Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Wiss. Ang. Silke Knaut Arbeitsgemeinschaft für Anfänger Strafrecht Besonderer Teil SS 2002 Fall 1: V ist Leiter der Verkaufsabteilung eines Großhandels (=OHG) für keramische Wand- und Bodenbeläge. Er bestimmt selbst den Wareneinkauf und die Preise für den Verkauf. Eines Tages taucht S, ein ehemaliger Schulfreund des V, in der Firma auf, der als selbständiger Fliesenleger tätig ist. S überredet den V, ihm einen größeren Posten „Florentiner Mosaik“ zu einem stark verbilligten Preis zu verkaufen. Obwohl V sich darüber im Klaren ist, daß der von S entrichtete Preis weit unter dem von seiner Firma bezahlten Einkaufspreis liegt, veräußert er die Ware an S. Strafbarkeit von V und S ? Fall 2: T besprüht die angestrichene Wand einer Fabrik mit politischen Parolen, die nur schwer zu entfernen sind. Strafbarkeit des T ? Lösung von Fall 1: 1. Teil: Strafbarkeit des V A. § 266 Abs. 1 1. Alt., Mißbrauchstatbestand I. objektiver Tatbestand 1. Mißbrauch der durch Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder zu verpflichten a) Befugnis aus Gesetz: liegt nicht vor aus behördlichem Auftrag: liegt nicht vor aus Rechtsgeschäft: +, aus § 164 BGB (Vollmacht): V als Vertreter (§ 54 HGB) der OHG b) Miß(ge)brauch der Befugnis =Vornahme eines wirksamen Rechtsgeschäftes im Außenverhältnis unter Überschreitung der im Innenverhältnis gezogenen rechtlichen Befugnis erforderlich IvF.: als wirksames Rechtsgeschäft im Außenverhältnis kommt der Abschluß eines Kaufvertrages (§ 433 BGB) zwischen der OHG und S über V als Vertreter der OHG in Betracht, da V nach § 54 HGB Vertretungsmacht besaß Aber: das zivilrechtliche Rechtsgeschäft ist infolge des kollusiven Zusammenwirkens von V und S zum Nachteil der OHG nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig >somit ist die OHG nicht wirksam durch V vertreten worden, kein wirksames Rechtsgeschäft c) Zwischenergebnis kein Mißbrauch der Befugnis II. Ergebnis § 266 Abs. 1 1. Alt. liegt nicht vor B. § 266 Abs. 1 2. Alt., Treuebruchtatbestand I. objektiver Tatbestand 1. Vermögensbetreuungspflicht a) Ursprung des Treueverhältnisses IvF.: Rechtsgeschäft, § 164 (siehe oben) b) Vermögensbetreuungspflicht, die typischer und wesentlicher Inhalt des Schuldverhältnisses sein muß Kriterien: -Grad der Selbständigkeit, Bewegungsfreiheit und Verantwortlichkeit -Spielraum des Verpflichteten bei Erfüllung seiner Obliegenheit -Art und Dauer der Verpflichtung, die als Hauptpflicht wesentlichen Inhalt des Innenverhältnisses ausmacht -einiges Gewicht, gewisse Bedeutung -letztlich alles, was zivilrechtlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§675 BGB) ist IvF.: +, da V Handlungsbevollmächtigter der OHG ist, für den Wareneinkauf zuständig ist und weitgehende Preisgestaltungsfreiheit hat c) Zwischenergebnis Vermögensbetreuungspflicht des V liegt vor 2. Pflichtverletzung =jedes Handeln oder Unterlassen, das im Widerspruch zur Treuepflicht steht IvF.: +, da V die Fliesen unter dem Einkaufspreis verkauft hat 3. Vermögensnachteil/Schaden =es gelten die Grundsätze des § 263 IvF.: +, da nach einer Gesamtsaldierung negatives Ergebnis vorliegt (keine Kompensation durch die Veräußerung unter dem Einkaufspreis) II. subjektiver Tatbestand =dolus eventualis genügt (keine Absicht erforderlich) +, da V vorsätzlich handelte III. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen auch vor IV. Ergebnis V hat sich wegen Untreue strafbar gemacht. C. § 246 Abs. 1 und 2, veruntreuende Unterschlagung liegt vor, da V die Fliesen anvertraut waren und er sie rechtswidrig dem S zueignete aber: § 246 ist gegenüber der Untreue formell subsidiär 2. Teil: Strafbarkeit des S A. §§ 266 Abs. 1 2. Alt., 26 I. objektiver Tatbestand 1. vorsätzlich rechtswidrige Haupttat +, die Untreue des V nach § 266 Abs. 1 2. Alt. 2. Anstiftung des V =Hervorrufen des Tatentschlusses IvF.: +, da V nicht zur Tat entschlossen war, sondern erst durch S dazu überredet wurde II. subjektiver Tatbestand +, da S „doppelten“ Anstiftervorsatz besaß >sowohl hinsichtlich der vorsätzlich rechtswidrigen Haupttat des V als auch hinsichtlich des Anstiftens III. S handelte auch rechtswidrig und schuldhaft IV. Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 >die Vermögensbetreuungspflicht stellt ein strafbegründendes täterbezogenes Merkmal dar >da dieses Merkmal beim Anstifter S fehlt, ist seine Strafe zu mildern, §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 B. §§ 246 Abs. 1, 26 liegt vor; allerdings infolge der Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 2 nur als Grundtatbestand C. § 259 I. objektiver Tatbestand 1. Sache, die von einem anderen durch ein rechtswidriges Vermögensdelikt erlangt wurde a) Hehlereiobjekt =die Fliesen b) durch eine Vortat erlangt haben >Vortat =Untreue >“erlangt haben“ hM: Vortat muß bereits vollendet sein Pbl.: wenn –wie ivF.