MS Europa° Indien www.azur.de Suche nach der Seele Indiens Havelock Island in der Andamanensee ist ein Refugium für Strandliebhaber, Schnorchler und Sonnenanbeter. 26 °azur.de 3/2012 Fotos:Hapag-Lloyd Foto: PR Kreuzfahrten Die MS Europa-Kreuzfahrer reisten von Birma über die Andamanen, Sri Lanka und Indien bis nach Dubai. Sie erlebten ein Kontrastprogramm aus heilem Luxusleben an Bord und einfachstem Dasein. 3/2012 azur.de 27 ° MS Europa° Indien Die goldene Shwedagon-Pagode in Rangun (Myanmar) mit ihrem Stupa, den kleinen Tempeln und unzähligen Buddhafiguren ist ein Ort der Meditation. Die Millionen-Megametropole Mumbai pendelt zwischen Kolonialarchitektur, Shiva und normalem Alltag: Real oder eine Szene aus Bollywood? Fotos: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten Port Blair auf den Andamanen ist ein typisches hässliches, indisches Provinznest. Chaos in den Straßen, keine Infrastruktur. Unnötig der Stopp der MS Europa hier, so denken viele Gäste. 3/2012 azur.de 29 ° MS Europa° Indien 30 °azur.de 3/2012 Die Fischer von Cochin in Kerala (Indien) mit ihren chinesischen Netzen (links) bei der Arbeit, als die MS Europa in den Hafen einläuft. Erfolgreicher Fang, stolz präsentiert (oben). ▼ Fotos: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten E ine abenteuerlich ausstaffierte Karawane zieht übers Lidodeck. Sie ist auf dem Weg zum Magrodom, dem überdachten Teil des Pooldecks. Das ist heute Abend ausstaffiert wie ein Wüstenzelt. Überall flackern und lodern „echte“ Feuer, die Tische bersten vor indisch-orientalischen Spezereien, ein Musiker singt „Que sera“ im arabischen Stil. Begleitet wird er von DarbukaTrommel und Klarinette. Für all die Wüstensöhne und Haremsdamen, all die Lawrences von Arabien, Suleikas und ihre Bollywood-Schwestern wird heute Abend ein Märchen aus 1001 Nacht wahr: eine Überraschungsparty mit Dresscode „Morgenland“ für diejenigen Passagiere, für die ihre Weltreise mit der MS Europa in Dubai zu Ende gehen wird. Wir sind nämlich genau jetzt an Bord, auf der letzten, zwölftägigen Teilstrecke, die in Rangun begann und weiter über Indien und Sri Lanka eben nach Dubai führen wird. Das Motto dieser Kreuzfahrt: „Die Seele Indiens“. Gibt es sie wirklich? Und wenn ja, wo findet man sie, wo hat man sie zu suchen? Auf dem Crawford Market in Mumbai, in den Backwaters von Kerala, in der Farbenpracht der Saris? In den schluchzenden Geigenkantilenen der Bollywood-Schnulzen? Seit gestern liegt die MS Europa in Thilawa, dem Industriehafen nahe Ranguns im Süden von Myanmar – vielen noch als Birma geläufig. In Rangun befindet sich die wohl beeindruckendste Tempelanlage Asiens: die Shwedagon-Pagode. Wir fahren mit dem Shuttlebus über holprige Straßen vorbei an Reisfeldern, sehen Ochsenkarren, abgemagerte Rinder am Wegrand und hie und da ein paar Feldarbeiter. Dann: der erste Stupa! Gestern Abend, auf dem Weg vom Flug3/2012 azur.de 31 ° MS Europa° Indien 32 °azur.de 3/2012 A uf der MS Europa wird eben jeder nach seiner Fasson selig. Und gesünder. Ein Ayurveda-Arzt referiert über die drei „Doshas“. Jene Bioregulanten, die unser Leben steuern, sind