FREITAG, 23. OKTOBER 2015, SEITE 29 Kultur & Freizeit Griechische Tragödie zeigt ganz aktuelle Themen Am Sonnabend feiert die antike griechische Tragödie „Antigone“ im Theater Neustrelitz Premiere. Was das Besondere an dieser Inszenierung ist, verrät Regisseurin Isolde Wabra im Gespräch mit Claudia Malangré. Was macht „Antigone“ zu einem Stück für die heutige Zeit? Es gibt eine tolle Szene, mit Kreon und seinem Sohn. Da entgegnet der Sohn: „Kein Bürger spricht zum König offen.“ Das ist auch heute in der Politik sehr aktuell. Außerdem habe ich nach den Urthemen gesucht, die uns mit den Menschen von vor 2500 Jahren verbinden: Schock, Krieg, Liebe, Neid, Habgier. Diese Themen zeige ich nicht nur in der Sprache, sondern auch über Körper. Wie meinen Sie das? Eigentlich rechnet man bei Antigone mit einem Sprachmarathon. Ich habe mich gefragt, wie fühlt sich Schmerz oder Schock im Körper an, wie fühlt es sich an, von etwas angezogen oder abgestoßen zu sein? Wie kann man das zeigen, ohne zu sprechen? Der Chor ist in dieser Inszenierung nicht nur ein Sprachkörper, sondern auch eine Masse, die diese Themen veranschaulichen soll. Wie sieht das auf der Bühne aus? Zentraler Bestandteil des Bühnenbildes ist eine Wand aus Gummibändern. Sie symbolisiert die Wand, die sich zwischen Kreon und Antigone aufgebaut hat, weil beide auf ihrem Standpunkt behar- ren. Die Menschen auf der Bühne kämpfen mit diesen Gummibändern und stemmen sich dagegen, sie sind hin- und hergerissen. Antigones Brüder sind im Kampf um Theben gefallen. Weil einer von ihnen aber gegen den neuen Herrscher Kreon gekämpft hatte, soll er unbeerdigt bleiben. Antigone will das nicht hinnehmen. Sie erhebt sich gegen die Ent- scheidung Kreons und soll deshalb bei lebendigem Leibe eingemauert werden. Vergebens bitten Kreons Sohn Haimon, Antigones Verlobter, und das Volk Thebens um Gnade. Kann Teiresias, der blinde Seher, Kreon noch umstimmen? Matthäus 24,35 Seit dem „Jahr der Bibel“ 2003 erscheinen an dieser Stelle Texte aus dem Alten und Neuen Testament. Entnommen wird dieser Spruch für den jeweiligen Tag den „Losungsbüchern“ der Herrnhuter Brüdergemeine. www.losungen.de CSU fordert extra TV-Kanal für Flüchtlinge Die CSU fordert einen öffentlich-rechtlichen Flüchtlingskanal. Generalsekretär Andreas Scheuer rief ARD und ZDF auf, ein „Deutsches Integrationsfernsehen“ ins Leben zu rufen. „Integration ist die Mega-Aufgabe für die ganze Gesellschaft, zu der auch die TV-Anstalten ihren Beitrag leisten müssen“, schrieb er in einem Brief an den ZDF-Intendanten Thomas Bellut und den ARDVorsitzenden Lutz Marmor. Mit Mitteln aus den knapp 1,6 Milliarden Euro MÜNCHEN. Welche Hilfen hat der Zuschauer, um bei der Handlung den Überblick zu behalten? Der Chor ist eine gute Hilfe. Für mich ist er der Flüsterer der Generationen, die vor uns gelebt haben. Er teilt uns mit, worauf es eigentlich ankommt. Er bereitet die Geschichten vor und ref lektiert sie. Er ist in gewisser Weise ein Spiegel für uns selbst. Das erleichtert es, die Geschichte zu verstehen, wobei die Fassung von John von Düffel es einem auch nicht besonders schwer macht. Darum geht es bei „Antigone“ „Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ NACHRICHTEN Welche Rolle spielen dabei die Kostüme? Die Kostüme sind sehr zurückhaltend und heben den Menschen hervor. Wir haben viel sichtbare Haut auf der Bühne, die Darsteller sind alle barfuß und die Männer haben freie Oberkörper. Insgesamt sind 28 Kleindarsteller und zehn Schauspieler eingebunden. Dadurch sieht man die Unterschiedlichkeit der Körper und dass auch ältere Körper schön sind. Man sieht gelebtes Leben durch die Körper. Warum haben Sie sich für die Version von John von Düffel entschieden? Er zeigt, dass die Figuren vielschichtig sind. Kreon ist nicht einfach der Böse und Antigone die Gute. Kreon hat auch eine menschliche Seite, während man sich bei Antigone fragt, ob es ihr wirklich Bibelwort Überschuss aus dem neuen Rundfunkbeitrag, die zurzeit auf Sperrkonten liegen, sollen die Sender nach Vorschlag Scheuers den Kanal finanzieren. „Dieses Angebot muss Sprachkurse, Grundgesetz-Unterricht, Informationen für das Leben in unserem Staat und in unserer Gesellschaft, Dokumentationen über gelungene Integrationsprojekte und selbstverständlich die Vermittlung unserer deutschen Werte und unserer deutschen Leitkultur umfassen.