Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht
Name: I s a b e l F i s c h e r
Studium an der UA / Fakultät: Jura/ Juristische Fakultät
Austauschjahr: 2015
Praktikumseinrichtung: Kanzlei
Stadt: London
Land: England
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht,
kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden.
Praktikumsplatzsuche:
Mit der Suche nach einem passenden Praktikumsplatz habe ich ca. ein Jahr vor dem gewünschten Praktikumsstart begonnen. Für mich war klar, dass ich ins englischsprachige
Ausland gehen möchte und so habe ich direkt passend zu meinem Studiengang nach Kanzleien und Unternehmen vor allem in England und der USA gesucht. In meinem Fall war die
Suche nach einer Praktikumsstelle nicht ganz einfach, da ich mein Studium bereits abgeschlossen hatte und das Praktikum während meines Promotionsstudiums absolvieren wollte.
Dies war für die kontaktierten Praktikumsstellen eher ungewöhnlich, so dass ich mehrere
Absagen bekam, weil ich keine „normale“ Studentin sei, sondern bereits einen Abschluss
habe und hierfür kein Praktikumsplatz vorgesehen sei. Dennoch habe ich trotz dieses atypischen Praktikumswunsches eine Zusage einer deutschstämmigen, international tätigen
Kanzlei in deren Londoner Büro erhalten. Es rät sich daher mit der Suche nach einem Praktikumsplatz möglichst frühzeitig zu beginnen. Dann hat man auch noch genügend Zeit sich
um eine Unterkunft usw. zu kümmern.
Anreise:
Die Anreise nach London ist mit recht kurzer Flugzeit und den sehr guten Flugverbindungen
recht bequem. Vor Ort nahm ich den Heathrow Express, der nonstop in die Stadt bis nach
Paddington fährt. Der Transport dauerte ca. 15 Minuten, war aber vergleichsweise teuer.
Wer auf Schnelligkeit und Komfort verzichten kann, der kann sich auch ein Ticket für den
Heathrow Connect mit einer Fahrzeit von ca. 30 Minuten und mehreren Zwischenhalten kaufen. Noch billiger geht es mit der Tube in die Stadt. Hier sollte man aber besser nicht mit allzu vielen Koffern reisen, da es zu den Stoßzeiten doch sehr eng werden kann.
Unterkunft:
Mit der Suche nach einer Unterkunft habe ich sofort nach meiner Praktikumszusage begonnen, was ca. ein halbes Jahr vor Reisebeginn war. Der Londoner Wohnungsmarkt ist aber
relativ kurzfristig organisiert, so dass man (wenn man nicht zu anspruchsvoll ist) auch noch
ein paar Wochen vor der Ankunft ein Zimmer zur Untermiete finden kann. Ich meinerseits
habe nach einem eigenen Apartment gesucht, da ich aus früheren Englandaufenthalten die
Erfahrungen gemacht hatte, dass die Zimmer zur Untermiete bzw. in einer WG oftmals nicht
dem deutsche Durchschnittsstandard entsprechen, was gerade auch die Sauberkeit betrifft.
Daher machte ich mich auf die Suche nach einem Apartment in einem privaten Londoner
Studentenwohnheim. In London gibt es sehr viele private Studentenwohnheime, von denen
die meisten relativ neu und vor allem auch zentral sind. Das einzige Problem, vor das ich
gestellt war, war, dass die privaten Wohnheime in aller Regel nur 1-Jahres-Verträge abschließen. Wer nur ein Praktikum für einige Wochen macht, hat daher nicht so gute Chancen. Allerdings sieht das anders aus, wenn man in den Sommermonaten verreist. Hier ziehen einige Studenten über die Ferien aus, so dass die Studentenwohnheime auch wochenweise Apartments vermieten. Glücklicherweise habe ich das von Touchstone Studentliving
geführte Therese House Studentenwohnheim gefunden, dass auch sog. short term lets anbietet. Hier konnte ich auch für neun Wochen ein „Gold Studio“ mit eigener Küche und eigenem Bad anmieten. Das Wohnheim kann ich nur empfehlen. Es liegt super zentral im östlichen Zentrum Londons. Die nächste U-Bahnhaltestelle ist 3 Gehminuten entfernt und hat
eine Anbindung mit drei verschiedenen U-Bahnlinien. Das Apartment war für Londoner Verhältnisses recht groß, gepflegt und sauber. Allerdings spiegelt sich das auch in den Mietpreisen wieder. Ich habe 313 Pfund/Woche bezahlt, was aber angesichts des Londoner Preisspiegels und der Lage sowie der Ausstattung durchaus berechtigt war.
Wer sich das nicht leisten will/kann, sollte bei der Anmietung einer Privatunterkunft/WG aber
die Augen offenhalten und das Angebot genau prüfen. Aus Erfahrung anderer kann ich nur
sagen, dass viele preisgünstige Unterkünfte sehr weit außerhalb liegen und nicht selten heruntergekommen sind.
