Potenziale der Zentralen Notaufnahme

Beitrag aus der Schriftenreihe zum
Wittener Krankenhausforum 2015 ⁄ ⁄ »Riskante Mutationen«
Themenschwerpunkt ⁄ ⁄ Hierarchie & Netzwerk
Workshop ⁄ ⁄ Potenziale der Zentralen Notaufnahme
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Schriftenreihe zum
Wittener Krankenhausforum 2015
Hierarchie & Netzwerk
Potenziale der Zentralen Notaufnahme
Impuls ⁄ ⁄ Von der Siloverwaltung zur Hochleistungsorganisation
Frau Dr. Barbara Hogan, langjährige Chefärztin der Notaufnahme in Hamburg
Altona sowie Mitbegründerin und ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DEGINA), plädiert
dafür, die Notaufnahme zur Prozessleitstelle der Krankenhäuser werden zu lassen. Dies habe nicht nur einen positiven Effekt auf das gesamte Gesundheitssystem, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern. Letztere
werden heutzutage unausweichlich mit einer Medizin konfrontiert, die nicht nur
Versorgungs- sondern auch Managementaufgaben umfasst. Da der niedergelassene Bereich sich mehr und mehr zurückzieht, müssen in Krankenhäusern
neue Strukturen geschaffen werden, die eine angemessene Anlaufstelle für die
Patienten bieten. Dabei ist das Ziel die Schaffung eines Workflows mit Patientenzentrierung. Dies ist fraglos eine interdisziplinäre Herausforderung, denn
immer wieder stellt sich dabei die Frage, wer die Finanzierung übernimmt. Die
Notaufnahme sieht sich vor die Aufgabe gestellt, multiplen Anspruchsgruppen
gerecht zu werden: Patienten, Krankenkassen, Angehörigen, Einweisern, Klinikpersonal und der Politik. Diesen Ansprüchen hinsichtlich einer hohen medizinischen Versorgungsqualität und entsprechenden Behandlungsverfahren
kann laut Frau Dr. Hogan einzig und allein mit innovativen Versorgungs- und
Geschäftsmodellen sowie Servicestrategien entsprochen werden. Dazu fordert
sie den Wandel von der Siloverwaltung hin zur Hochleistungsorganisation im
Netzwerkmanagement.
Referentin:
Dr. med. Barbara Hogan
Die Siloverwaltung als Effizienzhemmnis
Speziallistensilos, welche in den Krankenhäusern vorzufinden sind, arbeiten rein
funktionsorientiert und stellen in Kombination mit ihren etablierten hierarchischen Strukturen buchstäblich »operative Inseln« dar. Diese »operativen Inseln«
weisen jedoch einen hohen Effizienzverlust auf, der wiederum zu einer reduzierten Wettbewerbsfähigkeit führt. Daher ist es notwendig, diese unstrukturierten
Arbeitsprozesse zu reorganisieren. Hierbei muss eine Vernetzung zwischen den
Speziallistensilos und der Notaufnahme aufgebaut werden – zum einen innerhalb des Krankenhauses und zum anderen auch nach außen hin, zusammen
mit Rettungsdienst, Einweisern und Niedergelassenen. Die Notaufnahme muss
ihren Fokus auf die Fallorientierung und den Workflow setzen. Eine prozessorientierte Bauweise der Notaufnahme ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Grundbaustein. Es braucht eine »Clinical Decision Unit« – eine pflegerische Triage
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– die eine ressourcenorientierte Ersteinschätzung des Patienten vornimmt und
den Patienten dann entsprechend des Versorgungsbedarfes kategorisiert.
Das interdisziplinäre First-View Konzept
Bei einem interdisziplinären First-View System ist höchste Arztkompetenz gefragt. Vorteil einer interdisziplinären Arbeitsweise ist die Möglichkeit einer fachübergreifenden Diagnostik, welche nicht nur hinsichtlich der wünschenswerten
Wandlung der Notaufnahme zur zentralen Prozessleitstelle notwendig ist, sondern auch in Bezug auf die stetig steigende Anzahl multimorbider Patienten.
