Die Bearbeitung von Fallstudien: Ein Leitfaden für Studierende

CBK II – Personal, Führung, Organisation
Die Bearbeitung von Fallstudien: Ein Leitfaden für Studierende
Barbara Ender, Elisabeth von Hornstein und Kurt Matzler
Ausgangsüberlegungen
1.
Identifikation des Problems
1.1 Sammeln von Informationen
1.2 Situationsanalyse
2.
Entwicklung von Alternativen
2.1 Überlegen Sie sich Lösungsalternativen
2.2 Bewertung von (Lösungs-)Alternativen
3.
Lösung und Umsetzung
3.1 Auswahl der besten (Lösungs-)Alternative
3.2 Entwicklung von Implementierungsvorschlägen
4.
Vorbereitung der Präsentation des Ergebnisses
5.
Literatur
Seite 1 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
Ausgangsüberlegungen
Nachdem im vorangehenden Kapitel geklärt wurde, was die Fallstudienmethode ist, wozu sie eingesetzt wird und was ihre Erfolgsfaktoren sind, soll nun eine praktische Handlungsanleitung für eine Fallstudie vorgestellt werden.
Zentrales Ziel einer jeden in diesem Buch erfassten Fallstudie ist es, die Fähigkeit zum Treffen von
Entscheidungen zu fördern. Denn, um mit Nobelpreisträger Herbert Simon zu sprechen, „managing“ und „decision making“ ist ein und dasselbe (Simon, 1960).
Wie im vorangegangenen Kapitel angeführt, umfasst der typische Problemlösungsprozess aus
Sicht des Studierenden folgende Schritte:
1. Identifikation des Problems
2. Entwicklung von Alternativen
3. Bewertung der Alternativen
4. Auswahl der besten Alternative
5. Entwicklung von Implementierungsvorschlägen.
Sie werden feststellen, dass sich während der Arbeit an einer Fallstudie die Rollenverteilung und
Beziehung zwischen Ihnen als Studierenden und dem Dozenten verändert hat: Als Studierende
sind Sie in der aktiven, eigenständig erarbeitenden Rolle, der Professor tritt lediglich als Moderator
oder Berater in speziellen Fragen auf. Mit dieser Veränderung der Rollen haben Studierende eingangs oft Schwierigkeiten, mit zunehmender Übung wird jedoch die Übernahme der Verantwortung für den eigenen Lernprozess selbstverständlich.
Im Folgenden wird ein Prozess aufgezeigt, wie bei der Lösung eines Falles vorgegangen werden
kann. Selbstverständlich muss dieser Prozess immer an die jeweiligen Fallstudie angepasst werden. Wie immer in Bezug auf Managemententscheidungen: Es gibt keine letztgültigen Rezepte.
1. Identifikation des Problems
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Bewältigung einer Fallstudie ist die Vorbereitung:
Nur über eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Fallstudie und die Aufbereitung sämtlicher Informationen für die Entscheidung werden Sie die notwendigen Kenntnisse erlangen, um von der anschließenden Auseinandersetzung mit der Fallstudie profitieren zu können (Hitt
/ Ireland / Hoskisson, 1996).
1.1 Sammeln von Informationen
Schritt 1: Überfliegen Sie die Angaben zur Fallstudie ein erstes Mal
Das Ziel des ersten Lesens ist es, sich einen Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Lehnen Sie sich also zurück und genießen Sie eine spannende Geschichte. Dabei suchen Sie aber
bereits erste Antworten auf bestimmte Fragen. Diese lauten:
•
Wie verläuft die Story?
Seite 2 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
•
•
Wer sind die handelnden Personen? Welche Rolle spielen sie? In welcher Beziehung stehen
diese Personen zueinander?
Welche Problemstellung(en) können Sie erkennen, deren Lösung Ihre Aufgabe sein könnte
(z.B. vor dem Hintergrund des Lehrinhaltes etc.)
Versuchen Sie, die Informationen neutral aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen.
