synpulse 2 | 2015 Rubrik | 1 The Magazine Management-Wissen für die Praxis Wie aus einem passiven ein aktiver B2B-Vertrieb wird Industrialisiert und bereit für die digitale Transformation? Compliance nicht nur einführen, sondern auch wirksam umsetzen synpulse |3 «Synpulse tritt ein für einen mutigen Schritt in die digitale Welt.» Editorial 4 | Rubrik synpulse synpulse Inhaltsverzeichnis | 5 Zum ersten Mal darf ich Sie als CEO von Synpulse im Editorial des «Magazine» begrüßen. Das freut mich sehr, haben wir doch wieder eine große Auswahl von Wissenswertem für Sie aufbereitet. Seit unser Kundenmagazin 2001 das erste Mal erschien, nehmen unsere Experten in ihren Artikeln regelmäßig die Finanz- und Versicherungsindustrie unter die Lupe, verfolgen Trends und zeigen neue Strategien auf. Editorial ................................................................................................................................................................................. In der aktuellen Ausgabe beschäftigen wir uns in einigen Artikeln mit dem Thema Vertrieb. Es fällt auf, wie rasant die Kunden heute ihr Verhalten ändern und sich den neuen technologischen Möglichkeiten anpassen; wichtige Stichworte sind hier Digitalisierung und hybride Kunden. Wer nur betrachtet, an welchen Orten respektive über welche Kanäle Finanzprodukte gekauft werden, nimmt diese Entwicklung als langsam und wenig sprunghaft wahr. Wer sich die Customer Journey genauer ansieht, merkt, dass sich besonders das Informationsverhalten sprunghaft ändert. Die meisten Prognosen in diesem Bereich sind nicht eingetroffen. Zwingend ist es, diese Veränderungen sehr aufmerksam zu verfolgen und die Anpassungsfähigkeit zur Strategie zu machen. Strategie Trend Compliance nicht nur einführen, sondern auch wirksam umsetzen ......................................................................... Die EU will Versicherte besser schützen .......................................................................................................................... Trend Mit optimierten Selektionen das Kundenpotenzial erfolgreich ausschöpfen ........................................................... Trend Industrialisiert und bereit für die digitale Transformation? ......................................................................................... 4 6 10 14 18 From Outside In Anpassungsfähigkeit ist auch für uns eine Schlüsselkompetenz. Ein Unternehmen wie Synpulse kann in der komplexen Finanzbranche nur dann erfolgreich agieren, wenn es topausgebildete Mitarbeitende hat und Ausbildungsinhalte ständig weiterentwickelt. Weiterbildung und -entwicklung sind denn auch Kernelemente unserer Firmen-DNA. In unserer Rubrik «From Outside In» haben wir 2015 darum die Bildung zum Thema gemacht. Margrit Stamm, eminente Schweizer Bildungsforscherin, erklärt, wie sie bei der Bildung die Unternehmen in der Pflicht sieht. Im Rahmen unserer unternehmerischen und gesellschaftlichen Verantwortung setzen wir nicht nur intern auf Bildung, sondern wollen auch extern ein Zeichen setzen und unterstützen seit einem Jahr die Non-Profit-Organisation Aiducation, die in Kenia und auf den Philippinen Stipendien an hochmotivierte Schüler auf Sekundarstufe vergibt. Wir haben die Organisation in der letzten Ausgabe vorgestellt. Synpulse wird im Dezember 2015 erstmals eine Mentorship Academy ausrichten: Vier unserer Mitarbeitenden reisen auf die Philippinen, um dort einer Gruppe von jungen, talentierten Menschen Inhalte und Werte zu vermitteln. Denn am besten lernen wir Menschen doch immer im direkten Kontakt mit anderen Menschen. Der direkte Kontakt ist auch mir sehr wichtig und ich werde mir in den kommenden Monaten viel Zeit nehmen, um möglichst viele unserer Leser persönlich kennenzulernen. Nun wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre. Ihr Christoph Nützenadel Interview mit Prof. Dr. Margrit Stamm: «Die Unternehmen haben eine große Bildungsverantwortung.» ................................................................................ Strategie Wie aus einem passiven ein aktiver B2B-Vertrieb wird ................................................................................................ Strategie Hybride Kunden erfordern integrierte Kanäle ............................................................................................................... Trend Hinken Schweizer Spitäler der digitalen Transformation hinterher .......................................................................... Vorankündigung Health-Value-Chain-Studie 2015/2016 ............................................................................................................................. Trend Hat sich die M&A-Prognose nicht erfüllt? ........................................................................................................................ 22 26 30 34 39 40 6 | Trend synpulse Compliance nicht nur einführen, sondern auch wirksam umsetzen Compliance ist in der Schweiz allgegenwärtig. Schweizer Unternehmen und insbesondere Finanzdienstleister müssen sich fragen, wie sie am besten mit dem Thema umgehen sollen, um Compliance-Verstöße und die daraus resultierenden negativen Folgen bestmöglich zu vermeiden respektive diese Risiken gar nicht erst einzugehen. Autoren: Eric Stehli | Lucas Hager synpulse Trend | 7 Es gibt im nationalen Umfeld viele gesetzliche und regulatori- Ein IKS im Bankensektor sollte folgende fünf Elemente bein- sche Vorgaben, die bei einem Verstoß zum Teil empfindliche halten, die im nächsten Abschnitt kurz beschrieben werden: Strafen nach sich ziehen. Daher stellt sich die Frage, welche 1. Verantwortung der Geschäftsleitung und Kontrollkultur, internen Maßnahmen Banken ergreifen müssen, um zum 2. Risikoerkennung und -einschätzung, einen einer möglichen Haftung vor Gericht zu entgehen res- 3. Kontrollmaßnahmen und Aufgabentrennung, pektive diese zu vermeiden und zum anderen Kosten wie 4. Informationen und Kommunikation, Aufarbeitung, Anpassung der Prozesse oder auch eine 5. Überwachung und Mängelbehebung. schlechtere Reputation zu umgehen, die im Zusammenhang mit einem Verstoß stehen und Gerichtsstrafen oft übersteigen. 1. Verantwortung der Geschäftsleitung und Kontrollkultur Haftung in der Schweiz Die Geschäftsleitung ist dafür verantwortlich, Weisungen des Strafbarkeit respektive Haftung der Banken entsteht bei- obersten Verwaltungsorgans, insbesondere die Errichtung spielsweise, wenn organisationsspezifische Maßnahmen un- eines leistungsfähigen Kontrollsystems, in die Praxis umzu- terlassen werden oder unzureichend ausgestaltet sind. Dies setzen. Die Geschäftsleitung delegiert in der Regel die Ver- umfasst auf der einen Seite mangelnde Definition und auf antwortung für speziellere Grundsätze und Verfahren der der anderen Seite unzureichende Implementierung eines internen Kontrolle an die Verantwortlichen der jeweiligen ganzen Systems zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Hier- Geschäftsbereiche. Die Mitglieder der Geschäftsleitung müs- aus wird ersichtlich, dass es nicht ausreicht, vereinzelte Maß- sen dafür Sorge tragen, dass die betreffenden Mitarbeiter nahmen zu ergreifen, sondern vielmehr ein ganzheitliches entsprechende Qualifikationen besitzen und regelmäßig System aufgebaut werden muss. Weiterbildungen besuchen. Für Banken bestehen auf nationaler und internationaler Ebe- Um sicherzustellen, dass ein IKS in der Praxis nachhaltig um- ne Vorgaben, wie Compliance-Strukturen aufzubauen sind. gesetzt wird, ist eine gute Kontrollkultur entscheidend. Wichtige Inhalte dazu betreffen das IKS und den Aufbau einer Dabei geht es um das Verhalten des obersten Verwaltungs- Compliance-Funktion. Auf diese soll im Folgenden kurz ein- organs und der Geschäftsleitung, das großen Einfluss auf gegangen werden. die Integrität und die moralischen Werte der gelebten Kultur einer Bank hat. Ein besonderes Augenmerk muss in diesem IKS in Banken Zusammenhang auf Anreize gelegt werden. Wenn diese un- Durch die Ausgestaltung des IKS kann die Bank Einfluss auf verhältnismäßig hoch und kurzfristig sind, sinkt die Hemm- die Steuerung wie auch die Wahrnehmung und Einhaltung schwelle für unzulässiges Verhalten. Anreize betreffen etwa wichtiger Vorgaben nehmen. Kontrollen sollten nicht einma- Leistungsziele, Vergütungssysteme oder auch zu milde Sank- lig vorgenommen werden, sondern vielmehr fortlaufend in tionen. Geschäftsprozesse integriert werden. 2. Risikoerkennung und Risikoeinschätzung Neben Leistungszielen liegt der Fokus auf der Bereitstellung Risiken einzugehen gehört bei Banken zum Geschäft. Daher von Informationen und Sicherstellung der Einhaltung von ist es wichtig, dass sie sich adäquat damit befassen. Bei der Compliance-Vorgaben. Leistungsziele beziehen sich auf die Risikoeinschätzung müssen Banken interne und externe Effizienz der eingesetzten Ressourcen und die Vermeidung Faktoren ermitteln und bewerten, die sich negativ auf von Verlusten. Informationsziele betreffen die rechtzeitige Leistungs-, Informations- und Compliance-Ziele auswirken Bereitstellung von Informationen, die benötigt werden, um können. Entscheidungen zu treffen oder von Gesetzes wegen gefordert werden. Compliance-Ziele richten sich vor allem auf die Bei der Bewertung der Risiken prüft die Bank, ob diese für sie Einhaltung interner und externer Vorgaben. So sollen sowohl beherrschbar erscheinen oder nicht eingegangen werden. Kosten im Zusammenhang mit Compliance-Verstößen als Wenn Risiken grundsätzlich als zumutbar erachtet werden, auch negative Auswirkungen auf die Reputation vermieden muss die Bank entscheiden, ob sie Kontrollen implemen- werden. tiert, um diese Risiken zu verringern. 8 | Trend synpulse synpulse Trend | 9 Um Wirksamkeit zu gewährleisten, müssen Risiken fortlau- unten und quer in der Bank fließen können und die entspre- sollte Zugriff auf Informationen und Personal haben, um ihre Compliance-Aufgaben müssen jedoch nicht notwendiger- fend neu eingeschätzt werden. Finanzinstitute müssen inter- chenden Stellen rasch erreichen. Aufgaben durchführen zu können. Unabhängigkeit bedeutet weise von einer zentralen Compliance-Stelle ausgeführt, jedoch nicht, dass die Compliance-Funktion nicht eng mit sondern können auch an Mitarbeiter in verschiedenen Abtei- 5. Überwachung und Mängelbehebung dem Management oder anderen Abteilungen zusammen- lungen delegiert werden. Beispielsweise werden in Banken Besonders der Bankensektor ist dynamisch und verändert arbeiten sollte. Gerade andere Abteilungen helfen dabei, bestimmte Compliance-Aufgaben vom Legal Department 3. Kontrollmaßnahmen und Aufgabentrennung sich schnell. Daher trägt eine aktive Überwachung und an- spezielle Compliance-Risiken frühzeitig aufzudecken und oder auch Risk-Management durchgeführt. Unmittelbar an die Risikoerkennung und -einschätzung schließende rasche Mängelbehebung sehr zur Wirksamkeit Maßnahmen zu erarbeiten. schließt die Erarbeitung von Maßnahmen an, die Risiken eines IKS bei. Da normale Prüfungen oft einen bestimmten reduzieren sollen. Dabei handelt es sich um Kontrollgrund- Zeitraum abdecken oder zum Teil erst nach einem Vorfall 2.Ressourcen Die Aktivitäten der Compliance-Funktion sollen durch das sätze und -verfahren sowie daran anschließend deren Über- durchgeführt werden, ist einer fortlaufenden Überwachung Mitarbeiter im Bereich Compliance benötigen eine entspre- Internal Audit, eine unabhängige Stelle, überprüft werden. wachung und Verbesserung. Diese Maßnahmen beinhalten der Vorzug zu geben. Durch sie können Mängel im IKS schnell chende Ausbildung, Erfahrung und persönliche Eigenschaf- Daher ist es essentiell, dass beide Bereiche voneinander beispielsweise Tätigkeitskontrollen, physische Kontrollen, entdeckt und korrigiert werden. ten, um ihre Aufgaben entsprechend erfüllen zu können. unabhängig sind. Um die Effizienz beider Abteilungen zu ge- Wichtig ist ein gutes Verständnis relevanter Gesetze, Regula- währleisten und Redundanzen zu vermeiden, ist es wichtig, ne Kontrollen unter Umständen überarbeiten, um neue oder zuvor nicht kontrollierte Risiken angemessen zu erfassen. Genehmigungen oder auch Überprüfungen. Damit Kontroll- 4. Verhältnis zum Internal Audit maßnahmen wirksam sind, sollte dafür gesorgt werden, dass Die Festlegung der Häufigkeit der Überwachungsaktivitäten rien und Standards sowie Kenntnis der bankinternen Prozes- dass eine klare Abgrenzung zwischen den Aufgaben von diese von den Mitarbeitenden als fester Bestandteil des sollte in Abhängigkeit der konkret ausgehenden Gefahr fest- se. Neben diesen Voraussetzungen muss sichergestellt Compliance und Internal Audit besteht. Werden Unregelmäs- Tagesgeschäfts angesehen werden. Dafür hat die Geschäfts- gelegt werden. In komplexen und international agierenden werden, dass das Fachwissen der Mitarbeitenden durch Fort- sigkeiten in Bezug auf Compliance festgestellt, sollte die leitung Sorge zu tragen. Gefahren entstehen immer dann, Unternehmen muss die Geschäftsleitung dafür Sorge tragen, und Weiterbildungen auf dem neusten Stand bleibt. Compliance-Abteilung umgehend darüber informiert wer- wenn Mitarbeiter die Kontrollmaßnahmen im Vergleich zu dass die Überwachungsfunktion klar definiert und in die anderen Tätigkeiten als weniger wichtig wahrnehmen. Organisation integriert ist. Wenn Banken große Verluste entstehen, die durch mangeln- Compliance-Funktion in Banken was Compliance-Vorgaben betrifft; zudem sollte das Wissen Fazit de interne