Kommentar von KVProfi Thorulf Müller zu #hollerkaputt Wenn die Presse nicht recherchiert – oder einmal Krebs und keine Krankenversicherung Derzeit macht in der Presse und den sozialen Netzwerken ein Video die Runde. Darin berichtet Claudius Holler von seiner Krebserkrankung. Er ist außerdem nicht krankenversichert und bittet nun um Spenden für eine Chemotherapie. KVProfi Thorulf Müller spricht Holler sein Mitgefühl aus, stellt aber klar, dass der Krebserkrankte sehr wohl eine Therapie bekommen könnte. Krebs ist ein Arschloch und ich sage es deutlich vorweg: Claudius Holler hat natürlich mein Mitgefühl. Aber dennoch bin ich schwer erschüttert, dass erst eine Zeitung unreflektiert berichtet und dann eine Zeitung nach der anderen einfach ungeprüft übernimmt. >>> Hier geht es zum Video von Claudius Holler Die Story ist leider falsch und der Spendenaufruf ist überflüssig. Statt ein 17-Minuten-Video zu drehen und es ins Netz zu stellen, hätte Holler besser einfach mal seine Krankenversicherung oder Krankenkasse angerufen und gegebenenfalls noch dem Jobcenter oder dem Sozialamt einen Besuch abgestattet. Der erste Teil der Falschinformation ist, dass er keinen Anspruch auf Sozialleistung hätte. Gut, ich habe seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geprüft, aber ein Selbstständiger kann sehr wohl Leistungen nach SGB II (Hartz IV) oder SGB XII (Grundleistung) erhalten. Der Selbstständige als Aufstocker, wenn sein Gewinn nicht reicht um seine Grundversorgung zu finanzieren. Schon die Beiträge können eine Bedürftigkeit auslösen Alleine die Krankenversicherungsbeiträge an sich, können eine Bedürftigkeit auslösen. Wobei sich hier die Frage stellt, wo er denn versichert war. Als Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wären keine Beitragsforderungen in Höhe von 600 Euro monatlich entstanden, wenn er denn kein Gewinn erwirtschaftet hätte. Nun aber zur eigentlichen Miss-Information, die hier verbreitet wird: Er behauptet, dass er keine Krankenversicherung hätte und Beitragsschulden. OK, Beitragsschulden will ich nicht bestreiten, auch Der Pfefferminzia Newsletter ‐ für Versicherungsprofis www.pfefferminzia.de nicht die Höhe von 9.000 Euro. Aber ich bestreite energisch, dass er keine Krankenversicherung hat. Bei Beitragsrückständen landet man im Notlagentarif Nehmen wir an, dass er in einer privaten Krankenversicherung (PKV) wäre, dann wäre er durch die Beitragsrückstände im Notlagentarif und hätte Versicherungsschutz bei akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen, als Frau auch bei Schwangerschaft und Entbindung und als Kind und Jugendlicher sogar für Vorsorge. Rechtsgrundlage ist Paragraf 193 Absatz 6 bis 9 VVG. Das Gleiche gilt, wenn er in der GKV versichert wäre. Die Rechtsgrundlage ist hier Paragraf 16 Absatz 3a SGB V, wobei man sich von dem Bezug zum Künstlersozialversicherungsgesetz nicht irritieren lassen darf. Dass er keine keine Krankenversicherung hat, ist eigentlich nicht möglich, denn eine Krankenversicherung endet nicht mehr, wenn man seine Beiträge nicht zahlt oder kündigt ohne eine neue Krankenversicherung nachzuweisen. In diesen Fällen ist man nicht krankenversichert Wann jemand keine Krankenversicherung mehr hat Wer heute ohne Krankenversicherung ist, der war es als PKV-Versicherter zuletzt bereits am 31. Dezember 2008 und als GKV-Versicherter zuletzt am 31. März 2007. Wer an den Tagen nicht versichert war und sich nicht gekümmert hat, der ist es regelmäßig auch noch heute. Dazu kommen die Personen, die vor dem 1. August 2013 aus einer versicherungspflichtigen Anstellung in die Selbstständigkeit gewechselt oder der Familienversicherung ausgeschieden sind und sich nicht um die Krankenversicherung gekümmert haben. Diese Lücke bei GKV-Mitgliedern wurde erst zum 1. August 2013 über die neue Regelung des Paragrafen 188 Absatz 4 SGB V (obligatorische Anschlussversicherung) geschlossen. Eine weitere Möglichkeit wäre der Rücktritt (Paragrafen 19 ff VVG) wegen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, die Anfechtung aus dem gleichen Grund wegen arglistiger Täuschung (Paragrafen 123 ff BGB) oder die Kündigung aus wichtigem Grund (Paragraf 314 BGB) bei Betrug oder ähnlich schweren Vergehen. Alles, was Herr Holler tun muss, ist seine Krankenversicherung beziehungsweise Krankenkasse ansprechen, die Behandler über den Status (Notlagentarif oder reduzierte Leistung) informieren und, dann hätte er sogar gegebenenfalls sofort wieder den vollen Leistungsumfang/-anspruch, zum Der Pfefferminzia Newsletter ‐ für Versicherungsprofis www.pfefferminzia.de Sozialamt gehen und Grundleistung prüfen lassen. Was mich aber ärgert: Viele Kommentare und auch das Video verbreiten die Information, dass es Holler schwer fällt Hilfe zu beantragen. Sorry, aber für ein 17-Minuten Video auf Youtube reicht es? Wer so in die Öffentlichkeit geht, der sollte sich sehr wohl vorher die Frage stellen, ob er bei der Suche nach Hilfe wirklich alles getan hat. Und genau das hat er nicht. Dieser Artikel erschien am 03.04.2016 unter folgendem Link: http://www.pfefferminzia.de/kommentar-von-kvprofi-thorulf-mueller-zu-hollerkaputt-wenn-die-presse-nicht-recherchiert--oder-einmal-krebs-und-keinekrankenversicherung-1459684356/ Der Pfefferminzia Newsletter ‐ für Versicherungsprofis www.pfefferminzia.de Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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