Berücksichtigen Sie Folgendes: Es ist das Ziel der hier dargestellten Fallstudien, Ihnen eine umfassende Beschreibung einer bewusst komplex dargestellten Situation zur Verfügung zu stellen.
Es ist Ihre Aufgabe - und diese Fähigkeiten sollen auch trainiert werden -, aus einer Vielfalt von Informationen die relevanten von den irrelevanten zu unterscheiden trennen?. Ebenso werden Sie
mit Informationen konfrontiert, die eventuell mehrdeutig, widersprüchlich oder auch unvollständig
sind. Die Fallstudien schildern aber durchwegs reale Situationen.
Im Unternehmensalltag muss eine Führungskraft Entscheidungen treffen, obwohl die Grundlagen
dafür unvollständig, widersprüchlich oder auch zweideutig sind und nach einer Kosten-NutzenÜberlegung auch bleiben müssen. Es ist die wichtige Fähigkeit einer Führungskraft, relevante von
irrelevanten Informationen unterscheiden zu können und selbständig den Zeitpunkt zu wählen,
wann eine Problemstellung entscheidungsreif ist, obwohl einige Fragen (noch) nicht geklärt sind.
Die Problemlösungsfähigkeit bei unsicherem Informationsstand ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren im Führungsalltag.
Dies bedeutet:
Es ist Ihre Aufgabe, selbständig, nach Abwägung aller zugänglichen Informationen zu einer Entscheidung zu kommen.
Schritt 2: Lesen Sie die Angaben noch einmal sorgfältig durch
Sie haben jetzt einen ersten Eindruck gewonnen: Sie kennen die „Geschichte“, die handelnden
Personen, Sie wissen, welche Problemstellungen zur Lösung anstehen könnten. Doch mehr kann
es nicht sein. Z.B. werden Ihnen viele relevante Informationen, die am Anfang der Fallstudie „auftauchten“, nicht mehr erinnerlich sein, da sie ja noch nicht wussten, worum es gehen wird, was im
weiteren Verlauf „passieren“ wird, und was die Problemstellung(en) sein könnten etc. Dies bedeutet:
Ziel des zweiten Lesens ist es, eine erste „Fachbrille“ über die „Story“ zu legen. Damit gehen Sie in
Ihrer Betrachtung eine Ebene tiefer.
Bevor Sie die Fallstudie ein zweites Mal lesen, formulieren Sie Fragen zum Text. Lernpsychologische Untersuchungen haben ergeben, dass Fragen, die vor dem Durcharbeiten eines Textes formuliert werden, die Konzentration und das Verständnis fördern (Schräder-Naef, 1995).
Derartige Fragen könnten in allgemeiner Hinsicht z.B. sein:
•
•
•
Welche Problemstellungen erscheinen mir für die Lösung des Falles wichtig?
Welche Informationen erscheinen mir wesentlich?
Wo ergeben sich Unklarheiten, Widersprüche, wo fehlen Informationen etc.?
Seite 3 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
Tool: Arbeiten Sie in dieser Phase „handfest“ mit Bleistift und Markerstift: Machen Sie sich Bemerkungen an den Seitenrand, notieren Sie Fragen, heben Sie wesentliche Informationen mit dem
Markerstift hervor, kurz: Verwenden Sie das Papier aktiv als Arbeitsunterlage und „bearbeiten“ Sie
diese.
Schritt 3: Abschließendes Lesen
Lesen Sie die Fallstudie ein drittes Mal sorgfältig durch und sehen Sie das einerseits als „Sicherheitscheck“ (haben Sie auch nichts Wesentliches überlesen?) und andererseits als Möglichkeit zur
Priorisierung:
•
Welche Informationen sind nach Ihrer Meinung wie wichtig? Ziel: Sämtliche Informationen
gesammelt zu haben, um Lösungsalternativen ausarbeiten und bewerten zu können. Wägen Sie dazu die Informationen ab, hinterfragen Sie die Fakten kritisch, und trennen Sie relevante von irrelevanten Informationen.