Kontrollen verursacht wurden, liegt dies meist an Aufgrund der Vielzahl und Komplexität regulatorischer Vor- immer auf dem neuesten Stand gehalten werden. Außerdem Auch einige Jahre nach der offiziellen Einführung von Com- einer ungenügenden Aufgabentrennung respektive an beste- gaben wird es immer aufwendiger, diese umzusetzen. Die müssen entsprechende Mitarbeiter geschult und Vorgaben pliance-Strukturen in Banken zeigen aktuelle Verstöße aber henden Interessenkonflikten. Beispiele hierfür sind die Umsetzung etwa der FATCA-Vorgaben hat bei den Banken verfasst werden, wie betroffene Stellen Compliance- auch hohe Strafen, die in den letzten Monaten und Jahren Genehmigung einer Auszahlung und die Vornahme der Aus- sowohl finanziell als auch betreffend eingesetzter Ressour- Bestimmungen umsetzen müssen. Eine weitere Verantwort- ausgesprochen wurden, dass sich Banken bezüglich der zahlung, die informelle Abgabe von Informationen an Kunden cen zu großen Anstrengungen geführt. Eine Compliance- lichkeit besteht in der Identifikation und Bewertung von Compliance-Umsetzung nicht auf dem Status Quo ausruhen und Geschäftsabschlüsse mit denselben Kunden oder die Funktion kann jedoch ihre Aufgaben nur nachhaltig wahr- Compliance-Risiken. Eine laufende Überwachung der Com- dürfen, sondern laufend gefordert sind, Verbesserungen zu Beurteilung der Unterlagen für einen Kreditantrag und die nehmen, wenn eine Reihe von Vorgaben eingehalten werden. pliance in der Bank sowie eine regelmäßige Meldung an Füh- erarbeiten und effektiv umzusetzen. Überwachung des Schuldners nach Gewährung des Kredits. In der Vergangenheit wurden diese oft wirtschaftlichen rungsorgane gehört wie die Implementierung eines auf die den. Dazu müssen direkte und rasche Eskalationsprozesse 3.Verantwortlichkeiten definiert und umgesetzt sein. Eine wichtige Aufgabe ist die Beratung des Managements, Zielen untergeordnet, was zu Verstößen führte, die wieder- Bedürfnisse der Bank angepassten Compliance-Programms 4. Information und Kommunikation um hohe Kosten verursachten. Diese Vorgaben sollen im Fol- zu den wichtigsten Aufgaben. Um die Wirksamkeit eines IKS zu gewährleisten, müssen genden aufgezeigt und kurz ausgeführt werden. zweckmäßige und umfassende Informationen über die Finanzlage, den Geschäftsbetrieb und die Einhaltung von Es handelt sich um folgende Vorgaben, die im nächsten Ab- Grundsätzen und Vorschriften vorliegen. Zu den Informatio- schnitt kurz ausgeführt werden: nen gehören neben Finanz- und Betriebs- auch Compliance- 1. Unabhängigkeit, Daten. Allgemeine Kontrollen dazu beinhalten EDV-Systeme, 2. Ressourcen, die für einen ständigen und ordnungsgemäßen Betrieb 3. Verantwortlichkeiten, sorgen. Unabhängig von den oben beschriebenen Risiken 4. Verhältnis zum Internal Audit. Autoren und Kontrollen gibt es auch Risiken, die mit dem Verlust oder dem längeren Ausfall von Systemen verbunden sind und 1.Unabhängigkeit von Faktoren verursacht werden, über welche die Bank Die Unabhängigkeit der Compliance-Funktion beinhaltet keine Kontrolle hat. verschiedene Elemente. Zum einen sollte sie einen formellen Status in der Bank und die übergreifende Verantwortlichkeit Um eine effektive Verteilung der Informationen zu gewähr- für Compliance-Risiken besitzen. Es dürfen keine Interessen- leisten, ist eine wirksame Kommunikation sehr wichtig. Die- konflikte bei Mitgliedern der Compliance-Funktion und se soll sicherstellen, dass die Informationen nach oben, nach anderen Tätigkeiten bestehen und die Compliance-Funktion Eric Stehli Associate Partner (Topic Expert) [email protected] Lucas Hager Senior Consultant (Topic Expert) [email protected] 10 | Strategie synpulse Die EU will Versicherte besser schützen synpulse Strategie | 11 Die Zukunft des Versicherungsvertriebs in Europa wird von fordert die IDD neue Beratungsstandards in Richtung einfa- drei Kürzeln bestimmt: IDD, MiFID2 und PRIIPs: Die Richtlinie cher, transparenter Produktinformationen für Nicht-Lebens- über die Versicherungsvermittlung «Insurance Distribution versicherungen. Das «Product Information Document» soll Directive» IDD, die Finanzmarkt-Richtlinie MiFID2 und die Ver- als eigenständiges Dokument vor Vertragsabschluss überge- ordnung über Basisinformationsblätter (PRIIPs – Packaged ben werden und Informationen zur Art der Versicherung, eine Retail and Insurance-Based Investment Products) sollen Zusammenfassung des Versicherungsschutzes (u.a. Deckun- Märkte und Produkte in den EU-Mitgliedsstaaten einander gen, Versicherungssumme, ein- und ausgeschlossene Risi- angleichen, das Verbraucherschutzniveau in allen Finanz- ken) sowie Leistungsausschlüsse, Obliegenheiten, Vertrags- sektoren erhöhen, die Mindeststandards für den Vertrieb laufzeit und Möglichkeiten der Vertragsbeendigung enthalten. verbessern und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Ver- Die Reform der Insurance Mediation Directive (IMD) steht bevor. Ein verbesserter Verbraucherschutz und fairer Wettbewerb sind die Zielsetzungen. Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sind gleichsam betroffen. Sie werden sich auf einige Veränderungen vorbereiten müssen. Autoren: Christian Eidherr | Vanya Witt sicherungsvertriebswege schaffen. Vergütungstransparenz Der Richtliniengeber möchte einem Interessenkonflikt zwi- Der neue Titel «Insurance Distribution Directive» verdeutlicht, schen Beratung und vergütungsgetriebenem Verkauf von dass die IDD im Gegensatz zur IMD nicht nur Regelungen für Versicherungsprodukten entgegenwirken. Insbesondere soll Vermittler von Versicherungsprodukten enthält; sie bezieht ein Versicherungsvermittler keine Vergütungssysteme oder ebenfalls den Vertrieb von Versicherungsverträgen durch Ver- Umsatzziele vorgeben, die seinen Mitarbeitern Anreize ge- sicherungs- und Rückversicherungsunternehmen ohne Betei- ben, ihren Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu ligung eines Versicherungsvermittlers (Direktvertrieb) mit ein empfehlen, wenn ein anderes Versicherungsprodukt besser oder aber den Vertrieb über Websites und Vergleichsportale auf deren Bedürfnisse abgestimmt wäre. für alle Versicherungssparten und alle Vertriebswege. Außerdem sind Kunden vor Vertragsabschluss über die Ver- Cross-Selling gütungen ihrer Berater zu informieren. Es müssen nach Die revidierte Richtlinie enthält zwar kein Verbot eines derzeitigem Stand zwar nicht die Höhe, jedoch die Art (Provi- Cross-Sellings von Versicherungen mit anderen Waren und sion, Honorar respektive andere wirtschaftliche Vorteile Dienstleistungen, sie fordert jedoch, dass Kunden das Recht jeder Art) sowie Quelle (Versicherungsunternehmen, Versi- eingeräumt werden muss, solche Produktbündel, die mit cherungsnehmer) der Vergütung genannt werden. Versicherungen kombiniert angeboten werden, auch separat (ohne Versicherung) erwerben zu können. Bei versicherungsbasierten Anlageprodukten («insurancebased investment products») – etwa fondsgebundenen Le- Anforderungsanalyse und Beratung vor Vertragsabschluss bensversicherungen – sind dem Kunden vor Vertragsab- Die Verpflichtung, den Kunden vor dem Vertragsabschluss Dem Kunden ist die Gesamtkostenbelastung darzustellen, nach seinen Anforderungen und Bedürfnissen zu fragen, be- auf Wunsch auch mit detaillierter Aufschlüsselung. schluss die Höhe aller Kosten und Gebühren mitzuteilen. stand schon in der IMD. Die IDD geht nun ein Stück weiter und fordert, dass jeder vorgeschlagene Versicherungsvertrag Die Mitgliedstaaten können bei Verletzungen dieser Verhal- mit den Anforderungen und Bedürfnissen der Kunden im tensanforderungen («conduct of business requirements») Einklang stehen muss. Sanktionen veranlassen: Diese reichen von der Veröffentlichung eines Regelverstoßes (Name des Verstoßenden, Art des Insbesondere müssen der Versicherungsvermittler und der Verstoßes) über die Streichung aus dem Vermittlerregister bis Versicherer dem Kunden erklären, warum ein bestimmtes zu harten Geldstrafen bei Verstößen im Zusammenhang mit Produkt am besten geeignet ist, seine Wünsche und Bedürf- dem Vertrieb von anlagebasierten Versicherungsprodukten. nisse zu erfüllen. Diese können im Falle einer juristischen Person bis zu 5% des Umsatzes, mindestens fünf Millionen Euro, ausmachen. Standardisiertes Informationsdeckblatt für Nicht-Lebensversicherungsprodukte Entscheidungen über Beschränkung oder Verbot von Vergü- Parallel zur Regulierung von Lebens-Versicherungsproduk- tungen und anderen Anreizinstrumenten sind laut IDD den ten (Solvency II) und Versicherungsanlageprodukten (PRIIPs) Mitgliedstaaten überlassen. Diese haben sicherzustellen, 12 | Strategie synpulse synpulse Strategie | 13 dass dadurch für den Verbraucher kein nachteiliger Einfluss bestimmt werden, ob die Zuwendungen einen nachteiligen wortlich zeichnen, einen Kompetenznachweis und konti- ergreifen müssen, um Interessenskonflikte beim Vertrieb auf die Qualität der erbrachten Dienstleistung entsteht und Einfluss auf die Qualität der Dienstleistung haben, oder ob nuierliche Weiterbildung («continuing professional training von Versicherungsanlageprodukten zu erkennen, zu ver- Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sie die Verpflichtung berücksichtigen, ehrlich und professio- and development»). meiden und offenzulegen. Außerdem kann die Kommission nach dem besten Interesse ihrer Kunden handeln. nell im besten Interesse des Kunden zu handeln. Kriterien für die Bestimmung solcher interessensverletzenDer aktuellste Entwurf zur IDD fordert unter anderem Min- den Konflikte festlegen. In Deutschland zeichnet sich nicht ab, dass der Gesetzgeber Die Ausgestaltung dieser delegierten Rechtsakte könnte zur destkenntnisse über Versicherungsbegriffe und -bedingun- Provisionen und Honorare grundsätzlich verbieten möchte. Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Punkte des gen, relevante gesetzliche Grundlagen (etwa Versicherungs- Fazit Umfragen unter Verbrauchern zeigten 2014 auf, dass etwa Gesetzgebungsaktes führen und darf mit Spannung er- vertragsrecht, Konsumentenschutzrecht), Bedarfsanalyse, Die Umsetzung der IDD wird spürbare Auswirkungen auf die 75% der Befragten nicht bereit wären, für Versicherungsbe- wartet werden. Schadenmanagement, Beschwerdemanagement und ethi- Qualifikation und Fortbildung der Berater haben, ebenso wie sche Grundlagen. Im Bereich der versicherungsbasierten An- auf die Beratungs- und Dokumentationsprozesse. Als Folge ratung ein Honorar zu zahlen. Wissens- und Kompetenzanforderungen und kontinuierliche berufliche Weiterbildung lageprodukte werden zusätzlich spezialisierte Mindestkennt- wird sich vermutlich der Konzentrationsprozess in der Bran- Interessant ist, dass die Europäische Kommission ermächtigt nisse über diese Produktgruppe verlangt. Außerdem sieht che fortsetzen, vor allem im Bereich von unabhängigen Ver- werden soll, «delegierte Rechtsakte» für versicherungsba- Die IDD fordert von Personen, die mit dem Vertrieb von Versi- die IDD einen minimalen jährlichen Weiterbildungsumfang in mittlern wie Brokern und Mehrfachagenten. sierte Anlageprodukte zu erlassen. Entsprechend von der cherungsprodukten betraut sind oder im Rahmen einer der Höhe von 15 Stunden pro Jahr vor. Kommission zu spezifizierender Beurteilungskriterien soll Managementfunktion für den Versicherungsvertrieb verant- Thema Anwendungsbereich Regelung Sämtliche Versicherungsvermittler wie Makler Direktvertrieb durch Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen Versicherungspolicen, die neben dem Verkauf von Waren/Dienstleistungen vertrieben werden (z.B. durch Reisebüros) ab 600 Euro pro Jahr Vergleichsportale, sofern Vertragsabschluss möglich Die am 30. Juni 2015 erzielte Einigung zwischen EU-Kommis- Verfahren zum Management von Interessenkonflikten sion, EU-Parlament und EU-Rat hatte den nun vorliegenden Die IDD wird einen Anreiz schaffen, Vertriebs-Compliance- ten Schritt beim Europäischen Parlament eingereicht Systeme einzurichten. Vermittler und Versicherungsunter- werden, danach an den Europäischen Rat zur endgültigen nehmen, die Versicherungsanlageprodukte verkaufen, sol- Annahme weitergeleitet, damit die IDD in Kraft treten kann. len auf Dauer wirksame organisatorische und administrative Beides sollte noch 2015 erfolgen. Ab dem Zeitpunkt des Vorkehrungen einrichten, um Vermittlungshandlungen zu ver- Inkrafttretens haben die einzelnen Mitgliedstaaten zwei Jahre hindern, welche die Interessen der Kunden beeinträchtigen. Zeit, um die IDD in nationales Recht umzusetzen. Kompromiss-Vorschlag zum Ergebnis. Dieser wird im nächs- Auch hier soll die EU-Kommission ermächtigt werden, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um Schritte zu definieren, die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen Produktinformation vor Vertragsabschluss Nicht-Lebensversicherungen: Produktinformationsblatt Definition der Vergütung «Vergütung» umfasst Zahlungen (Gebühren, Provisionen) sowie wirtschaftliche nichtmonetäre Vorteile jeder Art Lebensversicherungen: Basisinformationsblätter (PRIIPs-Verordnung) EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, ob solche Vergütungen zu verbieten oder weiter einzuschränken sind Offenlegung der Vergütung Art und Quelle einer Vergütung vor Vertragsabschluss Erweiterte Offenlegungspflichten für Versicherungsanlageprodukte Autoren Interessenkonflikte Versicherungsanlageprodukte: Verpflichtung zum Kommunizieren möglicher Interessenskonflikte vor Vertragsabschluss EU-Mitgliedsstaaten haben Regelungen vorzusehen, die Interessenskonflikten zwischen unabhängiger Beratung und Vergütung entgegenwirken Weiterbildungspflicht Minimaler Weiterbildungsumfang von 15 Stunden pro Jahr Quelle: Synpulse 1: Die wesentlichsten Bestimmungen der IDD im Überblick Christian Eidherr Manager (Topic Expert) [email protected] Vanya Witt Consultant [email protected] 14 | Trend synpulse Mit optimierten Selektionen das Kundenpotenzial erfolgreich ausschöpfen Immer anspruchsvollere Kunden erwarten individuelle und bedarfsgerechte Betreuung und Beratung – und das am liebsten sofort. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollten Banken und Versicherungen vermehrt industrielle Methoden einsetzen. Autoren: Dr. Christoph Nützenadel | Dr. Dirk Arndt synpulse Trend | 15 Deshalb setzen die Partner Synpulse und Profect auf ein be- Bestände, Erträge, Umsätze und teilweise das Alter. Was oft währtes Vorgehensmodell zum ganzheitlichen Kundeninfor- nicht betrachtet wird, ist der Kundenwert, weil das in der mationsmanagement, das als iterativer Kreislauf verstanden Umsetzung mit hohem Aufwand verbunden ist. Für eine ziel- werden kann. Beim Management der Informationsnachfrage genaue Kundenansprache eignen sich die klassischen Selek- wird durch den Einsatz gezielter Methoden der Informations- tionskriterien allerdings immer weniger. Kundensegmentie- bedarfsanalyse das in einem Unternehmen bereits vorhande- rungen dienen letztlich dazu, Entscheidungen im Hinblick auf ne Informationsangebot mit dem tatsächlichen Informations- die Betreuung der Kunden auf Basis einer fundierten Grund- bedarf abgeglichen. Im nächsten Schritt, dem Management lage zu treffen und darüber die vertriebliche Ausrichtung zu der Informationsproduktion, werden aus den unternehmens- optimieren. In der Praxis ist es eher Regel als Ausnahme, dass internen und -externen Datenquellen die jeweils relevanten die Verkaufsverantwortlichen nach einer durchgeführten Daten ausgewählt und mittels analytischer Verfahren zu re- Basis-Selektion den Wunsch nach weiteren Verfeinerungen levanten Informationen verdichtet. Diese sind im dritten äußern: Welcher Berufsgruppe gehören die betreffenden Schritt, dem Management des Informationsangebotes, zu Personen an, wie viele Personen wohnen im selben Haus- bedarfsgerechten Informationsprodukten aufzubereiten und halt, wie hoch ist das Haushaltseinkommen und so weiter. eventuell durch Informationsdienstleistungen zu ergänzen. Durch die Schulung und Beratung der Fachbereiche in der Eine Informationsbedarfsanalyse zeigt hier, dass Kundenin- Ableitung und Umsetzung strategischer und operativer formationen sehr flexibel benötigt werden und dass sich Aufgaben wird in einem letzten Schritt sichergestellt, dass der Bedarf oftmals ad hoc ergibt. Kann der Betreffende die komplexe Informationen richtig interpretiert und genutzt Verfeinerungen nicht selbst vornehmen, sind Ineffizienzen werden. Da dabei immer neuer oder angepasster Informati- und Zeitverzögerungen in den vertrieblichen Prozessen kaum onsbedarf entsteht, schließt sich der Kreislauf. zu vermeiden. Doch selbst wenn Spezialisten die Anfrage in einem zeitlich akzeptablen Rahmen beantworten, geschieht Klassische Selektionskriterien reichen nicht mehr das im Normalfall in Form von Berichten oder Listen, die es Das Vorgehen lässt sich an einem Beispiel aus der Finanzin- eben nicht erlauben, noch näher auf einzelne der selektier- Je reifer ein Markt, umso schwieriger und aufwendiger wird Industrialisierung auf der einen Seite trifft auf immer an- dustrie veranschaulichen. Viele Kreditinstitute schauen bei ten Kunden einzugehen – beispielsweise, um zu eruieren, wie es, neue Kunden für das eigene Unternehmen zu gewinnen. spruchsvollere Kunden auf der anderen Seite. Kritiker und der Kundensegmentierung nur nach den klassischen Kriterien: viele Produkte der Betreffende bereits hat und auf welchen In vielen Banken und Versicherungen haben sich die Schwer- Zauderer, die sich gegen die Nutzung industrieller Methoden punkte in Marketing und Vertrieb daher längst verschoben. in der Dienstleistung aussprechen, argumentieren, dass Statt den Neukunden ins Zentrum der Akquisitions- und Standardisierung und Automatisierung nicht zu den Anforde- Verkaufsbemühungen zu stellen, sollen jetzt die bestehen- rungen einer hochgradig individualisierten und personali- den Kundenbeziehungen optimal ausgeschöpft werden. Für sierten Dienstleistungserbringung passen. Sie befürchten, den Vertrieb bedeutet diese Tendenz zur Beziehungsorien- dass die Beziehung zum Kunden Schaden nimmt. 1 . Ma na g e m e nt d e r m a t i o n s na c h f r r In f o ag e xen Problematik ist das systematische Informationsmanage- der Betreuung oder auch durch den gezielteren Einsatz von ment. Die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Vertriebs- und Marketing-Instrumenten, um nur einige der Ort zu haben, hilft, den Kunden speziell nach seinen Bedürf- möglichen Maßnahmen zu nennen. Bei welchen Bestands- nissen zu bedienen. Dabei ist es egal, ob der Kunde eine kunden in Zukunft besonders attraktive Geschäftschancen schnelle Abwicklung per Internet oder eine persönliche Bera- bestehen und welche dieser Kunden besonders wertvoll sind tung wünscht. Die Herausforderungen liegen darin, dass die und entsprechend intensiv betreut werden sollten – diese Prozesse der Informationsbereitstellung oft zu lange dauern, Frage schlüssig zu beantworten, ist indes alles andere als die Erwartungen der Informationsbedarfsträger nicht getrof- trivial. Gleichzeitig scheint es immer wichtiger zu werden, fen werden und dass das Informationsangebot letztlich eine industrielle Methoden anzuwenden, um als Finanzinstitut Komplexität erreicht, die von den anfragenden Mitarbeitern auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu sein. Zumindest ist aus Marketing, Vertrieb oder Service nicht gehandhabt wer- dies in der Branche inzwischen das allgemeine Verständnis. den kann ( 1). KundenInformationsmanagement n Ein wesentlicher Baustein für die Überwindung der komple- – durch Cross- und Up-Selling, durch höhere Produktivität in 2 . Ma na g e m e nt d e at i o n s p r o d u r or m k ti o Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort Optimum aus diesem Beziehungs-Potenzial herauszuholen In f die Stammkunden kümmern und versuchen muss, das 4 . Ma na g e m e nt de r mat i o n s ve r w e n r In f o du ng tierung, dass er sich in Zukunft noch intensiver als bislang um 3. M s Inf anagement de s or m o a t i o n s a n g e b te 1: Lebenszyklus des Kundeninformationsmanagements Quelle: Profect 16 | Trend synpulse synpulse Trend | 17 Gebieten noch Lücken bestehen. Externe Datenquellen wer- sorgen dafür, dass die Effizienz vertrieblicher Kernaufgaben den nur sporadisch, wie etwa für die Bonitätsprüfung, er- nachhaltig gesteigert werden kann. In der Phase der Infor- Softwarewerkzeuge für das Informationsmanagement Alles nur eine Frage des Wollens und der Organisation schlossen. mationsproduktion müssen Banken und Versicherungen Im nächsten Schritt sind diese Informationen nun bedarfsge- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der größte Nutzen deshalb darüber nachdenken, eigene Data-Marts aufzubau- recht bereitzustellen. Ein zentraler Kampagnenmanager be- beim Einsatz eines ganzheitlichen Informationsmanage- Große Datenbestände flexibel auswerten en, die den Kunden als zentrales Objekt in den Mittelpunkt nötigt andere Informationen als ein dezentral agierender ments und der damit verbundenen Business-Intelligence- Vor diesem Hintergrund braucht es Werkzeuge, die es End- stellen. Diese Datenbanken sollten durch eine turnusmäßige Filialleiter oder ein Kundenberater. Deshalb sind in dieser Technologien im Vertrieb darin liegt, dass Potenziale von anwendern mit nur geringen IT-, Statistik- oder SQL-Kennt- Befüllung aktuell gehalten werden und Kundenwertmodelle, Phase des Informationsmanagements Softwarewerkzeuge Bestandskunden zum Beispiel durch Cross- und Up-Selling- nissen erlauben, große Datenbestände flexibel auszuwer- Kundensegmentierungsansätze, Vorhersagemodelle sowie gefragt, die eine hohe Parametrisierung gestatten. Rollen- Ansätze wesentlich besser ausgeschöpft werden können. ten. Intuitive Bedienbarkeit, Geschwindigkeit, Flexibilität Geschäftsregeln integrieren. modelle und Zugriffsrechte regeln beispielsweise Programm- Aber auch der Endkunde profitiert vom Wissen der Institute. abläufe, Inhalte, Darstellungsformen, Speicherformate. In- Er erhält maßgeschneiderte Angebote für Produkte und formationen werden zum Beispiel bei Beratungsgesprächen Serviceleistungen. Die Modelle für eine am Kunden ausge- auf mobilen und bei Meetings auf stationären Endgeräten richtete Steuerung von Marketing und Vertrieb sind da. benötigt. Eine Standardsoftware, die diese Erfordernisse Passend dazu gibt es zielführende Vorgehenskonzepte und erfüllt und in der Finanzdienstleistungsindustrie schon Softwarewerkzeuge, die zur Nutzung animieren. Vor diesem öfter zum Einsatz kommt, ist der von Profect entwickelte Hintergrund ist die Implementierung eines wertorientierten «BusinessRadar». Statistische Funktionen, Datenbankabfra- ganzheitlichen Kundenmanagements im Prinzip eine reine gesprachen, Visualisierungs- und innovative Data-Mining- Frage des Wollens und des organisatorischen Buy-In. Und da Technologien werden unter einer einheitlichen Oberfläche helfen wie in vielen anderen größeren Projekten vor allem kombiniert und meist – für den Anwender verborgen – im drei Dinge: professionelle Überzeugungsarbeit beim Top- Hintergrund genutzt. Management und wichtigen Multiplikatoren, überzeugende und eine Vielzahl individuell ansetzbarer Analysekriterien Bedarfsebene Strategische Ebene Strategische Kundenwertanalyse Langfristige Kundenwertplanung Festlegung strategischer Kundenwertziele Operativ/taktische Ebene Management des Bestandsgeschäfts Management der Kundengewinnung Kundenbindung oder -eliminierung Kundenpenetration Kundenkostenreduktion Kundenrisikomanagement 2 verdeutlicht das Prinzip. Softwarelösungen wie der BusinessRadar sowie schnelle Reduktion der Akquisitionskosten Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit Erfolge im Vertrieb – auch wenn kurzfristige Verkaufserfolge mit einem systematischen, langfristig ausgerichteten Kundenbestandsmanagement auf den ersten Blick nur Analytische Ebene Definition der Zielgrößen Analyse der Kundenwerttreiber Bestimmung der Kundenwerte wenig zu tun haben. Segmentierung der Kunden Kontrollebene Querschnittsanalysen (z.B. Abweichungsanalysen) Längsschnittanalysen (z.B. Trendanalysen) Zugangsebene BusinessRadar Front End Business Rules Kundenwert Kundenmanagementmodelle (z.B. Cross-/Up-/Re-Selling) Autoren Systemebene BusinessRadar ETL Engine Interne Vorsysteme Integrierte Datenbank Referenzdatenbank Quelle: Profect 2: Das BusinessRadar im Überblick Dr. Christoph Nützenadel Partner & CEO [email protected] Dr. Dirk Arndt Managing Partner bei der Profect GmbH [email protected] 18 | Trend synpulse Industrialisiert und bereit für die digitale Transformation? synpulse Trend | 19 Treiber vor allem die Automatisierung und die Standardisie- komplett verbinden, ist noch kaum umgesetzt. So bleibt rung. Zweitens fanden sich Defizite im Bereich «Sourcing und ein Bankomat, der die passende Werbung zur letzten Unternehmenssteuerung». Diese Dimension rückt die Zent- E-Banking-Recherche des Kunden zeigt, weiter eine Vision. ralisierung und Spezialisierung in den Vordergrund. Drittens Dies zeigt, dass die Digitalisierung nicht zwingend die kom- besteht Aufholpotenzial in der IT-Architektur. Hier zeigt sich plette Absage an Bankfilialen bedeutet. Vielmehr müssen sich insbesondere die Komplexitätsreduktion als Treiber der Vor- die Banken bewusst sein, welche Zielgruppen sie verlieren, bereitung zur Digitalisierung. Doch wo bestehen die größten wenn der Zahlungsverkehr über Technologie-Unternehmen Lücken in der Vorbereitung konkret? abgewickelt wird und Kredite vermehrt Peer-to-Peer vergeben werden, währenddessen immer mehr Kunden auf Die meisten Banken haben die Bedeutung der digitalen Transformation erkannt. Das zeigt eine Studie von Synpulse und der IESE Business School. Die Institute der über 100 befragten Bankmanager sind jedoch noch nicht bereit, diesen Weg konsequent zu gehen. Autoren: Berno Ullings | André Burger «Die Lasten der Vergangenheit bremsen die Zukunft traditio- die neue Welt. 50% schätzen ihre Bank mindestens als teil- neller Banken», so die Schlussfolgerung der Studie. Mit der weise vorbereitet ein, währenddessen 28% zugeben, kaum Befragung von über 100 Bankmanagern in Spanien und an- oder gar nicht vorbereitet zu sein ( 2). deren Ländern Europas hat Synpulse der digitalen Transfor- Abhängigkeit vom Filialnetz die berechneten Anlagevorschläge von Investitionsrobotern Die Studienteilnehmer sehen immer noch die Bankfiliale als vertrauen. wichtigsten Vertriebskanal von Banken. Online-Banking und nutzen den Filialkanal weiterhin. Damit ist er nicht nur der Prozessmanagement hinkt anderen Industrien hinterher wichtigste, sondern auch der am weitesten verbreitete Gerade einmal 22% der Befragten erklären, dass ihre Prozes- Kanal. Durch diese Vorgehensweise ignorieren viele Banken se vollständig definiert und dokumentiert sind. 31% sind erst die wachsende Zielgruppe der «digital natives», die ihre jetzt daran, ihre Prozesse zu definieren und systematisch Bankgeschäfte ausschließlich digital abwickeln möchte. von Kunde zu Kunde zu betrachten. 