des Textes als PDF

Hitlers „Mein Kampf“ ab 2016 frei verkäuflich – was heißt das für Büchereien?
Sollen Büchereien wirklich Adolf Hitlers „Mein Kampf“ kaufen
und verleihen, auch wenn es sich um eine kritische Edition
handelt, die ab 2016 in legaler Weise erscheinen darf? Wäre
diese kommentierte Ausgabe die einzige Möglichkeit, heute
noch an den Text von „Mein Kampf“ heranzukommen, sprächen tatsächlich gute Gründe für eine sämtliche Seiten intensiv durchleuchtende Diskussion zu führen, beginnend von der
Informationspflicht von Bibliotheken und dem freien Zugang
zu allen möglichen Quellen bis hin zu all den Gefahren der
Radikalisierung, die von diesem Machwerk ausgehen. Tatsächlich kann man aber den unkommentierten Text in der
originalen Ausgabe jederzeit auch in Deutschland ganz legal
antiquarisch erwerben – und auch ausleihen - oder sogar völlig kostenlos im Internet bekommen. Die rechtsradikale „Klientel“ dürfte also das Buch schon längst – und ungelesen? im Regal stehen oder im Rechner liegen haben…
Die kritische Edition erläutert in einer umfangreichen Einführung die historischen Hintergründe und stellt die Prinzipien der Kommentierung in dieser Ausgabe dar. Danach wird in
zwei Bänden jeweils auf der rechten Seite der originale Text von „Mein Kampf“ abgedruckt
(mit aufgelisteten Textvarianten unterschiedlicher Auflagen in der Randspalte), auf der linken Seite (und – falls es vom Platz her nötig ist – teilweise auch noch rechts unterhalb des
Textes) finden sich die Anmerkungen, die Quellen erschließen, Bezüge herstellen, vor allem
aber immer wieder von Hitler falsch oder völlig einseitig geschilderte Sachverhalte richtigstellen (selbstverständlich mit nachprüfbaren Nachweisen). Der eigentliche Text wird also
vom Kommentar regelrecht „umzingelt“, was auch die Herausgeber stets betonen.
Wie aber sollen sich nun Büchereien verhalten, sollten sie diese Ausgabe – und wenn, dann
nur diese – beschaffen oder nicht? Zunächst empfiehlt es sich, „den Ball flach zu halten“ und
damit den Mythos um dieses verbrecherische Machwerk nicht noch weiter anzuheizen. Natürlich kann die Bereitstellung der kommentierten Ausgabe entscheidend dazu beitragen,
„Mein Kampf“ zu entmystifizieren! Wie lange aber der aktuelle „Hype“ über diese Neuauflage anhält, ist fraglich! Klaus Staeck, der bekannte satirisch-kritische Grafiker und Jurist, hat in
einem Beitrag in der Fachzeitschrift „BuB“, die die Neuausgabe von „Mein Kampf“ im Heft
12/2015 zum Schwerpunktthema gemacht hat, geäußert: „Ich bin überzeugt, dass dieser
durch den Stichtag ausgelöste Medienrummel sich bald wieder legen wird.“
Viele Bibliothekarinnen und Bibliothekare teilen – erfahren im Umgang mit kontrovers diskutierten Titeln – diese Einschätzung. Gerade kleine öffentliche Büchereien mit geringen Etats
müssen sich daher – ganz unabhängig inhaltlichen, ideologischen oder juristischen Gesichtspunkten - bei einem Kaufpreis von aktuell 59 Euro schon genau überlegen, ob sie diese Ausgabe für dieses fast 1984 Seiten umfassende zweibändige Werk tätigen wollen,
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das dann möglicherweise wie Blei im Regal liegt. Diese Überlegung stellt sich im Hinblick auf
die Informationsfreiheit und die Informationspflicht von Bibliotheken weniger für Stadtbibliotheken in Mittelstädten mit einem entsprechenden Angebot an Gymnasien und Hochschulen und erst recht nicht für große öffentliche Bibliotheken, die ihre Bestände auch ganz gezielt für wissenschaftliche Zwecke aufbauen und über entsprechende Etats verfügen.