•
Welche Informationen beurteilen Sie wie? Dazu unterscheiden Sie zwischen
-
„Fakten“: Informationen, die von unterschiedlichen Quellen und Perspektiven gleich
gesehen werden, können als „verifiziert“ (bewiesen) beurteilt werden.
-
„Einschätzungen“: Informationen, die die Beurteilung einer Situation durch eine Person auf Grundlage von selbst Erlebtem widerspiegeln.
-
„Spekulationen“: Informationen, die aus einer Situation ohne beweisbare Quellen
abgeleitet sind, und
-
„Annahmen“: Informationen, die unabhängig von vorliegenden Quellen von Ihnen
bzw. in der Gruppendiskussion entwickelt werden.
Wie leicht nachvollziehbar ist, macht es für die weitere Vorgangsweise in der Fallstudie im Fall einen großen Unterschied, ob Ihre Entscheidungen auf Fakten oder eigenen Annahmen beruhen.
Beides ist zulässig, sofern Sie es logisch argumentieren und das Eine vom Anderen (für den Außenstehenden) unterscheidbar ist.
Wo ergeben sich Ihrer Meinung nach Informationslücken?
Jede Fallbearbeitung wird Unklarheiten oder Lücken enthalten: In sämtlichen Fallstudien dieser
Sammlung handelt es sich um reale Unternehmen, Märkte und Personen. Den Studierenden werden sämtliche Informationen, die den involvierten Führungskräften selbst zur Verfügung standen,
gegeben. Für Studierende ist es oft schwer zu glauben, wie wenig Information in der Praxis für
Entscheidungen in Unternehmen zur Verfügung stehen. Daher ist eine wesentliche Fähigkeit einer
Führungskraft, wohlüberlegte Annahmen entwickeln und in der Folge vor einem unsicheren Hintergrund Entscheidungen treffen zu können (Bernhardt/Kinnear, 1997).
Überlegen Sie, welche Annahmen Sie mit welcher Begründung treffen könnten.
•
•
Was ist / sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Problemstellungen?
Was sind die Ziele des Managers in der Fallstudie?
Beachten Sie dabei, dass Sie noch immer in der Phase des Sammelns und Sortierens von Informationen sind. Es geht noch nicht darum, die „richtige“ Lösung zu finden.
Wichtigstes Ziel ist: Umfassendes Erfassen und Verstehen der Problemstellung.
Seite 4 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
Tool: Auch in dieser Bearbeitungsstufe vertiefen und komplettieren Sie die Anmerkungen, Fragen,
etc. am Seitenrand und die Markierungen im Text der Fallstudie.
Es empfiehlt sich, nach dem Lesen eines jeden Abschnittes eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse zu erstellen. Halten Sie auch fest, welche Fragen für Sie offen bleiben. Auch
Unklarheiten, Widersprüche oder Querverbindungen sollten Sie notieren. Diese Zusammenfassung stellt die Basis für die weitere Arbeit dar, insbesondere, wenn Sie alleine arbeiten und daher
nicht die Möglichkeit haben, Ihre Erkenntnisse im Team zu hinterfragen.
1.2 Situationsanalyse
Die Situationsanalyse wird in zwei Schritten durchgeführt:
Schritt 1: Vergleich und Anreicherung der Sichtweisen im Team
Idealerweise haben Sie nun, nach dem Abschluss der Phase „Sammeln von Informationen“ die
Möglichkeit, Ihre Sichtweise durch die von anderen Studierenden anzureichern. Erkenntnisse der
Lernpsychologie zeigen deutlich, dass „Gruppenarbeiten, in denen Erfahrungen ausgetauscht,
Kenntnisse diskutiert, Techniken eingeübt werden, wesentlich zum besseren Lernen beitragen.“
(Schräder-Naef, 1995, S. 144)
Wenn Sie alleine (z.B. als Prüfungsarbeit) an einer Fallstudie arbeiten, überspringen Sie diesen
Schritt.