11% der befragten Richtiges Omnichannel-Banking, bei dem sich die Kanäle Banken arbeiten immer auf Basis von ad hoc-Prozessen. Mobile-Banking folgen erst danach. Praktisch alle Banken 1: Status der Umsetzung der digitalen Bankenstrategie Besonders gewichtig wird diese Diskrepanz, wenn man die Umsetzungsstart für 2016–2018 geplant aufgedeckt: Die meisten Banken fühlen sich auf die die aktu- strategische Zielpositionierung der Banken betrachtet. Hier Noch nicht entworfen oder geplant elle digitale Revolution unvorbereitet. sagen 30% der Banken, dass sie die digitale Führerschaft übernehmen möchten und weitere 19% haben sich «early follower» zum Ziel gesetzt ( 3). Zwar sind bereits 94% der Entitäten im Bereich digitale Transformation aktiv geworden. 65% sind schon mitten in Lücken zur digitalen Transformation der Implementierung der Transformationsstrategie und zu- Die Industrialisierung der Banken gilt als Grundvorausset- sätzliche 19% sind gerade jetzt daran, eine konkrete Digitali- zung, damit die Banken den Weg der digitalen Transformati- sierungsstrategie zu entwickeln. Nur für wenige Banken ist on effizient gehen können. Banken, die ihr Back End industri- dies erst für die Jahre 2016–2018 vorgesehen und lediglich alisiert haben, sind besser darauf vorbereitet, eine ein ganz kleiner Teil plant gar keine Aktivitäten zu diesem Digitalisierungsstrategie effizient umzusetzen. Denn die Thema. Damit ist die Wichtigkeit des Themas erkannt. Denn Digitalisierung setzt direkt an die Industrialisierung an. technische Innovationen ermöglichen einerseits eine Revo- Sie wird zu Recht nach der ersten Industrialisierungswelle lution des Bankensektors. Andererseits erhöhen sprießende «Entstehung von Manufakturen» und der zweiten Industriali- Fintech-Unternehmen und große Innovationskonzerne den sierungswelle «Massenproduktion am Fließband» auch als Druck auf die traditionellen Banken, sich den Neuerungen zu die dritte industrielle Revolution bezeichnet. stellen und eine führende Position einzunehmen ( 19 Umsetzungstart für 2015 geplant mation den Puls gefühlt. Dabei hat Synpulse Erstaunliches Wichtigkeit und Dringlichkeit erkannt % 65 Entworfen und umgesetzt 1). Die Studie hat dabei Vorbereitungslücken bei Banken in drei Damit wäre zu erwarten, dass die Banken auch dementspre- verschiedenen Industrialisierungsbereichen offen gelegt. chend vorbereitet sind. Doch der Tenor ist dem entgegenge- Erstens hat sich Aufholbedarf in der Industrialisierungs- setzt: Nur 22% der Banken fühlen sich vollständig bereit für dimension «Prozesse und Operations» gezeigt. Hier sind die 10 6 2: Wahrgenommener Grad der Bereitschaft für die digitale Transformation Vollständig bereit % 22 22 Teilweise bereit 28 Vorbereitungen gestartet 17 Größtenteils unvorbereitet 11 Vollständig unvorbereitet 3: Zielposition im digitalen Banking Marktführer: Setzen einer Industrie-weiten digitalen Plattform und Technologiestandards Früher Verfolger: Entwicklung einer Nischenplattform oder spezifischer Dienste Später Verfolger: Teilnahme an vorhandenen Plattformen oder Einsatz von Diensten Selektiver Anpasser: Selektive Nutzung digitaler Technologien % 30 19 33 18 Quelle: IESE & Synpulse synpulse 20 | Trend synpulse Trend | 21 Dies zeigt einen weiterhin sehr großen Rückstand der auf Veränderungen reagieren zu können und die Digitalisie- Wie weiter? wertungen. In diesem zweiten Schritt wird die Zielpositionie- Finanzbranche gegenüber anderen Industrien. Dabei ist die rung aktiver zu gestalten. Die hohen Kosten komplexer Archi- In einem ersten Schritt definiert die Bank ihre Zielpositionie- rung der Bank mit dem aktuellen Stand verglichen. Die Definition der Prozesse nur im ersten Blick altmodisch und tekturen verhindern zudem, dass genügend Mittel für Inno- rung für die Digitalisierung. Soll sie digitale Führerschaft größten Rückstände in allen drei Dimensionen ergeben dann scheint zu Unrecht nur wenig mit Digitalisierung zu tun zu vationen frei sind ( übernehmen oder reicht eine defensive Strategie aus? Das in den Aktionsbereich, in dem die Bank handeln soll. Im dritten der Studie entwickelte Framework kann danach verwendet und letzten Schritt werden eine Aufholstrategie und ein 4). haben. Denn ohne standardisierte und wohldefinierte Prozesse bleibt die Hürde hin zur kompletten Digitalisierung Erst den halben Weg zurückgelegt werden, um in einem zweiten Schritt eine einzelne Bank mit Umsetzungsplan definiert, welche genau diese identifizier- derselben kaum überwindbar. Aus den Befragungsergebnissen hat Synpulse ein Reifegrad- dem Branchendurchschnitt und mit den Branchenbesten zu ten Lücken schließen, damit die Bank in kurzer Zeit ihr Ziel erreicht. modell erarbeitet. Dieses zeigt, wie weit die Banken in der vergleichen. Dabei unterstützt Synpulse seine Kunden mit Industrialisierung nur im Back End Vorbereitung zur digitalen Transformation fortgeschritten den bereits gesammelten Daten und den statistischen Aus- Die Industrialisierung im Back End ist dabei viel weiter fort- sind. Während die teilnehmenden Banken im Bereich «Pro- geschritten als bei den Kundenprozessen. So sind Karten- zesse und Operations» erst etwas mehr als den halben Weg transaktionen, Börsentransaktionen und der Zahlungsver- zurückgelegt haben, ist man im Bereich «Sourcing und Unter- kehr bereits hoch industrialisiert und vielerorts komplett nehmenssteuerung» bereits bei 68% angelangt. Besonders automatisiert. Hingegen wurde der Kundenberatungspro- groß zeigt sich die Lücke auch in der IT-Architektur, wo die zess von den Teilnehmern als am wenigsten automatisierter Banken gerade einmal bei 60% Reife angelangt sind ( 5). Notwendige Basis zur digitalen Transformation Prozess bezeichnet. Das hat einerseits damit zu tun, dass das Für die meisten Banken ist der Weg ins digitale Zeitalter noch aufgebaut wird. Andererseits fehlt vielen Banken auch der sehr weit und beschwerlich. Allerdings haben sich auch be- Mut, Alternativen anzubieten. Abhilfe schaffen hier derzeit trächtliche Unterschiede zwischen den Banken dargestellt. vor allem Fintech-Unternehmen, die den gesamten Bera- Für eine Positionsbestimmung einer Bank ist es deshalb hilf- tungsprozess industrialisiert und automatisiert haben. Mit reich, zunächst den Markt und die Marktbesten als stark vereinfachten Prozessen aber hohem Erlebniswert so- Benchmark zu nehmen und die drei Dimensionen genau zu wie extremer Schnelligkeit und Flexibilität sprechen diese betrachten. Das Modell von Synpulse zeigt dabei die Stellhe- Unternehmen zahlungskräftige Zielgruppen an, die von den bel zur Aufholjagd auf: traditionellen Banken abwandern. Standardisierung und Automatisierung der Komplexe IT-Architektur Prozesse und der Abläufe im Back End. 100% Prozesse und Abläufe Sourcing und Führung IT Architektur Industrialisierungsgrad: 58% Tiefere Kosten, weniger (menschliche) Fehler, erhöhte Geschwindigkeit, Straight-Through-Processing Industrialisierungsgrad: 68% Effizienzgewinne durch Synergien und Outsourcing, Führung und Kontrolle Industrialisierungsgrad 68% Verlässlichkeit, Anpassungsfähigkeit an neue Anforderungen, keine unnötige Komplexität Standardisierung und Automatisierung Zentralisierung und Spezialisierung Optimierung und Komplexitätsmanagement Zwar gibt ein Großteil der teilnehmenden Banken an, eine Kernbankenlösung implementiert zu haben. Allerdings be- Zentralisierung und Spezialisierung durch zeichnen 59% ihre IT-Architektur immer noch als hochgradig Externalisierung und Zerteilung der Wert- oder sehr heterogen. 70% der Banken sehen ihre IT-Architek- schöpfungskette. komplexe Architektur hindert die Banken derzeit daran, agil 5: Industrialisierungsrahmenmodell Komplexitätsmanagement im Bereich der IT-Architektur, um digitale Agilität zu schaffen. 21 IT Architektur Heterogenität 37 26 Funktionelle Redundanz 25 31 22 48 17 % 39 4 % 26 4 % Autoren Datenredundanz Sehr hoch Hoch Niedrig Keine Quelle: IESE & Synpulse 4: IT Komplexität (Heterogenität und Redundanz) 0% Quelle: IESE & Synpulse tur als funktionell hochgradig redundant und 56% sprechen von sehr hoher bis hoher Datenredundanz. Gerade diese Industrialisierungsgrad Vertrauen der Banken häufig auf persönlicher Interaktion Berno Ullings Partner [email protected] André Burger Associate Partner [email protected] 22 | From Outside In «Die Unternehmen haben eine große Bildungsverantwortung» Was ist gute Bildung? Wer ist dafür zuständig? Was ist Begabung, was Talent? Und was machen wir damit? Die Schweizer Bildungsforscherin Margrit Stamm hat nach jahrzehntelanger Forschung einige Antworten parat. Interview: Ruth Hafen synpulse synpulse From Outside In | 23 Margrit Stamm, Sie sind Direktorin des Forschungsinstituts anderer abhebt, wo man merkt: Hier ist etwas Außerge- Swiss Education. Woran arbeiten Sie gerade? wöhnliches vorhanden. Einige Zuhörer haben interveniert Vor ein paar Monaten habe ich eine Längsschnittstudie zum und mir gesagt, jedes Kind habe doch eine Begabung. Das ist Thema Talent, «Talentscout 60+», abgeschlossen. Es geht um zwar ein schöner Gedanke: Jedes Kind hat eine Grundbega- Leute, die auf dem Weg in die Pensionierung sind. Wir haben bung, sei das im sozialen oder emotionalen Bereich, im untersucht, über welche Ressourcen und Potenziale diese sportlichen oder manuellen. So wird kein Kind diskreditiert, Menschen verfügen und wie sie diese Ressourcen nachher es wird nicht gewertet. Anderseits scheint in der Ausbildung als Pensionierte brauchen. junger Lehrkräfte das weit Überdurchschnittliche, das Überragende, immer noch einen schweren Stand zu haben. Es hat Welche Ergebnisse haben Sie erstaunt? etwas Negatives. Wenn jemand herausragt, will man das Uns hat erstaunt, über wie viele und vielfältige Talente die nicht wahrhaben, das ist etwas, das nicht demokratisch ist. Untersuchten verfügen. Wir haben Talent definiert als Kom- Das finde ich problematisch an unserem Bildungssystem. petenzen, die jemand in jahrelangem intensiven Training er- Man spricht zwar von Begabung, aber «Hoch»-Begabung soll worben hat. Gleichzeitig hat uns erstaunt, wie wenig diese es dann auch wieder nicht sein. Kompetenzen, Talente und Expertisen systematisch in unserer Gesellschaft nachgefragt und angewendet werden. Wir Gibt es Länder oder Bildungssysteme, die besser mit machen in unserer Studie Vorschläge, wie man im Zuge des dem Thema umgehen? «War on Talents» die Generation 60+ einsetzen könnte. Vor allem die asiatischen Länder haben eine höhere Leis- Heute spricht man meist nur davon, wie viel das Alter kostet. tungsorientierung, wo die Besten der Besten auch spezifisch Wir möchten den Blick auf das Potenzial dieser Leute rich- gefördert werden. Oder Deutschland, das zwischen 20 und ten, dafür ist jedoch die Sensibilität noch nicht genügend 30 Begabtenförderwerke hat, in denen Jugendliche aus ganz vorhanden. unterschiedlichen Milieus gefördert werden. Auch in Österreich ist der Hang zur Nivellierung von Begabung nicht so Sie schreiben in einem Artikel über «Die neue Epidemie der ausgeprägt wie in der Schweiz. Hochbegabung wird schnell Talente». Was ärgert Sie an diesem Thema? einmal als anrüchig empfunden oder man sagt sofort, da (lacht) Eigentlich ist es ja schön, dass in der Schweiz jetzt stecken ehrgeizige Eltern dahinter. endlich die Talente, Begabungen und Potenziale wahrgenommen werden. Ich habe über 20 Jahre dafür gekämpft, Vor ein paar Jahren hat ja «Tiger Mom» Amy Chua mit einem dass man vom Defizitblick wegkommt. Mir fällt aber auf, wie Buch über ihre Erziehungsprinzipien ziemlich Furore gemacht. oft nun der Talentbegriff missbraucht wird. Talent muss nun Was sie schreibt, war eine enorme Provokation für europäi- für alles Mögliche herhalten. Wenn man einen Lehrling sucht, sche oder amerikanische Leser, weil sie sehr klar und ehrlich heißt es dann «wir brauchen Ihr Talent». Die Absicht dahinter darlegt, was sie von ihren Kindern fordert, wie sie sie formt mag wohl gut sein, aber eigentlich will man einfach Leute, die und unter Druck setzt. Ich denke, das ist eine sehr zugespitz- einen guten Schulabschluss haben oder geeignet wären, te Praxis, die sie da schildert. Trotzdem sehen sich vielleicht eine solche Lehre anzutreten. Der Begriff wird dermaßen in- manche Eltern im weitesten Sinn in solchen Aussagen ge- flationär gebraucht, dass er sich selber entwertet. Wenn man spiegelt, weil sie selbst – zum Teil sehr verdeckt – auch viel den Lehrling dann hat, wird er meist nicht mehr besonders von ihren Kindern fordern, und dabei auch mit Liebesentzug gefördert, von Talent ist dann plötzlich keine Rede mehr. Das und großem Druck operieren. Sie tun dies jedoch meist im kritisiere ich. Verborgenen und weniger extrem wie Amy Chua. Vor allem in der Mittel- und Oberschicht ist der Ehrgeiz verbreitet; das Mit dem Talent ist es doch wie mit dem Autofahren: Jeder eigene Kind soll besser abschneiden als das Nachbarskind. meint, er sei besonders begabt in dem, was er tut. Wo verläuft die Grenze zwischen Begabung und Hochbegabung? Ist die durchgetaktete Freizeit mancher Kinder ein Ein Beispiel: Anfang Juli hatte ich einen Vortrag vor vielen Hinweis darauf? Lehrkräften. Dort sprach ich von Hochbegabung und defi- Das sehe ich genau so. Die Förderkurse, die schon ganz früh nierte sie als überdurchschnittliche Befähigung in einem be- beginnen, die beste Kita muss es sein, dies erfordert dann stimmten Bereich, der sich eindeutig von den Fähigkeiten eine ganz durchgetaktete