für ihn der Schlüssel zu langem Leben. „Ayurveda geht uns alle an“, beschwört er uns. Wir lernen: Kapha-gesteuerte Menschen hätten ein gutes Immunsystem, bräuchten aber „Feuer unterm Hintern“. Als er beim Thema Übergewicht angelangt ist, schlägt es „zwölf Glasen“ aus den Decklautsprechern: Wachwechsel auf der Brücke. U nd Zeit fürs Mittagessen. Immerhin lernten wir soeben, man solle seine Hauptmahlzeit bis 14 Uhr einnehmen. „Alles Curry“ ist die Devise im „Lido-Café.“ Mit Rinder-, Lamm- oder Hühnercurry, Garam Masala, Mulligatawny auch, der berühmten englisch-indischen Gemüsesuppe. Curry, so lernten wir später bei einem Gewürzvortrag, leite sich ab von „Kari“, und Masala heiße Mischung. Für Hausfrauen gibt es noch einen Gratis-Tipp: „Ersetzen Sie doch mal Paniermehl durch Koriander.“ Diese Tipps über „wärmende“ Aromen heizen die Vorfreude auf Indien an. Ein „Indischer Abend“ findet passend zum Ziel schon heute auf der MS Europa statt! In farbenfrohen Stoffen gehüllt, kommen die Gäste nun aus ihren Suiten, Damen aus Deutschland und der Schweiz, die hier in Workshops gelernt haben, sich in Saris zu wickeln für just jenes Fest. Port Blair am anderen Morgen: Bevor wir an Land gehen, gibt’s noch einmal wichtige Hinweise des Bordlektors. „Das hier ist tiefste Provinz, das ist nicht Indien. Sondern so, als wenn man als Amerikaner Deutschland kennen lernen wolle und lande in Bremerhaven.“ Vorm Gandhi-Denkmal in der Innenstadt setzt der Shuttle die Gäste ab. Zuckerrohr-Maschinen am Wegrand versorgen die einkaufenden Einwohner mit Saft, Händler bieten Plastik-Kü- chengeräte oder Elektro-Bedarf an. Warum bloß hält die MS Europa in Port Blair?, fragen sich spätestens jetzt viele Gäste. Hässlich, keine Bürgersteige, kaum Infrastruktur, nix zu kaufen. Als Ausflugsziel nur eine alte, ehemals berüchtigte Strafkolonie. Da ist es besser, eine Fahrt nach Ross Island zu empfehlen, zum „Angkor Indiens“. Zur Genugtuung vieler Naturfreunde hat diese sich hier ihren Raum zurückgeholt: Frühere Gebäude der britischen Besatzer sind kaum noch zu erkennen – überwuchert wurden sie im Laufe der Jahre von Rhizomen und Wurzeln der allgegenwärtigen Würgefeigen. Dennoch: Ein Highlight war dieser Stopp wahrlich nicht. Und die Seele Indiens? Die haben wir hier erst gar nicht gesucht... K leine, tuckernde Bötchen begleiten uns, winzige Vögel flattern ums Schiff, als wir schließlich ablegen. Aus den Bordlautsprechern tönt dazu die „Stella Maris“-Auslaufhymne, gesungen von einer Mezzosopranistin. Keine Sängerin befindet sich an Bord auf unserer Reise ins Land der Bollywood-Geigenglissandi, stattdessen ein Klavierprofessor, der eine Hand voll erstklassiger Musiker um sich geschart hat. Die spielen sich auf Anhieb in die Herzen der Passagiere ein: ein Geiger, eine Geigerin, die Bratscherin, der Cellist und der Klarinettist. Jeder von ihnen ist ein perfekter Virtuose, erweist sich als Meister über Lagenwechsel, Legato-Töne, Doppelgriffe. Im „Club Belvedere“, man ist mitten auf dem Indischen Ozean, erklingen Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Passt halt – wie immer - und wird gebührend