DIE ANTIGONE des SOPHOKLES ins Deutsche übertragen von BERNDT RENNE (Hildesheimer Fassung) c 2002 ANTIGONE: 5 10 Ismene,Schwester,Ebenbild an Schicksal mir Siehst du ein Leid,von Ödipus auf uns gebracht Das Zeus uns beiden letzten Lebenden erspart? Nein,keinen Jammer gibt es,weder Schmerz noch Schmach Kein Fluch ist in der Welt,nicht eine Schande,die Ich nicht in unserm Unglück wiederfinden kann. Und nun,was raunt man,hat der neue Herrscher jetzt Verfügt,für unser Volk,das Land,die Stadt? Dich kümmert nicht,dass es hier immer kälter wird? Hast du davon gehört,wie Kreon um sich schlägt? ISMENE: 15 Kein Wort,Antigone,von keinem Freund,kein Trost Kein Vorwurf,nichts,von niemandem,nur Stille seit Der Tod die beiden Brüder uns,den Schwestern nahm. An einem Tag ein Doppelmord durch Bruderhand. Als letztes hört ich von der Flucht des fremden Heers Vergangne Nacht.Doch weiter weiss ich nichts,auch nicht Was günstig für mich wäre und was unheilvoll. ANTIGONE: Das dacht ich mir und rief dich deshalb aus dem Haus Hierher vors Tor.Dass du die Nachricht hörst von mir. ISMENE: 20 Die Lippen beben dir,die Stirn ist zornbefleckt. ANTIGONE: 25 30 35 Was bleibt von unsern Brüdern?Nicht einmal ein Grab. Dem einen wird’s gewährt,versagt jedoch dem andern. Eteokles hat Kreon,heisst es,beigesetzt Wie sichs gehört,seit altersher die Ordnung ist Und Ehre wartet auf ihn nun im Totenreich. Doch Polyneikes` ebenso entseelter Leib Darf nicht,und das soll in der Stadt verkündet sein Begraben werden wie der Bruder,nicht beklagt. Er soll im Dreck daliegen,nackt und unbeweint Zur Lust der Geier nur bei ihrer Jagd nach Aas. Für uns hat das der neue König ausgedacht Für dich und mich,ich fass es nicht,ein Grab-Verbot! Er käme selber,dem,ders noch nicht weiss,nicht glaubt Zu wiederholen den Bescheid,nicht wenig ernst Sei ihm die Sache;wer missachtet das Verbot Dem droht mit Mord er – öffentlicher Steinigung. So stehts um uns!Entscheide schnell,wofür du bist Wogegen,denn Partei bist du in jedem Fall. ISMENE: 40 Ich Ärmste.Respekt vor Kreon oder ihrem Tod? Was tun?Begraben oder nicht.Hilf du mir doch! ANTOGONE: Wer Hilfe nötig hat kann nicht die Frage sein. ISMENE: Bei Widersetzlichkeit?Und wohin führt dich die? ANTIGONE: Zu Stolz,wenn deine Hand mit mir den Leichnam trägt. ISMENE: Begraben willst du ihn und trotzen dem Verbot? ANTIGONE: 45 Es ist der Bruder.Bleibt es,wenn du dich auch sträubst. Ich ehr den Bruder.Treulos findet er mich nicht. ISMENE: Entsetzlich!Tollkühn!Wo es Kreon untersagt! ANTIGONE: Er mag sein Recht festhalten,ich tu meine Pflicht.(behaupten ISMENE: 1 1 1 Bedenke Schwester,Ödipus der Vater schon verirrte sich und starb, gemieden von der Welt Als ihn die schlimmste aller Irrung blendete Riss er die Sternenaugen aus mit eigner Hand. Dann greift die Mutter,oder sag ich Ehefrau Ein Fluch,das Wort,zum Würgestrick und hängt sich auf . Zum Dritten nimmt das Bruderpaar an einem Tag Sich gegenseitig mordend weg aus dieser Welt. Verwandte! Tot der eine von des andern Hand. Und nun wir zwei,die einsam übrig blieben,du Wir werden grauselige Qualen leiden,wenn Wir mutwillig missachten Kreons Anweisung. Bedenke seine Macht.Nur Weiber sind wir,schwach und unsre Waffe gegen Männer ist nicht Streit. 1 Sie sind die Stärkren,und der Stärkere hat recht. Lass uns gehorchen,wenn es auch noch schlimmer kommt. Ich bitte unsre Brüder in der Unterwelt Sie mögen mir verzeihn,ich handle unter Zwang Und folge denen,die am Ruder stehn der Macht. Wer mehr will,als er kann,ist dumm,dem fehlt Vernunft. ANTIGONE: 1 1 Ich rede dir nicht zu,ich zwing dich nicht,selbst wenn Du helfen könntest,wollte ich nicht mehr,lass sein. Und mache,was du willst.Ich aber,glaub`s,werd ihn Begraben.Und für solches Tun sterb ich dann gern. Bei dem Geliebten werd ich ruhn als Liebende Verschaff dem Anstand,sei es ungebührlich,Recht. Gefallen finden muss an mir die Unterwelt Sie nimmt mich auf für immer.Du,nach deinem Bild Entehre was in hohem Sinn bei Göttern steht. ISMENE: Entehren?Nein.Doch widersetz ich mich nicht gern Der ganzen Stadt.Nein, dazu fehlt mir schlicht die Kraft. ANTIGONE: 80 Bleib du bei deinem Vorwand.Ich geh meinen Weg. Und schaff dem liebsten Bruder wenigstens ein Grab. ISMENE: Bedauernswerte,du.Ich habe Angst um dich. ANTIGONE: Um mich?Um dich und deine Zukunft sorge dich. ISMENE: 1 Versprich mir!Sage,was du vorhast niemandem. Verbirg im Dunkel das,auch ich halt meinen Mund. ANTIGONE: Herausschrein sollst du,was ich tue,wenn du schweigst Für dich behältst die Wahrheit,hass ich dich dafür. ISMENE: Dein Herz ist heiss,du willst`s,und mir gefriert das Blut. ANTIGONE: Ich weiss,was ich zu tun hab,was ich lassen muss. ISMENE: 1 Doch kannst du`s?Was du vorhast,das ist hoffnungslos. ANTIGONE: Ich ende,wenn es über meine Kräfte geht. ISMENE Für dich gilt auch:man jagt Unmöglichem nicht nach. ANTIGONE: 95 Verachtet bist du,für den Spruch,und sicher sei Wie ich,so hasst dich auch mit Recht der Tote dort. Lass mich allein und ohne deinen irren Rat, Ich will mit Würde leiden,wenn es Strafe gibt. Und muss ich sterben,will ich doch geachtet sein. ISMENE: Du hasts beschlossen,also geh.Nur wisse,Wahn Ist mit dir,Schwester,liebe,Törin bist du schon. (Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab.) EINZUG DES CHORES ERSTE STROPHE DER CHOR: 1 1 Morgenröte,erste,schönstes Licht Das unsrer siebentorigen Stadt Theben,so noch nie erschienen. Augenblick des goldnen Tages Endlich bist du da und strahlst. Hebst dich über dirzäische Bäche und Ares,der mit blitzendem Schwert Kam von Argos in Rüstung,so reich Triebst in scharfem Galopp du zurück Fort floh er,reissend am Zügel. CHORFÜHRER: 1 1 Ares,den Polyneikes` Zwist mit dem Bruder Zum Angriff führte auf unsere Stadt Schrill kreischend stiess er herab Kühn wie der Adler,der weissflüglige Weiss auch die Schilde,der Krieger,wie Schnee und unendlich viel Waffen,verschiedene Kämpfer mit rossmähnigen Helmen. ERSTE GEGENSTROPHE DER CHOR: 120 1 Über den Dächern schon schwang er Lanzen gleich Klauen gespreizt,die stiessen Gegen die blutenden Münder der Stadt. Wir trieben den Kriegsgott zurück,bevor Er sich satt trank an unserem Blut und Ehe die Zinnen,die Kronen der sieben Türme Hephaistos` Flammenglut auffrass. Auf seinem Rücken tanzten die Donner Und schwer machte Zeus ihm den Kampf mit dem thebischen Drachen. CHORFÜHRER: 130 Vermessene Zunge hasst nämlich Zeus Hochfahrenden Dünkel,den er sah als des Feindes mächtige Woge rollen zum Sturm Goldklirrend,eitel,voll Hochmut. Zeus schlägt seinen Blitz und es stürzt Kurz vor dem Ziel einer