Wochenstruktur. Dies erachte ich 24 | From Outside In synpulse synpulse From Outside In | 25 zwar nicht als weiter schlimm. Aber problematisch finde ich, Hinzu kommt, dass eine regelrechte Therapiekultur entstan- Sie sprechen auch Expats und deren Erwartungen an. Bildung ist ein lebenslanges Thema. Als Kinder sind unsere wenn Eltern ihren eigenen Ehrgeiz verdecken und diesen den ist: Es bestehen Angebote, die Gemeinden haben Perso- Kann man Bildungssysteme international überhaupt Eltern, später die Schule für unsere Bildung zuständig. Einen stattdessen damit legitimieren, dass ihr Kind eben so stark nal eingestellt und müssen die Angebote füllen. Tun sie das miteinander vergleichen? Großteil unseres Lebens verbringen wir aber mit Arbeit. interessiert sei an den Förderkursen. nicht, riskieren sie Budgetkürzungen und müssen vielleicht Die PISA-Studien sind in ihrer Ausrichtung so angelegt, es Haben auch die Unternehmen eine Bildungsverantwortung? Mitarbeitende entlassen. werden Ranglisten erstellt. Es gibt aber eine wachsende For- Die Unternehmen haben eine große Bildungsverantwortung. schergemeinschaft, die diese Anlage kritisiert. Man gibt bei- Es gibt solche, die diese Verantwortung ausgesprochen gut Begriff. Was steht dahinter? Die Schweiz hat ein gutes Schulsystem. Trotzdem schicken spielsweise zu bedenken, dass Bildung und Schule etwa in wahrnehmen. Viele setzen sich schon in der beruflichen Das Ziel der frühkindlichen Bildung war ursprünglich, die immer mehr Eltern ihre Kinder auf eine Privatschule. China oder Japan eine andere Bedeutung haben als hierzu- Grundbildung entsprechend ein und stellen beispielsweise Kinder ganzheitlich zu fördern, ihren Fähigkeiten und Kapa- Woran liegt das? lande. Dort setzen sich Eltern, ja die ganze Familie, viel mehr auch Jugendliche ein, die zwar schlechte Schulleistungen zitäten entsprechend und in allen Bereichen: im sensori- Das hat sicher mit der Entwicklung zu tun, die ich gerade be- für den Schulerfolg ihres Nachwuchses ein als etwa in Süd- haben, aber über Potenzial verfügen, das sich nicht in guten schen, motorischen, im manuellen und emotionalen sowie schrieben habe. Seit der PISA-Studie, die aufgezeigt hat, dass amerika. Grundsätzlich ist es deshalb schwierig, Bildung Noten zeigt. Trotzdem setzen aus meiner Sicht zu viele im sozialen Bereich. Die Forschung beweist denn auch, dass die Leistungen der Schweizer Schüler gar nicht so gut sind, international zu vergleichen, weil jedes Land eine andere Unternehmen immer noch zu sehr auf Schulnoten und Kinder sehr früh adäquat gebildet werden können, jedoch im wie man geglaubt hat, hat die Wettbewerbskultur enorm zu- Kultur und ein anderes Bildungssystem hat. In der Schweiz -abschlüsse. Bei unserer Studie «Talentscout 60+» ist aufge- Sinn einer ganzheitlichen Bildung und Förderung. In den ver- genommen. Parallel dazu sind auch die Eltern im Zuge der etwa machen 66% der jungen Menschen eine Berufslehre fallen, dass viele Betriebe kein Age Management haben. Man gangenen Jahren, vielleicht auch im Zusammenhang mit Globalisierung in ihren Berufen immer mehr unter Druck ge- und nur 33% gehen aufs Gymnasium. In Spanien, Portugal stellt die Leute ein, bespricht mit ihnen aber nie, wie sie sich dem Wettbewerbsdenken unserer Gesellschaft und der Glo- raten. Viele Eltern wissen heute, was es heißt, in einer Wett- oder Italien gibt es keine wirkliche Berufsbildung. Darum ist entwickeln oder in welche Richtung sie sich verändern balisierung, hat sich die Botschaft der Frühförderung und bewerbsgesellschaft zu leben, in der konstant hohe Leistung es insgesamt schwierig, durch einen Ländervergleich eine könnten. Hier liegt ein großes Feld brach. Darum gibt es auch -bildung leider so verengt, dass man sie oft auf das frühe und Präsenz erwartet werden und Zertifikate überaus wich- Reihenfolge zu erstellen. In der Schweiz haben wir ein sehr viele 50-Jährige, die auf die Frühpensionierung warten. Bei Lesen und Rechnen lernen und auf andere kognitiv orientier- tig sind. Hinzu kommen die Expats, von denen mittlerweile gutes Bildungssystem, wobei die Berufsbildung allerdings der ganzen Diskussion um den Mangel an Fachkräften blenden te Kompetenzen verkürzt. Man will so früh und so viel wie immer mehr in der Schweiz arbeiten und für die oft das Gym- unter ihrem Wert verkauft wird. viele Firmen den Potenzialentwicklungsprozess einfach aus. möglich aus den Kindern rausholen, damit sie einen Vor- nasium die Norm ist, weil sie in ihren Herkunftsländern nur sprung auf die anderen haben. Heute sind deshalb viele dieses System kennen. Das alles hat dazu geführt, dass vor Dabei ist es genau das Schweizerische Berufsbildungs- Welche heutigen Bildungsangebote hätten Sie selber Eltern überzeugt, dass sie schlechte Eltern sind, wenn sie ihr allem Eltern aus der Mittel- und Oberschicht das Gymnasium system, das im Ausland überall großen Anklang findet. gerne gehabt? Kind nicht in einen Förderkurs schicken. im Blick haben und dabei überzeugt sind, dass die Matura Genau, auch Barack Obama möchte ein solches System ein- Es gibt nichts, das ich auf meinem Bildungsweg vermisst das ultimative Tor zum Erfolg sei. Deshalb schicken auch führen. Unser System bezeichnet man deshalb oft als Export- habe. Ich bin ein Kind der 70er-Jahre, also der Zeit der Wir haben in unserer Langzeitstudie festgestellt, dass Kin- besser situierte Eltern ihr Kind schnell einmal in eine Privat- schlager, aber viele bildungsambitionierte Eltern erachten Bildungsexpansion, wo ganz explizit auch Arbeiterkinder ge- der, die früh unter Druck gesetzt wurden, im späteren Leben schule, wenn die Schule oder die Lehrer nicht ihren Vorstel- eine Berufslehre eher als Option für schwache Schüler. In Be- fördert wurden und der Weg ans Gymnasium geöffnet wurde. im Durchschnitt weniger erfolgreich geworden sind als dieje- lungen entsprechen. Dieser Trend existiert vor allem in Groß- zug auf die Expats ist diese Haltung zumindest ein wenig Als Arbeiterkind konnte ich davon sehr profitieren, sonst hät- nigen, die entsprechend ihren Interessen gefördert wurden. städten und deren Agglomerationen. Das hat sicher auch mit nachvollziehbar, denn nach der Rückkehr in ihr Land hätte das te ich keine Chance gehabt. Die große Stärke unseres Bil- Druck und unbedingter Elternwille sind langfristig nicht er- der Entwertung des Lehrerberufs zu tun, Lehrerinnen und Kind mit einer Schweizer Berufslehre wenig Möglichkeiten. dungssystems ist es, dass es nicht mehr nur das Entweder– folgreich. Lehrer werden heute nicht mehr als Experten wahrgenom- Oder gibt. Entweder Berufslehre oder Gymnasium. Heute ist men, sondern als Berufsleute, die primär viel falsch machen. das System viel offener und die Tür bleibt auch für Junge of- Derzeit ist die frühkindliche Bildung ein viel diskutierter fen, die schulmüde sind oder Spätzünder. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht ... Genau. Dieser Grundsatz kann für Eltern sehr schwierig sein. Eine komplette Umkehr zu früher, wo der Lehrer sowieso Aber es wäre auch falsch, in Bezug auf die Frühförderepide- immer Recht hatte? mie nur den Eltern die Schuld zuzuweisen. Es hat sich in den Mit 22 Jahren habe ich mir noch erlauben können, als Primar- letzten 15 Jahren auch eine regelrechte Industrie entwickelt. lehrerin an einem Elternabend vor die Eltern zu stehen – zwar Es gibt für alles Fachleute und Therapieangebote, und die etwas unbedarft und mit wenig Erfahrung, aber viel Selbst- Kinder werden schon in Kita und Kindergarten sortiert in bewusstsein – und ihnen zu sagen, was ich will. In der «normal» und «nicht normal». Die Kinder werden einem ent- Gemeinde, in der ich unterrichtete, hatte ich viele Kinder aus sprechenden Angebot zugewiesen und therapiert. Den gut gebildeten Elternhäusern, aber die haben mir damals Eltern wird eingeimpft, dass man dringend etwas unterneh- geglaubt und das, was ich gesagt oder gefordert habe, men müsse, wenn man nicht riskieren wolle, dass das Kind abgenickt. Diese Situation hat sich in den letzten 20 Jahren bleibende Störungen davontrage. Der Gedanke, dass sich bei extrem verschoben. Heute werden Lehrpersonen oft nicht einem Kind etwas «auswachsen» kann, wie man früher ge- mehr als Profis betrachtet, sondern als eine zu kontrollieren- sagt hat, kommt heute nicht mehr zum Tragen. Viele Eltern de Größe. lassen sich durch die mediale Angstmacherei beeinflussen. Margrit Stamm Prof. Dr. Margrit Stamm, 65, leitet das Forschungsinstitut Swiss Education in Bern. Bevor sie sich Ende 2012 frühzeitig emeritieren ließ, um ihr Institut aufzubauen, hatte sie den Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie und Erziehungswissenschaft an der Universität Fribourg inne. Neben ihrer nationalen und internationalen Bildungsforschung ist sie Gastprofessorin an diversen Universitäten im In- und Ausland und sitzt in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten von nationalen und internationalen Organisationen. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind: frühkindliche Bildungsforschung, Talententwicklung und Bildungslaufbahnen vom Vorschulalter bis zum späten Erwachsenenalter, Begabungsforschung, abweichendes Verhalten im Jugendalter (Schulabsentismus und Schulabbruch) sowie Berufsbildungsforschung und Migration. Margrit Stamm ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. www.margritstamm.ch 26 | Strategie synpulse Wie aus einem passiven ein aktiver B2B-Vertrieb wird Der Wettbewerb im Schweizer Gewerbeversicherungsmarkt nimmt zu. Die Versicherer müssen darum künftig noch kosteneffizienter sein und gleichzeitig Broker- und Kundenbeziehungen auf hohem Niveau pflegen. Das gelingt nur, wenn Beziehungen priorisiert und Aufwände fokussiert werden. synpulse Strategie | 27 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% -1% -2% -3% 3.0 Mio. 80% 2.5 Mio. 70% 2.0 Mio. 60% 50% 1.5 Mio. 40% 1.0 Mio. 30% 20% 0.5 Mio. 10% 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013p 2014p Veränderung zum Vorjahr, nominal Veränderung zum Vorjahr, real Autoren: Christian Seidel | Patrick Bühler 90% 1: BIP Wachstum – Veränderung zum Vorjahr (Quelle: Bundesamt für Statistik - Produktionsansatz 0% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Gesamt Prämien Unfallversicherung B2B (UVGO/F, UVGZ, Kollektivunfall) Gesamt Zahlungen Unfallversicherung B2B (UVGO/F, UVGZ, Kollektivunfall) Gesamt SQ1* Unfallversicherung B2B (*Schadenquote 1, Rückstellungen nicht berücksichtigt, Finanzsicht) 2: Profitabilität in der Unfallversicherung in Tausend CHF (Quelle: Finma) Seit 2007 nehmen die nominalen Wachstumsraten – mit Aus- warnung bezüglich Entwicklung der Wirtschaftsleistung, die nahme des Jahres 2010 – stetig ab. Die aktuell prognostizier- nominale Wirtschaftsleitung nimmt für diese Periode auch Im Schweizer B2B-Versicherungsmarkt mit hoher Versiche- Preis. So kommt es nicht selten vor, dass die Preisspanne ten Zahlen für das Deklarationsjahr 2014 sind zwar nicht ne- ab. Es ist davon auszugehen, dass die aktuellen Deklaratio- rungsdichte ist das Wachstum oft maßgeblich von wirtschaft- vom günstigsten zum teuersten Angebot 50% und mehr be- gativ, für das Wachstum im Versicherungsportfolio aber doch nen (Effektive Umsätze / Löhne 2014) keine großen Deklarati- lichen Kennzahlen beeinflusst. In der Vermögensversiche- trägt. Die Versuchung, mit günstigen Preisen einzusteigen – sehr klein. Der prognostizierte Anstieg für 2013 ist angesichts onsgewinne abwerfen. Möchte eine Gesellschaft wachsen, rung ist es der Umsatz (Haftpflicht und Betriebsunterbruch), in der Hoffnung, den Vertrag bei schlechtem Verlauf sanieren der Euro-Krise für Schweizer Unternehmen noch keine Ent- soll sie das vor allem durch Neuakquise und Erneuerung tun. in der Personenversicherung ist es das AHV-Einkommen. Eine zu können – ist groß, wenn man Wachstumsdruck unterliegt. Ausnahme ist dabei die klassische Sachversicherung, wobei Als Folge davon gerät die Profitabilität unter Druck, was wie- auch hier der Vermögenswert durch das Wirtschaftswachs- derum das Wachstumspotenzial beeinträchtigt ( gestärkt und über ein Account Planning bearbeitet werden erhöhen. Dazu zählen an erster Stelle die Broker, die ihre kann ( Marktanteile über die letzten Jahre massiv ausgebaut ha- 2). tum indirekt beeinflusst wird, aber keine reale und automatisierte Meldepflicht gegenüber dem Versicherer besteht. 