Beitrag aus der Schriftenreihe zum Wittener Krankenhausforum 2015 ⁄ ⁄ »Riskante Mutationen« Themenschwerpunkt ⁄ ⁄ Hierarchie & Netzwerk Workshop ⁄ ⁄ Potenziale der Zentralen Notaufnahme Kontakt Gesellschaft für Krankenhausmanagement mbH Alfred-Herrhausen-Str. 44 D-58455 Witten T +49 (0)2302 926 874 [email protected] www.wittener-krankenhausforum.de Schriftenreihe zum Wittener Krankenhausforum 2015 Hierarchie & Netzwerk Potenziale der Zentralen Notaufnahme Impuls ⁄ ⁄ Von der Siloverwaltung zur Hochleistungsorganisation Frau Dr. Barbara Hogan, langjährige Chefärztin der Notaufnahme in Hamburg Altona sowie Mitbegründerin und ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DEGINA), plädiert dafür, die Notaufnahme zur Prozessleitstelle der Krankenhäuser werden zu lassen. Dies habe nicht nur einen positiven Effekt auf das gesamte Gesundheitssystem, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern. Letztere werden heutzutage unausweichlich mit einer Medizin konfrontiert, die nicht nur Versorgungs- sondern auch Managementaufgaben umfasst. Da der niedergelassene Bereich sich mehr und mehr zurückzieht, müssen in Krankenhäusern neue Strukturen geschaffen werden, die eine angemessene Anlaufstelle für die Patienten bieten. Dabei ist das Ziel die Schaffung eines Workflows mit Patientenzentrierung. Dies ist fraglos eine interdisziplinäre Herausforderung, denn immer wieder stellt sich dabei die Frage, wer die Finanzierung übernimmt. Die Notaufnahme sieht sich vor die Aufgabe gestellt, multiplen Anspruchsgruppen gerecht zu werden: Patienten, Krankenkassen, Angehörigen, Einweisern, Klinikpersonal und der Politik. Diesen Ansprüchen hinsichtlich einer hohen medizinischen Versorgungsqualität und entsprechenden Behandlungsverfahren kann laut Frau Dr. Hogan einzig und allein mit innovativen Versorgungs- und Geschäftsmodellen sowie Servicestrategien entsprochen werden. Dazu fordert sie den Wandel von der Siloverwaltung hin zur Hochleistungsorganisation im Netzwerkmanagement. Referentin: Dr. med. Barbara Hogan Die Siloverwaltung als Effizienzhemmnis Speziallistensilos, welche in den Krankenhäusern vorzufinden sind, arbeiten rein funktionsorientiert und stellen in Kombination mit ihren etablierten hierarchischen Strukturen buchstäblich »operative Inseln« dar. Diese »operativen Inseln« weisen jedoch einen hohen Effizienzverlust auf, der wiederum zu einer reduzierten Wettbewerbsfähigkeit führt. Daher ist es notwendig, diese unstrukturierten Arbeitsprozesse zu reorganisieren. Hierbei muss eine Vernetzung zwischen den Speziallistensilos und der Notaufnahme aufgebaut werden – zum einen innerhalb des Krankenhauses und zum anderen auch nach außen hin, zusammen mit Rettungsdienst, Einweisern und Niedergelassenen. Die Notaufnahme muss ihren Fokus auf die Fallorientierung und den Workflow setzen. Eine prozessorientierte Bauweise der Notaufnahme ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Grundbaustein. Es braucht eine »Clinical Decision Unit« – eine pflegerische Triage © GKM 1 – die eine ressourcenorientierte Ersteinschätzung des Patienten vornimmt und den Patienten dann entsprechend des Versorgungsbedarfes kategorisiert. Das interdisziplinäre First-View Konzept Bei einem interdisziplinären First-View System ist höchste Arztkompetenz gefragt. Vorteil einer interdisziplinären Arbeitsweise ist die Möglichkeit einer fachübergreifenden Diagnostik, welche nicht nur hinsichtlich der wünschenswerten Wandlung der Notaufnahme zur zentralen Prozessleitstelle notwendig ist, sondern auch in Bezug auf die stetig steigende Anzahl multimorbider Patienten. Durch ein holistisches First-View System wird sichergestellt, dass die Fachabteilungen die jeweils vereinbarten Behandlungspfade einhalten. Für diese Art der transsektoralen Vernetzung ist eine enge Zusammenarbeit der Notaufnahme mit allen Organspezialisten des Hauses notwendig. Die Notaufnahme ist zuständig für einen strukturierten Versorgungsprozess. Hier wird die Auswahl