der Fremden Der gerade noch SIEG brüllen wollte. ZWEITE STROPHE DER CHOR: 1 1 Hart schlug auf er am Ende des Falls der wutschnaubend angetreten war in trunkenem Wahnsinn,mit Feuer und Schwert in tödlichem Sturm uns hinwegzufegen. Doch es ging anders aus. Andres beschied Ares,der Kriegsgott,den anderen. Zuschlug mit mächtigem Hieb er, trieb sie davon. CHORFÜHRER: 145 Denn sieben von uns,an sieben Tore gestellt Mann gegen Mann kämpfend zu Ehren des Zeus Entrissen die goldnen Trophäen dem Feind. Bis auf die Brüder:fanden die doch,von Einem Vater gezeugt und einer Mutter Im Kampf mit sich selbst den Bezwinger Empfingen gemeinsamen Tod,Bruder von Bruder,beide. ZWEITE GEGENSTROPHE DER CHOR: 1 Auch deshalb kam Nike – gepriesen ihr Name – Theben,der wagenreichen,den Sieg zu verkünden. Doch jetzt nun,am Ende des Krieges Viel Leid ist getragen,feiert; Heute und Morgen Zu allen Tempeln der Götter zieht hin Tanzend wird euch die Nacht zum Tag Bacchus soll zittern machen vor Lust unsre Stadt. CHORFÜHRER: 1 1 Kreon kommt dort,Menökeus` Sohn Zum Herrscher der Stadt aufs Neue bestellt Eine Fügung,die Werk verschiedener Götter ist. Was will er?Was bloss treibt um ihn,dass Die Alten der Stadt er eigens hierherrief Uns zur Beratung bittet,und das auch noch öffentlich,durch zu befolgenden Aufruf. KREON: 1 1 1 180 1 190 1 1 1 Mitbürger!Theben steht!Die Götter haben es Zwar sehr gebeutelt,nicht aber zu Fall gebracht. Euch lud ich ein,hierher zu kommen,wählt euch aus zweier Gründe wegen,die ich auch gleich nennen will. Ihr achtet stets,das erstens,ThebensThrongewalt. (Lajos` Selbst als der Mutterschänder Ödipus regiert Und nach ihm seine Söhne herrschen sollten,bliebt Ihr dennoch,zweitens,treu den Kindern dieses Manns. In doppeltem Verhängnis starben beide uns An einem Tage,einer durch des andern Hand. Entsetzlich,find ich,Mörder sein des eignen Bluts. An mich fiel daraufhin der Thron und alle Macht Als Nächstem in der Folge unseres Geschlechts. Unmöglich zwar bei einem Menschen das Gefühl Sein Denken,Wollen zu ergründen,eh sich zeigt Wie er`s,einmal im Amt,mit den Gesetzen hält. Doch wer als Lenker eines Staats an bestem Rat sich nicht mehr festzuhalten weiss ist fehl am Platz. Und wer es nur noch allen recht zu machen hofft Den halt ich für erbärmlich,heut wie eh und je. Auch jenen,der statt seines Vaterlands den Freund Bevorzugt,ihn zuerst bedenkt,verachte ich. Denn teuer ist mir Zeus,der alles hört und sieht Ich schweige nicht,das weiss von mir ein jeder,wenn Ein Unheil auf die Bürger zukommt statt Gewinn Noch werd ich jemals einen Feind der Heimatstadt Zum Freund mir machen,weiss ich doch genau,nur so Bring ich das Staatsschiff durch die raue See. Und nur wer dabei hilft,ist mir ein wahrer Freund. Bei Zeus,mit solcher Satzung wird die Stadt gedeihn. Aus gleichem Grund verkünd ich euch,den Bürgern jetzt Was mit den Söhnen Ödipus` geschehen soll. Eteokles,der sich im Kampf für unser Land bewährt und dabei um sein Leben kam – ein Held ihn bette man ins Grab und schmücke es mit dem was man den Helden mitgibt auf den letzten Weg. Doch seinen Bruder,Polyneikes,ihn,sag ich Der Heimat und die Götter,die uns kostbar sind verriet,als Söldner wiederkehrte und die Stadt verheeren wollte,niederbrennen,um an Bürgerblut sich satt zu trinken,euch zu Sklaven machen,ihm beschlossen ist` s und bleibt auch so,darf niemand hier ein Grab mit Trauergaben,klagen richten,er bleibt unbestattet liegen wo er liegt,zum Frass den Hunden,Vögeln,bis von ihm nichts übrig ist. Das ist mein Wille!Auch in Zukunft werde ich Verbrecher nicht noch ehren,ihnen gilt der Kampf. Doch wer es gut meint mit der Heimat,unsrer Stadt Der sei von mir geehrt,lebendig oder tot. CHORFÜHRER: Verfüge was du willst,es ist dein gutes Recht. Was du für richtig hältst,für Freund und Feind,das tu denn du bist das Gesetz,Kreon,ob Feind,ob Freund Für Tote und für uns,die noch am Leben sind. KREON: 1 Ihr seid verantwortlich für den Befehl ab jetzt. CHOR: Den jungen steht ein solcher Auftrag eher zu. KREON: Zur Leiche sind sie unterwegs.Hier brauch ich euch. CHOR: Wozu? Was nützen wir dir vor dem Tor? KREON: Die Augen haltet offen,ob mich wer belügt. CHOR: 1 Ein Narr,der unbedacht mit seinem Leben spielt. KREON: Das wär der Preis,gewiss.Doch Hoffnung auf Gewinn Hat mehr als einen Menschen zu Betrug verführt. (Auftritt der Bote) BOTE: 1 230 O Herr,die Eile ist es nicht,dass ich So ausser Atem bin,als wär ich schnell gerannt. Blieb ich doch immer wieder stehn und blickte starr Zurück und konnte doch nicht glauben,was ich sah. Und immer wieder sprach ich mit mir selbst. ‚Du wirst bestraft für das,was du zu sagen hast!‘ ‚Behalts für dich!‘ ‚Irgendwie erfahren wird Es Kreon,dann hast du erst recht die Schuld!‘ 235 So stolperte ich grübelnd hin und her den Weg. Der wurde länger mir,je weiter ich ihn ging. Am Ende war mir klar,ich muss hierher zu dir Und sprech es aus,es ist zwar nichts,doch immerhin Kann mich nichts Schlimmres treffen,als der Botentod. Nur Hoffnung brauch ich,dann geschieht mir nichts. KREON: Was soll das? Hast du etwa vor der Wahrheit Angst? BOTE: 1 Es hängt für mich viel ab davon,ob du mir glaubst. Ich hab es nicht getan und nicht gesehn,wer`s tat. Es wäre falsch,wenn du mich dafür noch bestrafst. KREON: Du sicherst dich nach allen Seiten ab,bevor Die Neuigkeit dir über deine Lippen kommt. BOTE: Mein Herr,ein schweres Wort bewegt man nicht so leicht. KREON: Und willst du reden endlich,oder lieber weitergehn? BOTE: 1 So sag ich dir,es hat den Toten irgendwer Begraben und ist weg,nachdem er ihn geschmückt. Zufrieden ruht der Tote nun im Bett der Pflicht. KREON: Du unterstehst dich?Wer besass die Dreistigkeit? BOTE: 1 1 Ich kann es dir nicht sagen.Nicht ein Spatenstich nichts Umgegrabnes war zu sehn,der Boden glatt von keinem Wagen gab es eine Räderspur es fehlt mir jedes Zeichen,wer der Täter war. Zuerst fiel es dem Posten in der Frühe auf Er brachte uns damit schwer in Verlegenheit. Die Leiche war nicht mehr zu sehen,feiner Staub Bedeckte sie,damit nichts andres sie befleckt. 