3). ben. Hier zeichnet sich ein Wandel ab: Der Broker entwickelt Am Beispiel der Unfallversicherung ist der Effekt gut zu er- Gerade geringes oder gar rückläufiges Wirtschaftswachstum mien und dies bereits seit einigen Jahren. Obwohl gewisse Ein strukturierter CRM-Prozess unterstützt die Zielerreichung ist ein Grund, warum im Verdrängungsmarkt mit immer här- Branchenexperten seit Jahren mit einer Trendwende rech- Um diese Maßnahmen standardisiert und konsequent um- ein strategischer Kunde als ein Vertriebskanal ist und homo- teren Bandagen gekämpft wird ( nen, ist diese noch nicht eingetreten. setzen zu können, ist ein strukturierter CRM-Prozess uner- gene Portfolios aufgrund der präferierten Angebote und lässlich. Der CRM-Prozess sieht für die Erneuerung sowie Preise eines Versicherers vermittelt, ist auch der Versiche- auch für die Leadbearbeitung im Neugeschäft immer eine rungsbroker als solcher zu betrachten. Die Zeiten, in denen fitabilitätsraten heute – die Deklarationsgewinne sind zwar In der Kundenbeziehung ist ein Umdenken angesagt Segmentierung des Marktes (Endkunde) und des externen die Versicherungsgesellschaft dem Broker Ausführungsauf- nicht negativ, im Vergleich zu früheren Jahren aber gering. Als Folge des Verdrängungskampfes muss sich eine Versiche- Vertriebspartners vor. Ebenfalls zentral für beide Prozesse träge zu einem bestimmten Kunden erteilt, sind längst vor- kennen: Die Zahlungen steigen überproportional zu den Prä- 1). Aufgrund der nachgela- gerten Deklarationen machen sich diese Effekte nur verzögert bemerkbar und belasten die Wachstums- und Pro- sich vom Vertriebspartner zu einem Kunden für das Versicherungsunternehmen. Genau wie ein Branchenverband eher rungsgesellschaft in der Marktbearbeitung sowie in der ist das Account Planning, um den Prozess effektiv abwickeln bei. Vielmehr bestimmt der Broker, welche Maßnahmen (sei- Wo sich Broker früher auf Großunternehmen konzentrierten, Vertriebsprozesseffizienz neu ausrichten. Dazu gehören zu können ( en es Erneuerung, Angebots- oder Vertragsanpassung) er haben Sie ihren Marktanteil in diesem Segment ausgebaut auch bewährte Methoden aus dem B2C-Geschäft wie Lead- und fokussieren sich vermehrt auch auf KMU Betriebe. Durch management, aber vor allem die Prozesseffizienz und Tool- die zunehmende Anzahl Player im Brokermarkt wird der Wettbewerb aufgrund der geschwächten Kundenbeziehung 4). beim Kunden umsetzen möchte. Entscheidend für einen Versicherer ist es deshalb, nicht mit jedem Broker die Zusam- unterstützung in der vertrieblichen Bestandspflege (Erneue- Vertriebspartner müssen strategischer und aktiver selektiert werden rungen). Ebenfalls äußerst wichtig ist es, Beziehungen zu Immer wichtiger ist die Beziehung zu den strategischen Ver- mentierung diejenigen zu identifizieren, die für den zwischen Versicherer und versichertem Unternehmen weiter Brokern und alternativen Vertriebspartnern so zu segmen- triebspartnern, die auf bestehenden Netzwerken aufbauen Portfoliobedarf des Versicherers das größte Potenzial haben strapaziert; bei Commodity-Produkten zählt vor allem der tieren, dass die Beziehung zu strategischen Key-Accounts oder diese mitbringen und so die Schlagkraft des Vertriebs und bezüglich Portfolioprofitabilität auf der Produktebene menarbeit passiv anzugehen, sondern über eine Brokerseg- 28 | Strategie synpulse synpulse Strategie | 29 zur Taktik und Strategie des Versicherungsunternehmens Verständnis vorhanden, wird die Beziehung zum Account an- wichtigsten steuerbaren Treiber hinsichtlich Volumen und passen. Auch die Branche oder die Unternehmensgröße, auf hand von Stärken und Schwächen analysiert. So kann etwa Profitabilität. Umso wichtiger ist es, den Prozess aktiv zu Strategische Segmentierung, Account Planning und Toolunterstützung sind Erfolgsfaktoren die sich ein Broker fokussiert, sind hier als Kriterien heranzu- ausfindig gemacht werden, dass beispielsweise der Vertrieb übernehmen und einzugreifen. Heute wird er oft offline Um im Verdrängungsmarkt mit Standard-Produkten beste- ziehen. und die Marketingunterstützung vom Broker sehr geschätzt durchgeführt. Als Konsequenz kann der Erneuerungserfolg hen zu können, muss die Kunden- und Vertriebspartnerbe- werden, jedoch in der Schadenabwicklung immer wieder Be- gemäß Zielvorgabe bis zum Ende der Erneuerungssaison oft ziehung neu definiert werden. Strategische Segmentierun- Von der eigenen Firmenstrategie zu gezielten Maßnahmen in Brokerbeziehungen schwerden auftreten. Anhand der Bedürfnisse des Brokers nicht überprüft werden. Ein CRM-Instrument, das den Pro- gen und ein effizientes Account Planning sind unerlässlich, und der Schwachstellen der Beziehung können bereits erste zess unterstützt, Echtzeit-Rückmeldungen und Reports er- um die Vertriebsprozesse effizient, effektiv und aktiv zu ge- Indem der Broker als Kunde betrachtet wird, wird er mehr in Maßnahmen abgeleitet werden. möglicht, hilft, den Prozess aktiv zu steuern. So kann sicher- stalten. Nur so kann im aktuell vom Preis beherrschten Markt gestellt werden, dass Kundenwünsche berücksichtigt eine Differenzierung erreicht werden. Im heute stark um- Messbaren Erfolg definieren und realisieren werden, die nicht der Erneuerungsvorgabe entsprechen. Das kämpften Markt ist rasches Handeln gefordert – sei es bezüg- Fällen als Versicherer, wie dies bei den Endkunden schon der Jedoch müssen vor der Umsetzung der Maßnahmen zuerst kann eine Änderung des Deckungsumfangs genauso betref- lich umsetzungsreifer Fachkonzepte oder Toolunterstützung. Fall ist, auch den Mut haben, sich von einzelnen nicht rentab- die eigenen Ziele mit dem Account messbar und bewertbar fen wie die Erhöhung oder Reduktion der Vertragsprämie. len Beziehungen zu trennen. Die limitierten Ressourcen der definiert werden. Diese reichen von der Anzahl der Brokerin- Insbesondere im Verdrängungsmarkt ist diese Flexibilität ein Versicherungsgesellschaften erlauben es sowieso nicht, alle teraktionen bis hin zu Profitabilitäts- und Umsatzgrößen. wichtiger Bestandteil der Kundenbindung. Accounts gleichermaßen zu betreuen. Nur die richtige Selek- Werden nun die Maßnahmen auf die Ziele übertragen und tion der Key Accounts anhand der eigenen Marktstrategie ergänzt, dann ist ein nachvollziehbarer und messbarer Jah- und Account-Profitabilität gewährt mittelfristigen Erfolg. resplan erstellt. Entscheidungsprozesse und in den Dialog zur Marktbearbeitung einbezogen als bisher. Letztendlich muss man in diesen Wichtigste Kriterien der Vertriebspartnersegmentierung: 3.1 Nun ist es der Vertriebssteuerung überlassen, den Fort- 1 schritt durch das Jahr zu verfolgen und korrigierend einzu- Marktsegmentierung (Kunde) greifen. Nur ein strukturiertes Account Planning erlaubt den Broker 2 VertriebspartnerSegmentierung langfristigen und nachvollziehbaren Ausbau der Beziehung Größe der Endkunden 4 Account Planning 3.2 Alternative Kanäle eines strategisch wichtigen Accounts. Die dazu notwendige Effizienz wird durch die Toolunterstützung sichergestellt. Bevorzugte Branchen in der Akquise Moderne CRM-Systeme können über Echtzeit-Rückmeldung einen Dialog zur Kundensituation zwischen strategischer Gesamt-Profitabilität 5.1 Priorisierung Erneuerungsaufträge und operativer Einheit schaffen, um so optimale Lösungen für Versicherer und Kunden zu finden und die Ziele gleicher- Wachstumspotential maßen zu erreichen. Produkterwartungen 5.2 Sind die Key Accounts identifiziert, so gilt es in einem weite- Im Erneuerungsgeschäft kann die Effektivität gesteigert werden ren Schritt das eigene Verständnis zu prüfen und die Bedürf- Insbesondere der Erneuerungsprozess ist als Teil des Be- nisse und Zielsetzungen der Broker nachzuvollziehen. Ist das standsmanagements im Unternehmensgeschäft einer der Priorisierung der Leads 6.1 Durchführung Erneuerungsaufträge 6.2 Abarbeitung der Leads 7.1 Steuerung der Erneuerungsaufträge 7.2 8 Ergebnisse rapportieren Steuerung der Leads Quelle: Synpulse 4: CRM-Prozess B2B End-to-End Prozesseffizienz / Tollunterstützung Leadmanagement / Neugeschäft Erneuerungsprozess Beziehungsmanagement Brokermanagement Alternative Kanäle Account Planning & Segmentierung Quelle: Synpulse 3: Maßnahmen für eine erfolgreiche Positionierung im Verdrängungsmarkt 9 Aufsetzen Kundenbindungsmassnahmen Autoren Christian Seidel Manager [email protected] Patrick Bühler Manager [email protected] 30 | Strategie synpulse Hybride Kunden erfordern integrierte Kanäle synpulse Strategie | 31 Hybride Kunden Natürlich ist die oben skizzierte Customer Journey stilisiert. Verhaltensanalysen und Kundenbefragungen zeigen, dass Auch der umgekehrte Fall ist durchaus denkbar, nämlich dass sich Kunden heute agil zwischen den Kanälen bewegen. Den sich ein Kunde erst einmal offline informiert und beraten lässt klassischen Online- oder Offline-Kunden gibt es immer weni- und dann online einen Abschluss tätigt, um von einem attrak- ger, und mit der fortschreitenden technologischen Entwick- tiven Tarifniveau respektive Kanalrabatt zu profitieren. lung wird die eingeschränkte Kanalsicht ganz verschwinden. Die typische Customer Journey kann wie folgt beschrieben Die oben skizzierten Schilderungen machen deutlich, dass werden. Online- und Offline-Welt zunehmend miteinander verschmelzen und ein integriertes, kanalübergreifendes Produkt- und Informationsphase: Kunden informieren sich heute Integriertes Channel Management (ICM) stellt das Produktmanagement vor neue Herausforderungen, denn jeder Kanal hat unterschiedliche Anforderungen an funktionierende Produkte. Dennoch erwartet ein hybrider Kunde ein durchgängiges Angebot. Komponentenansätze mit Deckungs- und Servicekomponenten sind ein Lösungsansatz. Autoren: Dr. Christoph Nützenadel | Dr. Michael Hartmann Pricingkonzept erfordern. bereits mehrheitlich online. Durch die Vielfalt der Angebote steigt die Bedeutung der Aggregatoren Anforderungen an Produkte und Pricing zunehmend. So informieren sich bereits heute mehr Ein solches übergreifendes Konzept bedeutet nicht zwin- Interessenten über Aggregatoren als über die einzelnen gend, dass der Kunde über jeden Kanal den gleichen End- Websites der Versicherer. Es ist also zentral, bei den preis erhält. Wichtig ist aber, dass dem Kunden die Unter- Aggregatoren so vertreten zu sein, dass der Kunde bei schiede, die sich in jedem Kanal ergeben, transparent einer Abfrage sowohl ein bedürfnisgerechtes als auch dargelegt werden und er basierend darauf entscheiden ein preislich attraktives Angebot erhält. kann, welchen Kanal er wählen möchte. Angebotsphase: Ausgehend vom Aggregator finden Ein möglicher Lösungsansatz besteht in einer komponenten- nun häufig die ersten Kanalübergänge statt. Selbst basierten Produkt- und Preisgestaltung ( wenn der Aggregator als Makler funktioniert und einen folgendermaßen aussehen: 1). Diese kann Die Mehrheit der etablierten Versicherer im Privatkunden- Ausschluss von Deckungen und unterschiedlichen direkten Abschluss ermöglicht, gibt es häufig Kanal- Produkt- und Preisgestaltung werden in verschiedene Kom- geschäft im DACH-Raum verfügt mittlerweile über einen Selbstbehalten. wechsel zu den Versicherern. Entweder erfolgt ein ponenten zerlegt. Jede Komponente für sich hat immer den Wechsel auf die Website, in das Service-Center oder in gleichen Preis – unabhängig vom Kanal. Dies hat grundsätz- eigenen Online-Tarifrechner für ihre Produkte respektive für einen Teil davon. Gleiches gilt für ihre Präsenz bei Aggregato- Kanalrabatt: Da davon ausgegangen wird, dass Kunden den Außendienst des jeweiligen Versicherers. Die lich zur Folge, dass das gleiche Set von Komponenten unab- ren. Die Bedeutung für solche Kundenzugangswege ist unum- die sich Online-Angebote anschauen, eher preissensitiv wenigsten Versicherer ermöglichen hier nahtlose hängig vom Kanal jeweils zum gleichen Marktpreis führt. stritten. Dennoch zeigen sich bei genauerer Betrachtung deut- sind, wird für den Online-Kanal ein eigenes Produkt mit Übergänge. Prozesse sind nicht integriert und Daten Jedoch sind pro Kanal einzelne Komponenten nur einge- liche Unterschiede in den Angeboten pro Zugangsweg und einem spezifischen (günstigen) Online-Tarifniveau ent- müssen neu erfasst werden. Erschwerend kommt schränkt oder gar nicht verfügbar, wodruch sich kanalspezi- viele Baustellen, die noch angegangen werden müssen. Häufig wickelt. Je nach Unternehmen wird der Kanalrabatt dann hinzu, dass es oft nicht möglich ist, das gleiche Produkt fische Preise ergeben. Solange die Komponenten für den sind die online gestellten Angebote durch technologische explizit ausgewiesen (z.B. pauschal –10%) oder einfach mit dem gleichen Preis anzubieten. Für den hybriden Kunden sichtbar und transparent sind, kann er selbständig Anforderungen und unter Zeitdruck entstanden, aber nicht erwähnt, dass ein Kanalrabatt bereits im Angebot be- Kunden ist dies höchst unbefriedigend. entscheiden, welche davon für ihn wichtig sind und welche auf strategischer Ebene konzipiert und abgestimmt worden. rücksichtigt ist. Die Rabatte werden dabei einheitlich und unabhängig von den Kriterien des Versicherungs- Typischerweise lassen sich die heutigen Online-Angebote nehmers oder des versicherten Objektes gewährt. wie folgt charakterisieren: Service-Center: Für die Kundenbetreuung, das VertragsPaketlösungen: Meistens wird davon ausgegangen, nicht. In der früheren Welt waren Komponente und Betreuungsphase: Schließt der Kunde schließlich einen Deckungsbaustein identisch. Zukünftig müssen auch Ser- Vertrag ab, stellt sich die Frage, über welchen Kanal er vice- oder Beratungsbausteine bepreist und als Komponente künftig betreut werden möchte. Auch hier muss ein gesehen werden. Dies führt den Kunden somit «automa- fließender Übergang möglich sein. Eventuell wünscht tisch» zum optimalen Kanal mit dem «richtigen» Marktpreis. management und allfällige Schadenbearbeitung wird der Kunde die Verwaltung über ein eigenes Portalkonto dass Kunden von der Vielfalt der Deckungsvarianten dem Kunden eine allgemeine Servicenummer angebo- oder aber über das Service-Center oder die General- Exemplarisch lässt sich ein Produktangebot in folgende und Selbstbehalte überfordert sind, zumal sie online ten, an die er sich jederzeit wenden kann. agentur. Wichtig für ein gutes Kundenerlebnis ist die Komponenten zerlegen: Durchgängigkeit der Informationsgrundlage über alle keine Beratung erfahren und höchstens noch Hinweisund Informationsfelder für statische Erläuterungen Die Übergänge zwischen den Kanälen werden oft weder pro- Kanäle. Die Frage «Wem gehört der Kunde?» kann anklicken können. Vor