– die Vortat (die Untreue) und die Hehlereihandlung (die Entgegennahme der Fliesen) zeitgleich erfolgen wenn die Vollendung der Vortat und die Tathandlung der Hehlerei in einem Akt zusammenfallen eA.: das genügt zur Bejahung des Merkmals „erlangt haben“ aA.: das genügt nicht die rechtswidrige Besitzlage muß bereits vor der Tathandlung des § 259 bestanden haben ivF.: -, da als Vortat nur die Untreue des V in Betracht kommt, die mit dem Schadenseintritt bei der OHG vollendet (=Übergabe der Fliesen an S) und zugleich Tathandlung des § 259 (Entgegennahme der Fliesen durch S) ist >damit fallen die Vollendung der Vortat und Tatha ndlung des § 259 in einem Akt zusammen ___________________________________________________________________________ c) eines anderen =Täter, Mittäter und mittelbarer Täter der Vortat können nicht Hehler sein >Teilnehmer an der Vortat können aber Täter des § 259 sein ivF.: da S den V zur Untreue (Vortat) nur angestiftet hat, ist er tauglicher Täter d) derselbe Gegenstand =Hehlereiobjekt muß derselbe Gegenstand wie der der Vortat sein (Ersatzhehlerei scheidet aus) 2. sich verschaffen/ankaufen +, da die Verfügungsgewalt über die Fliesen vom Vortäter (V) auf den Hehler (S) übertragen wurde und S diese Sachen ihrem wirtschaftlichen Wert nach übernimmt II. subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz liegt vor 2. Absicht, sich zu bereichern liegt auch vor III. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen auch vor ___________________________________________________________________________ IV. Ergebnis § 259 liegt nicht vor Lösung von Fall 2: Strafbarkeit des T A. § 303 Abs. 1 I. objektiver Tatbestand 1. fremde Sache +, da die Wand der Fabrik nicht im Alleine igentum des T steht 2. beschädigt =T müßte durch unmittelbare Einwirkung auf die Wand deren stoffliche Zusammensetzung oder deren bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt haben 1) unmittelbare Einwirkung +, da T sie direkt besprüht ha t 2) Verletzung der stofflichen Zusammensetzung >die stoffliche Zusammensetzung der Wand selbst wurde durch das Besprühen nicht verändert Rspr.: der Anstrich einer Wand gehöre aber zu deren Substanz, >damit ist eine Substanzverletzung gegeben, weil sich die Farbe nur unter Verwendung von chemischen oder mechanischen Mitteln entfernen lasse, die die Substanz (den Anstrich) der Sache selbst angreifen ivF.: Sachbeschädigung mit dem Beschmieren der Wände erfüllt (aber: das Anbringen von Plakaten ist keine Sachbeschädigung, soweit sie sich leicht entfernen lassen, noch keine Substanzverletzung) 3) nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit >die technische Brauchbarkeit der Wand als Teil des Fabrikgebäudes ist nicht beeinträchtigt Pbl.: ob auch die äußerliche Verunstaltung des Erscheinungsbildes eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit darstellt BGH und Lit.: diese äußere Verunstaltung ist nur dann eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit, wenn der Gegenstand seiner Bestimmung nach gerade durch sein Aussehen auf den Betrachter wirken soll (bei Kunstwerken, Plakaten, Schaufenster o.ä.) >Minderung ist i. d. R. dann erheblich, wenn sie sich nicht leicht beheben läßt IvF.: bei der Fabrikwand kommt es auf das Aussehen nicht entscheidend an aA: i. d. R. ist jede Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes Sachbeschädigung >nur in Ausnahmefällen soll die Ansehnlichkeit einer Sache nicht schutzwürdig sein: z. B., wenn der Eigentümer die Sache verkommen läßt >dadurch werden Strafbarkeitslücken vermieden IvF.: nur dann nicht gegeben, wenn die Fabrik stillgelegt/verkommen ist tvA: Zustandsveränderungstheorie (OLG-Rspr.) =jede dem Eigentümerinteresse zuwiderlaufende Zustandsveränderung ist eine Sachbeschädigung IvF.: das Beschmieren der Wand ist eine Sachbeschädigung mit BGH: keine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit (aA. ist gut vertretbar) 4) Ergebnis Sachbeschädigung liegt vor II. subjektiver Tatbestand dolus eventualis liegt vor III. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor IV. Strafantragserfordernis, § 303 c II. Ergebnis § 303 ist erfüllt. B. § 305 liegt nicht vor, da keine Zerstörung gegeben ist (=völlige Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit)
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