bejubelt. Beim nächsten Halt auf Havelock Island spielt dann die MS Europa-Bordband zum Badeausflug mit Grillwürstchen „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“ mit DixielandMusik auf. Die hätten jeden billigen Schlager spielen können. Denn Havelock Island, dessen flacher, weißsandiger Strand vorm badewannenwarmen, türkis schimmernden Meer vom „Time Magazine“ im Jahr 2004 zum „schönsten Strand Asiens“ ernannt wurde, ist schlicht der „Garten Eden“ in der Andamanensee. Gleich hinter den Stränden beginnt ein üppiger tropischer Regenwald, dessen Wipfel viel singendes, zwitscherndes Vogelgetier bewohnt: 242 Arten sind es, davon 32 endemisch. Hier werden wir Touristen „bewacht“ von einigen mit Gewehren und dekorativen Schlagstöcken ausgerüsteten, mehr neugierig als grimmig schauenden indischen Polizisten. Ob die denken, wir woll-ten auf diesem anscheinend unbewohnten Inselchen bleiben? K urs auf Sri Lanka. Seit Port Blair haben wir 563 Seemeilen zurückgelegt, 282 liegen noch vor uns bis Galle. Der Sonnenaufgang heute Morgen fand pünktlich auf die Minute um 6.16 Uhr statt, genau wie im Schiffstagesplan angekündigt. Wie eine Riesenkugel tauchte die Sonne knallrot aus dem Meer hervor. Schöner als auf jeder Kitschpostkarte. Um 10 Uhr ist wieder Vortragszeit. Ein ausgewiesener Asien-Experte, ZDFKorrespondent mit Wohnort Singapur, spricht über das „Erwachen“ des „Elefanten“ Indien. Der Elefant bewege den Rüssel, trample auf der Stelle, erst danach beginne er zu laufen. „Nichts ist sicher hier, alles muss täglich neu verhandelt werden – Italien ist dagegen ein Operettenland“, sagt er. Und die Emanzipation in Indien, na ja, die befinde sich noch „wie zu Zeiten der Suffragetten in Europa“. H ier an Bord indes findet man dagegen ganz schön viele Frauen in leitenden Positionen. Die Sicherheits-offizierin auf der Brücke zum Beispiel, die mit uns noch vor dem Auslaufen aus Rangun die so wichtige Notfallrettungsübung ausführte, die Kreuzfahrtdirektorin und auch die EntertainmentManagerin Stefanie Lämmerhirt. Sie kommt vom Fach, stand selbst jahrelang auf der Bühne. Nun sorgt sie dafür, dass sowohl die Gäste als auch die Künstler ▼ T rubelig-asiatisches Großstadtleben wuselt um uns herum: überfüllte Busse, an deren Türen sich Trauben von Menschen festhalten. Auf den Bürgersteigen haben geschäftige Straßenhändler Holzfeuerchen angezündet und bieten Tee an. Andere wieder halten Heuschrecken feil, gegrillt hier eine Delikatesse, und verkaufen Unmengen der gewöhnungsbedürftig duftenden „Stinkfrucht“ Durian. An den Häuserwänden hat man Plakate von Myanmars „Lichtgestalt“, der Politikerin Aung San Suu Kyi, aufgehängt. Vor wenigen Monaten wäre das noch undenkbar und sehr gefährlich gewesen. Wie auch die Tatsache, dass hier Poster von Hillary Clinton und Aung Kyi an Ständen verkauft werden. Für fünf Dollar. So viel kosten auch die Buddha-Figürchen aus zart duftendem Sandelholz im riesigen, überdachten Scott’s Market. Einen Dollar kostet ein Blattgold-Papierchen, das vor den Pagoden der Shwedagon-Tempelanlage erworben werden kann. Damit wird der Erhalt dieses Bauwerks