Haltungen der Achtsamkeit im MBR-Kurs Michael Seibt Hier finden Sie Beschreibungen der wichtigsten Haltungen der Achtsamkeit, die den MBSR-Kurs prägen. Anfängergeist Nicht-Streben Nicht-Urteilen Geschehen-Lassen (Akzeptanz) Loslassen Geduld Selbstmitgefühl Vertrauen Anfängergeist Eine wesentliche Qualität der Achtsamkeit ist der Anfängergeist. Der Zen-Meister Shunryu Suzuki sagt: „Im Geist des Anfängers gibt es viele Möglichkeiten, im Geist des Experten nur wenige.“ In den Seligpreisungen der Bergpredigt sagt Jesus entsprechend: „Selig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Himmelreich.“ Anfänger (= Nicht-Wissende, geistlich Arme) begegnen neuen Erfahrungen mit weniger vorgefasstem Wissen, deshalb sind sie offener. Diese Offenheit ist sehr kreativ. Die Kunst besteht darin, sie nie zu verlieren. Wahrscheinlich werden wir den Anfängergeist verlieren, wenn wir keine Anfänger mehr sind. Aber dann können wir uns von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass jeder Moment neu und frisch ist. Dann könnte es vielleicht sein, dass uns das, was wir wissen, nicht daran hindert, für das offen zu sein, was wir nicht wissen – und das wird immer der größere Bereich sein. Und auch wenn wir bis zu einem gewissen Grad Experten geworden sind: dieser Augenblick ist immer neu und der erste in meinem Leben. Nicht-Streben Tagtäglich tragen wir eine Fülle von Vorstellungen und Erwartungen mit uns herum; an uns selber, an unsere Mitmenschen, an das Leben. Oft sind wir innerlich stark darauf ausgerichtet, dass sich unser Gegenüber in einer ganz bestimmten Weise verhalten soll oder die Dinge so oder so zu geschehen haben. Dadurch verlieren wir nicht selten die gegenwärtige Erfahrung aus dem Blick. Erfüllen sich unsere Erwartungen nicht, reagieren wir niedergeschlagen, enttäuscht oder frustriert. In der Folge entstehen innere Konflikte, die sich zu negativen Gedankenschleifen verdichten und dadurch die Entstehung einer Depression begünstigen können. Sich in der Qualität des Nicht-Strebens zu üben bedeutet, der gegenwärtigen Erfahrung zu erlauben, so zu sein, wie sie ist, ohne sie verändern zu wollen. Diese Qualität unterscheidet sich deutlich von Trägheit, mit der sie immer wieder verwechselt wird. Nicht-Streben ist ein aktiver Prozess, der darauf abzielt, den gegenwärtigen Augenblick vollständig zu erfassen, ohne ihm etwas hinzuzufügen. Es geht darum, nichts erzwingen zu wollen und das eigene Wunschdenken loszulassen. Wir lassen davon ab, inneren und äußeren Idealen entsprechen zu wollen. Im Nicht-Streben erkennen wir uns und andere an, wie wir sind, jenseits aller Erwartungen und Vorstellungen. Möglicherweise ertappst du dich dabei, wie du während der Meditation darüber nachdenkst, was du erreichen willst. Vielleicht fragst du dich, ob und wie dir der Kurs helfen kann, in der Zukunft weniger an Stimmungstiefs zu leiden, oder mit Belastungen besser klar zu kommen, oder du denkst darüber nach, was die einzelnen Übungen bewirken. Das ist verständlich, schließlich willst du ja lernen, wie du mit den Erfahrungen in deinem Leben besser klar kommen kannst. Trotzdem geht es in der Achtsamkeitspraxis darum - auch wenn dies erst einmal befremdlich klingt -, sich darin zu üben, alle diese Erwartungen und Leistungsgedanken loszulassen. Du kannst das Tempo der Entwicklung auf dem Weg der Achtsamkeit nicht beeinflussen. Darum kann es sein, dass sich dir der Gewinn der Achtsamkeitspraxis vielleicht erst am Ende des Kurses erschließt. 1 Nicht-Urteilen Ist dir schon einmal aufgefallen, wie sehr dein Geist ständig damit beschäftigt ist, dich selber, andere und deine Umgebung zu bewerten? Für viele ist diese Erkenntnis neu und überraschend. Ihnen war häufig nicht klar, wie stark Zustimmung und Ablehnung das eigene Denken ausfüllen und bestimmen, und wie sehr sie dazu neigen, alles zu kategorisieren und in gut, schlecht oder unbedeutend zu unterteilen. Derartige Denkprozesse laufen im Allgemeinen ganz automatisch ab. Obwohl unsere auf diese Weise gefällten Urteile natürlich nicht objektiv sind, führen sie doch dazu, dass wir uns unaufhörlich damit beschäftigen, wie etwas sein oder eben nicht sein sollte. Urteile laden dazu ein, ihnen Glauben zu schenken und so den eigenen Blickwinkel einzuengen. Dadurch bilden sie einen Nährboden für Ärger und Frustration und können Ablehnung, Unzufriedenheit, Resignation, Versagensgefühle oder Leistungsdruck in uns hervorrufen. Wenn wir uns in der Qualität des Nicht-Urteilens üben, versuchen wir, Erfahrungen nicht zu bewerten und unseren eigenen Gedanken gegenüber die Rolle eines neutralen Beobachters einzunehmen. Wir treten innerlich sozusagen einen Schritt zurück, öffnen uns für den gegenwärtigen Moment und bemühen uns darum, ihn anzunehmen und willkommen zu heißen - wie auch immer er sich gestalten mag. Ein häufiges Missverständnis besteht in der Annahme, dass es in der Achtsamkeitspraxis darum gehe, gar nicht mehr zu urteilen. Doch dazu ist kein Mensch in der Lage. Der menschliche Geist ist entwicklungsgeschichtlich darauf ausgerichtet, mögliche Gefahren in seinem Umfeld frühzeitig wahrzunehmen, um sich vor ihnen zu schützen. Dazu ist es notwendig einzuordnen, ob etwas bedrohlich erscheint oder nicht. Unseren Vorfahren in der Steinzeit sicherte dieses automatisierte Beurteilungssystem ihr Überleben. Heute vermitteln uns Bewertungen und Urteile ein Gefühl von Sicherheit, da sie uns Orientierung bieten und uns vortäuschen, etwas im Griff zu haben oder kontrollieren zu können. Doch in Wahrheit können wir nicht voraussehen und in letzter Konsequenz auch nicht beeinflussen, wie sich der nächste Moment oder unser weiteres Leben gestalten. Sich stets daran zu erinnern kann eine Unterstützung sein, um uns in der Qualität des Nicht-Urteilens zu üben. Versuche z.B., während der Zeit des Kurses wahrzunehmen, in welchem Maße du dazu neigst, einzelne Übungen als gut, schlecht oder langweilig zu bewerten. Und dann erinnere dich immer wieder daran, diese Urteile fallenzulassen und erst am Ende des Kurses Bilanz zu ziehen und zu entscheiden, ob er sich für dich persönlich bewährt hat. Eigene Urteile als solche wahrzunehmen, ermöglicht dir auch, deine Sichtweise zu hinterfragen und deinen Blickwinkel zu erweitern. Dadurch erhältst du die Chance, dir selbst und anderen mit mehr Wohlwollen und Offenheit zu begegnen und vielleicht auch Dinge zu entdecken, die dir bisher verborgen waren. Es ist also eine Haltung, die Interesse und Offenheit wachhält, eine „Schlüsselqualifikation“ auch für wissenschaftliches Arbeiten. Möglicherweise stellst du fest, dass eine Person, die dir auf den ersten Blick nicht sympathisch war, doch viel interessanter ist als du dachtest, und ihr kommt miteinander ins Gespräch. Oder ein Thema entpuppt sich auf einmal als höchst spannend, nachdem du es bisher kaum beachtet hast. Geschehen-Lassen (Akzeptanz) Für manche Menschen hat der Begriff Akzeptanz einen negativen Beigeschmack. Sie verstehen Akzeptanz als Aufforderung, sich dem Schicksal zu ergeben, die Dinge, die ihnen geschehen, passiv zu erdulden, ohne etwas zu verändern. Das ist ein Missverständnis: Akzeptanz ist nicht mit Resignation gleichzusetzen. Wenn man von „Geschehen-Lassen“ spricht, kann man dieses Missverständnis vielleicht vermeiden. Die eigenen Erfahrungen zu akzeptieren (geschehen zu lassen), heißt nicht automatisch, diese gut zu heißen oder mit ihnen einverstanden zu sein. Wenn du dich in Akzeptanz übst, kann das ebenso bedeuten, sich darin zu üben anzunehmen, dass du bestimmte Erfahrungen nicht magst oder ablehnst - beispielsweise anzuerkennen, dass du es nicht magst, wenn du Fehler machst, dich depressiv fühlst oder eine schlechte Nachricht erhältst. Worum es geht ist, dem Nicht-Mögen keine Bedeutung zuzuschreiben. Dazu zwei Beispiele: „Ich kann es nicht leiden, wenn andere bemerken, dass ich einen Fehler gemacht habe. Das darf sein.