des Versorgungssektors (stationär oder ambulant) sowie die Auswahl der richtigen Fachabteilung getroffen. Alle Schritte von der ersten Sichtung über die primäre Behandlung und dem Erstellen der Behandlungspfade bis hin zur Organisation eines pflegerischen Dienstes nach der Entlassung könnten in der Notaufnahme stattfinden. Eine solche Behandlungskoordination kann nur durch das Kompetenzzentrum Zentrale Notaufnahme (ZNA) geschehen. Interdisziplinarität kann hier in Anbetracht der drei Faktoren »Kosten«, »Zeit« und »Qualität« eine beträchtliche Effizienzsteigerung bewirken. Dabei gilt es, die präklinische Phase, die Untersuchung und Behandlung sowie die Verlegung und Entlassung unter Beachtung der Patienten Compliance, der Patienten Integration und dem Patienten Nutzen erfolgen zu lassen. Diskussion ⁄ ⁄ Changemanagement & Leadership Die eben beschriebene Wandlung der Notaufnahme hin zur Zentralen Notaufnahme als Center of Excellence für Prozessmedizin bedarf natürlich eines erfolgreichen Changemanagements und einer ebenso guten Mitarbeitendenführung. Der Leiter der Notaufnahme muss alle präklinischen Phasen sowie alle dahinterstehenden Managementebenen kennen. Um eine hohe Outcome Qualität zu sichern, müssen dem Leiter der Notaufnahme alle Prozessebenen mit ihren jeweiligen Arbeitsabläufen und Schnittstellen bekannt sein. All das gilt es mit dem Versorgungsmanagement, also der Potentialebene, der Prozessebene und der Ergebnisebene der Zentralen Notaufnahme zu synchronisieren. Die Zentrale Notaufnahme ist ein komplexes System, in dem heutzutage jedoch die Mitarbeitenden ein oft sehr vernachlässigtes Erfolgs- 2 © GKM Schriftenreihe zum Wittener Krankenhausforum 2015 Hierarchie & Netzwerk potential sind. Ausschlaggebend mag durchaus auch die Tatsache sein, dass es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern bis dato keinen Facharzt für Notfallmedizin gibt. Daraus folgt, dass aktuell immer ein Facharzt aus der operativen Medizin und ein Facharzt aus der konservativen Medizin rund um die Uhr im Dienst sein müssen, was die Lage unnötig verkompliziert. Wie so oft erweist sich die Finanzierung eines solchen Konzepts als problematisch. Die DRGs gehen immer an die entlassende Fachabteilung und da es keine interne Leistungsverrechnung gibt, bleibt nichts für die Notaufnahme. Das ist jedoch insofern kein Problem, solange die Notaufnahme als Visitenkarte des Krankenhauses fungiert – gewissermaßen als Ansaugstutzen für alle Patienten. Nichtsdestotrotz müssten auf lange Sicht die Vergütungsstrukturen nachgebessert werden. In Anbetracht des Trends, dass die Krankenhäuser immer mehr und mehr ambulante Fälle behandeln, ist dies ohnehin notwendig. Elementar wichtig dafür ist eine ausführliche digitale Dokumentation entlang des gesamten Behandlungspfades mit dem Ziel einer angemessenen Endabrechnung. Ausblick ⁄ ⁄ ZNA fördern Die Notaufnahme sollte aufgewertet und neu strukturiert werden. Dazu bedarf es eines kooperativen, integrierenden Managements inklusive ZNA eigenem Personal. Die operativen Inseln der Siloverwaltung sollten einem kollegialen Miteinander und der Ausrichtung auf Prozess- und Schnittstellenoptimierung weichen. In der Notaufnahme beginnt die gute Prozessorientierung eines Krankenhauses. Im Zuge dessen müsste in Deutschland ein Facharzt für Notfallmedizin eingeführt und darüber hinaus den notwendigen Kompetenzen für die Notfallmedizin schon im Medizinstudium mehr Beachtung geschenkt werden. Um eine Zentrale Notaufnahme zu errichten, ist eine Analyse der Strategie, der Struktur, der Ressourcen und der Prozesse im Hinblick auf Effektivität und Effizienz nötig. Unter den Prinzipien der Prozessorientierung, Ganzheitlichkeit, Peopleware und operativen Exzellenz müsste dann eine angepasste Adaption der industriellen Managementtechniken in das Krankenhaus erfolgen. Sie haben Fragen zum Thema? Kontaktieren Sie uns! [email protected] © GKM 3
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