1 1 1 1 Von keinem Raubtier eine Spur,kein Hund,der dort Gescharrt hat oder an dem Leichnam rumgezerrt. Mit bösen Worten fuhren wir einander an. Die eine Wache klagt,beschimpft die andre,fast Geschlagen hätten wir uns,nichts,das Einhalt bot. Verdächtig waren alle,doch keiner hats getan! Und einer musste es gewesen sein,nur wer? Die Hand ins Feuer legen wollten wir,damit uns jemand glaubt,geschworen hätten wir bei Gott dass jeder von uns nicht einmal Bescheid gewusst von wem der Plan,geschweige wer das Werk vollbracht. Zuletzt,als weder Streit noch Klage weiterhalf Sprach einer aus,was uns die Köpfe hängen liess. Zu Boden starrten wir,weil keiner von uns sah Wie man aus solcher Sache heil herauskommt.Dir Was uns geschehen zu berichten,riet er uns. Verheimlichen wär schlimmer,Wahrheit kommt ans Licht. Und damit kam er durch,denn seine Meinung siegt. Das Los,wie kann es anders sein,es fiel auf mich. So steh ich wider Willen hier wie du vor mir Denn keiner liebt den Mann,der schlechte Nachricht bringt. CHOR: Ich frage mich,mein Fürst,schon lange ob nicht gar Die Götter ihre Finger haben in dem Spiel? KREON: 1 1 1 1 Sei still!Dein Reden bringt mich sonst in Wut. Dass Alter nicht vor Torheit schützt,sieht man an euch! Was fällt dir ein,dass du den Göttern unterstellst Sie sorgten sich,was mit dem Toten da geschieht? Sie hätten,diesen Söldnertod zu ehren,selbst den Mann begraben,ausgerechnet ihn,der doch die Tempel,die geweihten,all ihr Eigentum das Land,Gesetz und alles zu verbrennen kam? Wann hat ein Gott je einen Frevler so geehrt! Noch nie!Doch weiss ich,manchem in der Stadt gefall ich nicht,Gehorsam ist ein fremdes Wort für sie. Die Köpfe stecken sie zusammen,tuscheln,nicht Die Pflicht der Bürger treibt sie um,im Gegenteil. Und dieser Klüngel hat,ich weiss es wohl,mit Geld Bestochen jene,die,was du erzählst, getan. Denn nichts von allem was uns allen wichtig ist Verdirbt den Menschen wie das Geld.Das Geld zerstört Die Städte,Geld lockt einen Mann von Hof und Herd Verwandelt Tugenden in Laster,edlen Sinn 1 1 1 In Missgunst,führt ins Unglück jeden braven Mann. Das Geld verführt den Menschen,lehrt ihn Tricks und kennt Zu jeder Zeit zu jeder Sünde einen Weg. Doch die bestochen diesen Frevel mitgemacht Die haben sich verrechnet,ihre Strafe kommt. In meinem Herzen wohnt noch Göttervater Zeus und mit ihm schwöre ich deshalb,gib du gut acht: Wenn ihr mir den nicht herschafft,gegen mein Verbot Hat er begraben einen Feind,versprech ich euch: Ihr werdet einen leichten Tod nicht haben,nein Am Kreuz häng ich euch auf,bis ihr gesteht,wer`s war. Nur klug beraten ist,wer unterscheiden kann Von wem er sich den Vorteil holt.Und auch wozu. Und dass man besser nicht aus allem Vorteil zieht. Gewinn aus falschem Spiel ist schändlich,bringt kein Glück Im Gegenteil,zu guter letzt verliert,der spielt. BOTE: 1 Ein Wort von mir noch,oder liebst du Boten stumm? KREON: Du weisst,wie widerwärtig mir dein Reden ist? BOTE: Verletzt es nur die Ohren oder dein Gemüt? KREON: Was kümmert dich die Stelle,wo mein Kummer sitzt? BOTE: Der greift ans Herz dir,ich such nur dein Ohr. KREON: 1 Als Schwätzer eignest du dich ganz besonders gut. BOTE: Doch nicht als Täter.Da such dir den richt`gen aus. KREON: Und der bist du.Verkaufst die Seele doch für Geld. BOTE: Was sagt man dem,der einen Menschen so verkennt. KREON: 1 Ich kenne dich und weiss Bescheid.Bring den hierher der mir gesteht,er war`s.Und findest du ihn nicht beweis ich dir,wie Habsucht,Geldgier Schaden bringt. BOTE: 330 Ja,finde ich ihn,finde ich ihn nicht,wer weiss Es hängt von Glück ab,eines aber ist gewiss: Du siehst mich hier nicht wieder,ich hab andres vor. Die unverhoffte Rettung fällt mir in den Schoss den Göttern danke ich und nutze den Moment. (schnell ab.) CHOR: EINS: Schrecken bereitet vieles – nichts Ungeheueren als der Mensch. Er befährt das schäumende Meer 1 grau peitscht der Regen im Südsturm turmhoch die gierige See. Doch er bezwingt sie. Und unsere Erde auch,allen die Mutter Er quält die Unerschöpfliche,plagt sie 340 Jahr für Jahr mit wendenden Pflügen Trampelnden Hufen von Ross und Maultier. GEGENSTROPHE: 1 1 Federleichten Gesellen,den Vögeln und Wildschwärmend andrem Getier stellt er nach Jagt auch Geschöpfe der salzigen See listig mit netzgeflochtenem Garn sich und den Seinen zu üppiger Mahlzeit. Zu vielem begabt ist der Mensch. Schlaue Kenntnis des Landes hilft Wildbret zu finden,das Täler durchstreift. Er greift auch dem Hengst in die Nüster und Zwingt ihn ins Joch wie den Bergstier. ZWEI: Windschnelle Gedanken,Sprache Ausdruck des Denkens und ordnenden Sinn gab er sich,Recht und Gesetz. 1 Lernte klirrenden Frost zu meiden wie Peitschenden Regen zu fliehn.In allem Weiss er sich Rat und geht sicher Auf Kommendes zu,das ihn erwartet. Nirgends Furcht.Nur dem Tod entrinnt er 1 nicht heute,nicht morgen. Wenn er auch Seuchen und andere Krankheit weniger fürchtet als früher. GEGENSTROPHE: 1 1 Meisterhaft findig ist Menschengeist Kunstvoll setzt er Dinge in Gang manchmal zum Schaden für manchen oft jedoch nützlich für viele. Achtet er Göttergesetze wie die Natur Segen der Stadt,Segen für ihn. Missachtet er aber schwurheiliges Recht stellt trotzig und frech sich entgegen verliert er die Achtung und alles.Und nie sei solcher am Herd mir und such meinen Rat frevelhaft nenn ich ihn,mir aus den Augen. CHORFÜHRER: 1 1 Senden die Götter ein Rätsel,ist es ein Wunder,ich seh`s und kann es nicht leugnen. Antigone kommt dort.Kein Zweifel.Oh du Tochter vom glücklosen Vater.Ödipus. Was nur kam über dich,Kind? Zeigtest du etwa Widerstand gegen das Machtwort,lässt leichtsinnig zu du,dass Unvernunft dich mit sich fortnimmt? BOTE: Die hats getan.Wir haben sie gefasst,gestellt Am Grab,sie schmückte es gerade.Wo ist Kreon? CHORFÜHRER: In dem Moment tritt wie gerufen er vor`s Tor. KREON: 1 Zu welcher Nachricht komm ich wie gerufen?Wird’s? BOTE: 1 395 Gebieter,Menschen sollten lieber nichts beschwörn Erfahrung macht sie klug.Denn dass ich hier so schnell Noch einmal vor dir stehe,hätt ich nicht gedacht Nachdem ich vor den Drohungen von dir geflohn. Doch unverhoffte Freude übertrifft,was wir An Lust empfinden können allemal,und so Obwohl ich schwor,nie wieder,tauch ich vor dir auf. Die junge Frau hier haben wir ertappt,sie klagt Am Grab,und schmückt es.Diesmal wurde nicht verlost Wer geht.Nur mir gebührt die Ehre,keinem sonst. Herr,nimm sie,bitte,mache mit ihr,was du willst Am besten,sie erzählt dir selber alles,ich Zum Glück,bin frei, und Gott sei Dank die Sache los. KREON: Wieso?Was?Wen bringst du?Und wo ist sie ertappt? BOTE: 1 Begraben hat sie,den man nicht begraben darf. KREON: Begreifst du selber,was du redest?Ist das wahr? BOTE: Bestattet ist der Bruder gegen den Befehl Von dir.Ich sage nur die Wahrheit und nichts sonst. KREON: Wie nahmt ihr sie denn fest?Wo habt ihr sie entdeckt? BOTE: 1 1 1 1 1 1 1 Der Hergang war in etwa so.Kaum angelangt Die Drohungen von dir im Ohr – hab ich den Staub Mit dem der Leichnam zugedeckt war,weggefegt. Der Körper,er verwest schon leicht,lag wieder nackt. Dann setzten wir