“ Oder: „Diese schlechte Nachricht macht mir zu schaffen. Das ist in Ordnung.“ 2 Vielleicht fragst du dich jetzt, welchen Unterschied es macht, ob man sich gegen unangenehme Erfahrungen auflehnt oder sie annimmt, wo es doch nichts an der eigentlichen Erfahrung ändert. Bei genauem Hinschauen zeigt sich, dass nicht die Erfahrung als solche Leid und Schmerz erzeugt, sondern der Widerstand dagegen, die inneren Verstrickungen und Kämpfe, die durch diesen entstehen. Übertragen auf das Beispiel mit dem eigenen Fehler hieße dies, sich darin zu üben, Fehler geschehen zu lassen, weil sie zum Menschsein dazu gehören. Diese Haltung kann dich also darin unterstützen, schwierige Erfahrungen wohlwollend anzunehmen, ohne dich von ihnen vereinnahmen zu lassen oder dich mit ihnen zu identifizieren. Dies bezieht sich auch auf deine Haltung negativen Stimmungen gegenüber. Die bewusste Pflege von Akzeptanz als Geschehen-Lassen schafft ein Klima, in dem Heilung stattfinden kann. Akzeptanz bildet die Grundlage für einsichtiges und entschlossenes Handeln. Du kannst dich selber dadurch besser kennenlernen und üben, dich zu akzeptieren (dich geschehen zu lassen), wie du wirklich bist - und nicht, wie du in deiner Idealvorstellung gerne wärst. Ferner kannst du lernen, dir selber mitfühlend zu begegnen, wenn du dich unzulänglich fühlst. Durch die Pflege von Selbstakzeptanz kann ein innerer Freiraum entstehen, der es dir ermöglicht, innezuhalten und einen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Dadurch kann es dir gelingen, besser mit den eigenen ungeliebten Anteilen umzugehen. Beispielsweise hörst du auf, dich den Urteilen deines inneren Kritikers hinzugeben und dich für eigene Schwächen abzuwerten. Sich in Akzeptanz zu üben ist ein Nährboden, auf dem inneres Wachstum stattfinden kann. Loslassen Es heißt, dass man sich in Indien beim Affenfang einer besonders raffinierten Methode bedient. Der Affenjäger, schneidet in eine Kokosnuss eine Öffnung, gerade groß genug für eine Affenhand. In die andere Seite bohrt er zwei Löcher, durch die er einen Draht führt, mit dem er die Kokosnuss an dem Baum befestigt, auf dem der Affe hockt. Dann schiebt er eine Banane in die Kokosnuss und versteckt sich. Der, neugierige Affe kommt alsbald vom Baum, steckt die Hand in die Kokosnuss, fühlt die Banane und packt sie. Das Loch ist aber so beschaffen, dass die schmale, ausgestreckte Affenhand zwar hineinpasst, die Faust mit der Banane jedoch nicht mehr herausgezogen werden kann. Der Affe brauchte die Banane nur loszulassen, um wieder frei zu sein, aber die meisten Affen schaffen es. offenbar nicht, von ihrem Fund abzulassen. Trotz aller Intelligenz bringt uns unser Geist oftmals in ein ganz ähnliches Dilemma. Daher gehört das Sich-üben in der Haltung des Loslassens oder Nicht-Anhaftens zu den Grundqualitäten der Achtsamkeitsmeditation. Wenn man einmal damit beginnt, das innere Geschehen aufmerksam zu beobachten, zeigt sich schnell eine Vorliebe für bestimmte Gedankengänge, Gefühlslagen und Situationen, die der Geist immer wieder durchspielt. Handelt es sich dabei um erfreuliche Gedanken, Gefühle und Situationen, sind wir bestrebt, ihnen Dauer zu verleihen und sie immer wieder von neuem zu beschwören. Ganz anders verhält es sich mit unilebsamen, unangenehmen oder beängstigenden Gedanken und Gefühlen. Sie möchten wir loswerden oder gar nicht erst aufkommen lassen. Wenn wir meditieren, lassen wir, unsere Erfahrungen das sein, was sie sind, und üben uns darin, zu beobachten, was sich von Augenblick zu Augenblick in uns abspielt. Loslassen heißt zulassen. Es bedeutet, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Beobachten