-E und
die Bauregelliste B in der NBauO-E zu streichen. Es ist zwingend erforderlich, durch die
Bauministerkonferenz Regelungen in der Musterbauordnung zu treffen, die
europarechtskonform sind und den Bundesländern Orientierung bei der rechtssicheren
Ausgestaltung der jeweiligen Landesbauordnungen bieten.
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