uns in die Hügel,weg vom Wind Wir hatten wirklich keine Lust auf den Gestank. Zur Wachsamkeit trieb aber jeder jeden an. Wir achteten die ganze Zeit,dass keiner schlief. Das ging so eine lange Weile fort,es brennt Die Sonne vom Zenit auf uns erbarmungslos. Die Hitze gleisste.Plötzlich kommt ein Wind auf,hebt Vom Boden in den Himmel dichte Wirbel Sand Um uns ein Dunkel,grausig stiebt das Laub vom Baum Im Wald der Ebene und macht den Äther schwarz. Die Augen zu ertrugen wir der Götter Wut. Es dauert,bis sie sich gelegt,wir blinzelten Da steht das Mädchen,hellauf jammert sie und schreit Dem Vogel ähnlich,der,zurückgekehrt,verwaist Und leer sein Nest nur findet,teurer Brut beraubt. So die hier.Als sie den entblössten Leichnam sieht Klagt sie so fürchterlich und schleudert Fluch auf Fluch Auf den herab,der diese üble Tat getan. Und dabei trägt sie Hände voller trocknem Staub Zum Leichnam,nimmt den goldgetriebnen Krug und giesst Anstelle Grabschmuck dreimal Wasser auf den Leib. Wir sehen das und stürzen hin und fangen sie. Doch sie erschrickt nicht,zeigt nicht mal Betroffenheit Und leugnet auch nicht,als man sie zur Rede stellt Der vorigen Bestattung wegen wie der jetzt. Mir imponierte das,wenngleich ich traurig war. Die eigne Haut zu retten aus der Not,ist leicht. Dem Freund zu helfen,der im Unglück sitzt,fällt schwer. Denn jeder ist nun mal sich selbst der Nächste,nicht? Und weil ich nur ein Mensch bin,gilt das auch für mich. KREON: 440 Und du?Die immer noch zu Boden blickt,warst du`s? Du warst es?Warst es nicht?Sag einfach ja.Sag nein! ANTIGONE: Ich war es,ja,ich hab`s getan und leugne nicht. KREON: 445 So,du kannst gehn.Wohin du willst.Von aller Schuld Befreit hast du hier weiter nichts zu tun.Von dir Dagegen hätte ich in Kürze gern gewusst Ob dir die Anordnung bekannt war oder nicht. ANTIGONE: Ich kannte sie.Auch missverständlich war sie nicht. KREON: Und trotzdem hast du es gewagt?Bist du bei Trost? ANTIGONE: 450 1 1 1 Nicht Zeus war`s,dem ich widersprach,er hat mir nichts Verboten,auch die Göttin des Gerichts im Reich Der Toten,Dike,hat nicht solch Gesetz bestimmt. Ich meine deshalb,dass so mächtig dein Verbot Nicht sein kann,über göttlichem Gesetz zu stehn. Bist du doch sterblich,Onkel,so wie ich.Kein Gott. Denn nicht erst heut und gestern,eine lange Zeit Lebt d a s Gesetz,und keiner weiss,wie alt es ist. Ich achte es,und mehr als Menschenwillen,dir Es recht zu machen,reize ich nicht ihren Zorn. Ich weiss ja,dass ich sterben werde.Wie denn nicht? Ob du es androhst,ist nicht weiter von Belang. Denn sterb ich vor der Zeit,eracht ich`s als Gewinn. Ein Mensch,der so wie ich mit tausend Nöten lebt wie sollte dieser nicht gewinnen durch den Tod? So kann es mir nicht wehtun,wenn mich dieses Los Jetzt trifft.Doch wenn ich meiner stolzen Mutter Sohn Den Bruder,müsste tot und nackt sehn,ohne Grab Das wäre schmerzlich,alles andere ist nichts. Wenn du nun meinst,dass töricht sei,was ich getan Bedenke auch,dass manchmal Richter unklug sind. CHORFÜHRER: 1 Kein Zweifel,ganz der Vater,seine schroffe Art nicht biegen kann man sie,nicht brechen,sie bleibt stur. KREON: 1 1 1 1 Wart`s ab.Ich denke,dass ein allzu starrer Sinn Am ehesten zu Fall kommt.Schau dir Eisen an: Geschmeidig ist es haltbar,allzu spröd jedoch Zu hart,zerspringt die Klinge und geht rasch zu Bruch. Mit kurzem Zügel,weiss ich,bringt man jedes Pferd Dorthin,wo man es braucht.Man soll den Kopf so hoch Nicht tragen,wenn man eine unter vielen ist. Und die hier hat genau gewusst und überlegt Als sie sich gegen geltendes Gesetz verging. Doch nicht genug damit,sie brüstet sich auch noch Bekennt hohnlachend ihre Tat,als wär das nichts. Verkehrte Welt!-Bin ich der Mann?-Ist sie der Mann?Wenn ich ihr straflos hier die Oberhand belass. Nein,sei sie meiner Schwester Kind,sei gleichen Bluts Verwandter mir als jeder sonst in meinem Haus: sie soll,wie ihre Schwester auch,der Strafe nicht entgehn,und die heisst Tod,denn beide klag ich an dass sie gemeinsam dieses Frevelgrab geplant. Ismene ruft hierher,grad sah ich sie im Haus Besessen schien sie,ihrer Sinne nicht ganz Herr. Die Seele selbst wird so uns zur Verräterin Dass dunkle Machenschaften vorbereitet sind. Doch hass ich ebenso die Überführte,die Mit Prahlerei ihr Schurkenstück vergolden will. ANTIGONE: 1 Du nimmst mich fest,willst meinen Tod,was brauchst du mehr? KREON: Nichts weiter,nein.Ich habe alles,hab ich das. ANTIGONE: 500 Und worauf wartest du?Ich halte von dir nichts. In deinen Reden gibt es nichts,was mir gefällt. Und meine lösen auch bei dir Missfallen aus. Und wodurch käme ich zu ehrenvollrem Ruhm Als dadurch,dass den Bruder ich ins Grabbett leg. 1 Auch die hier hiessen gut – da kannst du sicher sein Mein Tun,verschlösse ihnen nicht die Furcht den Mund. Gewalt kann alles?Der Thyrann hat Recht?Nur ihm steht frei,zu tun,zu lassen und zu reden,was er will? KREON: Das siehst nur du so.Ich kenn keinen,der so denkt. ANTIGONE: Ein jeder sieht das so.Vor dir schweigt Thebens Volk. KREON: Dass du wie die nicht schweigen kannst,beschämt dich nicht? ANTIGONE: Kein Grund für Scham,wenn man den eignen Bruder ehrt. KREON: 1 War nicht auch Bruder,der auf unsrer Seite fiel? ANTIGONE: Mein Bruder.Beide Söhne eines Elternpaars. KREON: Beleidigst du ihn nicht,wenn du den andern ehrst? ANTIGONE: Den Vorwurf macht mir der Verstorbne sicher nicht. KREON: Auch nicht,wenn er erfährt,dass du den Gegner liebst? ANTIGONE: 1 Er war kein Sklave.Brüder fielen durch des Bruders Hand. KREON: Das Land verwüstet der,der dort verteidigt es. ANTIGONE: Gesetz der Totenwelt gibt beiden gleiches Recht. KREON: Doch Helden und Verräter schätzt man nirgends gleich. ANTIGONE: Wer weiss?Vielleicht ist auch in dem dort andrer Brauch? KREON: 1 Ein Feind wird nie,auch wenn er tot ist nicht,zum Freund. ANTIGONE: Geboren bin zu Liebe mehr ich als zu Hass. KREON: Geh zu den Schatten!Musst du lieben,liebe dort. So lang ich lebe,zwingt mich und belehrt kein Weib. CHORFÜHRER: 1 Ismene,seht,tritt aus dem Tor Tränen der Liebe im Aug für die Schwester Düster die Braue,umwölkt ihr Gesicht Zornig gefleckt und Entstellt die sonst liebliche Wange. KREON: 1 Komm her du,Natter,die in meinem Hause hockt und heimlich mir das Blut aussaugt.Wie ahnungslos zieh ich,ein Thor,zwei Thronumstürzerinnen gross. Sofort bekennst du deinen Teil der Schuld am Grab! Vielleicht fällt dir auch ein zu schwör`n,du weißt von nichts. ISMENE: 1 Wenn sie mir zustimmt,hab ich`s so getan,wie sie. Ich geb es zu und trag für meinen Teil die Schuld. ANTIGONE: Die Göttin der Gerechtigkeit verbietet dir`s. Du hast es nicht gewollt,und ich nahm dich nicht mit. ISMENE: Ich weide mich an deinem Unglück nicht.Du siehst Wie schlimm es steht.Gefährtin bin ich dir im Leid. ANTIGONE: 1 Wer es getan,weiss Hades in der Unterwelt Gefährtin bist du nur im Wort,das mag ich nicht. ISMENE: Du hältst für unwert mich,zu sterben mit dir und Dem toten Bruder so im Grab genugzutun? ANTIGONE: 545 Was willst den Tod du mit mir teilen,er gehört Dir nicht,geht dich nichts an.Mein Sterben ist genug. ISMENE: Du fehlst mir,wenn du tot bist,fehlt des Lebens Sinn. ANTIGONE: Frag ihn danach.Allein um ihn warst du besorgt. ISMENE: Du kränkst mich.Nützt es dir?Du hast doch nichts davon. ANTIGONE: Was dir wie Hohn klingt,Schwester,ist mein krankes Herz. ISMENE: 1 Was bleibt mir,du,Liebe,jetzt noch für ein Dienst? ANTIGONE: Du rette dich.Ich freue mich,wenn du entkommst. ISMENE: Ich Arme bin nicht schuld,das weißt du,wenn du stirbst. ANTIGONE: Nein,deine Wahl heisst Leben,meine Tod,das bleibt. ISMENE: Ich habe dich beschworen,liess nichts unversucht. ANTIGONE: 1 Zwei Welten – einer du,der andern ich vermählt. ISMENE: Und beide haben wir nun unser Ziel verfehlt. ANTIGONE: Du lebst.Doch meine Seele ist so gut wie tot Und findet wie ich nur bei ihresgleichen Trost. (deshalb KREON: 1 Von beiden Mädchen ist die eine von Geburt Verrückt,die andre wird es grade,im Moment. ISMENE: Das hält kein Mensch aus,ausser sich gerät er,der (Herz Verstand,mein Herr,in solcher Qual verlässt er uns. KREON: Dich sowieso.Die sich auf deren Seite schlägt.. ISMENE: Allein,was bleibt mir noch vom Leben,ohne sie? KREON: 1 Was mit ihr?Nein,vergiss sie,schnell.Es ist vorbei. ISMENE: Du willst sie tot?Sie ist die Braut von deinem Sohn. KREON: Der findet immer neue Furchen,die er pflügt. ISMENE: Doch so wie ihr,verspricht er keiner zweiten sich. KREON: Mag sein,nur,solche Weiber sind für Männer Gift. ANTIGONE: 1 O Hämon,Liebster,hörst du,er beleidigt dich. KREON: Mir mehr als lästig bist du,hassenswert dein Bett. CHORFÜHRER: Die du verdammst,bleibt doch die Braut von deinem Sohn. KREON: Das NEIN zur Hochzeit,hat der Totengott vefügt. CHORFÜHRER: Beschlossen ist damit wohl,dass sie sterben muss. KREON: 1 Für dich wie mich.Kein zögern mehr.Schafft sie jetzt weg Ins Haus am besten,beide,mit der Freiheit ist es aus. Die Weiber muss man fest anbinden,merkt euch das. Denn auch die Kühnsten wollen fliehen,wenn sie erst Dem Tod ins Auge blicken,der ihr Leben nimmt. CHOR: 1 585 Glücklich,der die Not nicht kosten muss. Wenn das Haus die Götter prüfen Bleibt kein Unheil aus,es pflanzt sich fort An Kinder,Enkel.Stetig, wie die Meereswoge Die gepeitscht von Thrakerwinden bis zum Grund die See aufwühlt und schwarzen Sand emporspült,türmt es sich gewaltig auf und Unheilschwanger stöhnt das Ufer,das geschlagen Bricht bei jedem neuen Brandungsschlag. GEGENSTROPHE: 1 595 Uraltes Leid trifft so das Haus des Labdakos türmt sich mit jedem Toten höher lastet auf Eltern,Kindern,keiner kommt zu Atem.Nieder alles stösst ein Gott. Kaum war endlich wieder etwas Licht zu sehn im Haus des Ödipus löscht Blut es,neues Dunkel.Keiner löst den Fluch. Staub der Todesgötter schreibt der Herzen Thorheit wie des Wahnsinns reden auf. ZWEITE STROPHE: 1 1 Wer von uns wollte so kühn sein,Zeus Anmassend,dir das Wasser zu reichen. Nicht einmal Schlaf,der alles entkräftende Auch nicht die Zeit,ihr göttlicher Lauf Alles verschlingend,bezwingt sie. Ohne zu altern herrschst du,der Olymp dir zu Füssen in marmornem Glanz. Zukünftig gilt wie in der Gegenwart,was Gesetz schon Vergangenheit nannte: Weit kommt ein Sterblicher nicht,wenn er meint Fluch trifft nur andre vor dem Ende des Wegs. GEGENSTROPHE: 1 1 Hoffnung,die sich selber Mut macht trügerische Hilfe für so manchen Mann. Die Erfüllung eitler Wünsche täuscht und Weckt nur neuen Leichtsinn,unbedacht Verbrennt man sich. - Die alte Weisheit Offenbart uns ein berühmter Mann: Gut erscheint das Schlechte,dem die Sinne hat verrückt ein Gott,und das Herz mit Unverstand gefüllt,zu Wahn Den Sinn hintreibt in kurzer Zeit.So Findet in ihm Gottes Fluch sein Opfer. CHORFÜHRER: 1 Hämon kommt dort,von den Söhnen der jüngste Sehr bekümmert ist er um sie,die Kurz vor der Hochzeit mit ihm du dem Tode geweiht,Antigone,betrogen Ist er,was für ein Schmerz,um ihr Bett. KREON: 1 Das wird sich zeigen,dich,Orakel,braucht es nicht. Das Urteil gegen deine Braut,es schreckt dich sehr? Mein Sohn.Du wütest gegen mich,den Vater?Nein Das weiss ich,du vertraust mir,Hämon bleibt mir treu. HÄMON: 1 Das bin ich,Vater,zeigst du mir des Lebens Sinn mit klugem Rat,dann folge ich dir gern darin. Auch schätz ich eine Hochzeit so hoch nicht,wie du Dein Amt dir über alles stellst als grosses Glück. KREON: 1 1 1 1 655 Ich wusste es,bleib dieser Überzeugung treu. Mein Sohn,dir soll des Vaters Wille alles sein. Denn eben deshalb wünscht sich jeder reife Mann aus eignem Samen Nachwuchs,der gehorsam ist. Vergelten soll der Sohn die Marter seinem Feind Den Freund so ehren,wie es auch der Vater tut. Wenn aber einer sich missratne Kinder zeugt lacht man ihn aus und sagt:er selber ist der Grund für das Gelächter seiner Feinde,ihren Hohn. Wirf darum nicht,nicht dieses Weibes wegen,Sohn Verstand der Lust zum Frass hin,nein,bedenke,dass Es eine frostige Umarmung gäbe,wenn ein solches Weib als Bettgenossin wohnt im Haus. Wer schlägt dir tiefre Wunden als ein falscher Freund. Vergiss sie,flieh sie,spei sie aus wie einen Feind. Sie soll im Hades sich vermählen irgendwem. Als einzige im Land hat sie sich widersetzt und mir,als ich sie griff,erbot sie frech noch Trotz. Doch werd ich mich nicht Lügen strafen vor der Stadt Ich töte sie,kein Gott der Blutsverwandtschaft hilft Ihr Onkel bin ich,doch lass eigenes Gewächs Ich wuchern,dann schiesst fremdes mir erst recht ins Kraut. Nur wer im eignen Haus für Ordnung sorgen kann Ist in der Lage,das auch für den Staat zu tun. Ein solcher Mann nur garantiert,ich sag`s getrost Dass Recht im Herrschen und Beherrschen auch Recht bleibt. 