Erst wenn Sie die Fallstudie gründlich durchgelesen haben, macht es Sinn, in die Teamarbeit einzutreten, um die eruierten Informationen auszutauschen und zu vergleichen. Ziel dieses Austausches ist es, die eigenen Informationen um die der anderen zu erweitern, neue Sichtweisen zu
gewinnen und damit eine fundierte Basis zur Suche nach Lösungswegen zu schaffen.
Um diesen Prozess effektiv zu gestalten und wirklich die Vorteile von Teamarbeit nutzen zu können, gilt es, einige wesentliche Grundregeln erfolgreicher Teamarbeit zu beachten:
Exkurs: Regeln zur erfolgreichen Arbeit in einer Lerngruppe (Schräder-Naef, 1995, S. 145ff.;
Schräder-Naef, 1994, S. 70f ):
1. Empfehlenswerte Lern-Gruppengröße ist drei bis max. fünf Personen. Bei kleineren Gruppen kann sich das Problem ergeben, dass zu wenig Meinungsvielfalt herrscht, bei größeren
Gruppen erschwert sich der Entscheidungsfindungsprozess (nach dem Motto: „Zu viele
Köche verderben den Brei“!). Zudem findet sich dort das Phänomen, dass sich nur einzelne
Teilnehmer immer wieder zu Wort melden, die meisten anderen bringen ihre Beiträge aber
nicht aktiv ein.
2. Zu Beginn der gemeinsamen Arbeit ist eine Vereinbarung zur Zielsetzung und zum Vorgehen notwendig. Auch für jedes weitere Treffen ist es notwendig, dass Sie vorher Thema
bzw. Zielsetzung festlegen. Vorbereitung: Die gemeinsame Weiterentwicklung der Arbeit an
der Fallstudie ist dann erfolgsversprechend, wenn sämtliche Gruppenmitglieder sich sorgfältig vorbereitet haben. Daher sollte vor dem gemeinsamen Treffen jeweils genau vereinbart werden, was von wem vorbereitet sein soll (z.B. Lesen der Fallstudie, Durcharbeiten
Seite 5 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
fallspezifischer Literatur, Beantwortung bestimmter Fragen, Vorüberlegungen zu vereinbarten Themen etc.).
3. Überlegen Sie genau, für welche Aufgabenstellungen sich Teamarbeit eignet, für welche
hingegen Einzelarbeit Vorteile bringt. So ist z.B. Einzelarbeit in der ersten Phase notwendig, wenn der Inhalt der Fallstudie erfasst werden soll. Die Teamarbeit hingegen hat dann
ihre Stärke, wenn die Informationen umfassend gesammelt, kritisch reflektiert und priorisiert
werden sollen. Beachten Sie, dass „Untersuchungen zeigen, dass Einzelne kreativer sind
als Gruppen, dass von einer Gruppe weniger Ideen produziert werden als von der gleichen
Anzahl allein Arbeitender.
Allgemein gilt, dass Aufgaben, die ein divergierendes Denken (möglichst viele verschiedene
Lösungen) erfordern, besser von einer gleichen Anzahl Einzelpersonen gelöst werden,
während Gruppen bei Problemen, die ein konvergierendes Denken (Finden der besten Lösung) verlangen, dem Einzelnen überlegen sind. Aus einer Gruppenarbeit gehen meist weniger, aber genauere Ergebnisse hervor.“ (Schräder-Naef, 1994, S. 72). Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, zwischen zwischen Einzel- und Gruppenarbeit zu wechseln.
4. Wählen Sie einen Moderator: Die Aufgabe eines Moderators ist es, darauf zu achten, dass
jeder zu Wort kommt und gehört wird. Der Moderator fasst immer wieder zusammen und
führt bei ausschweifenden Diskussionen zum Thema zurück. Auch behält der Moderator
die Zeit im Auge. Eine sehr wichtige Aufgabe ist die Visualisierung, um den Stand und die
Ergebnisse der Diskussion für alle sichtbar zu machen (z.B. eignet sich dafür die Arbeit mit
Flipcharts sehr gut). Die Rolle des Moderators kann auch abwechselnd von unterschiedlichen Mitgliedern der Gruppe übernommen werden.