diesem Hintergrund werden zessual noch von der Produktlandschaft optimal unterstützt. folglich in einem integrierten Kanalmodell nicht mehr Tarifmerkmalen in Kombination mit dem gewählten meistens Paketlösungen mit Mini-, Midi-, oder Maxi- Es stellt sich im Rahmen der digitalen Transformation daher pauschal beantwortet werden, denn ein Kunde gehört Versicherungsschutz (Deckungen, Selbstbehalte), Konfiguration angeboten, die dem Kunden die Wahl unweigerlich die Frage, ob diese Art des Angebotes effektiv das niemandem und erlaubt sich bei jeder Interaktion, den einem Kosten- und Gewinnzuschlag. des Versicherungsschutzes erleichtern sollen. Die Kundenbedürfnis abdeckt und für den mehrheitlich kanalüber- Zugang wieder neu zu wählen. Unterschiede in diesen Paketen liegen im Ein- und greifend agierenden, hybriden Kunden noch funktioniert. Die Risikoprämie bestimmt sich aus den objektiven 32 | Strategie synpulse Beratungskosten können in verschiedenen Service- Ein weiterer Abzug ist möglich, wenn der Kunde auf levels angeboten werden – etwa als einfache Produkt- physische Dokumente verzichtet und die Komponente beratung, in der die Produktbausteine erklärt werden elektronischer Dokumentenaustausch wählt. (Option 1) oder in einer umfassenden Bedürfnisanalyse, die viel genauer auf die Risikoneigung des Kunden Eine letzte Option besteht hinsichtlich der möglichen synpulse Strategie | 33 cherungsdeckung ergeben sich damit viel mehr Möglichkei- möglich, den Kunden entlang der Customer Journey konsis- ten für differenzierte und wettbewerbsfähige Angebote. tente Angebote anzubieten. Durch die Service -Differenzierung können Produktlinien weiter ausgebaut und bedürfnis- Fazit gerechter angeboten werden. Um einen solchen Ansatz Aktuell sind die Online- und Offline-Angebote noch wenig umzusetzen, braucht es eine übergreifende Koordination eingeht (Option 2). Alternativ kann je nach Kanal im Schadenerledigung. Wählt der Kunde den elektronischen aufeinander abgestimmt. Beobachtungen zur Customer zwischen Produktmanagement, Aktuariat, Kundenservice, Sinne der Eigenberatung der Beratungsbaustein auch Weg, ist ein weiterer Komponentenabzug möglich. Journey machen jedoch deutlich, dass ein komponentenba- Vertrieb und Marketing. gänzlich wegfallen. siertes Produktkonzept im Kanalmanagement einer zuneh Der Marktpreis berechnet sich schließlich aus der menden Kundenanforderung entspricht. Mit diesem ist es Summe der oben geschilderten Zu- und Abschläge, Ein weiterer Servicebaustein ist etwa eine Best- die sich aus der Wahl der Komponenten ergeben. Price-Garantie bei mehrjährigen Laufzeiten, bei der das Produkt des Kunden immer mit der neuesten Tarifgeneration nachgeführt wird, sofern dies für sein Das Kernelement dieses Lösungskonzeptes besteht folglich Risikoprofil besser ist. darin, dass Komponenten unabhängig vom Kanal immer nur Grenze unter der ein Angebot keinen seriösen Deckungsumfang mehr besitzt einen einzigen Preis haben. Zu Unterschieden führt, dass die Ebenfalls ein Service, der unabhängig vom Produkt Komponenten nicht in allen Kanälen sinnvoll anwendbar sind. Das kann jedoch den Kunden transparent und nachvoll- Anfragen und Schadenmeldungen bearbeitet werden. ziehbar kommuniziert werden. Neben den kostenverursachenden Bausteinen gibt es Services gebucht werden kann, ist ein Service-Level, auf dem Paketierung auch kostenreduzierende. Ein solcher Baustein ist etwa Mit dem geschilderten Komponentenansatz ist es nun mög- der Einsatz einer Telematik-Box oder -App (je nach lich, Produkte aber auch Services zu bepreisen und mit dem Produkt), die es dem Versicherer ermöglichen, auf Produkt zu verknüpfen. Aus praktischen Überlegungen kön- Bewegungsdaten zuzugreifen und damit Verhaltens- nen die einzelnen Produkt- und Service-Bausteine wieder zu muster zur Risikobewertung zu erhalten. Paketen kombiniert angeboten werden ( 2). In der klassi- schen Welt werden Pakete nur produktbezogen gebildet. Über ein Portalkonto kann der Kunde seine Daten Eine Service-Differenzierung findet kaum statt. Mit dem selbst verwalten und damit eine Komponente komponentenbasierten Ansatz werden Services explizit Selbstadministration in Abzug bringen. bepreist und differenziert. In der Kombination mit der Versi- Versicherungsdeckung Premium Standard Sparangebot Quelle: Synpulse Risikoprämie 2: Produktdifferenzierung über Services Beratungsbaustein 1 Beratungsbaustein 2 Best-Price-Garantie Premium Paket Antwort- & Erledigungszeiten Rabatt für Telematikbox Autoren Rabatt für Selbstadministration Rabatt für Elektronische Dokumente Rabatt für Elektronische Schadenmeldung Marktpreis Gesamtpreis Quelle: Synpulse 1: Beispiel für eine komponentenbasierte Produkt- und Preisgestaltung Dr. Christoph Nützenadel Partner & CEO [email protected] Dr. Michael Hartmann Associate Partner (Topic Expert) [email protected] 34 | Trend synpulse Hinken Schweizer Spitäler der digitalen Transformation hinterher? Mit einer Marktstudie beleuchten wir das Angebot von digitalen Self-Services bei Schweizer Spitälern im internationalen Vergleich. Es zeigt sich, dass die digitale Transformation bei Schweizer Spitälern noch in den Kinderschuhen steckt. Autoren: Ingo Muschick | Dr. Andreas Wicht Mobile Kommunikationsmedien durchdringen immer mehr In vielen Bereichen des täglichen Lebens haben sich Self- Bereiche unseres Lebens. Tablets, Smartphones und die Nut- Services bereits etabliert, wie zum Beispiel das E-Banking zung mobiler Apps gehören im Berufs- wie auch im Privatle- oder das Online-Check-In bei einer Flugreise. Beim Eintritt ins ben inzwischen zu unserem Alltag. Wir können auf immer Spital ist es für Patienten jedoch nach wie vor die Regel, mehr Informationen mobil zugreifen und auf immer mehr Papierformulare auszufüllen und lange Zeit in Wartezimmern Aspekte unserer physischen Welt mobil Einfluss nehmen. zu verbringen. Ein Online-Check-In würde es dem Patienten Entsprechend ändern sich auch unsere Erwartungen und Be- hingegen erlauben, sich bequem von zu Hause aus am Vor- dürfnisse als Kunden respektive Patienten. Wir setzen es je abend für einen geplanten Spitaleintritt anzumelden und sei- länger je mehr als selbstverständlich voraus, dass Service- ne administrativen Daten auf digitalem Weg zu übermitteln. leistungen unabhängig von Zeit und Ort selbständig genutzt synpulse Trend | 35 jedoch noch viel mehr Potenzial. Sie erlauben es, Prozesse plett erfasst, indem sämtliche zugehörige Kliniken unter- effizienter zu gestalten und so Kosten zu reduzieren. Gewisse sucht wurden. Insgesamt umfasst die Studie damit 62 einzel- Arbeitsschritte können komplett dem Patienten überlassen ne Spitäler. Davon befinden sich 36 in der deutschsprachigen, werden, wobei dieser wie bereits beschrieben sogar noch an 21 in der französischsprachigen sowie 5 in der italienisch- Komfort gewinnt. Gleichzeitig kann der Leistungsanbieter so sprachigen Schweiz. Um die Resultate in einen Bezug zu set- beinahe schon in die Zukunft blicken: Informationen über zen, wurden zwei international renommierte Kliniken aus den Patienten stehen ihm früher zur Verfügung, wodurch den USA als Referenz herangezogen, die Mayo Clinic sowie Ressourcen entsprechend geplant und effizienter eingesetzt das Memorial Sloan Kettering Cancer Center. werden können. Eine Studie der Swisscom schätzte beispielsweise, dass alleine durch Digitalisierung des Zuwei- Das von außen ersichtliche Angebot der Spitäler wurde hin- sungs- und Austrittsprozesses bis zu 90% der Prozesskosten sichtlich verschiedener vorgängig definierter Kriterien un- eingespart werden können (Swisscom, 2014). Auch die Mit- tersucht ( arbeitenden einer Klinik profitieren: Sie können sich auf des Patientenerlebnisses (vor, während respektive nach dem wirklich wertschöpfende Arbeit konzentrieren, da weniger Aufenthalt) sowie auch unterschiedliche Aspekte (administ- repetitive administrative Aufgaben anfallen. rativ, medizinisch, Hotellerie/Service und allgemein) ab. Für 1). Die Kriterien decken die einzelnen Phasen jedes Spital wurden die unterschiedlichen Kriterien hinsicht- Systematische Untersuchung von Schweizer Spitälern lich ihrer Digitalisierungstiefe auf einer vierstufigen Skala Wo stehen Schweizer Spitäler heute in Bezug auf digitale hin zur vollständigen Interaktionsmöglichkeit über ein Self-Services? Um diese Fragestellung zu beantworten, un- Portal oder eine Smartphone-App. Mittels einer Gewichtung tersuchten wir die 20 größten öffentlichen und die 20 größten der einzelnen Kriterien nach ihrer Relevanz konnte so ein privaten Spitäler. Basis für die Auswahl der Spitäler war die Self-Service-Score zwischen 0 und 100 Punkten berechnet jeweilige Bettenzahl. Betroffene Klinikgruppen wurden kom- werden. bewertet. Die Skala reichte dabei von «kein Self-Service» bis Kriterium Phase Kategorie Zielgruppe Anmeldungsverfahren Vor Aufenthalt Administrativ Patienten Zuweisung Vor Aufenthalt Administrativ Ärzte Medizinische Beratung Vor Aufenthalt Medizinisch Patienten Angebotsberatung Vor Aufenthalt Allgemein Patienten Services auswählen Während Aufenthalt Hotellerie/Service Patienten Während Aufenthalt Hotellerie/Service Patienten werden können. In diesem Sinne werden wir als Kunden und Nutzen von Self-Services für Patient und Spital Verpflegung auswählen Patienten anspruchsvoller – wir agieren informierter und Dem Patienten bringen Self-Services eine ganze Reihe von Rechnungen verwalten Nach Aufenthalt Administrativ Patienten selektiver. Auf diesen Wandel werden sich auch Spitäler ein- Vorteilen. So sind sie nicht nur wesentlich komfortabler als Rezept anfordern Nach Aufenthalt Medizinisch Patienten stellen müssen. ihr traditionelles Gegenstück und können vom Patienten Medizinische Daten einsehen (Ärzte) Nach Aufenthalt Medizinisch Ärzte Terminvereinbarung Phasenunabhängig Administrativ Patienten Medizinische Daten einsehen (Patient) Phasenunabhängig Medizinisch Patienten Feedback geben Phasenunabhängig Allgemein Patienten Zentrales Zuweiserportal Phasenunabhängig Allgemein Ärzte Zentrales Patientenportal Phasenunabhängig Allgemein Patienten Mobile App Phasenunabhängig Allgemein Patienten ohne Wartezeit genau zu dem Zeitpunkt genutzt werden, an Automatisierung von Serviceleistungen dem es ihm am besten passt. Sie machen den Spitalaufent- Unter Self-Services werden automatisierte Serviceleistun- halt für ihn auch planbarer, transparenter und geben ihm das gen verstanden, die der Kunde ohne Beteiligung eines Gefühl, Einfluss nehmen zu können. All diese Aspekte be- Service-Agenten selbständig sowie orts- und zeitunabhängig günstigen ein positives Erlebnis des Patienten und tragen bedienen kann. In der Regel werden hierbei Prozessschritte damit zu seiner Zufriedenheit bei. mit Kundeninteraktion automatisiert und systemgestützt In Zeiten zunehmenden Wettbewerbs unter Leistungsanbie- ausgeführt. Der Self-Service stellt meist eine digitale Alterna- tern ist die Zufriedenheit der Patienten an sich bereits ein tive zum konventionellen Service-Prozess dar. wichtiger Aspekt. Für Leistungsanbieter bergen Self-Services Quelle: Synpulse 1: Bewertungskriterien zur Digitalsierungstiefe in Bezug auf Self-Service. 36 | Trend synpulse synpulse Trend | 37 Vergleichskliniken aus den USA weit vorne untersuchten Spitäler weit hinter sich. Das Kantonsspital 2) zeichnen ein eindrückliches Aarau kann mit einigen Self-Services und einem zentralen Fokus liegt auf administrativen Services im Vorfeld des Spitalaufenthalts erstaunlicherweise durch keines der untersuchten Spitäler Die Gesamtergebnisse ( Bild. Nur drei der untersuchten Schweizer Spitäler erreichen Zuweiserportal zwar punkten und führt damit das Schweizer Die Self-Service-Scores wurden auch für einzelne Phasen des erstaunlich ist, dass sich die gefundenen Self-Services im auf der Skala von 0 bis 100 mehr als 20 Punkte. Das US-Refe- Feld mit knapp über 35 Punkten an, liegt aber immer noch Patientenerlebnisses respektive für unterschiedliche Aspek- medizinischen Bereich vor allem an Ärzte richten. Das Poten- renzspital Mayo Clinic lässt mit fast 70 Punkten den Rest der hinter dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center. te der Kundeninteraktion berechnet ( 3). Dabei zeigt sich, zial des «Patient Empowerment» ist gegenwärtig noch völlig dass vor allem die Phase vor dem Spitalaufenthalt mit ungenutzt. Bemerkenswerter ist hingegen, dass sowohl bei Self-Services bewirtschaftet wird. Nur wenige Spitäler haben den untersuchten Schweizer Spitälern als auch bei den bei- auch in Self-Services investiert, die während oder nach dem den US-Referenzspitälern in der Kategorie Hotellerie/Service Aufenthalt genutzt werden können. Die für den Patienten in- keinerlei Self-Services gefunden werden konnten. mit spezifischen Self-Services unterstützt. Nicht weiter tensivste Phase, nämlich der Spitalaufenthalt selbst, wird 20 40 60 80 100 Mayo Clinic Memorial Sloan Kettering Cancer Center Kantonsspital Aarau Les Hôpitaux Universitaires de Genève Kantonsspital Graubünden Luzerner Kantonsspital Hirslanden-Gruppe Universitätsspital Zürich Kantonsspital Baselland Inselspital Bern Unispital Basel Stadtspital Triemli Clinique de La Source Centre hospitalier universitaire vaudois Kantonsspital St Gallen Clinique Générale B eaulieu Centre hospitalier du canton du Valais Clinica Santa Chiara Clinique des Grangettes Ente Ospedaliero Cantonale Genolier Swiss Medical Network Hôpital Fribourgeois Hôpital Neuchâtelois Kantonsspital Baden Kantonsspital Winterthur Lindenhofgruppe Privatklinik Linde Clinica Luganese Solothurner Spitäler Spital Netz Bern Spital Thurgau La Tour Réseau des Soins 0 50 100 Mayo Clinic Memorial Sloan Kettering Kantonsspital Aarau Hôpitaux Univ. de Genève Kantonsspital Graubünden Luzerner Kantonsspital Hirslanden-Gruppe Universitätsspital Zürich Inselspital Bern Kantonsspital Baselland Privat Referenz 2: Durchschnittliche Digitalsierungstiefe in Bezug auf Self-Service für die untersuchten Spitäler bzw. Privatklinikgruppen. 