1 1 1 Nur so ein Mann steht sehr weit vorn im Schlachtgewühl und tapfer beugt er nicht den Hals im Lanzensturm. Wer aber als Rebell und frech Gesetzen trotzt Die Obrigkeit noch gar belehren will,der kann Gewiss sein,Vorschrift kommt von mir und niemand sonst. Die Stadt hat mich erwählt,also gehorcht sie mir im Kleinen wie im Grossen,das ist nur gerecht. (das ist nur Der Übel grösstes ist Regierungslosigkeit. Sie stürzt die Völker ins Verderben,rottet aus Die Städte,untergräbt die Häuser,alles flieht Von Solidarität ist keine Rede mehr. Die feste Hand bewahrt das Volk vor der Gefahr. Sie tritt für Ordnung ein und für Gesetz,sie schützt Das Allgemeinwohl,räumt nicht einer Frau das Feld. Denn wenn wir fallen,fallen wir durch Männerhand Und niemals soll man sagen,uns regiert ein Weib. CHOR: 1 Aus Altersgründen könnten wir von Sinnen sein Doch sinnlos oder falsch scheint uns/mir die Rede nicht. HÄMON: 680 1 1 1 700 Den Menschen,Vater,pflanzen Götter die Vernunft Als höchstes Gut ein,was uns erst zu Menschen macht. Vernunft erzwingt auf vielen Wegen sich ihr Recht. Ich kann nicht sagen,falsch sei,was du grad gesagt Doch anderen ihr Recht zu lassen,ist von dir. Ich sperrte meine Augen,Ohren auf für dich Zu wissen,was gesagt und was getadelt wird. Der Mann im Volke fürchtet deinen strengen Blick Und scheut sich,dir zu sagen,was du nicht gern hörst. Mir aber kommt zu Ohren,wie die Stimmung ist. Ich weiss,wie alle Welt sich um das Mädchen sorgt Die es am wenigsten von allen Fraun verdient So schmachvoll grundlos deinen Preis zu zahlen.Hat sie doch den eignen Bruder,der im Blutbad fiel nicht unbestattet liegen lassen,bis ein Hund ein Vogel oder sonstwas ihn in Stücke reisst. ‚Verdient sie dafür Strafe,nicht den goldnen Kranz? ‚ So flüstert man,im Dunkeln geht`s von Mund zu Mund. Ich will,dass es dir gut geht,Vater,höchstes Glück Für mich ist,wenn ich sehe,dass du Freude hast. Die Eltern sind der Kinder grösster Stolz,so wie Gedeih der Kinder ein Juwel den Eltern ist.. Drum wünsch ich mir,dein Trachten geht nicht nur dahin Dass deine Meinung richtig ist und keine sonst. Wer meint,nur er allein sei klug,begabt mit Geist Mit Sprache wie kein anderer,ein solcher Mensch Schaut man genauer hin,ist oftmals nicht viel wert. 1 1 1 Ein Mann sei noch so weise,gut für ihn,er lernt Dazu,anstatt dass er den Bogen überspannt. Den Baum am angeschwollnen Fluss,der knorrig trotzt Gewittersturm,reisst es entwurzelt fort ins Nichts. Der schmiegsam nachgiebt,rettet sich und sein Geäst. Denn hält ein Kapitän sein Schiff zu hart am Wind Und fällt nicht ab,so kentert ihm zum Schluss sein Boot Kieloben treibt es mit ihm für den Rest der Fahrt. Doch du gib nach und halt nicht fest an deinem Zorn. Denn habe ich nur einen Funken an Verstand Komm ich als Jüngrer zu dem Urteil,dass der Mann Der alles abwägt und bedenkt der beste ist. Den findet man nur oftmals nicht.Nimm du den Rat Von mir und zeige so dich dieser Ehre wert. CHORFÜHRER: Dir stünde gut,mein Herr,zu folgen diesem Rat Dir auch,denn beide habt ihr Recht,lernt ihr von euch. 1 KREON: Ich bin der Vater.Alles andere zählt nichts. Ich höre nicht mal,was der grüne Schnabel sagt. HÄMON: Beleidige mich nicht.Ich bin ein junger Mensch Doch was ich sage zählt,und nicht wie alt ich bin. KREON: Es zählt,dass du meinst,Ungehorsam wird belohnt. 1 HÄMON: Verbrechen zu entschuld`gen,rat ich sicher nicht. KREON: Ist sie nicht eines Staatsdeliktes überführt? HÄMON: In Theben sagt ein jeder:nein.Hör auf die Stadt! KREON: Das Volk!Wer schreibt mir vor,was Recht ist?Pöbel?Du? HÄMON: Wer ist der unbedachte von uns beiden jetzt? 1 KREON: Das Land regiere ich,wie ich es will,nichts sonst. HÄMON: Der Staat gehört bestimmt zuletzt nur einem Mann. KREON: Und schmückt der Staat sich nicht mit dem,der ihn vertritt? HÄMON: Regent der Wüste:glücklich wärst du in dem Amt. KREON: Der Mensch!Bist Anwalt du von diesem Weib,Herr Sohn? 1 HÄMON: Wenn du das Weib bist.Denn ich sorge mich um dich. KREON: Nichtswürdig gehst du mit dem Vater ins Gericht. HÄMON: Weil dein Gericht - verzeih - ein falsches Urteil fällt. KREON: Falsch nennst du,wenn ich tue,was das Amt verlangt? HÄMON: Mit Füssen trittst du es,fehlt Ehrfurcht vor dem Gott. 1 KREON: Was fällt dir ein?Du machst dich der da untertan. HÄMON: Doch setze ich mich nicht,wie du,der Schande aus. KREON: Das sagst du nur,weil sie das von dir hören will. HÄMON: Auch dir zum Nutzen,so wie mir.Den Göttern auch. KREON: Das merk dir:nie im Leben wird sie deine Frau. 1 HÄMON: Wenn sie stirbt,tötest du damit noch einen mehr. KREON: Du drohst mir?Tollkühn bist du.Weißt du,was du sagst? HÄMON: Wer unbelehrbar ist,dem kann man doch nicht drohn. KREON: Belehrt sein wirst du,wenn du deine Frechheit büsst. HÄMON: Du redest viel.Was andre sagen,hörst du nicht. 1 KREON: Dem Weib verfallen bist du,spar dir dein/das Geschwätz. HÄMON: Du bist der Vater.Sonst fragt ich:bist du bei Trost? 1 KREON: Ach,wirklich?Ungestraft,mein Sohn,das merke dir Fügst du zu Tadel,deiner Schelte,nicht noch Hohn. Das Kebsweib hierher,schnell!Vor seinen Augen soll Sie sterben,Aug in Auge mit dem Bräutigam. HÄMON: Sie wird,mit Sicherheit,in meiner Gegenwart So wenig sterben,wie du jemals wieder mich Mit deinen Augen sehen wirst.Dann rase du Vor Dienern,Freunden,allen,denen das gefällt. (ab.) 1 CHORFÜHRER: Im Zorn verliess dein Sohn uns,und in Hast,mein Fürst. So schmerzempört der junge Sinn,das klingt nicht gut. KREON: Er überhebt sich,mag er planen,was er will. Vom Tode rettet er die beiden Mädchen nicht. CHORFÜHRER: Was?!Beide hinzurichten hast du vor?Mein Gott! 1 KREON: Na gut,die nicht,die nichts getan hat.Du hast recht. CHORFÜHRER: Auf welche Weise findet seine Braut den Tod? 1 KREON: Wo kein Mensch hinkommt,einen gottverlassnen Ort Such ich,in eine Grotte sperr ich lebend sie. Mit so viel Nahrung,dass die Götter,mildgestimmt die Stadt verschonen,uns nicht etwa Strafe wird. Der Gott der Unterwelt mag,wenn sie darum fleht Den Tod erlassen ihr,sofern er es denn kann. Wenn nicht,begreift sie endlich,wenn auch etwas spät Dass tödlich sinnlos war ihr Totengottesdienst. (er setzt sich abseits) DER CHOR 775 1 785 1 1 ERSTE STROPHE Gott des Fleisches,Eros,Sieger keiner schlägt dich in Kämpfen der Lust Verwandte selbst stürzen übereinander Hast du deine Hände im zärtlichen Spiel. Lippen schlafender Jungfraun schwellen Schweifst du über sinnliche Meere,doch Anderswo suchst du wirtliche Unterkunft auch. Keiner der Götter entrinnt dir,kein Mensch. Den du zu dir nimmst,den machst du rasend. GEGENSTROPHE Rechtschaffene lockst ebenso du zu Schändlichem Tun wie zu Unrecht. Zwietracht von Vater und Sohn hast eben Grad du entzündet,hässlichen Streit. Sehnsucht der Braut nährst du,ihre Erfüllung Dagegen rückst du in weite Ferne. Siegreich trohnst du in Glück wie in Unglück Nimmer bezwingbar seit Aphrodite,der Mutter der Liebe,unwiderstehlich. CHORFÜHRER: Jetzt aber wirft es mich aus der Bahn Mit ansehn muss ich,was keiner verlangen kann. Quelle der Tränen,ich dämm dich nicht länger . Alles besitzen will Hades,bereitet Eiskalt der Jungfrau das Bett Bald deckt er zu Antigone mir. WECHSELGESANG