Praktikum:
Mit meiner Praktikumsstelle war ich sehr zufrieden. Das Londoner Büro der Großkanzlei ist
verhältnismäßig mit nur einer Handvoll Rechtsanwälten sehr klein. Ich wurde sehr herzlich
ins Team aufgenommen und von Anfang an mit interessanten und anspruchsvollen Aufgaben betraut. Dies mag wohl auch daran gelegen haben, dass ich bereits ein abgeschlossenes Studium hatte und daher „voll einsatzfähig“ war. Die Kanzlei berät aufgrund ihres deutschen Stammes nur im deutschen Recht, dies aber größtenteils auf Englisch bzw. bilingual,
so dass man seinen diesbezüglichen Wortschatz im Rechtsvokabular anwenden und trainieren konnte. Da ich mich speziell für den Bereich Litigation interessiere, wurde es mir ermöglicht einen Rechtsanwalt einer befreundeten englischen Kanzlei zu einem Prozess zu beglei-
ten. Die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischem Prozessablauf konnte
ich so hautnah selbst miterleben.
In der Kanzlei wurde ich aber nicht nur mit rechtlichen Aufgaben betraut, sondern auch (aber
selten) mit der allgemeinen Büroorganisation. Da das Büro im Vergleich zu den sonstigen
Büros internationaler Großkanzleien sehr klein ist, ist die Zahl der Mitarbeiter auch entsprechend geringer. Konnte eine der Assistentinnen kurzfristig das Telefon nicht beantworten,
durfte ich daher diese Aufgabe übernehmen. Telefondienst ist für einen Rechtsanwalt zwar
eher ungewöhnlich, aber gerade deshalb war es für mich sehr interessant auch einmal diese
Tätigkeit auszuführen.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt meiner Praktikumsstelle war die Lage des Büros in einem
Skyscraper im 40. Stock inmitten der Londoner City. Von hier aus hatte man einen fantastischen Blick über ganz London, den man sich sonst bei diversen Touristenattraktionen teuer
„erkaufen“ muss. Von meinem Schreibtisch aus konnte ich so den direkten Blick auf St.
Pauls und die Themse genießen, was das Arbeiten noch einmal erleichtert hat.
Stadt und Freizeit:
Die Freizeitmöglichkeiten in London sind erwartungsgemäß nahezu unendlich. Wenn man
unter der Woche arbeiten muss, bleibt einem leider nur das Wochenende um die Stadt zu
erkunden. London hat zahlreiche Sehenswürdigkeiten. Diese sind gerade an den Wochenenden mit Touristen überfüllt und man muss Wartezeiten einplanen. Hat man die Touristenklassiker erstmal abgehakt, kann man sich auf das „echte“ Londoner Leben einlassen. Wenn
man sich ein bisschen durch die Straßen treiben lässt, bekommt man den besten Eindruck
des besonderen „London spirits“. Dabei sollte man es auf keinen Fall verpassen einige der
zahlreichen Pubs zu besuchen. Hier trifft man viele Londoner an, die direkt von der Arbeit ins
Pub gehen und bis zur „letzten Runde“ hier verweilen. In London benötigt man für den Ausschank von Getränken bestimmte Lizenzen. In aller Regel schließen die Pubs deswegen
spätestens um Mitternacht, aber auch ein Ausschankstop um 23 Uhr ist nicht ungewöhnlich.
Damit man es nicht verpasst vor Schließung des Lokals noch seine letzte Bestellung aufzugeben, wird in den Pubs zum „last order“ geläutet.
Wer noch länger unterwegs sein will, kann anschließend noch in die wenigen Bars gehen,
die bis um 3 Uhr aufhaben oder einen Club aufsuchen. Diese sind während der ganzen Woche geöffnet und schließen in aller Regel erst in den Morgenstunden.
Klima/Wetter:
Das englische Wetter hat bekanntermaßen nicht den besten Ruf. Wer wie ich im Winter verreist, kann sich zwar auf Temperaturen freuen, die deutlich höher sind als die in Deutschland
während des Winters, doch leider geht in London ein eiskalter Wind. So fühlen sich 10 Grad
im Plus in London schnell mal an wie minus zehn Grad. Einen zweiten Schal und einen extra
dicken Pulli einzupacken kann daher nicht schaden! Glücklicherweise konnte ich noch ein
bisschen des Londoner Frühlings miterleben. Bei strahlender Sonne erscheint die Stadt
nochmal in ihrem vollen Glanz. Hier lohnt es sich in Southwark an der Themse entlangzulaufen. Man erhält einen unvergesslichen Blick auf die Stadt.
Lebenshaltungskosten:
London ist eine sehr teure Stadt. Das merkt man nicht nur bei den Mietpreisen, sondern
auch im täglichen Leben. Für die alltäglichen Dinge zahlt man schnell mal das Doppelte als
in Deutschland. Durch die Umrechnung Pfund-Euro verstärkt sich dieser Effekt gerade bei
schlechtem Umrechnungskurs noch einmal. Die Eintrittspreise zu den Touristenattraktionen
und den sonstigen Freizeitmöglichkeiten sind dementsprechend recht hoch. Wer also in
London auf nichts verzichten möchte, sollte vorher gut gespart haben .
Zusammenfassung:
Insgesamt war mein Praktikum in London ein voller Erfolg. Wer das Großstadtleben liebt und
eine passende Praktikumsstelle findet, der wird London voll auf seine Kosten kommen.
Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man wegen des kalten Windes im Winter besser im
Frühling/Sommer reisen. Aber auch im Winter ist London stets eine Reise wert!