wir unseren Geist in seinem Anhaften oder Widerstreben, so erinnern wir uns an unseren Vorsatz, diese Impulse loszulassen, und beobachten einfach, was weiter geschieht. Bemerken wir, dass wir bewerten, was sich in uns abspielt, lassen wir auch diese bewertenden Gedanken los. Wir nehmen sie wahr und gehen ihnen nicht weiter nach. Indem wir sie zulassen, lassen wir sie los. Genauso verfahren wir, wenn Vorstellungen auftauchen, die sich auf die Vergangenheit oder die Zukunft beziehen: Wir beobachten nur und lassen sie in stillem Gewahrsein los. Manche Gedanken üben eine enorme Macht auf uns aus, und sie loszulassen erscheint fast unmöglich. In diesem Fall können wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, was das Festhalten in uns bewirkt. Festhalten oder „Klammern“ ist das Gegenteil von Loslassen, und die Art und Weise, wie wir etwas festhalten, lehrt uns eine ganze Menge über das Loslassen. Ob es uns nun gelingt, loszulassen oder nicht - durch die Übung der Achtsamkeit lernt man, sich mit 3 dem Festhalten gründlicher auseinanderzusetzen, sofern man dazu bereit ist. Der Blick für die eigenen Fixierungen und deren Folgen schärft sich, ebenso wie für den Moment des Loslassens und dafür, welche Bedeutung er für uns habenkann. Geduld Geduldig zu sein heißt, den Gleichmut und die Ausdauer zu haben, um die natürliche Entwicklung der Dinge abwarten zu können und den Dingen die Zeit zu lassen, die sie brauchen. Geduld basiert Freundlichkeit - auch sich selber gegenüber. Wenn du beispielsweise bemerkst, dass du in der Meditation abgelenkt bist, weil du von Gedanken fortgetragen wirst oder Unruhe, Frustration der Langeweile verspürst und den Impuls hast, die Übung abzubrechen, hilft dir Geduld, dir sozusagen von dir selber nicht alles gefallen zu lassen. Durch die Pflege von Geduld entsteht Raum für Erfahrung und Wachstum. Die Geduld, die du in der Meditation deinem unruhigen Geist gegenüber aufbringst, lässt sich vergleichen mit der, die erforderlich ist, um einen jungen Welpen zu erziehen. Auch der Welpe wird trotz deines freundlichen Bemühens immer wieder seinem eigenen Spieltrieb folgen und nur langsam dazu in der Lage sein, dir zu folgen. Wenn dein Geist in der Meditation zu wandern beginnt, kannst du üben, ihn immer wieder geduldig in die Gegenwart zurückzubringen, beispielsweise indem du deinen Atem spürst, der in seinem eigenen Rhythmus fließt, ohne dass du etwas dazu beitragen musst. Bist du in der Meditation wiederkehrend von Ungeduld getrieben, kannst du diese näher erforschen und wahrnehmen, was sich dahinter verbirgt. Versuche zu erforschen, welche Gedanken und Erwartungen dich in die Unruhe hineinführen. Übertragen auf den Umgang mit einem Stimmungstief heißt dies, sich darin zu üben, geduldig wahrzunehmen, wenn Gedanken dich in eine Spirale der Negativität hinabziehen, ohne diesen Gedanken Folge zu leisten und dich in ihnen zu verstricken. So kannst du lernen, aus den negativen und verzerrten Gedankenschleifen auszusteigen und eine neue Perspektive einzunehmen, die deinen Handlungsspielraum erweitert. Selbstmitgefühl Viele Menschen haben belastende Gedanken, empfinden Scham oder sind von Versagensgefühlen geplagt. Das wirkt sich negativ auf das Erleben des Selbstwertes aus. Vielleicht hast du schon einmal die Erfahrung gemacht, dass es Dir viel schwerer fällt, sich selber in solchen Momenten der Selbstabwertung mitfühlend zu begegnen als einer anderen Person in einer ähnlichen Situation. Unser Gehirn ist entwicklungsgeschichtlich darauf programmiert, sich auf das Negative auszurichten und nach Lösungen zu suchen. Sicherte dieses gedankliche Muster unseren Vorfahren ihr Überleben, führt es heute zu einer Selbstverurteilungstendenz. Grüblerische Gedanken verstärken inneren Schmerz und damit auch Depressionen. Aus unserer eigenen Unzufriedenheit