mitfinanziert. „Leuchtend in ihrem Gold, wie eine plötzliche Hoffnung in der Seele dunkler Nacht“, so beschrieb sie einst der Schriftsteller Somerset Maugham. Überwältigt, ja ehrfürchtig bleiben wir kurz darauf vor dem 107 Meter hohen Stupa stehen, der mit 60 Tonnen purem Gold überzogen sein soll. Von jeder Himmelsrichtung aus führen prächtige Aufgänge hinauf auf die Plattform, auf der der Stupa und rings um ihn zahlreiche kleinere Tempel und Andachtshallen stehen. Nur unsere Schuhe bleiben draußen vor den Teakholz-Stufen. Barfuß folgen wir einer Prozession von Menschen, die Opfergaben – Kerzen, Früchte – mit sich tragen. Die Kinder unter ihnen werden als kleine Novizen einige Wochen in Klöstern verbringen. Ein großer, festlicher Anlass für die Familien, um in all den unzähligen Schreinen, Chedis und Pavillons den Göttern ihre Opfer-gaben darzubringen. Alles glänzt im Sonnenlicht, selbst der Fußboden. Der werde von der Allgemeinheit geschrubbt, erzählt unser Reiseleiter. Jeder Einwohner Ranguns ist einmal pro Jahr an der Reihe, am Tag seines Geburtstags! Fegen für die Ewigkeit... Weiter geht’s nach Port Blair, der größten Stadt auf den Andamaneninseln. 30 Grad in Luft und Wasser. Unser Schiff gleitet durch den ruhigen, dunkelblau schimmernden Indischen Ozean. Wir frühstücken am nächsten Morgen in aller Ruhe im „Lido-Café“. Treffen auf einen älteren Herrn, einen der Weltreisenden. Sechs Monate ist er schon an Bord. Was er so den ganzen Tag mache? Lange schlafen, spät frühstücken, Mittagessen nie. Abends ein Drink in der „Clipper Lounge“, einer in der „Sansibar“. Und heute Nachmittag gehe er auf den „Witwenball“, schmunzelt er, das sei das Treffen für Alleinreisende. Ausflüge mache er grundsätzlich nicht, da er schon überall war, zehnmal allein in Hongkong. Foto: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten hafen zum Schiff, sahen wir ihn schon. Aber noch sind wir nicht am Ziel unseres Ausflugs. Wir fahren weiter durchs ländliche Myanmar, begegnen Mönchen in roten Gewändern und Dorfbewohnern, die Schirme gegen die Sonne aufgespannt tragen. Ihre Gesichter sind eingerieben mit weißer SandelholzPaste. Ebenfalls ein Schutz gegen das UV-Licht. Vorbei am Kandawgyi-See und der prächtigen königlichen Barke „Karaweik“ gelangen wir endlich in die Innenstadt, halten vor dem Trader’s Hotel, einem der prächtigsten Bauten, die an längst vergangene briti-sche Kolonialzeiten erinnern. Zahnlos, aber aus tiefstem Herzen kommt dieses Lachen einer alten Birmanesin in Rangun. 3/2012 azur.de 33 ° Indische Polizsten patrouillieren am Strand von Havelock Island – mehr zur Show als zur Abschreckung. W ir freuen uns auf Sri Lanka, das „glückliche Land“. Wieder bringt uns ein Bus vom Liegeplatz in Galle ins Zentrum. Wir fahren vorbei an der Festungsmauer der Stadt, hinter der soeben ein Kricket-Länderspiel gegen England veranstaltet wird. 7500 englische Fans seien deswegen angereist, hören wir. Viele von ihnen stehen hoch oben auf der Fortmauer, sie wurden mit etlichen Bussen aus ihren Urlaubshotels hierher gekarrt. Mit mürrischen Gesichtern kehren sie am Spätnachmittag zurück zu