5. Vereinbaren Sie im Team das gemeinsame Ziel, das Sie am Ende dieser Teamsitzung erreicht haben wollen.
6. Vereinbaren Sie gemeinsame Spielregeln (z.B. Pünktlichkeit, Halten an Abmachungen wie
z.B. Aufgabenverteilungen, rechtzeitige Information der jeweils Anderen bei Zeitverzögerungen etc.). Akzeptanz als Grundeinstellung ist wichtig: Denken Sie daran, dass der große
Vorteil der Arbeit im Team gegenüber der Einzelarbeit ist, dass Sie eine Vielfalt von Ansichten erhalten und damit eine Bereicherung Ihrer eigenen Sichtweise erhalten können
(Schräder-Naef, 1995, S. 145ff.; Schräder-Naef, 1994, S. 70f.).
•
einander zuhören
•
Statements kurz fassen
•
Meinungen respektieren
•
Kritik äußern.
Zu Beginn der gemeinsamen Arbeit empfiehlt es sich, dass jedes Teammitglied seine Kurzzusammenfassung präsentiert, damit alle Gruppenmitglieder den selben Informationsstand erlangen.
So können die unterschiedlichen Erkenntnisse und Sichtweisen verglichen werden. Es kann überlegt werden, welche die wesentlichen Punkte sind, und weiterführende Gedanken sollten diskutiert
werden.
Seite 6 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
Schritt 2: Definieren Sie die Problemstellung(en)
Nun kann in die nächste Phase eingetreten werden: Sie erarbeiten in der Gruppe eine gemeinsame Sichtweise zur Problemstellung.
Achten Sie dabei darauf, „Probleme“ von „Symptomen“1 zu unterscheiden: Demnach sind Symptome oft nur Erscheinungsformen eines Problems – ein Hinweis darauf, dass etwas anders ist,
als es tatsächlich sein sollte. Symptom einer Krankheit z.B. können Kopfschmerzen sein. Die Einnahme einer Kopfwehtablette würde nur das Symptom kurieren, wenn die Krankheit (das zugrundeliegende Problem) aber z.B. ein Eiterzahn ist, wird diese weiterhin bestehen und (evtl. andere)
Symptome hervorbringen. Es ist schwierig, das Eine vom Anderen zu unterscheiden, jedoch ist die
Fähigkeit, den „wahren Kern“ herauszuarbeiten, ein wesentlicher „Management-Skill“.
Die Definition der wesentlichen Problemstellung(en) ist bestimmend für den weiteren Verlauf Ihrer
Arbeit: Nur die damit im Zusammenhang stehenden Themen werden Sie weiterverfolgen und Lösungsalternativen suchen. Eine klare Festlegung ist auch deshalb wesentlich, weil nur daran gemessen werden kann, ob
•
Informationen letztendlich wesentlich oder unwesentlich sind. Wesentlich („relevant“) sind
Informationen dann, wenn sie dazu geeignet sind, zukünftige Entwicklung/ zukünftige Entscheidungen wesentlich in Richtung des Ziels zu beeinflussen.
•
Alternativen brauchbar sind oder nicht und in der Folge, welche Alternative besser ist als
die anderen.
Schritt 3: Identifizieren Sie die Ziele
An den Zielen, die sich eine Organisation bzw. deren Subsysteme setzt, werden in jedem Unternehmen Erfolg bzw. Misserfolg sämtlicher Maßnahmen gemessen. Daher ist es wesentlich, dass
Sie diese Ziele aus den Angaben der Fallstudie herausarbeiten und festlegen. Zumeist kann die
Zieldefinition von Aussagen der Schlüsselpersonen oder im Fall beschriebenen Dokumenten abgeleitet werden. Wo derartige klare Aussagen fehlen, müssen Sie die Ziele von anderen in der Fallstudie dargestellten Daten und Informationen ableiten (Hitt/Ireland/Hoskisson, 1996).