Durch ein holistisches First-View System wird sichergestellt, dass die Fachabteilungen die jeweils vereinbarten Behandlungspfade einhalten. Für diese Art
der transsektoralen Vernetzung ist eine enge Zusammenarbeit der Notaufnahme
mit allen Organspezialisten des Hauses notwendig. Die Notaufnahme ist zuständig für einen strukturierten Versorgungsprozess. Hier wird die Auswahl des
Versorgungssektors (stationär oder ambulant) sowie die Auswahl der richtigen
Fachabteilung getroffen. Alle Schritte von der ersten Sichtung über die primäre
Behandlung und dem Erstellen der Behandlungspfade bis hin zur Organisation
eines pflegerischen Dienstes nach der Entlassung könnten in der Notaufnahme
stattfinden. Eine solche Behandlungskoordination kann nur durch das Kompetenzzentrum Zentrale Notaufnahme (ZNA) geschehen. Interdisziplinarität
kann hier in Anbetracht der drei Faktoren »Kosten«, »Zeit« und »Qualität« eine
beträchtliche Effizienzsteigerung bewirken. Dabei gilt es, die präklinische Phase,
die Untersuchung und Behandlung sowie die Verlegung und Entlassung unter
Beachtung der Patienten Compliance, der Patienten Integration und dem Patienten Nutzen erfolgen zu lassen.
Diskussion ⁄ ⁄ Changemanagement & Leadership
Die eben beschriebene Wandlung der Notaufnahme hin zur Zentralen Notaufnahme als Center of Excellence für Prozessmedizin bedarf natürlich eines
erfolgreichen Changemanagements und einer ebenso guten Mitarbeitendenführung. Der Leiter der Notaufnahme muss alle präklinischen Phasen sowie
alle dahinterstehenden Managementebenen kennen. Um eine hohe Outcome Qualität zu sichern, müssen dem Leiter der Notaufnahme alle Prozessebenen mit ihren jeweiligen Arbeitsabläufen und Schnittstellen bekannt sein.
All das gilt es mit dem Versorgungsmanagement, also der Potentialebene, der
Prozessebene und der Ergebnisebene der Zentralen Notaufnahme zu synchronisieren. Die Zentrale Notaufnahme ist ein komplexes System, in dem
heutzutage jedoch die Mitarbeitenden ein oft sehr vernachlässigtes Erfolgs-
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potential sind. Ausschlaggebend mag durchaus auch die Tatsache sein, dass es
in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern bis dato keinen Facharzt
für Notfallmedizin gibt. Daraus folgt, dass aktuell immer ein Facharzt aus
der operativen Medizin und ein Facharzt aus der konservativen Medizin rund
um die Uhr im Dienst sein müssen, was die Lage unnötig verkompliziert.
Wie so oft erweist sich die Finanzierung eines solchen Konzepts als problematisch. Die DRGs gehen immer an die entlassende Fachabteilung und da es keine
interne Leistungsverrechnung gibt, bleibt nichts für die Notaufnahme. Das ist
jedoch insofern kein Problem, solange die Notaufnahme als Visitenkarte des
Krankenhauses fungiert – gewissermaßen als Ansaugstutzen für alle Patienten.
Nichtsdestotrotz müssten auf lange Sicht die Vergütungsstrukturen nachgebessert werden. In Anbetracht des Trends, dass die Krankenhäuser immer mehr
und mehr ambulante Fälle behandeln, ist dies ohnehin notwendig. Elementar
wichtig dafür ist eine ausführliche digitale Dokumentation entlang des gesamten
Behandlungspfades mit dem Ziel einer angemessenen Endabrechnung.
Ausblick ⁄ ⁄ ZNA fördern
Die Notaufnahme sollte aufgewertet und neu strukturiert
werden. Dazu bedarf es eines
kooperativen, integrierenden
Managements inklusive ZNA
eigenem Personal. Die operativen Inseln der Siloverwaltung
sollten einem kollegialen Miteinander und der Ausrichtung
auf Prozess- und Schnittstellenoptimierung weichen. In der
Notaufnahme beginnt die gute
Prozessorientierung eines Krankenhauses. Im Zuge dessen müsste in Deutschland ein Facharzt für Notfallmedizin eingeführt und darüber hinaus den notwendigen Kompetenzen für die Notfallmedizin schon im Medizinstudium mehr
Beachtung geschenkt werden. Um eine Zentrale Notaufnahme zu errichten, ist
eine Analyse der Strategie, der Struktur, der Ressourcen und der Prozesse im
Hinblick auf Effektivität und Effizienz nötig. Unter den Prinzipien der Prozessorientierung, Ganzheitlichkeit, Peopleware und operativen Exzellenz müsste
dann eine angepasste Adaption der industriellen Managementtechniken in das
Krankenhaus erfolgen.
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