ihren Bussen – England hatte verloren. Ganz anders erleben wir die freundlichen Einheimischen. Fröhlich, gelassen rattern sie auf Mopeds und mit Tuk-Tuks durch die Straßen, bringen uns Kreuzfahrer zu den entlegenen, paradiesischen Stränden und den quirligen Basaren der Stadt. Die Sonne strahlt, der Himmel ist azurblau, und eine weiße (!) Pagode leuchtet aus den Wipfeln eines Palmenhains hervor. All das entzückt die MS Europa-Gäste. Angesichts 34 °azur.de 3/2012 der 7 Grad Kälte zu Hause genießen sie das badewannenwarme Meerwasser umso mehr. Wir nähern uns der indischen Küste mit 17 Knoten. Nur 45 Meter beträgt die Wassertiefe, deshalb tummeln sich hier so viele Fische – hören wir von der Brücke. Nur noch 82 Seemeilen sind es bis Cochin, wo wir wenig später schon die „Wahrzeichen“ der Umgebung erspähen, riesige Fischernetze. Gibt’s irgendwo Brotkörbchen?, fragt ein Passagier beim Frühstück. Die Vielfalt ist einfach zu groß. Croissants, Laugenwecken, Käsebrötchen, Knäckebrot – Letzteres nach Ayurveda-Empfehlung möglichst getoastet – scheinen sowieso das einzig Wahre zu sein, um gefährlich anwachsender Leibesfülle entgegen- zuwirken. Später geht es um geistige Erweiterung. Lektor Peters referiert über Mumbai. Und ermahnt einmal mehr: „Hören Sie auf, nur den Schmutz zu sehen. Seien Sie froh, dass Sie wenigstens einmal in Ihrem Leben Indien sehen durften.“ Und das Taj Mahal! 80 Gäste gehen morgen sehr früh von Bord, fliegen nach Delhi und fahren weiter nach Agra, um dort das berühmte „Grabmal einer großen Liebe“ zu besichtigen und dann in Mumbai wieder zum Schiff zu stoßen, das dort warten wird. Wenn man schon mal hier ist, dachten sie sich wohl, sind die 2300 Euro für dieses Ausflugspaket doch ein Schnäppchen. Hin zum Mausoleumpalast wollten mehr als 80 der MS Europa-Gäste. Wir gleiten vorbei an Kirchlein, Reisfeldern, begegnen Krabbenfischern. Üppig tragende Mangobäume und Bananenstauden stehen vor kleinen, dicht ans Wasser gebauten Häuschen, die vor allem in Pink oder Gelb strahlen. An einem Fenster liest ein beleibtes Familienoberhaupt seine Zeitung. Wir hören Hähne krähen, sehen Entenküken schwimmen, entdecken Reiher, Störche, Kormorane. Eine wunderbare, friedliche Idylle, ja heile Welt. Da scheint sie tatsächlich zu sein, die Seele Indiens. Man will sie greifen, festhalten, bewahren. Nur, um sie Augenblicke später wieder zu verlieren: Der Blick fällt auf ein Vodafone-Plakat. Es schafft Kaufanreize in diesem Land, in dem angeblich „jeder Bettler ein Mobilephone“ besitze. Wehmütig nehmen alle Teilnehmer Abschied von den Backwaters. Doch das Schiff wartet. Noch 324 Seemeilen bis Mumbai, noch ein weiterer Seetag. Und der zweite Vortrag des ZDF-Korrespondenten. Er war unterwegs in den Slums von Mumbai, kennt sich aus in der Lebenswirklichkeit „des Inders“, den es so gar nicht gebe. Sondern eher den „Cambridge-Inder“ mit Upperclass-Akzent oder denjenigen, dessen Englisch durchsetzt sei mit Hindi-Ausdrücken. Dann beim Vortrag in der „Europa Lounge“ „droht“ noch der Lektor: „Der Großraum Mumbai hat 25 Millionen Einwohner. Und Sie werden das Gefühl haben, dass Sie die alle sehen werden.