Starten Sie mit der Fallstudienanalyse erst dann, wenn alle im Team das gleiche Problemverständnis haben und Sie in der Lage sind, die jeweilige/n Problemstellung/en in jeweils einem Satz
zu definieren! Des Weiteren muss eine Einigung auf die wesentlichen Ziele der Organisation/ der
Abteilung/ des Managers/ der handelnden Personen erfolgt sein. Diese Ergebnisse bilden den
Maßstab für Ihre weitere Arbeit: Klarheit in diesen Punkten bietet Ihnen eine Beurteilungshilfe dafür, welche der später entwickelten Lösungsalternativen am meisten Erfolg verspricht.
1
Vgl. “Problem: ... zu lösende Aufgabe; Frage(stellung); Schwierigkeit“ vs. ´“Symptom: ... Anzeichen; Merkmal: Duden (2001).
Seite 7 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
2. Entwicklung von Alternativen
2.1 Überlegen Sie sich Lösungsalternativen
Auf dieser soliden Basis gehen Sie jetzt daran, systematisch die beste Alternative für Ihre Entscheidung zu suchen:
Hilfreich kann dazu eine Liste sein, die eine Aufstellung enthält zu
•
unterschiedlichen Handlungsalternativen, die die Akteure in der Fallstudie ergreifen und
selbst steuern und kontrollieren können.
•
Unsicherheitsfaktoren pro Handlungsalternative, die von den handelnden Personen nicht
beeinflussbar sind (z.B. könnten derartige Unsicherheiten sein: die Verhaltensweise von
Mitbewerbern oder die Reaktion der Kunden auf eine bestimmte Marketingaktion). In derartigen Fällen müssen Annahmen getroffen werden, die offen ausgesprochen und festgehalten werden, insbesondere, wenn diese die Beurteilung unterschiedlicher Handlungsalternativen beeinflussen (Kerin/Peterson, 1998).
•
Vor- und Nachteile einer jeden Handlungsalternative.
Tool: Die Darstellung in Tabellenform sieht daher aus wie folgt:
Handlungsalternativen
Vorteile
Nachteile
Unsicherheitsfaktoren
Alternative 1
V1
N1
U1
V2
U2
V3
Alternative 2
V1
N1
U1
u.s.w
Damit haben Sie gleichzeitig Indizien für Entscheidungsfaktoren (in Form der Vorteile und Nachteile) gesammelt, die Sie bei der Bewertung der Lösungsalternativen weiterverwenden können.
Größte Gefahr in dieser Phase der Bearbeitung ist es, sich bereits auf eine Alternative festzulegen,
ohne vorher andere mögliche Alternativen sorgfältig durchdacht zu haben.
Es ist sehr vorteilhaft, wenn Sie mehrere Lösungsansätze erkennen und auch (schriftlich) festhalten: Sie schulen damit Ihre Fähigkeit, in Varianten zu denken und damit Ihre Flexibilität, an Problemstellungen offen heranzugehen.
2.2 Bewertung der (Lösungs-)Alternativen
Sie haben nun die Problemstellung formuliert und sich mehrere Lösungsalternativen überlegt. Jetzt
ist es Ihre Aufgabe, diese Alternativen miteinander zu vergleichen. Dazu müssen Sie sich überle-
Seite 8 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
gen, welche Alternative Sie der Zielsetzung des Managers, die Sie definiert haben, am nächsten
bringt.
Hierfür ist es notwendig, die Konsequenzen jeder einzelnen Lösungsalternative sorgfältig
herauszuarbeiten:
•
Welche Folgen hätte welche Entscheidung in Bezug auf die ausgearbeiteten Ziele?
•
Welche Vor- und Nachteile sind mit der jeweiligen Alternative verbunden? Dafür können Sie
die Tabelle, die Sie unter 2.1 entwickelt haben, heranziehen.
•
Welche Faktoren müssen wie weit erfüllt sein, damit das Ziel erreicht ist?
