Die Deutschen Wirtschaft Samenbomben Der Bio-Erdgas-Schwindel Von Henryk M. Broder _ Heute erlernen wir die «Willkommenskultur». Von Silvio Borner _ Die Industriellen Werke Basel (IWB) täuschen ihre Kunden nicht nur ungestraft, sondern erst noch mit breiter politischer Unterstützung. D ie deutsche Sprache ist reich an Ausdrücken, die man in keine andere Sprache übersetzen kann. «Planungssicherheit» zum Beispiel oder «Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz» (kein Witz, das gibt es wirklich). Und dann sind da noch die vielen Euphemismen wie «Arbeitnehmer» oder «Gastarbeiter», die so alltäglich geworden sind, dass keinem auffällt, wie absurd sie sind. Gäste werden normalerweise bewirtet und bedient, nicht zum Arbeiten angehalten. Vor kurzem ist ein neuer Begriff dazugekommen, der sich an Vieldeutigkeit kaum überbieten lässt: «Willkommenskultur». Aber ebenso wie Körperpflege kann man auch Willkommenskultur erlernen. Die erste Übung ist ganz einfach. Man geht zum Hauptbahnhof und begrüsst ankommende Flüchtlinge mit einem «Refugees Welcome»-Banner. Als Nächstes räumt man dann seinen Kleiderschrank aus und bringt alles, was zu klein, zu gross oder zu mürbe geworden ist, zu einer «Sammelstelle». Mit ein wenig Glück sieht man die alten Sachen bei einem «Gartenfest im Flüchtlingsheim» wieder, das der HVD (Humanistischer Verband Deutschlands), eine Freidenkerorganisation, veranstaltet. Dort finden «verschiedene Aktivitäten von, mit und für die Flüchtlinge» statt. Es gibt einen «Skateboard- und Jonglierworkshop», einen «Recycling-Basteltisch»; ein Sportverein will «vieles zum Thema Bewegung machen», und das «rot-weissgestreifte Berliner Clowninnen-Duo Sti & Stu wird . . . für lustige Momente sorgen». Eine Grossbäckerei stellt «Butterstullen zur Verfügung». Beim letzten Fest gab es bereits einen «Kurs zum Eigenbau von Gartenmöbeln» und auch eine «Seed-Bomb-Werkstatt», was immer das sein mag. Schon möglich, dass Menschen in Asmara, Bagdad, Damaskus und Kabul sich auf den weiten Weg nach Berlin-Hellersdorf machen, weil sie lernen möchten, wie man Gartenmöbel oder «Samen-Bomben» bastelt. Oder weil sie schon immer wissen wollten, ob es ausser Clowns auch Clowninnen gibt. Wahrscheinlicher aber ist, dass diese «Schutzsuchenden» nicht ahnen, worauf sie sich einlassen. Erst werden sie von Schleppern ausgenommen, dann fallen deutsche Gutmenschen über sie her. Alles im Namen einer Willkommenskultur, die keine Scham und keinen Schmerz kennt. 30 D er Wettbewerb ist der harte Kern der Marktwirtschaft. Er benötigt einen staat lichen Schutz durch das Kartellgesetz, das schädliche Wettbewerbsabreden und Missbräuche von Marktmacht verbietet. Daneben gibt es das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das im Geschäftsverkehr das Treu-und-Glauben-Prinzip gewährleisten soll. Geschützt werden dadurch Konkurrenten, Kunden und insbesondere auch Konsumenten. Der Bund kann von sich aus eingreifen, wenn Kollektivinteressen betroffen sind. Stellen Sie sich vor, die Migros priese Bio- Polenta an, die zu 99 Prozent aus gentechnisch verändertem Mais besteht. Oder ein Weinhändler vermarktete Bio-Wein, obwohl darin nur 3 Promille Bio-Trauben sind. Oder aber R icola würde mit Schweizer Kräutern werben, bezöge aber in Tat und Wahrheit 99, 7 Prozent davon aus dem Ausland. Alles klare Fälle! Ein Aufschrei der Empörung ginge durch das Land, und der «Kassensturz» könnte (seit langem) wieder einmal einen echten Erfolg verbuchen. Doch genau das machen die Industriellen Werke Basel (IWB) nicht nur ungestraft, sondern erst noch mit breiter politischer Unterstützung. Unter dem Aspekt von Treu und Glauben ist das auch für ein öffentliches Monopol fragwürdig, weil die Kunden in zweifacher Hinsicht geschädigt werden. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. g UWG «dürfen Kunden nicht über Zugaben über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht werden». Und nach lit. h darf «der Kunde nicht durch besonders aggressive Verkaufsmethoden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden». Letzteres ist bereits beim Stromangebot der Fall, indem der Kunde durch üble Tricks zum Kauf der teuersten Variante gedrängt wird. Der Strom «Regio» kostet zum Beispiel zwei Rappen mehr, obwohl es g enau der gleiche ist wie derjenige, der aus allen Steckdosen kommt. Und billigen, CO2-freien Atomstrom kann man ohnehin nicht bestellen. Aber wirklich heiss wird es beim Biogas, das ja durchaus in Konkurrenz zu anderen Ver sorgungsmöglichkeiten steht wie vor allem Öl oder Erdgas. Die IWB offerieren ihren Kunden jetzt nicht mehr «schlechtes» Erdgas, sondern an dessen Stelle «gutes» Bio-Erdgas. Chemisch ist das – mit oder ohne «Bio» – ohnehin identisch. Methan bleibt Methan, ob es nun aus einer Kuh oder dem Erdreich entweicht. Die IWB sind an zwei Biogas-Anlagen beteiligt, und zwar in Pratteln und im niedersächsischen Heinfelde. Die maximale Kapazität von Heinfelde ist 500 m3 pro Stunde, oder bei Betrieb während 24 Stunden an 365 Tagen beträgt sie insgesamt 44 GWh pro Jahr. Bei einer 50-Prozent-Beteiligung der IWB entspricht das im absoluten M aximum gerade mal 0,77 Prozent der in Basel verkauften Gasmenge. Dabei ist wohl klar, dass das Gas aus Niedersachsen nicht im Basler Netz zirkuliert, sondern lokal vermarktet und somit zweimal verkauft wird. Irreführendes Label Die Anlage in Pratteln erzeugt jährlich 9,13 GWh oder 0,32 Prozent der gesamten Basler Gaslieferungen. Die Beteiligung der IWB beläuft sich aber nur auf 33 Prozent. Aber überlassen wir den IWB diese Gesamtproduktion. Wenn wir also nur Pratteln berücksichtigen, kommen wir auf einen effektiven Bio-Zusatz zum Erdgas von 3 Promille. Wenn wir die Hälfte aus Niedersachsen dazunähmen, kämen wir auf ein Prozent. Doch auf der Website der IWB lesen wir: «Seit 01. 05. 2015 erhalten [. . .] alle Kunden IWB-Bio-Erdgas als Standardprodukt. Mit einem Biogas-Anteil von 3 Prozent ist IWB-Erdgas klima freundlicher und qualitativ hochwertiger produziert als 100-prozentiges Erdgas.» Hier übertreiben die IWB um den Faktor 10. Damit täuschen sie die Kunden im Sinne von Art. 3g des UWG, i ndem sie durch eine Zugabe von 3 Promille Biogas de facto ganz gewöhnliches Erdgas aus den Niederlanden, Norwegen und Russland unter e inem i rreführenden Label verkaufen. Das gilt auch für einen «zertifikatsgeschönten» Anteil von einem Prozent. Noch verrückter ist die dem Kunden angebo tene Option, den Biogas-Anteil auf 100 Prozent zu erhöhen, «um damit die persönliche Öko bilanz zu verbessern» (Zitat). Wenn das alle täten, entstünde ein Betrug in Höhe von 99 Prozent des Absatzes. Aber selbst wenn alle nur das Standardprodukt wählen, werden 7 7 GWh fälschlicherweise als Biogas deklariert, was einem betrügerischen Betrag von 4 ,3 Mio. Fr. pro Jahr entspricht. Man stelle sich vor, die Migros w ürde jährlich für 4,3 Mio. Fr. Bio-Mehl verkaufen, das zu 99,7 Prozent genverändert ist. Jedem Privaten würden solche Geschäftspraktiken sofort abgestellt. Warum macht der Bund in solch krassen F ällen nichts? Weltwoche Nr. 39.15 Illustration: Bianca Litscher (www.sukibamboo.com)
© Copyright 2024 ExpyDoc