“ A m nächsten Morgen dann indisches Festland: Tatsächlich, Mumbai gleicht einem Ameisennest! Wir versuchen das endlose Gewimmel so gut es geht zu ignorieren – mit dem schon oft erprobten Tunnelblick –, durchqueren den Indira-GandhiTerminal, passieren Jugendstilfassaden, Gebäude im Tudorstil, wollen zum „Gateway of India“. Hunderte von Menschen stehen hier, war- ▼ an Bord auf ihre Kosten kommen, alle Konzerte, Vorträge und Events gerecht verteilt werden. „Man muss mit Herausforderungen und Druck leben können, flexibel sein und anderen zuhören wollen“, definiert sie ihre Stellenbeschreibung. Heute Abend allerdings haben alle Künstler frei. Der Film „Slumdog Millionaire“ wird auf einer Riesenleinwand überm Swimmingpool gezeigt, Popcorn inklusive. Viel mehr sogar, hört man. Die Zurückgebliebenen, die auf der „schönsten Yacht der Welt“ ausharren „müssen“, freuen sich derweil auf ihren Hausboot-Ausf lug auf den Backwaters, einem von 44 Flüssen gespeisten Wasserstraßennetz aus natürlichen Seen und künstlich angelegten Kanälen. Wohl nicht zuletzt wegen dieser Wasserlandschaft wurde Kerala im „National Geographic Traveler“ als eines der weltweit 50 lohnendsten Reiseziele aufgeführt, die man „wenigstens einmal im Leben besucht haben muss“. „Genau deswegen sind wir auch hier“, sagt eine Dame aus Köln. „Namaste“, begrüßt uns später unser Führer Safir im Bus: „Willkommen im Land der Kokosnuss!“ Kerala sei der fortschrittlichste Staat Indiens, so Safir. „Hier kann jeder lesen und schreiben.“ Vorbei an Palmenhainen und Raintrees geht’s durch Dörfer mit geschäftigen Menschen. Man sieht Sportplätze, auf denen Kricket gespielt wird, grasende Kühe am Wegrand, viele Tempel und Kirchen. Nach einstündiger Busfahrt betreten wir in der Stadt Alleppey eines der Hausboote, das uns mit sechs weiteren Gästen durch die Kanäle dieses „Venedigs Asiens“ führen soll. Unser Hausboot transportierte einst nur Reis, wurde umgebaut mit Küche, Schlafraum, Bad und WC. Gemütlich bahnt sich das Schiffchen seinen Weg durch den ruhigen Wasserlauf. Am Ufer sieht man Frauen bei ihrer Morgenwäsche, andere gehen, gut beschirmt gegen die Sonne, am Wasser entlang. Auch unser Bootsführer sitzt unter einem riesigen Sonnenschirm. Sein Assistent serviert Mangosaft, zum Mittag köstliche Samosas, mit Gemüse gefüllte Teigtaschen. Dubai A ra b i sc h es M eer Fotos: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Infografik: www.AxelKock.de für AZUR MS Europa° Indien VAE INDIEN Mumbai Golf von B e ng a l e n M YA N M A R (Birma) Rangun Andamanen Port Blair 0 500 km Neill Island Cochin SRI LANKA In d i sc h er O z ea n Bangkok Havelock Island THAILAND Anda m a ne nsee Galle Märchen aus 1001 Nacht Myanmar, Indien und Sri Lanka faszinieren mit unberührter Natur, ursprünglichem Leben und Prachtbauten. Rangun/myanmar Rangun (4,4 Mio. Einwohner) liegt im Süden des Landes am Ostrand des Irrawaddydeltas an einem Meeresarm der Andamanensee. Panoramafahrt nach Rangun mit Führung durch die ShwedagonAnlage (Kosten: 69 Euro). Tipp: ein Ballonflug bei Sonnenaufgang über die goldenen Pagoden (Kosten: 245 