heraus verurteilen wir uns selber. Gleichzeitig spüren wir den Schmerz, den wir uns mit dieser kritischen Haltung zufügen. Wir wollen nicht so sein, wie wir sind, und werden daher sozusagen selber zu einem Problem, das gelöst werden muss. Selbstmitgefühl zu kultivieren hilft uns, aus diesem inneren Kreislauf auszusteigen. Freundlichkeit sich selbst gegenüber ist die Basis von Selbstmitgefühl. Du übst dich in Selbstmitgefühl, indem Du belastende Gedanken und Erfahrungen wahrnimmst und anerkennst, und dir selber dabei Freundlichkeit und Mitgefühl entgegenbringst, anstatt dir Vorwürfe zu machen und dich durch Selbstkritik zu entwerten. Ziel ist, auf deinen eigenen emotionalen Schmerz genauso einfühlsam zu reagieren wie auf den einer guten Freundin. Indem Du dir selber Mitgefühl und Trost entgegenbringst, hilfst Du dir, belastende Emotionen zu regulieren. Dazu ein Beispiel: „Das ist jetzt wirklich ein schwieriger Moment für mich. Ich spüre, wie sehr mich die Gedanken über den Streit mit meiner Tochter belasten und mir Kummer bereiten. Wie kann ich jetzt gut für mich sorgen?“ 4 Diese Freundlichkeit sich selber gegenüber befähigt dazu, dich nicht in grüblerischen, sorgenvollen Gedanken zu verstricken, sondern diese nur wahrzunehmen, einen Schritt zurückzutreten und Dir selbst mit Mitgefühl zu begegnen. Mitgefühl aktiviert das eigene Fürsorgesystem, und lässt emotionalen Schmerz als weniger bedrohlich erleben. Indem Du wie eine liebende Mutter oder ein Vater ihre Kinder alle Deine inneren Anteile umarmst, kannst du lernen, auch in belastenden Momenten Deines Lebens in Frieden mit dir zu sein. Da Selbstmitgefühl dazu beiträgt, widerstandsfähiger gegenüber Stress und negativen Emotionen zu werden, kann es Dein Wohlbefinden steigern und Deinen Handlungsspielraum bei der Bewältigung von Belastungen erweitern. Vertrauen Vertrauen bildet letztendlich die Grundlage für alle anderen Haltungen der Achtsamkeit. Vertrauen heißt, dem gegenwärtigen Moment Offenheit entgegenzubringen, sich auf Einsicht und Wandlung einzulassen. So können wir in Kontakt kommen mit unseren inneren Erfahrungen. Fehlendes Vertrauen, Zweifel und die Angst, Fehler oder negative Erfahrungen zu machen, können uns lähmen. Vertrauen in uns selber zu entwickeln, ermöglicht uns, den Unwegsamkeiten des Lebens gegenüber eine offene Haltung einzunehmen. Im Zusammenhang mit einer Depression kann Vertrauen Sie darin unterstützen, den Weg heraus aus der Depression zu bewältigen - sogar dann, wenn er dir wie eine nicht durchquerbare Wüste vorkommt. Indem du lernst, depressionsfördernde Gedanken frühzeitig zu erkennen und Grübelschleifen zu unterbrechen, entwickeln du Vertrauen, dass du den Wüstenstrecken des Lebens gewachsen bist. Dadurch kommst du in die Lage, dich mit schwierigen Gefühlen auseinanderzusetzen und diesen weniger Macht über dich einzuräumen. Dazu ein Beispiel: Die Erfahrung, dass es dir möglich ist wahrzunehmen, dass du dich immer mehr in negativen Gedanken verlierst, kann dich stärken und es dir ermöglichen, diese Gedankenschleifen zu unterbrechen. Indem du übst, Schritt für Schritt darauf zu vertrauen, dass du in der Lage bist, in schwierigen Situationen Lösungen zu finden, kannst du Entlastung erfahren. Diese Haltung gibt Versagensgedanken weniger Ladung und Macht und versetzt dich in die Lage, selbstwirksam zu handeln. Je größer unser Vertrauen wird, desto mehr betrachten wir Texte oder Vorbilder bezogen auf Achtsamkeit nur als Anregung, um unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln. Wir fühlen uns in unserem Vorankommen nicht mehr abhängig von diesen. Mit der Zeit können wir so zu der Erkenntnis gelangen, dass alles, wonach wir im Außen suchen, bereits in uns selber angelegt ist und immer mehr Vertrauen in unser Dasein entwickeln. 5
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