ERSTE STROPHE: 1 1 ANTIGONE: Auf mich schaut her Bürger der Stadt,meiner Heimat. Seht,ich gehe meinen letzten Weg. Sonne,leuchte mir zum letzten Mal. Lebend nimmt mich der Todesgott. Nie wieder Licht.Dunkel da drüben. Nichts als verkommenes Ufer. Keine Gesänge empfangen die Braut. Keine Musik verkündet mir Hochzeit. Stille nur um mich,mein Brautbett Acherons Strom,er will mein Bräutigam sein. 1 CHORFÜHRER: Ruhm begleitet dich,Lob auf dem Weg zu den Toten,was willst du mehr. Kein Schwert,nicht Krankheit bringt dir das Ende. Tod für ein Leben nach eigener Wahl. Wenigen unter den Sterblichen wird das Wofür du verlässt diese Welt hier. ERSTE GEGENSTROPHE 1 1 825 ANTOGONE: Tantalos` Tochter,die Fremde,Niobe So geht die Sage – starb einst am Sipylosgipfel,oben,der Wüste aus Fels. Stein nahm sie zu sich wieder,umwuchs ihren Siechenden Leib wie Efeu umrankt den Fels. Immer bei ihr nur Regen und Schnee sie Baden – so sagen die Männer – mit eisigen Tränen die Brust ihr zu Stein.Immer auch Netzt weinende Wimper steinernen Hals. Niobe gleich ich,unwirtlich kalt bringt der Tod jetzt auch mich früh zur Ruh. CHORFÜHRER: Göttin war sie,gezeugt nicht von Menschen Sterblich bist du,irdisch wie wir nur Gottgleich dein Los,doch gleich auch den Ruhm Unglückselige,hast du,lebendig und tot. ZWEITE STROPHE 1 1 1 ANTIGONE: Was soll das?Spott?!Bei allem,was uns heilig ist: Ich lebe noch!Warum verhöhnst du mich Bevor ich tot,hinüber bin? O Stadt!Mein Land!Mein Volk! Männer,ihr wohlbegüterten,klugen Brunnen,dirzäischer Quell! Wälder,ihr stilleberauschten! Theben,du Stadt der Gespanne! Euch rufe ich an.Bezeugt mir mein Leid! Welches Recht ist es,von Freunden unbeweint zu gehen in das enge Grab. Unselig bin ich,Io ist mein Los. Fern von Menschen,Schatten,kein Freund Nicht einen hab ich,weder hier noch da. 845 CHORFÜHRER: Festhaltend an deines Trotzes Ziel Weit hast du dich vorgewagt,doch Scheiterst am Gesetz du,Dike`s hohem Turm Büsst die Fehler der Ahnen im ungleichen Kampf. ZWEITE GEGENSTROPHE 1 1 860 1 ANTIGONE: Herzkränkender Gram sticht in der Brust,du Nährst noch den Jammer der wunden Seele rührst an das Weheste.Mich quält das schlimme Schicksal des Vaters,des Vaters von ihm,dem Vater des ganzen Geschlechtes,Labdakos. Ruhm und Verhängnis so dicht beieinander Als Gattin legt sich zum eigenen Sohn die Mutter!Welche Verblendung!Unselig.Ich Bin das Kind meiner Mutter mit ihrem Sohn Mein Vater mein Bruder und ich dieser Eltern Unglücksfrucht.Fluchbeladen kam ich,bin ich Bleib ich unvermählt und geh am Ende Liebe machen mit dem Tod,dem du,mein Brudervater,mich zu guter letzt hast zugeführt. CHORFÜHRER: Wer die Macht zu wahren hat,der wahrt sie. Wer das nicht achtet wird bestraft wie du zerstört,vernichtet,ausgelöscht – was du willst. Doch ehren wie die Toten wie uns selbst. SCHLUSSGESANG 1 1 ANTIGONE: Ohne Träne,freundlos,ohne Brautgesang Arm und kalt,so geh ich meinen letzten Weg. Nie mehr leuchten sehe ich das Licht des Tags Selbst das heilige Auge wendet sich ab. Niemand weint eine Träne mir nach,o Io Keiner beklagt mich,beseufzt und betrauert,niemand. KREON: Es ist bekannt,dass Klagelieder vor dem Tod Kein Ende finden,wenn sie erst gestattet sind. Auf jetzt und führt sie weg in ihre dunkle Gruft Dort mag sie eingeschlossen sitzen,überlasst Sie ganz der Einsamkeit,wie ich es euch befahl. Mag sterben sie.Und stirbt sie nicht,ihr Grab Ist dort auf jeden Fall.Und wir sind ohne Schuld. Mit uns zu leben ist ihr ja nur untersagt. (ab.) 1 1 1 1 1 1 1 ANTIGONE: O Grab!Mein Brautbett!Unterirdische Grausamkeit. Zu dir,mein Kerker,brech ich auf,ich geh dahin Die Meinen zu besuchen.Fast ist voll die Zahl Der Leichen,die die Todesgöttin horten will. Ich bin die letzte,die es noch am schlimmsten trifft bevor ich meines Lebens Sinn,sein Ziel erreicht. Nur eine Hoffnung tröstet mich:dem Vater wird Es recht sein,Mutter auch,mein Kommen wird auch euch Den Herzensbrüdern,beiden eine Freude sein. Denn eure toten Körper hab mit eigner Hand gewaschen erst ich,dann geschmückt.Trankopfer auch bekamt ihr beide.Weil ich Polyneikes,dir den Leib wie den des Bruders wusch,ist das der Lohn. Doch gab ich dir das,was dir zukommt und nicht mehr. Allein nur Kreon meint,das sei verbrecherisch. Wenn mir der Tod zu früh den eignen Sohn geraubt Dann hätte ich als Mutter oder Frau mich nicht Als wollt ich Aufstand machen,in den Weg gestellt. Wieso ich das so sage,fragt ihr? Ich sag das: Wenn mir der Mann stirbt,nehm ich einen anderen. Ein Kind bekomme ich nochmal von ihm,wenn er Mich liebt und ich es will.Unwiederbringlich ist jedoch ein Sohn,wenn beide,Mutter,Vater,ruhn im Feld des Todes.Deshalb braucht der Bruder mich. Und welch Gebot der Götter übertrat ich denn dass man mich deshalb gottlos nennen darf?Nur wenn die Götter selber mich so nennen streit ich nicht Doch freveln sie damit an mir,und wehe,denn am Ende schadet ihnen dieses Unrecht selbst. CHORFÜHRER: Noch immer fegt der gleiche Sturm dir durch das Herz. Als ob sich Recht erzwingen liesse mit Gewalt. KREON: Und dir,Begleitmannschaft,folgt Strafe auf dem Fuss Ihr werdet heulen wegen eurer Langsamkeit. ANTIGONE: So soll es das gewesen sein,das letzte Wort? Gewaltsam nimmt man mich und schleift mich in den Tod. 1 KREON: Kein Trost von niemandem,und auch von mir kein Wort Die Anordnung wird ausgeführt,und zwar sofort. (ab.) 1 ANTIGONE: Stadt der Väter!Heimat!Theben. Götter!Gute Geister schon den Vätern Weg führt man mich im Augenblick Seht mich an in Theben,alle,die Letzte bin ich des Königsgeschlechts. Was ich erleide seht,wessen Gewalt Ehrfurcht vor Göttern nicht achtet. (sie wird nach unten geführt) Die Vögel stumm.Und keine Immortelle. Glashelle Mähnen – das Gestüt der Nacht. Ein Kahn treibt,leer,es trägt ihn keine Welle. Das Wort:umschwärmt von Grillen,unerwacht.