bis 270 Dollar). www.ananda-travel.com Souvenirs: Jade, Holzund Lackarbeiten. Währung: 1 Euro = 1059,37 Myanmarische Kyat (gesprochen tschat). Port Blair/Andamanen (Indien). Die Andamanen sind eine zum indischen Unionsterritorium Andamanen und Nikobaren gehörende Gruppe aus 204 Inseln in der Andamanensee. Größte Stadt ist Port Blair (50.000 Einwohner). Ausflug: dreistündige Stadtrundfahrt (33 Euro). Galle/Sri Lanka Naturhafen an der Südwestküste, wichtigster Umschlagshafen für Tee. Das Lighthouse-Hotel wurde gebaut von Geoffrey Bauer, dem „Oscar Niemeyer von Sri Lanka“. Der Ort Unawatuna bietet traumhafte Sandstrände. Vor allem die Heilkunst Ayurveda machte aus der Insel ein beliebtes Touristenziel. Souvenirs: geschnitzte Buddhas, ayurvedische Tees (z. B. Elephant Tea). Währung: 1 Euro = 173,30 Sri-Lanka-Rupien. indien Cochin (Kerala): Ausflug in die Backwaters (Kosten: 63 Euro), ein 1500 Kilometer langes Netz von Lagunen, Kanälen und Binnenseen. Ausflug zum Taj Mahal in Agra (Kosten: 2300 Euro). Mumbai (20 Mio. Einwohner): Stadtrundfahrt mit Fotostopps (Kosten: 29 Euro). Der fünfstündige Ausflug „Die Märkte von Mumbai“: in englischer Sprache. Ist nichts für Gäste mit Gehproblemen (Kosten: 32 Euro). Währung: 1 Euro = 70,30 Indische Rupien. Dubai (VAE) Tipp: Besichtigung des höchsten Gebäudes der Welt, des Burj Kalifa, 828 Meter hoch, inkl. Besuch der weltgrößten Mall (Kosten: 88 Euro). Jeepsafari ins Wüstencamp mit Lunch (Kosten: 189 Euro). Hoteltipp: nach der Cruise ins Hotel Park Hyatt (182 Euro/ Zimmer). Währung: 1 Euro = 4,84 VAE-Dirham. Klima Beste Reisezeit für Birma: Oktober bis Februar, kühl und trocken, 21 bis 28 Grad. Anreise Nach Rangun, mit Zwischenstopp z. B. in Bangkok (mit Thai Airways, Air Asia, Myanmar International, jeweils ca. 1,5 Stunden Flugzeit) oder in Singapur (Silk Air, 3,5 Stunden). Ab Herbst 2012 auch Direktflüge Frankfurt–Rangun mit Condor. Lesen Das Taj Mahal ist Ziel eines Drei-Tages-Ausflugs ab Cochin bis Mumbai. Indien, Baedeker AllianzReiseführer, 25,95 Euro 3/2012 azur.de 35 ° MS Europa° Indien Die MS Europa bietet viele Extras wie Stoffservietten, frische Blumen, exquisite Küche sowie elegante Galaabende und niveauvolle Abendunterhaltung. Kundenservice ten auf ihre Fähren und Boote. Rund um das berühmteste Wahrzeichen Mumbais riecht es streng. Im Innern des gegenüberliegenden Taj-Hotels jedoch duftet es intensiv nach weißen Lilien. Der Duft ist umsonst, der Tee dagegen, serviert von Kellnern in Fantasieuniformen, kostet 400 Rupien, umgerechnet knapp sechs Euro. Nach dem Überfall auch auf dieses Hotel im Jahr 2008 muss jeder Gast erst eine Sicherheitsschleuse passieren. Weiter geht’s hinein ins „wirkliche“ geschäftige Leben Mumbais, auf den vibrierenden Crawford Market. Auch hier eher ein Hexenkessel. Dann weiter zum Zaveri-Basar mit seinen vielen Geschäften mit Seidenstoffen, den Lädchen mit den indischen Goldschmuck-Imitaten und den „Herbal Henna“-Angeboten für die gepflegte indische Damenwelt. Erschöpft – und zugegeben auch etwas erleichtert – kehren wir Stunden später dieser Metropole den Rücken. Und die Seele Indiens? Ist