100 Nach Aufenthalt Vor Aufenthalt Öffentlich 50 Administrativ Mayo Clinic Memorial Sloan Kettering Kantonsspital Aarau Hôpitaux Univ. de Genève Kantonsspital Graubünden Luzerner Kantonsspital Hirslanden-Gruppe Universitätsspital Zürich Inselspital Bern Kantonsspital Baselland 0 Medizinisch 0 Öffentlich Privat Quelle: Synpulse Referenz Quelle: Synpulse 3: Durchschnittlicher Digitalisierungsgrad in Bezug auf Self-Service pro Phase und Kategorie. 38 | Trend synpulse Best Practice: Funktionale App und zentrales Zuweiserportal große Mehrheit der untersuchten Schweizer Spitäler das Zwei herausragende Self-Service-Angebote sollen an dieser portale sowie Smartphone-Apps als Interaktionskanäle für Stelle exemplarisch beschrieben werden: Patienten, Angehörige und zuweisende respektive nachbe- Potenzial von Self-Services noch kaum auszunutzen. Web- handelnde Ärzte sind eher die Ausnahme als die Regel. Die Mayo Clinic bietet die Smartphone-App mit dem größten Umfang an Funktionalitäten. Patienten können Die Erwartungshaltung von Patienten, Zuweisern und anderer mit Hilfe der App Terminanfragen starten, Termine Partner steigt entsprechend der fortschreitenden Digitalisie- verwalten, mit der Klinik respektive ihren behandeln- rung in diversen Lebensbereichen. Dies sollten sich Schweizer den Ärzten kommunizieren sowie Gesprächsnotizen Spitäler zu Nutze machen, indem sie gezielt in Self-Service- und Medikationspläne anlegen. Darüber hinaus bietet Kanäle investieren und so die Interaktion und Kommunika- die App Einsicht in Befunddaten: Neben Laborergebnis- tion mit Patienten und Partnern zukunftssicher gestalten. sen können auch radiologische Bildaufnahmen eingesehen werden. synpulse Vorankündigung | 39 Vorankündigung: Health-Value-Chain-Studie 2015/2016 Krankenversicherung und Spital: Wie gelingt der Brückenschlag? Mittels Roadmap ans Ziel Für einen ersten Schritt empfiehlt sich ein Digitalisie- In der Schweiz bietet das Kantonsspital Aarau rungs-Assessment, das Notwendigkeiten und Möglichkeiten Zuweisern ein komfortables Online-Portal an. identifiziert. Basierend darauf können dann in Form einer Auf diesem können Patienten angemeldet und Roadmap die weiteren Schritte strukturiert festgehalten, Zuweisungsunterlagen über eine gesicherte Ver- priorisiert und zeitlich geplant werden. Dazu gehören die bindung übermittelt werden. Darüber hinaus Prüfung von Umsetzungsoptionen und die systematische kann sich der zuweisende Arzt laufend über den Evaluation von Kooperationsmöglichkeiten, potenzieller Stand seiner Zuweisungen informieren. Plattform-Software und Umsetzungspartnern. Nach schrittweisen Umsetzungen lassen sich mit Hilfe erneuter Assess- Handlungsbedarf für Schweizer Spitäler Termin: 21. Januar 2016, ab 16 Uhr Ort: Impact Hub Zürich Viaduktstrasse 93, 8005 Zürich Anmeldung:www.zhaw.ch/zri/hvc-studie ments weitere Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren. Wie die Studie zeigt, befindet sich die digitale Transformation und insbesondere die Integration von Self-Services bei Anmeldungen zum Event nehmen wir per sofort Schweizer Spitälern noch in einem frühen Stadium. Im Ver- gerne entgegen (Plätze limitiert). gleich zu den untersuchten US-Referenzspitälern scheint die Verdankung Für die Mitarbeit bei der Konzeption der Studie sowie beim Sammeln und Auswerten der Daten gilt der Dank Dr. Dominik Langer sowie Dr. Yassir Madhour. Die Schnittstelle zwischen Krankenversicherer und Spital liegt im Fokus unserer aktuellen Studie, welche wir mit unserem Wissenschaftspartner, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (zhaw), durchführen. Auf Basis der Erkenntnisse aus zahlreichen Expertengesprächen und einer Umfrage mit über 100 Teilnehmern aus Krankenversicherungen und Spitälern untersuchen wir Status Quo, Bedeutung und Optimierungspotential der Schnittstelle. Autoren Die Ergebnisse unserer Studie werden wir am 21. Januar 2016 präsentieren. Es erwartet Sie ein Podium aus hochkarätigen Vertretern der beteiligten Branchen sowie spannende Diskussionen unter Moderation von Florian Inhauser. Kontakt Ingo Muschick Partner [email protected] Dr. Andreas Wicht Senior Consultant [email protected] Christian Ruhse Ingo Muschick Manager & Studienverantwortlicher Partner & Sponsor der Strategischen Initiative HVC [email protected] [email protected] +41 79 738 23 16 +41 79 815 68 16 40 | Trend Hat sich die M&A-Prognose nicht erfüllt? Die großflächig angekündigte Konsolidierungswelle auf dem Schweizer Bankenplatz ist bislang ausgeblieben. Warum das so ist, und weshalb eine Bank das Instrument M&A mehr denn je in ihr Strategiebuch schreiben sollte. Autor: Adrian Hartmann synpulse synpulse Trend | 41 Noch vor Kurzem war sich der gesamte Bankenplatz in der Bär-Gruppe (JB) im Jahr 2012 sowie die Übernahme der Schweiz einig: Einer großflächigen Konsolidierungswelle Coutts durch die Union Bancaire Privée (UBP). JB (u.a. Ferrier steht nichts mehr im Weg. Denn die Profitabilität im Wealth Lullin, Ehinger & Armand von Ernst, Banco di Lugano, ING, Management steht bereits seit längerer Zeit unter Druck. Merrill Lynch IWM, Leumi) und UBP (u.a. ABN Amro, Lloyds Organisches Wachstum ist aufgrund des hohen Margen- Private Banking, Coutts International) haben sich in den letz- drucks und der durch zusätzliche Compliance-Programme ten Jahren den Ruf als «Integrationsmaschinen» erworben. gestiegenen operationellen Kosten nur schwer möglich. Auch die Bank Vontobel zeigt sich nicht zuletzt mit der ange- Zudem wird der Handlungsspielraum der Großbanken durch kündigten Übernahme der Finter Bank diesen September die regulatorischen Kapitalauflagen aus Basel III, neuen wieder vermehrt aktiv. Andere Mitstreiter halten sich im Liquiditätsregeln, Stress Testing, SIFI-Vorgaben und Banking M&A-Bereich aber vornehmlich zurück. Warum ist das so? Secrecy Acts eingeschränkt. Kleinere Institute sind mit erhöhten Compliance-Kosten konfrontiert und müssen Hinderungsgrund 1: wachsen, um auf größere Plattformen zugreifen zu können Komplexität der Integration und so ihre Effizienz zu steigern. Die große Euphorie gegenüber Integrationsbestrebungen hat sich gelegt. Umfragen zufolge haben bis zu 90% der Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es zum Zusammen- Transaktionen nicht den gewünschten Return on Investment schluss komme, so die weitläufige Meinung. Zeno Staub, sei- gebracht. Mangelnde Qualität in der Projektausführung, zu nes Zeichens CEO der Bank Vontobel, malte vor zwei Jahren wenig genutzte Synergiepotenziale und der sich verändernde ein düsteres Bild. Er prognostizierte, dass ein Drittel der gut Markt werden als die drei Hauptgründe für den fehlenden 300 Finanzinstitute ihre Geschäftstätigkeiten aufgrund ihrer Erfolg genannt. Eine Bank überlegt sich heute stärker als US-Steuergeschichte aufgeben müssten. früher, ob sie imstande ist, die Herausforderung einer Integration zu meistern. Doch ein Blick in die Statistik ( 1) der letzten Jahre zeigt ein anderes Bild: Die Anzahl der Transaktionen, die von einhei- Den Integratoren wird dabei oft zum Verhängnis, dass sie der mischen Bankeninstituten initiiert wurden, ist nach wie vor Post Merger Integration (PMI) nicht die nötige Wichtigkeit überschaubar. Im Gegenteil: In keinem der letzten fünf Jahre beimessen und sich nicht von Anfang bis Ende durch das Top wurde der Höchstwert an Transaktionen aus den Jahren 2007 Management begleiten lassen. Legal Advisors verlassen das und 2009 wieder erreicht. Die größten Deals der jüngsten Projekt unmittelbar nach Abschluss der Vertragsverhandlun- Vergangenheit sind nach wie vor die Akquisition des gen, ohne dass eine Übergabe an die PMI-Organisation Non-US-International-Wealth-Management-Geschäfts der erfolgt. Linienverantwortliche werden mit der Aufgabe, die Merrill Lynch von der Bank of America durch die Julius- Organisation zusammenzuführen, alleine gelassen. 30 20 10 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Gesamtes Unternehmen 2011 2012 2013 2014 2015 Geschäftszweig Quelle: Thomson Reuters 1: Anzahl Bankentransaktionen aus der Schweiz 42 | Trend synpulse synpulse Trend | 43 Eine erfolgreiche Integration erfordert die Berücksichtigung Hinderungsgrund 2: Dies führt dazu, dass Banken vermehrt opportunistisch agie- Steigende Preise von harten (Prozesse, Produkte, IT) sowie weichen (Kultur, Angst vor bestehenden Strafzahlungen ren und «Rosinen» mit tiefem Risiko prüfen. Ein Blick in die Die Preise für übernommene Vermögen im hiesigen Private Kommunikation) Faktoren, die ineinander verzahnt sind. Das Die stete Angst vor hohen Strafzahlungen aufgrund von Zahlen bestätigt es: In den letzten fünf Jahren hat der Über- Banking waren seit 2009 im steten Sinkflug und ein entschei- Integrationsteam tut gut daran, sich zuerst auf die kritischen Rechtsverletzungen hindert viele Schweizer Banken daran, nahme-Anteil von kompletten privaten oder öffentlichen Un- dendes Hemmnis für Übernahmen. Nun scheint eine Trend- Integrationsbereiche zu fokussieren. Deren Priorisierung nach neuen Übernahmekandidaten Ausschau zu halten. Die ternehmen abgenommen. Seither lösen die Käufer vermehrt wende in Sicht: Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist der Faktor hängt dabei von verschiedenen Faktoren (wie Zeithorizont, drohenden Geldstrafen binden die liquiden Mittel in der einzelne Geschäftszweige heraus. Ein bestimmter Transakti- auf den verwalteten Vermögen wieder im Steigen begriffen. Kriegskasse. Banken haben aus der jüngsten Vergangenheit onstyp ist für einen solchen chirurgischen Eingriff besonders Dieser «Multiple», welcher bei Banken-Deals für die Preis- ihre Lehren gezogen und wollen keine zusätzlichen Risiken in geeignet: Die Transaktion als «Asset Deal» (Fokus auf findung zentral ist, stieg von 1.3% im Jahr 2013 auf 2.1% im ihre Bücher aufnehmen und so Gefahr laufen, in die Fänge Kundenbeziehungen und deren Vermögen) abzuwickeln, hat vergangenen Jahr und liegt somit exakt auf dem Niveau, das der Strafverfolger zu geraten. sich in der jüngsten Vergangenheit als neuer Standard eta- weltweit für die Vermögen von Privatbanken gezahlt wird. Kompatibilität der Systeme usw.) ab ( 2). Soft bliert und dem traditionellen «Share Deal» (Kauf sämtlicher ist. Banken mit starker Bilanz, bereinigten Kundenbüchern Kunden und Vertrieb Geschäftsstrategie IT-Kompatibilität le revidiert. Und doch mehren sich die Anzeichen, dass das Digitalisierung M&A-Karussell schon bald wieder an Schwung gewinnt. Das Zielobjekt wird im Zeitalter der Digitalisierung vermehrt Einigung mit den USA bietet die perfekte Gelegenheit, mangelnde technische Erste Banken erzielen eine Einigung im Schuldenstreit mit Maturität rasch wettzumachen und sich modernstes Know- den USA. So hat die Julius Bär beispielsweise für den an- how clever einzukaufen. Moderne Prozesse steigern dadurch gestrebten Vergleich 350 Millionen Dollar zur Seite gelegt. Ein die Kundenzufriedenheit und schaffen mehr Agilität im Betrag, welcher zudem weit tiefer ausfällt, als von den Ana- Umgang mit neuen Business-Anforderungen. lysten ursprünglich vermutet. So oder so gilt: Rückstellungen schmälern zwar den Konzerngewinn, die Gewissheit über deren Höhe schafft nach der Glattstellung dafür wieder Produkte und Dienstleistungen Freiraum für Akquisitionen. Prozesse und Know-how Anzahl Standorte Zeithorizont Regulatorische Bedingungen Hart Autor Intern Extern Reichweite Integrationsbereiche Einflussfaktoren Quelle: Synpulse 2: Integrationsbereiche und Faktoren, welche die Priorisierung beeinflussen in Zukunft zu nutzen wissen und zu Serien-Käufern werden. nach technologischen Kriterien ausgesucht. Eine Akquisition Kultur und Positionierung Faktoren hat aufgezeigt, wie herausfordernd ein Zusammenschluss Transaktionsart weit besser kontrolliert werden. Viele Experten haben ihre ambitiösen Prognosen mittlerweiZiel der Transaktion IT-Architektur und Infrastruktur Die Ernüchterung über die jüngsten Akquisitionsbeispiele langwieriger gestalten, dafür können die Risiken durch diese Findet die Konsolidierung noch statt? Transaktionsgröße Akquisitionstyp Serienkäufer laufen. Die Überführung der Kunden mag sich zwar etwas und hohem M&A-Fokus werden ihre Integrationskompetenz Integrationserfahrung Mitarbeiter und Organisation Verträge, Infrastruktur und Verpflichtungen) den Rang abge- Adrian Hartmann Associate Partner [email protected] Impressum The Magazine erscheint 3-mal pro Jahr. Die Artikel sind unter www.synpulse.com abrufbar. Herausgeber: Synpulse Schweiz AG, Zürich | Redaktion: Texthafen, Zürich | Realisation: Synpulse Schweiz AG, Zürich | Druck: Neidhart + Schön, Zürich, Papier FSC-zertifiziert | Zuschriften und Anfragen an: Synpulse Schweiz AG, Thurgauerstrasse 32, CH-8050 Zürich, Telefon +41 44 802 2000, Fax +41 44 802 2001, [email protected] | Copyright: Die Vervielfältigung von Artikeln ist mit Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe gestattet. 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