Empfehlungen über einen „einwandfreien rechtskonforme Umgang“ mit „Mein Kampf“ können – und dürfen von uns - nicht gegeben werden, da hier viele zum Teil fast schon konkurrierende Normen und Gesetze greifen, die alle zu erläutern zu weit führen würde. Wir verweisen hier auf den entsprechenden Beitrag in BuB, Heft 12/2015, das ab März 2016 unter
http://b-u-b.de/archiv/ zu finden ist. Unstrittig dürfte sein – man beachte den Konjunktiv,
dass gegen eine Ausleihe der nun vorgelegten kommentierten Edition des Instituts für Zeitgeschichte durch Benutzer über 18 Jahre keine rechtlichen Verbote ausgesprochen werden
dürften. Für Benutzer unter 18 Jahren ist aber gerade bei großen Büchereien mit entsprechenden Öffnungszeiten und vorhandenen Arbeitsplätzen eine Einschränkung auf die Nutzung nur innerhalb der Bibliothek denkbar! Wovor an dieser Stelle aber dringendst abgeraten werden muss, ist die Einstellung nichtkommentierter Mein-Kampf-Ausgaben – und das
nicht nur aus rechtlichen Gründen!!!
Leider wirft diese Neuausgabe wieder die eigentlich „überholte“ Frage nach dem „Giftschrank“ auf, also nach der Beschaffung des Titels für die Bibliothek, aber einer gesonderte
Unterbringung außerhalb der Freihandaufstellung (etwa in einem abgeschlossenen Schrank
oder in den Büroräumen) und dem Verleih nur auf ein „berechtigtes Verlangen“ hin bzw. bei
einer zweifelhaften, da subjektiven „Unbedenklichkeitseinschätzung“ des potentiellen Benutzers. Auch wenn es gerade bei diesem Titel dafür durchaus den einen oder anderen
Grund geben mag, warnen wir schon aus Präzedenzgründen doch dringend vor einer derartigen Praxis – wehret den Anfängen! Im Medienzeitalter mit vollkommen unkontrollierten
Online-Angeboten ist eine derartige Praxis ebenso überflüssig wie im höchsten Maß lächerlich!
Dieser Beitrag ist ganz bewusst keine inhaltliche Rezension der neuen kritischen Edition zu
„Hitler, Mein Kampf“ ist, sondern vielmehr der Versuch einer praktischen Hilfestellung für
die öffentlichen Büchereien unseres Verbandes. Diese Überlegungshilfen und Argumente
können m.E. folgendermaßen zusammengefasst werden:
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Kleine öffentliche Büchereien mit begrenzten Etats können schon aus finanziellen Erwägungen auf eine Anschaffung der kritischen Edition von Hitlers „Mein Kampf“ verzichten
– der Hype um diese Ausgabe wird bald nachlassen!
Große öffentliche (Stadt-)Bibliotheken in Orten mit Gymnasien oder Hochschulen oder
gar mit eigenen wissenschaftlichen Beständen kommen an einer Beschaffung wahrscheinlich schon aus Unterrichts- bzw. Forschungsgründen nicht vorbei.
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Wenn eine Anschaffung von „Mein Kampf“ geplant ist, dann unbedingt nur diese vom
Institut für Zeitgeschichte veranlasste kritische Edition einstellen!
Eine Beschaffung kann (keinesfalls „muss“) den Trägern mitgeteilt werden, um mögliche
„Irritationen und Missverständnisse“ zu vermeiden!
Die Beschaffung von „Mein Kampf“ darf auf keinen Fall zum Aufbau eines „Giftschranks
für kontrovers diskutierte Titel“ führen, ein sorgsamer Umgang mit „Mein Kampf“ ist
aber trotzdem dringend angeraten!
Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern .V., Januar 2016
http://www.st-michaelsbund.de
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