hier schon lange an Bollywood verkauft worden. „Let us fight against terrorism together“ konnten wir auf etlichen Schildern lesen in der durch viele Anschläge gebeutelten Stadt Mumbai. Und auch an Bord ist dies ein Thema – besser gesagt: die Gefahr der Piraterie. Kapitän Hagen Damaschke bittet die Passagiere zu einem Informationsvortrag in die „Europa Lounge“. Schließlich werden wir während der nächsten Tage 36 °azur.de 3/2012 ziemlich gefährliche Gewässer befahren bis Dubai, dem Ziel unserer Traumreise. Aber keine Angst, vier Militärschiffe im Abstand von je 25 Seemeilen „bewachen“ uns ja. Später dann wird unser Schiff von Helikoptern internationaler Streitkräfte überflogen. Beruhigend, dass man so auf uns aufpasst. A blenkung bietet am letzten Seetag unserer Reise noch ein Gesundheitsvortrag. Selbst anfängliche Skeptiker, die die Ayurveda-Lehre gern als „Esoterik“ abqualifizieren, sieht man heute ganz konzentriert in der „Clipper Lounge“ dem Vortrag des Arztes folgen. Beim nächsten Frühstück quillt das Buffet über vor gesunden Sachen, selbst Sauerkrautsaft ist dabei. Hier treffen wir ein Arzt-Ehepaar, das den Trip zum Taj Mahal mitgemacht hat. Glücklich sind beide, wenn auch erschöpft. Sehr früh morgens habe man das Mausoleum besuchen dürfen. Ohne Touristenströme drumherum, die die Pracht, das Licht, die meditative Mystik dieses Ortes störten. Und der Reiseleiter habe sehr gut Deutsch gesprochen. „Für diesen Preis kann man das auch erwarten.“ Man wünscht ihnen, dass sie dafür auch einen Blick in die Seele Indiens haben erhaschen können. Es ist merklich kühler gewor- den. „Nur“ noch 27 Grad warm sind Luft und Wasser. Bis Dubai sind es noch 350 Seemeilen. Ein letzter Besuch zum Tee im „Café Belvedere“. Der Bordpianist spielt „Sound of Silence“. Er trägt einen Longyi-Rock wie die Bevölkerung in Rangun, wo unsere Reise begann. Eine der angebotenen Torten trägt die Aufschrift „Dubai“, und die Gäste sind heute ausgesprochen nett zueinander. Eine Dame fragt eine andere: „Möchten Sie Gesellschaft oder soll ich mich lieber woanders hinsetzen?“ Die Angesprochene, eine pensionierte Juristin aus München, bleibt lieber allein. Gibt sich ganz dem Abschiedsschmerz hin, reflektiert mit Blick aufs weite Meer wohl noch einmal die einzelnen Kreuzfahrt-Stationen. Später treffen wir sie in Dubai wieder, wo sie ebenfalls das Nachprogramm im Hotel Park Hyatt, direkt am Creek, dem Kanal in Dubai, gebucht hat. Jetzt schaut sie vom Balkon aufs glitzernde Wasser, sieht die träge vor sich hin dümpelnden Dhaus und denkt wohl auch an die hinter ihr liegende Backwaters-Fahrt in Kerala. Ja, dort haben wir sie zwar nur kurz, aber am intensivsten erlebt, die Seele Indiens. Viele Inder arbeiten in Dubai als Gastarbeiter. Ob sie die „Seele Indiens“ mit hierherbrachten? Diese Suche wäre eine weitere Kreuzfahrt wert. Text: Dagmar Zurek Sie wünschen mehr Informationen? Dann schicken Sie eine formlose Email an [email protected] und bestellen Sie den aktuellen Prospekt Ihrer Wunschreederei oder abonnieren Sie das führende Kreuzfahrtmagazin AZUR.
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