Als Mittel dafür arbeiten Sie nun die Entscheidungsfaktoren aus, an denen Sie die Güte der unterschiedlichen Alternativen beurteilen. Diese Faktoren leiten Sie aus den Zielen, den Ergebnissen Ihrer Situationsanalyse und den Vor- und Nachteilen der einzelnen Alternativen ab. Wichtig ist, dass
Sie diese Kriterien nach ihrer Bedeutung priorisieren, um eine rationale und effiziente Evaluation
der einzelnen Alternativen zu gewährleisten.
Einzelne Alternativen werden bereits bei einer groben Überprüfung „aus dem Rennen“ sein –
scheiden Sie diese aus. Für die Beurteilung der Qualität Ihres Lösungsvorschlages ist es jedoch
wichtig, dass Sie auch diese Alternativen mit einer kurzen Begründung, warum Sie diese ausgeschieden haben, schriftlich festhalten.
Andere Lösungsalternativen werden jedoch nur mit höherem Aufwand beurteilt werden können.
Unterstützung kann dabei die Arbeit mit der „Konsequenzentabelle“ bieten (Hammond/Kenney/Raiffa, 2001):
In dieser Tabelle halten Sie zu jedem der Ziele, das mit der Lösung bestmöglich erreicht werden
soll, die entsprechende Konsequenz (Vor- und Nachteile), die bei Wahl der Alternative eintreten
würde, fest:
Konsequenzen der Alternativen
Ziele
Entscheidungsfak- Alternative 1 Alternative 2 Alternative 3
toren (= Unterziele)
z.B. zu 80% Nicht erfüllt
erfüllt
Zu 30 % erfüllt
Das Ergebnis ist eine Liste von unterschiedlichen Entscheidungsfaktoren, denen die unterschiedlichen Ergebnisse der jeweiligen Alternative gegenüberstehen. Sie können in dieser Tabelle viele
Informationen genau und übersichtlich darstellen und damit Ihre Alternativen gemessen an der
Zielerreichung vergleichen. Sie gehen damit sicher, dass Sie sämtliche wichtige Informationen berücksichtigen und können zielgerichtet über Ihre Alternativen, Ziele und mögliche Konsequenzen
nachdenken. Außerdem haben Sie damit eine Basis, Kompromisse abzuwägen und zu argumentieren (Hammond/Kenney/Raiffa, 2001).
Seite 9 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
3. Lösung und Umsetzung
3.1 Auswahl der besten (Lösungs-)Alternative
Auf Basis der sorgfältigen Gegenüberstellung der wesentlichen Argumente und Entscheidungskriterien ist es nun an der Zeit, die beste Lösungsalternative auszuwählen. Oft sind derartige Entscheidungen komplex, unter anderem deshalb, weil gegensätzliche Ziele damit verbunden sind. Es
ist meistens nicht möglich, mit einer Lösung sämtliche Ziele gleich gut zu erreichen - „man kann
einfach nicht alles haben. Aus diesem Grund müssen Sie Kompromisse schließen. Sie müssen
sich von bestimmten Vorstellungen trennen, um in anderen Punkten dazuzugewinnen.... Vernünftige Kompromisse zu finden, ist eine der wichtigsten, aber auch schwierigsten Herausforderungen
bei der Entscheidungsfindung. Je mehr Alternativen und Ziele erwogen und verfolgt werden, um so
mehr Kompromisse werden erforderlich.“ (Hammond/Kenney/Raiffa, 2001, S. 106f).
Wesentlich dabei ist, dass Sie einen objektiv nachvollziehbaren Maßstab, eine logisch nachvollziehbare Argumentationskette entwickeln und darlegen, warum Sie sich für welche Alternative entschlossen haben und aufgrund welcher Überlegungen Sie die anderen Alternativen ausgeschlossen haben. Die Beurteilung der Qualität Ihres Lösungsvorschlages erfolgt grundsätzlich nach folgenden Richtlinien:
•
Erfolgte eine eingehende Analyse sämtlicher Fakten aus unterschiedlichen Perspektiven?