“ Sagrada Familia soll 2026 fertig sein – nach 144 Jahren Bauzeit Kreon (Marco Bahr) und Antigone (Lisa Voß) halten an ihren Standpunkten fest. Das führt zum Streit. FOTO: JÖRG METZNER nur um ihren Bruder geht oder ob sie sich vielleicht in den Vordergrund spielen will. Was ist für Sie die wichtigste Botschaft des Stückes? Das Stück lehrt uns einerseits, Fehler einzugestehen und andererseits, nachsichtig zu sein und Kompromisse einzugehen. Menschen haben unterschiedliche Auffassungen, weil jeder eine andere Vorgeschichte und eine andere Verantwortung hat. Wir müssen uns aufeinander zu bewegen, die Fronten dürfen sich nicht verhärten. Wer wäre der optimale Zuschauer für „Antigone“? Eigentlich ist es die ganze Familie, denn wir haben ja auch alle Generationen auf der Bühne – unser jüngster Darsteller ist neun, unser ältester fast 80. Ich würde mich freuen, wenn man hinterher generationenübergreifend ins Gespräch kommt. Premiere von „Antigone“ ist an diesem Samstag um 19.30 Uhr im Landestheater Neustrelitz. Weitere Aufführungen: 5.11./6.11./22.11. www.theater-und-orchester.de Kontakt zur Autorin [email protected] BARCELONA. Der 1882 begonnene Bau der Basilika Sagrada Familia in Barcelona, das Lebenswerk des Architekten Antonio Gaudí (1852-1926), soll 2026 nach 144 Jahren vollendet werden. Das versicherte Projektleiter Jordi Faulí bei der Präsentation einer Bilanz der Bauarbeiten. Man gebe pro Jahr rund 25 Millionen Euro aus, die ausschließlich aus Spenden und Eintrittsgeldern stammten, so Faulí. Im nächsten Jahr will man mit dem Bau der oberen Teile der sechs Zentraltürme beginnen, die aber erst 2017 erstmals von außen sichtbar sein werden. Der höchste der Türme werde eine Höhe von 172,5 Metern haben. Damit werde man den Wunsch Gaudís Rechnung tragen, wonach die Kirche auf keinen Fall höher sein soll als Barcelonas Hausberg Montjuïc (180 Meter). Bezahlsender Sky bietet jetzt auch ein Serienpaket MÜNCHEN. Weil das deutsche Fernsehpublikum immer mehr Serien gucken will und dafür zunehmend Streamingplattformen nutzt, ändert der größte deutsche Pay-TV-Anbieter, Sky, seine Angebotspalette. Mit dem neuen Paket Sky Entertainment werde der Kunde Zugang zu allen Serien der 29 infrage kommenden Sender auf Sky erlangen, teilte das Unternehmen mit. Es beinhaltet auch andere Programme wie zum Beispiel Filme. Neu sei auch, dass der Kunde komplette SerienStaffeln abrufen könne. Brechts Zeichen gegen den Krieg funktionieren noch Von Frank Wilhelm Fast 80 Jahre alt ist das Drama „Die Gewehre der Frau Carrar“. Trotzdem ist das Stück laut Intendanten nicht in die Jahre gekommen. Haben wir alle derzeit nicht schon reichlich schwere Kost in Deutschland und im Nordosten zu verdauen? Flüchtlingskrise, Volkswagen-Skandal, Bevölkerungsschwund ... Muss Wolfgang Bordel uns dann mit den „Gewehren der Frau Carrar“ auch noch schwere Theaterkost vorsetzen? Der Intendant des Anklamer Theaters, der auch Regie führt, schmunzelt. NaANKLAM. türlich hat er sich diese Frage auch schon gestellt. Das Umfeld schreie aber gerade nach einem solchen Stück, mit dem Theater Stellung nimmt. Auch wenn Bertolt Brecht das Drama bereits 1937 mitten im Spanischen Bürgerkrieg geschrieben hat, habe es nicht an Aktualität verloren. Flucht und Krieg sind heute auch in Zentraleuropa wieder zentrale Themen. „Die große Frage, die Brecht stellt, und die wir uns auch stellen müssen, ist: Können wir uns raushalten aus den politischen Fragen der Zeit?“ Letztlich gehe es im Kern auch darum, wie Mütter und Väter ihre Kinder schützen können. Das Thema der „Gewehre der Frau Carrar“ ist schnell erzählt: Teresa Carrar, Witwe eines Fischers in Andalusien, hat im Bürgerkrieg ihren Mann Carlo verloren. Jetzt will ihr Bruder Pedro sich Carlos Gewehre holen, um in den Kampf gegen Franco zu ziehen. Doch Teresa Carrar stellt sich dem entgegen. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert getötet“, hält sie ihrem Bruder entgegen. Als sie aber auch ihren Sohn Juan im Krieg verliert, wird aus der Pazifistin Teresa Carrar eine Kämpferin. Die Hauptfigur wird durch Birgit Lenz dargestellt. Schon die Proben zeigen, dass die deren Originaltext gerne mal eine Aktualisierung einbaut, hat bei der aktuellen Inszenierung bewusst darauf verzichtet. Das sei nicht notwendig. „Der alte Text öffnet uns allen die Augen“, sagt er und zitiert: „Wir sind arme Leute und arme Leute können nicht Krieg führen.“ Brecht verdeutlicht in seinem Stück: Auch wenn man sich heraushält, kann man schmerzhaft betroffen sein. FOTO: F. WILHELM erfahrene Schauspielerin und Regisseurin der Rolle mehr als gerecht wird. Wut und Trauer, Ratlosigkeit und Entschlossenheit – all diese Eigenschaften, die Brecht seiner Heldin eingeschrieben hat, verkörpert Birgit Lenz mit einer professionellen Ernsthaftigkeit. Bordel, der bekannt dafür ist, dass er in den ein oder an- „Die Gewehre der Frau Carrar“ feiert am Samstag um 19.30 Uhr Premiere am Theater Anklam. Weitere Vorstellungen: 27.10./ 17.11. (Blechbüchse Zinnowitz); 5.12. (Boddenbühne Barth). www.theater-anklam.de Kontakt zum Autor [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc