Erasmuserfahrungsbericht Universidade da Coruña

Erasmuserfahrungsbericht Universidade da Coruña
Bevor ihr Zeit verschwendet und euch nicht sicher seid, ob es für euch überhaupt nach
Spanien gehen soll: schaut euch alle Partnerhochschulen für euer Auslandssemester an.
Auch wenn mein Auslandssemester sehr schön war und ich es sofort wieder machen würde,
waren meine Erfahrungen an der Universidad da Coruna nicht nur positiv!
Die Stadt
A Coruña wie die Stadt offiziell heißt, liegt im Nordwesten Spaniens, in der Provinz Galizien.
Sie liegt direkt am Meer und bis zur portugiesischen Grenze sind es nur 180 km. Die
berühmte Pilgerstadt Santiago de Compostela liegt 75 km südlich von Coruña. Der „Torre de
Hercules“, der Herkules-Leuchtturm, wurde 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Die
Anreise erfolgt über den Flughafen Santiago oder über Madrid mit dem Zug. Coruña ist
relativ untouristisch, da fast ausschließlich Südspanier dort in den Sommermonaten
campieren, um den Temperaturen in ihrer Gegend zu entfliehen. Die knapp 245.000
Einwohner sprechen neben Castellano, was wir als „Spanisch“ kennen, auch Galizisch, was
dem Portugiesischen ähnelt. Das Castellano der Galizier ist sehr klar, sie sprechen sehr
deutlich und auch nicht zu schnell, ein Dialekt ist für Nichtmuttersprachler nicht erkennbar.
Im Gegensatz zu anderen Gegenden wie beispielsweise Andalusien ist dies ein großer Vorteil
für Studenten, die die Sprache noch nicht so gut beherrschen. Auch wenn die Spanier die
Galizier im Allgemeinen als reserviert und unfreundlich beschreiben, habe ich sie als sehr
gastfreundlich und warm empfunden. Auch wenn man dem Spanischen wenig mächtig ist,
honorieren sie den Versuch der Kommunikation auf Castellano sehr. Sobald man freundlich
ausdrückt, dass man sich verbal schlecht verständigen kann, sind sie sehr verständnisvoll und
hilfsbereit.
Die Sprache
Sehr schwierig ist jedoch, dass die Spanier relativ schlecht Englisch sprechen und man im
Alltag schlicht und ergreifend nicht mit Englisch weiterkommt. Als ich in der zweiten Woche
einen eingeklemmten Nerv hatte, konnte ich mit meinem A2 Spanischniveau nur „es tut hier
weh“ sagen und habe den Rest nonverbal erklärt. Schlussendlich hat alles ganz gut geklappt
und mir wurde geholfen, es ist nur zu Beginn belastend, wenn man sich fast nicht
verständigen kann. Deswegen empfehle ich jedem, mindestens ein gutes B1 Spanischlevel zu
haben, bevor man sich in ein Auslandssemester nach Spanien wagt. Mein Englisch ist
tendenziell schlechter geworden, da – natürlich niemand – fehlerfrei Englisch spricht. Die
Sprachniveaus der Studenten sind extrem unterschiedlich. Ich habe Leute erlebt, die sich
trotz stark gebrochenem Englisch an der Uni durchgeschlagen haben.
Die Uni
Der Campus liegt etwa 6 km außerhalb der Stadt, zumindest der für BWL. Ich habe mich auf
das von der Hochschule vorgegebene Minimum an Vorlesungen beschränkt und habe neben
meinem zehnwöchigen Spanischkurs (kostenlos von der Uni) nur Commercial Distribution
und Business Organisation besucht. Beide Vorlesungen wurden auf Englisch abgehalten. Da
ich von vielen erasmuserfahrenen Studenten stets hörte, dass die Uni im Grunde
„Nebensache“ im Auslandssemester sei, startete ich unbefangen die Kurse. Mein Problem
war, dass ich eine Woche zu spät nach Semesterbeginn kam und mühselig alle Informationen
von anderen Studenten zusammenklauben musste. Einen richtigen Überblick erhält man
nicht, Einführungen in Dinge wie das Olat der Uni dort gibt es ebenfalls nicht. Die Kurse
fanden jeweils zwei Mal wöchentlich statt. Die Anforderungen waren extrem hoch, sodass
ich insgesamt für zwei Vorlesungen wohlgemerkt nebst zwei Klausuren, noch drei
Präsentationen hielt, eine Hausarbeit und zwei Zusammenfassungen, die am Ende der
Vorlesung abgegeben wurden. Die Gruppenarbeit empfand ich als sehr positiv, jedoch war
die Belastung während des Semesters permanent hoch.
Ein kritischer Punkt, den ich trotzdem ansprechen möchte: Als eine Kommilitonin von mir
erfragte, warum die vier einzigen, spanischen Studenten in der Vorlesung so hoch bewertet
wurden (9 von 10) Punkten, während der Rest der Gruppen sich bei 6 Punkten bewegte,
spürte ich starke Vorbehalte gegenüber ausländischen Studenten. Die Dozentin äußerte sich
negativ über das Niveau der Erasmusstudenten (was ich aus deutscher Sicht nicht bestätigen
kann) und dass nicht einmal die Hälfte der Studenten auch nur die Chance hätte, die Klausur
zu bestehen. Tatsächlich war es so, dass viele Studenten die Klausur nicht bestanden. Auch
im Zweitversuch im Zuge einer mündlichen Prüfung, ließ die Dozentin fähige Studenten
scheitern. Dies führte dazu, dass einige Kommilitonen ihre Erasmusförderung zurückzahlen
mussten.
Ich persönlich finde, dass die Uni nicht verstanden hat, worum es beim Auslandssemester
geht. Wenn Studenten so viel Zeit mit Lernen in der Bibliothek verbringen, kommen Dinge
wie Sprachaustausch und Kulturen entdecken zu kurz.
Die Organisation
Auch wenn man vor allem als deutscher Student darauf vorbereitet wird, dass die Spanier
„spanisch arbeiten“, schmerzte mich die Ineffizienz an vielen Stellen. Um sich beim
International Office anmelden zu können, benötigt man einen Termin. Dieser Termin kann
jedoch weder telefonisch noch per Email ausgemacht werden, sondern man muss hinfahren.
Jede Busfahrt zur Uni kostet dabei jedoch 0,85€ pro Strecke. Monatskarten o.ä. existieren
nicht, wer morgens und abends eine Vorlesung hat, bezahlt dabei pro Tag 3,40€ nur für die
öffentlichen Verkehrsmittel.
Auch die Einweisung in die Kurse erfolgt nach einem ähnlich zeitraubenden Verfahren. Man
bekommt den Stundenplan bei seinem Studiengangleiter und im Internet. Bei erstem muss
man aber trotzdem noch erfragen, in welchem Kurs man genau ist. Die Kurse werden
nämlich von A-G benannt. Vor einigen Wochen hatte ich noch eine Auseinandersetzung mit
der Uni, da sie meinten, ich hätte eine Klausur nicht bestanden. Tatsächlich wurde die
Klausur jedoch verloren und zwar nicht von mir. Auch wenn sich die zuständige Person
entschuldigte, hieß es, ich hätte mich vergewissern sollen, dass die Uni richtig arbeitet. Ich
betrachte das zwar nicht als meine Aufgabe, jedoch muss ich nun nicht für eine
Wiederholungsprüfung zurückfliegen oder meine Förderung zurückzahlen.
ESN
ESN ist die studentische Organisation, die sich um Eramusstudenten kümmert. Es lohnt sich
sehr, am Buddy-Programm teilzunehmen, da ihr schon einmal einen Ansprechpartner habt.
Mein Buddy hat mir beispielsweise sehr bei der Wohnungssuche geholfen. Dienstags findet
immer die Tapasnight statt, wo es umsonst Tapas gibt und Getränke zu günstigen Preisen.
Die Devise dort lautet hingehen und Leute kennenlernen. Allgemein ist das Leben in Spanien
sehr viel günstiger als in Deutschland, ein Milchkaffe kostet beispielsweise nur 1,30€. Es
werden verschiedene Ausflüge vom ESN organisiert, die von 1-5 Tagen dauern und auch
preislich angenehm sind. Leider ist die Organisation wirklich nicht toll, weshalb ich nach dem
Barcelonatrip auf weitere verzichtet habe. Wir bekamen z.B. erst am Vortag Bescheid, wo
und wann wir am nächsten Tag abfuhren.
Unterkunft
Es gibt ein Studentenwohnheim in der Nähe der Uni, das ihr auf keinen Fall bewohnen
solltet. Erstens schlägt es mit 570€ monatlich zu Buche, zweitens ist man komplett
abgeschnitten von der Innenstadt (schlechte Busverbindungen) und drittens gibt es drei
Mahlzeiten pro Tag, zu denen ihr dort anwesend sein müsst, ansonsten gibt es nichts zu
essen. Ein großer Vorteil ist jedoch, dass die Zimmer dort über richtige Heizungen verfügen.
Heizungen gibt es in Studentenwohnungen in Coruña nämlich nicht.
Ich habe mir ein WG-Zimmer über eine Facebookgruppe gesucht, mit zwei Polinnen und
einem Spanier, der gleichzeitig als Vermieter fungierte. Dies geschah recht unkompliziert,
viele meiner Freunde haben sich vor Ort ein Zimmer gesucht, was ich auch empfehlen
würde, wenn man früh genug vor Unibeginn anreist. Die Preise pro Zimmer liegen dabei
zwischen 150-200€. Fast alle haben in (Erasmus-)WGs gewohnt, die einfach verglaste Fenster
hatten (teilweise mit Spalt), sehr stark schimmelten und ohne Heizung auskamen. Wasser
wurde stets über Boiler erhitzt, sodass wir in unserer Wohnung 5 Minuten heißes Wasser in
der Dusche hatten und dann erst wieder 45 Minuten warten mussten, bis der nächste
duschen oder abspülen konnte. Traurig ist dabei, dass ich die beste Wohnung von all meinen
Freunden hatte. Schlimmer geht es nämlich immer.
Die erste Woche
Für mich war der Schock ganz ehrlich ungeheuer groß und ich wollte nur noch zurück nach
Deutschland in der ersten Woche. Galizien entspricht klimatisch etwa Großbritannien, sehr
regnerisch, kühl und mit hoher Luftfeuchtigkeit. An meinem Anreisetag war es 1°C und es
blieb die ersten drei Wochen auch unter 8°C. Spanien stellt man sich warm und sonnig vor,
doch auf Nordspanien trifft das leider nicht zu. Zu Beginn erkrankten alle an der so
genannten „Erasmusgrippe“. Der Stress, die Umstellung, das neue Klima etc schwächen das
Immunsystem des Körpers und es gab niemanden, den innerhalb der ersten vier Wochen
nicht Fieber, Husten und Schnupfen plagten. Nur zur Vorstellung: Draußen sind es 5°C,
drinnen vielleicht 8-9° (im Bad selbstverständlich auch), heißes Wasser ist stark begrenzt,
Federbetten benutzen die Spanier nicht und ihr seid krank. Gesund wird man dabei nicht.
Ich möchte ganz ehrlich sagen, dass ich in den ersten 6 Wochen (die ich durchgängig krank
war) ganz stark an meiner Entscheidung für das Auslandssemester gezweifelt habe. Auch
wenn ich schon tolle Leute kennengelernt hatte, fühlte ich mich sehr unwohl in der
Wohnung, die stets schmutzig und schimmelig war, in der Stadt, in der es so viel regnete und
an der Uni, an der organisatorisch nichts funktionierte. Gebt trotzdem nicht auf – es ist es
wert!
Als es wärmer wurde, war alles schon viel erträglicher, ich bin gesund geworden und
zufriedener. Mit den Umständen an der Uni habe ich mich arrangiert und nach dem
Opportunismus Prinzip auch die Kurse bestanden. Erasmus bietet eine einzigartige
Möglichkeit Menschen aller Herren Länder kennenzulernen. Die Partys und Ausflüge sind
klasse.
Mein Auslandssemester war das beste halbe Jahr meines Lebens, ich habe einzigartige
Menschen getroffen, mit denen ich jetzt noch viel Kontakt habe und habe an
Lebenserfahrung gewonnen. Wenn ich einen Rat geben kann, dann lautet er: MACHT
UNEBDINGT EIN AUSLANDSSEMESTER.