•
Ist die Argumentationskette in sich schlüssig?
•
Ist der vorgeschlagene Lösungsweg in hohem Maß dazu geeignet, die Ziele des involvierten Managers zu erreichen? (Bernhardt/Kinnear, 1997).
3.2 Entwicklung von Implementierungsvorschlägen
Zum Abschluss muss die Umsetzungsplanung erfolgen. In der Realität werden dazu „To-do-Listen“
eingesetzt, die festhalten,
•
wer für die Umsetzung verantwortlich ist (Name des Verantwortlichen)
•
was wie zu erledigen ist und
•
bis wann die Maßnahme umgesetzt / abgeschlossen zu sein hat („Deadline“).
Dies ist ein wesentliches Tool, damit Pläne, Sitzungsergebnisse und andere Vorhaben nicht „auf
dem Reißbrett hängen bleiben“, sondern tatsächlich auch in die Praxis umgesetzt werden:
Tool: To-do-Liste:
Wer?
Name
Was?
(evtl: Teilaufgaben)
bis
wann?
z.B. „Information z.B. „Präsentation über...“ Datum
des Vorstandes oder „gemeinsames Meeüber....“
ting mit...“; „E-Mail“ u.ä.
Seite 10 von 11
CBK II – Personal, Führung, Organisation
Auch in der Praxis führt mangelnde Umsetzungsplanung zum Misserfolg an sich brillanter Strategien. Aus diesem Grunde ist auch diesem Schritt sorgfältige Beachtung zu schenken und eine genaue Analyse durchzuführen!
4. Präsentation des Ergebnisses
Oft werden die Ergebnisse der Fallbearbeitung vor dem Plenum präsentiert und diskutiert. Sie sollten diese Präsentation zielgruppengerecht vorbereiten und insbesondere berücksichtigen, dass
Dozent und KommilitonInnen den Fall bereits sehr genau kennen. Daher werden Sie sich vor allem
auf die Interpretation der Fakten, Argumentation der Lösungsalternativen und vor allem des Lösungsvorschlages konzentrieren.
Bei der Präsentation durch unterschiedliche Gruppen wird sich herausstellen, dass es zumeist
nicht eine einzige richtige Lösung gibt. Dies entspricht durchaus auch realen Situationen, in denen
im Nachhinein nicht mit Sicherheit festgelegt werden kann, was geschehen wäre, wenn eine andere Alternative gewählt worden wäre. Zu dynamisch und komplex ist die Entwicklung innerhalb des
Unternehmens und im Unternehmensumfeld, als dass es nur eine absolute Wahrheit geben könnte. Sorgfältige Entscheidungsvorbereitung minimiert jedoch Unabwägbarkeiten und steigert Erfolgschancen.
In diesem Sinne: Gutes Gelingen!
5. Literatur
th
Bernhardt, K.L., Kinnear, T.C.. (1997). Cases in marketing management. 7 ed. Chicago: IRWIN.
Duden (2001). Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG.
Hammond, J.S., Keeney, R.L., Raiffa, H. (2001). Schnell und sicher entscheiden. die neue Methode der Harvard Business School. Düsseldorf; Berlin: Metropolitan-Verlag.
Hitt, M.A., Ireland, R.D., Hoskisson, R.E. (1996). Strategic management: competitiveness and globalization:
Theorie and cases. 2
nd
ed. St. Paul: WEST PUBLISHING COMPANY.
Kerin, R.A., Peterson R.A. (1998). Strategic Marketing Problems. Cases and Comments. 8. Aufl. New Jersey: Prentice Hall.
Simon, H.A. (1960). The New Science of Management Decision. New York: Haupt; Stuttgart: Harper & Row.
Schräder-Naef, R. (1995). Lerntraining für Erwachsene: „Es lernt der Mensch, so lang er lebt“. 3. Aufl. Weinheim; Basel: Beltz; (Beltz Weiterbildung: Training).
Seite 11 von 11