(Ossip Mandelstam) DER CHOR 925 1 1 1 1 950 1 1 ERSTE STROPHE Danae auch musste einst,so heisst es Tauschen die Helle des Tags mit dem Dunkel. Eiserne Haft hiess ihr Lager,Gefangenschaft Band sie mit klobiger Fessel.War von Geburt Edel wie du,trug sogar Samen der Lende von Zeus in sich,ja,sie war schwanger von ihm. Furchtbar ist manchmal das Schicksal,kein Krieg,kein Reichtum und kein frischgeteertes Schiff,kein Turm entgeht ihm,schlagen die Wogen erst über ihnen zusammen. ERSTE GEGENSTROPHE Auch Lykurgos,den Herrn der Edonen griff Dionysos und sperrte ihn ein. Königlicher Preis für königlichen Hohn Ausgeschüttet auf den Gott,den des Weins Zugeschüttet mit Stein dafür in steinernem Verlies. Langsam wird ihm da klar,was für ein Wahnsinn es war,den glückseligen zu reizen. Frauen,die dem Freudentanz verfallen waren Bacchus` Flamme,Flötenspiel der Musen,alles Hätte er nur um ein Haar nur,stumm gemacht. ZWEITE STROPHE Fährst du am Bosporus und seinen schwarzen Riffen vorüber,Meer und Meer trennende Enge Gelangst du nach Thrakien zum Kriegsgott Ares,der staunte nicht schlecht,als Phineus` Söhne er sah,die nichts mehr sahen,blind nicht mit dem Speer,mit blutigen Händen,die ein Weberschiffchen hielten,hatte Idaja,die zweite Frau ihm die Söhne geblendet,Kleopatras´ Kinder Finster nun war es um beide geworden. ZWEITE GEGENSTROPHE Blind beweinten die schwer getroffenen sich Frucht schon verwünschter Empfängnis der richtigen Mutter aus ältestem Stamm Kleopatra,Tochter des Windgotts Boreas Enkelin Erechtheus`,des Königs von Theben. Aufwuchs weitab sie,unter Stürmen,in Grotten Rosseschnell sprang sie durch das Gebirge war sie doch Kind eines Gottes,die Boreade Doch auch auf ihr ruhte aus schliesslich das Schicksal. TEIRESIAS: (von einem Kind geführt) Zu zweit,ihr Herren,meistern Blinde jeden Weg. Wenn man wie ich nur einen guten Führer hat Mag er verschlungen sein wie dieser – kommt man an. 1 KREON: Mit welcher Nachricht kommst du,Alter?Sag,was ist`s? TEIRESIAS: Du wirst sie hören.Wichtig für dich,du begreifst. KREON: Ja sicher,nie verschloss ich mich dem guten Rat. TEIRESIAS: Nur deshalb lenkst du heute auch das Schiff der Stadt. KREON: Was nützlich war von deinem Rat,bezeug ich gern. 1 TEIRESIAS: Schon wieder wird es schwierig.Arg in Not dein Glück. KREON: Willst du mich,Seher,schrecken mit der Redensart? 975 1 1 1 TEIRESIAS: Du wirst verstehen,was ich sehe,wenn du hörst Teiresias` Spruch.Kaum sitz ich auf dem weisen Stuhl Da krächzen,heiser,meine Raben,ihr Gespräch Sind Wahnsinnslaute,undeutbar Gekreisch hör ich mir völlig unbekannt,so böse,wütend,wirr. Mir scheint,dass sie einander hacken,Vogelmord War das,die Klauen reissen,Schwingen peitschen wild. Erschrocken schau ich nach Heiphaistos am Altar. Jedoch er zeigt sich nicht,ein Ascherest nur glimmt Die Flamme ist vom Fett des Opfertiers gelöscht Das schmilzt und zischt,bis an die Decke zieht der Dampf Es stinkt,denn auch die Galle war schon früh geplatzt. Und nur der nackte Schenkel liegt noch da im Rauch Verkohlt,von Fleisch und Fett entblösst,ganz aschig,nackt. Von diesem Kind hier weiss ich,dass in solcher Art Ein Opfer spricht.So wie ich euer Seher bin Rät mir das Kind.Wahrscheinlich besser als ich euch. Es sagt,aus deinem Herzen stammt das Leid der Stadt. Die Feuerstätten und Altäre sind zu voll Mit Gaben für den toten Sohn des Ödipus Und Tiere streiten sich darum,entweihen sie. Die Götter nehmen deshalb kein Gebet mehr an Du siehst es an dem schwachen Brand des Schenkelfetts. 1 Die Vögel fliegen nicht mehr,krächzen,sind zu satt Vom Blut des Toten.Wer kann noch was für ihn tun? Bedenke das und nimm es dir zu Herzen,Sohn. Es ist zwar allen Menschen eigen,fehlzugehn Deshalb geschieht ein Fehltritt ja,doch wer ihn tut Ist gut beraten,wenn er sich die Mühe macht Den Fall zu enden,nicht beharrt auf eignem Sinn. Denn sonst verwandelt Trotz sich schnell in Unverstand. Dem Toten gib sein Recht,nach Leichen sticht man nicht. Kein Kunststück ist es,Tote nochmals töten,glaub`s. Und das ist gutgemeinter Rat,gedacht für den Der weiss,auf welcher Seite eigner Vorteil liegt. 1 1 KREON: Ach,alter Mann,wie Schützen auf die Scheibe zielst Auf meinen Kopf du und versuchst`s mit Seherkunst. Verkauft bin ich schon lange und betrogen,spielt 1 doch mancher gerne um den Preis von meinem Kopf. Hier,nehmt mein Geld,kauft Bernstein euch soviel ihr wollt Und wenn ihr wollt,kauft euch in Indien auch noch Gold. Ein Grab für ihn,bei Gott,bekommt ihr dafür nicht! Zeus` Adler könnten sich den Leichnam greifen und 1015 am Thron in Stücke reissen das verweste Fleisch Mich schreckt auch eine solche Gotteslästrung nicht! Ein Grab,das ein für allemal,bekommt er nicht! Denn Zeus lässt sich nicht blenden,das vermag kein Mensch. Berühmte Männer auch nicht,Greis Teiresias! 1 Auch solche fallen tief,die wüste Worte nur Vergolden und sie das zu ihrem Vorteil tun. 1 TEIRESIAS: Ist einer in der Nähe,sagt,der das versteht? Der Mensch!Weiss einer von euch vielleicht,was er meint? KREON: Ich weiss nicht,was du willst.Das liegt doch auf der Hand. 1 TEIRESIAS: Das höchste Gut des Menschen ist Besonnenheit. KREON: Das niederste und grösste Übel – Unvernunft. TEIRESIAS: Darunter leidest du,scheint`s,grad in letzter Zeit. KREON: Ich widerspreche nicht,es langweilt mich zu sehr. TEIRESIAS: Du widersprichst ja.Sagst,ich prophezeihe falsch. 1 KREON: Du wirst von mir bezahlt und bist dein Geld nicht wert. TEIRESIAS: Dafür suchst du in deinen Fehlern Vorteil noch. KREON: Du weißt,mit wem du redest?Dass du Kreon kränkst? TEIRESIAS: Durch meine Hilfe erst gehört dir Thron und Stadt. KREON: Ja,klug bist du,doch krumme Wege liebst du auch. 1 TEIRESIAS: Du reize besser nicht,was tief verborgen liegt. KREON: Ans Licht damit!Nur kein Gedanke an Gewinn! TEIRESIAS: Gewinn für dich,das ist,was mir am Herzen liegt. KREON: Mit deinem Herzen kaufst du meinen Willen nicht. TEIRESIAS: Dann lass dir eins gesagt sein:viel Zeit hast du nicht 1 dann geht für dich das letzte Mal die Sonne auf. Denn bald mit deinem eignen Blut zahlst du den Preis An deine Toten.Du bist dann das Lösegeld Für die,die du verstiessest und hinunterwarfst Lebendig ihren Seelen Wohnung gabst im Grab. 1 Der unbestattet,unbeweint da draussen liegt Dem gönnst du`s nicht,enthältst ihn vor dem Totengott. Und das steht dir nicht zu.Betrüge Götter nicht! Das Einzige,um das es geht,ist deine Macht. Doch lauern,deren Rache jedem Tod verheisst 1050 Erinnyen,Richterfrau`n der Unterwelt auf dich Bis du,Kreon,den Fuss in ihrer Schlinge hast. Nun geh und frage,ob ich nicht mein Geld wert bin. Ein kleines Weilchen noch,dann kommt es an den Tag. Wehklagerufe schallen laut dann durch das Haus 1055 In allen Städten ringsum gilt nur dir der Hass weil Hunde,Vögel sich als Leichenfledderer verstehn - kein guter Götterdienst - und der Gestank getragen wird in jedes Haus,an jeden Herd. So schiesse ich den Brandpfeil meines Geistes ab Zu tief bin ich gekränkt und dem Geschoss entkommst Du nicht,es trifft dich tödlich,ausser du kehrst um. Du aber,Knabe,führe mich nun weg nach Haus. Er soll an Jüngeren entladen seinen Zorn Und lernen seine Zunge zügeln,sein Verstand 1065 Mag ihm die Richtung zeigen,wo der Ausweg liegt. 1 ................................. Anfragen unter : 0172 6612065 und [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc